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I.
DIE CLUOTACMSER
IN IHRER
KIROHXIOHEN UND ALLGEMEINGESOHICHTLICHEN
WIEKSAMKEIT
BIS ZUR MUTE DES ELFTEN JAHRHUNDERTS
VON
ERNST SACKUR.
ERSTER BAND.
Or THT"
UNIVERSITY ,
or J
HALLE A. S.
MAX NIEMEYER.
1892.
lY
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Q -
Sr/ir'r<tl..s
HERRN GEHEIMEN REGIERÜNGSRAT
Da ERNST DUMMLER
EHRERBIETIGST ZUGEEIGNET.
I0DS14
Vorwort.
Die Geschichte der klösterlichen ReformbewegaDg ist die
Geschichte einer allgemeinen Renaissance. Es handelte sich
um die Schaffang neuer Lebensbedingungen, namentlich fUr
Frankreich, nach der von Normannen und Sarrazenen herbei-
geführten Vernichtung jener fränkischen Cultur, die auf den
Trttmmern des römischen Reiches erblüht war. Die Kirche
und in erster Reihe die Klöster unternahmen diese hervor-
ragend sociale Aufgabe. Die Macht, welche die Organe der
Religion auf die Volksmassen ausübten, zog ihre wesentliche
Kraft und Stärkung aus dem wachsenden religiösen Bedürfnis,
aber auch aus dem Zusammenfall der religiösen und wirt-
sehaftlichen Interessen. Nur die Grossgrundwirtschaften der
Mönche vermochten in vielen Teilen des fränkischen Reiches
weiten Schichten der Bevölkerung eine neue Existenz zu be-
reiten.
Die vorliegende Arbeit setzt sich die Aufgabe, diese
Wiederbelebung religiösen Sinnes und materieller Blüte zu be-
handeln, soweit dieselbe in der von Cluni beeinflussten Reform
der Klöster zum Ausdruck kommt; sie bezweckt aber auch die
allgemeingeschichtliche Wirksamkeit der bei der Reform be-
teiügten Personen zur Anschauung zu bringen. In besonderen
Abschnitten sollen Nachrichten über Gütererwerb und Wirt-
schaft reformierter Klöster, über Kunst und Litteratur ge-
VI
sammelt nnd verwertet werden. In dem ersten Bande, der
hiermit der Oeffentlichkeit übergeben wird , stehen die Kloster-
reformen des zehnten Jahrhunderts im Mittelpunkt der Dar-
stellung, während die allgemeingesehiehtliehe und cultur-
historisehe Bedeutung der Bewegung im zweiten stärker hervor-
treten wird. Aber ich betrachte gerade diese Capitel nur als
einen Versuch. Besonders ftlr die kunsthistorisehen Aus-
führungen, ftlr die es sieh nicht nur darum handelte, die schrift-
liehen Quellen auszunützen, sondern auch Mitteilungen über
erhaltene Bauwerke und Altertümer zu sammeln, ist das Material
so lückenhaft, dürftig und schwierig zusammenzubringen, dass
ich nicht den Anspruch erheben darf, eine abgerundete Dar-
stellung zu geben.
Als Zeitgrenze habe ich das Auftreten Hugos von Clnni
und Papst Leos IX. in Aussicht genommen. Mit Abt Hugo
tritt Gluni in die zweite Periode seiner historischen Entwicklung.
Zu seiner Zeit werden die Statuten fixiert, das Mutterkloster
wird das Haupt eines weitverzweigten Ordens. Die Bewegung,
die bis dahin regellos, je nach Gelegenheit und Umständen,
verschieden nach Zeit und innerer Bedeutung, sich fortpflanzte
und in der Ferne sich verlor, wird angehalten und festerer
Regelung unterworfen. In allen Ländern der Christenheit er-
hoben sich die Priorate der Gluniacenser. Zugleich mit Hugo
erschien Leo IX. auf der Bühne der Weltgeschichte. Ganz
neue Tendenzen kamen mit ihm zur Herrschaft. Er errichtete
im Reimser Concil ein Inquisitionstribunal ftir simonistische
Eirchenftlrsten. Wie wenig seine Absichten und Massregeln
ohne weiteres sich mit denen der früheren Cluniaeenser deckten,
zeigt das vielgerühmte Wort des jugendlichen Abtes Hugo, der
auf dem Concil eingestand, dass er selbst in Versuchung ge-
raten sei, sein Amt durch Simonie zu erwerben. Für Gluni,
wie ftlr den römischen Stuhl begann die Zeit der weitesten
Machtentfaltung. Die Vorgeschichte dieser Entwicklung in
VII
Frankreich, Deutschland, Italien nnd Spanien soll hier gegeben
werden : nnr England, das zwar Mh von Fleury aus beeinflusst
wurde, aber in seiner ganzen weiteren Geschichte eigene
Bahnen und Richtungen verfolgte, blieb ausgeschlossen.
Das einschlägige Quellenmaterial glaube ich im wesent-
lichen verwertet zu haben. Sollte mir aber die eine oder
andere Urkunde, oder eine wichtigere Specialarbeit entgangen
sein, was ich im Hinblick auf die mitunter schwer zugäng-
lichen französischen Provinzialzeitschriften ftlr möglich halte,
so wird mir hoffentlich niemand einen schweren Vorwurf daraus
machen. Ich hatte übrigens Gelegenheit eine grössere Zahl
ungedrnckter französischer Cartulare im Original oder modernen
Abschriften durchzusehen und, soweit es mir für meinen Zweck
nötig schien, zu excerpieren. Manches habe ich daraus im
Text benutzt, einiges neben andern Reisefrttchten schon früher
oder in den Beilagen veröffentlicht.*) Von gedruckten Ur-
kunden habe ich in der Regel nur die neuesten Ausgaben
citiert, soweit sie mir bekannt oder zugänglich waren.
Unter meinen Vorgängern ragt der grosse Geschicht-
schreiber des Benedictinerordens weit hervor. Mabillons Ge-
lehrtenblick nnd Sammelfleiss war so wenig Erhebliches ent-
gangen, dasB selbst die vielen späteren Publicationen sein
Material um wichtige Stücke nur selten zu ergänzen ver-
mochten. Auch war es nicht seine Schuld, dass bis auf unsere
Tage schwere Irrtümer sich von Buch zu Buch fortgeerbt
0 Ben Herren H. Omont nnd Couderc von der Nationalbibliothek
bin ich für einige nachtriigliche Bemerkungen verpflichtet, da es mir in den
Anfängen meines Pariser Aufenthalts (1888) teilweise an der nötigen Übung
nnd Sicherheit im Handschriftenlesen gebrach. Die AuszUge aus dem
Gartul. de Parey-le-Monial würde ich fortgelassen haben, wenn ich vor
Dmcklegnng gewusst hätte, dass U. Chevalier eine voUständige Ausgabe
auf Grund alles vorhandenen Materials eben vollendet hat
VIII
haben. Die Neueren fussten meist fast aassehliesslich auf ihm,
wie Pignot; wichen sie von ihm ab, so geschah es nicht immer
zum Vorteil der Wissenschaft. Von Zeitgenossen sind — ab-
gesehen von den Bearbeitern der Jahrbücher des Deutschen
Reichs, wie Dttmmler und Bresslau, die um die Erforschung der
Reformbewegung in Lothringen besondere Verdienste haben —
eigentlich nur W. Schnitze, Ladewig, Ringholz an die kritische
Bearbeitung grösserer Abschnitte gegangen, aber teilweise kurz
und summarisch, und nicht immer mit Glück. Eine zusammen-
fassende Arbeit, die sich auf alles erreichbare Material stützt,
und die verschiedenen Richtungen der Reformbewegung ein-
gehend verfolgt, fehlte bisher. Wenn ich mich dieser Auf-
gabe unterzog, so hatte ich den Vorteil, bereits die Urkunden-
schätze Clunis in ihrer Vollständigkeit für meine Zwecke be-
nützen zu können, was vielleicht mit mehr Erfolg noch
geschehen wäre, wenn man nicht den Einfall gehabt hätte,
eine, tausende von Urkunden enthaltende, an sich verdienstliche
Publication, die sich mehr als zwanzig Jahre bis zu ihrer
Vollendung hinzieht, bändeweise ohne jedes Register in die
Welt zu setzen. Eine nach allen Richtungen hin befriedigende
Ausnutzung der cluniacensischen Cartulare, wie ich sie mir
namentlich für vrirtschaftliche und localgeschichtliche Gesichts-
punkte denke, ist vor Erscheinen der Indices nicht zu er-
möglichen.
Es bleibt mir noch übrig, die Nachsicht der Fachgenossen
fUr eine Arbeit anzurufen, die ich als junger Student, unsicher
tastend, begann und die ich erst nach nahezu dreijähriger Be-
schäftigung mit andern Dingen — nachdem sie mir selbst
fast fremd geworden — auf Grund wiederholter Bearbeitung
zu veröffentlichen mich entschloss. So wenig ich aber auch
jetzt in allen Teilen zu meiner Befriedigung gearbeitet habe,
so sehr wünschte ich doch wenigstens das Bestreben an-
erkannt zu sehen, eine wichtige geistige Bewegung in ihren
IX
Ursaehen nnd Wirkungen als ein ganzes zu erfassen nnd zu
behandeln.
Der zweite Band mit dem Register wird hoffentlieh im
Lanfe des kommenden Jahres folgen können.^)
^) Abgesehen von den bekannten Siglen: SS. (= M. G. Scriptores),
LL. (Leges), DO. (Diplomata Ottonis) habe ich der Kürze wegen noch
folgende gebraucht: CHOL = Bemard et Bruel, Recueil des cbartes
de Clttny; HF = Bouquet, Recueil des bistoriens de la France; HPM
^ Historiae Patriae Monumenta.
Berlin, im Oetober 1891.
Ernst Sacknr.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 1—35
Verfall der Klosterzucht unter Karl dem Grossen 1.
Reform unter Ludwig dem Frommen 4. Benedict von
Aniane 4. Der Clerus unter Karl dem Grossen 6. All-
gemeine Reformversuche unter Karl und Ludwig, die
Pariser Synode 8. Einfälle der Normannen, Sarrazenen,
Ungarn 9. Mangelhafte Verteidigung 11. Verheerungen
der Barbaren 13. Die Kriegscontributionen 15. Der
räuberische Kriegsadel 15. Die Grafen, königlichen Be-
amten und Grossgmndbesitzer 16. Der Wucher 17. Auf-
hören kirchlicher Armenpflege und Gastlichkeit 18. Ir-
religiosität der Laien 18. Verweltlichung der Geistlich-
keit 19. Verfall wissenschaftlicher Bildung 20. Untergang
des Klosterwesens 21. Wirtschaftliche Verwaltung 21.
Ueppigkeit der Mönche 22. Benefizialische Verleihung
und Beraubung der Klöster 23. Verarmung vieler Ab-
teien 25. Hof leben der Laienäbte 25. Reformversuche
der weltlichen und geistlichen Macht 27. Synoden von
Thionville, Vemeuil, Epemay, Soissons 28. Verzweiflung
des Königs und der Bevölkerung 31. Erneute Reformbe-
strebnngen im ost- und westfränkischen Reiche 32. Synode
von Trosly 33. Klostergriindungen des Adels 34.
Erstes Capitel. Bemo und Odo.
(S. 36—120.)
1. Bannte nnd die Anfftnge von €lnni 36—70
I. St. Martin in Autun 36. Bemo und die Gründung von
Gigny 37. Baume 38. Wilhelm der Fromme, tierzog von
Aqnitanien 39. Cluni 40. Gründung von Cluni 41. Odo
43. Seine Jugend 44. In Tours 45. In Baume 48. —
II. Die Institutionen 50. Grundgedanke 51. Gehorsam
53. Schweigsamkeit 53. Disciplin 55. Psalmengesang 56.
Heilige Leetüre 57. Kleidung 58. Ernährung 61. — III.
Gründung von D^ls 63. Massay 64. Wahl Odos 65.
XII
SeiU
Testament Bernos 66. Der Streit um Alfracta 67. Cluni
nach dem Tode Wilhelms und Bernos 68. Urk. Jo-
hanns XL 70. Tendenz Odos 70.
2. Reformthfttigkeit Odos 71—114
Burg und 71—75. Der burgundische Adel 72. Die
Reform von Romalnmoutier 73. Hugo der Schwarze 74.
— Aquitanien 75—88. Die Grafen von Auvergne 75.
Turpio von Limoges und Aimo von TuUe 77. Reform
von Aurillac 77. TuUe 78. Sarlat und Saint -Sore de
Genouillac 80. L6zat bO. St. Martialis in Limoges SL
Martin von St. Augustin in Limoges 82. St. Jean d^An-
g61y 82. lumieges 83. Auvergne 83. Die Vicegrafen 84.
Gründung von Chanteuge 85. St. Allyre de Clermont 85.
Raimund von Toulouse 86. St. Pons de Thomicres 86.
St. Chaifre du Monastier 87. Sainte-Enimie 87. — Nörd-
liches Frankreich 88—93. Fleury-sur-Loire 88. St.
Pierre -le -Vif in Sens 92. St. Julien de Tours 92. —
Odo in Italien 93 — 1 1 4. Kirchliche Zustände in Italien
93. Die italienischen Klöster 95. König Hugo und seine
Beziehungen zu Cluni 97. Odo vermittelt zwischen Hugo
und Alberich 99. Alberich und die römischen Klöster 99.
St Paul IUI. St. Maria auf dem Aventin, St. Lorenz,
Sancta Agnes 101. St. Andreas auf dem Scaurusberge
102. Subiaco 103. St. Elias in Nepi 104. Farfa 104.
LeoYU. und Odo 105. Odos Reisen 105. Erfolge 111.
Monte-Cassino 113.
3. Odos Tod und PersönHchkeit 114—120
Beziehungen zu Tours 114. Tod 1 15. Lebensanschauungen
und Character 116.
Zweites CapiteL Lothringische Reformen.
(S. 121-180.)
1. Gerhard von Brogne und die Reform in Niederlothringen
und Flandern 121—141
Niederlothringen 121—127. Gerhard 122. GHindung
von Brogne 124. St. Denis 124. St. Ghislain 125. —
Flandern 127—141. Klosterzustände 128. St. Bavo 129.
St. Pierre au Mont-Bhmdain 130. St. Bertin 132. St.
Amand 133. St. Omer 134. Thin-le- Montier 134. Nor-
mandie 135. Die flandrischen Klöster nach Gerhards Ab-
dankung 135. St Vaast 139. Character der lothringischen
Reformbewegung 139.
2. Oberlothringen 141—180
Kirchliche Zustände 141—150. Die Bischöfe 142.
Vorbedingungen der Reform 144. Der Clerus 145. Die
XIII
Seite
religiöse Bewegung im Sprengel Toul 146. Johann von
y andieres 1 46. Reformatoren in den Diöcesen Metz und
Verdun 148. Adalbero wird gewonnen 149. — Gorze
150 — 155. Die Gorzer Güter 150. Adalbero und seine
Brüder 151. Einzug in Gorze und Verhältnis zu Adal-
bero 153. Die Aebte Einold und Johannes 155. — St.
Evre 156-160. Geschichte des Klosters 156. Reform
158. Die Aebte Archembald und Humbert 158. — Gorze
und Cluni 161 — 163. Asketische Richtung in Gorze 161.
Cluniacensische Einflüsse 161. — Gorzer Reformen
163—174. Diöcese Metz: St. Arnulf 168. St. Glodesindis
und St. Peter 165. — Diöcese Toul: Senones 165. Moyen-
moutier 166. Belmont 167. St. Di6 168. — Diöcese
Lüttich: Stablo-Malm6dy 169. St. Hubert 170. Gembloux
170. Lobbes 171. St. Trond 173. — Reformen von
St. Evre 174—180. Diöcese Toul: Bouxieres 174. St.
Mansuy 175. — Diöcese Langres: Montierender 176. —
Diöcese Verdun: St.Vannes 178. St. Mihiel 180.
Drittes Capitel. Reformen in Nordfrankreich.
(S. 181—204.)
1. Hchotteiireforin .."... 181 — 186
Ankunft der Schotten 182. St. Michel en Thierache 182.
Waulsort 183. Kaddroe wird Abt von St. Clemens in
Metz 183. Sein Tod 185. Malcalan in St. Vincenz in
Laon 185.
2. Die floriacensisehe Reform 186—204
Kirchenprovinz Reims 186— 195. St. Remi 187. Hom-
blieres 189. Mont-Saint-Queutin 190. St. Basle 191. Erz-
bischof Adalbero 192. Mouzon 192. St. Thierri 193.
Synode zu Mont-Notre-Dame cn Tardenois 104. —
Andere Reformen Fleurys 195—204. Unter Wul-
fald : St. Pere in Chartres 1 96. St. Fleurent de Saumur
197. — Unter Richard: St. Mesmin 200. La R6ole 201.
St. Pierre -le -Vif in Sens 203.
Viertes Capitel. Aymard und Majolus.
(S. 205—238.)
1. Clan! bis zum Tode Aymards 205—217
Aymard 205—209. Wahl Aymards 206. Fortschritte
Clunis 207. Sauxillanges 208. Designation des Majolus
209. — Majolus 209— 217. Seine Jugend 209. In Mäcon
211. MUnchinCluni214. Römische Reise 214. Materielle
Zustände in Cluni 215. Majolus neben Aymard 216.
XIV
Seite
2. Clnni und das deutsche Reieh 217—238
Die Gründung von Peterlingen 217—222. Die
Gründung Bertas 218. Vollendung durch Adelheid 219.
Besitzungen im Elsass 220. Gründung von Altorf 22o.
— Italienische Reisen des Majolus 222—238. I.
St. Maria bei Pavia 223. St. Paul in Rom 224. Urk. Jo-
hanns XIII. 225. Majolus am kaiserl. Hofe 226. St. Sal-
vator bei Pavia 226. San ApoUinare in Classe 227. Ge-
fangennahme des Majolus 228. — II. Die Grafen der
Provence 221). St. Amand in der Grafschaft Trols-Chateaux
229. Sieg über die Sarrazenen 230. Reform von L^rins
230. Weitere Folgen des Sieges 231. Cluniacenser in
der Grafschaft Valence 232. - III. Majolus soll 974 Papst
werden 233. Majolus versöhnt 980 Adelheid mit Otto II.
234. Majolus 9^3 in Verona 235. Johannes von Parma
235. Reform von St. Peter Ciel d'oro 2 iö. Schluss 237.
Fünftes Capitel. Reformen im Herzogtum
Burgund und in Francien.
(S. 239—269.)
1. Mi^olns von Cluni 239—256
Die Karolinger und Robertiner 239. — Burgund 241--244.
Paray-le-Monial 241. Herzog Heinrich von Burgund 242.
Helderich von St. Germain 243. St. Leodegar von Cham-
pelles 243. Flavigny 214. — Francien 245-256. Mar-
moutier 245. St. Maur-des-Foss^s 247. Connery 249.
St. Denis 251. Tod des Majolus 251. Seine Persönlich-
keit und Erfolge 252.
2. Wilhelm von Tolpiano .. 257-269
Abstammung und Jugend 257. St. Saturnin a. d. Rhone
259. Bruno von Langres 260. Saint-B6nigne 261. Otto
Wilhelm von Burgund und Saint-B^nignc 264. Der bur-
gundische Adel und seine KlostergrUndnngen 265. Beze
267. Saint-Michel de Tonnerre 269.
• Sechstes Capitel. Abbo von Fleury.
(S. 270—299.)
I. Entwicklung des päpstlichen Schutzes 270. Die Aebte
Richard, Oylbold und Abbo von Fleury und der Bischof
von Orl6ans 272. — IL Abbos Jugend 274. Die Wahl
Oylbolds 276. Abbo in England 277. — III. Das Concil
von Reims 279. Die beiden Parteien 279. Brief Leos
von St. Bonifazius 282. Denkschrift Gerberts 283. - IV.
Abbo und Arnulf von Orleans 284. Die Zehntenfrage 285.
Die Synode von Saint-Denis 286. Der Apologeticus 286.
Die Canonsammlung 289. — V. Abbo und Hugo Capet
XV
Seite
291. Abbos römische Gesandtschaft 292. Briefwechsel
mit Gregor 295. Abbos Tod 296. Seine Persönlich-
keit 297.
Siebentes Capitel. Anfänge Odiles.
(S. 300—314.)
I. Odilos Herkunft und Familie 300. In Brioude 303. In
Cluni 304. Odilos Wahl 305. Seine Persönlichkeit 306.
— II. Blattemepidemie im Jahre 994 307. Synoden zum
Schatze des Friedens 309. Translation des hl. Martialis
312. Odilos erste Jahre 313.
Achte« Capitel. Italienische Reformbewegung.
(S. 315— 354.)
1. Kirchliche Zustände 315-323
Die Bischöfe und die hörigen Cleriker 315. Die Ver-
pachtung des Kirchenbesitzes 316. Die Domcapitel 317.
Die Aftervasallen 319. Die Bürgerschaft der Bischofs-
städte 319. Regalien der Bischöfe 320. Otto III. und
die Bischöfe 32 1 . Neue Teilnahme am kirchlichen Leben
323. Klostergriindungen der lombardischen Bischöfe 323.
2. Die Eremtten 324—333
Der hl. Symeon 324. Dominicus von Foligno 324. Romu-
ald 325. Seine Eremitencongregationen 326. Seine per-
sönlichen Wirkungen 32S. Der hl. Nilus 329. Monte
Cassino 330. Adalbert von Prag in Rom 332. Die Abtei
San Alessio in Rom 333.
3. Otto m. and die Beformmänner 334—354
I. Adalbert und Otto III. 334.. Märt3nrertum in den Slaven-
ländem 335. Odllo im Frühjahr 998 in Italien 336. Otto
bei Nilus in Gaeta 339. Odilo im April 999 in Rom 340.
— II. Theophano und Adelheid 341. Adelheid mit Odilo
in Burgnnd 343. Ihr Tod 344. — 111. Romuald in San
ApoUinare 344. Otto in Rom im Jahre 1000 345. Otto
im Frühjahr 1001 in Ravenna 346. Versammlung vom
4. April 1001 in Classe 346. Italiener und Griechen in
Dijon 348. Wilhelm von Dijon imd die Eremiten 349.
— IV. Hugo von Farfo 350. Odilo und Wilhelm in Farfa
351. Silvester IL und die Cluniacenser 352. Pläne Ottos III.
354. Stellung der Cluniacenser dazu 355.
Exenrse 359—373
Erster Excnrs. Zu den italienischen Reisen Odos . . . 359 — 363
Zweiter Excurs. Odonis sermo de combustione ecclesiae
beati Martini 363—364
Dritter Excurs. Der Tod Eilberts von Peronne ... 364—366
XVI
Seite
Vierter Excure. Zur Reform Gerhards von Brogne . . 366—370
Fünfter Excurs. Die Wahl des Majolus 370—373
Beilagen 377-396
Erste Beilage. Aus Cartiüar A von Cluni 377—378
Zweite Beilage. Aus dem Cartular von D6ols .... 378—381
Dritte Beilage. Aus dem Cartular von St.-Mihiel . . . 381—388
Vierte Beilage. Aus dem Necrologium des Cluniacenser-
priorats von Villers 3S8— 386
Fünfte Beilage. Aus dem CartuUr von Paray-le-Monial 387 — 391
Sechste Beilage. Translatio beati Martialis de Monte
Gaudio • 391—396
Berichtigimgen und Nachträge 397-898
Dnickfehlerverzeichnis 399
Einleitniig.
Bereits unter den Merowingem hatte das abendländische
Klosterwesen den ersten Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht:
durch die Gunst der Könige, die zahllosen Schenkungen von
Privatleuten waren die Abteien in den Besitz gewaltiger Latir
fandien, weit zerstreuter Ländermassen gekommen.') Das An-
wachsen kirchliehen Grundbesitzes und das allmähliche Schwin-
den königlichen Gutes hatte dann unter Karl Martell und Pippin
zu ausgedehnten Säcularisationen, zur benefizialischen Verleihung
von Kirchen- und Klostergut an Laien geführt. Damit drangen
weltliche Elemente in die Besitzungen und Aemter, die notwen-
dige Exclusivität der kirchlichen, namentlich der mönchischen
Interessen litt darunter. Die kriegerischen Ereignisse der ersten
Zeit Karls des Grossen mit ihren Anforderungen hinsichtlieh
der Heeresfolge der Reichsstifter , das immerhin geringe
Verständnis des Herrschers für asketischen Eifer '^), seine mehr
litterarischen Neigungen waren einer gedeihlichen Entwicklung
der klösterlichen Zucht schwerlich günstig: so finden sich denn
schon unter Karls Begierung untrügliche Zeichen eines allmäh-
lichen Verfalls des Klosterlebens.
Der Eifer, mit dem seine Missi in den Abteien nach-
forschen, nach 'welcher Regel man lebe und wie es mit der
Zocht beschaffen sei, zeigt freilieh die Sorge des Herrschers
fllr das Mönchtum, lässt aber eben auf nicht ganz gesunde
Zustände schliessen. Noch stehen die Klöster durchaus unter
bischöflicher Herrsehaft, aber die Art und Weise, wie das Auf-
1) Vgl. P. Roth, Gesch. d. Benefizialwesens 1850 S. 246 ff.; Löning,
Das Kircheurecht im Reiche der Merowinger II, S. 639; Brunner, Deutsche
Rechtsgeschicbte I, S. 203 ff.
s) Vgl. A. Haack, Kirchengeschichte Deutschlands II, 52G.
Sac kur, Climiftceiuer. I. 1
sichtsrecht der Diücesanbischöfe und die Verpflichtung der Aebte,
denselben zu gehorchen betont wird^), weist anf schwankende
und unsichere Verhältnisse. In Italien beginnt bereits der
Adel, die Herzöge und Centenare, die Gastalden und Ministe-
rialen, die Falkner und Jäger, Mönchs- und FrauenklOster,
Hospize und Kirchen zu belästigen.^) Es muss den Mönchen
eingeschärft werden, ihr Gelübde treu zu bewahren, niphts ohne
Vorschrift des Abtes zu unternehmen, nicht auf unedle Weise
sich Gewinn zu schaffen, die Regel fest im Gedächtniss zu
halten.') Es muss ihnen ans Herz gelegt werden, sich welt-
licher Genüsse und weltlicher Geschäfte zu enthalten, vor allen
Dingen Trunkenheit und Völlerei zu. meiden. Von vielen
Seiten wird dem Kaiser über geschlechtliche Ausschweifangen
in Klöstern gemeldet: er will nichts derartiges mehr hören;
die schwerste Strafe droht er nicht nur den Thätem, sondern
auch den Hehlern.*) Er verbietet das Umherschweifen der
Mönche, ordnet die strengste Bewachung der Nonnenklöster
an und untersagt Leuten geistlichen Standes das Halten von
Jagdhunden, Falken und Sperbern.^) Die Freude an Zech-
gelagen und am Waidwerk hatte die kirchlichen Kreise viel-
fach ergriffen; mit Recht sah man darin eine Gefahr ftlr die
canonische Zucht Die üppigen Genüsse der Zechereien, bei
denen man derbe Lieder sang, der Verkehr mit dem unge-
sitteten Laienvolk und gar die Jagd nach vierfUssigem Wild
— dessen Genuss die Regel Benedicts verpönte — passten nicht
ftkr beschauliche Klosterbrüder. Den Achten wird vorgeworfen,
dass sie mehr unrechtmässige Vergrössernng des Abteibesitzes,
glänzende Kirchen und einen guten Kirehenchor, als geistliche
Lebensweise im Auge haben; dass sie sich Kriegsleute halten
*) Capit. miss. genor. v. 802, c. 15. 17, Capitularia regum Franc. I ed.
Boretins S. 94; Capit. de exaiDinandis ecclesiasticis (802) o. 17 a. a. 0. p. 1 1 1 ;
Admonitio ad omnes regni ordines c 10 a. a. 0. S. 805; vgl. Episcop. ad
imperatorem de rebus ecci. reiatio c. 9 a. a. 0. S. 369; Sjnodus Francono-
furt, c. 6. 17. 47 a. a. 0. p. 74.
>) Karoli ad Pippinum fil. epistola (806—810) a. a. 0. S. 211.
s) Missi cuiusdam admonitio (801—812) a. a. 0. S. 240; Admonitio
generalis (789) c. 26 a. a. 0. p. 56; Capit. 805—808 c. 6 a. a. 0. p. 141.
*) Capit. miss. gener. c. 17 a. a. 0. S. 94; Synod. Francof. c. 11.
^) Capit. miss. gener. c. 15. 17. 18. 19; vgl. Statuta Risbac., Frising.,
Salisburg. c. 24; Duplex legat edictum c. 1. 19. a. a. 0. p. 63.
« .
and nacb Privatbesitz streben, nnd einfältige Leute dnrch den
Hinweis auf die himmliscbe Seligkeit nnd die Strafen der Hülle
zor AbtretoDg ihres Besitzes veranlassen and sehliesslich zn
Ränbern machenJ) Schon zeigt sich in einzelnen Klöstern
eine Ermattung in der asketischen Spannkraft. In Monte Gas-
siDO selbst war ein bedenklicher Hang zn bequemer Wohl-
lebigkeit eingerissen, wenn auch einzelne asketische Naturen
ihren eigenen Weg gingen.^) Wenn es in einem Canon der
Statuten von Reissbacb, Freisingen und Salzburg von 799 oder
800 heisst: „Laien dürfen die Klosterräume nicht betreten und
die unter Stillschweigen lebenden Brüder nicht belästigen ausser
etwa hochgestellten Personen, was wir durchaus nicht hindern
können*, so sehen wir die Furcht vor dem eisernen Laien-
adel die Ehrfurcht vor der Regel bereits überwinden, und
wenn in einem andern Canon derselben Statuten der Genuss
des Fleisches vierfttssiger Thiere zwar verboten, dann unter
höchst unbestimmten Bedingungen wieder gestattet wird, so
bedeutet das einfach Verleugnung einer der Hauptbestimmungen
der Benedictinerregel.^)
Dass es im fränkischen Reich mit der benedictinischen
Klosterzoebt nicht zum besten bestellt war, ersieht man schliess-
lich ans Karls Versuch, nach cassinensischem Muster zu refor-
mieren. Mit Planmässigkeit ging er daran, Hess in Monte Cas-
sino deutsche Mönche ausbilden und erbat sich eine Abschrift
der Regel nach dem ursprünglichen Codex des hl. Benedict.
Auch forderte er ein Gutachten über alle möglichen Lebens-
Tcrhältnisse von Abt Theudemar ein.^) In Klostersachen ver-
handelte er auf der Frankfurter Synode 794*) und im October
802 zn Aachen.^^) Einen Ton des Unmuts und der Ironie
sehlägt der Kaiser in einer Aufzeichnung vom Jahre 811
>) Vgl. Capit de causis cum episcopis et abbatibus tractandis 811,
(^apit reg. Franc. I, 162—164.
*) Vgl. den Brief des Abtes Theudemar an Karl, Jaff^, Bibl. rer.
Genn. IV, 3. 35S ff.
*) Statuta Kisbac. etc. c. 18 u. 29.
*) Brief Theudemars an Karl a. a. 0.
*) Capit reg. Franc. I, p. 73—78.
*) Ann. Lanresham. 802; vgl. Hauck, Kirchengeseh. Dentschl. II, 533
nnd p. 4 Anm. 6.
1*
an, welche die mit Bischöfen nnd Aebten zn verliandelnden
Punkte enthält J) Aneh in Italien suchte Pippin dem drohenden
Verfall zn steuern; in einem Capitnlar von Mantua^) wird die
Absetzung irregulärer Aebte und Aebtissinnen decretiert, ein.
andermal eine Revisionscommission, bestehend aus einem Mönche
und einem Gapellan, zur Untersuchung des Lebenswandels,
der materiellen Mittel in den einzelnen Klöstern abgesandt.^)
Die Notwendigkeit einer durchgreifenden Reform drängte
sich bald allenthalben auf. Die Wiederherstellung der Bene-
dictinerregel war die Losung^): wie alle Klöster einen und den-
selben Beruf hätten, so müsste auch für alle Mönche eine ein-
heitliche, heilsame Ordnung geschaffen werden — das war der
Gedanke, mit dem man zur Zeit Ludwigs des Frommen an
die Reform ging.^) Im Juli 817 wurde auf dem Reichstag za
Aachen durch des Kaisers Freund, den Abt Benedict von
Aniane das grosse Werk in Angriff genommen; man revidierte
die alte Regel und fasste die Ergänzungen und Aenderungen,
die man fttr nötig hielt, in ein Capitular zusammen.<^)
Benedict selbst war einst sehr streng gesinnt gewesen;
mit der ganzen Verbissenheit fanatischer" Naturen hatte er
gegen seinen eigenen Körper geeifert, ihm so viel als möglich
von Speise und Trank entzogen, jede Annehmlichkeit und sinn-
liche Freude mit massloser Strenge unterdruckt. Die Brüder
hielten ihn fttr verrUckt.^) Als er dann Abt wurde, liess er
0 Capit. V. 811 a. a. 0. p. 162—164.
^) Capit Mant. c. 2, ebenda p. 1951
*) Capit Papiense v. 787, ebenda p. 199.
*) Simsen, Jahrbücher Ludwigs des Frommen I, S. 84.
*) Vgl. Vita S. Benedicti Anian. c. 36, SS. XV, 1, p. 215'.
*) Wobei allerdings zweifelhaft ist, ob nicht ein Teil der Bestimm-
ungen auf eine frühere Reformsynode zurückgeht. Hauclc, Kirchengesch.
Deutschlands II, 533 n. 5 ist allerdings geneigt, die sogen. Statuta Murbac.
(Mansi XIV, 349 ff.) auf die Synode von 817 zu beziehen, indem er die
Überschrift, die auf den Abt Simpert und Karl führt, nicht für zuverlässig |
ansieht. Dass sie nicht unter Simpert und Karl verfasst sein kOnnen, hat, |
glaube ich, 0. Seebass, Über die Statuta Murbacensia, Ztschft. f. Kirchen- |
geschichte XII (1890), p. 322 ff. erwiesen. Er bezieht sie aber auf eine \
im Oct. 816 abgehaltene Synode und ist eher geneigt, sie dem Abte von
Reichenau, Bischof Haito von Basel, als dem Abte von Murbach zuzu-
schreiben.
') Vita S. Bened. c. 2, a. a. 0. p. 202.
Ton seiner nachsichtslos^n Art etwas ab ^); sich selbst konnte
er vieles aufbürden, den Mönchen gegenüber war grössere
Milde am Platze. Destomehr widmete er sich jetzt dem eif-
rigen Studium der Benedictinerregel, verglich sie mit andern
MöQchsYorschriften und legte die Frucht seines Fleisses in
seinem Codex und seiner Concordanz der Regeln nieder.^)
Zwei Gedanken also, die das Ergebnis von Benedicts
eigener Schule waren, bildeten die Grundlage der Reform: die
Gleichheit und strenge Beobachtung einer allen Klosterein-
riehtungen zu Grunde liegenden Regel, nämlich der auf dem
Aachener Reichstage commentierten und ergänzten Benedictiner-
regel und die Notwendigkeit, in einzelnen Punkten Erleichte-
rungen eintreten zu lassen, um eine gleichmässige Befolgung
der Vorschriften zu erzielen. Demgemäss enthalten eine Reihe
?on Bestimmungen des Capitulars Milderungen in Bezug auf
Nahrung, Kleidung, Körperpflege und Disciplin. Im Gegensatz
zu dem bisherigen System wurde aber mehr Wert auf die
.wortlose Handarbeit'', strengste Erfüllung aller mönchischen
Pflichten, als gelehrtes und litterarisches Schaffen gelegt^)
Nach dem Zeugnis des Biographen Benedicts wären diese
Institutionen in allen fränkischen Klöstern eingeführt und Bene-
dict über alle als Oberabt gesetzt worden.^) Doch werden uns
nur zwölf von ihm geleitete Abteien aufgezählt^) und andrer-
seits spricht der Umstand, dass nur wenige Jahrzehnte später
das Aachener Capitular fast völlig vergessen war, gegen 'einen
omfassenden Erfolg. Im Allgemeinen scheinen die Reform-
massregeln, abgesehen etwa von dem Süden und Südwesten
Frankreichs, in Alemannien noch am ehesten auf günstigen
0 Vita S. Bened. e. 21, p. 208.
*) ib. e. 18, p. 206. 207; vgl. Nicolai, Der hl. Benedict von Aniane,
Köln 1865, S. 96.
') Vgl. A. Hauck, Kirchengesch. Deutschlands II, 536.
*) Vita S. Bened. c. 36 : Frefecit cum quoque imperator cunctia in regiu)
svo coendbiis, ut sicut Äquitaniam GoHamque norma sahUis instruxeratf
iia Hiam Franciam salvtifero imbueret exempla . . . cnnctaque monasteria ita
<ul formam unitatis redada sunt, acsi ab uno magistro et in uno inUnte-
renturloco. Vgl Ermnoldos Nigellus: Ad. Ludov. imp. II, v. 305 ff., 533 ff.;
Poetae lat med. aevi II, p. 33. 39; Simson, Ludwig der Fromme I, S. 83;
Werner, Alcuin und sein Jahrhundert S. 80; Nicolai a. a. 0. S. 201 ff.
<^) Vita S. Bened. c. 42, p. 219.
6
Boden gefallen zu seinJ) Der Versneli, sämmtliche Klöster des
Reiches nach einer Form zu gestalten, ist jedenfalls miss-
hingen.
Im Jahre 824 beobachten wir im Allgemeinen die alten
Verhältnisse. Der Engel, der am 3. November den Mönch
Wettin von Reichenan durch Himmel und Hölle geleitet, ver-
langt von den Mönchen Beschränkung in Speise und Trank;
der Glanz der Kleider soll schwinden vor dem notwendigen
Maass, um die Blosse zu decken und gegen Kälte zu schlitzen.
Im ganzen Westen, in Deutschland und im Westfrankenreieh
soll der Mönchsstand zu wahrer christlicher Demut und frei-
vrilliger Armut zurückkehren, damit die Brüder nicht von der
Pforte des Lebens gewiesen würden. Wir erfahren, dass es in
den Mönchsklöstern mehr gab, die weltlichen Interessen nach-
gingen, als solche, die einem geistlichen Leben folgten.^) Leb-
haft wird auch über die Nonnenklöster geklagt; es wird ge-
rügt, dass die Schenkungen, die fromme Gläubige zur Führung
eines himmelkeuschen Lebens gespendet, an Weltliche ftlr
irdische und vergängliche Freuden vergeudet würden.^)
Nicht besser ist es in so früher Zeit mit dem Clerus
bestellt. Schon Karl der Grosse hatte sich über die mangel-
hafte Schulbildung eines Theiles desselben zu beklagen^); die
Sorglosigkeit und Trägheit einiger Schulvorsteher hatte in
Italien das völlige Aufhören jedes gelehrten Unterrichts bereits
unter Lothar I. zur Folge. Derselbe suchte dem reissenden
Verfall entgegen zu treten, indem er in Oberitalien bestimmte
Plätze aufstellte als Schnlorte ftlr die, welche in der Um-
0 Vgl. S. Benedict! Capit. bei Hergott, Vetus discipl. monast., Paris
1726, p. 15; Balnze, Capitul II, app. act veter. p. 1382; Nicolai S. 194 if.;
A. Ilauck, Kirchengesch. Deutschlands II, 543.
») Ileitonis visio Wettini c. 21 (Poetae lat. II, p. 273); Ann. Wirziburg.
a. ^27 (SS. II, p. 240).
3) Visio Wettini c. 22: Et dum saectdaribus dantur inexplcbiliter opes
terrenas sitientibvSj in terrenas etperituras voluptates ordine confuso ver-
tuntur opeSf quae ad cohservandam castitnoniain cadestis vitac a fiddibus
cofigestae sunt.
*) Simson, Jahrbücher Karls des Orossen II, S. 567. Bekannt sind
seine Versuche, die litterarische Bildung der Geistlichkeit zu heben; vgl.
CapituL reg. Franc. I, 79—81.
ge^nd wohnten. 0 Noch umfassendere Forderungen stellte
die römische Synode von 826 fttr die Hebung des allgemeinen
Unterrichts aaf.^) Auch in Bezug auf Disciplin und Sitte zeigen
sich unter KarFs Regierung die Schäden im Keime, die später
ZQ solcher Furchtbarkeit emporwucherten. Noch sin4 es ein-
zelne Fälle, die er im Sinne hat, wenn er bemerkt, es sei
vorgekommen, dass einige Priester mit ihren Nachbaren bis
über Mitternacht hinaus zechten: dann ruhe Tag und Nacht
der Gottesdienst in den ihnen anvertrauten Kirchen; einige
Bchliefen anch an dem Orte des Trinkgelages ein. Es käme
vor, dass Geistliche, die vor ihrer Ordination arm waren,
nachher ans dem Kirchengut, das sie für kirchliehe Zwecke,
Vermehrnng der Bibliothek verwenden sollten, sich ein Land-
gut, Leibeigene und allerhand Lebensfreuden anschafften; viele
trachteteh nur ihre Einkünfte zu vergrössem, Knechte zu hal-
ten, Wein, Lebensmittel aufzuspeichern.^) Gleich Karl regen sich
*) Gapitul. Olonn. eccl. primum (a. 825, llTai), Capit. regnim Franc. I,
p. 327, c 1: De doctrina vero, quae oh nimiam incwriam atqite ignaviam
quorundam praepositorum cu7icti8 in locis est funditus extincta, placuit,
ui ücut a nohis constitutum est, ita ab omnibus observetur , . »ut difficul'
tos locorum lange positorum ac paupertas nuUi forei excusatio; vgl. Ellen-
dorf, Die Karolinger und die Hierarchie ihrer Zeit, Essen 1838, U, S. 652;
A. Dresdner, Koltor- und Sittengeschichte der Italien. Geistlichkeit im 10.
and 11. Jahrhundert, Breslau 1890, S. 185 stellt die seltsame Ansicht auf,
dass der Verfasser des Erlasses die italienischen Schulverhältnisse kaum
gekannt hat! In dem Abschnitt über die Schulen, auf den der Vf. flir
seine Behauptung verweist, habe ich nichts finden können, was dem Er-
huse Widerspruche. Was er von MaiUind S. 288. 239 berichtet^ beweist
nicht die Existenz einer Gelehrtenschule für Cleriker, um die es sich nur
bandehi kann: weder die theologische Bildung des Bischofs Odilbert
(803—813), noch die Existenz eines magister iuris Hilderatus (853), noch
die Schottenmönche (c. 860), die vielleicht eine Klosterschule hielten für
ihre Oblaten, aber in einem Erlass über Domschulen (es handelt sich
nur am Bischofesitze) nicht in Betracht kamen. Denn dass der Erlass
sich nur auf höhere Schulen bezieht, geht schon daraus hervor, dass fttr
Pavia der gelehrte Dungalus als Lehrer genannt ist und dass den Scho-
lastiei nicht etwa aufgegeben sein kann z. B. täglich den Weg von Mai-
land, Brescia u. s. w. nach Pavia zu machen, sondern für eine Zeitlang in
Pavia Aufenthalt zur Ausbildung zu nehmen, ein Umstand, der wohl er-
wachsene Menschen, aber keine Schulkinder voraussetzt.
*) Dresdner S. 185.
') Capit. de presbyt. admon. c. 2 und 4, Capitul. I, p. 237.
8
eiDzelne Bischöfe der VersnmpfnDg des niederen Cleras
vorzubengen. Die Constitation des Bischofs Ghärbald von
Lüttich and die des Bischofs Haito von Basel lehren, dass
man in dem nördlichen, wie im südlichen Deutschland über
dieselben Ausschreitungen zu klagen hatte.^) Unter Karls
Nachfolger führten die Misstände der Kirche, an denen die
Könige durch fortwährende Vergabung von Kirchengnt und
willkürliche Besetzung der geistlichen Aemter nicht ohne Schuld
waren, zu dringenderen Vorstellungen seitens der wohlgesinnten
Geistlichkeit und endlich zu allgemeinen Reformversuchen.
Im December 828 unterbreitete der Abt Wala von Corbie
dem Kaiser die Beschwerden der Kirche und forderte nament-
lich freie Wahl der Bischöfe und canonische Besetzung der
Abtstühle ^) und noch im selben Jahre berief der Herrscher
unter Selbstanklagen vier Reformsynoden nach verschiedenen
Theilen des Reiches.^) Bald entrollt uns eine derselben, die
grosse Pariser Synode von 829, ein Bild von kirchlichen Zu-
ständen, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt,
und das kirchliche Leben in sehr trübem Lichte zeigt Wir
hören von niedriger Habsucht des Clerus, Unterschlagungen
von Kirchengut seitens der Bischöfe; wie diese nebst der Geist-
lichkeit über weltlichen Geschäften und Genüssen ihre Pflichten
vernachlässigen,' dagegen die Gläubigen vielfach belästigen, wie
der Clerus sich mit dem Laienvolk in so intime Gemeinschaft
einlässt, dass dieses alle Achtung vor ihm verlieren muss.
Man klagt, dass die canonische Zahl von Provinzialsynoden
nicht abgehalten werde. Frauen dringen schon an die heiligen
Altäre, berühren die heiligen GefUsse und reichen dem Volke
den Leib und das Blut Christi.^) Die Synodalacten von Rom
826 und Aachen 836 belehren uns darüber, dass auch in den
anderen Teilen des fränkischen Reiches ganz ähnliche Ver-
hältnisse sich ausgebildet und dass man sich gegenseitig
nichts vorzuwerfen hatte.*)
1) Ghaerbaidi episc. Leod. Capit (802—810) c. 4. 14. 16 a. a. 0. p. 242;
naitonis episc. BasU. Capit. eccl. (807—823) a. a. 0. p. 362.
^) DUmmler, Geschichte des ostfränk. Reiches 2. Aufl. I, S. 46. 47.
3) Düinmler a. a. 0. S. 48 flf.
^) Concil. Parisiense LI, bei Mansi, Coli, concil. XIV, coL 536— 574;
vgl. SiiDsoHi Ludwig der Fromme I, S. 301 ff., DUmmler a. a. 0. S. 48 ff.
^) Ilefele, ConzilieDgeschichte IV, S. 48. 90 ff.; DUmmler a. a. 0.
Der Aasbrach der Kriege zwischen den Söhnen Ladwigs
des Frommen and der Zerfall des fränkischen Reiches machten
den Hoffnungen der hohen Geistlichkeit auf eine allgemeine
Kirehenreform ein Ende. Waren ihre BemUhnngen, die Reichs-
einheit zu erhalten and damit der Kirche die ihrem Gedeihen
notwendige Centralisation and Einheit zn bewahren vorläafig
geseheitert, so tragen die folgenden Zeitverhältnisse mehr und
mehr bei, die religiösen und wirthschaftlichen Grandlagen
kirehlieher Blttte zn erschüttern. Den grössten Anteil an
dem folgenden Rain, namentlich am Untergange des Kloster-
wesens, hatten die Einfälle der Normannen, Sarrazenen and
Ungarn; wir müssen sie deshalb in ihren grossen Zttgen be-
trachten.
Seit im Jahre 820 dänische Fahrzeage von Flandern, wo
sie zuerst angelaafen waren, den Nordwesten Frankreichs um-
sehifRen und an den aquitanischen Ufern plünderten *), ist das
Reich nar wenige Jahre von ihrer Heimsuchung verschont ge-
blieben. Den ersten grösseren Raubzug unternahmen die Dänen
im Jahre 841. Sie führen über den Canal; Ronen ging in
Flammen auf.^) Der wehrlose Zustand, in welchem sie die
Küsten und FlussmUndungen fanden, reizte sie zu immer neuen
Versnchen und Angriffen auf die französischen Flusstäler.
Während ihnen die Niederlage, die einer ihrer Führer, Orich,
an der Elbmttndung durch die Sachsen erlitt, vor den deutschen
Vertheidigem offenbar grösseren Respect einflösste^), waren
die Loire und Seine, das antere Aquitanien beliebte Ziele ihrer
Raubzüge.^) Von allen Seiten fassten sie das fränkische Reich:
Friesland, Holland und Flandern wurden von ihnen durch-
zogen.^) Dreimal stürmten sie das Brittenreich im nordwest-
liehen Frankreich; im Südwesten nahmen sie Bordeaux und
plünderten sie Perigeux.®) Schrecklich war die Verheerung in der
Touraine.'') Vergeblich erwiesen sich alle Abkommen, die Karl
0 SimsoD, Ludwig der Fromme I, S. 841.
*) Pnidentii Annales a. 841, SS. I, p. 437.
>) Pnidentii Annales a. 845, p. 441.
*) Vgl. die Schilderungen in den Mir. S. Bened. I, c. 33 ed. Certain p. 7 1 fif.
^) Prud. Ann. a. 846, p. 442.
«) a. a. 0. a. 848. 849, p. 443. 444.
^) a. a. 0. a. 853; vgl. Mabille, Les invasions normandes dans la Loire,
BibL de T^cole des chartes 86rie VI, 5, p. 170 ff.
10
der Kahle mit den Dänen traf: gleichzeitig sass ein Teil der
Nordmänner in den Rhonemttndnngen, während die Stammes-
genossen in Amiens wtttheten. Paris wnrde mehrmals einge-
äschert nnd geplündert *); von einer Seineinsel wiederholten sie
beliebig ihre Angriffe za Wasser auf die Hauptstadt
Znr selben Zeit bedrängten arabische Piraten das Reich
im Süden. Auf Sicilien hatten sie festen Fnss gefasst; Sar-
dinien und Corsica waren ihre nächsten Ziele. Bald caperten
sie an den italienischen and proven^alischen Küsten, 841 plün-
derten sie St. Peter nnd St Paul vor Rom, 846 die Peterskirche
selbst^) Endlich nisteten sie sich am Ende des 9. Jahrhun-
derts im Golf St Tropez ein. Von ihrer Burg Garde-Frainet ^)
aus machten sie Einfälle in die benachbarten Gebiete, brand-
schatzten die Dauphin6 und die Provence. Meergewohnte See-
fahrer wagten sie sich in das Berggewirr der Hochalpen, über-
schritten den Mont-Cenis, um die Abtei Novalese auszuplün-
dern, besetzten die westlichen Alpenpässe, von denen aus sie
die Ebene von Piemont und Montferrat heimsuchten. Sie warfen
sich auf Marseille und Aix, gingen auf Beute in Sisteron, Gap
und Embrun und rückten bis tief in das Wallis, wo St Mau-
rice in Trümmer sank. Auf den Alpenpässen lauerten sie den
Rompilgern auf; wenn diese mit dem Leben davon kamen, so
erzählten ihre Wunden oder ihre leeren Taschen von der Plage
der Sarrazenen. Sie schoben ihre Posten vor: in Chur erschrak
man vor dem unbekannten Anblick der braunen Gesellen. In
St Gallen endlich setzte der Mut des Decans, der mit einer
zusammengerafften Schaar entgegenrückte, ihrem Vordringen
Schranken.^)
Fast noch grösseres Entsetzen erregte die Ankunft der
0 Pnid. Ann. a. 845. 857. 861; Ilmcmari Ann. a. 861; vgl. Mirac. S. Ger-
mani I, c. 14, SS. XV, 1, p. 13; vgl. M. G. SS. I, p. 451 n. 48; Mirac. S. Bened.
I, c. SS a. a. 0. p. 72.
*) Prad. Ann. a. 846, p. 442; Hlotharii Capit. de expeditione contra
Sarracenos facienda c. 7, Capit. reg. Franc. II ed. Boretius et Krause p. 66.
3) Vgl. darüber Vita Bobonis Viquer. c. 2, Acta SS. Bell. Mai V, 186.
*) Vgl. Rainaud , Les invasions des Sarrazins en France , Paris 1 836
p. 157 ff.; Keller, Der Einfall der Sarrazenen in die Schweiz, Mittheilungen
der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, XI, S. 1—32 ff.; Gingins-la-Sarraz
im Archiv für Schweizerische Geschichte IX, S. 120 ff.; vgl. Odilonis Vita
S. Maioli, Bibl. Cluniac. col. 289.
11
imuschen Magyaren. Ihre monströse Uässliehkeit and ihr
Blntdarst legten den Vergleich mit Gog und Magog nahe. Die
Eroberong Pannoniens, die FAiflÜle in Italien siad ant Uvtiger
Sehrift in die Gesehichte der nnglttekliehen Länder aufge-
zeiehnet. Bayern and Sachsen, wohin die Horden der Maaren
and Normannen nicht kamen, litten anter den Yerheernngen
der Ungarn. Das ganze Ostreich ächzte anter ihren Schritten.
Za wiederholten Malen drangen sie gegen den Rhein vor and
einmal wenigstens suchten sie französische Gebiete farehtbar
heim.1)
So bedrängten die Barbaren alle Teile des fränkischen
Reiches, brannten, sengten, plünderten wohin sie kamen.
Namentlich Frankreich, anf das wir im folgenden ausschliess-
lich unsere Blicke richten, litt entsetzlich. Von einer einheit-
liehen Abwehr war keine Rede, zumal den Kriegsadel selbst
mitunter feige Furcht von kräftigem Widerstände abhielt^) Mit
den Befestigungen war es zudem kläglich bestellt Nicht nur
in Deutschland, sondei^n sogar in Frankreich beschränkten sieh
Fortificationen vielfach auf Holzbauten, welche durch Gräben
und Pallisaden geschützt waren.^) Gastelle, wie Sens, vor
welchem die Dänen sich fttnf Monate vergeblich abmühten,
trotz ihrer kunstreichen Belagerungsmaschinen 4), gehörten wohl
zn den Seltenheiten. Auch Chartres hatte eine Mauer aus ge-
waltigen Quadersteinen, wurde aber im Ansturm über den
0 Vgl. Mailath, Geschichte der Magyaren I, S. 12; Chron. Besuense
ed. Bongaud et Garnier p. 2S7; Chron. S. Petri Vivi bei Duru , Bibl. bist,
de ITonne II, p. 494; Ann. S. Medardi Saession. a. 937, SS. XXVI, p. 520;
Ann. Wirzibnrg. a. 938, SS. II, p. 241; Ann. Besuenses a. 933, SS. II, p. 249;
Ann. Floriac. a. 936, SS. II, p. 254.
■) Mirac. S. Germani I, c. 3, SS. XV, 1, p. 10. 11: Omnes enim principes
heÜatonaHf qui ipsum incoUbant terram — quod absque ingenti gemitu ac
eontritione cordis effari nequimus — magis se ad fugienduim quam resisten-
dum nimia perculH formidine preparahant.
') Vgl. Cori, Bau und Einrichtung der deutschen Burgen im Mittel-
alter, Linz 1874; Franck, Der deutsche Burgenbau mit besonderer Rück-
sicht auf die Burgen des Grossherzogthums Hessen und der benachbarten
Rhetngegenden in Pick's Monatsschrift fUr die Gesch. Westdeutschlands
VII, S. 113; Boutaric, Institutions militaires de la France p. 132; Caumont,
Bist, de l'archit en moyen äge, Bulletin monumental II, p. 230 ff.
*) Vita S. Romani § 13, Acta SS. Bell. Mai V, 158.
12
Haafen gerannt.') Nur gelten sind damals Klöster nmmanert,
obgleich Umfriedung mit festen Manem wenigstens für die
Fraaenklöster schon auf dem Reichstage von Aachen im Jahre
817 angeordnet wnrde.^) In den meisten Fällen fliehen daher
die Mönche mit ihren Heiligen in feste Gastelle. Die untere
Seine, Paris lag völlig offen; erst in den sechzig^er Jahren be-
ginnt Karl der Kahle Pitres als Bollwerk vor der Hauptstadt
zu befestigen und 869 fordert er die Bewohner von Tours und
Le Maus auf, die am linken Seineufer belegenen Orte zu um-
mauern.^) In Sttdfrankreieh ist es nicht besser; nur wenige
Schutzwehren standen hier den Sarrazenen gegenüber. Man
war auf Selbsthttlfe angewiesen; jeder schützte und verbarrika-
dierte sich, so gut er konnte, in seinem Wohnort, wenn nicht
etwa zufällig ein benachbartes Castell Schutz bot^) Auf den
Kirchtürmen schleppte man wohl Waffen zusammen, um die
Feinde durch ihren Anblick zu schrecken.^) Im westlichen
Deutschland, in Lothringen, das namentlich von den Ungarn
mitgenommen wurde, entstanden erst Mitte des 10. Jahrhunderts
mehrfach Befestigungsanlagen^), auch der Klöster; bis dahin
suchte jeder einen Schlupfwinkel, wo er etwas Sicherheit vor
den Barbaren fand.^)
0 Cartulaire de Saint-P^re I, p. 6.
*) Hefele, ConzUiengesch. IV, p. 14.
>) Hincmari Ann. a. 862. 866. 869, SS. I, p. 457. 471. 4S6.
*) Vgl. Liutprandi Antapodosis n, c. 43 (ed. Dttmmler, Hannover
1877, S. 43): Tantiut enim timor invaserat universoSy ut nnUtis esset, qui
horum presentiam nisi forte tutissimis prestolaretur in locis; ganz ähnlich
bezüglich der Ungarn c. 5 und 15; Vita S. Boboni c. 2, A. SS. Mai V, 187:
Barae quoqus munition^ in regione iüa liabebantur. Sed unus quisqiie in
viUa sua gaudens ante praescriptam paganorum incnrsionem propriis ute-
batur; vgLDnbois, Les moDumens de Neufchatel in den Mittheilungen
der antiquarischen Gesellschaft in Zürich V, S. 5 ff.
*) Vgl. die merkwürdige Notiz Gerhohs von Reichersberg, Comm. in
psalmum 64, c. 53 (Migne, Patrol. lat 194, 42): credimus licita comprobari,
qnae in vicinio Saracenorum, sicut audivimuSj fieri solent, armis compor-
tatis in altes tuirres ecclesiarwn vd monasteriorum, q%u>ifvm ostentatione per
spiritwdes qtwque viros terrentur barbari, ne invadant hca sancta,
•) Miracnla S. Wigberhti c. 5 (SS. IV, 225): Nuper dirae calamitatis
flageUo «tfpcr nospaganis concessoj regali consensu regaliw/nqm principum
decreto sancitum est et iussum honestorum virorwn feminarumque conventi-
ctUis loca privata munitionibus firmis tnuris'qiie circundari; vgl a. a. 0. note 2.
^) Martine et Durand, Coli. ampL I, 281: depopulantibus Agarenis
13
Das Resultat der sehonangslosen Verheerangen war die
Verödung weiter Landstrecken, deren Bewohner teils getödtet,
teils geflohen waren. In einigen Teilen der Normandie war
das Christenvolk gänzlich ausgerottet worden i) nnd mit ^ev
Besitznahme des Landes durch die Normannen überflutete ein
heidnischer Stamm die kahlen Gebiete ; auch die Bretagne war
verödet^) Namentlich aber litt das proven^alische Reich. Im
Bistum Grenoble, wo die Sarrazenen furchtbar gehaust hatten,
fand naeh ihrer Vertreibung Bischof Isamus nur noch eine
winzige Bevölkerung; um dem Lande aufzuhelfen, siedelte er
Leute aus anderen Gegenden an.^) Im Gebiet von Toulon war,
die bisherige Bevölkerung so geschwunden, dass naeh Be-
endigung der Manrengefahr keine Spuren der früheren Eigen-
tomsrechte vorhanden waren und eine neue Einteilung und
Begiedelung begonnen werden musste.^) Dieselben Zustände
in Fräjus: die Stadt war eine Einöde, die Bewohner todt oder
geflohen. Man wnsste nichts mehr von dem Eigentum der
Kirche^ da weder mündliche noch schriftliche Tradition da-
rüber Auskunft geben konnte.^) Auch die Provinz Tarantaise
war eine Wüste geworden.<^) In Aquitanien und Gascogne
paent totum regnum Bdgicae G<xUiae studuit unusquisque diligenter tuta
loca perquirere, ubi aliquid firmitatis fieri potuisaet contra praedictorvm in-
sidias perfidortim; Mir. S. Wulframmi, d'Achery, Spie. II, 284, c. 2: Cumqtie
nuüi mortalium kttilndum vd tutus effugii locus tispiain pateret; Mir. S. Basoli
c. 7: praesidiia quique fnunimenta capiunt. Vergleiche auch Bontaric, In-
stitotioDB militaires de la France avant les arm^es permanentes, Paris
1863, p. US.
0 De statu eeclesiae Constant (886—1098) in der Gallia christ. X,
instr. coL 217: Quia ergo Constantiensis pagus chriaticolis vacuus erat et
paganiuno vacabat,
*) Vita S. GUdae c. 82: ... donec in solitudinem et naatam eremvm
omnino regio tota . . . redigeretur; vgl. de Ck>ur8on, Cartul. de Reden, Pro-
leg, p. XUV.
*) Marion, GartuL de rSglise de Grenoble p. 93 f.; vgl. Rainand, Les
innuons des Sarrazins p. 199; Bellet, Etüde critiqne sur les inväsions
en Dauphin^ notaminent a Grenoble et dans le Graisivaudan, Lyon 1880,
S.28; Den., Examen critiqne des objections soulev^es contre la charte XVI.
dn 2»« Gartnlaire de TSglise de Grenoble, Paris 1889, S. 42 ff.
') Oartnl. de Saint-Victor de Marseille I, nr. 104, p. 124; vgl. Rainaud
».t.O.p.211.
*) Gallia Christ. I, tnstr. col. 82; Rainand p. 320.
^ Gallia Christ. XII, faistr. col. 877.
traten ähnliche Zustände ein^); nicht minder furchtbar waren
die Wirkungen der Sarrazenenherrschaft in Italien.') Fast in
allen Teilen des Reiches lagen die Aeeker brach, Städte ver-
nichtet, Klöster in Trttmmem.^) Mönche irrten brodlos und
bettelnd umher ^), Unkraut und Buschwerk wuchs auf den ver-
ödeten Stätten frommer Beschaulichkeit und geistlicher Wissen-
schaft; zwischen Mauern schössen Bäume auf, dichtbelaubt und
bejahrt schlössen sie die Eingänge.'^) Wo einst friedliche An-
siedler das Feld bestellt, hausten Raubtiere.«) lu den Kireben
hatten sich Wölfe, Mäuse und Gevögel eingenistet^); auf den
Wegen moderten Leichen.^)
*) Bist, abb&tiae Codom., d'Achery, Spicileginm II, col. 581: tirbea
eorum potentisHmae tunc deaolatae suntj oppicUi subverda sunt^ loca papu-
losa ad eremum redacta sunt.
*) Vgl. ChroD. Casaur. bei Muratori, SS. rer. Ital. II, b, p. 82*2: . . quia
fratres erant dispersi et res annihilataey viüae ac casteUa desfructa et non
erat in circumiacentibus regionibus qui ei subvenire posset, tantum propriis
calamitatibus quisque opprimebatur; Chron. Vultum. a. a. 0. 1, b, p. 408 u. 418.
s) Vgl. CoBcil. Troslej. bei Mansi XVIII, col. 263 f.; Concil. Magon-
tinum a. a. 0. col. öl f.; Vita S. Deicoli c. 7, SS. XV, 2, p. 677; Mirac. S. Wai-
deberti c. 3, SS. XV, 2, p. 1174; Mirac. S. Basoli c. 7, Mabillon, Acta SS.
IV, 2, p. 139; Vita S. Romani abb. Autiss. § 13, Acta SS. BoU. Mai V, 158;
Bist Mosomensis, M. 6. SS. XIV, p. 609 1.; GaUia Christ. XII, instr. col. 465.
Vgl. Lamprecht, Beiträge zur Geschichte des französischen Wirthschafts-
lebena im II. Jahrhundert in Schmoller's Staats- und Socialwissenschaftl.
Forschungen I, Heft 3 (Leipzig 1878), S. 27.
*) Ck>ncil. Magont. a. a. 0.; vgl. Archiv fUr schweizerische Geschichte
IX, S. 1 :*5.
>) Miracuhi S. Wnlframmi, d'Achery II, col. 286, c. 4 ; Vita S. Gildas
abb. Ruycnsis c 36 bei' Mabillon , Acta SS. I, p. 140: Erant enim ibidem
eccUsiae sine tectis et ex parte dirwtae et inter ipsos parietes annosae ar-
bores ereverant, sed ostia ipsa clauserant
*) Vgl. ein Placitum tlir St. Fleorent de Saumur, Baluze, Hist g^n^al.
de la maison d'Auvergne (v. 958) p. 23: Mtdta siquidem sanctortim loca
hac de causa pessumdata, funditus eversa et in perpetuas solittUlines re-
dacta, ubi quondam erat haminum habitatiOf effecta est ferarum; Vita S.
Gildae a. a. 0.: Nuüa ibi tunc haHtationis domus eratj nulla hominis con-
versatiOf sed erant in ipsis etiam ecclesiis cubilia ferarum.
'') Vgl. eine Urkunde bei Mabillon, Annales ord. S. Benedict! IV, app.
p. 716: Nam ferunt tnri veridici reperta esse inibi cubilia lupartwi et mu-
rium atque voluanm.
^) Hincmari Ann. a. 862 ; vgl. Gingins-la-Sarras im Archiv £ schweizer.
Gesch. IX, S. 40.
15
Neben den rohen PlQnderitngen der Barbaren tragen
noch andere Uebelstände znr gänzlichen Verarmung der acker-
bauenden Bevölkemng, zum wirtschafUiehen Ruin grosser Land-
striehe bei.
Unmittelbar im Zusammenhange mit den Normanneneinfällen
im Westfrankenreich stehen die Contributionen an Geld, Vieh
und Producten, mit welchen die bedrängten Bewohner den Feinden
den Frieden abkauften.') Wie oft musste Karl der Kahle die finan-
ziellen Kräfte seines Reiches in Anspruch nehmen! Zuerst,
^ als es sich darum handelte, das schwere Lösegeld aufzubringen,
das die Dänen für die Auslieferung der Achte von St. Denys
und St Germain im Jahre 858 forderten, rief Karl bei der
Mittellosigkeit der beiden einst so reichen Stifter nur die Hilfe
der Bischöfe, Achte, Grafen und des grossen Laienadels an.^)
Das nächste Mal, zwei Jahre später, betrug die Auflage 3000
Pfund Silber und betraf bereits sämmtliehe Kirchen, Hufen
und Kanfleute.^) Im nächsten Jahre erfolgte ein neues Steuer-
ansschreiben über 5000 Pfund, wozu noch beträchtliche Natural-
beiiräge kamen ^), und sechs Jahre darauf mnssten die West-
franken wieder 4000 Pfund aufbringen.^) Es war eine Abgabe,
welehe den freien und unfreien Grundbesitz, die Kaufmannsgttter
und den Clerus traf Bei der damals Üblichen Betriebsweise
der Grossgrundwirtsehaft, welche nur geringe Besitzteile in
eigene Verwaltung nahm, das meiste dagegen durch Zins-
banem bewirtschaften Hess, mussten derartige Grundsteuern
am schwersten auf die abhängigen Leute fallen. Daneben
kam es Tielleieht weniger in Betracht, dass auch der Handel
sowohl durch feindliche Belästigungen, als durch königliche
Auflagen hart getroffen wurde.
Während der unrahigen, von inneren Kriegen und äusseren
Bedrängnissen erftlllten Zeiten erwuchs der landsässigen Be-
völkerung, den freien Bauern und den Hintersassen des Gross-
grnndbesitzes, sowie der Kirche ein gefährlicher Feind in dem
') Vgl. Hinemari Ann. a. 861, p. 455: cum animalium atque annonae
9umma non modiea de regno mOj ne depraedaretur etc; a. a. 0. a. 869, p. 481.
') Prudentii Ann. a. 858, p. 452.
*) a. a. 0. a. 860, p. 454.
*) Hmcmari Ann. a. 861, p. 455.
*) Hinemari Ann. a. 866.
16
kleinen und grossen, auf seine WaiFenmaeht oder seine Beamten-
stellung pochenden Laienadel. Unaufhörlich klagte man über
die kleinen Räuber, Kriegsleute und Vasallen, Raubritter und
Landstreicher, auch wohl Freie, welche das Diebsgeschäft als
einziges Mittel ergreifen mochten, um sich zu erhalten. Auch
sie hatten es natürlich besonders auf Kirchengut abgesehen:
hiei^ war der Erwerb der leichteste und lohnendste.^ Es sind
jene Frevler, die nachdem sie geschickte Plttnderungsztlge in
eine Grafschaft unternommen, sich in eine andere zurtickzieheo,
weil sie dadurch der gerichtlichen Verfolgung zu entgehen
hoffen: sie sagen auch wohl, sie hätten bei den Normannen-
einfällen Haus und Habe verloren, könnten also nach frän-
kischem Recht überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen
werden.^) Es sind dieselben Leute, welche Nonnen, Wittwen,
Mädchen entführen und misshandeln, gegen deren Praxis in
Capitularen und Synoden ununterbrochen geeifert wird. Die
Väter der Mainzer Synode sagen von ihnen, sie wären allein
auch ohne die Normannen im Stande, das Land in eine Ein-
öde zu verwandeln, denn sie schonten weder Geschlecht, Alter,
noch Armut.^)
Nicht minder hatten die Grafen, die königliehen Beamten
und Grossgrundbesitzer erheblichen Anteil am Ruin der wirt-
schaftlichen Kräfte. Die zum Heerbann oder an den Hof
ziehenden, stets von zahlreichem Gefolge und Kriegsleuten be-
gleiteten Grossen erwiesen sich in der Regel schon beim Durch-
zug als arge Bedrücker der wirtschaftlich schwachen acker-
bauenden Bevölkerung in Folge der rohen Art, mit der sie
auf Herberge und Verpflegung Anspruch erhoben , und durch
die Schäden, welche sie der Feldflur zufügten. Aber auch
sonst beraubten sie das Landvolk, verwüsteten sie Emdten,
») Vgl. Concil. Colon. (S87) c. 4, Mansi XVIII, col. 47; Concü. Magont.
(888) c. 7. 11 a. a. 0. col. 66. 67; Concil. Mett. (888) c. U, col. 80; Concil.
Troslej. (909), col. 263-307; Brief Johanns VIII. an alle Christen v. 878,
Recueil des hist. de la France IX, 162, und ad omnes fideles ebenda p. 170.
>) Capit. Pistense v. 25. Juni 864, c. 6; vgl. GfrOrer, Geschichte der
Ost- und Westfränk. Karolinger I, 380; Sohm, Frank. Gerichtsverüfussung
S. 115 ff.
') Concil. Magoni y. SS8, Mansi XVUI, 62 : Ab hia namque, 8% deeasset
paganorum saevitiaf redigeretwr in aolitudinem terra: quia nee sexux^ nee
aetati neque paupertati parcere sciunt.
17
WeinpflanzoDgen und Wiesen; sie führten das Vieh fort nnd
hatten nur schnöden Gewinn im Ange. Die Fisealbeamten
trieben anf den königlichen Domänen Wucher mit ihrem nnd
königlichem Gelde, drückten die Fiscalinen dnrch ttbermässigen
Zins and fordern schwere Frohndienste bei den Hofbaatea.i)
Es kam wohl vor, dass Grafen, Bischöfe nnd andere geist-
liehe nnd weltliche Herren ihre Hörigen oder Freie nötigten,
ihnen den Scheffel Getreide, der sonst zwölf Denare kostete,
flir drei, den Scheffel Wein, der mit zwanzig Denaren bezahlt
wurde, für sechs zu verkanfen.^) Einzelne Grandherren zwangen
die Hörigen, die gesammten Frachterträge abznliefem, so dass
ihnen für ihre Familie nichts übrig blieb.^)
Die notwendige Folge der geschilderten Zustände war
eine häufige Inanspmehnahme des Credits. Die kleinen Grund-
besitzer oder Zinsbanem brauchten nicht nur Geld, sondern
aaeh Getreide, Wein und Salz. Bei dem durch die Unsicher-
heit der. Verhältnisse bedingten Wechsel in der Ertragsfähig-
keit der Ländereien und dem sicher sehr verschiedenen Aus-
fall der Erndten kauften aber reiche Leute, besonders häufig
Cleriker, doch auch Laien in guten Jahren Fruchterträge nach
der Emdte in grösseren Massen auf, nm in Zeiten der Not
Vorteil daraus zu ziehen.*) Die Kirche verbot zwar jede Zins-
forderung, die sich auf die Zeit der Leihe erstreckte und jede
habsüchtige Preissteigerang ^), doch kümmerte man sich nicht
nm diese Vorschriften; andrerseits fand man Mittel, sie zu um-
gehen, indem man zweierlei Mass anschaffte: ein kleineres für
die Ausleihe und den Verkauf, ein grösseres, das bei der Rückgabe
Anwendung fand, nnd ebenso benützte man doppelte Wagen.^)
*) Schreiben der weatMnkischen Bischöfe an Ludwig den Deutschen
bei Baluze, Gapitul. II, 102; dass die hier gerügten Misstände auf west-
fänkiflche Verhältnisse zu beziehen sind, hat Dümmler, Gesch. des Ost*
friink. Reichs 2. Aufl. I, 437 gegen die früheren Ansichten von MabilLon,
Ann. Bened. lU, 60 und Gfrürer a. a. 0. 1, 277 richtig erkannt.
») Concü. Paris, v. 829 I, c. 7, Mansi XIV, 570.
') Concil. Paris. I, c. 51 a. a. 0. p. 569; vgl. schon Karls des Grossen
Oipit c. 16, Gapit. reg. Franc. 1, 125.
*) Vgl Capit. Rodulphi archiepisc. Bituric. c. 35 b. Mansi XIV, 959.
^) So die Sjmode von Frankfurt von 794, c. 4, Capit. reg. Franc. I, 74
▼gl. auch Karls d. Gr. Capitul. c. 4 a. a. 0. p. 123; c. 17 p. 132.
<) ConcU. Paris. I, c. 57; in, c. 3.
SAoknr, ClaniaoenMr. I. 2
18
Wir hören schon früh, dass diese Wucherer durch solche Prak-
tiken die mittellose ackerbauende Bevölkerung so sehr in ihre
Schlingen bekamen, dass von den Ertiägen des Ackers oder
der Weinpflanzungen auch nicht das geringste mehr ihrer
Familie gehörte und dass die abhängigen Leute, um ihren
Arbeitslohn betrogen, einfach zu Bettlern wurden.^) So mussten
sie ihren Herren ihre Producte zu wahren Spottpreisen ver-
kaufen, während sie selbst gevdnnsUchtigen Ausleihem in die
Hände fielen.
Auf ihren Höhepunkt führte aber die Not und den Jammer
erst das Aufhören der kirchlichen und klösterlichen Gastlichkeit
und Armenpflege, der Untergang der Fremden- und Kranken-
häuser^), der Verlust der zum Unterhalt zahlreicher Armen
bestimmten Kirchengüter und der Mangel einer geordneten
Leitung der geistlichen Institute. Immer und immer wieder
machen Synodaldecrete und Capitulare, Clericalconstitutionen
und Klostervorschriflien die Armenpflege den kirchlicihen Lei-
tern zu einem Gegenstand erhöhter Aufmerksamkeit. Ein fran-
zösischer Bischof bedeutet am Ende des 9. Jahrhunderts seine
Cleriker, dass der Fremde, der zurückgewiesen sei, im Freien
durch Raubtiere oder Frost zu gründe gehe.^) Und mit Recht
rufen die Väter von Verneuil: «Das Gut der Kirche ist das
Erbteil der Armen*.*)
»
Wie jetzt die geistliche Seelsorge in kläglichen Zustand
kam, die Landes- und Provinzialsynoden feierten^), schwand
in den geistlichen, wie weltlichen Kreisen bei der Unsicherheit
des Besitzes und Lebens, mit den Zweifeln über den Wert des
Irdischen und Bestehenden moralische Kraft und religiöses Be-
wusstsein. Nichts ist begreiflicher, als wenn fortwährend über
Religionsverachtung, dogmatische Verirrungen, Zweifel an der
Wirksamkeit der Heiligen geklagt wird. Das harte, halbheid-
nische Landvolk kümmerte sich kaum um die Gebote der
') Concil. Paris. I, c. 57; III, c. 3.
') Vgl. bereits für 841 eine Urkunde des Bischofs liambert von Brixen
bei Margarini, BuUarium Cassinense (1670) II, 25.
») Constitutio Riculfi Suession. episc. v. 8S9, Mansi XVIII, Sl f.
*) Concü. Vem. v. 844, LL. I, 382.
") Ellendorf, Karolinger 11, 542 ff.
19
Kirehe und machte sieh kein Gewissen daraus, die Heiligen-
feste iin¥^rdig zu begehen.*) Abt Odo von Cluni eiferte mehr-
mals gegen die, welche einem Heiligen Yenjngernng seines
Wertes und Einflusses zusehreiben, weil er keine Wunder mehr
thue^): es gäbe schon Leute, die nichts mehr glaubten, was
sie nicht sehen und wahrnehmen könnten.^) Dass es auch arg
stand um die Sonntagsheiligung und die Teilnahme an den
göttlichen Mysterien, dass der Kirchenbesuch ungemein nach-
liess, der äussere Schmuck der Gotteshäuser verfiel und auf
Altu^eräte und Decken wenig geachtet wurde ^), ist nur zu
verständlich.
Die Diener der Kirche verloren mehr und mehr an An-
sehen im Yolke.^) Die Priester selbst, meint Odo, machten
den Laien den Tisch des Herrn verächtlich; sie Hessen es an
Aehtang vor den heiligen Orten fehlen und trieben Spott und
Possen in den Kirchen Gottes.^^) In den einträglichsten Be-
nifezweigen, der Gutsverwaltung und dem Ausleihegeschäft,
hatte der Glerns sich eingenistet.^) Vermöge seiner ausschliess-
Uehen Bildung erwies er sich zu allerlei Geschäften geeignet,
in denen etwa Kenntnis des Rechts verbunden mit rühriger In-
telligenz die meiste Aussicht auf Erfolg hatte. Fröhliche Ge-
lage, Betrieb von Handelsgeschäften, Umgang mit Weibern,
') Andreae Hirac.s. Benedict! V, c. 12: DtMrum gern agrestium^ läi
semipagaman animum circa theoricae legis gerit cMum etc.
^ Odonis abb. Clun. CoUationes I, Bibl. Glun. col. 175; De combustione
eecl. b. Martini Sermo a. a. 0. col. 147; Sermo de S. Benedicto, Bibl. Floria-
censis p. 260: Signorum sam inquisitorihus , qui unumquemqiie patretn
sanctum vd potentem vel impotentem ex raritate vel midtiplicitate eorun-
dem signorum arbitrantur iUa dominica exprobatio consideranda est, quae
dicU: Generatio mala et aduUera signwn quaerit.
>) OdoniB Collat III, Bibl. Clun. col. 240.
*) GoU. II, a. a. 0. col. 207: Quam videlicet negligentiam et ipsa ec-
desiae fades et ipsa vasa altariSy sed et linteamina seu quaelibet cetera,
quae ad itfum dominicae servitutis pertinent, manifeste demonstrant
•) Virtutea S. Eugenii c. 16 in SS. XV, 2, p. 650: Vilis quidem est sacer-
dotdlis apud malignes ardo. Ueber die Zeit der Abfassung vgl. Schnitze
in den Forsch, z. D. Gesch. XXV, p. 26S ff., n. SS. XV, 2, p. 646.
*) Vgl Coli. 11, col. 207; De combustione eccl. S. Martini, ib. col. 155.
') Vgl Goncil. Paris. I, c. 28; Göncil. Meldense v. 845, c. 49, Mansi
XTV, 680; Oapit. Bodulphi Bitur. o. 35; Concil. Wormat. v. 868, c. 69, Mansi
XV, 881.
2*
20
Yernachlässigang der Pilger and Armen sind dann die Punkte,
welche Hinkmar zn energischen Verboten an seinen Clerns ver-
anlassten^); gegen dieselben Vergehen müssen Theodnlph von
Orleans 2) und Riculf von Soissons*) in ihren Sprengein ein-
schreiten. In Bourges erliess Erzbischof Rudolph Bestimmungen,
welche über die kirchlichen Verhältnisse seiner Diöcese Auf-
schluss geben.^) Wenige Jahre nach dem Normanneneinfall
in die Touraine 858 Hess auch Erzbischof Herard von Tours
in einer Provinzialsynode eine Reihe von Beschlüssen fassen^),
die in einem Gapitular von 140 Canones für den Clerus seines
Sprengeis und seine Pfarrkindei* vereinigt wurden, wie er
selbst sagt, in Rücksicht darauf, dass die ihm anvertraute
Kirche teils durch Nachlässigkeit, Unthätigkeit und Sorglosig-
keit der leitenden Priester, teils durch den Verfall der Zeit,
zahllose Schicksalsschläge und Niederlagen angegriffen und
erschüttert sei und was am meisten zu bedauern, durch
Schlingen und tägliche Irrtümer leide, welche die Seelen ver-
stricken. Die Verbote weltlicher Beschäftigungen und des Ver-
kehrs mit Frauen fehlen auch hier nicht Indessen hatte die
Constitution keinen dauernden Erfolg ; gerade über die Cleriker
von Tours sind wir in späterer Zeit gut unterrichtet Man warf
ihnen vornehmlich Hochmut, Habsucht und Ueppigkeit vor.^)
„Die Diener der Kirche wenden sich weltlichen Genüssen zu",
meint Odo von Cluni, der einst in Tours gelebt hatte; „es bläht
sie ihr Hochmut, wie sie ihre Habsucht schwächt, zerstreut sie
das Vergnügen, wie ihre Bosheit sie ängstigt, entflammt sie
Zorn und trennt sie Zwietracht, wie Neid und schändliche
Ueppigkeit sie morden. Täglich schmausen sie glänzend und
prunken mit feinen Gewändern. Das der Religion geweihte
Kleid schämen sie sich zwar abzulegen aus Scheu vor übler
0 V. Noorden, Hincmar S. 114; EUendorf II, 582.
2) Haur^au, Smgularit6s hist et litt^r., Paris 1661, p. 58 ff.
°) Constit Riculfi c. 6. 12. 13. 15. 16. 20, Mansi XVIII, 81 ff.
*) Mansi XIV, 943 ff.
«) Capitula Herardi y. 858, GaUia Christ. XIV, instr. col. 39.
^) Vgl. die Auszüge, die MabiUon, Ann. S. Bened. III, 301 aus der
Schrift eines Martinianas monachus aus einem Cod. Rebac. giebt. Ducange,
der die Schrift benutzt, betitelt sie: De laude et institutione monachorum;
vgl. Fabridus, Bibl. lat. V, 34; Hist. Utt6r. de France VI, 95. — Vgl. Abbonis
Carmen de hello Parisiaco II, v. 596 ff., SS. II, p. 801.
21
Naebrede, aber bnnte Farben und Weicbheit rnttssen es an»-
zeiehnen''.i) Sie tragen Waffen and ziehen zur Jagd, sie trei-
ben Geschäfte.^) Sie haben Sehnid an der Irreligiosität des
Volkes.^)
Trotz des Interesses, das Karl der Kahle persönlich an
wissenschaftlichen Fragen nahm, trotz der Fürsorge, die er für
das Gedeihen litterarischer und theologischer Bildung auf-
wandte^), verrät doch die grosse Roheit in der wissenschaft-
lieben Erziehung des Clerus eine mehr und mehr um sich
greifende Auflösung der Unterrichtsinstitute. ^) Es sind fast nur
die notwendigsten Ritualbttcher, die der Bischof von Soissons
in den Händen seiner Cleriker wissen will: vom alten Testa-
ment soll sich jeder wenigstens das erste Buch, die Genesis,
abschreiben, damit er daraus ersehe, wie die Welt geschaffen
wnrde.^) Bezeichnend sind auch Fragen, welche zu Bourges
an den Priester beim Examen gerichtet wurden: Wie er in der
Taufformel männliches und weibliches Geschlecht unterscheide,
die Einzahl oder die Mehrzahl.'')
Die grössten Veränderungen waren in diesem Zeitraum
im Klosterwesen vor sich gegangen. Ein Misstand, der nicht
minder die Anfrechterhaltung einer geordneten Wirtschaft, als
die genaae Befolgung der Regel sehr erschwerte, wenn nicht
unmöglich machte, lag in der Art der klösterlichen Verwaltung,
nach welcher eine Reihe von Einzeleinnahmen ftlr eine be-
stimmte Verwendung festgelegt oder einzelne Gutsbezirke zur
Lieferung bestimmter Naturalabgaben vei*pflichtet waren. Eine
0 Odonis Ck)l]. II, a. a. 0. col. 190 ff.; III, a. a. 0. col. 232; Martinianus
moiuichus a. a. 0.
') Coli, n, col. 213; Martin, mon. a. a. 0.
») Coli. U, col. 207. 208.
') Vgl.Delisle, Cabinet des manuscrits I, 5; III, 234. 259. 320. 321;
Uon Maitre, Les ^coles ^piscopales et monastiques, Paris 1866, p. 27 ff.;
Labarte, Hist. des arts industriels II, 121.
*) I^nnoi, De scolis celebrioribus ... in occidentc instauratis, Ilam-
burgl 1717, p. 50 ff.; v. Noorden, Hincmar S. 115 ff.
^) Constit. Riculfi Sness. c. 6 a. a. 0.
') Lebeuf, Recueil de divers Berits II, 27 hebt aus Cod. Paris. 4439*»
heraus; Qtwnwdo in bapfisttia discemis nexum masctdinum et feniininum?
vel numerum pltiralem et sing^ilarem ?
/
22
solche VerwaltoDg konnte aber nar in friedlichen Zeiten Be-
stand haben; jetzt, wo ein furtwährendes Schwanken im Be-
sitzstände stattfand, war Verwirrang anansbleiblich, da mit dem
Verlust ganzer Güter gewisse Bedürfnisse ungedeckt blieben.
Ebenso begreiflich ist es aber, dass man schliesslich zu Genuss-
mitteln griff, welche die Regel verbot, wenn die sonst ttblichen
nicht in der gewohnten Fülle eingingen oder ganz ausblieben,
oder unglückliche Zeitnmstände — etwa feindliche Occnpation
des Landes — den Betrieb ländlicher Culturen lahm legten.^) So
ist denn der Durchbruch der Regel die notwendige Folge dieses
Wirtschaftssystems, und war das Princip erst gebrochen, so
war eine weitere Auflösung unaufhaltbar. Jeder treibt schliess-
lich was er will.^) Man verlernte allmählich im Genuss vier-
füssiger Tiere ^) ein Vergehen gegen die Regel zu finden. Hier
und da war eine geradezu üppige Lebensweise eingerissen^),
und. zwar nicht nur in der Wahl der mannigfaltigsten Nahrungs-
mittel, sondern auch allmählich in der Kleidung. Die Kloster-
gewänder waren natürlich zu rauh und zu schlecht; man nahm
kostbare lange, farbige, mit dem Pallium geschmückte, auch
blaue, wie Odo ausdrücklich von den Turoner Mönchen er-
zählt, denn Blau war die Farbe der Narren.^) In der Diöcese
>) Schon in den Statuta Risbac. c. 29 (Capit. reg. Franc. I, 229) wird
Fleischgenuss gestattet: st evenerit ex qualicumque necesaitate mU famis
inopÜL
«) Odonis CoU. II, BibL Clun. col. 192; III, col. 232.
3) Beispiele aas Autun, Cormery führt Odo, Coli. III, col. 234 ff. an.
*) Ich verweise hier auf die Urkunde Karls des Kahlen für St Denys,
Mabillon, Ann. Ben. III, 91: ex quibusdam viUis fratribus suppeditatido
cum pulpastia et aupastiSj sicut a longe tempore mos fuit; Constit Ansegisi
abbatis in den Gesta abb. Fontanell. SS. U, 299 ; femer bezüglich St. Gallen
auf die Eckehardi Benedictiones ad mensas ed. Keller in den Mittheilungen
der antiquarischen Gesellschaft in Zürich Bd. III u. IV, 99 ff.; Arx, Gesch.
des Cantons St. Gallen I, 178; DUmmler im XII. Bde. der Mittheilungen
d. antiq. Ges. in Zürich; Eckehardi Casus S. Galii II, 142. Für St. Vannes
auf die Consuetudines S. Vitoni bei Martene, De antiquis ecclesiae ritibus
IV, 297; Lamprecht, Beitr. z. Gesch. d. franz. Wirthschaftslebens im 1 1. Jahrh.
a. a. 0. S. 142. Doch bezieht Lamprecht das dort mitgeteilte Menü irrig
auf das ganze Jahr; es galt nur ftlr Weihnachten, wie der Zusammen-
hang lehrt.
^) Odonis Coli. II, BibL Clun. col. 192; III, col. 232: Joh. V. Od. III,
c. 1; Martinianus monaehus b. Mabiüon, Ann. Bened. III, 305. Eine blari-
nen cuculUi hatte ein Mönch von Solcmes, Od. Coli. III, col. 234 ff.
23
Beüns gab es noch gegen Ende des 10* Jahrhnnderts Mönche,
die ohne Sehen golddarcb webte Mützen tragen, ausländische
Pelze der regulären Kopf bedecknng vorzogen und in der Klei-
dimg grossen Anfwand trieben. Wunderliche Moden, in denen
sich die Formen des Unterkörpers eng ausprägten und die den
Mönchen von hinten den Anschein von Dirnen gegeben haben
sollen i)y kamen neben weiten Hosen auf, die in Folge der
Dorehsichtigkeit und Feinheit des Stoffes den äusseren ' An-
stand verletzten.'^) Auf das Schuhwerk wurde grosser Wert
gelegt In Tours trug man die Schuhe farbig und gewichst,
dass sie wie Glas glänzten 3), in Reims möglichst eng und
vom geschnäbelt Auch Ohren setzte man zur Verschöne-
rung an.4) Natürlich wurden nun die klösterlichen Offizien
erst recht vernachlässigt^) Hinter prunkenden Altargeräten und
Gefässen verbarg sich die frivole und hochmütige Denkungs-
weise eines entarteten Mönchtums.^)
In den meisten Abteien war jedoch in diesen Jahren jede
Spur mönchischen Lebens zu Grunde gegangen. . Dann nicht
nur waren dieselben bei ihrer isolierten Lage schutzlos dem
Ansturm der Barbaren ausgesetzt, sie waren auch willen- und
wehrlose Wertobjecte in den Händen der Könige und Grossen
geworden. Der weltliche Adel, dem die Masse herrenlosen
Gates vor allem zufallen musste, verstand es in zahllosen
Fällen sei es mit Gewalt, sei es auf Grund königlicher Be-
lehnung sich in den tbatsächlichen Besitz heruntergekommener
oder verlassener Abteien und ihrer zerstreuten Ländereien zu
setzen. Nicht wenige untergeordnete Kriegsleute waren damals
emporgekommen und zu Stellung und Besitz gelangt.'^) Dem
^) Riehen Bist. III, c. 87: Nam tunicas magni ernptas plurimum cu-
phmtf quas sie ab utroque latere stringunt manidsque et giris difßusntibuts
diffundunt, ut artatis chmihun ei protensia natibus potiua meretriculis quam
manachia a tergo aasimilenttir.
«) Rieh, m, e. 41.
3) Joh. y. Od. a. a. 0.; Martin, mon. a. a. 0.
*) Rieh, m, c. 39.
^) Vf^l. Joh. V. Od. III, c. 1. Die Mönche von St. Martin in Tours
erhoben sich zu den nächtlichen Laude» am heUen Tage: ne aliquo pede
offenderent. «) Od. Collat. II, col. 2ia.
^) Vgl. den Prologus zur Chronica de gestis consulum Andegav. bei
Marchegay et Salmon, Chroniques d'Anjou 1, 31 : Igitur tempore Caroli Calvi
24
Könige gewährte die Menge preisgegebenen Eirchenbesitzes die
Mittel, flieh Anhänger nnd ergebene Vasallen zu schaffen, wie
seine Günstlinge zu belohnen; es war nar zn verständlich, dass
die gute Gelegenheit, welche die Zeit Verhältnisse boten, den
königlichen Finanzen mit Hülfe kirchlichen Eigentums an&u-
helfen, im 9. Jahrhundert mit demselben Eifer ergriffen wurde,
mit dem sie von Karl Martell und Pippin einst ähnlich ausge-
nützt worden war. Noch in anderer Beziehung wurden Klöster
vom Kriegsadel abhängig: indem nämlich die Mönche Kloster-
hufen öfter lehnsweise an Kriegsleute gegen die Verpflichtung
militärischer Verteidigung ausgaben >), ging in der Regel der
Lehnsbesitz in Allodienbesitz über und wurde so — mitunter
freilich nicht ohne die heftigsten Proteste von kirchlicher
Seite — der einstigen Bestimmung dauernd entfremdet In
Italien hatten sich unter ähnlichen Verhältnissen die niederen
Leiheformen mehr entwickelt, da die Klöster, abgesehen vom
Verkauf, durch Verpfändung und libellarische Pachtverträge
ihren augenblicklichen Verlegenheiten abzuhelfen suchten, je-
doch dadurch nicht minder in Abhängigkeit von dem waffen-
mächtigen Landadel gerieten.^) Neben den Laien beteiligten
sich nicht selten die Bischöfe an der Beraubung der Diöcesan-
Stifter; sie betrachteten das Klostergut als privates Eigentum,
mit dem sie ihre Vasallen ausstatteten oder ihre Familien ver-
comjüures novi atqtie ignobües bono et honesto nobilibm potioreSj clari et
magni effecti sunt; qw)8 enim appetentes gloriae müitaris cofispiciebat,
periculis obiectare et per eo8 fortunam tentare non dubitabat; Coursun,
Gartul. de Bedon nr. 321:
Secularium hottores
Per nonnuUos dofninos
Aliquando derivando
Pertingunt ad infimos.
') Vgl. Cartul. de Saint-Pere de Chartres 1, 12; Mirac. S. Bercharii c. 8,
MabilloD, Acta SS. II, 812, wo 1550 Ilufon an benachbarte milites ausge-
geben wurden; Chron. S. Michaelis Virdun. c. 32, M. G. SS. IV, 84; Urk.
Adalberos I. vom Metz von 12. Dec. 933 bei Calmet, llist. de Lorraine I,
338: quod si omneni teneret abbatiae terram (seil, abbas)^ oporteret et satel-
Utes tenerej cum quibus publice müitaret.
*) Vgl. Chron. Casaur. b. Muratori U, b, 822; Chron. Vultum. a. a. 0.
1, b, 408. In Italien, wo der Precarist eine grössere Geldsumme sofort
dem Ausleih er bezahlte, war dieser Weg allerdings besonders verlockend.
25
sorgten.^) Bei der wirtBchaftlichen ZerrUttang vieler Bisehofs-
kirehen wurde Abteibesitz häufig zum Unterhalt von Clerikem
verwendet und in zahllosen Fällen sehen wir vor der Reform
in den Klöstern Canoniker ein wenig geordnetes, durchaus
kienhaftes Leben führen.
Soweit Klöster nicht gänzlich aufgehört hatten zu existieren,
indem die Mönche ihren Untergang fanden, in der Gesammtheit
aogzogen oder sich zerstreuten, um die Welt wieder aufzusuchen
and privates Eigentum an Stelle des gemeinsamen Besitzes zu
erwerben ^) oder ihre Beute in sicheren Gewahrsam zu bringen '^),
war in den meisten Abteien bittere Armut eingezogen. Ihrer
znm Unterhalt bestimmten Güter bis auf spärliche Reste be-
raubt, fristeten die wenigen Brüder nicht selten ein armseliges
Dasein, bedrängt von den Lehnsleuten 4); es kam schliesslich
vor, dass sie, um sich zu erhalten, den Bauern Ackerdienste
verrichteten.^) Es ist begreiflich, dass in diesen und ähnlichen
FäUen eine Grundbestimmung der Regel nicht mehr aufrecht
erhalten werden konnte : das Verbot privaten Eigentums.^) Wir
sehen deshalb überall den Klosterbesitz verteilt, jeden einzelnen
Mönch in Sorge für seinen Unterhalt Die traurigsten Zustände
hatten sich aber in den Abteien ausgebildet, die in Laienhände
oder unter die Leitung irregulärer Aebte gekommen waren : hier
wurde jede Erinnerung an die einstige Bestimmung des Ortes
vernichtet Weltliche Beschäftigungen zogen ein. Der Besitzer
schlug seinen Wohnsitz in der Abtei oder in der Nähe auf.
0 Vgl. ConcU. Magont. v. 888, Mansi XVIII, 61: molestiaa . . . quaa
modemis temporibus contra sacra monasteria per qtwsdam episcopos recenter
ordinatos. Vita Johaunis abb. Gorz. c. 36. 05. 104. 11U; Vita S. Gerardi
abb. Bron. c. 21; Letaldi Mirac. S. Maximini c. 23 ; Lamprecht, der Character
der klösterlichen Reformbewegung Lothringens im 10. Jahrhundert in Picks
Monatsschr. VII, 228.
') Johannis Vita Odonis III, c. 2, Mabillon, Acta SS. V, 79.
') Richeri Eist. Senon. II, c. 18.
*) So in Moyenmoutier, dem Lothar II. 1511 Hafen entrissen und nur
ein einziges Dörfchen gelassen hatte, Mabillon, Ann. S. Bened. III, 84 ; fUr
Montierender vgl. Hirac. S. Bercharii c. 8 ; ftir St. Quentin Hist. Mosom.
II, c 2, SS. XIV, 631; Q^r St. Mesmin bei Orleans vgl. Letaldi Mirac. S.
Maximini e. 23; ftir Gorze Vita Johannis Gorz. c. 95.
. *) So in Senones, Richeri Hist. Senon. II, c. 1 8.
«) Vgl Od. Coli. U, col. 213.
26
Ein üppiges Hofleben, wie es beim Adel damals üblieh war,
entfaltete sieh.^) Man vernahm Wafiengeklirr und das Bellen
der Meute, ganze Familien hatten sich in den heiligen Bäumen
eingenistet. Der Abt und die Mönche waren verheiratet, Kinder,
Schwiegersöhne und Schwiegerväter zehrten vom Klostergate ^);
das gab ein Schmausen und Zechen.^) Den Landbesitz über-
trug man an Lehnsleute ; man wollte sich die fröhlichen Lebens-
genüsse nicht durch militärische Anstrengungen verbittern und
verkümmern.^) Mau eilte lieber zum Spiel als zur Kirche.^)
Hier versuchten die Jünglinge sich mit Schild und Stab, da
krächzten die Habichte und in den Häusern der Brüder wieherten
die Pferde.^^) Hier und da richtete man wohl Schneiderwerk-
stätten für die Weiber ein^) und anderwärts hörte man den
pfeifenden Ton des Wollkamms der Weberinnen. Die neuen
Herren lebten sehr üppig. Die Damen putzten sich gern und
wenn die Herrin sich im Volke sehen liess, so that sie das
nur im Gefolge zahlreicher Dienerinnen.^) Es war nicht noth-
wendig, dass alles in einem Hause wohnte, aber alle zehrten
vom Gold und Silber und den Einkünften der Abtei.^) Es
wird uns von Zusammenkünften und Conventikeln erzählt^^^)
Das Resultat der geschilderten Vorgänge und Zustände
war der fast gänzliche Untergang des Mönchtums. Am Anfange
des 10. Jahrhunderts gab es kaum einige reguläre Mönche. *>)
In Lothringen wnsste man von der Benedictinerregel überhaupt
nichts mehr^^); in ganz Francien konnten Odo und Adhegrin
*) Concil. Troslei., a. a. 0.; Mirac. S. Basoli c. 11; Letaldi Mirac. S.
MAxim. c. 23.
^) Dies. Quellen, dazu Mirac. S. Bercharü c. 8.
3) Bicheri Hist. Senon. II, c. 18.
^) Mirac. S. Bercharii a. a. 0.
*) Richeri Hist. Senon. a. a. 0.
«) Mirac. S. Maximini c. 23.
») Mirac. S. Basoli c. 11.
**) Mirac. S. Maxim, a. a. 0.
») Hist. Mosom. II, c. 2.
^°) Mirac. S. Basoli a. a. 0.; Mir. S. Maxim, a. a. 0.
'*) Letaldi Mir. S. Maximini c. 23: Eo autem tempore vix aliqui mo-
nachortmi mt^eniri poterant, qui seaindum regulärem vwerent sanctiancm.
") (^esta episc. Tullensinm c. 31 (SS. VIII, 639): regulam mncti Betie-
dicti huiuft regni hahitatoribiis omnibus ignotam.
27
kein Kloster finden, in das sie hätten treten können.^) In
SüdfraDkreieh stand es nicht besser; unaufhörlich klagt der
hL Gerald von Äurillac, dass er keine Mönche finden könne.^)
Peter der Ehrwürdige sehreibt einmaP): in fast ganz Europa
wäre ausser Tonsur uud Kutte nichts mönchisches gewesen.
Später behauptete man, bis auf Odo wäre die Benedictinerregel
m Francien, wie in Burgund unbekannt gewesen, nur die des
hL Columban hätte geherrscht 4).
Während dieser ganzen Entwicklung sahen die mass-
gebenden Kreise im Reiche, der König und die hohe Geistlich-
keit nicht unthätig zu, wenn es auch nirgend zu energischen
Massregeln, um dem Verfall zu steuern, gekommen ist und
kommen konnte. Es fehlte an der nötigen Geotralisation der
Regierung, mehr und mehr entzogen die localen Vorgänge sich
den Augen des Herrschers und der Kirche, so sehr auch
letztere — wie die Entstehung der falschen Decretalen be-
weist — die Einheit der Hierarchie dem umsichgreifenden zer-
störenden Einflnss der localen Laiengewalten entgegenzustellen
bemttht war.
Dass einen kirchlich frommen Herrn, wie Karl den Kahlen,
das Leid, welches die Klöster traf, tief ergreifen musste, ist
erklärlich. Es wird uns daher mehrfach übereinstimmend be-
richtet, der König habe sehr viel Mühe und Geld zur Wieder-
herstellung von Kirchen und Klöstern verwendet, er habe nach
Kräften die zerrüttete Mönchsdisciplin zu heben, zerstörte und
heruntergekommene Abteien wieder zu beleben sich bestrebt^),
') Joh. Vita Odonis I, c. 23 : Interea non fuit locus tri Franciae fini-
bu8f mW audieru7it, fuisae monasterium . . . Et non invenientes regionis
hcum etc. ; vgl. auch Syri Vita Maioli II, c. 6 : Nam regularis vitae disci-
plinamj quae iam pene deciderat per veterum negligentiaMj prout h, Bene-
dictm eam composuit etc.
') Vgl. Odonis Vita Geraldi III, c. 1: soll monachi desuntj soll in-
veniri non possunt»
') Petri Venerab. £pist. VI, 15: In cunctis paene Europae nostrae
finibus de monacho praeter tonsuram et habitum nihil.
*) Alberici Tresfont. Chron., SS. XXIII, 760.
') Vita Hngonis Aednensis c. 7 (Mabillon, Acta SS. V, p. 94): Totam
mim paene sui reipublicae regni cenmim in huiusmodi expensis tribtiebant;
C%oiL S. Benigni Divion. ed. Bougaud p. \)bi Carolus Calvws . . erga
28
und in der That lassen sieb einzelne Beispiele derartiger Wirk-
samkeit anführen.^) Eine umfassende Reorganisation des Kloster-
wesens stand jedoch nicht mehr in seinen Kräften, er beförderte
im Gegentheil durch die politisch notwendig gewordene Ein-
ziehung klösterlichen Besitzes den wachsenden Verfall erheblich.
Der hohen Geistlichkeit war natttrlich nicht entgangen, wie
gefährlich die willkürliche Verfttgung der Krone über Stifter
und Abteien war, die- neuerdings durch Ludwig den Frommen
begonnen, während des Zwistes seiner Söhne von jedem einzelnen
derselben in noch höherem Masse fortgesetzt wurde und schon
frühzeitig Laien in den Besitz ehrwürdiger Klöster gebracht
hatte. Daher ertönen schon October 844 auf der Synode von
Thionville Rufe aus der Geistlichkeit an die Könige Lothar,
Ludwig und Karl, die vielen Misstände, die in die Kirche
sich eingeschlichen, zu beseitigen, den Kirchen, welche im
Zwiste des königlichen Hauses ihre Oberhirten verloren, durch
canonische Ernennungen ohne simonistische Umtriebe geeignete
Bischöfe zu setzen.-) Es wird ihnen vorgeworfen, gegen Ver-
nunft und Herkommen einzelne, besonders ehrwürdige Abteien
in Laienhände gebracht zu haben; man fordert die Uebertra-
gung derselben an Männer aus dem Gleriker- und Mönchs-
stande, dementsprechend die der Nonnenklöster an klösterlich
erzogene Frauen.^) Ebenso sollen Canoniker- und Canonissen-
anstalten, wenn sie bisher in Laiengewalt waren, seitens der
Diöcesanbischöfe mit Zuhülfenahme frommer Aebte wiederher-
gestellt und hinsichtlich ihrer Studien, geistlichen Uebungen und
ihres Lebensunterhaltes Erhebungen vorgenommen werden.^)
Auch auf der im December desselben Jahres zu Vemeuil versam-
melten Synode wird gegen das Eindringen der Laien in geistliche
Pfründen und die erbliche Verleihung von Kirchengnt protestiert.
cultum ecclesiae Dei fuit studiosissiimia ; p. 99: eccksiartwi Dd cuUor
devot\i8 mnni nisu quo potuit, sUuiebat in cultu religionis depravata cor-
rigerCj destmcta reedificare, conlapsa crigere.
^) Vgl. z. B. P6rard, Recueil de plusieurs pieces, Paris 16G4, p. 149
für St. Benigne v. Dijon ; zahlreiche Urk. Karls des Kahlen für St. Martin
in Tours bei MabUle , La pancarte noire de St. Martin de Tours, Tours
1866, p. 156—160.
') M. G. Capit. regum Franc. II ed. Boretins et Krause, p. 144, c. .3.
8) Capit. reg. Franc, a. a, 0.
*) A. a. 0. c. 5, p. 115.
29
Die Bischöfe sollen den Znstand der Klöster durch geeignete
Männer nntersnchen lassen und Bericht erstatten. Die Mönche,
die unnütz nmherlaufen und ihr Gelübde brechen, sollen wieder
auf ihren Platz zurOckkehren and vom Abte in regulärer Weise
anfgenommen werden. Die, welche Kriegsdienste angenommen
and geheiratet haben, verfallen öffentlicher Busse. Schon sehen
wir hier die geistlichen Kreise über Mangel sich erbittern, schon
ist die Armenpflege, die Aufnahme der Fremden nicht mehr in
Ordnung.i) Auf der Reichsversammlung zu Epernay im Jahre
846 erregt dieser Punkt Karls Interesse: die von seinen Vor-
gängern errichteten Fremdenherbergen seien vernichtet. Nicht
aar Reisende würden nicht aufgenommen, sogar die, welche
von Kind auf dort Gott dienten, würden ausgewiesen ; sie müss-
ten von Thür zu Thür betteln gehen.^)
Endlich im Jahre 853 raffte sich Karl auf der Synode von
Soissons zu einem kühnen Entschluss auf; die Massregel, die
er hier ergriff, um eine allgemeine Klosterreform zu bewerk-
stelligen, verrät volles Verständnis fttr die Bedürfnisse des
Klosterwesens und wäre vielleicht von Erfolg begleitet gewesen,
wenn nicht im selben Jahre gerade die Normannen von der
Loire einen entsetzlichen Raubzug nach der Touraine unter-
nommen hätten und die nächsten Jahre unter verheerenden
Anfällen auf verschiedene Theile des westfränkischen Reiches
vergangen wären. Es handelte sich darum, ein klares Bild
von den Klosterverhältnissen zu gewinnen. Die Boten, die
Karl zum Zwecke der geeigneten Aufnahme aussendet, erhalten
demnach folgende Instructionen.^) Sie werden beauftragt, die
Einrichtungen der einzelnen Klöster zu untersuchen, zu bessern,
nötige Bauten anzuordnen, verfallene wiederherzustellen. Lebens-
unterhalt, Getränk, Kleidung und jeglichen Bedarf sollen sie
nach Massgabe der örtlichen Beschaffenheit und Umstände an-
ordnen, ebenso die Aufnahme von Fremden und die Pflege der
Armen. Sie schreiben die Zahl der Insassen eines jeden
Klosters auf; nach Zahl der Mönche und Beschaffenheit des
Ortes, je nachdem einer mehr oder weniger ernähren kann,
») M. G. LL. I, 888.
>) M. G. LL. 1, 388.
*) M. G. LL I, 418.
30
sollen Versetznngeii nach Beratung mit den Bischöfen und
Vasallen stattfinden. Die Missi sollen aber anch fragen, wie
gross die Zahl der Mönche in jedem Kloster zu Zeiten Karls
des Grossen und Ludwigs des Frommen gewesen sei und wana
einzelne Drte durch Normannen oder auf andere Weise zerstört
wurden, wie viel aus den Mitteln der Anstalt restaurirt werden
könnte, damit der König dann seine Bestimmungen treffe. Die
Die Missi sollen ferner untersuchen, welche Klöster von frommen
Leuten auf ihrem Allod gegründet worden waren und was
diese seinen Vorfahren gegen das Recht der Immmunität über-
tragen hätten. Schliesslich sollen sie zusammen mit den Bi-
schöfen Erkundigungen einziehen über den Zins, der von den
kleinen Kapellen und Abteien für ihre Kirchen einkomme.
Begreiflicherweise war dieser Versuch umsonst. Karl
sagte selbst einmal verzweifelt, vielleicht mit Rücksicht auf
jenes Capitular: die Normanneneinfälle hätten die begonnene
Restauration der Kirche unterbrochen.^) Die Auflösung aller
klösterlichen Verhältnisse wurde dadurch in keiner Weise auf-
gehalten ; denn bald nachher im Jahre 855 ermahnen Bischöfe
und Getreue zu Bonvenil den König von neuem, so schnell und
so gut irgend möglich für Hebung der klösterlichen Zustände
zu sorgen.^) Auch in dem Schreiben der westfränkischen Bi-
schöfe an Ludwig den Deutschen vom Jahre 858 wird die
Klosterirage berührt und namentlich die Rückgabe derjenigen
Abteien, die Karl ans jugendlichem Unverstand, schlauer Be-
rechnung oder Furcht nach Beneiicialrecht an Laien gebracht
hat, an geeignete Personen gefordert Durch Wiederherstellung
von Armenpflege und Gastlichkeit, Verbannung alles Weltlichen
aus den mönchischen Instituten, strenge Unterwerfnng unter
die Bischöfe glaubt Hincmar von Reims dem weiteren Verfall
steuern zu können.^)
Von nun an hören officielle Vorschläge oder Forderungen
hinsichtlich einer umfassenden Klosterreform auf; man hätte
sie in Anbetracht der Umstände für Ironie gehalten. Das
einzige, was man auf Synoden oder Reichstagen vermag, sind
») Capit. Pist. V. 862, LL. I, 478.
') Baluze, Capit. reg. Franc. II, 77.
«) Baluze II, t02.
31
dringende Anffordernngen an alle Reicbsstände, gegen Räober
Qod Plünderer vorzugeben, die in der allgemeinen Anarchie
ihr Gewerbe blttben saben, oder sieb zur Abwebr der Ungläu-
bigen zu vereinigen. 1) Selbstbilfe und ZusammenseblnsB bebufs
der Verteidigung ist alles, was die Regierung anempfeblen
kann. Das nnaufbörlicbe Gesebrei belebrt uns aber, dass alles
in den Wind ging, dass alle Strafandrohungen und Proteste
eitel waren. ,
Jetzt beginnt die Verzweiflung; der fromme K(5nig und
die (^eistliebkeit sind in tiefster Zerknirschung. Ein dumpfes
Geftthl der eigenen Sündhaftigkeit bemächtigt sich aller Kreise.
Gegenüber der furchtbaren Verrohung und den niederschmettern-
den Unglücksfällen beginnen christliche Gedanken in den Herzen
wieder aufisukeimen. „Frankreich ist öde geworden* sagt Karl
der Kahle im Capitular von Pttres 862 ^) «weil wir die Blumen
nnd Früehte #on Glauben, Liebe, Hoffnung, von Demut, Keusch-
heit und Massigkeit, sowie der übrigen Tugenden vom Acker
unseres Herzens rissen und dafür Unkraut der Sünde säeten.
Deswegen sind die Bewohner des Landes getödtet und aus-
einandergejagt worden, weil wir uns selbst durch das Schwert
der Sünde tödteten und alles Gute, was Gott uns an natürlichem
Geist, Wissen, Reichtum, Ehren, vornehmen Familienverbindungen
gewährte, irdischen Lüsten dienstbar machten und dem Willen
und der Absicht Gottes entfremdeten. ** Sein Enkel Karlmann,
der Sohn Ludwigs des Stammlers, ruft von dem gleichen Gefühl
der Sündhaftigkeit erfasst^): «Wir plündern unsere Brüder und
deshalb rauben die Heiden uns und unsere Habe aus. Wie
werden wir also sicher gegen die Feinde der heiligen Kirche
Gottes und unsere Gegner vorgehen können, da in unserm
eignen Hause der Raub des armen Mannes aufgespeichert liegt?
Und wie werden wir unsere Feinde besiegen können, da das
Blut unserer Brüder von unserm Munde rinnt und unsere Hände
YoU von Blut sind und die Arme belastet werden durch das
>) Capitul Sparnac. (846) c. 67; Capit. Cerisiacnm (857); Capit. in
bami. S. Castor. Confluent. (860) c.8; Capit Pist. (862) c. 2; Capit. Pist.
(864) c 2; Capit. Burgnnd. (865) c. 13; Capit. Vern. (884) Anfang; Concil.
Colon., Mansi XVIII, 45; Concil. Magont. 888; Concil. Mett 888; Concil.
Trotlei. 909. ^ LL. 1, 478.
^ Capit. Vemense (884. März) LL. I, 551.
32
Gewicht des Elends und des Raubes, da unsere ganze geistige
und körperliche Kraff; zu Grunde geht. Wir werden von Gott
nicht erhört, weil das Geschrei und die Klagen von Armen
und Waisen, Mündeln und Wittwen unsere Bitten übertönen.*'
Wenige Jahre später hielt der Ostfranke Arnulf seinen Refor*
mationsreichstag zu Mainz. In der Einleitung zu den Be-
schlüssen äussern die Väter denselben Gedanken.^) Noch
weiter gehen die Bischöfe, die 909 zu Trosly verstümmelt waren :
sie nennen die Geissei des Herrn zwar wuchtig, aber noch
schwächer, als sie verdient hätten.^) Das ganze Volk ist Schuld
an dem Verderben sagen die Chronisten und Biographen der
Zeit.3) Das ist die Stimmung, die den Ereignissen gegenüber
Platz greift: Normannen, Ungarn und Sarrazenen sind Werk-
zeuge in der Hand Gottes.
Gegen Ende des Jahrhunderts, nachdem die Gefahren der
Dänen nachgelassen, stumpfe Apathie sich der Clemüther be«
mächtigt hat, beginnt man sich wieder etwas zu regen. Hincmar
von Reims erhebt in dem Synodalbriefe von Fimes in der
Erzdiöcese Reims noch einmal seine gewichtige Stimme bei
König Ludwig für Absendung von Königsboten behufs Unter-
suchung der Klosterverhältnisse und Abstellung der Miss-
bräuche.^) Die Reformsynoden von Metz und Mainz scheinen
ein viel versprechender Anfang im Ostreiche zu sein, wo der
kräftige Arnulf den Sitz des unfähigen Karls des Dicken ein-
genommen hat. Die Mainzer Versammlung erkennt zunächst
an, dass man lange Zeit weder in General- noch in Frovinzial-
synoden vereinigt war, um etwas fllr das Wohl der Kirche
Notwendiges zu beschliessen. Sie führt sich namentlich den
Zustand des gesammten Klosterwesens zum Bewusstsein und
bestimmt in Bezug auf Klosterreform, dass Chorhermstiftem,
Mönchs- und Nonnenabteien, die Clerikern oder Laien gegeben
wurden, reguläre Leiter vorgesetzt werden, die an den Bischöfen
») Mansi XVIII, 61.
») Mansi XVIII, 263 flf.
3) Vita Ilugonis Aed. c. 4 ; Mirac. S. Basoli c. 7; Vita S. Romani abb.
Autiss. § t3, 1. 1. p. 15S-, Epistola Remigii ad Dadonem b. Mart^ne-Darand,
GoU. ampl. I, 230.
*) V. Noorden, Hincmar S 878; Hefele, ConziliengeBoh. IV, 542.
83
ihre Stütze sncbeD solltenj) In Frankreich zieht knrz vor
der Gründmig Clanis das Concil von Trosly im Jahre 909
die Samme der Entwicklung des 9. Jahrhunderts und
entwirft ein grossartiges Gemälde der Zerrüttung der klöster-
lichen Verhältnisse zur Zeit, da Herzog Wilhelm von Aquitanien
seine welthistorische That unternimmt Auch hier klagen die
Väter, dass die heidnischen Einfälle, die schweren Wirren im
Reiche, die Belästigungen falscher Christen synodale Versamm-
langen verhindert hätten. Eine traurige Schilderung der
herrschenden Verbrechen führt zu dem Schlüsse : Die christliche
Religion ist im Wanken, die Welt ist dem Verderben nahe.
«Wie die Fische des Meeres zerfleischen die Menschen sich
gegenseitig*^. Die Bischöfe selbst beschuldigen sich der Ver-
nachlässigung ihrer Pflicht, der Predigt. Es wird anerkannt,
dass reguläre Vorschriften in den Klöstern nirgend mehr be-
obachtet' würden, nirgend canonische Leiter wären, sondern
fremde Herren. In den Capitularen werde verlangt, dass der
Abt mit den Mönchen die Regel durchgehe: wie soll das ein
Mensch fertig bringen, meinen die Synodalen, der nicht lesen
kann und von den Einrichtungen nichts versteht? Je mehr
Capitnlare, Decrete, Canonen vergessen würden, desto mehr
gehe es abwärts. Er folgen einige allgemeine Verordnungen,
die aber mehr frommen Wünschen gleichen, als ernstlichen
Massregeln. Man verlangt Einschränkung des Umherschweifens
der Mönche und ihrer Prunksucht, Einführung religiösen Lebens;
man giebt gute Ratschläge Über wirtschaftliche Verwaltung. 2)
Man sieht, es lässt sich eine nur kurz unterbrochene Reihe
von Ermahnungen, Befehlen, lialben oder ganzen Massregeln,
Versuchen einer Reform der französischen, erst spät auch der
ostfränkischen Klöster, die nie so sehr gelitten hatten, con-
statieren. Schliesslich gab es auch einzelne Leute, welche den
Mut hatten, in dieser Zeit Klöster neu zu stiften, im Adel
Persönlichkeiten, welche im allgemeinen Untergang kirchlicher
Frömmigkeit kirchlichen Sinn bewahrt hatten oder die in wohl-
thätiger Reaction gegen den materiellen Geist des Jahrhunderts
seelische Befriedigung in der Anlage geistlicher Orttndungen
1) Concil. Magont. a. a. 0.
*) Concil. Trosl. a. a. 0.
SAckar, Clanlaoenser. I.
34
fanden. Es sind die ersten Spnren einer aufsteigenden Be-
wegung, die seit der Grttndnng von Cluni einen nageahnten
Aufschwang nahm. Aber es ist bemerkenswert, dass in der
Erzdiöcese Bourges und den angrenzenden Gebieten i-eligiöser
Sinn zuerst sich wieder regte, in jenem Landesteil, der von den
Barbaren am wenigsten geschädigt worden war. So entstanden
die Klöster Bnfee^), das Raimund von Limoges stiftete, Sessieu,
das seinen Ursprung dem Abt Aurelian von Ainay verdankte ^),
St Martin von Antun, das Graf Badilo wiederherstellte 3), von
dem es heisst, er sei auch als Laie den heiligen Männern in
jeder Hinsicht ebenbürtig gewesen und der schliesslich selbst
Mönch wurde.*) Damals erhob sich Yabre in der Diöcese
Bourges, eine Familienstiftung des Grafen Baimund und seiner
Gemahlin Berteiz^); Graf Gerard von Roussillon und seine Fraa
Berta stellten sogar ihre Stiftungen Poutiöres und Vezelay unter
Verleihung grosser Freiheiten 863 unter die Herrschaft und
den Schutz des Papstes.^) Später fällt dann die Gründung von
Aurillac durch den hl. Grafen Gerald ''), einen Mann, dessen
geistliches Rittertum Odo von Cluni geschildert hat, und als
Graf Wilhelm der Gute von Bordeaux das von den Normannen
zerstörte Ereuzkloster wieder neu errichtete, konnte er in seiner
Urkunde sagen, dass überall wieder Klöster hier und da sich
erhöben.8)
Gegen die umstürzenden Elemente der Zeit rafft sich gerade
der Adel zuerst empor, der sich selbst so stark versündigt hatte ;
und angewidert von den Gräueln, die teils um sie herum noch
vorgingen, teils in aller Erinnerung standen, fliehen tiefere Ge-
>) Acta SS. Bell. April. III, 480 ; Habillon, Acta SS. V, 89 v. Jahre 845.
>) Mabiilon, Ann. Bened. III, 75 (Lucae 1739) v. J. 859.
«) Vita Hngonis c. 7; Mabmon, A. SS. V, 89 v. 860.
*) Vita Hngonis c. 7.
^) MabUlon, Ann. Benod. III, 90 y. J. 862.
") Hist. Vezeliac. b. D^Acheiy, SpicUegiam II, 498; Chron. Vezeliac.
a. 838 b. Labbe, Nova bibl. man. I, 394.
») Vita S. Geraldi II, c. 4.
^ Mabiilon, Ann. Bened. III, 294 s. J. 902: Primoribus itaque in
coetum vocatis ait gravate se ferre, qiwd cum iMque monasteria passim
construerentuTj ad cidtwn Dei celebrandvm monasticus ordo penitv» Bur-
digala exsularet.
35
inttter die Kreise, ans deren Mitte das Unbeil über die Welt
aasgebreitet oder genährt ward, oder von Rene nnd Mit-
geftbl mit der gelichteten und hungernden Bevölkerung erfasst,
stellen sie wenigstens ihre Mittel der Kirche zur Verfügung,
der einzigen lebendigen Institution, welche im Stande war,
eine Reform der socialen Verhältnisse zu bewirken. Es ist ein
erfreuliebes Bild, Männer wie Hugo von Autun, Berno, Wilhelm
von Aquitanien, Fulco von Anjou und Odo, die sämmtlich ans dem
Kriegsadel hervorgegangen waren, für die Wiederbelebung
mönchisehen Geistes wirken zu * sehen. Sie alle standen an
der Wiege von Cluni.
8*
Erstes Capitel.
Berno und Odo.
1. Baume und die Anfänge von Cluni.
I.
la St Savin bei Poitiers, das einst von Mönchen aus der
Schule Benedicts von Aniane besiedelt worden war*), erhielt
sich nach späterer Tradition klösterliche Zucht auch zu einer
Zeit, als dieselbe in den meisten andern Klöstern zu Grunde
ging. Neu belebt wurde sie aber namentlich durch die flüchtigen
Brüder des hl. Maurus von Glanfeuil, die vor den Normannen
ans ihrem Heim hatten weichen müssen.^) Als dann unter
Karl dem Kahlen Graf Badilo die Wiederherstellung der von
der Königin Brunhilde gegründeten und reich ausgestatteten
Abtei des hl Martin von Antun unternahm, wandte er sich,
wie es heisst, nach St Savin •'^), von wo achtzehn Jünglinge
— unter ihnen Johannes, Odo und Hugo — nach Autun über-
siedelten. Hier begannen sie nach unserer Quelle mit Hülfe
Gottes hundertfältige Frucht hervorzubringen, die Klostergebäude
auszustatten, in der Schweigsamkeit und in den Fasten Strenge
zu üben, Almosen reichlich zu spenden, Pilgern und Gästen
freundliche Aufnahme zu gewähren.^) Hugo von Poitiers, dessen
Vater ein am westfränkischen Hofe angesehener Kriegsmann
war, ging dem Abt Arnulf zur Seite; wie viele andere hatte
auch er einst weltlichem Prunk den Rücken gekehrt
*) Vita S. Benedict! Anian. c. 33.
*) Rodulfus GUber III, c. 5, § 1 7 ed. Prou p. 68 : Erat enim veridica
relatio etc.; V. Hugonis Aeduensis c. 4 bei Mabillon, Acta SS. V, p. 93.
») V. Hugonis c. 7; vgl. Rod. Glaber a. a. 0.
*) V. Hiig. c. 8.
37
Durchaus zweifelhaft ist nun das Verhältuis des Autuner
Klosters zu dem Mntterstift Clanis, der Abtei Baume in der
Diöcese Besannen. Dass Beziehungen zwischen Baume und
Si Martin bestanden haben, wird nicht nur von verschiedenen
Seiten überliefert '), es ist auch durchaus wahrscheinlich an-
gesichts der Thats^che, dass die in Baume befolgten Vorschriften
die des hl. Benedict von Aniane waren, wie wir noch sehen
werden. Während aber nach einer unserer Quellen Baume von
Autuner Mönchen reformirt wurde, die einen von ihnen, Berno,
zum Abt wählten <), erfahren wir von anderer Seite, dass Berno,
ein reicher und vornehmer Burgunder^) noch Laie war, als er
mit seinem Vetter Laifinus auf eigenem Gri^nd und Boden die
Abtei Gigny im Sprengel Macon gründete *) und reichlich aus-
stattete. Erst nachher sei er in Gigny Mönch und Abt ge-
worden und schliesslich auch in den Besitz von Baume ge-
kommen.^) Dass Baume später von Gigny abhängig war,
bestätigen auch die Urkunden, aber wenigstens eine von ihnen
begünstigt die Auffassung, dass die Wiederherstellung von
Baume vor die von Gigny fällt und dass Berno, der bereits
während des Aufbaues dieser Abtei den Abttitel führt,
vorher anderwärts das Mönchskleid genommen hatte.^') Danach
0 Vita Hog. c. 12; Rod. 61. a. a. 0.
*) V. Hngonis c. 12.
^ Anonymi Vita Odonis (saeo. XI), Neues Archiv XV, 114: Fuit
ex Burgundia oriundus genere adnwdum clat-tssimiis , praediormn etiani
possessione perquam locupletissimtis; Sigebert Chron. SS. VI, 344 zu S95 nennt
ihn gar: ex comite abbas; ebenso der späte Franciscus de Rivo im Chron.
CInntac. ed. Marrier et Quercetanus col. 1630: ex comitibtis Burgundiae;
Habillon, A. SS. V, 67: ex primoribtis Burgundionum Sequanorum.
*) Urk. des Papstes Formosus v. Nov. 894, Mabillon, Acta SS. V, 72;
Seheidias, Origines Guelficae II, 108; Jaff6-L. 2689.
*) Anon. y. Odonis a. a. 0.
*) Urk. König Rudolfs v. Bargund (vgl unten p. 38) bei Baluze, MisccUanea
(1. ed.) II, 161. 162; Mabillon, a. a. 0. V, 69; Orig. Guelf. II, 107 (Böhmer
Nr. I4S7): Abt Berno bittet den König: ut quenidam locum Gigniaciim,
quem ipse abbas et m confratres tenent vel C07i8truunt regulariter rebus
proprictatia nostrae ditaremiis u. s. w. Er giebt daher quanidam ceüam,
nomine Baktumi^ vbi fluvius Salliae mrgit, quam ipsi nioriachi prelibati
ad fundamentum reaedificaverunt. Mabillon p. 70 bemerkt, daraus er-
gebe sich, dass Berno nicht, wie die Vita Hugonis Aed. berichte, direct
von St Martin nach Baume gesandt, sondern erst nach Gigny gekommen
sei — eine AnflGassung, die ich nicht teilen kann.
38
dürfte der Sachverhalt der gewesen sein, dass Beroo allerdings
als Laie noeh den Plan der Klostergrttndnng fasste, nm dieselbe
Zeit aber, sei es erst zu Autan oder bald in Baume, die Mönehs-
gelttbde ablegte, wo er auch Abt wurde. Erst nachher hätte
er dann die Leitung, beziehungsweise die Besiedelung von Gigny
übernommen.
Die neue Abtei St. Feter zu Gigny wurde dem Schutze der
römischen Kirche übergeben, und Berno eilte selbst gegen
Ende des Jahres 894 mit der Stiftungsurkunde nach Rom und
veranlasste Papst Formosus in einem Privileg die Gründung
und die rechtliche Stellung des Klosters anzuerkennen. FormosuB
verbriefte die freie Abtwahl und sprach das Stift von den
Zehntzahlungen frei, über die Berno sich beschwert hatte.
Endlich bestätigte der Papst bereits in derselben Urkunde den
Besitz der kleinen Celle Baume Oi die vermutlich schon vorher
König Rudolf von Burgund auf Bitten Bernos nebst der Celle
des hl. Lautenus dem Abt von Gigny geschenkt hatte.^) Der
Besitz von Baume wurde später noeh einmal von einem Lehns-
mann der Königin Ermengard von Niederburgund, die für ihren
Sohn Ludwig die Regentschaft führte, auf Grund einer angeb-
lichen Schenkung desselben angefochten; im Jahre 898 oder
905 erfolgte jedoch die Entscheidung der Königin zu Gunsten
des Abtes von Gigny.^)
*) Urk. des Formosus a. a. 0.
>) Die Urk. Rudolfs ist datiert IV, Idm Decembris a. ab hic. D. n.
Jesu-Christi 904^ vidict VI, regnänte D. Rod. reg, a. XVI. Die Daten
sind entweder falsch, oder es handelt sich nur um eine Neuausfertigung
der Urkunde; denn einmal ergiebt sich aus der oben angeführten Stelle,
dass Berno noch mit dem Bau von G. beschäftigt war, als Baume bereits
in seinen Besitz kam, zweitens bestätigt der Papst im Jahre 894 bereits
die Celle und drittens heisst es in einem Placitum der Königin Ermen-
garde v. 898 od. 905 : Balmam cellam^ quam olim a Rodulfo rege2)er praeceptum
adquisierant Scheidius, Orig. Guelf. II, p. 38 N. aa wollte deshalb das
Datum in DCCCXCIVj regnänte etc. a. VI. ändern. Mabillon, Ann. Bened.
III, 298 hält die Urk. nur für eine Bestätigung.
') Diese Urkunde ist von zwei verschiedenen Seiten Überliefert, bei
Guichenon, Bibl. Sebusiana, Lyon 1660 und Mabillon a. a. 0. p. 71, beidemal
mit dem Datum DCCCLXXXXVIII indict VIII, bei Guichenon: Ex
gazophilacio camerae computorum Farisietisi, bei Mabillon: ex ms. €odice
Petaviano. Guichenon setzte 889 an den Rand und Delalande, Concil. suppl.
p. 308, der sie ihm nachdruckt, nahm bereits DCCCLXXXIXm den Text auf.
39
In der Folgezeit sebeint Berno vorzugsweise in Bannie
residiert zu haben. Dass das klösterliebe Leben bier blttbte
und dass der Raf von dem gottgefälligen Wandel der Brüder
in weite Kreise drang, wird uns beriebtet, indes finden wir
doch noch weit später den Abt mit einem Theile seiner Mönebe
im Kampfe nm die DnrcbfÜbrung der strengen Vorscbriften,
als dass wir den Yersicbernngen unserer späten Quelle so ohne
weiteres Glauben scbenken könnten. Üerno selbst war freilieb
aufs eifrigste bemttbt, der Regel unbedingte Anerkennung zu
Tersebaffen; auf jeden Fall bildeten seine Bestrebungen in jener
Zeit eine rübmlicbe Ausnahme. Wie uns erzählt wird i), besuehten
Dienstmannen des Herzogs Wilhelm >on Aquitanien öfter den
Ort und da sie stets freundliche Aufnahme bei den Mönchen
fanden, berichteten sie gern ihrem Herrn von dem löblichen
Sehaffen und Treiben derselben.
Herzog Wilhelm der Fi'omme war der Sohn des Grafen
ßemard II. von Auvergne, dessen Erbschaft er in der Auvergne,
Yelai und Gothien 885 oder 886 antrat Als Herzog Ramnulf
von Aquitanien 890 angeblich in Folge des ihm von König Odo
gereichten Giftes starb, wurde Wilhelm dessen Nachfolger eben-
fall& In der nächsten Zeit verhielt er sich mit dem Usurpator '^),
am nach dem Tode desselben sich wieder Karl dem Einfältigen
zu nähern. Schon seit dem Frühjahr 894 finden wir den Herzog
in der Abtwttrde des weltlichen Chorherrenstifts St. Julien de
Brionde^) und 898 bemerkt er ausdrücklich, dass er das Amt
als ein königliches Geschenk verwalte.-*) Er hatte eine Schwester
Entscheidend ist fUr ihn, dass Ludwig in der Urk. nicht König genannt werde,
was er 890 wurde. Die Unterschrift des Bischofs Isaac von Grenoble
gestattet jedoch kaum die Urk. vor 892 zu setzen. Incamationsjahr und
Indiction stimmen jedenfalls nicht zu einander; folgt man der letzteren,
so kime innerhalb des durch die Zeugenuntorschriften begrünzten Zeit-
raumes V. 892—913 nur das Jahr 905 in Betracht Für letzteres Jahr
würde sprechen, dass nach der Urkunde damals die Schenkung von Baume
oltm erfolgt war. So datiert auch Mabillon, Ann. Bened. III, 253.
>) V. Hug. Aed. c. 13.
<) Hist. de Langued'oc (nonv. 6d.) III, 80.
>) Im Cart de Brioude Nr. 182 ed. Doniol finde ich ihn zuerst im «
U3n S94 als Abt v. Brioude; vgl. v. Kalkstein, Gesch. des franz. König-
tums unter den ersten Capetingem I, p. 85.
*) Urk. ▼. 898 bei Baluze, Hist. de la maison d'Auvergno II, pr. 10:
M ego dono regio abbatiali videor fungere officium.
40
Ludwigs des Blinden, Ingelberga, zur GemahliD, der er ver-
mutlich die Grafschaft Macon verdankte. Mit ihr machte er
gemeinschaftlich Schenkungen an St Julien. Hochangesehen
war seine Stellung; er selbst ftlhrt unterschiedslos den Titel
Graf, Markgraf, Herzog, Fürst, gewöhnlich mehrere dieser Titel
zugleich. „Unsern grossen Markgrafen'' nennt ihn einmal
König Karl ^); er rechnet ihn zu den ergebensten Getreuen.
Als Wilhelm die Erzählung seiner Kriegsleute hörte, soll
ihn die Lust angewandelt haben, selbst ein Kloster mit Hülfe
des Abtes Bemo zu gründen. Sehr legendarisch klingt die
Geschichte von der Begegnung Bernos und des Herzogs in
Cluni im Gau von Macon, wo derselbe ausgedehnte Jagdgründe ^)
besass. Wilhelm wollte sich, wie es heisst, nur schwer von
diesem Besitze trennen, den Berno für überaus geeignet hielt
für eine Klosteranlage; er habe auf die Unruhe des Jagd-
getümmels und der Hunde hingewiesen und erst dann nach-
gegeben, als ihm Berno zurief: ,|Dann entferne die Hunde von
hier und setze Mönche an ihre Stelle l'^ 3)
\ Schon am Anfang des 9. Jahrhunderts stand in Cluni eine
Capelle, mit welcher das Dorf im Jahre 825 ans dem Besitze
der Kirche Macon gelegentlich eines Tausches an den Grafen
Warinus von Macon und seine Gemahlin Ava gelangte.*) Ver-
mutlich durch Erbschaft kam der Ort dann in die Hände der
Schwester Wilhelms, die ebenfalls den Namen Ava führte und
im Jahre 893 am 9. Nov; in einer Schenkung auf Todfall Cluni
ihrem Bruder zuwies.*^) Im Jahre 910 finden wir diesen im
thatsächlichen Besitz; denn am 11. Sept. dieses Jahres wurde
die Gründung des Klosters im Beisein der ganzen Familie,
0 Urk. Karls des Einfältigen c. 914, Juli 7, Hist. de Lang. V, col. 134
nr. 4 1 : 7io8tri magni marchionis, rwbis per omnia devotissimoa pUles . .
^) Eine Bestätigung gewährt Joh. V. Od. II, c. 3, wonach ein Eber
aus dem Walde nach dem Kloster läuft und dort gefangen wird.
8) V. Hug. c. 13.
*) Ragut, Cartul. de St. -Vincent de Macon, nr. 52. 55; Bibl. Clun.
col. 13; CHOL I, nr. 1. 4—6; Mabillon, Acta SS. V, 75.
^) Mabillon a. a. 0. p. 76 mit der Datierung: mense Novendyii sttb die
V. Idu8 NovembriSf amio primo certantibiM duobus regUms de rcgno, Odone
tndelicet et Karolo, Auch in der Stiftungsurk. von Cluni heisst es: pro
Av(uiae nihilominn8j quae mihi easdem res testamentariQ iure concessit
41
mehrerer Bischöfe nnd zahlreicher Laien urkundlich voll-
zogen. 0
Wie unzählige Male frtther oder später war es der Gedanke,
dass die VeiünsserQng von Gütern zu Gupsten der Kirche nnd
der Armen dem Seelenheil diene, dass die Reichtümer eines
Mannes die Erlösung seiner Seele seien, der den Herzog ver-
anlasste, den Apostßhi Peter und Paul die Villa Cluni mit Hof
nnd abhängigen Hufen, einer Capelle der hl. Jungfrau und
des hL Petrus mit allem Zubehör an Villen, Gapellen, Wein-
ländereien, Feldern, Wiesen, Wäldern, Wasserläufen, Mühlen,
Benten nnd Hörigen, allen Besitz, den' er von seiner Schwester
erhalten hatte, abzutreten. Dorthin sollten Mönche unter Bemos *
Herrschaft gelegt werden mit der Verpflichtung fttr ihn, seine
Frau, seine Schwester und König Odo, seinen einstigen Lehns-
herrn zu beten, und sich aufs eifrigste der Armen und Bedürf-\
tigen, Fremden und Pilger anzunehmen. Die Apostel Peter
and Paul, sowie der Papst werden zum Schutze der neuen
Stiftung angerufen und die Frevler mit furchtbarem Fluche
bedroht Das wichtigste aber war, dass Wilhelm der Fromme
die Abtei jeder weltlichen und bischöflichen Oberhoheit, ja selbst
der des Papstes entzog. Keine Macht der Welt soll irgendwie
aber den Besitz der Abtei verfügen, und dem Kloster einen
Abt aufdrängen dürfen. Nur dem Schutze, nicht der Herrschaft^)
des römischen Stuhls übergiebt Wilhelm das Stift, indem er
demselben einen Recognitionszins ^) von zehn Solidi auferlegte,
der alle ftlnf Jahre in Rom entrichtet und dort fttr Beleuchtungs-
zwecke verwendet werden sollte.*)
«) CHOL I, nr. 112.
') Diese Anfüsssung bestätigt klar die Urk. Rudolfs vom Sept. 027
(CHOL 1, 288): apostolicae aedi ad tuendwnh, non ad domvtiandMm »ubbigavit.
Die Ansicht Blumenstocks, Der päpstl. Schatz, Innsbruck 1890, p. 78 ff.,
dass der Papst die in seinen Schutz gegebenen Klüster zu Eigentum erhielte,
kann ich demnach und aus andern Gr linden nicht ohne Weiteres billigen. Es
handelt sich nur um ein mundschaftliches Verhältnis nach deutschrechtiicher
Attf&mnng. Daher auch der Zins, mit dem Blumenstock nichts anzu&ngun
weiss. (Vgl. Lamprecht, Deutsche Gesch. I, 126.)
*) Ueber den Zins vgl. Waitz, D. VerflBussungsgesch. VIT, 210 ; Blumen-
stock, Der päpstliche Schutz, p. 89 ff.
*) Nach der Cfafonologia Cluniac. (Bibl. Clun. col. 1619), einer Quelle aus
der zweiten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts, wurde Berao durch den Erzbischof
42
Die MaBsregel entspricht yollkommen der allgemeinen Zeit-
richtnng. Schon frtth unter Ludwig dem Fromn^en und nament-
lich während des Zwistes seiner Söhne hatte der Ueichscleras
in der Einheit und Centralisierung der Kirche das beste Mittel
gefunden, um gegenüber den centrifngalen Kräften, gegenüber
dem thatsäehlichen Zerfall des Reiches Karls des Grossen, den
Gedanken der Reichseinbeit aufrecht zu erhalten und namentlich
den einzelnen kirchlichen Gewalten eine feste Stütze und
sicheren Mittelpunkt im Kampfe gegen die weltlichen Local-
gewalten zu gewähren. Dar traditionelle Mittelpunkt der kirch-
lichen Hierarchie war aber Rom. Jemehr die einzelnen Kirchen
in dem Ringen mit den Mächten des Umsturzes sich selbt über-
lassen blieben, je weniger der König im Stande war, sicheren
Schutz zu gewähren ^), desto häufiger, desto dringender mussten
sie ihre Hoffnungen auf Rom richten. Indem in den pseudoi-
sidorischen Decretalen den universellen Ansprüchen der rö-
mischen Kirche die weiteste Geltung und grösste Ausdehnung
zugesprochen wurde, ward einer in kirchlichen Kreisen vor-
handenen lebhaften Tendenz nur durch ein künstliches Mittel
Vorschub geleistet Für die Klöster gewann diese Tendenz
um so grössere Bedeutung, als sie am meisten der Unabhängig-
keit der Existenz bedurften und doch am wenigsten vermocht
hatten, sich diese zu sichern, und auch insofern, als sie in
zahllosen Fällen gerade unter der Willkür und dem Druck der
Bischöfe zu leiden hatten. Als Graf Gerard im Jahre 863 die
Klöster Pouti^res und Yezelay dem Schutze des Papstes über-
trug, begründete er den Act mit der überhandnehmenden Un-
gerechtigkeit und Habsucht, welche befürchten lasse, dass irgend
eine Person oder auch der Bischof der Diöcese störend in das
Wahlrecht der Congregation eingreife.'^) Gegen die Bischöfe
richteten sich vornehmlich die Exemtionen und Schutzprivilegien
der Päpste, die seit der Mitte des 9. Jahrhunderts in steigender
Zahl sich nachweisen lassen.^) Für die Reformbewegung ist
Gedeon v. Besangon zum Abt von Cluni ordiniert; indes bestritt dios
bereits MabiUon, da Gedeon Ende des 8. Jahrhunderts Erzbischof y. B. war.
^) Vgl. die AusfUhrangen von A. Blumenstock, Der päpstliche Schutz
im MitteUlter, Innsbruck 1890, S. 33 f.
>) Hist. Vezellac. bei D' Achery , Spicflegium II, 498.
') Vergl. Blumenstock a. a. 0. Ganz verkehrt ist natürlich die
43
die Anrnfang des päpstlichen Schatzes in hohem Grade be-
zeiebnend. Man wollte, wie bereits die Beispiele Gignys nnd
Clanis zeigen, die neaerstandenen Stifter von vornherein durch
mögb'ehst starke Privilegien sehtttzen. Indem die reformierten Ab-
teien so VOR Anfang an ihre Interessen mit denen des römischen
Stahles verknüpften, wnrde der Grand zu einem engeren Ver-
luUtnis gelegt, indem jede der beiden Parteien die Machtentwick-
long der andern mit der grössten Befriedigung verfolgen mnsste.
Es war ein oder zwei Jahre vor der Gründung der Abtei,
908 oder 909, als Odo, ein früherer Knappe Wilhelms von
Aqoitanien in Gemeinschaft mit einem Gefolgsmann Fulcos von
Tours, Adhegrin, an die Pforten der Abtei Baume klopfte. <)
Sehon früher hatte Adhegrin einige Zeit die Sitten und Ge-
bräuche der Mönche beobachtet, als er auf einer Pilgerreise
nach Rom hier Gastfreundschaft genossen. Er war umsomehr
erfreut, in Baume auf treifliche Einrichtungen und ernste Be-
folgung der Regel zu stossen, als er mit Odo bereits vergeblich
in Franeien nach einem regulären Kloster gesucht hatte.^) Er
hatte Odo dann von seiner Entdeckung Mitteilung gemacht; mit
ihm, der damals schon eine Bibliothek von hundert Bänden
Äeosserung Gfrürers, Kirchengeschichte III, 1335, wir hätten es in Cluni
mit dem ersten Beispiel einer gänzlichen Befreiung aus dem bischöflichen
Verbände zu thun. Vgl. dagegen Epist. Petri Venerabiiis I, 2$ (Bibl. Ginn,
col. 677): Hoc non soll Cluniacenses obtinentj sed et quampluribus datum
cemimw et lange ante Cluniacum conditum muUis aliia nwnasteriis ab
eadem apostolica sede concessum videmtis . . . antiquiores quoque Eomanae
ecckriae jfrestUes simili de causa in multis a iugo episcoporum libera esse
inonasteria decreverant.
>) Johannis V. Odonia I, c. 22, Mabillon, Acta SS. V, 158; Ademari Bist.
III, 26 lässt Odo mit Tootolo nach Cluni wandern : Eo tempore adhvc vi-
vtnte Turpione episcopo Odo et TeotolOy canonici sancti Martini illustrissimi,
odimplentes evangdicuni praeceptum derdictis omnibus pauperes pauperum
Christum secuii sunt et Cluniaco sancto halntu ac vita induti sunt. Diese
Nachrieht ist falsch, abgesehen davon, dass Odo ja in Baume Münch wurde.
Teotolo ist als Decan in Tours noch 910—927 nachzuweisen, GaUia Christ.
XIV, 123; vgl. Bibl. de Tdcole des chartes ser. VI, 5, p. 449. 455. 458.
460, Bd. XLYI (1885), p. 379. Das richtige hat wohl das Chron. Turon.
Vagnum bei Salmon, Recueil de chroniques de Touraine, Tours 1859, p.
109: Nee fnora Thetolo, decanus ecclesiae beati Martini Turotiensis sub
Odane abbate Cluniacum intrat coenobium ea quae mundi 9wnt rdinquens,
') Job. Vita Odonis a. a. 0.
44
besass, kam er nan nach dem bargnndischen Kloster, am hier
Aufnahme zu finden. Während Adhegrin jedoch mit Erlaubnis
des Abtes sich drei Jahre in eine Celle einschloss, die er dann .
mit der Einsiedelei vertauschte, blieb Odo unter den Mönchen, i)
Er war damals dreissig Jahre alt Es ist nicht sicher
ttberliefert, wo er im Jahre 878 oder 879«) das Licht der Welt
erblickte. Wahrscheinlich stammte er jedoch ans dem Gebiete
von Le Mans.^) Seine Familie war fiilnkischen Ursprungs, sein
Vater Abbo, ein anssergewOhnlicher Mann, dem die antike
Litteratar und die Novellen Justinians nicht fremd waren,
zeichnete sich durch kirchliche Gesinnung vor seinen Zeit-
genossen aus. Seiner Rechtskenntnis wegen wurde er bei
Streitigkeiten von den Parteien häufig um seine Entscheidung
angegangen; selbst aus der Feme kamen die Leute zu ihm.<)
Von Odos sonstigen Verwandten ist nur ein Bruder, Namens
Bemard, nachzuweisen, der später dem Kloster Cluni eine Kirche
des hl. Petrus im Gau von Lyon schenkte.^) In seiner Kindheit
ward er knapp gehalten ; ein halbes Pfund Brot, eine handvoU
Bohnen und ein sehr bescheidener Trunk bildeten seine täg-
liche Nahrung.<^) Nachdem ein Priester den ersten Jugend-
») Job. VitÄ Odonis I, c. 28.
') Da Johannes bemerkt, dass Odo bei seiner Komreise von 938
sechzig Jabr alt war, ist das Geburt«jabr leicht zu berecbnen. Wenn
Schnitze, Forschungen zur Gescb. der Klosterreform, Halle, 18S3, p. 14
das Jahr 873 angiebt, so ist das wohl nur ein Dnickfebler; vgl. Excurs I.
") ^ Cyywmannica regiofie exortvs* wbrd er in der Praef. des Cartul. A
von Cluni (Bibl. nat nouv. acquis. 1 497 f. 37; Beilage I.) genannt ; Vita Odonis III,
c. 8 beisst er Aquitanus; bei Bemard v. Cl. (Hergott a.a.. 0. p. 355): Turotiia
oriundus. Ich gebe der Nacbricht des Gart. A den Vorzug vor der Anon.
Vita Odonis (Vgl. N. Archiv XV, 114 n. 3), nach der er aus Semur stammen
müsste, der Beziehungen wegen, die Odo zu Fulco von Anjou und Tours
hat Dazu passt auch besser die Bemerkung des Petrus Venerabilis (Mabillon,
Acta SS. V, 68) : qui ab tUtimis paene occidentis finibus . . . egreasus. Ich
vermute, dass der anonyme Biograph Saumur an d. Loire zwischen Tours
u. Angers mit Semur, dem Geburtsort des Abtes Hugo, verwechselte.
*) Job. Vita Od. I, c. 3 u. 5. Er ist wahrscheinlich der Abbo kgislatoTj
dessen Signum in einer Turoner Urk. v. 29. Sept. 898 sich findet, Chron.
des comtes d' Anjou, Introd. par Mabille p. XCIII.
») CHOL I, nr. 584.
<*) V. Od. I, c. 16: Su8te7itahatur per ideni infantiae suae temptis
media panis libra et fabe puffiüo atque — quod est contra naturam Fran-
corum — perparvo potu.
45^
QDterricht Odos geleitet, gab ihn der Vater an den Hof Wilhelms
von Aqmtanien, bei dem Abbo Bdhon lange in Folge seiner
riehterliehen Thätigkdt in Gunst stand, nm dem Herzoge zu
dienen. Jagd und KriegsUbnngen traten an die Stelle der
wiasenschaftlichen Besehäftignng , bis den sechzehnjährigen
Knaben plötzlich Bedenken über den Stand befielen, den er
gewählt hatte. Drei Jahre qnälte ihn ein heftiges Kopfleiden,
Ton dem er erst befreit wurde, als er zu St Martin in Tours
sieb seheeren lies&O
Es kam die Zeit, die ihm seine spezifische Richtung
gab. Tours selbst war wegen seiner Lage an der Loire und
der Verehmng des weltberühmten Heiligen eine der besuchtesten
nnd ansehnlichsten Städte des damaligen . Frankreichs. Ein
starker Zufluss hoher weltlicher Würdenträger fand hier statt;
Könige und Fürsten kamen und gingen, standen auch wohl, wie
Alfons IIL Yon Asturien, mit den Chorherren in engem Verkehr.^)
Hit diesen selbst war freilieh kein Staat zu machen, wie wir
bereits sahen. In St Martin lag damals die alte Kaiserkrone von
Gold und Edelstein ; dieselbe erschieq jetzt als ein so überflüssiger
Sehatz, dass die Chorherren sie nach Spanien verkauften, als sie,
von den Normannen gebrandschatzt, Geld brauchten. Wie wenig
theologische Bildung bei ihnen zu Hause war, erhellt daraus,
dass sie Ödo, der sich mit den Auslegungen der Evangelien und
Propheten beschäftigte, von der Lectttre dieser dunklen und
verschlungenen Schriften abmahnten 3) und an den Psalter
wiesen, mit dem in jener Zeit die Laienknaben sieh beim Unter-
riebt begnügten. *) Odo selbst fand einen Gönner in dem Vice-
grafen Fulco von Tours und Anjon> der ihm neben der Kirche des
bL Martin eine Celle nebst dem täglichen Unterhalt zuwies ^) nnd
ihn auch mit Geld unterstützte.^) Zu Fulco hatte Odo schon
früher in Beziehungen gestanden ; der Vicegraf soll ihn aufge-
zogen haben. ^) Es ist jedoch fraglich, ob das auf Ödos früheste
') y. Od. I, c. It; Chron. Tnron. magnnm bei Salmon a. a. 0. p. 108.
*) Vgl. den Brief des Königs y. 906 bei Mabillon, Ann. Bened. III, 302.
*) Joh. V. Odonis I,c.n. 12.
*) Odonis Y. S. Geraldi I, Bibl. Clun. col. 69.
«) Joh. ViU Odonis I, c. 11.
*) y. Od. If c. 18. Fulco wkd hier sein dominus genannt
^ yit»Od. a.a.O.: gut ewn mUrierat; über Fulco: Mabille a.a.0.p.LXI.
46
Jagend oder den Aufenthalt am Hofe von Aqnitanien za be-
ziehen ist Naeb einer späteren angioviniseben Quelle ist
er sogar dnrch Fnlcos Einflnss Sehnimeister nnd Cantor in
St. Martin geworden, f) während er yon andrer Seite als Propst^)
oder Aeditnas^) des Chorherrenstifts bezeichnet wird. Dass
Odo sehon damals eine angesehene Stellung in Tours einnahm,
scheint auch sein Biograph anzudeuten, wenn er berichtet,
dass sehr viele vornehme Personen, wenn sie nach Tours
kamen, iUn aufsuchten, während er dnrch seinen Rat nnd seine
Ermahnungen ttberall nützte.^)
Von Tours machte er einen Absteeher nach Paris, wo er
bei RemigiuB jenen Abriss der zehn Kategorien des Aristoteles, der
unter dem Namen Angnstins als Dialect an seinen Sohn Adeodat
ging, und den Marcianus Capella eifrig studierte.^) Nach
Tours zurückgekehrt schrieb er auf Bitten der Brüder nnd
ermuntert dnrch den hl. Gregor selbst einen Auszug aus den
vielgelesenen Moralia Gregors des Grossen.^) Er selbst sagt,
er habe den ersten Teil des Werkes mit solcher Begeistemng
gelesen, dass er am liebsten das ganze Werk verschlungen
hätte. Aber sowohl er, als namentlich die Chorherren erlahmten
doch bei der Unerschöpflichkeit des Stoffes nnd der Weit-
schweifigkeit der Darstellung. Gregor habe nämlich, wie Odo
in der Vorrede zu seinem Werke bemerkt, zur Erläuterung
zahlreiche Aussprüche der Kirchenväter beigebracht, die, wie
^) Chronica de gestis consuL Andegav. a. a. 0.: qui vero postmodum
magister scolae et precentor eiuadem eccUftiae eodem consule adminictUante
constittUus est. Danach das Chron. Turon. magnum a. a. 0. p. t08: et aicut
quidam asserunt precentor ecclesiae. Dass Odo Schulmeister in Tours war,
ist darum sehr wahrscbeinllch, weil sich die Chorherren gerade an ihn
wenden mit dem Ersuchen, einen Auszug aus den Moralien des Gregor
zu verfiftssen.
') Rod. Glaber III, c. 5 : qui fuerat sancti Martini Ttironis ecclesiae
prepositus.
') In der Praefatio zum Cart A. y. Clunl (Bibl. nat. n. acq. 1497
f 37) wird er almi Martini Twronensis basilice aedituus genannt *
0 Joh. V. Od. I, c. 16. 17.
'^) Joh. V, Od. I, c. 19; August. Opp. ed. Bened., Venet. 1729, I, 821;
des Remigins Interpretationen des Tractats über die sieben freien Künste
des Marcianus Capella sind handschriftlich erhalten. Man sieht daraus, dass
er sich stark an Johann Scotus Erigena hielt; ygl. Hanreau, Singularit^s
histor. et littßr. p. 143. •) V. Odonis I, c. 20.
47
*
alle Kenner der bL Schrift wüssten, der fromme Paterias aus-
gezogen and in besondere Bände gefasst babe, so dass nnr
der reine Text ttbrig geblieben sei. Er selbst aber habe vor
zwei Jahren ans allen 'in regnorum libro^^) vereinigten Sen-
tenzen der Väter, namentlieh denen Gregors ein kleines Bach
zasammengestelit Indes bewährte sich diese Auslassang der
Belegstellen nicht, and als ihn die Chorherren von St. Martin mit
der Erklärang, dass sie dem massenhaften Stoff nicht gewachsen
seien, immer dringender anfforderten , einen Auszag ans dem
Gesammtwerk sn verfassen, entschloss sich Odo, wenn auch
widerstrebend and offenbar voll Scheu, eine geheiligte Autorität
anzatasten, zur Erftlllung des Wunsches: mit Rücksicht auf
seine körperliche Gebrechlichkeit, wie er sagt, und den Nutzen
Ar seinesgleichen, um den Inhalt ganz zu verstehen und im
Gedächtnis zu behalten. Er habe sich jeder subjectiven Ansicht
enthalten, bemerkt Odo; nur auf eine Kürzung kam es an, bei
der der Wortlaut des Originals nach Möglichkeit beibehalten
wurde. In einer zweiten Vorrede vergleicht er seine Thätig-
keit mit der eines Blumen suchenden Mannes, der unfähig
tömmiliche mit Blumen geschmückten Felder ihres Schmuckes
zu berauben, nur eine geringe Zahl von Blüten pflückt, so viel
seine kleinen Behälter zu fassen vermögen. Er hatte sich
früh mit Virgil beschäftigt, allerdings, um ihn bald mit den
Auslegern der Evangelien und Propheten zu vertauschen,
nachdem ihn ein Traum davon abgeschreckt.^) Aber ganz
ohne antike Bildung ist er doch nicht. Er citiert einmal die
libri gentilium,^) ein andermal den Terenz.^) Er ist mit der
römischen Geschichte vertraut, denn er erzählt gelegentlich
die Geschichte der Lucrezia und Scipios Protest gegen die
Zerstörung Carthagos.
Das weltliche Treiben der Cleriker, das üppige Leben,
das der Fremdenzufluss förderte, mochten ihm dann jenen
') Haureau p. 151 versteht darunter mit der Hist. litt^r. de France
eiiiea Commentar zum Buch der Künige, der bis jetzt unbekannt ge-
blieben sei.
*) Job. V. Odonis^I, e. 12. 13; ygl. Du M6ril, Melanges arcb^olog.,
Puis 1850, p. 462.
>) <k>Uat 11, col. 204.
*) Collat. II, col. 191.
48
Absehen eingepflanzt haben, den er Beitdem gegen alles hegte,
was mit dem Weltliehen, dem Trachten nach weltlichen 6e-
t) nUssen zusammenhing. Freigebig nnd voller Mitleid fttr die
Armnt verschenkte er damals, wie später, stets unbekümmert
um seine persönlichen Verhältnisse, seine Habe an ArmeJ)
Schon in Tours als Weltgeistlicher lebte er teilweise nach der
Benedictinerregel drei Jahre lang. Eine robuste Natur, wie
er war — mit sechzig Jahren noch übertraf er die Jugend an
rüstiger Frische^) — schlief er auf dem Fussboden in seinen
Kleidern, nur durch eine Decke gegen die Kälte geschtttsst^)
•Des Nachts zog er sich zurück in seine Celle, er erhob sieh
dann und heimlich, ohne seine ThUr zu verschliessen, ging er
mit seiner Schreibtafel zum Grabe des hl. Martin, das zwei
tausend Schritt von seiner Wohnung entfernt war, um zu beten.
Zusammengekauert, den Hals starr und eingezogen, wehrte er
sich gegen Dämonen, die in Gestalt von Füchsen von allen
Seiten auf ihn einzudringen schienen.^)
Diese übersinnliche, asketische Richtung gewann endlich
den vollständigen Sieg über ihn. Er fasste den Entschlnss,
aus dem Weltleben zu flüchten und eine Lebensweise, die er
schon als Cleriker angenommen, in der Stille eines Klosters,
vom äusseren Verkehr abgeschnitten, fortzusetzen. Eben da-
mals fand er in jenem Kriegsroann Fulcos, Adhegrin, einen
Begleiter. Es war kurz vor der Gründung Glnnis, als er im
Baume Aufnahme suchte: man wird nicht fehl gehen bei den
einstigen Beziehungen Odos zu Wilhelm von Aquitanien, wenn
man jenem bereits einen Anteil an dem Zustandekommen der
neuen Stiftung beimisst Vielleicht schrieb oder verfasste er
auch selbst die Gründungsurkunden)
In Baume fand Odo den Abt mit einer mönchischen
Oppositionspartei im Kampfe. Wido, ein eigener Verwandter «)
>) V. Od. I, c. 14. 22; II, c. 7. «) Joh. V. Od. I, c. 14. ») Job.
V. Od. I, c. 14. 15. *) V. Od. I, c. 14.
^) Unter der Urkunde findet sich: Odo levita ad vicem canceüarii
scripsi. Schon Mabillon und nach ihm Pignot, Hist. de Clnny I, p. 17
sprach die Vermutung aus, dass dieser kein anderer als der spätere Abt
von Gluni war.
^) Bemo nennt ihn in s. Testament (Bibl. Clun. col. 9): nrnum con-
sanguineum; Naigod V. Od. c. 27 macht ihn bereits zum venei-abilia nepos.
49
Bernos Atand an ihrer Spitze. Man beklagte sieh über die
Strenge des Abtes, der mit harten Strafen, schnell bei der
Hand war und die Zügel straff führte. Während Odo und
Adhegrin noch Gäste im Kloster waren, wurden sie von den
jüngeren Mönchen gewarnt, dann suchten diese den bisherigen
Canoniens von Tours auf ihre Seite zu ziehen. Als sie schliess-
lich seine Zuverlässigkeit und seinen Einfluss wahrnahmen —
er Qben^hm als Scholasticus die Schule <) — als sie ihn in
seinem Gelübde fest erkannten, bemühten sie sich seine Stellung
dorch Verleumdungen zu untergraben.^) Die Demut jedoch
nnd die Geduld, mit der er alles trag, stumpfte auch diese gegen
ihn geschmiedeten Waffen.^)
So standen sieh also hier die Gegensätze noch schroff
einander gegenüber: auf der einen Seite alte Unsitten, Wider-
setzlichkeit und Gewissenlosigkeit, 4) auf der andern Verzicht
auf jede Regung eines persönlichen Willens, strenge Befolgung
der klösterlichen Vorschriften. Man mag die Gedanken der
früheren Richtung, die sich in die alte bequeme Wohllebigkeit
eingewöhnt hatte, in den Worten wiedererkennen, die der schon
früher genannte Mönch von St. Martin den Gegnern der Reform
in den Mund legt: »Warum drängt man*", sagen sie, „diese
Beobachtung der Regel uns mehr auf, als andern? Denn in
dem einen Kloster lebt man so, im andern so und man ist
ohne Murren und Zwietracht, wie der hl. Benedict es vorschreibt.
Das ist abergläubisches Zeug, das jener Betrüger von uns ver-
langt*^) So lange Berno lebte, glückte es ihm nicht, jene
Opposition zu überwinden: es ist aber bezeichnend für das,
was man von Odo erwartete, wenn nach Bernos Tode aus
Furcht vor ihm ein Teil der jüngeren Mönche die Welt wieder
aufsuchte. *)
Worin bestanden aber die Forderungen der Reformmänner
nnd namentlich die Neuerungen derselben gegenüber den alten
eingewurzelten Missbräuchen ?
') Joh. V. Od. I, c. 23.
•) Joh. V. Od. I, c. 29. 34: mente et actione iw^enes.
>) V. Od. I, c. 38. .H4.
*) Vgl. Odonifl Coli. III, Bibl. Clun. col. 232—234.
*) Martinianus monach., Mabillon, Ann. S. Bened. III, 324.
•) Joh. V. Od. I, c. 34.
Sftcknr, ClrniUoensar. I. 4
50
IL
Ans der ersten Zeit Clunis sind uns keine Statuten er-
haltend) Wohl aber können wir ans vereinzelten Andeutungen
noch erkennen, worauf es ankam. ^) Bei der Reform von St
Martin in Antun wurde den Mönchen vor allem Schweigsam-
keit, strenge Fasten, Freigebigkeit und Gastlichkeit zur Pflicht
gemacht Der Fürst von D6ols verlangt von Bemos Nach-
folgern in dem von ihm reformirten Kloster, dass dieselbe Zahl
von Psalmen gesungen, dieselbe Gastlichkeit gettbt, dieselbe Ent-
haltsamkeit bezüglich des Fleischgennsses ausser Fischen bewahrt
werde, dass die Gewänder nur ihre natürliche Farbe hätten,
dass die Brüder dem Abte gegenüber und sich untereinander den-
selben Gehorsam bezeugten, sich jedes Schwures enthielten und
durchaus frei von jedem Privatbesitz seien. •'^) Die Gräfin
Adelheid von Burgund bestimmt 929 bei der Gründung von
Romainmontier, dass die dortigen Mönche in Lebensweise und
Kleidung , Enthaltsamkeit , Psalmengesang , Schweigsanikeit,
Gastfreundschaft, gegenseitiger Liebe, Demut und Gehorsam
den Mönchen des Mutterklosters glichen. 4) Aehnliche Wünsche
spricht dann Bemo selbst in seinem Testament aus: Seine
^) Den Standpunkt der Cluniacensergewohnheiten zur Zeit OdÜos
bezeichnet die Disciplina Farfensis (Hergott, p. H6— 132), eine im Interesse
der Farfeser Reform unternommene Aufzeichnung. Noch zur Zeit Hugos I.
von Cluni gab es keine im Zusammenbang geschriebene Consuetndines ;
erst damals unternahm ein MOnch v. Cluni, Bemard, auf Gnmd der Tradition
und einzelner schriftlicher Aufzeichnungen eine Znsammenstellung (Herr-
gott, p. 134— 364y Wenig später erfolgte eine erneute Aufzeichnung der
CoDsuetudines durch Udalrich auf Veranlassung des Abtes Wilhelm von
Hirschau (Migne, Patrol. 149, 633). FUr die früheren Zeiten sind diese
Berichte nur dann zu verwerten, wenn sie Einrichtungen behandeln, die
bereits in der Reform Benedicts v. Anianc nachzuweisen sind. Ganz
falsch ist die Ansicht Ladewigs, Poppo v. Stablo S. 15, dass die Tradition
Clunis eine eiserne gewesen sei und spätere Nachrichten also auch ftir
frühere Zeiten Geltung hätten. Aus der Vorrede des Petrus Venerabilis
zu seinen Statuten (Bibl. Clun. col. 1354), ebenso aus dem Dial. inter
Cluniac. et Cisterc. bei Martene, Thes. anecd. V, 1585 u. Bernardi Cläre vall.
Apolog. ad Guill. abb. c. 6. 9. (Opp. ed. Mabilion I, 538. 542) geht vielmehr
gerade das Gegenteil hervor.
') Dass die Ecbasis captivi ed. Voigt 1875 hier nicht heranzuziehen
ist, hat kürzlich Zarncke in den Verhandlungen der sächs. Gesellschaft
d. Wissenschaften, Philos. bist. Klasse 1890 gezeigt.
8) Vgl. Beilage H. *) CHCL I, n. 879.
51
Nachfolger sollen hJnRiehtlieh des PBalmengesanges, in der
Beobachtung des Stillschweigens, Lebensweise und Kleidung
nnd in der Verabscheuung privaten Eigentums wenigstens die
bisherigen Vorschriften befolgen.*) Somit ergiebt sich, dass
Besitzlosigkeit, Gehorsam, Schweigsamkeit, Demut, Enthaltsam-
keit, Gastlichkeit und Psalmengesang die Punkte waren, auf
die es vor allem ankam nnd dass ftlr Cluni in denselben
bereits eine bestimmte Norm vorausgesetzt wird.
Diese Norm war nun in Baume und in den von dortaus
reformierten oder neu eingerichteten Klöstern keine andere,
ab die des hl. Benedict von Aniane, wie uns ausdrücklich
überliefert wird. 2)
Bei der Besprechung seiner Verdienste wurde bereits be-
merkt, dass der Grundsatz, von dem er ausging, die Not-
wendigkeit einer strengen, einheitlichen Durchführung einer und
derselben Regel betraf und dass er, um diese Gemeinsamkeit
kl58terlichen Lebens völlig zu ermöglichen, in einzelnen Punkten,
welche die Benedietinerregel weniger fest bestimmte, Erleich-
terungen und Ermässigungen vornahm. Die erste Forderung
war eben Unterdrückung jedes persönlichen Willens gegenüber
den Vorschriften der Regel, jeder persönlichen Neigung und
partienlaristischen Bestrebung und im Zusammenhange damit,
ab notwendige Consequenz, unbedingter Verzicht auf privates
Eigentum. Weder ihre Körper, noch ihre Willensäusserungen
sollen die Mönche in ihrer Gewalt haben, sagt die alte Regel.^)
Mit deutlicher Anlehnung an diese heisst es in einem Bericht
über Benedicts von Aniane Abteien: Die Aebte sorgen in
Kleidung und Nahrung fttr ihre Klöster, um ihnen jede Ge-
') Testament B's. (Bibl. Gl. col. 9) : tarn in psalmodia^ qwim in ob-
servatione silentiiy sed et in qxuditate vict\i8 et vestitm, et insuper in
contemptu rerum propriarum u. s. w.
') Job. V. Od. I, c. 22: Ftierunt autetn institutores eiusdem loci
(Baume) imitatores cuiusdam patris Eutid; c. 23: Tpse enim pater Heu-
adus imtituJtor fuit harum conswiudinumy quae hactenus in nostria mo-
fMsfmts habeniwr. Die nähere Schilderung der Freundschaft Ludwigs des
Oommen und die Worte : ex quibtis auctoritatibus diversos consttetudines
»tmpsit unoque volumine coUigavit setzen ausser Zweifel, dass Benedict
V. Aniaoe, der Yor seiner Conversion Witiza hiess, gemeint ist
") Begula S. Bened. c. 38: quibus ntc corpora 8%ui nee voluntates
licet habere in propria voluntate.
4*
52
legenheit zn nehmeii, sich mit materiellen DingeD zu besebäf-
tigen, and das todbringende Gift anszaschliessen , das in der
Aensserang persönlicher WUnscbe liegt : so hoiR man die Mönche
für ihren Beruf geeignet zu machen.^)
Es ist selbstverständlich, dass jede Benedictinerreform an
diesen Hauptgrundsatz anknüpfen musste. Unendlich oft haben
daher Odo und seine Geistesverwandten eigenen Willen nnd
vor allem eigenen Besitz fttr den schwersten Sehaden des
Mönchtums erklärt^) Aus einer Reihe von Urkunden, die Odo
sich vom Papste für Cluni, D6ols, Fleury ausstellen liess, er-
kennt man, dass die wichtigste und erste Forderung der Re-
formatoren die Gemeinsamkeit des Besitzes war. Auch ein
lothringischer Reformmönch bezeichnet es als Hauptmerkmal
der Reform, dass keiner etwas zu eigen besitze, dass alles
gemeinsam sei.^) In der Uebertretung der gemeinsamen Vor-
schriften, in der Hipgabe der Mönche an weltliche Genüsse
oder persönliche Wünsche sieht Odo die Apostasie, die dem
Antichrist vorauszugehen hat. Er führt eine Reihe von Bei-
spielen zumeist aus den Berno zur Reform übergebenen Klöstern
an, welche darthun sollen, dass die, welche von der Regel
abweichen oder persönliches Eigentum hielten, hart bestraft
1) Hergott, VetuB disciplina monast, Paris 1726, p. 15: ut omnem ei
mundanae ctirae occasionem tollant et pec^iliai-is alicuius atque mumiii-
rationis mortiferum virus excludant suaeqtie professioni idoneos i-eddafit.
Das Schriftstück ist in der Reichenauer Handschrift, aus der Hergott es
ediert, überschrieben: Capitula, qualiter obaervationea sacrae in nonnuUis
habenturf qttas bonae memoriae Benedictus 8ecund%i8 in coenobiis »uis
alumnia höhere inatituit, Dass wir es mit einem Bericht zu thun haben,
beweisen u. a. die Worte: nhi nihil pictum vel variaium atque lineum
vidimus.
') Vgl. Od. Coli, n, 1. 1. col. 213: quibtis nee paastim pedis nee ipsam
8uam voluntatem in potestate stui habere pemiittitiir ; Joh. V. Od. II, c. 23:
Hortim namque conventus potius caupona quam eongregatio rede nuncu-
patur, quia ibi unvsquisque id agit quod libet et hoc non agit quod non
licet . . . hoc denique monachorum genus teterrimum vocat beatus Bene-
dictus; Discipl. Farf. II, c. 47, Hergott p. 116.
^) Vita S. Wieberti c. 4 : in quibus illud praecipuunh erat, %ä nuUa eis
propriüj sed omnia essent conMiunia; c. 8: Et ante omnia radicem nuUorum
et malam monacJiorum novercam, scilicet proprietatum concupiscentiam
m%icrone pastorali extinxit.
53
worden.*) In der Wiedereinführung und erneuten Betonung
dieser wichtigsten Vorschrift des Fleiligen von Nursia liegt
also der Angelpunkt der ganzen Bewegung.
Im Möncbsleben findet der eben hervorgehobene Grund-
satz seinen Ausdruck in dem unbedingten Gehorsam der Brüder
dem Abte gegenüber. Unverzüglichen Gehorsam bezeichnet
die Regel als die erste Stufe der Demut ^) ,Da Gehorsam
einzig und allein oder ganz besonders zur Vollendung des
Mdnehes gehört, äussert ein Cluniaeenser, .so giebt es für
ihn keine notwendigere Kunst, als die des Gehorchens; es
sagen sogar einige, dass allein derjenige wirklichen Gehorsam
übt, der unverzüglich ohne Widerspruch gehorcht.')* Ein
Mittel, subjeetive Regungen, Unzufriedenheit und Empörungen
zQ verhindern, sah man in dem Gebot der Schweigsamkeit
Schon in der Benedictinerregel war diese Forderung erhoben
worden^); doch ist es mehr Geschwätzigkeit, die vermieden
werden soll. Die Mönche, welche Mich Aniane oder in andere
dem Freunde Ludwigs des Frommen untergebene Klöster
kamen, um zu lernen, rühmten, dass im Oratorium, Sacrarium,
Refeetorium und in den Klosterräumen, hier zur Lesestunde,
das tiefste Schweigen herr^die und dass das nächtliche
Schweigen von den Mönchen stets bewahrt wenle.^) In den
Zeiten des Verfalls war diese Forderung vergessen worden.
0 Od. Collat III, a. a. 0. col. 232—234. £in Mönch Gauzlinns wird
von den Brüdern von D^ols weggeschickt: u^ vesteni protintis mtUaret
nihilquc proprium ejinfide haberet.
') Reg. S. Ben. c. 5: Primus hUniilitatis gradua est obedientia
sine mora.
*) Dialogus inter Chiniacenscm et Cisterciensem bei Mart6ne, The-
uorus anecdot. V, 1595: Cum oboedientia vel sola vel maocima faciat pey-
fectimi comobitamy 7mlla scie^itia nobis est mxigis yvecessaria quam scire
obedire. Dicunt quidam^ quoa iüa sola sit perfecta obedientiay quae obedit
nw moraj nihil disaUiens. In den früheren Perioden Clunis war diese
Art Yon Gehbrsam erforderlich, wie einzelne Vorfälle ans den Viten der
ersten Aebtl^beweisen.
*) Reg. S. Bened. c. 6. 42.
*) Capitnia Benedicti bei Hergott a. a. 0.: I. In oratorio summum
sümtium . . . //. In sacrario magnum silentium . . . III. In refcctorio
mmmwn silentium ... V. In claustris hora lectionis summum silefitium . . .
VIL ..iwctumum silentium semper ab eis custodiri; vgl. auch die Stat.
Miirb%p. Mansi XIV, 352 ; Gapitula Sangall. c. 23, Hergott p. 35.
54
Der Mönch von St. Martin bezeichnet ihre Wiederherstellang
als eine Notwendigkeit *) Johannes, der Biograph Odos von
Cluni, meint einmal, ohne die Schweigsamkeit sei das Mönchs-
leben überhaupt nichts wert; auch sei es nichts neues, wie
einige UebelwoUende behaupteten.^) Wir haben schon oben
bemerkt, dass in einigen der neureformirten Abteien bereits
in den Urkunden Schweigsamkeit den Mönchen ausdrücklich
zur Pflicht gemacht wurde. Man sieht, dass man darin ein
Merkmal des neuen Mönchtums zu erkennen hat
lieber die in Baume herrschenden Vorschriften sind wir
unterrichtet In den Compctenzstunden der Wochentage, täg-
lichen und nächtlichen OfiSzien, Heiligenoctaven wagte niemand
im Kloster zu reden; es gilt das ebenso von den zwölf Lec-
tionen. Am achten Tage nach des Herrn Geburt und am
Tage der Auferstehung bewahrten sie Tag und Nacht tiefste
Stille. Man wollte damit das ewige Schweigen bezeichnen. 3)
Selbst ausserhalb des Klosters wurde an diesen Vorschriften
streng festgehalten.^) Es ergab sich die Notwendigkeit für
den persönlichen Verkehr, soweit er unvermeidlich war, ein
anderes Mittel anzuwenden. Es wird uns berichtet, man hätte
sich unter Berno in Baume schon in so hohem Grade der
Zeichensprache bedient, dass, wenn den Mönchen die Sprache
überhaupt gefehlt hätte, die erfundenen Zeichen für jeglichen
Fall mönchischen Lebens ausgereicht haben würden.^) Wir
werden auf Grund dieser Nachricht mit vollem Recht annehmen
können, dass die grosse Masse der im 11. Jahrhundert in Gluni
angewendeten Hand- und Gesichtsbewegungen zur Verständigung
über Lebensweise, Kleidung, Liturgie und Cultus, Klosterleben und
Kirchenämter, auch über abstracte Begriffe aller Art schon
unter Berno in Uebung gewesen ist^) Immerhin waren trotz der
^) Martin, mon. excerpta a. a. 0.
*) Joh. V. Od. II, c. 11: . . de actn BÜentUf sine quo videlicet pro
nihilo dticefida est vita nwtuichi; c. 12: Diximiui de antiqtiis vatibuH, ut
nullus arbitretur siletitium moder^iis teniporibus fuisse invetUuMj sicut
quidam male suspicantes fatentur,
') Joh. V. Od. I, c. 32 : Est et aliwi inter eos taciturfiitatis rtiodus;
Ygl. Wilhelmi CoDstitut Ilirsaug. II, c. 20, Hergott p. 324.
*) Vgl. V. Od. II, c. 10. 11. *) Joh. V. Od. a. a. 0.
^) Vgl. Hcrgott p. 169. 386 ff; Martene, De antiquis eccl ritfbus,
Antwerp. 1738, IV, 826 ff.
55
Äasbildang dieses Verkehrsmittels engeren Beziehungen ein-
zeber Mönehe schon durch das Verbot, dass zwei Brttder
allein mit einander verkehrten*), nnttberwindliche Schranken
gesetzt
Zur Anfrechterhaltung dieser Prinzipien musste dem Abte
eine umfassende Disziplinargewalt zustehen. Das war auch
der Fall Der eines Vergehens wegen im Capitel nach Ver-
lesQDg des Martyrologiums, des Verses und der Regelt) auge-
klagte Mönch warf sich um Verzeihung flehend dem Abt zu
FOssen. Nicht eher, als bis er diese erhalten, durfte er seine
Sache vorbringen und auch nachher durfte er seine Ansicht
nicht etwa verteidigen. 3) Hinsichtlich der Strafen versprach
man sich aber mehr Erfolg von milder Behandlung, als von
der früher vielfach geübten Strenge. Bereits Benedict von
Aniane Hess insofern Milderungen eintreten, als das Gapitular
Ton 817 verbot, Brüder vor anderen nackt zu peitschen, und
die Heizung des Carcers anordnete.^) Wir finden in Gluni
später ähnliche Ermässigungen wieder.^) Wenn jedoch die
widerspänstigen Mönche Bernos über harte Geisselungen, Ein-
kerkerungen und Fasten klagten, so mochte der anderwärts
meist herrschenden Ungebundenheit gegenüber auch die mil-
deste Art klösterlicher Disciplin hart und überflüssig erscheinen.<^)
Odos Auftreten ist entschieden milde und nachsichtig. Es fällt
ihm nicht ein, mit aller Strenge gegen die an weltliche Ver-
— »
^) Job. Y. Od. I, c. 30 ; vgl. Regula S. Dunstani bei Migne, Patrolog.
lat 1. 137, 478.
') Capit monach. c. 69: üt ad capittUum primittis martyrohgium
legatur et dicatur versuSj quo ailentiuM aolvatur, deUide regula atd homdia
qwidU)€t legatur, fwvissime ^tu autem DonUne' dicatur,
») Vgl V. Od. I, c. 83. 36; II, 23; Capit. monaoh. c. 13: Ui cum a
quocumque priore 8uo increpatus quis eormi fuerity ^mea adpa' primo
dicatj dehine pro8teme7i8 sc iüius pedibus cum cappa, si Iwbuerit, veniam
petat; et tunc iubefUe priore aurgat et unde interrogatm fuerit rationetn
humiliter reddai.
*) Capit mouachoram Aquisgr. c. 14. 40.
*) In dem Dialog, inter Cluniac. et Cisterc. bei Martene, Thes. V, 1585
wird ein vennutlich älteres Gebot Odilo zugeschrieben: quod mofiachus
foedo et flagitioso crimi7ie lapsus occuUe puniatur, si aliquo modo occuÜaH
possit, während später die Peitschungen im Capitel stattfanden. Vgl.
PigDot, Bist de Tordre de Cluny II, 402.
•) Joh. V. Od. I, c. 29.
56
guUgungen gewöhnten Mönche von Fleury vorzugehen 0; nnd
seine Gespräche mit Johannes verraten in einigen Beziehungen
überaus freie Auffassungen in den ersten Jahrzehnten der Abtei.
Aus der ersten Zeit Baumes und Ginnis besitzen wir auch
einige Nachrichten über das innere Klosterlehen. Es wurden
während der Tag- und Nachtoflizien stets 138 Psalmen ge-
sungen, mit Ausnahme der Heilgenoctaven, an denen die Zahl
auf 75 beschränkt wuMe. Wenn man später die Offizien etwas
erleichterte, indem man der Kleinmütigen wegen eine Anzahl
Psalmen wegliess^), so äusserte sich darin ein Gedanke, der
auch Benedict von Aniane bei seinen Einrichtungen geleitet
hatte. Auf der anderen Seite wurde gerade dem Psalmen-
gesang in cluniacensischen Abteien besondere Pflege gewidmet.
In den anianischen Klöstern des 9. Jahrhunderts wird die
feierliche Ehrfurcht gerühmt, welche beim Psalmengesang
herrsche.^) Auf seinen Reisen schritt Odo singend dahin and
nötigte seine Begleiter mit einzustimmen. 4) Auch Migolus^)
und Odilo wandten dem Psalter besondere Aufmerksamkeit
zu; von letzterem wird erzählt, dass, wenn ihn .beim Gesang
der Schlaf überkam, noch ganz unbewusst Psalmentöne seine
Lippen bewegten.^) Auch in späteren Gebräuohen spielt der
Psalter eine bedeutende Rolle.') Ebenso werden in den mit
Cluni in Zusammenhang stehenden Klöstern Uebungen darin
besonders hervorgehoben.^) Sicherlich ist auch die Ordnung
der Gesänge bei den Vigilien bereits in den ersten Zeiten
dieselbe, die in späteren Aufzeichnungen erwähnt wird. Während
die Benedictinerregel für die nächtlichen Offizien zwölf Psalmen
») Job. V. Od. III, c. 9.
') Job. V. Od. I, c. 32: Etetiim in quotidianis diebiis inter diei
fwctisqtie cursvs CXXXVIII cancbant psalmos: ex qiiibiis XIV fW8
'danpsimus propter pusiüaniniorum anitnos. Es ist fraglich, ob das nos
auf Odo oder auf die römiscben Abteien gebt.
3) Capitula Benedicti bei Hergott a. a. 0.: In oratorio aummum
sile^Uium, summam psalletidi rcverentiam.
*) Job. V. Od. II, c. 5. 19. ») Syri V. Maioli I, c. 3.
«) Jotsaldi V. Odilonis I, c. 6.
'') Udahici Consuetudines I, c. 18. 41.49; Martine, De antiquis eccl.
ritibus IV, 97.
*) Vgl. V. Jobannis Gorz. c. 81.
57
sowohl fllr den Winter als für den Sommer ansetzte *), findet
sich in den Handschriften im Anschlags an das Aachener Ca-
pitalar die Bestimmung^), dass die Mönche des Nachts fünf
Psalmen Air Könige nnd Freunde, fttnf fttr die Todten, fünf
ftir die Mönche recitierten. Dieselbe Vorschrift wird im
10. Jahrhundert in Gorze befolgt, offenbar schon nach clunia-
censischem Brauch, wie bei den späteren Cluniacensern mit
der Modifieation, dass diese Z'ahlen im Winter verdoppelt
würden.^)
Mit besonderem Eifer scheint man bereits früh die heilige
Lectttre in Baume nnd Gluni gepflegt zu haben. So lange
man bei Tisch sass, wurde in Baume gelesen. 4) In dem
mehrfach erwähnten Bericht über anianensische EinrichtuDgen
erfahren wir von der allgemeinen Pflege der Lesung in Bene-
diets Abteien. ^) Während die Benedictinerregel für die Vigilien
eine beschränkte Zahl wohl nur kurzer Lectionen vorschriebt^),
erfahren wir, dass man in Cluni später in einer Woche Sep-
tnagesimae die ganze Genesis las, in sechs Nächten den
Isajas u. s. w.') In Gorze vollendete man vom 1. bis 15. No-
0 Reg. S. Ben. c. 9. 10. *) Capit. mon. c. Sl. 82.
*) Martine, De ant eccl. ritibus IV, 19.
*) V. Od. I, c. 30: Tetnpore vero refectionis nunquam decrat lectio;
?gl. I, c. 35.
*) Capit. Bened. a. a. 0.: F. In claustris hora lectionia summum «i-
leniiwn ä sunimum Studium lectionia ab omnibus habcri; Capit. Sangall.
(Hergott p. 35) c. 15: üt in refectorio hora refectionia nuUius nisi lectoris
cox audiatur; c. 24: üt certis teniporibua occupentwr in opere manuumf
certis in lectione divina.
') Reg. S. Ben. c. 9. 10. Im Winter waren es drei Lectionen, im
Sommer sollte nur ein Stück aus dem alten Testament aaswendig gesagt
werden. Bereits Abt Theudemar schrieb darüber an Karl d. Grossen
(Jaff6, Bibl. IV, 359) : Si quem autem movetj quare beatus Benedictus esttüis
tempore cottidianis diebu^ ad noctumum officium unam tantum de veteri
testametUo Uctionem legi praeceperitj cognoscat necdum eo tempore in Bomana
ecclesiüj sicut nunc leguntur, sacras scripturas legi mos fuisse,
^) Pignot, Hist. de Cluny IL 392 ff.; vgl. Disciplina Farf. c. 32. 39.
45 bei Hergott p. 74. 80. 85. Im Cod. Paris, lat. 13371, saec. X, f. 87—96
ist enthalten: Incipit Breviarius lectionum per annum seeundum Cluniaciim,
Das Veneichnis der Lectionen betrifft nnr die Sonn- und Festtage, auch
die der Heiligen. An den allgemein kirchlichen Festen, wie Weihnachten,
Ostern und den übrigen Sonntagen Werden meist biblische Texte gelesen.
Am 1. Adventssonntage wird mit Isaias begonnen und bis II, 4 ultra ad
58
vember des Nachts sämmtliche Propheten.*) Man kann aus
diesen MitteilaDgen sehliessen, dass die prinzipielle Betonung
der nllchtlichen Lectüre sehon zu den ältesten Merkmalen der
reformirten Klöster gehörte.
Ebenso wie auf andern Gebieten knüpfte die Reform auch
in Bezug auf Kleidung und Nährung an das Capitular Ludwigs
des Frommen an. lieber die erstere war 817 manches be-
stimmt worden. Sie sollte weder zu fein, noch zu schlecht
sein, sondern von mittlerer Gttte.^) Während die Benedietiner-
regel dem jeweiligen Abte sehr viel Freiheit ttberliess, der
alles Notwendige gewähren sollte, die Zahl der Gewänder
aber auf CucuUa, Tuniea und Scapulare, ein ärmelloses
Kleidungsstück für die Arbeit normirte, eracheint in dem
Aachener Capitular die Camisia, die durch einen Gürtel fest-
gehalten wurde ^), während das Scapulare anscheinend fortfiel.
Da sich dieselbe Eigentümlichkeit im 11. Jahrhundert in den
Aufzeichnungen von Farfa^), und bei Bernard von Gluni findet^),
unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselbe bereits den ältesten
Institutionen Bernos angehörte. Die Namen einzelner Kleidungs-
stücke hatten aber ofifenbar schon zur Zeit Benedicts von
Aniane ihre Bedeutung verändert. Aus dem Scapulare war
die GucuUa geworden, ein ärmelloses Gewand, das aber
jetzt den ganzen Körper bis an die Fnssknöchel bedeckte^),
das als besonderes Merkmal der Cluniacenser galt und ihnen
proditmi gelesen; am 2. Adventssonntag von Is. VI, 1 bis VIII, 8; am
3. von Is. X, 1 bis XI, 12; am 4. von XIII, 1 bis XIV, 25 u. s. w.; an
den Ueiligenfesten wurden auf die Heiligen bezügliche Texte gelesen.
*) V. Johannis Gorz. c. Sl.
*) Capit. mon. Aquisgr. c.20; die Statuta Murbac. bemerken dazu:
übi iungetidum capcrina vestimentüf seu serico circmfisuta omnino mo-
nachü hiterdicta atmt (Mansi XIV, 351).
^) Capit mon. Aquisgr. c. 22: vi camiaias diuis et tunicas duas et
cucuUas duas . . . unvsquiaque monachorum habeat.
*) Discipl. Farf. c. 4, Hergott p. 90.
**) Bemardi Ordo I, c. 6, Hergott p. 146 ^ vgl. Pignot II, 431.
^) Vgl. Discipl. Farf. a. a. 0. : CuctdUif quae nostro singulariter con-
v&iiit ordini ... id est tuniea sine manicis etc. ; Dialogus inter Cluniac.
et Cisterc. bei Martene, Thes. V, 1593: illa vestis, quam cucuUam appeUatis
nee cu>culla est, nee scapulare. Cu,culla noti est, quia cum eareat numicis,
non Juibet sex älas secandwm praeceptum Bonifatii papae^ scapulare non
est, ^ia non tanttm scapulum, sed etiam brachia tegit.
59
später als regelwidrig zam Vorwarf gemacht warde; die frühere
CacttUa ward zum Hemde, das auch des Nachts getragen wurde,
während die Regel in ganzer Kleidung zu schlafen befahlJ)
Unter der mit Capaze versehenen daniacensischen Caculla wurde
die Tunica getragen, die erst im Laufe des 11. Jahrhunderts
Froeeus genannt wurdet), ein weites faltenreiches Gewand mit
langen Aermeln. So wich die Kleidung der Cluniacenser von
der Regel allerdings beträchtlich ab. Während das Scapulare
nur eine Art Kragen war, der in Streifen auf das Untergewand
herabfiel, war sicherlich schon unter Benedict von Aniane die
ärmellose, aber sonst den ganzen Körper bedeckende GucuUa
daraas geworden. So konnte man später, wie wir noch sehen
werden, den Cluniaeensern allerdings ihre zwei Röcke zum
Vorwurf machen. Die Farfeser Vorschriften, welche den un-
gefähren Standpunkt der cluniacensischen Gebräuche zu An-
fang des 11. Jahrhunderts bezeichnen, sprechen den Gebrauch
der Femoralien ebenso wie das Aachener Gapitular allen
Mönchen zu, während die Benedictinerregel sie nur den auf
der Reise befindlichen gewährte. 3) Wenn wir ferner in einer
Glosse Eckehards von St Gallen, die gegen die cluniacen-
sischen Reformmönche gerichtet war, noch auf tausend Dinge
verwiesen finden, ,mit welchen unsere Schismatiker Gott in
ihren Erfindungen reizen'*'^), so werden wir daran denken,
dass schon Benedict von Aniane seinen Mönchen zwei Hemden,
zwei Tuniken, zwei Cucullen, zwei resp. drei Gappen, vier
paar Fusslappen, zwei paar Hosen, Gamaschen bis zu den
*) Dialogus inter Cluniac. et Cisterc. a. a. 0. col. 1650; für die frühere
Zeit bestätigt durch Joh. V. Od. I, c. 15: impegit (Odo) in eundern locum,
in quo praecepttmi est monachis, ut donnire debeant vestiti; n am plane
noH intellige7i8 eundem sensum per triennium iacuit veatitus.
^ In der Discipl. Farf. heisst sie noch tunica; die Bezeichnung
froccus tritt dann bei Bemard im Ordo Cluniac. I, c. 6, Hergott p. 146
aaf. Eckehard v. St. Gallen (Hattemer, Sprachschätze II, p. 222 n. 5) spricht
von den duobus roccis der Cluniacenser.
*) Disciplina Farf. c. 4 (Hergott p. 90): femoralia, quae S. Benedictus
muxsnt Uer agentibu8 . . . omnibua concedantwr; Regula S. Ben. c. 55;
Capic mon. Aquisgr. c. 22. Vgl. Tbeudemari abb. Gass. epist. ad Karolum:
Habent autem patres nostri et duplicia femoraUa; Petri Ven. ep. I, 28.
*) Hattemer, St. Galler Sprachschätze H, 222 n. 5. Ausführlicher
wird darüber an anderer Stelle gesprochen werden.
60
Knöcheln, zwei paar Strumpfbänder, fttr den Sommer Aermel*),
für den Winter Handsohabe von Hammelfell oder Mnffe,
zwei paar Schuhe für den täglichen Gebrauch, für die Sommer-
nächte Pantinen, fttr den Winter Holzschuhe zugestanden hat.^)
Dieselben oder doch annähernd ähnliche Erleichterungen finden
wir in Farfa^); wir werden sie auch fttr die ersten Zeiten der
Reform voraussetzen dttrfen. Man hielt übrigens in Cluni auf
Köi-perpflege und Sauberkeit der Kleidung, und war weit ent-
fernt, eine asketische Vernachlässigung des Aeusseren zu
billigen.^)
Eine eigentümliche Einrichtung, die bereits früh in clunia-
ceusischen Klöstern nachweisbar ist, betrifft die Reinigung des
Schuhwerks am Sonnabend. Sowohl die Benedictinerregel,
als das Capitular von 817 schweigen darüber.^) Als Odo einst
in Begleitung weniger Brüder in ein Kloster kam, begann
einer derselben bei der Vorbereitung am Sonnabend Abend
seine Schuhe zu waschen. Einer der einheimischen Mönche
brach erzürnt das Schweigen: ,Wo befiehlt denn der heilige
Benedict den Mönchen ihre Sandalen zu reinigen ? * Wie ernst
man die Sache nahm, beweist die lange Begründung, mit der
Odos Biograph Johannes jene Einrichtung verteidigt.«) In
Gorze finden wir sie ebenfalls und zwar mit der bezeichnenden
Bemerkung erwähnt: „nach einer zwar alten, damals jedoch
neuerdings erst zu uns gebrachten Sitte.^"^) Auch der hl.
Dunstan nahm diese Vorschrift ausdrücklich in seine Kloster-
^) qttas vrdgo wantos appellamus,
>) Capit. mon. Aquisgr. c. 22.
8) Vgl. Discipl. Farf c. 47, p. 116.
*) Vgl. V. Od. II, c. 23; hypocritae werden die schmutzigen Vertreter
einer asketischeren Richtung genannt.
^) Allerdings reinigte Benedict v. Aniane aus Demut die Schuhe
der schlafenden Brüder, V. Bened. c. 7.
') Joh. V. Od. II, c. 23. Johannes meint, man wolle nur die Schuhe
nicht waschen, um sie in irgend einen Winkel zu werfen, wo sie den
Armen nichts mehr nutzten, während der hl. Benedict vorschreibe, alles
Abgelegte den Armen zu geben. Vgl. Vetus consuet. Floriac. bei Joh.
de Bosco, Bibl. Floriac. p. 392; Consuet. S. Vitoni bei Martene, De antiq.
eccl. rit. IV, 851.
') V. Joh. Gorz. c, 63: ex more antiquo quidem^ sed tunc noviter
nohis tradito.
61
regel auf, welche auf den Oewohnheiten von St. Peter in
Geot und Flenry bernhteJ)
Hinsicbtlieh der Emähmng bildete ein Pnnkt ein wesent-
liches Moment fUr die Scheidung der reformierten Mönche von
denen, welche in der alten faulen Art verharrt hatten. Es
handelt sich um den Genuss von Fleisch und namentlich vier-
füssiger Tiere, welchen die Regel untersagte. Wie der Abt
von Aniane das Verbot Benedicts in dem Aachener Gapitular
?on neuem aufstellen liess und nur den Kranken erlaubte, Feder-
vieh zu essen ^); so lebten dieselben Yorschriftien mit der £r-
oeuerung des Klosterlebens wieder auf.^) Berno und Odo^),
wie die lothringischen Reformatoren wandten alle ihre Energie
auf die Aastreibung damit unvereinbarer Gelüste. Johannes,
Odos Sehttler, sagt einmal, der Fehler liege nicht in der Speise,
sondern in dem Verlangen danach.^) Und mit Recht; denn
war nicht durch das Fleischverbot die Abwendung von allen
fleischlichen Genüssen symbolisiert, welche das reformatorische
Mönehtnm so mächtig durchdrang? In der Zeichensprache
Bernards von Gluni findet sich daher auch kdn Ausdruck für
Fleisch oder ein Fleischgericht. Vielmehr ass man in Gluni
und den verwandten Stiftern Bohnen, Eier, Käse, Gemüse, Back-
werk und Fische.*) Als Getränk kam namentlich Wein in
Betracht Eine Erleichterung, welche das Gapitular von 817
gewährt hatte, die Anwendung tierischen Fettes statt des in
der Regel vorgeschriebenen Oeles, das in manchen Gegenden
*) Regula S. Dunstani bei Migne t. 137, 484: Si adbbatum fuerit,
singuli . . . lavent etiam cakeoa, quUms expedierit; col. 500: Calceamentorum
unetiOf reatimentorum abhUio et aquae administratio non aspemetur, sed ab
vniverais . . . tempore opportuno corumete peragatur.
') Capit mon. Aquisgr. c. 8; Stat Mnrbac., Mansi XIV, 350. In
Honte Cassino kam zu Karls des Grossen Zeit Geflügel überhaupt zu
Weümaehten und Ostern auf den Tisch; vgl. den Brief Theudemars bei
Jaff^, Bibl. IV, 361.
*) Dass der Genuss von Geflügel in der ersten Zeit in Cluni ver-
boten war, e^ebt sieh z. B. aus Joh. Y. Od. III, c. 8.
0 Joh. V. Odonis III, c. 2—7; Petri Venerabilis epist. VI, 15.
'^ Joh. V. Od. III, c. 4: non esse in cibo tnfium, sed in appetitu.
') Petrus Venerabilis nennt Epist VI, 15 als altcluniacensische
Speisen: fabay easeus, ova, ipsi etiam pisces; vgl. Bemardi Ordo Gluniac.
I, c. 6, Hergott p. 147 ff.
62
schwer zu beschalTen war, ist anch in Cluni angenommeD
worden 0; sonst sind Milderungen zur Fastenzeit'), für Kranke
and solche, die zur Ader gelassen worden 3), sowohl bei Benedict
von Aniane als in Clnni eingetreten. Nach der Begel sollte
der Abt mit den Gästen speisen^); das Aachener Capitular hat
hier eine Bestimmnng des Heiligen von Narsia geradezu ver-
kehrt; der Platz des Abtes solle fortan im Refectorinm bei
den Brüdern sein.^) Anch diese Bestimmnng hat in Clnni
Geltnng erlangt nnd ist im 12. Jahrhundert, als man den
Zusammenhang nicht mehr kannte, den Glnniacensem zum
schweren Vorwurf gemacht worden.*) Der Abt präsidierte bei
Tische und gab das Zeichen zu Beginn und Ende der Lesnng;
nach derselben durfte niemand mehr essen, nicht efumal die
Brocken, die jeder gegen Ende der Mahlzeit an seinem Platz
zu sammeln hatte.'')
Wir glauben nachgewiesen zu haben, dass das Verdienst
Bernos und Odos darin besteht, die Benedictinerregel mit den
Ergänzungen des Aachener Gapitulars und anianischer Ein-
richtungen, wenn auch unter eigenen Modificationen wieder zu
einer Wahrheit gemacht und weiter verbreitet zu haben. Die
Benedictinerregel, sowie sie die Reformatoren des 10. Jahr-
hunderts in ihren Abteien einführten, war also nicht die reine.
1) Gapit mon. c. 22; Bern. Clftrevall. Apol. c. 6, § 12 a.a.O. col. 538;
Pignot II, 420 ff.
>) Capit. mon. c. 18; Die Münche von Autnn, die aus dem anianen-
sischen St. Savin hervorgegangen, haben unter ihren Grundsätzen: idtt-
niorum parsmaniam. Vgl. Veter. consuet. Floriac, Bibl. Floriac. p. 392 :
In quadragesima libra panis maioi' solito et delicior et vintan melius
quam alio tempore debet esse; Pignot II, 425.
>) Capit. mon. c. 1 1 ; Vita Joh. Gorz. c. 82. 92 ; Pignot II, 434. Sowohl
in Aniane, als in Cluni war die Zeit des Aderlasses unbestimmt und der
Entscheidung des Abtes überlassen worden. Vgl. Joh. V. Od. III, c. 5.
*) lieg. S. Bened. c. 50: Mensa ahhatis cum Jwspitibtw et peregrinis
Sit semper,
°) Capit. monach. c. 27. Dass man sich übrigens auch früher nicht
immer an die Vorschrift des hl. Benedict gehalten hatte, vgl. in den Stat
Murbac. c. 22, 1. 1. col. 352.
«) Dialog, inter Cluniac. et Cisterc, Martene V, 1607;^etri Vener. ep.
I, 28. Für die frühere Zeit bestätigt durch Joh. V. Od. I, c. 35.
! ') Vgl. Joh. V. Od. c. 30. 35.
63
nnverfälBchte, sondern enthielt jene früheren Ergänzungen ans
der Zeit Ludwig des Frommen nnd damit die Keime zu einer
Weiterentwicklung, welche früher oder später zu einem Gegensatz
gegen die alte Kegel führen musste. So lange die claniacensischen
Gewohnheiten annähernd die einzige überdies noch schwankende
Form enthielten, in welcher die Regel Benedicts anffcrat, waren
gegnerische Angriffe fast ausgeschlossen. Erst mit der Ausbildung
derselben nach ihrer eigentümlichen Richtung und der Zunahme
der Kenntnis von Benedicts echtem Statut erhob sich eine starke
Opposition gegen dieUebertreterderm6nchischenRicht8chnur,eine
Opposition, die in dem Hass nnd der Missgunst gegen die wachsende
Macht der französischen Mönche stets neue Nahrung fand.
IIL
Die regen Bemühungen Bernos wurden von dem hohen
Adel der benachbarten Gegenden anerkannt. Die Laien, die
Bonst von kirchlicher Frömmigkeit nichts wissen wollten, hielten
doch, yne Odo einmal sagt, einen Menschen, dessen tiefe
Religiosität sie erst einmal erkannt hatten, nicht wenig hoch.i)
Eine Bestätigung gewähren die zahlreichen Schenkungen, die
schon zu Bernos Zeiten an Cluni getnacht wurden, nicht weniger
als die Uebertragungen einzelner Klöster an den Abt von Gigny,
Baume und Cluni mit der Bedingung, sie in gleicher Weise
einzurichten.
Nur wenige Jahre nach der Gründung von Cluni folgte
ein Lehnsmann Wilhelms von Aquitanien, Ebbe von Döols,
dem Vorgang desselben, indem er Berno eine Abtei, die er im
Jahre 917 in seiner Burg Däols gegründet^) und drei Jahr
später hatte weihen lassen^), zur Leitung übertrug. Er gab
ihr einen Freiheitsbrief^ der dem für Cluni ausgestellten fast
wörtlich gleicht^), so dass wir hier die Wirkung des einmal
^) Odonis Coli. II. a. a. 0. col. 208 : Quod ex his apparetj qwmiam
«/m laicif qui eos despiciunty si quem forte repererint, quem religiostim
endantf nan mediocriter venerari solent,
') Chron. Vezeliac. bei Labbe, Nova manuscr. bibl. I, 395; Ghron.
Tnron. abbrev. bei Salmon, Chroniques de Touraine p. 1S4; Adomari Hist
III, c. 2t; Hngouis Flor, modern. Franc, actus, SS. IX, 377; Vita S. Ge-
Bnlfi n, c 17, BibL Floriac. II, 43 ; Hist. patriarch. Bituric. c. 52, Labbe II, 71.
*) Chron. Dolense ad a. 920, Labbe I, 315.
0 HF. IX, 713; Hist patriarch. Bituric. a. a. 0.
64
gegebenen Beispiels auf das deutlichste zn erkennen vermögen.
Auch hier wurde dem Papst die alleinige Herrschaft eingeräumt.
Ebbo schützte aber nicht nur die Abtei durch Privilegien, be-
dachte sie nicht nur reich mit Schenkungen; es kam ihm
namentlich darauf an, filrderhin seitens seiner Erben jeden
Einspruch zu beseitigen und Bestrebungen, welche auf Ent-
ziehung des legierten Besitzes zielten, zu verhindern, sowie die
Einrichtungen Bernos zu erhalten. In letzterer Hinsicht ver-
pflichtete er in einer langen Urkunde, die er mit seiner Ge-
mahlin ausstellte, den Nachfolger Bernos darauf zu halten, dass
dieselbe Anzahl von Psalmen gesungen, dieselbe Gastlichkeit
geübt werde, derselbe Verzicht auf Fleischgenuss ausser Fischen
bestehen bleibe. Die Gewänder sollen nur ihre natürliche Farbe
haben, denselben Gehorsam sollten die Brttder dem Abte, so-
wie sich gegenseitig leisten; sie sollten sich jedes Eides ent-
halten, der Schweigsamkeit und Beschaulichkeit nachgehen und
keinerlei Privateigentum besitzen. In diesen, wie in allen
andern Gewohnheiten sollten sie dasselbe Mass beobachten.
Da die Abtei D^ols das Recht der freien Abtwahl beeiass, wollte
Ebbo durch die eben erwähnten genauen Bestimmungen den
nach Bernos Tode gewählten Abt auf die von jenem eingeführten
klösterlichen Gewohnheiten fttr die Zukunft verpflichten. Endlich
bestätigte der Lehnsherr Ebbos, Wilhelm von Aquitanien, die
Reform, ftlgte Schenkungen im Gau von Bourges hinzu und
verbot jegliche Yeräusserung und jede Beanspruchung von
Kirchengnt.1) •
In derselben Diöcese, wenig nördlich von D6ols lag die
Abtei Massay, die ebenfalls an Berno gelangte.^) Wie das ge-
schah und durch wen, wissen wir nicht. Dass diese Ueber-
tragung aber nur eine persönliche und dem Kloster das Recht
der freien Abtwahl verblieben war, werden wir daraus ermessen
können, dass hier im Jahre 933 ein Abt Odo ordiniert wird,
der mit dem Abte von Cluni nicht identisch zu sein scheint.^)
>) Vgl. die Urkunden Beilage n.
') Sie wird in dem unten zu besprechenden Testament Bernos aufgeführt.
3) Breve Chron. Masciac. (LAbbe II, 73:i) 935 : Odo abbas ordinatur, —
967 : VIII Id. Jun. sie obiit Odo abbas bonae memoriae. Wenn diese Angaben
richtig sind, könnte der hier genannte Odo mit dem unsrigen nicht identisch
sein. Merkwürdig bliebe dabei immerhin, dass Odo von GlunI, dem die
65
Hatte Odo schon zn Lebzeiten Bernos die Angrifife der
Opposition mit tragen helfen, welche sich gegen den Abt in
den ihm untergebenen Stiftern erhoben hatte, so ist es be-
greiflich, das8, als dieser wenige Jahre vor seinem Tode daran
dachte, einen Nachfolger zu bestimmen, seine Blicke auf den
JQDgen Freund fielen. Schon vorher hatte er ihm gegen seinen
Willen durch den Bischof Turpio von Limoges, der Bemo be-
Irenndet war, die priesterlichen Weihen erteilen lassend) Nachdem
Berao vor den benachbarten Bischöfen seine Wttrde niedergelegt
batte, erfolgte etwa 924 ^) die Wahl Odos, der anfänglich wider-
strebte, dann aber durch den Erzbischof Berengar von Besangen
die Weihe erhielt.^) Er vermochte sich jedoch in Baume nicht
zn halten. Die alten Gegner erhoben sich gegen ihn, jetzt
ihrer Pflichten gegen Bemo los und ledig, und zwangen ihn
dnreh ihre Umtriebe, nach Cluni überzusiedeln. Während die
jftngeren Mönche dasWeltleben teilweise wieder aufsuchten, folgten
die älteren ihm nach der neuen Wohnstätte. Der Gegensatz
und der Bruch, der nun erfolgt war, schien offenbar so. wenig
mehr zu überbrücken, dass Bemo unter dem Dmcke seines
Verwandten Wide im Januar 927 die Trennung rechtskräftig
machte, indem er kurz vor seinem Tode die von ihm be-
herrschten Abteien zwischen den Vertretern der beiden Rich-
tongen verteilte.^) Es ist beachtenswert, dass die Klöster, welche
Abtei Dach Bernos Tode zufiel, noch bei Lebzeiten hier einem anderen
Abte Platz machte.
«) V. Od. I, c. 37.
*) Nach Job. Y. Od. I, c. 3 ist Odo 15 Jahr Mönch gewesen. Job.
meint zwar I^ c. 3S, dass Bemo intra modicum temp\w starb ; indes ist er
über Odos Wahl schlecht unterrichtet.
>) Vgl. Chronologia abb. Clnniac, Bibl. Ginn. col. 1618 und ChiiTlet,
Vesontio II, t77. Die Cbronol. nennt ihn allerdings Bemnin, indes hat
dieser etwa hundert Jahr früher regiert.
*) Die Darstellung stützt sich auf die Vita Od. u. das in der Bibl.
Clun. coL 9 gedruckte Testament Bernos. Die Vita Od. I, c. 38 spricht
nur von der V^ahl Odos und fährt 11, c. 1 fort: Igitwr pater Odo dectus
H abba ordinatuSj mox contra cum praedicti veterani persecutores insw-
gunt. nie Oiäem malena locum dare et beate qiiieacere quam contentiose
rirertj derelicto eodem ffionasterio et quaequae ibi fuerant a domino
Bernone parat a atque ei paterno more tradita, abiit Cluniacum
etc. Das Testament Bernos kennt Johannes nicht; erst der anonyme
Biograph sah sich genötigt, nach dieser Richtung die Darstellung zu
8»oknri ClmiiaoenMr. L 5
66
im privatrechtlichen Besitz Oignys and seines Abtes sich be-
fanden, Baume, die Gelle des hl. Lantenns und die Abbatia
Aethicensis, Moutier-en-Bresse>), nebst dem Stammkloster anf
Allodialland an Wido fielen, so dass dieser thatsächlich Nach-
folger im Familienerbe wurde. Es ist deshalb nicht unwahr-
scheinlich, dass seine Opposition gegen Bemo und Odo die
Rettung seiner Erbschaft nicht zum wenigsten bezweckte. Ver-
mutlich war er ein Nachkomme jenes Laifinns, in dessen
Gemeinschaft; und mit dessen Besitz Berno an die Gründung
von Gigny gegangen war, vermutlich darum hatte Wido gehofft
Bemos Nachfolger zu werden: dann hatte er allerdings alle
Veranlassung, das Auftreten und den Einfluss Odos mit allen
Mitteln zu bekämpfen.
In den andern Abteien, Cluni, Döols, Massay, die sämmtlich
zur selbständigen Abtwahl berechtigt waren, hatte die Wahl
Odos erst vorhergehen müssen.^) Wie nun die älteren Mönche
von Baume, Odos Freunde, mit nach Cluni ttbersiedelten, so
war ^urch diese Scheidung Odo und seinen Klöstern schon
ihre bestimmte Richtung vorgeschrieben. Berno hatte selbst
Cluni fttr seine Grabstätte ausersehen und wie sehr ihm dieses
modifizieren (N. Archiv XV, 113. 116). Mit der Urkunde Bemos lässt sich
die Darstellung des Johannes nur wie oben vereinigen, da man nicht an-
nehmen kann, dass Odo sich etwa nach Bemos Tode gegen die Be-
stimmungen des Testaments widerrechtlich in den Besitz der Wido zuge-
teilten Abteien gesetzt hat, aus denen er dann vertrieben worden wäre.
Dagegen spräche ausser dem, was wir über seinen Charakter wissen,
vor allem die Thatsache, dass nach dem Hinscheiden Bemos zwischen
Odo und Wido nur ein Streit über den Hof Alfracta, wie wir bald sehen
werden, sich erhebt. Bemo erscheint in den Urk. zuletzt 926, 6. Aug.
(CHOL I, nr. 273); Odo zuerst April 926 (CHCL I, nr. 283). Bruel will die
Datierang: anno III, regnante BodiUfo rege mit Hinweis darauf, dass
Bemo erst am 13. Jan. 927 gestorben sei, in anno IUI ändern und die
Urk. 927 April setzen. Indes ist das natürlich ganz willkürlich. Da Odo
bereits vor Bemos Tode zum Abt gewählt wurde, ist es nicht auffällig,
dass er bereits 926 als Abt auftritt Der Todestag Bemos Id. Jan. im
Necrol. ViUar. (Bibl. nat. nouv. acquis. 348): Depositio damni Ber-
nonis abbatis (Beilage IV.).
^) Vgl. Stramberg bei Ersch und Gruber s. v. Odo; Richard, Hist.
des dioceses de Besan^on et de Saint-Claude I (Besan^on 1847), p. 96 n. 2.
') Bemo drückt sich in seinem Testament vorsichtig aus: Odo
Chmiaeum etc. . . . auacipiat. Eine Originalurk. Odos als Abt von Döois
V. März 939 befindet sich in Paris, Arch. nation. E. 16.
67
Stift am Herzen lag, beweist seine Bitte, die späteren Brttder
?on Ciuni and den Ort selbst nicht zu enterben, wenn Gott
ihm Gedeihen schenke. In seiner Urkunde beschwor er Fürsten
nnd Lehnsherren, sieh seinen Erlass in einem Convent vorlesen
zn lassen nnd die durch königliche und päpstliche Urkunden
privilegierten Rechte zu achten. Den beiden Aebten legt er
Einigkeit und genaue Befolgung seiner Vorschriften ans Herz.')
Aber noch sollten die Streitigkeiten zwischen beiden Parteien
nicht mhen. Der alte Abt von Gigny, der am 18. Jan. 927
das Zeitliche segnete, hatte in seinem Testament n. a. auch
einen Ort Alfracta, der sich im Besitz des Stammklosters befand,
an Clani überwiesen, das damals noch in durchaus unvoll-
kommenem Zustande und sehr arm war. Obgleich nun
König Rudolf von Frankreich bereits am 0. Sept. 927 die
Uebertragung Bernos bestätigt hattet), focht Wido das Testa-
ment an, indem er, gestützt auf einen Satz des canonischen
Rechts, welcher die Einziehung von Kirchen- und Klöstergtttem
nur auf eine beschränkte Zeit gestattet, den Einwand erhob,
dass die Angabe des Termins in jenem Schriftstück unterblieben
sei ; er entriss der Abtei Gluni mit Gewalt den genannten Hof.
Schliesslich kam die Sache vor den Papst, nachdem Odo wahr-
scheinlich selbst appelliert hatte. Man kann nicht sagen, dass
die Entscheidung Johanns X. für Clnni günstig ausgefallen sei.
In einem Schreiben vom Jahre 928 an König Rudolf von
Frankreich, den Erzbischof Wido von Lyon, die Bischöfe von
Chalon und Mäeon, die Grafen Hugo und Giselbert^), denen
er Cluni empfahl, wurde in der Bestimmung, dass das Dorf
>) Testament Bernos a. a. 0. Characteristisch sind die Unterschriften :
Signum Widonis modemi dbbatiSj qui hoc consensit. Signum Odonis
abbatis.
•) CHOL r, nr. 285: quae dicittir la Fracta, q'uam praefatus Bemo
de Gigniaco subtrahens ad Cluniacum . . . licenter convertit^ eo tenore quo
ipse constituit,
^) Jaff(6-L. nr. 357S; Bnllarinm Gluniacense ed. Symon 1680 p. 2 ge-
druckt, wo die Urkunde fiilsdilich Johann XI. zugeschrieben wird. Vgl
Mabillon, Acta SS. V, 72. Eine ganz leere Hypothese steUt Gingins-la-
Sarraz im Archiv f. schweizer. Geschichte IX, 1 50 auf, wenn er den Brief
des Papstes filr eine Folge der Unterredung hält, die im Jahre 928 K5nig
Hugo von Italien mit Rudolf von Frankreich hatte nnd eines Bttndnisses,
das kurz vorher zwischen Hugo und dem Papste geschlossen worden war.
5*
68
Alfracta 80 lange im Besitz Glnnis bleiben solle, als von
den dortigen Mönchen, welche in Gigny Profess abgelegt haben
oder dargebracht worden, jemand lebe, der Einwand Widos
nicht nur formell anerkannt, sondern zugleich damit ausge-
sprochen, dass das Recht, welches Gluni auf den bezeichneten
Ort überhaupt habe, nur auf dem Aufenthalt gigniacensischer
Brüder daselbst beruhe. Auf eine besondere Hinneigung Johanns
zu Gluni und seinen Tendenzen lässt sich also aus diesem
Briefe nichts schliessen ^), zumal bei der geringen Bedeutung
des Klösterchens die Bestrebungen der Insassen noch wenig
hervorgetreten sein können. Und ebensowenig kann das
Freiheitsprivileg Glunis die päpstliche Entscheidung beeinflusst
haben, denn der Papst bemerkt ausdrücklich, dass beide Klöster
unter päpstlicher Herrschaft stünden.^) Wenigstens verzichtete
Wide gegen den jährliehen Zins von zwölf Denaren, den der
Papst festgesetzt hatte, auf den geraubten Besitz, den er
schliesslich am 21. Januar 935 ftlr alle Zeiten den Mönchen
von Gluni zugestand.^)
Gluni war in Folge des Todes Wilhelms von Aqnitanien un-
vollendet geblieben.*) Noch erhoben sich, so zu sagen, die Grund-
mauern des Baues, den Berno sofort begonnen hatte, im Jahre 918
nicht über die Oberfläche des Bodens.*) Die Mittel, welche die
Abtei besass, waren beschränkt Schon die Mitgift des Herzogs wird
als sehr unbedeutend bezeichnet. Herrengut scheint im Anfang
ganz gefehlt zu haben.^) Zu den ftinfzehn Höfen, auf denen
Zinsbauern sassen''), war zwar durch Berno einiges hinzu-
gekommen, indes wuchs die Zahl der Mönche, deren anfangs
1) Wie Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom III, 306 will.
') Ballarium Claniac a. a. 0.: no8, ad qtwrum dispositionem utraq^ie
loca pertinent.
3) CHOL I, nr. 425.
*) Testam. Bemonis a. a. 0.: morte domni GviUelmi quondam inclyti
dticis atque nunc mea imperfectus deseritur.
fi) Anonymi V. Od. (N. Arch. XV, 110): Sed heu, pro dolor! necdum
eiu8 superficies, ut ita loq%iamw, cemit%w et iam sui auctoris^ immo potius
parentis gloriosissimi viddicet ducis morte viduatur,
^) Vita Hugonis Aeduensis c. 7.
7) BodalfoB Glaber, Hiat. III, c. 6.
69
nur zwölf waren, in höherem Grade, als das VermögeD.^ Bereits
in den ersten Jahren wurde der geringe Besitz noch angefochten ;
Herzog Wilhelm selbst mnsste am 30. Oet. 913 auf einem
Gerichtstage der Abtei ihr gutes Recht . verschaffen.^) Auch
Berno hatte den Bau nicht zu Ende führen können ^) und hinter-
liess die Abtei in den dürftigsten Verhältnissen.^) Odo geriet
daher in grosse Verlegenheit hinsichtlich der Vollendung der-
selben ^) und hatte es ntir den GeldnnterstUtzungen seiner aqui-
tamsehen Freunde zu danken^), wenn es ihm doch möglich
war, den unterbrochenen Bau wieder aufzunehmen und in
koizer Zeit den Bischof, wohl den von Besannen, zur Weihe
des Bethauses zu laden, die mit grossem Pomp vollzogen wurde.^)
Dass die Mönche zeitweise in Geldnot waren, ersehen wir auch
aus einer Urkunde, in der sie einmal, was unerhört ist, Wein-
land für 60 solidi verpfänden.»)
Indes wirkte da» Beispiel des frommen Herzogs an-
feuernd auf den benachbarten Adel. Seine Vasallen weihen
um seiner und seines Neffen Seelenheil einzelne Grundstücke
dem hL Petrus von Cluni ^) und ebenso thaten andere ländliche
Grundbesitzer. Am 9. September 927 beseitigte König Budolf
von Frankreich zum ersten Male die Rechte der Abtei gemäss
den Bestimmungen der Stiftungsurkunde und sprach seine
Freude über die Gründung aus. Die freie Abtwahl, die Sicher-
heit des freien, keiner Herrschaft unterworfenen Besitzes und der
abhängigen Leute des Stiftes gegen irgend welche Herrschafts-
aete andrer wird yerbriefk. Die auf Herrengut fälligen Zehnten
*) Testam. Bemonis a. a. 0.: Et certe pauperior est possessione et
nwnerosa fratemitate . . .
«) CHOL I, nr. 192.
') S. Note 3. Dass in der letzten Zeit Bemos in Cluni noch gebaut
wurde, ergiebt sich aus CHCL I, nr. 269 (926 Mai): Qw>d videlicet monas-
teritm iusm ac supplemento piiasimi hone memorie Willelmi senioriSj
comüis decenter in ipsorum apostolorum honore sub jyrovidefitia Bemonia
venerabilis abbaiis comtruitur. Das Präsens construitur auQh in nr. 270.
') Anon. Vita a. a. 0. : Cluniacum yytonasteritmi, utpote adhitc spatio
temporis tenerrimum et posse^one panpeyt'itnnni.
*) V. Od. II, c. 2; Anon. Vita a. a. 0.: Sed qiiia, nt diocimmf adhuc
loci« erat pauperrinms in proximoj dum deficit ce7i8tiSj intet^niittittir opm.
*) Job. V. Od. II, c. 2: 3000 solidi wurden ihm aus Gothien geschickt.
') II, c. 8. ") CHCL I, nr. 854. ») a. a. 0. nr. 214. 270.
70
sollen sie zam Nntzen ihres Hospizes verwendeD. Schon damals
erhielten die Mönche Zollfreiheit auf den Märkten, das Recht
auf den abhängigen Hnfen Zehnten zn erheben und das
Terraticnm in ganzem Umfange anch von den Wäldern nnd
Forsten, von denen sie nur einen Teil wirklich besassen.*)
Immerhin nennen sich jedoch die Mönche von Glani noch im
Jahre 932 eine sehr kleine Genossenschaft^) und in der That
scheint das Privileg Johanns XL vom März 931 3) dies zu be*
stätigen; nur eine geringe Zahl von Ländereien und Gapellen
kann die Abtei damals besessen haben.
Dennoch ist gerade die Urkunde des Papstes von höchster
Bedeutung. Denn abgesehen davon, dass sie die in dem
Privileg Wilhelms von Aquitanien gewährten Freiheiten be-
stätigt und die päpstliche Schutzherrschaft gewährleistet, enthält
sie geradezu die Anerkennung des reformatorischen Zweckes,
den Odo von jetzt ab verfolgte, Vollmachten und Bechte, welche
der Beform ebenso nützlich waren, als sie dem Herkommen
widersprachen. Was vorher nur ungern geduldet, ausnahmsweise
privilegiert worden, wurde Cluni vom Papste urkundlich zuge-
standen 4): Odo erhielt einmal das Recht Klöster unter seine
Herrschaft zu nehmen, um sie zu reformieren; andererseits
sollten Mönche aus fremden Abteien nach Cluni kommen dürfen,
um Klosterzucht zu üben, wenn ihnen ihr Abt den regulären
Unterhalt zur Unterdrückung privaten Eigentums versage, nnd
zwar auf so lange, bis das betreffende Kloster die Beform
annähme.'*^) Die Mönche irregulärer Stifter wurden also ein-
fach der Gehorsamspflicht gegen ihre Oberen entbunden, und
dem Abte von Gluni die Möglichkeit gewährt, seinen Befor-
0 a. a. 0. nr. 285.
^) a. a. 0. nr. 408: parvula videlicet Clunienaium fratrum societas,
») Jaff6-L. nr. 8584.
*) Die Goncilien verboten, dass ein Abt mehrere Klöster leite, vgl.
Conc. Agath. c. 38, Decret. Pseudois. ed. Iltnschius p. 334 ; vgl MabUlon,
Acta SS. V,»67. Ebenfalls im Conc. Agath. c. 27 ist untersagt, dass ein
Abt einen fremden Mönch nisi abbatis sui aut pemmsu aut voluntate
aufoehme.
B) Bnllarium Clnniac. p. 1 : Si aittem coenobUmh aliquod ex voluntate
illoruin, ad qiwrum diapositionem pertinere videturj in sua ditione ad me-
liorandum siiscipere ccmueritis, nostram licentiam ex lioc habeatis . . . Et
quia, siciit nimis compertum est, tarn paene cunda mo7ui8teria a suo pro-
71
iDifionaiweek auch in weiteren Kreisen zu verfolgen. Von der
Planmässigkeit, mit der Odo von Anfang an seinem Ziele
entgegenging, zeugt es aber, dass er zar selben Zeit sich von
Johann XI. das gleiche Privileg flir D6o1b verbriefen liess.
Auch hier wnrde neben der Freiheit von jeder Herrschaft,
der freien Abtwahl, dem Zehntrecht und der Fischereigerechtig-
keit an den zn den klösterlichen Mühlen führenden Wasser-
länfen die Erlaubnis gewährt, wie in Glani, Mönche ans jedem
beUebigen Kloster aufzunehmen, welchen ihr Abt den vorge-
aehriebenen Unterhalt behufe Abschaffung persönlichen Eigen-
toms nicht gewähre. 0 Als später das Kloster des hl. Benedict
an der Loire unter Odos Leitung gelangte, Hess dieser dasselbe
Privileg auf Fleury ausdehnen 2) — ein neuer Beweis, dass
man in der Abschwörung persönlichen Eigentums das wich-
tigste Merkmal des neuen reformatorisehen Mönchtnms zu er-
blicken hat
So war von jetzt an der römische Stuhl fttr die Fortschritte
der Beform interessiert Zum ersten Mal wurde die Absicht
und die Berechtigung einer Propaganda ausgesprochen.
2. Reformthätigkeit Odos.
Burgund.
In dem Masse, als der weltliche Adel von dem tiefen
Geflihl der Sündhaftigkeit ergriffen, von dem Bewusstsein der
pimto prtievaricanturf concedimuSj tU, 8% quia monachus ex quolibet manasterio
ad vettram converaationem solo dumtaxat mdiorandae vitae stvidio Irans-
migrare voluerit, ctti viddicet awus abbas regulärem sumptwn ad depeUendam
proprietaiem habendi ministrare neglexerit, susdpere vobis liceai, quousque
monasterii sui conversatio emendetur.
0 Jaff6-L. nr. 3585 ; Neues Archiv XI, S79 : Forro si quis monachus
ex quolibet nwnasterio ad vistram conversationem solo dumtaxat mdio-
randae vidae studio transmigrare volueritj cui viddicet abbas suus regu-
lärem sumptum ad depellendam proprietatem habendi ministrare neglexerit,
swcipere vobis liceaty quousque monasterii sui conversatio ad regulärem
propositum reparetur. Zum Zeichen der römischen Schutzherrschaft sollen
alle fünf Jahr, wie von Cluni, 5 Solidi nach Rom gezahlt werden.
*) Jafifi6-L. nr. 3606. Im Kloster des hl. Benedict ist jenes Recht
schon UD 9. Jahrhundert uachzu weisen, Arch. hist de la Gironde V, 159.
72
Vergäoglichkeit des Irdischen und der Notwendigkeit, bei
Zeiten fUr das Seelenheil zn sorgen, erfasst wurde, fand Clnni
anter seinen Mitgliedern mehr and mehr Förderer. Nicht nar
die Bischöfe von Mäcon drängten Gefühle des Neides und des
Unbehagens, die sie etwa über die selbständige Entwickelang
der Abtei empfinden mochten, zarttck, auch die Grafen der
benachbarten Gaae beugten sich in Demnt vor der Heils-
wahrheit des Evangeliums und vor der siegreichen Kraft der
cluniacensischen Gebete. Graf Letald von Mäcon, der nach-
einander Ermengardis, Berta und Bichildis zur Ehe genommen
hatte, half in häufigen Schenkungen den Klosterbesitz ver-
mehren ^) und ebenfalls im Hinblick auf die Hinfälligkeit dieses
Lebens und die ewige Seligkeit entäusserte sich Graf Gauzfred,
wohl von Nevers, einzelner Besitzungen in den Gauen von
Mäcon und Antun. ^) Der Vicegraf Batburnus von Lyon blieb
hinter den Standesgenossen nicht zurück 3) und sein Nachfolger
Ademar gab wenigstens Angriffe auf cluniacensischen Besitz
auf, als er von dem besseren Rechte der Abtei belehrt wurde.^)
Besonders lebhaftes Interesse nahm das burgundische Königs-
haus an der kleinen Abtei an der Grosne.
Es ist da Adelheid, die Gemahlin des Richard Judiciarius
von Burgund, in den Vordergrund zu stellen. Um sie gruppieren
sich die verschiedenen Familien, war sie doch die Schwester
Rudolfs I. von Juraburgund, die Mutter Rudolfs von Frank-
reich, Hugos des Schwarzen und Bosos. Auch Willa, die Ge-
mahlin Hugos von .der Provence, des späteren Königs von
Italien, stand zu ihr in verwandtschaftlichem Verhältnis.^)
«) CHCL I, nr. 432 (April 935). 625 (März 943). 655 (Febr. 944).
680 (März 946). 728; II, nr. 976 (S.Mai 955?). 1044 (4. Jan. 958).
«) a. a. 0. I, nr. 446 (8. April 936). nr. 449 (Juni 936). 511 (Juli 940).
3) I, nr. 546 (1. Oct. 942). *) I, nr. 656 (28. März 944).
^) Nach Gingins-ia-Sarraz (Archiv f. Schweiz. Gesch. IX, 219) ist ihre
Herkunft unbekannt ; Chorier, Bist, de Dauphine I, 503 bezeichnet sie als
Tochter Rudolfs L von Burgund. L^art de v6rifier les dates kennt
sie nicht. Dass sie mit Adelheid verwandt war, zeigt ihre Erwähnung
in der Urkunde für Romainmoutier mitten unter den Verwandten. Es
kann wohl nur sie gemeint sein, obwohl sie hier regina heisst, ein Tit«l,
der ihr thatsächlich nicht zukommt, da sie starb, bevor Hugo König
wurde. Immerhin kann ein derartiger Anachronismus in mittelalterlichen
Urkunden nicht auffallen.
73
Zwar urknndet der König von Frankreich bereits am 9. Sept. 927
Air ODser Kloster, doch zeigt seine Matter Adelheid zuerst in der
Urkonde, durch welche am 24. Jani 929 die Abtei Romainmoatier
derLeitnng Odos ttbergeben wurde, ein bestimmt ausgesprochenes
Interesse ftLr die reformatorischen Bestrebungen Clunis.
Den Namen hatte das Stift, dessen Erbauer Chlodwig war,
angeblich yon Papst Stephan IL empfangen, der während seines
französischen Aufenthaltes hier abgestiegen war. i) Später war
die Abtei, wie yiele andere, durch die Bedrückungen des um-
wohnenden Adels zu Grande gegangen, bis sie im Jahre 888
durch König Rudolf I. von Burgund in den Besitz seiner
Schwester Adelheid gelangte.^) Die Gi^fin, welche nach dem
Grebraueh der Zeit sich als Aebtissin der in ihrem Besitz be-
findlichen Abtei bezeichnet, muss genauere Kenntnis yon dem
Wirken und Schaffen der cluniacensischen Brttder erhalten
haben. Odo wurde zur Reform des yerfallenen Stiftes aufge-
fordert und die Uebertragung am 24. Juni 929 yoUzogen. Die
Mönche yon Romainmoatier sollen in Lebensweise und Kleidung,
Enthaltsamkeit, hinsichtlich der Pflege des Psaimengesanges,
der Schweigsamkeit, Gastfreundschaft, gegenseitiger Liebe,
Demut und Gehorsam den Brttdern yon Cluni nacheifern. Sie
sollen mit diesen gleichsam nur eine Congregation bilden. In
der Hand des gemeinsamen Abtes soll es stehen, beliebig
Mönche aus einem der beiden Klöster in das andere zu ver-
setzen und ebenso den Besitz beider beliebig zu übertragen.
Das stärkste Band der Gemeinschaft erhofft; die hohe Stifterin
von der Bestimmung, dass auch die guten Werke und Gebete
der einen, den Wohlthätern der andern Abtei, speciell der
Gräfin und ihrem Hause, zu Gute kämen. Durch die Erwähnung
Bämmtlicher Familienmitglieder, deren Seelenheil durch die
Stiftung gefördert werden solle, wird diese zu einem Familien-
heiligtum erhoben. Adelheid hat ein starkes Vertrauen zur
cluniacensischen Zucht. Beide Klöster sollen stets unter einem
Abte stehen, gemeinschaftlich sollen die Brüder die Wahl vor-
nehmen, völlige Gleichheit wird zur Bedingung.^)
1) Cartnlaire de Romainmoutier ed. Gingins-la-Sarraz in den M6-
iDoires et documents de la Suisse Romande III, 417.
") a.a.O. p. 577; Hidber, Schweizerisches Urkiindenregister nr. 821.
*) CHOL I, nr. 379; Hidber nr. 1000,
t--'
74
Hugo der Schwarze teilte die Wünsche und Oeflihle der
Matter. Er war der Lehnsherr der Grafen von Macon. Letald
nennt ihn 951 , seinen Herrn, den berühmten Erzgrafen.* 0
Fast überall, wo am bargnndischen oder französischen Hofe
die Mönche von Glnni als Bittsteller erscheinen, widmet ihnen
Hugo seine Fürbitte und seinen Einfluss. Zuerst interveniert
er gemeinschaftlich mit der Königin Emma bei deren
Gemahl, König Rudolf von Frankreich, am 1. Juli 931.^)
Nachdem er dann nach einem Kampfe mit seinem Schwager
Giselbert, dem Nachfolger Richards im Herzogtum Borgund,
einen Teil dieses Gebietes gewonnen hatte 3) und in Folge
eines Krieges mit Ludwig IV. von Frankreich das Herzogtum
mit Hugo dem Grossen zu teilen gezwungen war^), bat er
am 30. Juni 939 König Ludwig, der Abtei Cluni alle ihre
Rechte und Besitzungen zu verbriefen. Damals wurde er von
Ludwig IV. — ein Zeichen der Versöhnung — als „unser ge-
treuer Hugo, Richards Sohn, der erlauchteste Mann und Mark-
graf" bezeichnet.^) Auch am Hofe seines Blutsverwandten,
Konrads von Hochburgund, findet er sich im Frühjahr 943
ein^), um fttr den Abt von Cluni zu intervenieren und vor
seinem Richterstuhl verzichtete Ademar von Lyon auf die
den Cluniacensern streitig gemachten Güter.'') Am 1. Juli
946 erscheint er dann wieder in nicht weniger als drei
Urkunden^) unter den Intervenienten bei Ludwig IV, naeh-
^) Baluze, Hist. de la maison d'Auvergne II, pr. 7. Vgl. auch a. a. 0.
pr. 6 (ürk. v. Sept. 987) und CHCL II, nr. 980.
») CHCL I, nr. 397. 898.
3) L'art de v6rifier les dates XI, 85.
*) V. Kalckstein, Geschichte dBs franz. Königtums unter den ersten
Capctingern I, 199.
'^) CHCL I, nr. 499 : fidelis noster HugOy filiu8 Ricliardif vir iüu-
strissitnus et marchio. Daraus geht deutlich hervor, dass Hugo der Schwarze
Markgraf war, was Gingins-la-Sarraz (Arch. f. Schweiz. Gesch. VUI, 91)
zu leugnen scheint Vgl. auch Bresslau, Jahrbücher Konrads IL, li, 85.
6) CHCL I, nr. 622. 627. 628 von März und April 943. Er ist jeden-
falls der Hugo comes et consangidneus noster. Das erste Mal wird nur
seine Anwesenheit erwähnt.
^) CHCL I, nr. 656 v. 28. März 944: S, Hugonis comitis et tnarchianis.
«) a. a. 0. I, nr. 688—690 (vgl. Bibl. Cluniac. coL 277); Kalck-
stein I, 256.
75
dem dieser nach dem Siege über seine Gegner ganz Francien
erobert hatte.
Aqnitanien.
Der Mittelpunkt des Herzogtums Aquitanien wechselte, je
Daehdem die Grafen von Auvergne, Toulouse oder Poitou die
Herrschaft über ihre Stammesgenossen gewonnen und den
Herzogtitel angenommen hatten. Zn Odos Zeiten war die
Äovergne, deren Grafenhause Wilhelm der Fromme angehörte,
das Centrum des geistigen und politischen Lebens.
Schon Iwrz nach der Gründung Clunis hatte der Herzog,
wie wir sahen, Gelegenheit, den Besitz der Abtei zu schützen.^)
Er bewies weiter seinen religiösen Sinn, indem er im Nov. 917
den Plan fasste, auf seinem Ailod Sauxillanges eine Kirche
zn bauen. 2) Da raffte ihn am 6. Juli 918 der Tod hinweg.
Sdn Leib ward in der Kirche von Brioude bestattet, eines
CanonikercoUegiats, dem er als Laienabt vorgestanden hatte.^)
Sein Neffe Wilhelm folgte ihm in den Grafschaften Auvergne,
Velai und Mäcon, während Graf Baimund von Toulouse die
Ihrkgrafschaft Gothien erbte. ^) Am 30. Sept. 918 tritt bereits
.Wilhelm von Gottes Gnaden Graf, Nachfolger Wilhelms des
Aelteren* als Abt von St. Julien de Brioude auf.^) Das Ghor-
herrenstift war damals in arger Verfassung ; Cleriker und Laien
hatten den geistlichen Besitz für Privatzwecke verschwendet,
bis am 23. Dee. 919 der jüngere Wilhelm, der sich jetzt Herzog
von Aquitanien nennt, durch eine Verordnung, nach der aller
Besitz gemeinsam bleiben solle, dem unerträglichen Zustande
ein Ende machte.*)
In politischer Hinsicht standen diese auvergnatisehen
Grafen zum Hause der Karolinger. Wilhelm II. hatte Händel
mit König Rudolf); als er dann am 16. Dec. 926 starb, er-
0 ». a. 0. I, nr. 192 v. SO. Oct. 913.
') Balaze, Bist, de la maison d'Auvergne II, pr. 12.
*) Vgl. das Register bei Doniol, Gartul. de Brioude u. oben S. 39.
*) Vaissette, Bist, de Langued'oc IV, 24 ff.
^) Doniol nr. 318; Baluze U, pr. 17.
*) Balaze H, pr. 18.
^ Woldemar Uppert, Gesch. des westfränkischen Reiches unter
KOaig Rudolf, Leipziger Dissert 1886, p. 29. 39. 57.
76
kannte anch sein Bruder Acfred das Königtum des Burgunders
nicht an. Er war empört über die Schmach, die Karl dem
Einfältigen zu Teil wurde. «) Nach Acfreds Ende 927 oder
Anfang 928 erfolgtem Tode nahmen die einzelnen Gebietsteile
eine mehr selbständige Entwicklung. Erst in dieser Zeit erfolgt
hier die Einwirkung der klösterlichen Reformbewegung.
Im 10. Jahrhundert gab es keine selbständigen Grafen von
Limoges, sondern nur Vicegrafen, die für die Herzöge von Aqui-
tanien die Verwaltung führten^); während der bischöfliche Stuhl
*) Vgl. Doniol nr. 89: anno tertio que (!) Karolus rex per infidoa
Francos dehonestatus est; nr. 107: anno primo regnante Bodulpho rege et
Carolo (!) in custodia tenente; nr. 315: anno quarto quo Francidae in-
honestaverunt regem suum Karolum et contra legem siM Bodulfttm in
regem elegerunt; nr. 327: anno quarto, quo infideles Franci principem suum
Karolum propria sede eocturbaverunt et Bodulfiim elegerunt, Boberto itUer-
fecto; CHOL I, nr. 286 (v. 927): apud Celsiniacas anno V, quod infideles
Franci regetn suum Karolum dehonestaverunt et Rodulfum in principem
elegerunt.
*) Delocbe, Etndes sur la g6ographie historique de la Gaule, et
sp^dalement sur les divlsions territoriales du Limousin au moyen age
in d. Mdmoires präsentes k PAcadSmie des inscript. 2 Ser. IV, 2. part,
p. 116 meint, seit etwa 861 wäre der Titel d. Grafen y. Limoges stets
mit der herzoglichen Würde v. Aquit. verbunden gewesen, lieber die
Vicegrafen von Limousin vgl. Deloche a. a. 0. p. 143; Pfister, Etudes sur
Robert le Pieux p. 273 ff. Es sagt allerdings Ademar III, 25, dass Wil-
helm, Ebals Sohn, Graf von Auvergne, Velai, Limoges und Poitiers wurde.
Was Velai und Auvergne betrifft, so ist das zunächst nicht richtig, da
die Grafsch. Velai dem Bischöfe v. Puy gehörte, wie wir weiter unten
sehen werden, in d. Auvergne Wilhelm aber erst Anfang der fünfziger
Jahre anerkannt wurde (CHCL I, nr. 825). Was die Grafschaften
Limoges und Poitiers angeht, so hatte er sie offenbar mit seinem Bruder,
dem späteren Bischöfe v. Limoges, gemeinsam. In einer Urk. für Ebalus
V. Limoges (Gallia christ. II, instr. col. 1 70) heisst es: pro quadam terra nostrac
dioeceseo8 in suo episcopio et coniitatu consistchte, dann col. 171 in d. Urk.
betreffs d. Restauration v. St. Maxentius nennt sich Eblo, cpiscopus
Lemovice civitatis et coincs Pictavonwn, annuente fratre ejus \yillelmo
duce Aquitarwrum. In einer Urk. f. d. Kloster St. Ililarius v. Poitiers
(Poitiers 942) gehen Ludwig IV. an : Guillelmus cotnes et marchio et frater
episcopus Kbohis etc. (IIF. IX, 595). Einer derartigen Gemeinsamkeit
d. Würden begegnet man bei Wilhelm Taillefer von AngoulSme und
Bemard v. Perigueux, von denen Ademar IIl, 23 sagt: conimuncm habuerunf
totum honorem eorum ipse et Bemardus consanguiifsus ejus. In der That
77
meist von Männern besetzt war, die selbst aus dem höchsten
Adel, mit diesem gemeinschafUiebe Interessen hatten. Zur Zeit,
als Odo die Klosterreform kräftig in die Hand nahm , zeigte
«eh auch in Aquitanien das Bestreben, die heruntergekommenen
geistlichen Stifter wieder in die Höhe zu bringen und nicht
das mindeste Verdienst, dass die cluniacensischen Principien
im Westen Frankreichs Anklang fanden, wird man dem Bi-
sehofe Turpio von Limoges, dem Oheim des Vicegrafen Robert
von AubuBBon, zusehreiben müssen. Es war eine alte Freund-
schaft zwischen ihm und Odo. Turpio hatte den wider-
strebenden Mönch zum Priester geweiht und, als er einst ttber
die Schlechtigkeit des Clerus klagte, zur Abfassung seiner
drei Bücher über Jeremias veranlasst 0 Eine tiefe Ueber-
einstimmung in der Beurteilung des Irdischen verband beide.^)
Wir finden beider Unterschrift einmal in einer Urkunde für
ein Canonikerstift in der Auvergne.^) Dass Odo Auch Turpios
Bruder Aimo nahe stand, wird von Ademar von Chabannes aus-
dTttcklieh hervorgehoben^): auf Aimos Aufforderung schrieb
jener das Leben des hl. Oerald von Aurillac Von Turpio
und Aimo, der damals Abt von Tülle war, wurde nun Odo in
Aurillac zum Abte erhoben.^)
Es hatten hier zuletzt zwei lüderliche Achte eine solche
Misswirtsehaft getrieben, dass beide Männer, trotz des päpst^
refoHDiren sie dann gemeinschaftlich St. Eparch bei Angonl^me und
Wilhelm schenkt a. a. eine Kirche in Periguenx (Ademar III, 24). — Die
Vicegrafischaft Limoges war übrigens erblich. Von Ademar, dem Sohn d.
Vicegr. Wido v. L., heisst es Mir. S. Bened. ed. Certain p. 136: Namque
Lenwvudnis nequaquam contenttts facuUatibuSf ex patema sM hereditate
iwt 8uppetentibu8,
») V. Od. I, c. 37.
*) Vgl. die AroDga einer Urk. Turpios Gallia Chr. II, instr. 167. Sehr
schlecht wird er übrigens in der Hist monast Userc. bei Baluze, Hist.
Tnt, coL 826 ff. beurteilt.
*) Urk. f. S. Vincentius de Cantella VII Kai. April a. ab ine. 936 ind.
Vif a. VIII regn, Ludov. Franc, etc., Gallia Chr. 11 instr. 6.
*) Commemoratio abb. S. Martialis Lemoy. bei Labbe I, 272: Hie
omiciHam habuit cum aancto Odone abbatej cui imsit edere vitam sancti
Qtraldi.
^) Chron. Anreliacense bei Mabillon, Vetera Analecta II, 349: Odo
tenerabüia abba» tercivs AwrüiacenaiB et Cluniaeenm rogatue a Twrpione
Lemovieenn epitcopo et ab Aimone TtUelenae abbate . .
I
J
78
liehen Sehutzes, den dieses Kloster seit seiner Grttndang ge-
noss, und obgleich Papst Johann XI. noeh dem letzten der
Aebte die Immunität der Abtei und die römische Schatz-
herrschaft bestätigt hatte, dem Treiben ein Ende zu machen
beschlossen. Odo setzte hier in dem Mönche Arnulf einen
Nebenabt ein^), d. h. einen Stellvertreter, der unter seiner
Aufsicht die gewöhnlichen Abtgeschäfte versah, die er nicht
selbst ttbernehmen konnte: er galt aber, wie in den anderen
Klöstern, wo er dieselbe Einrichtung traf, ofGciell als Abt und
unter ihm urkundete König Rudolf von Frankreich fttr die
Freiheit von Aurillae.^)
Gewiss hatte Odo seinem Freunde Aimo femer die Ueber-
tragung des von ihm geleiteten Klosters TuUe zu danken. Dasselbe
war nämlich auf Bitten des Vicegrafen Ademar von Turenne^),
der den Ort bis dahin in Besitz hatte, und mit Unterstützung
des Grafen f^bolus durch König Rudolf dem «sehr frommen Abte
Aimo** zur Restauration übergeben und dem Kloster St Savin
von Poitiers unterstellt worden. Als sich indes diese Unter-
werfung als nachteilig herausstellte, nahm Rudolf am 13. Dec.
933 dieselbe zurück und erklärte TuUe von jeder Herrschaft
frei. Damals muss Odo schon seit drei Jahren Aimo ersetzt
habend), und es ist bei der Tendenz, die in den chmiacensischen
Reformen überall hervortritt, nur zu wahrscheinlich, dass er
1) Chron. Aureliac. &. a. 0.: Kaimi coabbatem ArmUfum.
^) Chr. Anrel. a. a. 0. Bei Lippert, Rudolf v. Frankreich, fehlt
das Regest.
') Mit König Odo zerfiel die Grafschaft Limoges in drei Hanptteile,
zwei Vicecomitate des oberen und des unteren Teiles, und eine Mark-
grafschaft Die VicegiUfl. Gewalt im unteren Teil iibte seit der Zeit
Ademar aus dem Geschlecht der Herren von Turenne, selbst Burgherr
von Echelles, Baluze, Hist. Tutel, p. 17. 18.
*) Wir finden Odo im Juli des 8. Jahres und Mai des 9. Jahres
Rudolfs: tmde modemo tempore damnus Odo Ahhas wna cvtm norma mo-
nachorum ibidem Deo . . . praeessc videtur. Das 8. Jahr Rudolfs geht vom
13. Juli 930 bis 12. Juli 93t (vgl. Lippert p. 106). Ist die erstgenannte
Urk. b. Baluze, Hist. Tut. pr. 358 vor d. 12. Juli ausgestellt, so ist die
Jahreszahl 931, ist sie nach dem 13. ausgestellt, so ist die Jahreszahl 930.
Die Urkunden b. Baluze, Hist Tutel, pr. 353. In den Urk. v. 8. Jahre
(also 13. Juli 930 bis 12. Juli 931) b. Baluze p. 827 u. 340 ist Aimo noch
Abt. Irrtlimlieher Weise IKsst Baluze p. 26 Odo erst Abt von Tolle,
dann von Cluni werden.
79
den ändernden Beschlnss des Königs durchsetzte. Er hatte
aneh bereits Adacins zu seinem Nebenabt ernannt. Der Vogt
und Sachwalter des Klosters blieb noch Ademar, der anch mit
Erlaubnis des Abtes einen Teil des Besitzes behielt ; aber nach
semem Tode sollte dieser an das Kloster fallen nnd dieses
einen anderen Advokaten sich wählen dürfen, i) Adacins ge-
hörte za den Heisspomen der Reform^), er ist vielleicht jener
Priester Adacins, der im Jahre 930 mit seiner Mntter Eiminildis
fkir Tnlle nrknndete.^) Rndolf erwies sich übrigens der Abtei
weiter günstig: am 13. Sepi 935 verlieh er derselben die Bnrg
Uxellodannm in Qnierzy, deren Niederreissnng er befahl, da
sie den Klosterleuten lästig wurde. ^) Vor seinem Tode machte
endlieh der Vicegraf Ademar, der keinen legitimen Erben
hatte, eine grosse Schenkung an TuUe^), „fUr unsern KOnig
Rodulfus und unsern Lehnsherrn, den Grafen Ebalns, mit
deren Einwilligung wir das alles vollendet haben.*' Graf
Ebolus nnd sein Sohn Wilhelm unterschrieben die Urkunde.
Nun blühte das Kloster unter Adacins Leitung erfreulich. Der
Grundbesitz wuchs und der Ruf der Abtei stieg von Tag zu
Tage. Nicht nur wurde Adacins, dessen weitere Wirksamkeit
wir bald verfolgen, mit der Reform anderer Abteien betraut,
sondern aueh nach seinem Tode Jahrhunderte später war das
Ansehen des Klosters befestigt <^)
1) Bainze pr. 325.
*) Joh. vit. Odon. II, c. 1 2 : Ärchembaldta . . . Adelasiua, viri nempe
opinatissimi et miiUorum monachorum patres effecti,
*) Urk. Baluze pr. 327.
*) Lippert, Reg. 22.
^ Ans dieser Urk. b. Baluze, Hist. Tntel., pr. 333 und der
Rudolfe V. 933 ersiebt man übrigens: 1) dass Ebolus und Rudolf auch
nach 932, wo dieser jenem angeblich das Herzogtum Aquit. genommen
haben soll, einander durchaus nahe stehen, 2) dass er ilberall nur
Cornea heisst, woraus hervorgeht, dass er Herzog v. Aquit. nicht war,
3) dass er nicht Graf y. Auvergne u. Poitiers, wie Ademar sagt, sondern
TOD Limoges n. Poitiers war. Was die Anerkennung Rudolfs als König
betrifft, so sagt Lippert p. 29 mit Unrecht, in TuIle gehen die Urk. v.
6.— 15. Jahre Rudolfs. Allerdings hat eine Urk. pr. 351: a. VI. regn. Rod.
rege. Indes ist die Zahl sicher falsch, da sich d. Abt Adaeius, der erst
9S3 auftritt, damit nicht vereinigen lässt. Man hat wahrscheinlich XI
ni lesen.
•) Vgl. Balnze, Hist Tnt p. 81 ff.
80
AdaciuB warde nuD auch Abt in einem Stift, das einem
etwas anderen Kreise angehörte, dem der Grafen von Angoaleme
und Perigueux. Bernard von Perigueux war ein Sohn des
Grafen Wilhelm und ein Bruder Alduins von Limoges. Er
verwaltete dann mit seinem Vetter Wilhelm Taillefer, dem
Sohne Alduins von Angouleme, Angouleme und Perigueux,
während sein Schwager Ademar, der Bemards Schwester Sancia
zur Frau hatte, Graf von Poitiers war. Wilhelm und Bernard
folgten dem Zuge der Zeit, indem sie nach der Basiliea
St. Eparch wieder die Mönche zurückriefen und mit den Grafen
und Yicegrafen ihrer Territorien dem Kloster eine Schenkungs-
urkunde ausstellten.^) Bald nachdem Odo und dann Adacius das
Kloster Tülle übernommen hatten, beabsichtigte Graf Beniard und
seine Gemahlin Gersindis die Abtei Sarlat, die verfallen war,
einer gleichen Reform zu unterwerfen. Odo und Adacius
fUhrten auf ihre Aufforderung reformierte Mönche dahin. In
ähnlicher Weise wie TuUe wird Sarlat von jeder Hen-sehaft
losgesprochen und nur dem Könige zum Schutze anvertraut,
aber wichtig ist, dass bei jeder Abtwahl der Einfluss des
Abtes von Cluni gewahrt bleibt, durch die Bestimmung, dass
stets sein Rat und seine Einwilligung eingeholt werden mttsse.^)
Derselbe Graf Bernard von Perigueux hatte auch die Abtei
des hl. Sorus in Genouillac in Besitz. Da sie ebenfalls in
Verfall geraten war, entsagte er mit Zustimmung seiner Familie
seiner Rechte und wies das Kloster Adacius und dessen
Mönchen zu dauerndem Eigentum zu, bewilligte freie Abtwahl
und stellte das Stift ohne irgend welche Leistungen in den Schutz
des Königs.^)
In denselben Kreis von Klosterreformen gehört nun auch die
von Lezat, obgleich diese Abtei im Gebiete der Grafen von
Toulouse liegt. Aber einmal hatte Raimund Pontius mit ihr
nichts zu thun, andererseits finden wir unsern Adacius hier als
0 Adern. Ilist. III, 23 u. 24.
*) Urk.Bernards Gallia Chr. IT, instr. 495 a. Mab., An. Ben. III, 405 ff.:
«f videlicet ipsi et SHCcessores eorum tarn coenobinm giMtn totam abhatitan
sine Ulla contradictione teneant et possideant,
s) An. Ben. III, 419. Gedr. ist die Urk. b. Baluze, Hist. Tntel. p. 30.
(Vgl. auch p. 26.) and Archives histor. de la Gironde V, 171. Der Heraus-
geber weiss mit der Urk. nichts anzufangen and setzt sie c. 970.
81
Abt, 80 dass wir an dieser Stelle am besten von ihr reden.
Naeh dem Chartular von Lezat gründete sie der Vieomte Atto
Benedict von Beziers, während seine Frau Amalie, da beide
kinderlos waren, die Abtei Mas-6amier stiftetet) Er ist wohl
der Vicegraf Ato, der in Urkunden der Kirchen von Narbonne
und Beziers 937 2), 940 3), 942 4) erscheint und auch Ato Vetulus
deAmbiledo genannt wird.^) Wir finden Adacius 944 <^), 948^)
und Juli 949 in Lezat ^) Er hatte offenbar einen Nebenabt Daniel,
der im Febr. und April 945 nachweisbar ist^) Sein Nachfolger
— Adacius starb im Herbst 949 1^) — war Guarinus, der vielleicht
gegen Ende des Jahrhunderts noch am Leben war.^^)
Im Jahre 936 ward Aimo Abt von St. Martialis in Limoges,
in welcher Stellung er am 9. Mai 942 starb. ^^) Ohne Zweifel
war um jene Zeit St. Martialis cluniacensisch geworden;
wenigstens finden wir einen Freundschaf tsvertrag, den Odo
als Abt von Fleury im Februar 942 mit den Achten Aimo von
St Martialis und Gerald v. Solignac bei Limoges abschloss, des
Inhaltes, dass ihre Klöster eine Regel befolgen und als ein
einziger Verband angesehen werden sollen, was doch nur dann
yerBtändlich ist, wenn man annimmt, dass die beiden aqui-
tanisehen Abteien früher oder jetzt cluniacensische Institutionen
angenommen haben. Ja man kann mit einiger Sicherheit schliessen,
dass sie von Fleury aus, auf das wir zurückkommen, reformiert
worden sind. ^3)
') Hiat. d. Langued'oc IV, 586. «) H. d. L. V, nr. 64.
^ nr. 69. *) nr. 71. ») nr. 248. •) nr. 73. "O nr. 77.
•) Mab. An. Ben. III, 419. •) H. d. L. V, nr. 76, 1 und 2.
'^) Juli 949 ist er noch Abt v. Lezat; Nov. 949 ist bereits sein Nach-
folger Bemard Abt v. Tülle. Vgl. Br6quigny, Table chronoL I, 417.
'*) (Derselbe?) Guarinns ist nachzuweisen 961, 965, gegen 997 H. d.
L V, nr. 96. 102. 182.
*') Diese Zahlen ergeben sich ans der Commemoratio abb. S. Martialis.
Danach starb Wilhelm der Fromme im 19. Jahre der 20jährigen Regierung
des Abtes Fnlbert; da aber Wilhelm 918 das Zeitliche segnete, endete
Fulbert 919. Sein Nachfolger Stephan ist 17 Jahr Abt, also bis 936 und
xwir bis zum 14. Nov. Da nun Aimo 6 Jahre Abt ist und am 9. Mai
stirbt, folgt, dass sein Todestag der 9. Mai 942 war. Dasselbe Jahr wird ge-
sichert durch die Angabe, dass Turpio tertio post obitum eius anno gestorben
sei und da dessen Todesjahr 944 feststeht, kommen wir wieder auf 942.
") Epist. Floriac. fratr. b. Mab., Ann. Ben. ni, 427.
Saoknr, Climiaoenier. I. 6
82
In seiner Stellung als Abt von St. Martialis finden wir
Aimo dann mit unter denen aufgeführt, mit deren Einwilligung
und auf deren Rat Turpio die Reform von St. Augustin in
Limoges dem Abte Martin von St. Cyprian bei Poitiers Uber-
trug.i) St. Cyprian war Anfang der dreissiger Jahre durch den
Bischof Froterius erbaut worden^); in den letzten Tagen des
Jahres 936 hatte der Erzbischof von Tours, Odos Freund
Teotolo, die Weihe vorgenommen, wahrscheinlich in Odos
Gegenwart.^) Woher der erste Abt Martin stammte, wissen wir
nicht genau ; aller Wahrscheinlichkeit nach aber aus einem der
von Odo reformierten Klöster. Nun finden wir etwa von
936 — 942 nach Martin einen Abt Aimo hier 4): da unterliegt
es wohl keinem Zweifel, dass es der Bruder des Bischofs von
Limoges war. Die Vermutung nun, dass auch Martin Be-
ziehungen zu Cluni hatte, wird abgesehen davon, dass Turpio
und Aimo seine Gönner sind, dass Odos Freund Teotolo das
Kloster St. Cyprian weihte, um so wahrscheinlicher, als der
zweite Nebenabt des Martin in St. Augustin — der erste hiess
Richard — jener Adacius war, den wir bereits mehrfach zu
erwähnen hatten; zudem ist es nur zu wahrscheinlich, dass
der Bischof von Limoges, der gewiss keine Veranlassung hatte,
mit der Thätigkeit Odos und seiner Schttler unzufrieden zu
sein, geti'achtet haben wird, in den verschiedenen Klöstern
seines Bischofsitzes eine einheitliche Regel einzufl)hi-en.
Dürfen wir also vermuten, dass Martin den cluniacenslsehen
Reformatoren irgendwie nahe stand, so bietet sich ftlr uns
eine neue Perspective durch den Hinblick auf einige andere
Reformen, die von Martin ausgingen. Es handelt sich hier
um die Klöster St. Jean d^Ang^ly^) in Aquitanien und Jnmi^ges
in der Normandie. Ersteres, das einst in hohem Ansehen im
9. Jahrhundert, später schwer gelitten hatte, verdankte seine
Restitution dem Herzog Wilhelm von Aquitanien, dem Sohne
des Ebolus, der die Abtei besonders verehrte und beschenkte.
Ludwig IV. nahm sie ein Jahr nach der Uebergabe an Martin,
1) Vgl. Mab., Ann. Ben. III, 8flt.
») Cart. d. St. Cyprien ( Archives bist, de Poitou III, 1 874) nr. 3 (982—936).
») Cart. d. St. Cypr. nr. 4. Es findet sieb ein & Odonis auf d. Urk.
*) Cart. d. St. Cypr. nr. 184. 242. 290. 422.
^) Sandau, Saint- Jean d'Ang61y 1886 ist ftir uns wertlos.
83
am 7. Jaouar 942, in seinen Sehatz und bestätigte die von
Wilhelm den Mönchen gewährte freie Abtwahl, i) Von grösserer
Bedentang war Martins Einwirken in Jumiöges, weil wir hier
zun ersten Mal die Herzöge von der Normandie, welche sich
spater als besonders eifrige Begünstiger des Klosterwesens
erwiesen, fttr die Herstellung mönchischer Institute eintreten
sehen. Herzog Wilhelm hatte sich Martin mit zwölf Mönchen
durch seine Schwester, die Gemahlin Wilhelms von Aqnitanien,
kommen lassen und war nun so froh über ihre Ankunft;, wie es
heisst, dass er selbst den Oedanken hegte, die Kutte zu nehmen,
was ihm der Abt indessen auf das Entschiedenste untersagte. 2)
Das waren die Fortschritte, welche die Reform im west-
lichen Aquitanien machte; wir sehen die Grafen von Poitiers
und Limoges, AngoulSme und P^rigueux für sie eintreten.
Was den Osten des Landes betrifft, so stand er in der zweiten
Hälfte der dreissiger Jahre unter dem Einflüsse Raimunds
Pontius von Toulouse. Auch in kirchlicher Beziehung sehen
wir ihn an der Spitze der Bewegung; mit seiner Bewilligung
und auf seine Initiative ziehen die regulären Mönche in ver-
sehiedene Klöster des Landes siegreich ein.
Nach dem Tode Acfreds war die Grafschaft Auvergne
verwaist Der Herzog ernannte dem Sterben nahe die Vice-
grafen Robertus und Dalmacius und andere der auvergnatischen
Vieegrafenfamilie angehörige Edle zu Testamentsvollstreckern.^)
Indes erscheint wieder im November 930 Acfreds Bruder
Bemard hier als Graf *) In jener Zeit erheben sich die Vice-
grafen von Auvergne, Brioude und anderen Gauen zu grösserer
Bedeutung.^) Während Dalmacius, der, wie es scheint, Vicomte
') MabiUon, Ann. Bened. III, 417; Gallia Christ. IV, pr. 48; Chron.
S. Maxentii (Chron. des ^glises d'Anjou p. 379) ad a. 944: qtiod coenobium
ipse dux muÜwn diligebat et magnia honoribus ditaverat,
*) Guiilelmi Gemmetic. Bist. Nortmann. III, c. 7 u. 8 bei Duchesne,
Hist. Kortmann. SS. p. 286; Ordericas Vitalis ed. Prevost II, p. 8 u. 361;
Robert de Torigni ed. Delisle I, 16; II, 192.
') Balaze, Hist d. 1. mais. d'Auv. II, pr. 20. *) Baluze U, pr. 24.
') Wir finden gleichzeitig in der Auvergne mehrere Yicegrafen. So
unterachreiben die Urk. des Acfred für Sanxiilanges Robert, Dalmacius,
und zwei Wilhelm als Yicegrafen (Bai. II, pr. 21). Die zweite Gemahlin
Roberts I., Aldegardis, war die Tochter eines Yicegrafen Hucbert (Bai. 11, 39),
6*
84
von Brioude war, den Abttitel annimmt i), den er während der
Regierang des Wilhelm Capnt-Stnpae führt, gründet Robert I.
von Auvergne, dessen Vater Ostorgins, dessen Matter Asenda
waren ^), ein angesehenes Geschlecht. Er selbst hatte vier
Brüder 3), die in den anvergnatisehen Urkanden hänfig nach-
zuweisen sind, and von seinen beiden Frauen Adalgardis^)
und Hildegardis oder Aldegardis^), welche letztere ebenfalls
einem vicegräflichen Hanse entstammte, hatte er drei Söhne,
von denen der eine, Stephan, den bischöflichen Stahl von
Clermont bestieg, während Robert seinem Vater in der Würde
des Vicegrafen folgte. Wie sehr diese Familie im Laufe des
Jahrhunderts emporstieg, kann man daraas ermessen, dass
Roberts II. Sohn Wido Mitte der achtziger Jahre sich zum
Grafen erhob®) und in den Urkunden als „Unser Verteidiger*')
und „Fürst der Auvergnaten" ^) bezeichnet wird.
80 dass wir in diesen Vicegrafen Vertreter des Grafen v. Auvergne in
den verschiedenen Unterabteilungen zu sehen haben. Nun figuriert der
Viceg^f Dalmacius auch als Abt z. St. Julien de Brioude (Vgl. die Urk.
betreffs Chanteuge b. Baluze II, pr. 15), als welcher er dann regelmässig
in Urk. v. Brioude auftritt, so dass man annehmen muss, dass er als
Vicegraf die sonst den Grafen v. Brioude zustehende Würde bekleidet.
Nach Deloche p. 127 ff. sind unter der grossen Grafschaft Auvergne zu
unterscheiden mehrere Unterabteilungen, Comitate zweiter Ordnung, wie
er sie nennt: Brioude, Turluron, Tallende und Nonnette. Indes finde ich
im Cartul. de Brioude ed. Doniol Nonatensis nirgend als comitatus, son-
dern nur als vicaria bezeichnet und zwar als UnterabteUung der Comitate
Brioude und TaUende, so dass Nonnette wohl zu streichen ist. Vgl. p. lOff.
') Dalmacius abbas begegnet während der ganzen Herrschaft Wiih.
Caput Stupae v. 957—983 als Abt v. S. Julien. Vgl. d. Cart de Brioude.
«) Baluze II, pr. 27.
8) Baluze II, pr. 34. 35. Robert ist 916. 928. 927. 945. c. 950 nachzu-
weisen, Baluze II, pr. 34. 36 und CHCL. I, nr. 286 u. 792.
*) Sie begegnet zuerst am 17. Jan. 923 (Baluze II, pr. 36) B. datiert
aber falsch 922; der 17. Jan. fiel 923, nicht 922 auf einen Freitag. Ganz
verfehlt ist die Ansicht von Baluze I, 27, sie sei die Schwester des erst
962 geborenen Odilo von Cluni gewesen.
») Um 950, CHCL I, nr. 792. 962, Balnze II, pr. 35.
^) Bis c. 983 begegnet Wilhelm als Graf, Doniol nr. 299. Mai 980 ist
Wido noch Vicegraf, CHCL II, nr. 1525. In mehr. Urk. aus der Zeit Lothars
aber schon als Graf: Baluze II, pr. 41. 42; Cart. de Sauxillanges nr. 93. 340.
Mithin ist er c. 985 Graf v. Auv. geworden.
'') S, Widoni comitis defensoris noatri bei Baluze II, pr. 41.
«) princeps Arvemorum ebenda pr. 41.
85
Als Anfang der dreissiger Jahre Raimnnd Pontins den
benoglichen Titel von Aqnitanien annahm, befand er sieh mit
diesen anvergnatisehen Adelsgesehleehtern im besten Einklänge.
Es zeigte sieh das, als der Propst Cnnebert von St Julien
nach Beratung mit seinen Brüdern und dem Decan Hector
daran ging, statt des CanonikercoUegiats, das sein Vater Claudius
stiften wollte, ein Mönchskloster zu errichten. Denn man hatte
sich überzeugt, dass „bei der abnehmenden Liebesthätigkeit
UDd der immer höher steigenden Flut der Ungerechtigkeit
alle Ordnung der Dinge so verwirrt wäre, dass es unmöglich
sei, vollständig nach der canonischen Regel zu leben, daher
wenigstens die Unterstützung regulärer Mönche auf göttliche
Anerkennung rechnen dürfe.* Es zeigt sich nun, wie enge
Bande diese kirchlichen und weltlichen Kreise der Grafschaft
verband: Raimund „der Fürst der Aquitanier*', der Bischof
Amaldus von Clermont, der Abt und Vicegraf Robert I. und
seine Familie, der Adel des ganzen Landes wurde befragt
ond gab freudig seine Einwilligung zur Gründung der Abtei
Cbanteuge. Man beschloss die Ausführung Abt Odo zu über-
tragen; aber da er auswärts zu sehr beschäftigt war — um
diese Zeit, im Juli 936, wohl in Italien — wandte man sich
an seinen Schüler Arnulf von Aurillac. In der am 28. Juli 936
ausgestellten Stiftungsurkunde ') wurde den Mönchen nach
Arnulfe Tode freie Abtwahl und Freiheit von jeder fremden
Jurisdiction gesichert Am 5. Dec. 941 bestätigte Ludwig IV.
die Besitzungen des Klosters.^)
In gleicher Weise im Einverständnis mit Raimund Pontius^)
and dem anvergnatisehen Adel ging Bischof Arnald auf An-
drängen des Abtes Bemard an die Einftlhrung duniacensischer
Mönche in die Abtei St AUyre von Clermont, die zwar einen
Abt besass, indes ihrer alten Besitzungen beraubt, nicht mehr
emporkommen konnte. Auch diese Abtei behielt Odo nicht,
wir finden in derselben im Jahre 937 bereits Mancidius.
Woher dieser kam, ist ungewiss, indes scheint er wohl ein
Mönch ans Aurillac gewesen zu sein, wie wir überhaupt in
0 ürk. V. 28. Juli 936 b. Baluze XI, pr. 15.
«) H. de Langned. V, nr. 70,
>) GaUia Chr. H, 254 £.
86
diesen Gebieten, die von Baimnnd Pontius abhingen, die Sehnle
Arnnlfs reformatoriscb thätig finden.
So war es auch, als im Jahre 937 „der Primarch und
Herzog der Aqmtaner'^, wie sich Raimund Pontius nennt, mit
seiner Gemahlin Gersindis ein Benedictinerkloster St. Pontius
in seinem Erblande bei Narbonne zu errichten beschloss. Aus
Aurillac unter Abt Arnulf liess er einige Mönche kommen,
deren einer, Otgar, von mehreren Bischöfen die Abtweihe erhielt
Das Kloster wurde dem römischen Stuhl unterworfen und zum
Zeichen dafür ein fünfjähriger Zins von 10 Solidi festgesetzt.
Zur Weihe der Kirche kamen der Bischof Aimerich v. Narbonne,
die Bischöfe von Garcassonne, Beziers, Lodöve zusammen,
welche die Störer des klösterlichen Friedens mit dem Banne
bedrohten, eine Bestimmung, welche die Goncilsväter von Ausöre
bestätigten. Unter den Unterschriften der damals ausgestellten
Urkunde bemerkt man einen Odonus indignus abba, neben der
Unterschrift des Abtes Arnulf.') Es kann wohl kaum einem
Zweifel unterliegen, dass wir in ihm Odo von Gluni zu erkennen
haben. 2) Wir finden ttbrigens sein Signum — wie es scheint —
bereits in einer früheren Dotationsurkunde des Raimund Pontius
für Saint-Pons de Thomi^res vom Nov. 936. 5) In einer Urkunde
vom 4. April 939, in der Ludwig IV. es aussprach, dass die
Mönche in keines Richters Gewalt sein sollten, als der Rainmnds
und des Klosterabtes, erscheint Odo als alleiniger Abt 4) and
es ist daraus sicher zu schliessen, dass er, wie anderwärts,
die Oberaufsicht und die offizielle Vertretung sich auch in
Bezug auf St.-Pons vorbehalten hatte. Im August 940 befand
sieh der Abt von Cluni wahrscheinlich auf einer Synode von
Narbonne, wo Bischof Aimericus von Narbonne und Rodoald
von Beziers fUr Raimunds Kloster urkundeten. ^)
*) Hist. de Lang. V, nr. 65 § 176. S, Odonus indignus abbüf S. Amulfi
indigni abbatis.
^) Schon Vaissöte, H. d. L. III, p. ]20 hat die Vermutung ausge-
sprochen.
3) H. d. L. V, nr. 63 § 173.
*) H. d. L. V, nr. 65: ubi praeest domnus Oddo abba; Die Mönche in
keines Richters Gewalt: nisi ipsius Rainmndi et abbatis ejusdem loci.
^) H. d. L. V, nr. 69. In der Urk. des Aimericus ist Abt Odo unter-
schrieben; in der Bodoaids, sonst mit denselben Unterschriften: ein Abt
Eldo, Gewiss ist hier Odo zu lesen.
87
Sehen wir, wie Raiinand Pontius in der Aavergne Aner-
keoDang seiner Würde fand, so waren dagegen die gräflichen
Buchte von Velai bereits anter Herzog Wilhelm IL duroh König
Rudolf von Frankreich im Jahre 924 auf den Bischof von
Pay übergegangen, t) Das ist offenbar auch der Grund, dass
wir von einer Mitwirkung Raimunds bei der Wiederherstellung der
alten, ursprünglich königlichen, damals im Besitze des Bischofs
befindliehen Abtei St.-Ghaffre du Monastier nichts hören.
Bisehof Wido hatte dieselbe mit Hilfe Karls des Kahlen in
seine Gewalt bekommen^) und bis auf nichts heruntergebracht^)
Erst sein Nachfolger Godescalc unternahm es mit Zustimmung
des Grafen und Markgrafen Geilinus, in dessen Gebieten
Valence nnd Die die Abtei grosse Grnndliegenschaften hatte,
das Kloster, aus dem mit Verlust des Besitzes religiöses Leben
Tersehwnnden war, nach der Regel Benedicts zu reformieren.
Aach hier wandte man sich an Abt Arnulf von Aurillac, der
in dem Mönche Dalmatius, über den er die Oberherrschaft
behielt, sich einen Stellvertreter setzte. Gewisse religiöse
Uebungen fUr ihn, seine Nachfolger und die Abgeschiedenen
waren die einzigen Leistungen, die der Bischof den Mönchen
zur Pflicht machte.^)
Dalmatius verstand es, den Grundbesitz des Klosters zu
Termebren und dasselbe zu neuer Blüte zu erheben.^) Dass
er neben den geistlichen die praktischen Gesichtspunkte seiner
Gesinnungsgenossen teilte, lässt sich auch aus seinem Ver-
halten bei der Reform von Sainte-Enimie erkennen. In der
Absicht, diese Abtei auf ihren früheren Wohlstand zurückzu-
') Oallia cbr. II, instr. 221 : untversa, qwie ibidem ad dominium et
potestatem comitia hactenus pertinuisse visa sunt etc. . . . consentiente
fiddi nostro Guiüelmo coniite pro remedio animae ChuiUelmi avunculi sui
etc. . . lU mdlus comes^ aut judex publicus aut aliqtui aaecularis potestas
ihi audeat aliquam exactionem facere. Hier 923. — Dat. 8. April 924
H. d. L. V, p. 146 nr. 49.
«) ürk. V. 876 bei Chevallier, Chron. S. Tbeofridi (1888), app. p. 168.
^ VkI. Cbron. S. Theofredi c. 9 und Chartiil S. Theofr. c. 73 ed.
ChevalKer 1888, p. 9 u. 57.
') Vgl. die Urk. Gallia Christ II, instr. 259. 260; Mabillon, De re
diplom. I, 589; Chron. S. Theofr. c. 58 a. a. 0. p. 47.
') Vgl. Chron. S. Theofr. c. lü, p. 9; Chartul, S. Theofr. e. 74flF.
a. a. 0. p. 57— 6ü.
88
bringen, bat Bischof Stephan von Mende den Abt von St. Chaffre,
den Ort anter seine Herrschaft zu nehmen and regalare Brttder
anzusiedeln. Die Antwort, die der Abt. gab, ist sehr bezeich-
nend, da er sichere Bürgschaft daftlr verlangte, dass der Ort
im erblichen Besitz von St. Theofried bleibe and dass die
Aebte dieses Klosters völlig freies Verftlgangsrecht über die
Abtei der hl. Enimia hätten: er habe nicht Lust, sagte Dal-
matias, in fremden Angelegenheiten oder unter der Herrschaft
eines anderen zu arbeiten. Nach einigem Zögern entschloss
sich der Bischof zu diesem Zugeständnis. Als er nun gerade
mit Raimund Pontius und mehreren Clerikern eine Romfahrt
plante, schloss sich ihnen Dalmatins an, um zur grösseren
Sicherheit die Bestätigung der Uebertragung durch Agapit II.
zu erlangen. In Gegenwart zahlreicher Bischöfe und des
römischen Stadttyrannen Alberichs IL wurde dem Papst die
Sache vorgetragen und von diesem nach dem Willen des
Abtes geregelt. 1)
Von zwei Punkten aus hatte sich also die Reform vor-
nehmlich in Aqnitanien verbreitet, von TuUe und Aurillac.
Während Odo, nachdem der Grund einmal gelegt war, nur
noch vorübergehend persönlich eingriff, pflanzten zwei seiner
Schüler Adacius und Arnulf die Bewegung fort. Sie traten
nur als seine Stellvertreter auf, aber da die von ihnen refor-
mierten Abteien meist wieder eine selbständige Stellung be-
haupteten, entfielen die Fäden ihren Händen. Mit Cluni blieb
keines der Klöster, die damals sich wieder erhoben hatten,
in engerer Verbindung.
Nördliches Frankreich.
Während hier im Süden die Reform selbständig ihren
Weg von Kloster zu Kloster nahm, glückte es Odo auch im
Norden Frankreichs festen Fuss zu fassen.
Die Abtei Fleury, St.-B6noit-sur-Loire, teilte im 9. und im
Anfange des 10. Jahrhunderts das Schicksal der meisten fran-
zösischen Klöster. DieNormannen unternahmen mehrere Angriffe^)
1) Urk. Stephans v. S. Mai 951 in der Bist, de Langued V, nr. 80, § 91,
p. 211 ; ChartuL S. Theofr. c. 375 a. a. 0. p. 130.
3) Mirac. S. Bened. I, c. 34 ed. Certain p. 75; c. 41, p. 87; II, c. 2, p. 96.
89
anf das alt bertthmte, im Besiize der Gebeine des hl. Benedict
befindliehe Kloster, brannten und verwüsteten es, und zwangen
die Mönche zu verschiedenen Malen mit dem Heiligen zu
flüchten. Die Grossen des Landes, wie der Graf Odo von
Orleans 1), Hessen es an Bedrückungen nicht fehlen; entferntere
Besitzungen wurden die Beute der in der Nähe hausenden
Eriegsleute.^) Noch unter Lambert, der in den ersten Jahr-
zehnten des 10. Jahrhunderts die Abtei leitete, drangen die
Nonnannen auf dieselbe ein. Nach seinem Tode hatten die
Brttder eine Zeit lang gar keinen regulären Abi^) Sie waren völlig
yerweltlicht, die Gewohnheit des Fleischgenusses, den die Regel
90 verpönte, war fest eingewurzelt. Sie ritten auf Pferden
herum, verstanden mit allerlei Waffen umzugehen und verfügten
nach Belieben über den bereits verteilten Klosterbesitz. ^)
In dieser Zeit — es war um das Jahr 930 — war es
wieder ein Mann von hohem Adel, der eine Reform ins Auge
fasste. Graf Elisiernus^) hatte die Abtei von König Rudolf,
unter dessen Schutz sie stand, in Lehenbesitz erhalten^) und
wandte sich nun an Odo von Cluni mit der Bitte, hier refor-
matorisch einzugreifen. Ein besonderes Verdienst an der Reform
kam dem Herzog Hugo von Francien^) zu, ohne dass wir im
Stande wären, dasselbe genauer zu bestimmen.
1) Vgl. Mirac. S. Benedict! I, c. 20, p. 47.
^ II, c. 8, p. 99.
') n, c. 4: Äbbate Laniberto camis sarcina exonerato, aliqtiafUo
interiecto tempore . . . Odo . .
*) V. Odonis III, e. 8. 9.
*) So nennt er sich in einer Urk. fttr Flenry vom Nov. 942 bei
Mabillon, Ann. Bened. III, app. 659, während er in der V. Odonis Elisiardua
beisst; er hat zwei Kinder, einen Sohn Joseph und eine verheiratete
Tochter Elisabeth. In einer Urk. v. 29. März 945 Urkunden die Könige
Hogo und Lothar für einen Grafen Elisiardus und seine Gemahlin Botlindis,
Hist patr. Hon. XUI, 951.
*) y. Od. III, c. 8 : aiidiens infamiam horutn monachorumj praedictam
oibatiam a Rodulfo rege Francorum petiit et accepit, acceptamque patri
N08tro tradidit. Es ist anzunehmen, dass der Graf die Abtei schon in
Uhenbesitz hatte und nach Abt Lambert Laienabt von Fleury war.
') Vgl. die Urk. Leos VII. v. Jan. 988 für Fleury (J.-L. nr. 3606) : comperi-
»w, quod ßiu8 noster Odo venerabilis abbas in hoc monasterio et venerabilis
vir HugOj videlicet d%uc Francorum, ibidem nuper stabilienmt.
90
VoD AarillacOi wo er sich gerade aufhielt kam der Abt
Anfang der dreissiger Jahre in Begleitung einiger Grafen und
Bischöfe vor das Kloster. Vergebens verschanzten sich die
Mönche wie auf einer Burg und wehrten sich mit Wurfgeschossen
und Schilden — sie erklärten lieber sterben zu wollen, als
einen Abt sich aufdrängen zu lassen — ; vergebens brachte
Wulfald, der Unterhändler, päpstliche und königliche Privilegien
herbei, laut denen keiner von einer andern Congregation das
Recht habe, das Kloster zu leiten; vergebens waren die Aus-
wege, die sie planten, den König zu Hülfe zu rufen oder den
Abt zu ermorden: als Odo auf einem Esel angeritten kam,
als einige oben im Kloster ihn erkannten, und vielleicht auch
unter dem Zwange der Verhältnisse — gaben die Mönche
ihren Widerstand auf. 2) So kam Odo in den Besitz von
Fleury. Von einer wirklichen Umstimmung und Bekehrung
der Mönche konnte in der ersten Zeit keine Rede sein. Odo
hatte noch schwer mit ihnen zu kämpfen, da sie weder den
Fleischgenuss, noch das persönliche Eigentum aufgeben wollten,
und ihn durch die fortdauernde Verschleuderung von Kloster-
gUtern sogar in grosse Verlegenheit betreffs des Lebensunter-
haltes brachten.^) Odo weilte seitdem öfter in Fleury. Bis
auf seine Zeit hatte nach römischer Sitte der hl. Benedict in
einem Bleisarge unter einem gewaltigen Steinhaufen in der
Erde verborgen gelegen ; jetzt liess Odo, um die Hingebung der
Brttder für ihn zu heben, die Steine wegschaffen und in der
Höhe der Sarglage eine Grypta anlegen, über der er einen
Altar des hl. Martin, seines Schutzheiligen, errichtete.^) In
Fleury hielt der Abt eine später viel gerühmte, noch erhaltene
Predigt auf den hl. Benedict.*) Papst Leo VIL empfing die
^) Mirac. S. Bencd. II, c. 4. Auch die V. Od. III, c. 8 deutet an,
dass Odo von Aqaitanien kam. Der Aufenthalt in Aurillac bezeichnet
sicherlich den Zeitpunkt der Reform dieses Klosters. AuriUac erhielt
Odo jedenfalls vor 933 (vgl. oben S. 78) ; ferner wissen wir, dass von Fleury
aus die Beform bereits 934, wenn nicht früher, nach St. Evre in Toul kam.
£s folgt daraus, dass man die Reform von Fleury an den Anfang der
dreissiger Jahre zu setzen hat.
«) V. Od. m, c. 8. ») V. Od. III, c. 9.
*) Mirac S. Ben. VIII, c. 16, p. 275.
^) Mirac. S. Ben. ü, c. 4 ; Aimoini Sermo in festivitate S. Bened.,
bei Johannes a Bosco, Bibl. Floriac. p. 290; vgl. Haur6au, Singularit^s
91
Knnde von der Reform mit grosser Freade. In der Urkunde,
in der er dieselbe im Januar 938 bestätigt, spricht er die
Ueberzeugang aus, dass, wenn in jenem Kloster, das gleichsam
Haupt und Anfang, die religiöse Diseiplin wieder blühe, auch
die Übrigen wie die Glieder desselben Körpers sich wieder
erheben würden.^)
Das Kloster ward lediglich der Herrschaft des Königs
unterworfen und uncanonische, simonistische Erhebung des
Abtes verboten. Es ist bemerkenswert, dass Odo damals die
Reform noch keineswegs fUr gesichert hielt: der Papst bedroht
diejenigen Mönche oder andern Personen, welche durch Störung
der Abtwahl, Verletzung des Besitzstandes und Hemmung der
TOD den neuen Brüdern befolgten klösterlichen Lebensweise
sieh hinderlich und gegnerisch erweisen, mit dem Anathem.
Es wird auf die Gemeinsamkeit des Besitzes der grösste Wert
gelegt Mit Bttcksicht darauf, dass mitunter Mönche in einigen
Klöstern darüber klagen, dass sie weder selbst ohne persön-
liches Eigentum bestehen können, noch andere, die es zu haben
wünschen, zu bessern im Stande sind, bestimmt der Papst auf
Odos Anregung, ähnlich wie früher fUr Cluni und D^ols, dass
denen, die ihr Leben bessern und in jenem Kloster studieren
wollten, die Erlaubnis von ihren Aebten erteilt würde, und zwar
80 lange, bis in ihren Abteien die religiöse Ordnung wieder
beigestellt sei. Um dieselbe Zeit wohl richtete Leo VU. an
die Erzbischöfe Teotolo von Tours, Gerunco von Bourges,
Gerlan von Sens und Artald von Reims ein Schreiben, worin
er über den Umsturz der menschliehen Ordnung und den
Untergang der der Religion geweihten Orte klagt, sich mit
der Geistlichkeit selbst der Vernachlässigung der religiösen
Pflichten beschuldigt, und schliesslich die Erzbischöfe auffordert,
die Angreifer des Besitzes von Fleury zu excommunideren.^)
Hatte Odo, wie wir sahen, bei der Durchführung der
Reform in Fleury mit Schwierigkeiten zu kämpfen, so hinderte
histor. et iitt^r. p. 171. — Sie ist gedruckt Bibi. Cluniac. col. 138; Bibl.
Floriie. p. 258; Migne, Patrol. lat. 138, 721.
*) J.-L. 8606; HF IX, 220: Spes nobis inest j qula^ si in illo coenobio,
T^ t9t qtiaai caput ac principium, observantia religiosa refioruerit, cetera
^rcwm^mqtie poHta quasi membra convtüescant.
') Archives bist, de la Gironde Y, 152; J.-L. nr. 8610.
92
das doch nicht, dass eben in dieser Zeit ein Mönch von Fleury
von Odo znm Abt von St. Pierre-le-Vif in Sens erhoben wnrde:
einer Abtei, die eben erst im März 937 bei dem grossen Einfall
der Ungarn verwüstet worden war, nachdem Abt Samson mit
den Mönchen die Reliquien in die Stadt gerettet hatte. ^) Als
sich Alles wieder beruhigt hatte, verlangten die Brüder vom
Bischöfe die Rückgabe ihrer Heiligen nnd obgleich dieser sich
anfangs weigerte, so setzten sie ihren Willen doch durch. 2)
Auf Samson, der bald darauf starb, folgte Odo, der im Ein-
verständniss mit dem Erzbischof Wilhelm und den Mönchen
der Abtei einen Floriacenser, Arigaud, vorsetzte. Kurz nachher
segnete Wilhelm das Zeitliche, am 14. August 938.^)
Das letzte der nordfranzösischen Klöster, das durch Odo
seiner Bestimmung zurückgegeben wurde, war St. Julien in
Tours. Auch dieses Kloster hatten die Barbaren stark mit-
genommen. Fast hundert Jahre ruhte hier mönchisches Leben,
da bei dem Verlust aller Güter niemand bis auf Erzbischof
Teotolo an die Wiederherstellung der Abtei dachte.*) Den
ersten Schritt dazu that Teotolo, ein ehemaliger Mönch von
Cluni, indem er fttr die Sicherheit des Stiftes alle Rechte be-
stätigen liess, teils selbst neu verbriefte und noch im Jahre
933 einen Nachtrag machte, als er bemerkte, dass über ein-
zelne Dinge, die Farochialrechte der Abtei und gewisse Ein-
künfte, Bestimmungen fehlten.^) Im Jahre 937 <^) beschloss er den
1) Chron.S.PetriVivib6iDuru,Bibl.hi8t.derYonnelI,482f. Hier wird
anscheinend die Zerstörung ins Jahr 938 gesetzt. Was soll sich nicht aber alles
in der Zeit bis zum 14. August 938, da der Erzbischof starb, ereignet haben !
Der Abzug der Ungarn, die Rückkehr der Brüder, die Weigerung des
Erzbischofis, die Reliquien wieder zu geben, die Berufung Odos. Da der
Ungameinfall sonst 937 bezeugt ist, gehören auch die das Kloster be-
treffenden Ereignisse in dieses Jahr.
») Odoranni Translatio S. Saviniani bei Dum II, 356—360 : Migne 1 42, 789.
») Chron. S. Petri a. a. 0. ; Arigauds Nachfolger sind Dachelm und
Archengarius.
*) Brevis bist. S. Julian! Turon. bei Salmon, Chroniques de Touraine
p. 222 : monasterium aiUem sancti Juliani usque ad tempora . . . vocutun
monachali officio mansit; vgl. Pfister, Etudes sur Robert le Pieux, Docum.
in6d. nr. VI, p. LH.
B) Urk. in der Bibl. de Töcole des chartes 1885, p. 389.
•) Brev. bist S. Jul. a. a. 0. p. 223.
93
Wiederaaf bau ; es ist selbstverstftndlieh , dass keinem andern
als Odo die Reform anvertraut wurde. Teotolo selbst, ein
durchaus reformatorisch gesinnter Mann, stattete allein und in
Gemeinschaft mit seiner Schwester Gersindis seine Neugrttndung
mit Grundbesitz reichlich aus^); noch vor der Vollendung des
Baues schenkte Hugo der Grosse von Francien der Abtei
einige Güter und im April 940 gaben die Chorherren von
Si Martin, zu denen sowohl Teotolo, als Odo einst gehört
hatten, Grundbesitz ab.^) Bereits bei Beginn des Baues
strömten vornehme Cleriker und Laien, von der Bewegung
ergriffen, herbei, um sich Gott zu weihen. 3) Wahrscheinlich
Anfang der vierziger Jahre griff Odo hier ein ; von Fleury aus
kam er nach Tours. *) Unter der Gunst des Erzbischofs blühte
das Kloster auf; als Odo von seiner letzten Romreise heim-
kehrte, fand er bereits über vierzig Mönche vor.^) Die Weihe
der Kirche, die erst am 17. August 948* erfolgte <^), erlebte er
nicht mehr.
Odo in Italien.
In Italien hatten sich im Laufe des 9. Jahrhundert noch
entsetzlichere Zustände als in Frankreich herausgebildet.
Bereite um die Mitte des Jahrhunderts befand sich der Clerus
auf dem Wege der Verweltlichung ; die Wahl der Landgeistlichen
war vielfach in den Händen des Laienadels, der seine Crea-
tnren zu Seelsorgern erhob, um dann mit ihnen gemein-
sehaftiich die Kirchen ihrer Einkünfte zu berauben.^) Mit
Bistümern und geistlichen Aemtern wurde ein wahrer Handel
getrieben, bei der Gewissenlosigkeit, welche als die Folge der
0 Vgl. die Urk. v. Aug. 941 ii. April 943 ebenda p. 397. 401. 407;
Brev. bist. a. a. 0.
*) Mabillon, Ann. Bened. III, app. p. 657.
*) Brevis bist. S. JuL a. a. 0.; vgl. Bibl. de T^ole des chartes 1885
(Bd. 46) p. 392. 398.
*) Br. bist p. 225 : qui tunc apud sanctum Benedictum tnorabattir.
*) Br. bist S. JuL a. a. 0.
*) Br. hist. S. Jul. a. a. 0.; Cbron. Turon. abbrey. bei Salmon p. 184:
941. Abbatia S. Jidiani Turonensis aedificatur. Seine Nachfolger waren
(Georgias und Ingenald.
^ CapituL episc. Papiae edita (845—850) c. 4, Gapit. reg. Franc. II, 82.
Ö4
fortwährenden Kämpfe unter den Prätendenten und der Ungarn-
and Sarrazenenverwttstang überall sieh geltend machte. Von
freier Wahl des Glerus und Volkes war nicht mehr die Rede.
Kinder wurden auf die Bisehofssttihle erhoben und ihnen mit
Mühe die Antworten eingedrillt, welche sie auf die canonischen
Fragen zu geben hatten. Die Kirehengüter verflogen in alle
Winde. Selbstversföndlich ruhten die regelmässigen Versamm-
lungen des Glerus. Die Simonie wurzelte gerade in Italien
so tief ein, dass man allmählich verlernte, ein Vergehen darin
zu sehen. 1)
Während die vornehmen Laien, die ihre Privatkapellen
in der Nähe ihrer Paläste hatten, den Besuch der Pfarrkirchen
aufgaben und damit den Ermahnungen der Prediger sich ent-
zogen^), teilten Bischöfe und niedere Geistliche die scurrilen
Freuden des schaulustigen Volkes, pflegten das Waidwerk und
andere vornehme Vergnügungen und huldigten den Genüssen
einer leckeren Tafel. ^) In einer unerhört üppigen Lebensweise
untergruben die hohen geistlichen Herren ihre Sittlichkeit^),
während die Domcleriker mit ihren Mädchen oder Frauen auf
Kosten des Pfründengutes ein unregelmässiges, anstössiges,
mitunter auch ärmliches Hauswesen führten.^)
Ebenso gewissenlos und frivol, als unwissend war zeit-
weise diese Geistlichkeit Mangel an Schulen und Geld,
Willkür in der Besetzung der Kirchenämter, welche auf eine
gediegene Vorbildung keinen Wert legte, roher Materialismus
hatten den gleichen Anteil an dem Verfall geistlicher Bildung.^)
0 Vgl. Schultz, Atto V. Vercelli, Götting. Dissert 1886; A. Dresdner,
Kultur- und Sittengeschichte der it&l. Geistlichkeit im 10. u. lt. Jahrh., S.51 ff.
') Capit. episc. Pap. c. S.
>) Karoli II. Capit. Pap. (876) c. 10, Capit II, S. 102; Synodus Pap
c. 3. 4, p. 117; Maassen, Eine Mailänder Synode vom Jahre 863, Wiener
Sitzungsber. 49, 306, c. 6.
*) Ratheri Veron. Opp. ed. Ballerinii, Praeloqu. V, 6. 9. 10. 11; vgl.
Vogel, Rather v. Verona I, 43flF.; Schultz, Atto v. Vercelli S. 40 ff.; Werner,
Gerbert v. Aurillac S. 11—17; Reuter, GescL der religiösen Aufklärung
I, 73 ff.; Dresdner, Kultur- und Sittengesch. S. 362 ff.
*) Ratheri Sermo XI ed. Ballerinii col. 639 ; Lib. de nuptu cniusdam
illicito col. 427; Synodica col. 412 ; vgl. Dümmler, Anselm der Peripathetiker
p. 8 n. 2; Schultz, Atto S. 46; Dresdner S. 317.
«) Vgl. Dresdner S. 174 ff.
95
Ebenso unchriBtlich als heidnisch, wussten sie eher von den
heidnischen Göttern, als von der Bedeutung des Sonntags.^)
Heidnische Gebräuche und Erinnerungen lebten noch aller
Orten ^); seltsame anthropomorphistische Irrlehren tauchten unter
dem Clerus auf. 3)
Die Klöster befanden sich in dieser Zeit in keinem
besseren Zustande, als in Frankreich. Schonten die eigenen
Bischöfe Mönchs- und Frauenklöster ihrer Sprengel bereits im
9. Jahrhundert nicht, so machten die Sarrazenen fast ttberall
einem geordneten Elosterwesen ein Ende. Die Mönche ver-
liessen mit ihren Schätzen und Reliquien, wenn sie sie nicht
vergruben, die Abteien, suchten im Ganzen *) oder in einzelnen
Trupps an verschiedenen Orten eine Zuflucht^), wo sie ent-
weder dem Feinde zum Opfer fielen, oder in gelockerter Zucht
verweltlichten.«) Die Besitzungen lagen verwüstet, verwahr-
lost Wo nicht die Grossen sich wie Raubvögel auf das
verlassene Kirchengut gestürzt hatten, war doch die ansässige
Bevölkerung gelichtet oder verschwunden, so dass jede Boden-
bestellung aufhörte.^) Was die Sarrazenen an Gebäuden mit-
unter verschont, fiel christlichen Marodeuren, die hungrig das
Land durchstreiften, zum Opfer. ^) In der Not wurden Abteien,
wie Monte Gassino, S. Vincenzo am Volturno, Peschiera von dem
Landadel abhängig, indem die Kachlässigkeit der Achte die Ver-
schleuderung des Kirchengutes beförderte. Hier und da erhoben
sieh zwar im Anfang des zehnten Jahrhunderts schon wieder
Klöster zu neuem Leben; es fehlte nicht an wohlmeinenden
Aebten, die sich mit Eifer an die Wiedereinbringung des verlorenen
0 Vgl. Batheri Synodica col. 409. 410. 4 18.
>) Vgl. Dfimmler, Anselm S. 7 n. 38 ; Schultz, Atto S. 45 ; Dreadner
S. 26.3 ff.
>) Rstheri Veron. sermo II. de qnadragesima, col. 593. 596.
*) z. B. die Cassinenser.
») z. B. Destr. Farf. c. 3, SS. XI, 534.
«) V. Job. Gorz. c. 20, SS. IV, 342: aed et vix in ipsa Italia midie-
batur, in qt40 regtUaris vitae diligentia servaretur; Odo wird von s. Schiller
JobaDDca gefragt: 9% taniMm intra Italiae fines moimisticus ordo corruisset
(V. Od. m, c. 1).
') Vgl. Chron. Vultiim. bei Muratori, SS. rer. Ital. I, b, 418.
«) Destr. Farf. c. 3, SS. XI, 533: accidit, ut quidam latrunculi
ehriatianif qui kiic iUttcqtie diacurrebant inopiae causa, ihi devenirent noctu.
96
Besitzes machten. Aber der Mangel an Arbeitskräften^) ftlr
die Bewirtschaftung und die immer sich wiederholenden Un-
fälle, die Ueberzahl der Schlechten und Gewaltthätigen ver-
hinderte eine stete gedeihliche Entwickelung. In Monte Gassino
scheint um das Jahr 930 nur noch eine kleine Schaar gerade
Spuren eines regulären Lebens bewahrt zu haben ^), während
die grössere Zahl der Brüder auf den Rat des Abtes Johannes
einer Einladung der capuanischen Fürsten nach Gapna gefolgt
war. Atenulf und Landulf schalteten jetzt frei im Patrimonium
des hl. Benedict, während unter der milderen Luft von Gapua
die klösterliche Disciplin sich lockerte und die Mönche ihre
Gelübde arg vergassen.^) In Farfa hatten sich die Mönche
vor den Sarrazenen in drei Abteilungen geflüchtet: erst Baffred,
den König Hugo eingesetzt haben soll, begann den Wieder-
aufbau der Abtei und bemühte sich, den alten Besitzstand
derselben wieder zusammenzubringen; seine Ermordung durch
Campo und Hildebrand machte auch dieser kurzen Blüte von
Farfa ein jähes Ende.^) In Subiaco hatten die Sarrazenen
arg gehaust; mit allem beweglichen Eigentum des Klosters
waren die Urkunden sämmtlich ein Raub der Flammen ge-
worden.^) Die Abtei am Voltumo war durch die Sarrazenen
ebenfalls in solche Bedrängnis gekommen, dass die Mönche
zufrieden waren, als die Fürsten von Gapua ihnen ein Terrain
zum Klosterbau übergaben.^) Um nur in den Besitz von Geld
zu gelangen zur Vollendung des Baues und Loskaufung der
1) Chron. Vultum. a. a. 0.
*) y. Johannis Gorz. c. 25: cumque ipsis servis Dei aliquod dies
renun-atus sancti propositi (im Text falsch praepositi) vestigia, que ibi
nonnuUa supererantf curiosüis exploravit. Wohl unrichtig ist, wenn
Johannes Biograph die Abtei ^ congregatione monachorum frequentem' nennt;
es können damals nur einzelne Mönche sieb in dem Stammkloster aufge-
halten haben, da der Abt mit den Brüdern, wie wir wissen, in Gapua
lebte. Oder sollte der Besuch Johanns noch vor die Uebersiedelung zu
setzen sein?
3) Epist. Agapiti II. ad Landulfnm bei Gattula^ Hist. abbat. Cassin.,
Venetüs 1738, I, 190; Migne 133, 913; Tosti, Storia della badia di Monte-
Gassino, Napoli 1842 t 143.
*) Destr. Farf. c. 5.
») Urk. Leos VII. v. 11. Juli 936, Regist. Subiac. n. 17.
ö) Ghron. Vultum., Muratori I, b, 408.
97
in sarrazenische GefangenschafI; geratenen Brüder, wurde
lebendes und totes Inventar zu jedem Preise auf Emphyteuse
aosgeliehen. Auch hier folgte im Anfange des 10. Jahrhunderts
eine allmähliche Erholung. In trostloser Lage waren die
römischen Klöster in der Zeit, in der eine Theodora und
Marozia Rom und den römischen Stuhl beherrschten; es ist
begreiflich, dass für die römischen Abteien nichts geschah.
Dann erhob sich Alberich, Marozias Sohn, zum Stadttyrannen :
,er war zu schrecklich", sagt ein römischer Mönch ^); , schwer
lastete sein Joch auf den Römern und auf dem heiligen
apostolischen Stuhl/ Weltliche und geistliche Gewalt riss er an
sich im Patrimonium Petri ; höchstens nach aussen gestattete er den
Päpsten einige Freiheit.^) Die Klöster hatte er völlig in seiner
Herrschaft. Die Güter waren im Besitz seiner Dienstmannen ^),
oder von dem benachbarten Landadel weggenommen worden.^)
Die Gebäude waren verfallen, nur in wenigen mochten über-
haupt noch Mönche in karger Lebensweise, roher Unbildung^)
nnd wilder Regellosigkeit <^) ihr Dasein Fristen; in anderen
waren gewiss Chorherren''), wie so häufig, an ihre Stelle
getreten.
In dieser Zeit kam Odo nach Rom. In dem Königreiche
Ludwigs des Blinden hatte sich nach dem Tode seines Vaters
Theobald Graf Hugo solches Ansehen zu erwerben gewusst,
dass er die erste Stelle an der Seite des Königs einnahm.^)
Seinen Kämpfen gegen die Sarrazenen, welche im Streite
') Benedict! Chron. c. 32, SS. III, p. 716.
') Vgl. Gregorovius, die Münzen Alberichs, des Fürsten und Senators
der RiSmer, Müncbener Sitzungsber. Phil.-bist. Gl. 1885, p. 27—45.
*) Benedicti Chron. c 33, SS. III, 716: et rebus ecclesiarum in hassa-
Mico a fidelibus prindpis fuerat concessa,
') ib.: rebus vero monasteriorumj que ablata erant dtidum a pravis
hominibus.
*) Das zeigt die Sprache Benedicts.
•) Bened. Chron. c. 33 : tnaocime servitot'e^ huiw monasterii cama-
littr rivant; Destr. Farf. c. 7: ad regulärem reducet'e normam, quam
(oniserafU in vastatione praedicta paganorum; für St. Hellas in Nepi vgl.
Job. V. Od. III, c. 7.
0 Ans einer dieser Abteien, vielleicht St. Paul, brachte er den
Ctnonicus Johannes nach Cluni.
*) Gingins-Ia-Sarraz im Arch. f. schweizer. Gesch. IX, 115.
Saokar, ClnniMMiiMr. I. 7
98
der Parteien von der einen ins Land gerufen worden waren 0
nnd sich in den Jahren 912 — 920 naeh den Seealpen und den
angrenzenden Gebieten gestürzt hatten, ging ein reger Eifer
für die Wiederherstellung der Klöster, welche unter den Ver-
heerungen am meisten gelitten hatten, zur Seite. ^) Inzwischen
intrignierte er in Italien; seine verwandtschaftlichen Verbin-
dungen mit den Herren von Toscana und Ivrea, das Wirken
seiner Mutter nnd seiner Schwester bei den italienischen
Grossen und Bischöfen, die gedrückte Lage der Päpste unter
der Herrschaft Alberichs und namentlich Johanns X. Be-
günstigung unterstützten ein Unternehmen, das ebenso gewagt
war, als es Macht und Ruhm versprach. Im Jahre 926 empfing
Hugo die italienische Königskrone. Durch die Heirat mit
Marozia, welche den römischen Stuhl beherrschte, verstand er
seinen Einfluss in Rom zu sichern.
Erst in der folgenden Zeit ist er, so viel wir wissen,
einige Male für Cluni eingetreten. Im Juni 932 vereinigte er
seine Bitten mit denen des Abtes, um von Johann XI. die
Bestätigung des Besitzstandes von Cluni zu erwirken.^) In
derselben Urkunde überwies der Papst an Cluni die Abtei
Charlieu, die von Johann VIII. am 12. Juli 878 in den päpst-
lichen Schutz aufgenommen worden war*); vermutlich hat man
vorzüglich in dieser Uebertragung einen Erfolg seiner Fürsprache
zu erblicken. Zwei Jahre später nrkundeten Hugo und sein Sohn
Lothar zu Gunsten unserer Abtei, der sie die Höfe Savigneux und
Ambörieu überwiesen.*) Sie gingen selbst den römischen Stuhl mit
der Bitte an, jene Schenkung mit den dazu gehörigen Kirchen,
Ländereien, Weinbergen, Häusern, Feldern, Wiesen und Weiden,
Obst- und Fruchtgärten, Brunnen, Quellen, Bächen u. s. w. zu
bestätigen. <^) Und wieder sehen wir die beiden Könige für
^) Liutprandi Antapod. I, c. 4.
») St. Peter in Vienne: Urk. Hugos v. 914 in HF IX, B89: ff u*
ipse locus in pristinimi quondam statum et nionachorum habitatione^n
penitusposset restitui et reforrnari . . . libentissimo reddidi animo; Romans:
Arch. f. Schweiz. Gesch. IX, 127; St. Andr6-le-Bas, das er 920, Dec. 23
beschenkt, Forsch, z. D. Gesch. X, 32S; vgl. auch Chorier, Hist. de
Dauphine I (1878) 552 ff; 5Ü3.
3) J.-L. nr. 3568 v. 25. Jnni 932; Bibl. Clun. p. 2.
*) J,-L. nr. 3175; N. Arch. XI, 473.
») CHOL I, 417, «) J.-L. nr. 3598.
99
Odo bemüht, als Leo VII. im Januar 938 die Freiheit Clunis
Yon jeder weltliehen Herrschaft, sowie die freie Abtwahl in
einer Urkunde verbriefte: »aus Liebe ftlr unsere Söhne "*, wie
der Papst sieh ausdrückt, ,,die Könige Hugo und Lothar, die
wie wir vernommen haben, jenen Ort sehr begünstigen.*^ i)
Inzwischen hatte die Entzweiung mit Alberich, dem Sohne
der Marozia, den König im Jahre 932 genötigt, die Stadt zu
yerlassen, in der sein Stiefsohn von nun an Alleinherrscher
war. Rachedürstend sann er darauf, sich wieder in den Besitz
Roms zu setzen. Er rückte vor die Stadt und indem er das
umliegende Gebiet verheerte, bedrängte er Alberich einige
Jahre vergeblich durch fortwährende Angriflfe.^) Wann Odo
damals nach Italien kam, ob ihn einer der beiden Gegner
oder der Papst mit der Friedensvermittelung beauftragte, oder
ob er ans freien Stücken, nur um den Frieden herzustellen
vnd die Stadt von der feindlichen Bedrängnis zu befreien,
mh der Aufgabe unterzog, Alberich und Hugo zu versöhnen,
wissen wir nicht. Beide Parteien, von denen die eine Mangel
an Nahrungsmitteln und Pferden litt, die andere durch die
Belagerung schwer geschädigt wurde, mochten das gleiche
Interesse am Frieden haben. Ungewiss ist aber, ob Odo um
die Beendigung des Krieges im Jahre 936 verdient war*), der
damit absehloss, dass Hugo seine Tochter Alda dem Gegner zur
Ehe gab, selbst aber auf den Besitz Roms, sei es freiwillig,
sei es gezwungen, verzichtete.^)
Immerhin sehen wir Odo damals zum ersten Male in Rom
f&r die Reformsache wirken ; seit dieser Zeit fasst die Reform
festen Fuss auf römischem Gebiet. Es ist sehr bemerkenswert,
') J.-L. BF. 8605 ; Bull. Clun. p. -I : deinde etiam pro dilectione filiomm
«osfromm, videlicet regum Hugonis atque filii ipsitis Lothariij qni locum
ipsum, ut audivirmiSj multum fovent.
*) Liatprandi Antapod. III, c. 45; IV, c. 2; Flodoardi Ann. 933:
fl«^ rex Ttaliae Roniam obsidet.
*) V. Od. II, c. 9: Tempore praeterito dum Romuleam urbem ob
inimidtiam AWerici iam fati prificipis praedictus Hugo rex obsideret,
coepii tue intra extraque discurrere, et pacis concordiaeque monita inter
Htrosque disneniinare, quatenu8 posnet fwoi-em praedicti regis uedare et
praedictam urbeni tiieri a tanta obsidi&ne. Die Belagerung dauerte drei
J&hre; in welche Zeit Odoa Verhandlung fällt, wissen wir nicht.
*) Liutprandi Antapod. IV, c. 3; Flodoardi Ann. 9S6.
7*
100
dass gerade Alberich, der die Päpste jeder politischen Sorge
enthob, die Bestrebungen Odos so lebhaft begünstigte. Das^
er es lediglich aus religiöser Gesinnung gethan habe, fällt
einer Natur wie der seinigen gegenüber schwer zu glauben.
Vielmehr wird ihn bei der Rückgabe von Kirchengut und der
Beförderung der Reform auch die Absicht geleitet haben, die
auf den Klostergütern hausenden Barone und seine eigenen
auf Klosterländereien sitzenden Dienstmannen, die ihm schliess-
lich nur selbst gefährlich werden konnten, zu vertreiben und
dem wüsten Raubgesindel vor den Thoren Roms und in der
Campagna^) die friedliche Culturarbeit frommer Klosterbrüder
entgegenzusetzen. So viel scheint immerhin sicher, dass er
und nicht etwa die Päpste, die nur auf seinen Wink handelten,
die Reform ins Leben riefen. Er, der Schreckliche, .begann
ein Pfleger der Klöster zu sein'' 2), sagt in seiner naiven Aus-
drncksweise ein ungebildeter Mönch von St. Andreas. Und
Leo VIL, der allerdings ganz in seiner Gewalt war, nennt ihn
einmal 3) «den barmherzigen Albericus, unsern geliebten geist-
lichen Sohn und ruhmreichen Fürsten der Römer, der getroffen
durch die Reue des Herrn feurigen Sinnes allen in heiligen
Orten Gott Dienenden selbst dient.*'
Eine ganze Anzahl unter römischer Herrschaft stehender
Abteien wurde unter Mitwirkung Odos neu aufgebaut, wieder-
hergestellt und von der Regel ergebenen Klosterbrüdern be-
siedelt Es wird uns berichtet, dass Alberich den Abt von
Cluni zum Oberabt über sämmtliche römische und Rom be-
nachbarte Klöster gesetzt habe.^) Diese Thätigkeit des Abtes
*) Beispiele in Joh. V. Odonis II, c. 9. 10. 19. 20; Od. Coli. U, c. 29.
Die Räuber müssen ein ganzes Gebiet oceupiert haben, von dem aus sie
Ausfalle machten. Vgl. V. Od. II, c. 20 : Her haben» mxta praedomwn fines.
') Benedicti Chron. c. 33.
3) Urk. V. 2. Aug. 937 im Reg. Sublac. nr. 16, p. 45; Iffitttr quia
tnisericors Albericus conpu7ictu8 domini conp%mctione, noster dilectus spiri-
tualis filius et gloriosus princeps Bomanorum cognovimi4S , illum ardenti
aninio otnnibus sanctia in locis diligenter Deo sennentibm desetTire et
indigenti largifluam ad cenovii tUilitatetn copiam prevere,
♦) Destr. Farf. c. 7, SS. XI, p. 536: Ut de Gaüia faceret venire Oddonem
aanctum abbatetn, qui tunc temporis Clunia4:iim gtibemabat monasteri%wn,
quod lAsque hodie viget in religione ; et eum archimandritam constituit
super euncta ntonasteria Eomae adiacentia.
101
Ton Clani, der fast jährlich seitdem nach Rom kam, ist in
den einzelnen Fällen chronologisch meist nicht mehr festzu-
stellen.
Das erste römische Kloster, das seine Einwirkung erfahr,
scheint St. Panl gewesen zn sein. Die Reform desselben wird
bald Alberich t), bald Leo VII. and seinen „ Ständen ''^) zage-
schrieben; aber Leo handelte ja nur im Einverständnis mit
dem Stadtherm and hatte vermatlich mit Odo unterhandelt,
der im Sommer 936 seine Reise antrat. Noch im Juni desselben
Jahres weilte er bei seinem Freunde Adhegrin, der noch
immer in der Einsiedelei ein kärgliches Dasein fristete, um
sich Rat zu holen. Damals berichtete Adhegrin über eine
seltsame Vision des hl. Martin, der ihm am 19. Juni, demselben
Tage, an dem Ludwig IV. von Frankreich zum König gesalbt
wurde, erschienen war. 3) In St. Paul, wo Odo von jetzt ab
wohl alljährlich weilte^), wurde einer seiner Schüler, Balduin,
znm Abt erhoben.^) Alberich Oberwies dem Abte von Cluni
auch seinen Palast auf dem Aventin, in dem er selbst geboren
war, zur Stiftung eines Klosters <^), dessen Abt ebenfalls
0 Benedioti Ghron. c. 33.
*) Joh. V. Od. I, c. 27: Ante hoc fere quinquennitMn dum pater
Odo Eomam pergeret, %d monasterium intra ecclesiam beatissimi PaiUi
apostolif ut olim fuerat^ reaedificarety cogente domno papa et universis
ordinibus sacrae sedis . . . Ueber die Reform auch Dest. Farf. c. 7:
Monasterium in sancto Pmdo maiore tutic ordinavit.
') Allerdings wird I, c. 27 nicht ausdrücklich gesagt, dass Odo in
demselben Jahre da war. Der Sinn der Erzählung ist aber der, dass der
hL Martin dem Eremiten am Rrünungstage Ludwigs erschienen sei und
ihn aof das betreffende Ereignis aufmerksam gemacht habe. Dann heisst
es weiter: Ad probandam tarnen kuiua rei fidetn adfuit pater Odo fide-
Imimwi arbiter, qui dietn illum et horam annotari iiissit et ita postmodum
omnia diligenter requirens facta reperit, ut ipse praedixit Das hatte
nur einen Sinn, wenn es unmittelbar nach der Vision geschah. Dazu kommt,
dass Adhegrin alle Sonn- und Festtage nach Cluni kam; er würde also
Odo die Vision längst erzählt gehabt haben, wenn man die Reise wegen
des ante hoc fere quinquennium 938 setzen wollte mit Rücksicht darauf, dass
Johannes im Jahre 943 schrieb. Wie das fere andeutet, war der Autor
über den Zeitpunkt nicht ganz im klaren.
*) 940: V. Od. 11, c. 22; 942: V. Od. II, c. 21.
*) II, c. 21. 22; vgl. Destr. Farf. c. 7; Leo Ost. I, c. 58; II, c. 1.
•) Destr. Farf. c. 7: suamque donium propriam, ubi ipse natus est,
Homae positam in Aventino monte concessit ad mofi^erium construendwn,
102
Baldnin wurde 0; hier erhob sich die Abtei St. Maria, in der
später die Aebte von Clnni, vermatlich wegen der hier vor-
handenen geeigneten Räumlichkeiten, regelmässig abstiegen.
Andere römische Abteien, die Odo reformierte, waren St. Lorenz
ausserhalb der Stadtmauer im Osten und Santa Agnete eben-
falls im Osten der Stadt. 3) Von einigen anderen von Alberieh
ins Werk gesetzten Reformen wissen wir, ohne von Odos
Tbätigkeit unterrichtet zu werden, die doch zweifellos überall
anzunehmen ist
So erfolgte in dieser Zeit die Beform des römischen
Klosters St. Andreas^) auf dem Glivus Scaurus, dessen Güter
Vasallen des Fürsten als Lehen in Besitz hatten, während die
Mönche ein wenig ehrbares Leben führten. Zum Abt erhob
Alberich Leo, der zuletzt Arzt und Priester an der Kirche
St. Philipp und Jakob gewesen war. Alberich restituierte der
Abtei den alten Besitz mit den Klöstern St. Silvester und
St. Stephan in Mariano, während Leo St. Andreas mit Festungs-
werken und Türmen befestigte und auch ausserhalb Roms
Grundbesitz erwarb. In Nepi hatte das Kloster eine Gelle
des hl. Gratilian, eine andere in Rom unweit der Kirche
St. Apollinaris. Auf dem Scaurusberge errichtete der Abt in Ver-
bindung mit seinem Kloster eine Kirche der hl. Jungfrau; er
restaurierte endlich die Kirchen des hl. Andreas an der Tiber
quod tiaqiie ad praesens stare videttMr in honore safictae Mariae . . ; 942 in
Aventino monasterio fxiit nach V. Od. II, c. 21. Das Kloster liegt auf dem
westlich nach dem Flusse abfallenden Abhänge des Berges.
*) Destr. Farf. c. 7 : Ihi denique praeposuit discipuluM suum vcfiera-
bilern abbateni Balduimim. Vgl. V. Od. II, c. 21.
*) Destr. Farf. c. 7; Bened. Chron. c. 33: Aedificavit niofiastenum
sa^icti Laurentii tn agro Verano et mo7iasterium sancti Pauli apostoli,
rebus vero fnonasteriorum que ablata erant dudum a pravis honiinibuSj
restituit, Benedict nennt Odo gar nicht; er weiss nur von Alberichs
Bestrebungen. Da wir nun bei einer Anzalil der von ihm genannten
Abteien von Odos Tbätigkeit wissen, so werden wir mit Recht sie auch
da annehmen können, wo eine anderweitige Bestätigung zufällig fehlt.
3) Das folgende nach Bened. Chron. c. 33. Von Johannes wird die
Abtei V. Od. II, c. 9 erwähnt: Interea quadam rfic, dum iuxta tnonaMerittm
beati Andreae apostoli iret, qtwd Ad'Clivimi'Scauri dicitnr ex nomine . . .
Wir werden um so eher geneigt sein, Odos Beteiligung an der Reform
anzunehmen.
103
nod St. Angelo auf dem Monte Grifianello. Damals verdankte
aach die von den Sarrazenen eingeäseheii;e Abtei Sabiaeo
Älbericbs Anregung ibre Beform. Am 11. Jali 936 erneuerte
der Papst die verbrannten Privilegien, bestätigte Besitz nnd
Rechte und sprach seine Absicht einer Wiederherstellung des
Klosters aus, „ftir welches auch die irdische Liebe des er-
lauchten Mannes und seines inniggeliebten getreuen Alberich
in der Glut himmlischer Liebe entflammt sei.*" ^) Am 2. August
937 sprach Leo der Abtei das Castell Subiaco^), am 9. Febr.
938 das Kloster auf dem Monte Gelio^), beidemal wieder auf
Intervention Alberichs zu. Im nächsten Jahre bestimmte der
Papst wieder Güter ftlr die Wiederherstellung des Ortes und
den Unterhalt der Mönche.^) Noch in demselben Monate, im
Mai 939, gewährte er die Erlaubnis, für sacramentale Hand-
langen einen beliebigen Bischof dem römischen Stuhl vor-
zuschlagen. ^) Und zwei Jahre später, am 25. Juni 941,
arknndeten bereits die Könige Hugo und Lothar im Kloster
der hl. Agnes vor der Stadt flir Subiaco. *) Wie sehr Alberich
wirklich die Landbarone und Dienstmannen in Schranken hielt
and die Klöster schützte, erhellt aus den Beschwerden der
Mönche von Subiaco, welche im Mai 958 über die Unbilden
klagten, die sie seit dem Tode des Herrn Alberich durch die
Bargmannen von Subiaco litten.') Damals war die Abtei
mächtig und reich ; neben dem ausgedehnten Grundbesitz
standen die Klöster der hl. Barbara und des hl. Erasmus unter
dem Abte von Subiaco. 967 werden die Abteien S. Angelo
und St. Michael am Sangro neben anderen Gellen als Depen-
denzen aufgeführt.^) Vielleicht ist der Abt Leo, der Subiaco
bis 959 leitete, identisch mit dem gleichnamigen römischen
Abt von St Andreas auf dem Scaurusberge, den Alberich
seitdem besonders protegierte.
*) U regesto Sublacense ed. L. Allodi e G. Levi, Roma 1S85 n. 17,
p. 46: ubi etiam amor magnifici viri ac dilectisainio nostro fideli Alberici
CQfykdifi ardore flagraturj tarn eius subgeatio^iij quamque et twatrCy
clementie, vigilanti animo . . . J.-L. 3597.
*) Ibid. n. 16, p. 43. ^) ib. n. 24, p. 63.
*) ib. n. 19, p. 52: pro restauratione eittsdem sancH loci et fnibsten-
tatüme monaclwrum. Ürk. v. 27. Mai 939. J.-L. 3619.
») n. 23, p. 62. 0) jj 1^ p. 3. 7) n. 20, p. 54.
*) Urk. Ottos L V. 11. Januar 967, II reg. Snblac. n. 8, p. 4.
104
Sieher bezeugt ist OdoB persönliehe Wirksamkeit bei der
Beform des St. Eliasklosters in Nepi, wo auch die Mönche
vom Scaurusberge Grundstücke hatten. Odo ordinierte hier
einen seiner Mönche Theodoardus zum Propst, der mit den
Brüdern, die am Fleisehgenuss festhielten, bitter zu kämpfen
hatte.*) Und ebenso wird uns von einem allerdings vorläufig
vergebliehen Versuch Odos, in Farfa Wandel zu schaffen, be-
richtet. Hier führten Campo und Hildebrand, die Mörder des
Abtes Ratfred, eine wahre Schandwirtschaft, der eine verhei-
ratet im Kloster, gevnssenlos Abteigttter verschleudernd und
seine Familie damit versorgend, der andere auf fetten Pfründen
mit Söhnen, Töchtern und Dirnen vom Klosterbesitz zehrend. ^)
Während nun nach der einen Nachricht Farfa von Älberich
dem Abte vom Andreaskloster unterstellt wurde ^), ordnete
nach der anderen Odo seine Mönche nach Farfa ^) ab, um dem
Treiben Campos ein Ende zu machen. Natürlich jagte der
Besuch dem biederen Abte einen nicht gelinden Schrecken ein ;
man erzählte, er habe in seiner Wut die Absicht gehabt, die
fremden Brüder in den Betten mit Messern umbringen zu lassen.
Wie das Verhältnis zum Kloster des hl. Andreas aufzufassen
ist, ist sehr zweifelhaft; man wird an Versuche, von dort aus
*) V. Od. III, c. 7: Eodem quoque tempore concessit nobis iam prefattis
Älbericits princepa monasterium sancti Heliae, qui Subpentonia dicitur . . .
Uo8 quo8 ibi repperimus nwnachoSf i\on quibamus eos si^trcüiere ab esu
carnis. Ordmarit auteni pater noster in eodetn cenobio prepositum unum
ex 7W8tri8 fratribus nomine Tfiex)doarduni. Die Reform dieses Klosters
scheint 940 erfolgt zu sein, da Johannes im c. 6, an das er die Erzählung
anschliesst, von seiner und Odos Trennung gesprochen hat, die damals
erfolgte.
ä) Destr. Farf. c. 5. 6. Vgl. über Campo den Catal. abbat. Farf.
SS. XI, 586; II regesto di Farfa di Gregorio di Catino edd. Giorgi e
Balzani, III (Roma 1883) n. 407, p. 85. — Ueber Hildebrand Catal. abb.
a. a. 0.; Reg. Farf. n. 406, p. 84. Vgl. Jung, Forsch, z. D. Gesch.
XIV, 426. •
^) Bened. Chron. c. 33: Addens eis nwnasteriumj qui diciturÄcutianum,
qiii est in more sancte Dei genitricis setnperque virginis Marie territorio
Savinense. Erat cnim quedam Campo abbas in hunc mo7ia8teriOf cum
fratribiLS suis, liibricosns suis corporibus. Ita Leonem in suis regimcn
erexit duobv>8 annis. Leider wehrt sich die Rohheit des Lateins gegen
jede genaue Wortkritik.
*) Destr. Farf. c. 7.
105
in Farfa Ordnnng zu schaffen, zu denken haben. ^ Sret im
Jahre 947 2) warf Älberieh Gampo ans Farfa herans, indem er
hier Dagibert von Camae ab Abt einsetzte, jedenfalls einen
Mann, der vollständig der reformatorischen Richtung angehörte.
Freilich banste der eine der beiden Spiessgesellen noch lange
auf Abteigtttem and trotz der Bemühnngen Alberichs, die von
Hildebrand entrissenen Besitzungen wieder beizubringen, gelang
es erst im Jahre 971 ^), nachdem auch Dagibert 952 durch Qift
geendet hatte, den alten Sünder zu beseitigen.
Lässt sich auch Odos Wirksamkeit nicht bei allen diesen
Reformen bestimmt nachweisen, so berechtigt doch seine
Stellang zu Alberich, das Ineinandergreifen der einzelnen
Factoren und die Berichte der Quellen auf einen bedeutsamen
Einflass seinerseits zu schliessen, namentlich wenn wir an-
nehmen, dass ihm Alberich die Oberleitung aller römischen
Abteien anvertraut habe. Dazu kommt, dass von jetzt ab
zahlreiche Urkunden Leos VII. für seine enge Verbindung mit
dem römischen Stuhl und seinen Einflnss auf denselben zeugen.
Vielleicht war es schon auf der ersten Reise, als ihm der
Papst zwischen dem 1. Sept. 936 und dem 31. August 937 mit
Berufung auf das Rechtsverhältnis, in welchem Cluni zum rö-
mischen Stuhle stand, in drei verschiedenen Urkunden die Höfe
Savigneux und Amb^rieu — diese auf Intervention der Könige Hugo
and Lothar — ferner die Gurtes Escutiola und Gaviniae bestätigte,
Besitzungen, welche wohl besonders angefeindet und deshalb von
Leo gegen Belästigungen energisch in Schutz genommen wurden.^)
Im Janaar 938 war Odo sicher persönlich wieder in Rom. Er
erhielt vom Papste eine Urkunde ftir Gluni^), in welcher die
Freiheit der Abtei von jeder andern, als der päpstlichen
Herrschaft verbrieft, das Wahlrecht der Mönche und die
Immunität der Besitzungen, namentlich der Gharlieus bestätigt
wurde. Ebenso Hess er sich die Rechte und Besitzungen von
*) Vgl. Giorg], U regcsto di Farfa, Archivio della societa Romana
di Btoria patria II (1879), 418.
») Destr. Farf c. 8; Reg. Farf. III, n. 408, p. 85.
») Durch Otto L; Reg. Farf. III, n. 426, p. 97.
*) J.-L. 3598 — 3600; quod iuri satwtae Ronianae atque apostolicae
ecclesiae nobisque subiectum est.
») J.-L. 3605.
106
D^ols von neuem Bichern nad ia dieselbe ürkande die Be*
stimmang anfnehmen, dass nach seinem Tode ein Abt gewählt
werde, welcher die früher getroffenen Einrichtungen in gött-
lichen, wie menschlichen Dingen aufrecht erhielte, die gemein-
same Lebensweise bewahre und den Brüdern nach Kräften
mehr zu nützen, als über sie zu herrschen strebe.^) Nicht
minder sorgte Odo fttr Fleury; am 9. Januar stellte ihm der
Papst die obenerwähnte Urkunde aus und sicher in derselben
Zeit erliess er das Schreiben an die Erzbischöfe von Tours,
Sens, Bonrges und Keims, welches den Schutz und die
Sicherheit des floriacensischen Besitzes bezweckte.^) Ein
Brief, der teilweise an dieselben Kirchenfllrsten, aber auch an
viele andere gerichtet ist und sich auf die Sicherheit des
eben durch Arnulf, vermutlich den Schüler Odos, reformierten
Klosters St. Maria di Bipoll bezieht^), düi-fte nicht weniger
dem Einfluss Odos zu verdanken sein. Ganz zweifellos war
er es aber, der den Papst zu einem Schreiben an Herzog Hugo,
den Abt von St. Martin *) in Tours veranlasste. Nachdem nämlich
die Chorherren von Si Martin in die Stadt verlegt worden
waren, hatte das Kloster von dem Zulauf von Weibern nicht
freigehalten werden können. Auch die Ummauerung des
Stifts namentlich zum Schutz gegen Feuersgefahr hatte nach
der angedeuteten Richtung nicht nur nichts genützt, sondern
die Sache noch verschlimmert, da bei der Nachlässigkeit der
Pförtner die Frauen um Wasser zu schöpfen in den Burghof
eindrangen oder nach Belieben ein- und ausgingen. Odo hatte
an diesem Uebelstande solchen Anstoss genommen, dass er ihn
in einer um diese Zeit, wahrscheinlich im Jahre 937 gehaltenen
Predigt über den kurz vorher erfolgten Brand von St. Martin
in Tours zur Sprache brachte.^) Da der Papst eben in dem-
selben Monat, in welchem er so oft für Odo urkundete, in ganz
ähnlichen Wendungen als dieser sich an den Abt von St. Martin
») J.-L. 3603. 5. Jan. Gedruckt Neues Arch. XI, S. 3S0 : qui consue-
ttidines a prioribus histitutas tarn in divinis actibus, quam et in hunianis
plenarie conservetj ut siciU dictum est, c(fnimuniter vivat et fratribiiSj prout
poturritj prodesse magis qiuim praeesse st^ideaf.
s) Siehe oben S. 91.
3) J.-L. 3611. *) J.-L. 3604.
ß) Vgl. Excurs IL
107
mit der Forderong, dem Unwesen ein Ende za machen, wandte,
unterliegt es keinem Zweifel, dass Odo den apostolischen
Vater hier inspirirte. Ganz seiner Einwirkung entspricht das
Lob, das der Papst in der Urkunde dem hl Martin und seinem
berttbmten Collegiatstift zollt, indem er schliesslich bemerkt, dass
der Ort, an dem der hl. Martin ruhe, yon alters her nicht
nur beim gewöhnlichen Volke, sondern auch bei den erlauch-
testen Königen und Fürsten Gegenstand grosser Verehrung
war, „wie einige von Euch aus persönlicher Kenntnis wissen/ ^)
Da uns genau dasselbe Odos Biograph Johannas, der es von
Odo selbst hatte, erzählt, so kann über den Gewährsmann des
Papstes ein Zweifel nicht mehr obwalten.
Hinter allen diesen Urkunden — so ziemlich den einzigen,
die Leo VIL in dieser Zeit ausstellte — steckt also e i n Mann,
nämlich Odo. Zugleich aber tritt in ihnen der Schmerz des
Papstes über die unglücklichen Zeitereignisse, seine Freude
ttber die Beform einzelner Abteien'^), das Bewusstsein seiner
Pflicht, nach Kräften Schutz zu gewähren, das Gefühl für die
Notwendigkeit einer rührigen Propoganda in einer Form hervor,
die nmsomehr zwingt, überall an Odos persönliche Einwirkung
zu denken, als der Papst meist sich auf glaubwürdige Berichte
direkt berufte) nnd wie in der Urkunde fllr St. Maiiiin auf
Lebensumstände unseres Abtes unzweifelhaft anspielt. Man
wird daraus ermessen, wie sehr wahrscheinlich Odo als der
wirkliche Urheber der von Leo VII. und Alberich unterstützten
Reform anzusehen ist, nicht nur als das Werkzeug oder der
Berater dieser beiden.
Gelegentlich dieses Aufenthaltes in Bom, Anfang 938,
nahm er, wie ich glaube^), aus einem der ihm übergebenen,
zuletzt von weltlich lebenden Chorherren bewohnten Stiftern
*) Nam et ipse sacer locwtf ubi quiesdt, in magna reverentia etmm
ob aiUiquis dichte non solum apud vulgares, sed et apud exceUentissintos
Ttgt» ac principea fuit, sicut nonnulli vestrum videndo 8ciu7it.
*) In einer Urk. fllr Orleans (J.-L, 3607; N. Arch. XI, 382) bemerkt
er: dum venerabilia loca ad melioreni statum noatro faefint amtniniculo
ftparata.
•) So: sicut certa verissimaque relatione coniperimus in d. Urk. fllr
Flenry u. S. Maria di Ripoll; ut enim audimmits in der Urk. ftir Tours.
*) Vgl. Excurs I,
108
den CanoDieus Johannes mit Üb nach Pavia. Er übergab ihn
hier dem Prior Hiidebrand >) von Gluni zur weiteren Äusbildang,
während er selbst kurze Zeit von König Hngo in der Abtei
St Peter Ciel d'oro aufgehalten wurde, höchst wahrscheinlich,
um sie zu reformiren oder doch mit seinem Rate zu dienen.
Zwischen Hugo und Alberich war Odo schon einmal als diplo-
matischer Unterhändler hin- und hergegangen. Nach dem
Friedensschluss hatte der König fttr ihn beim Papste inter-
veniert — vielleicht gar in Rom selbst — , auch hatte der Papst
Hugo und Lothar zu Liebe ftir Cluni geurknndet,. und eben
erst im Januar 938 hatte Leo aus Liebe zu ihnen die Privi-
legien Clunis bestätigt Jetzt sehen wir Hugo der Thätigkeit
des Abtes seine Hauptstadt eröffnen.
Während dieser Zeit hatte der Krieg zwischen Alberich
und Hugo, der die ewige Stadt alljährlich bedrängte, keines-
wegs geruht. Ende desselben Jahres, 938 2), muss Leo den Abt mit
einer neuen Gesandtschaft zwischen Hugo und Alberich beauf-
tragt haben. 3) Odo nahm von Cluni auf der Reise, die er
damals nach Rom antrat, den jungen Johannes als Begleiter
mit Zur Reisegesellschaft gehörte auch der Bischof Gerald von
Riez. Der Weg ftlhrte über den Mont-Cenis.*) Im Januar^)
zogen Odo und Johannes von Rom aus im Auftrage des Papstes
') Joh. V. Od. I, 0. 4. *) Vgl. Excura I.
*) Joh. V. Od. II, c. 7 ; Si*b idcni tempus 'Italiam missi swnus a Leone
sunwio jwntificej ut pacis legatmie fungerefnur inter Hugoneni Ixingo-
hardorum regetn et Albericiim Romanae urbis xmncipcm. Der Vf. hat vorber
I, c. 4 gesagt, dass' Odo ihn, den Johannes, non mnlto post nach Rom
zurückführte. Da Leo VII. im Juli 9B9 starb, ist die Gesandtschaft
wenigstens noch in diesem Jahre abgegangen. Es handelt sich nicht um
einfache Vermittelung zwischen dem in Rom befindlichen Alberich und
dem die Stadt bedrängenden Hugo, sondern um eine legatio zwischen
Rom und Oberitalien.
*) V. Od. II, ß: Illo enim tetupore qiio cum Creraldo Regiermb
ecckbiae epiacopo Cotias transivimus Alpes et Sofnam venimvs paritcr . . .
Da Johannes c. 7 anschliesst: Stib idetn temjn^s Italiam missi sumtis, so
nehme ich an, dass er von derselben Reise spricht Es kommt ihm ja
nie darauf an, Odos italienische Reisen zu schildern, sondern nur Charaoter-
zUge zu illustrieren, die er an irgend ein Ereignis anknüpft. Johannes
ist offenbar nur einmal mit Odo nach Italien gekommen, um dort zu bleiben.
*) c. 8 : Fiebat atäe^n iatud (iter) duobua mensibiis, Januario videlicet
et FebruaHo.
109
zn König Hugo, am mit ihm zu nnterhandeln, und zwar
dareh Tuscien über das schneereiche Gebirge des Monte Amiata.
Nach einigen Fährlichkeiten kam man bis Siena, wo die
Hungersnot, die damals Italien durchwtttete^), Schaaren von
Annen und Elenden auf die Laadstrassen trieb, die dann die
Fremden bettelnd begleiteten. In solcher Gefolgschaft zog
auch Odo^) darcb die verzweifelte Stadt; aufs tiefste erschüttert
und ergriffen ging er mit dem Reisegeld, das ursprünglich
30 Solidi betrug und schon auf weniger als die Hälfte reduciert
war, so freigebig um, dass sein Begleiter Johannes den Rest
in Sicherheit zu bringen suchte. Glücklicherweise begegnete
man unterwegs einem cluniacensischen Mönch, dem Presbyter
Petras, der auf der Reise nach Rom begriffen, mit seinen
Mitteln aushelfen konnte. Wohin die Gesandtschaft ging, wissen
wir nicht genau ; Hugo befand sich wohl in seiner Hauptstadt
Paria. Ebensowenig sind wir über die Verhandlungen unf^r-
ricbtet.
Nach Erledigung der Geschäfte, mit denen Odo beauftragt
war, wurde die Rückreise nach Rom angetreten. Diesmal
nötigten die Begleiter den Abt, des Winters wegen den be-
schwerlichen über die Gebirge führenden Weg aufzugeben und
am Meere entlang zu ziehen. Auf der Heimreise berührte man
das Castell di Pietra und den eine Tagereise südlich liegenden
Ort Buriano, in der Nähe der Küste, etwas östlich vom Golf
Ton Piombiuo.3) Auf dieser Gesandschaftsreise sagte Odo
seinem Begleiter Johannes, dass er Prior werden würde. Es
i»t anzunehmen, dass das nicht lange nachher geschah. Auch
kann kein Zweifel sein, dass Johannes dieses Amt in Rom
bekleidete, wie man richtig vermutet hat, in St. Paul unter
*) Liutpr. Antapod. V, c. 2: Hoc in tempore ^ ut ipsi bene nostis,
9ol magnam et cvmtis terrxbUeni passua est eclipsinj sexta feriaj ho^'a
diei tertia. Das war am 19. Juli 939. Sed et in Ttalia octo contimiis
noetUms mirae mafftiitudinia cometa apparuit . . . subsecuturam non multo
post fametn portendens, quae magnitiidine sui misere vastabat Italiam,
Die Hungersnot ist zu 940 bezeugt; indessen kann dieselbe sehr wohl
schon das Jahr vorher in einzelnen Orten ausgebrochen sein. Vgl.
Excnrs I.
*) V. Od. II, c. 7 : quasi praecinctus miles ad beUtim ineedebat stipattta
cuneis pauperum.
') Siehe Excors I.
110
Abt BalduiD, den er öfter erwähnt, ebenso wie das genannte
Kloster.
Hier ist er auch im Jahre 940 wieder mit Odo gewesen*),
der damals von Abt Baldnin gebeten wurde, das Werk, das
Gallns und Posthumian in Dialogform über das Leben des
hl. Martin yerfasst hatten, zn glossiren und zu verbessern.
Während Johannes aber, wie es seheint, von nun an in Rom
blieb, pilgerte Odo nach dem Monte-Gargano, der berühmten
Wallfartsstätte, um dort zu beten. 2) Von Salerno ab, wo er
vermutlich auch fttr die Beform thätig war, begleiteten ihn
zwei Priester nach dem hl. Orte zu einer Zeit, als es häufig
regnete.^) Damals, sei es auf dem Wege, sei es auf dem Berge
des hl. Michael selbst, begegnete er dem Bischof Johann von
Kola, der ihm traurig klagte, dass er schon zwei Mal in Rom
gewesen sei, ohne in Folge des Widerstandes seiner Gegner
die Ordination zum Bischöfe erreicht zu haben. Der Abt, der
vermutlich im Stande war, durch seine Beziehungen in Rom
fttr den Bischof zu wirken, riet diesem, sein Glück ein drittes
Mal zu versuchen. Innerhalb vierzehn Tagen sah Johann
von Nola seinen Wunsch erfüllt.*)
Im Jahre 941 ^) kam Odo wieder nach Italien. Er durch-
wanderte diesmal in seines Schülers Gesellschaft die heiligen
Orte innerhalb und ausserhalb Roms, ein Sechziger, aber noch so
rüstig, dass seine jüngeren Begleiter kaum nachkommen konnten.
Es war höchst wahrscheinlich auf der Rückkehr von dieser
Reise®), als er über den Pass des grossen St. Bernhard ziehend
*) II, c. 22: Ante hoc triennium dum e^semus apud Beatum PaiUnm
Bjomae .... *) V. Odonis II, c. 15.
5) Recension B der V. Odonis c. 3 (N. Arch. XV, 111): rfiio preshiteri
ex hoc urbe Salemitana comitati sunt eum . .
*) V. Od. II, c. 15.
'^) V. Od. I, c. 16: Praeteritis nmnque his duobus annis cum simul
loca sanctorum, quae smit iiitra et extra urbetn Bomanif ointionis causa
frequentareinus. Diese Stelle hat v. Heinemann nicht mit excerpiert SS. XV.
®) Vita Od. II, c. 18: Sub eodem tempore competit iüi Rmnam
oratio nis gratia venire. Sed non multo post dum jiatriam revei-tereturj
inter Burdonum Alpes . . . Nalgodi V. Od. c. 42 verlegt das Ereignis in die
Appe^minas Alpes, Indes beweisen die V. S. Geraldi II, c. 17, Vita Gerardi
Bron. c. 22 und Petri Damiani Iter Gall. c. 7 (Mai, Nova patrum bibl. VI, b, 198)
. dass die Ma^rones oder Man*uci am Mons Jovis gewohnt haben.
111
in den sehneereicheD Alpeo, über die ihn and sein Gefolge die
Marronen, ein bekanntes Ftthrervolk, geleiteten, einen Unfall erlitt.
Hago nnd Lothar bedrängten in dieser Zeit wiederum die
Hauptstadt. So befanden sie sich am 25. Juni 941 im Kloster
der hl. Agnes vor Rom, wo sie auf Anregung des Bischofs
Siegfried von Parma fttr Subiaco urkundeten. ^) Bei seinem
Ansehen sowohl bei Hugo, als bei Alberich war wieder Odo
der geeignetste Vermittler, dessen Thätigkeit diesmal doch so
bedeutsam war, dass ein ostfranzösiseher Chronist sie in seinem
Geschichtswerk anmerkte. 2) Von dieser Reise des Jahres 942
wissen wir noch, dass Odo sich am 15. August, am Tage von Maria
Himmelfart im Marienkloster auf dem Aventin aufhielt und hier
von Abt Balduin gebeten wurde, an jenem Tage die Messe zu
celebrieren und den Freunden das Abendmahl zu reichen.
Nach einigem Zögern willigte er ein, wurde aber wegen des
bevorstehenden Todes zweier Brüder von St. Paul, von denen
der eine ein Vetter des Johannes war, während der heiligen
Handlung nach jenem Kloster abgerufen. Johannes befand
sich zur Zeit in Neapel, wohin er in Geschäften seines Klosters
gegangen war. Als er zu Schiff zurückkehrte und in Porto
anlegte, erzählten ihm einige vornehme Männer, die aus Rom
hierhergekommen waren, unter anderem diese Geschichte.^)
Odo war damals zum letzten Male jenseits der Alpen. Während
seiner zahlreichen Reisen, auf denen er nicht nur Leo VII, sondern
auch seinen Nachfolger Stephan VIII. für seine Sache gewann <),
war er von Kloster zu Kloster gezogen und hatte bald hier bald
dortfüreineWiederbelebung klösterlichen Sinnes gewirkt. In Rom
hatten sich die Abteien St. Paul, St Maria, St. Andreas, St. Lau-
rentias und Sta. Agnete aus ihren Trümmern wieder erhoben, in
Sobiaeo und St. Elias in Nepi zog neues Leben ein. In Ober-
italien dürfen wir Odos Reformthätigkeit wenigstens für das
Paveser Kloster St. Peter annehmen. In Farfa schlug zwar
sein Versuch fehl, die Abtei dem Verderben zu entreissen, aber
wenig später glückte es doch der Reform, hier festen Fuss
<) II regesto Sublac. n. 1, p. 3.
») Flodoardi Ann. 942 (SS. III, 389): Dommis Odo abbas pro pace
agnida inier Hugonem regem Italiae et Albricuni Romanum patHcium
apud eurulem regem laborahat,
■) V. Od. II, c. 21. *) Vgl. Beilage II: Stephan an Gerunco v. Bourges.
112
zu fassen. Ohne Frage stellten sich an den meisten Orten
Schwierigkeiten einer .schnellen Wiederherstellung von klöster-
licher Zucht und einer sofortigen Wiedergewinnung des ver-
lorenen Besitzes entgegen. Es mangelte anscheinend mitunter
an Mönchen 1), sehr oft aber an Arbeitskräften, um das wttst
liegende Land zu bewirtschaften. Nicht alles wird Odo hier
gethan haben, aber es war schon viel wert, dass er an vielen
Orten die Anregung gegeben hat, dass er verstanden hat, die
Grossen für seine Sache zu gewinnen, dass er einen Stamm
von Schülern, die ihn verehrten und seine Grundsätze kannten,
zurttckliess. Bereits unter ihm war die Reform nach Unter-
italien gedrungen. In Salerno, wo er vielleicht auf einer seiner
letzten italienischen Reisen weilte und in klösterlichen Ange-
legenheiten thätig war, hielt sein treuer Schüler Johannes sein
Gedächtnis aufrecht : hier kannte ihn wohl auch persönlich der
fürstliche Hausminister Johannes. 2) Wir hören, dass auch im
Fürstentum Benevent die angeseheneren Klöster seinem Einfluss
unterworfen waren ^), eine Nachricht, ftlr welche wir eine Be-
stätigung darin finden können, dass im Jahre 943 seine
Antiphonen auf den hl. Martin in Benevent sich befanden.^)
Auch das Stammkloster des Benedictinerordens, Monte Cassino,
0 So in St. Paul. Papst A^apit II. bittet Einold von Gorze: aliqtws
Mi religiosoSj quoa in monasterio benti Paidij qtwd tunc in monasticum
ordinetn transferre tnoliebatuVj cum auxilio regia Albrici coüocaretj frans-
mitti (Y. Joh. Gorz. c. 53). Auf Gnind dieser Nachricht hat man ange-
nomiuen, dass die erste Reform Odos sich nicht bewährte und Agapit
sich nun nach Gorze wandte behufs einer neuen Reform (Schultze, Forsch.
S. 44). Angesichts der Thatsache, dass der vielgerUhmte Baldnin Monte
Cassino, St. Paul und St. Maria damals leitete, ist an einen Verfall nnd
eine neue Reform nicht zu denken. Der Satz qviod twnc in monastiaim
ordinetn transfen-e inoliebatur ist jedenfalls nur ein erläuternder Zusatz
des Autors. Es kam nicht selten vor, dass bei Reformen Mönche aus
verschiedenen Klüstern vereinig^ wurden; man nahm sie, woher man
konnte. Deshalb wendet sich auch Agapit an Gorze, das in gutem Rufe
stand. An eine nochmalige Reform ist jedoch nicht zu denken.
') V. Od., prologus: sacri SnUmitani palatii exactorem Johannem.
3) Rod. Glaber III, c. 5 § 18: Hie enim in tanttim huiiis ituttituti
propagator extitit, \d a Beneventana pivrintia queque habebantur in Italia
et in Galliis \isque Oceanum mare potiora nwtiasteria illius dicioni gratu-
larentur esse subiecta.
*) Joh. y. Od. I, c. 10: Betinentur hactenus Beneventi,
konnte sich seinem Einfluss nicht entziehen. Hier ist nach
glaubwürdiger Nachricht noch zu Odos Lebzeiten sein Schüler
Baldoin, der bereits die Klöster St Paul und St. Maria leitete,
Abt geworden. 0 Als dieser das Amt übernahm, sassen die
Brüder noch in Gapua. Auf seine Veranlassung forderte Agapit
den Fürsten Landulf IL auf, den Besitz des hl. Benedict Airder
ungestört zu lassen, mahnte der Papst die Mönche, deren Zucht
sich gelockert hatte, nach dem Bergkloster des hl. Benedict zurück-
zukehren.^) Am 2L Januar 944 bestätigte er Balduin den Besitz
der Abtei, das Recht der freien Abtwahl und die Unabhängigkeit
von bischöflicher Gewalt^) Wahrscheinlich ist Majelpotus,
der bereits 943 als Abt in Monte Cassino erscheint^), sein
Nebenabt ^), ebenso wie dessen Nachfolger Aligemus, der in
einem der unter Balduin stehenden römischen Klöster, in
St. Paul<^) oder St. Maria '^) auf dem Aventin noch unter Odos
Augen in die Mönchspflichten eingeweiht worden war. Er war
^) Destr. Farf. c. 7: Cassinense quoque monasterium aub iüitis ma-
gisterio ad norfnam regidaria ordinia reductum est . . . Ihi denique prae-
posuit discipulufn suum venerabileni abbateni Balduinum. Leo von Ostia
weiss alierdings nichts davon, bei ihm wird Balduin erst 948 Abt von
Monte Cassino; erst von Marinns II. erhält er St. Paul (Ghron. Gass. I,
e. 58), während wir aus der Y. Od. und der Destr. Farf. von dem umge-
kehrten Verhältnis unterrichtet werden. Man merkt die Absicht, zu ver-
ballen, dass Monte Cassino von aussen reformirt worden, namentlich von
den französischen Mönchen und dem Abt von Fleuiy, das Leo so hasst,
weil die Floriacenser behaupteten, den hl. Benedict zu besitzen. Da er
gegen die Floriacenser sogar Papstbullen fälscht und gefälschte verwertet,
um ihre Angaben zurückzuweisen, so werden wir ihm hinsichtlich der
Reform durch Balduin auch keinen Glauben schenken dürfen.
•) Gattnla, Eist abb. Cassin. I, p. 190. «) Gattula I, p. 94.
*) Es ist characteristisch fllr Leo, dass er bereits 948 Majelpotus
die Abtwllrde zugesteht, während die Papstnrkunden doch die längere
Herrschaft Balduins erweisen, als ob er den unbequemen Balduin bald
wieder los werden wollte. £r widerspricht sich aber selbst, wenn er II,
c. 1 die Münche von Capua nach Monte Cassino unter Balduin zurück-
kehren lässt, zur Zeit Agapits, der von 946—954 regierte.
^ Wie Mabillon, Ann. Ben. III z. J. 944 wohl mit Recht vermutet.
In der Abtreihe, die Tosti, Storia della badia di Monte-Cassino III, 858
giebt, ist Balduin Abt von 948 — 947, Majelpotus von 948 — 949 Oct.,
Aligem 949—986 Nov. «) Nach Leo Cass. II, c. 1.
') Nach Destr. Farf. c. 7 : cui siiccesait condisciptUus aJtque coabbaa
Aligemus cUmificus patefj quem ipse a primaevo erudierat regulari tramite
in supra memorato Aventino monasterio.
Sftoknr, Claniftoenfler. I. 8
114
ein Neapolitaner von vornehmer Abkunft i), den die ßrttder
mit Zuziehung der benachbarten Aebte, so des Leo von St Vin-
cenzo am Voltumo^) nach Balduins Tode zum Abt wählten. Er
legte erst wieder den Grund zu einer neuen Blttte von Monte
Cassino, sorgte für die Vollendung der lange begonnenen Bauten,
betrieb rtthrig den Wiedererwerb des abhanden gekommenen
Besitzes und bewirkte eine neue landwirtschaftliche Kultur
durch Ansiedelung ganzer Familien auf den verödeten Land-
strichen. Unter ihm blühte auch das klösterliche religiöse
Leben wieder empor. ^) Bei der mächtigen Ausdehnung, welche
der Grundbesitz der bedeutenderen mittelitalischen Abteien
hatte, bei der grossen Zahl von Kirchen und Klöstern, die
jedem einzelnen untergeben waren, wollte die Beform des
Hauptklosters viel bedeuten. Christliche Gesittung wurde über
weite Gebiete getragen; ernste Arbeit verlieh wieder die
moralische Kraft, die so vielen abhanden gekommen war.
3. Odos Tod und Persönlichkeit.
Während des letzten Aufenthaltes in Bom im Sommer 942
holte Abt Odo sich den Keim zur Todeskrankheit. Er begann
zu fiebein und Todesahnungen umschwebten den bis in sein
hohes Alter unermüdlichen Streiter Gottes. Er sehnte sich
nach der Stätte, an der er seine Jugend verbracht; d^m
Heiligen, dem er sein Leben geweiht, wollte er seine Seele
anvertrauen. 4) Odo stand gerade in den letzten Jahren seines
Lebens wieder in regeren Beziehungen zu Tours, wo einer
seiner Freunde, der einstige Decan von St. Martin und spätere
Mönch von Cluni, Teotolo, die erzbischöfiiche Würde bekleidete.
Er beauftragte den Abt um diese Zeit mit der Keform von St
Julien.«^) Im Jahre 937«), oflFenbar^) zum St Martinsfeste, weilte
*) Leo Gass. II, c. 1.
«) Chron. Vulturn. b. Muratori, SS. rer. Ital. I, b, 422: Si«6 hoc
tempore Aligemus constituitur abbas sancti Benedictif ad cuius electionnn
inmtatus est praedictus venerabilis abbas Leo et ipsiiis consilio ordinattu est.
») Vgl. Vita S. Nili c. 72 ff. ; Gattula I, 90.
*) Job. V. Od. III, c. 12. «) Siehe oben S. 92.
') V. Od. I, c. 10: Ecce enim sunt evoluti haud plus quam sex anni
d. h. da der Autor 943 schrieb, im Jahre 987.
^) a. a. 0.: qui eius temporis longiores noctes . . .
115
dieser am Grabe des heiligen Bischofs und dichtete auf
Verlangen der Chorherren drei Hymnen und zwölf Antiphonen
ihm zu Ehren. Um dieselbe Zeit^ brannte die prächtige
Basiliea des hl. Martin zum dritten Mal nieder zum Schrecken
der Bewohner von Tours und der ganzen Provinz. Man begann
den Schutzheiligen zu schmähen und seinen Wert anzuzweifeln,
weil er seinen Dom nicht zu schützen vermöge 2), als Odo er-
schien, um in einer längeren Predigt diese Vorwürfe zurück-
zuweisen und die Grösse des hl. Martin zu preisen, den selbst
die Römer so hoch sehätzten, dass sie die Romreisen derjenigen
flir überflüssig hielten, die in der Nähe seines Tempels weilten.')
Wenn alle Könige und Cäsaren der Welt durch öffentliche
Erlasse die allgemeine Verehrung des Heiligen forderten, so
könnten sie gar nicht verlangen, dass dieselbe so allgemein,
80 feierlich sei, als jetzt. ^) Zugleich nahm Odo Gelegenheit,
die Chorherren mit Bitterkeit anzugreifen, durch deren Ver-
nachlässigung die Stätte an Heiligkeit verloren habe, die aus
dem Domplatz, welchen die Wohnhäuser der Cleriker umgaben^),
eine aligemeine Verkehrsstrasse gemacht haben, trotzdem eine
Mauer ihn abschloss, und die den Frauen ungehinderten Zugang
zum Kloster gestatten.^) Noch in einer anderen kürzeren am
Tage des hl. Martin gehaltenen Predigt'), die aber zeitlich
nicht zu bestimmen ist, tritt Odos Verehrung für diesen hervor.
Anf Schritt und Tritt hielt er ihn im Herzen , trug ihn auf
den Lippen und folgte ihm im Handeln.^)
Am Tage des hl. Martin im Jahre 942 schritt Odo in
Tonrs mit seinen Mönchen von St. Julien nach der Gruft des
») S. Excurs II.
*) äermo de eombnstione basilicae beati Martini, Bibl. Glun. col. 14ß;
Mipie 138, 7.33: Tandem ad hoc ventum est, ut ad doloris augmentum
dicerdur, quod nonnulli beato Martino detraherent, quasi qui non posset
incfndium repriwerej quo domum suam toties pertnisiaset igne depasci,
') col. 148: ut hanc etiam Rotnae laudaH audwerimus^ quibusdam
Romanis dicentibus: Quia non esset necesse Romam pi'oficiscif qui teinplo
htati Martini morerentwr vicinari (?)
*) col. 157. 158.
*) eol. 159: domuncidis clericorum illaeMs per gyrum remanentibus,
•) col. 148.
0 Gedr. bei Martöne, Thesaiurus V, 617; Migne 133, 749.
•) V. Od. I, c. 10: corde retentans, ore praedicans, operibw sequens,
8*
116
Heiligen zur Abhaltung der Matatinen. Heftiger Fieberfrost
ergriff ihn ; schnell worden die Offizien beendet, krank kehrte
er in das Kloster zurück und fand neben der Kirche des
hl. Albin sein Krankenlager. Noch auf dem Sterbebette
dichtete er Verse auf den hl. Martin. Erzbischof Teotolo kam
und klagte über das nahe Ende; Odo tröstete ihn. Endlich
am 18. November liess er sich, nach Empfang des Abendmahls,
in die benachbarte Kirche tragen, in der er am selben Tage
unter Ermahnungen und Segenssprüchen fttr die Mönche, die
zahlreich sein Lager umstanden, seinen Geist aushauchte.
Seine Grabstätte fand er in der Crypta des hl. Julian zur
rechten Seite unter dem Altar des Märtyrers.^)
MitOdo war ein Mann von seltener geistiger und sittlicher Tiefe
dahingegangen. Seine Lehrerwaren neben anderen Kirchenvätern
hauptsächlich Augustin und Gregor der Grosse. Seine erhabene
Lebensanschauung gab ihm die Kraft der Worte und den ge-
wichtigen Einst, mit dem er die Schlechtigkeiten seiner Zeit geisselt
Wie ein Prophet tritt er inmitten der Verrohung auf, niemanden
schonend, weder die Grossen und Mächtigen, noch den Clerns,
noch das Volk. Rücksichtslos und fast cynisch, aber voller
Energie und Empfindung ist seine Sprache.^) „Weltlichen Adel
schafft nicht Natur, sondern der Ehrgeiz", meint er^); «Schlage
alle Bücher des Altertums auf, stets wirst Du die Mächtigeren
als die Schlechteren finden." In seiner Abwendung von allem
Sinnlichen geht er mit Augustin so weit, auch die eheliche
Umarmung fttr sündhaft zu halten.^) »Könnte ich doch alle
») Job. V. Od. III, c. 12; Nalgodi V. Od. c. 53 falsch 945; Flodoardi
Ann. 942; Brevis hist. B. Julian! Turon. ed. Salmon p. 225; danach Chron.
Turon. magnum p. 113; Chron. Turon. abbrev. p. 185, fälschlich 945;
ebenso &]sch Chronologia abb. Gluniac. (Bibl. Clun. col. 1618) 944; Chron.
DoL 942; Martyrol. Villar. (Bibl. nat. nouv. acquis. 348 saec. Xu) f. 88:
XIIIl K. Dec. Ipso die transit^is beatissimi Oddonis Cluniacensis abbatis
mundissimae vitae viri.
') Vgl. Haur6au, Singularit^s p. 175.
') CoUat. III, col. 240 : NobilitcUem quippe mundafiam non naturaj sed
an^itio praestitit . . . col. 241 : Chnnes libroa antiquitatum consideraj pöten-
tiores semper invenies peiores.
*) Coli. 11, col. 204 : 8i ergo tanta est culpa in coniugcdi concubitu, ut
infans pro illa sola pimiri debeat^ quanta in stupro est vel in poUutionej
quae ad solam libidinem explendam paJtraJtwr,
117
Weiber in dieser Provinz, die in fleischlichen Banden liegen,
denselben entreissen und für das ewige Heil gewinnen^, ruft
er einmal noch als Mönch, i) Diese Gesinnung ist die begreif-
liche Reaktion gegen die Sittenlosigkeit seiner Tage, die selbst
die Sehen vor der Heiligkeit geweihter Orte tiberwand. 2) Um
so grösser erscheint ihm dafür wieder die Keuschheit in den
Kreisen des weltlichen Adels 3), von dem er sonst so schlecht
zn sprechen pflegte.
Das wichtigste Problem war ihm die Stellung des
Uebels in der göttlichen Weltordnung. „Von Natur giebt es
kein Uebel*, sagt Odo^), „an sich ist nichts schlecht." Gott
verwandle nur die Dinge, die er gut schuf, in Strafen und
Leiden, wenn wir sie schlecht anwenden. Das ist das kosmo-
physische Uebel. Aber an dem moralischen Uebel ist der
Teufel schuld ; er reisst Gottes Wort aus dem Herzen und ver-
strickt seine Opfer in die Laster des Hochmuts, der Ueppigkeit
Qud der Bosheit.^) Die dritte Art des Uebels fügen die Menschen
durch Verfolgung, Schaden und Schmach sich selbst gegen-
seitig«) zu. Zwei Generationen unterscheidet er, die eine,
welche von Abel abstamme, die Guten, die andere, deren
Ahn Kain sei, die Schlechten. Beide zerfallen wieder in je
zwei Klassen: die offenkundig Schlechten und die heimlich
Schlechten auf der einen, die Vollkommenen, denen das Erden-
leben nur der Uebergang zum Himmel ist, und die weniger
Vollkommenen, die ohne schlecht zu sein an irdischen Dingen
haften, auf der anderen Seite.'')
Im Leben gehen beide Klassen neben einander her und
erleben unterschiedslos Gutes und Böses, Freud und Leid.
Man wundert sich, dass es den Guten oft elend, den Schlechten
oft gut geht Odo meint — und hierin liegt ein Lieblings-
thema seiner Philosophie — dass die Guten auf Erden für
ihre kleinen unvermeidlichen Sünden bestraft würden, um desto
geläuterter in den Himmel zu kommen, die Schlechten er-
freuen sich hier der Barmherzigkeit Gottes, aber das Gericht
Christi schliesst sie von den ewigen Gütern aus.^) Ein
') Job. V. Od. I, 36: Et utinam omnes mulieres in hoc provincia
commorante8f qwie catttali vinculo retinentur, potuisaem lucri facere.
«) Collat. II, col 204. 8) V. S. Geraldi I, c. 4. *) Coli. I, col. 166.
«) I, col. 167. 168. 6) I, col. 170 ff. ">) I, col. 170—189. ») HI, col. 245 f.
118
andeimaP) lägst er zwar diese Deutang za, meint aber doch,
dass es unterschiedslos fllr Gate und Böse Gutes und Böses
gäbe und dann wisse man nicht, ob die Guten mit dem Guten
belohnt oder die Schlechten mit dem Bösen gebessert werden
sollen.
Mit dieser Theorie beantwortet Odo die irrigen An-
schauungen der Menge, die immer geneigt ist, Gott und den
Heiligen die Schuld an den Unglücksfällen der Zeit beizu-
messen. Man spricht ihnen ihre Wunderkraft ab, da keine
Wunder mehr geschähen. Odo meint, in der ersten Zeit der
Kirche seien sie notwendig gewesen, jetzt aber nicht mehr.^),
Es geschehe auch wegen der nahen Ankunft des Antichrist,
denn dann werde sich zeigen, wer im Hinblick auf die himm-
lischen Freuden zum Glauben halte, und wer nur um materieller
Wunder willen demselben treu bleibe. Die Genossen des Anti-
christ würden schon Wunder thun und dann würden sich seine
Anhänger von den wahrhaft Gläubigen trennen. 3) Dass die
Zeit des Antichrist nahe, ist eine Anschauung, die Odo in
seinen früheren Schriften zu wiederholten Malen aussprach.^)
Sonst behauptet er auch hinsichtlich des Aufhörens der Wunder,
dass die Ungeheuerlichkeit der Sünden daran schuld sei.'^)
Im übrigen legte weder Odo noch einer von seinen Gesinnungs-
genossen^) oder Nachfolgern Wert auf Mirakel und Zeichen,
oder gar nächtliche Visionen.^)
Bei ihm lag der Kernpunkt des ganzen Unheils in dem
Aufhören der kirchlichen Disciplin. Neben den falschen
Priestern, die nur zum Schein Gott dienen und sich weltlichen
^) Sermo de combust. eccl. b. Martini, Bibl. Glun. col. 152; Migne
133, 740.
*) Collat. I, col. 175; Sermo de combustione S. Mart. col. 157.
^) Collat. a. a. 0.; Sermo de S. Bened., Bibl. Clun. col. 139.
*) Collat. a. a. 0. col. 175; V. S. Geraldi II, c. 10: huftafite iam tempore
Antichristi; Sermo de S. Benedicto, Bibl. Clun. col. 139: instante iam
tempore Aivtichristi.
«) Sermo de S. Ben. col. 139.
«) Vgl. Job. V. Od. I, c. 14; V. Johannis Gorz. praef. SS. IV, 338;
Jotsaldi V. Odil. II, praef.; V. S. Abbonis praef.
') Vgl. Coli. III, col. 235: Si aomnio fides adhibenda est . , . Sermo de
combust., Bibl. Clnn. col. 150: Venim hi sominis et nulla forte vel rai^a
fides adhibenda est.
119
Genflasen hingeben^), rufen die Laien, welche sich den kirch-
liehen Strafen entziehen, seinen Zorn hervor. 2) Er betont aber
dabei ansdrttcklich die Gültigkeit sacramentaler Handlungen,
wie der Excommunication auch schlechter Priester, ebenso wie
er auf der anderen Seite bestreitet, dass der Sünder das hl.
Abendmahl in Wirklichkeit empfange.^) Denn wenn Christus
es ist, der das Sacrament reicht, so ist natürlich die Person
des Priesters gleichgültig, andererseits entscheidet der Herr,
wem die Handlung zum Heil gereichen soll, wem nicht.
Die Disciplin ist Odo auch im Mönchsleben das wichtigste
Erfordernis, ein und alles. Aufgehen des Einzelwillens in den
des Gesetzes, Verzicht auf persönliches Eigentum, strenge Be-
folgung der Regel wurden schon früher als Hauptmerkmale
der Reform bezeichnet. Aber mehr als irgend ein anderer
hatte er die Vorschriften der Regel sich zur Norm genommen.
Wo er stand und ging, stets hatte er aus Gewohnheit das
Haupt gesenkt und die Augen nach unten gerichtet: man
nannte ihn im Scherz den „Gräber." *) Er war eine bis ans
Ende kräftige Natur und deshalb im Stande, so häufig die be-
schwerlichsten Reisen zu unternehmen. Dabei war er furcht-
los, obgleich sein Leben öfter in Not war. Psalmensingend
schritt er mit den Seinen dahin und trotzte so voll Gottver-
trauen jeglicher Gefahr, s) Im persönlichen Verkehr war er
jovial, mitteilsam und wohlwollend. Er wusste scharf zu
tadeln <^), aber auch zu scherzen.^) Sein hervorstechendster
und bewunderungswürdigster Zug ist aber seine wahrhafte
Herzensgute, seine unversiegbare Freigebigkeit, seine unendliche
Menschenliebe. Sein Ideal war der hl. Martin, der seinen
Mantel zerteilte und die eine Hälfte dem Armen gab. Odo
handelte nicht anders. Für die Armen hatte er immer Mittel
zur Verfügung^); die Blinden und Lahmen, meinte er, das
wären die Pförtner zum Paradiese.^) Niemals nahm er auf
>) I, col. 182; II, 190. «) I, col. 172. «) II, col. 209.
«) Job. V. Od. II, c. 9; vgl. II, c. 6. *) V. Od. II, c. 19.
•) V. Od. II, c. 7 : nie auteni coepit nobis tanta et talia verba . . dicere,
quanta et qtialia nunquam aitdivi a]b ineunte aetate nee spero nie ultra audire.
') V. Od. II, c. 7: Verba enim sua omni exstiUatiofie erant plenn;
lorutio vero mui prae nimio gaudio ridere nos cogebnt; vgl. II, c. 19.
•) II, c. 4. ö) II, c. 5.
120
seine Person Rtteksieht. Schon in Tours verteilte er seinen
Besitz. Auf seinen Beisen achtete er weder seiner noch seiner
Begleiter Bedürfnisse. Er gab mit vollen Händen, kaufte za
hohen Preisen. ^) Wo ihm ein altes Weib oder ein alter Mann
begegnete, so liess er sie aufsitzen, während er zu Fuss neben-
herging. 2) Er befolgte das Wort „Liebet Eure Feinde*, indem
er seine Liebe und Freigebigkeit sogar auf die Elenden aus-
dehnte, die ihm nach dem Leben oder nach der Habe
trachteten. ^)
Ein Mann, der wie er die Lehren Christi wieder zur Wahr-
heit machte, musste die Bewunderung aller derer hervor-
rufen, die ihn kannten. „Er war wie ein Eckstein, Engel
und Mensch, freigebig und angenehm", sagt sein Schüler von
ihm. Nicht nur seine Mönche küssten heimlich seine Kleider:
wenn er in die Peterskirche trat, so liefen ihm Geistliche und
betende Pilger nach und führten die Fransen seines Mantels
zum Munde. Und wenn er auswich, so folgten sie ihm wie
seine Verfolger.*)
») Vgl. V. Od. n, c. 4. 7. 8. ») U, c. 6.
3) II, c. 9. 10. «) Job. V. Od. II, c. 5.
Zweites Capitel.
Lothringische Reformen.
L Gerhard von Brogne und die Reform in Nieder-
lothringen und Flandern.
Niederlothringen.
Um dieselbe Zeit, als Odo von Clnni in Mittelfrankreich und
Italien auf den wüsten Stätten des Klosterlebens von neuem die
Nonnen der alten Regel einzupflanzen suchte, that sich in den
niederen Gegenden der deutsch -französischen Grenzlande ein
neuer Reformherd auf. Die Bewegung, die von dem nieder-
lothringisehen Kloster Brogne sich ausbreitete, steht, so viel wir
wissen, fast ganz ausser jedem Zusammenhange mit der französi-
schen Reform. Spontan erhebt sich hier, wie aller Orten der Geist der
Beli^osität in einzelnen Köpfen und da die Reformkreise einander
kaum berührten, so bildete sich hier eine selbständige Richtung aus.
Das Erwachen aus dem wüsten Traume des vergangenen Jahr-
hunderts hatte eben überall ähnliche Gesinnungen hervorgerufen:
ein weltflüchtiger, dem inneren Seelenleben zugeneigter Zug
durchdrang die Gemüter und, wie wir mehrfach sahen, waren
es gerade Männer der höheren Stände, welche vor dem Unheil,
das ihre Standesgenossen vornehmlich angerichtet, schaudernd
zarttckwichen. Auch Gerhard, das Haupt der niederlothringischen
Reformbewegung, fast der erste in diesen Gegenden, der einem
regulären Klosterleben sich zuneigte^), gehörte diesen Kreisen
0 Folcuini Gesta abb. S. Bertini c. 107 (SS. XIII.): qui pene solus et
primus in occiduis pariibus uUimia tempori btisregularis vitae normam ser-
tabat. Die Litteratur über ibn ist am vollständigsten bei Berliere, Monasticon
Beige I (1890), 28ff. verzeichnet
122
an: er stammte ans einem edlen fränkischen Geschlecht^), das
im Lomatschgau begütert war. Von Vaters Seite — letzterer
hiess Sancias — soll er dem anstrasischen Herzogsgeschlecht des
Hagano verwandt gewesen sein, während seine Mutter Plectradis
eine Schwester des Bischofs Stephan von Lttttich genannt wird.^)
Er widmete sich, wie es das Standesvomrteil mit sich brachte,
dem Kriegerhandwerke und ähnlich, wie Odo, kam auch er
als Knabe bereits an den Hof eines angesehenen Kriegsmannes,
des Grafen Berengar von Namnr. Kriegstüchtigkeit und Klug-
heit erwarben ihm in so hohem Grade die Freundschaft und
das Vertrauen desselben, dass er auf die Verwaltung der Graf-
schaft einen bedeutenden Einfluss erhielt und der Graf ihm
die schwierigeren und discreteren Geschäfte übertrug. '^ Dabei
neigte er sich bereits so sehr dem geistlichen Leben zu, dass
er mit der Erlaubnis seines Vaters und seiner Freunde auf
einem ererbten AUod Brogne, wo schon seit der Zeit des
ältesten Pipin ein kleines, jetzt verfallenes Gotteshaus stand, ein
Collegiatstift einzurichten beschloss. "^j Im Jahre 914 wurde der
Bau begonnen, nachdem dem Jünglinge, wie sein Biograph erzählt,
die Apostelftlrsten Peter und Paul in einer Vision den Befehl
dazu erteilt und den hl. Eugenius zum Schutzpatron bestimmt
hatten.^) Ein Jahr später kam Gerhard als Gesandter
0 Yirtutes S. Eugenii c. 2 (SS. XV, 2, 647): quidam nobilissimus
Sicatnber. Vita S. Gerardi c. 1 (SS. XV, 2, 656) : ingcnuis atque orthodoxis
parefitibm . . . Claris quidem natalibua enituit.
>) V. S. Ger. c. 1. Von Schultee, Forsch, z. D. Gesch. XXV, 226 in Zweifel
gezogen, doch ohne genügenden Grund. Seinen Vater Sancius und seinen
Bruder Wido nennt eine Urkunde Gerhards, Annales de la soci^t^ arch.
de Namur V, 418. Ueber die Echtheit derselben vgl. v. Heinemann im
N. Archiv XV, 592. Vgl. v. Kalckstein, Capetingcr I, 142.
') V. S. Ger. c. 2 : Is ejus ad arbitrium comitatus .negotia dispontbat,
sibique prae ceteris difficiliora et secretiora committebat etc.
*) Virtutes S. Eng. c. 2.
5) V. S. Ger. c. 4. — Nach Virt S. Eug. c. 8. 9. erfolgte der Bau
ein Jahr bevor die Reliquien des hl. Eugen kamen. In den Ann. Bland.
913 heisst es: Hoc anno cepit abbas Gerardiis edificare Braoniense coe-
nobintHj et in anno 2. corpus beati Eugenii episcopi et martyris de
coenobio sancti Dyonisii ibi translatum est ab ipso Gerardo. Zunächst
ist hier zu bemerken, dass danach das 2. Jahr einfach nach mittelalterl.
Zählung als das nächstfolgende 914 zu nehmen ist, was Schnitze p. 233
übersieht. Dann aber sind, wie sich noch herausstellen wird, die Ann.
123
6«reogars zu dem Orafen Bobert von Paris, dem Laienabt von
Si Denis ^); unterwegs kehrte er zanäcbst in Deuil ein, einem
Elösterchen, das jetzt ein gewisser Leadegar leitete and in
dem einstmals der bl. Engen vor seiner Ueberfübrung naeb
St Denis gernbt batte. Uebergab ibm Leadegar ein Kästeben
mit Ueiiigenreliquien, in denen aaeh ein Knöebelcben des bl.
Eugen sieh fand, so kaufte sieb Gerbard bald darauf in St.
Denis, wo er sein Absteigequartier aufseblug. fttr eine be-
deutende Samme den ganzen Leib des Märtyrers.^) Man war
in zablreiehen einst boebangesebenen und altebrwürdigen
Stiftern so bettelarm geworden, dass der Verkauf von Reliquien
noeb als ein günstiger Ausweg in der Kot angesehen werden
konnte. Nachdem Gerbard so einen Schutzpatron fllr seine
Kirehe erworben batte, erfolgte die feierliche Translation nach
Brogne^), der anfangs der Bischof Stephan von Lüttich Hinder-
nisse in den Weg setzte, da man in seiner Umgebung sich an
der danklen Herkunft des Heiligen stiess. Eine Krankheit,
die seiner Geringschätzung desselben zugeschrieben wurde,
brachte jedoch den Bischof nicht nur wieder auf den rechten
Weg, sondern er liess sogar auf einer Provinzialsynode die
Heiligkeit des Eugenius allseitig anerkennen und einen allge-
meinen Festtag fttr den neuen Heiligen festsetzen; zudem sprach
er Brogne von den Leistungen an die Lütticher Kirche frei. 4)
Bland, in dieser Zeit durchweg um ein Jahr zurück, so dass ich die Er-
richtung der Kirche 914, die Translation 915 setze.
») V. S. Ger. c. 5.
*) Virtutes S. Eng. c. 2. 3: datis sacrosancto Uli loco pro poase
munerilms impetravit. Bezeichnend ist, dass er gerade an den Laienabt
von St. Denis gesandt wird: er wird ihm vornehmlich den neuen Erwerb
verschafft haben. Die Vita Gerardi schreibt die Virtutes aus, motiviert
aber den Erwerb der Reliquien durch das Versprechen Gerhards, in St.
Denis Mönch zu werden, was Schultze genügend zurückgewiesen hat;
er irrt aber vollständig, wenn er zu beweisen sucht, dass Gerhard über-
haupt nicht Mönch in St. Denis gewesen sei (vgl. Excurs IV). In d.
Fragment sermon. de adventu et transl. S. Eug., Anal. Boll. V, 395 ist
die Zeit bestimmt: Temporibus Charoli reclusi, Tlieodidpho regente epis-
copatum Farisiace^isnUf atque Roherti comitis et abbatw praedicti nw-
tiasteriij quarta kakndarum Augmtarum, datwni cM sanctum corpus etc.
^ Sermo de adventu a. a, 0. XV KaL Sept.
*) Virt. S. Eug. c. .^—6.
124
Nanmehr konnte Gerhard an die Einftthmng von Clerikem
gehen. 1) Es mochte die Fertigstellang der Bauten und die
neue Einrichtung die nächsten Jahre in Anspruch genommen
haben, als er sich mit dem Gedanken zu tragen begann, das
Canonikerstift in ein Benedictinerkloster zu verwandeln und
selbst die Kutte zu nehmen. Am 2. Juni 919 sprach er die
Absicht in einer Urkunde aus, in welcher er einzelne Besitzungen
dem zu gründenden Stifte yermacht.^) Er hatte in St. Denis
vor wenigen Jahren das Klosterleben beobachtet und mag den
Wunsch dort zuerst gefasst haben, die Bande zu lösen, die ihn an
die Welt fesselten, und in der ehrwürdigen Abtei selbst die Kloster-
gelübde abzulegen. Von einem Manne, der aus einer glänzenden
Lebensstellung, um einem tiefen Herzensbedttrfiiis zu genügen,
in ein Kloster tritt, um sich den Kasteiungen eines Büsser-
lebens hingeben zu können, darf man von vornherein annehmen,
dass er mit Uebereifer sich den schweren Forderungen der
Regel wird unterworfen haben. Es ist deshalb begreiflich,
wenn die Heiligengeschichtschreiber immer und immer wieder
oft mit denselben Phrasen die entsagungsvolle Frömmigkeit
und Askese ihrer Helden ausmalen. An Wahrheit verlieren
diese Darstellungen im Allgemeinen deshalb nicht, dass sie
überall wiederkehren ; denn sie sind logisch, wie psychologisch
begründet. Auch Gerhard stürzte sich freudig in seine neuen
Pflichten: er soll sogar in St. Denis erst die Anfangsgründe
im Lesen und Schreiben gelernt haben. 3) All seinen Besitz in
Lothringen mit Brogne übertrug er dem Kloster, in das er eintrat;
es sollte offenbar nur eine D6pendance von St Denis werden.*)
^) Dass urspr. Cleriker hier instaUiert waren, bestätigen V. G. und
Virt. S. Eug. Berühre p. SO n. 3 bestreitet es aus unzureichenden Gründen.
■) Annal. de Namur V, 418: aliquas res meas ad ecclesiam ubi cupio
construere nionasterium ac me ipsum in servitio omnipotentis Dei milita-
turum condonare.
') V. G. c. 9 : litteratim prinui percurrit elementa seu guinquenuis
puertUus. Schnitze p. 229 hält das fUr unwahrscheinlich bei der Vertrauens-
stellung, die er bei dem Grafen einnahm. Ich will nicht auf der Richtig-
keit der Notiz bestehen, indes halte ich sie bei einem Kriegsmann der
Zeit ftir nicht unmt)glich, zumal bei dem Mangel an Klöstern Schulen
sicher in vielen Gegenden ganz fehlten.
*) V. G. c. 9 : tradifis videlicet ad eundem lonini q\me si«' juris erant
in Lothariensi provincia.
125
Id rascher Folge erhielt er von den Pariser Bisehöfen die Weihen
znm Akolythos, Sabdiaeon, Diacon, endlieh 927 zum Priester.
Schon vorher moss er St. Denis verlassen haben, denn
bereits am 18. Dec. 923 anterhandelte er in Toars als Abt
von Brogne.^) Vielleicht wurde er von dort selbst beanfkragt,
Mönche an Stelle der Cleriker nach Brogne za fllhren. Wenigstens
kehrte er mit einer Anzahl geeigneter Brüder und theologischen
Bttchern von St Denis in die Heimat zurück. 2) Eine Zeitlang
führte er selbst die Abtwttrde über die an Stelle der Cleriker
getretenen Mönche. Vermutlich erfolgte auch in dieser Zeit
die feierliche Weihe des Klosters durch den Bischof Richer
von Lttttich.3) Als ihn dann der Zulauf des Volkes, dem
die Entstehung eines regulären Benedictinerklosters damals
noch etwas neues war, belästigte, wählte er Prioren, mit
denen er seine Lasten teilte, und zog sich in eine stille Celle
bei der Kirche zurück. 4)
Gerhard kann sich seiner Ruhe nicht sehr lange erfreut
haben, denn bereits im Jahre 931^) war Herzog Giselbert von
Lothringen auf ihn aufmerksam geworden. Es war zur Zeit
in Lothringen etwas unerhörtes, dass jemand und noch dazu
ein Mann aus vornehmem Stande sich dem lange vernach-
lässigten Geiste des kirchlichen Lebens wieder zuwandte und
an cUe Wiederherstellung der fast unbekannten Benedictiner-
regel ging, um sie mit Kraft und Einsicht durchzuführen.
Weder in den oberlothringischen Diöcesen, noch im Trierschen
hatte die Reform bereits begonnen. Die Grossen, Giselbert
nicht ausgenommen, bekleideten noch als Laien die Abtwürden
der in ihren Besitz gelangten Abteien, die kaum eine Spur
regulären Klosterlebens aufwiesen, und befriedigten durch
deren Güter entweder ihre eigenen Bedürfnisse oder die ihrer
Lehnsleute, deren kriegerischer Hülfe sie bei der Unruhe der
') Vgl. die Urk. GaUia Chr. XIV, instr. col. 60.
^ V. G. c. 32: Accepit secundi ordinia personas duodecim ad ntifnet*t«m
apottolicum, scüicet bonos doctoreSj morum info^matores, disciplinae regu-
larU observatores. Accepit libros iüius temporiSf quo r um aliquem
ego vidi.
^) Sermo de adventn a. a. 0. p. 895 : VIII Kai. Martii benedixit nova
oraUmi aedificia.
*) V. G. c. 17. ») An. Bland. 981.
126
Zeiten nicht entbehren konnten. >) Herzog Giselbert war einer
der ersten, welche an eine Restauration der Klöster dachten.
Mochte er auch der wiedererwachenden mehr kirchlichen
Strömung sich nicht entziehen können, so darf man doch an-
nehmen , dass der Umschwung nicht ohne Berechnung seitens
der Machthaber geschah. Es war ein Schlag, der die Kriegs-
leute derselben in erster Reihe traf, da sie die Stiftsgttter
zum Teil zu Lehen erhalten hatten. Es scheint, dass man
ihr Einnisten auf diesen habe verhindern wollen, was für ihre
Lehnsherrn unzweifelhaft mit Gefahren verknttpft war. In der
Zeit aber, wo die Bevölkerung sich mehr und mehr den Heils-
lehren der Kirche wieder zuwandte und diese selbst durch
die allmähliche, mit dem Verschwinden der Kriegswolken
sich vollziehende Sicherung ihres Besitzes an Macht und
Einfluss wieder gewann, war selbst fttr die mächtigsten Herren
die moralische wie materielle Unterstützung der kirchlichen
Kreise ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Die Heiligen
begannen wieder eine grosse Rolle zu spielen: in den Quellen
wird fast jede derartige von einem grossen Fürsten unter-
nommene Klosterreform durch eine Vision des betreflfenden
Heiligen motiviert. Die armen vergessenen, geraubten, meist
fern von ihrer Grabstätte weilenden Schutzpatrone erschienen
selbst den weltlichen Herren der ihnen geweihten Stifter,
und erflehten oder befahlen die Wiederherstellung derselben.
So kam es in St. Ghislain. Das kleine Kloster war in
den Zeiten des Verfalles in den Besitz von Clerikern geraten,
die unbekümmert um kirchliche Satzungen, jeder ftlr seine
Rechnung, mit ihren Frauen ein ebenso weltliches, wie an-
stössiges Leben zubrachten. Bettelnd führten sie den Leib
des Heiligen auf den Landstrassen herum, der eine Zeit lang
in Maubeuge unrechtmässiger Weise sich befunden hatte und
dann mit Hülfe des Bischofs Stephan von Cambrai wieder-
gewonnen war^), und liessen die milden Gaben, welche St
Gislen vom Volke gespendet wurden, ohne Scheu in ihre Säckel
*) V. Ger. c. 17: quaedam scilicet praedia aubtrahens sibi militihvi
quae non panca expenderat beneficii gratia tnilitantibus,
») Mirac. S. Gisleni saec. X, c. 5, SS. XV, 2, 577; Beinen Mirae.
c. 3 a. a. 0. p. 581 f. Die Vita Gerardi c. 17 nimmt das Verdienst fttr
Gerhard in Ansprach. Vgl. Scliultze a. a. 0. S. 247.
127
gleiten. 0 Endlich soll der Heilige dem Herzog Giselbert im
Schlafe erschienen sein und ihn aufgefordert haben, ihm einen
Schild gegen die unaufhörlichen Angriffe zum Schutze seines
Heiligtums zu verschaffen: damit meinte er den Abt Gerhard
von Brogne.^)
Sei es nun, dass Giselbert persönlich auf einer Versamm-
lung zu Dinant an der Maas Gelegenheit hatte, mit Gerhard
zn sprechen 3), sei es, dass erst Boten, der Bischof von Cambrai
und Graf Bainer III. vom Hennegau, mit dem Abte verhan-
delten 4), jedenfalls erklärte er sich im Jahre 931 •'^), wenn auch
nach Widerstreben, zur Uebernahme und Reform von St. Ghislain
bereit Der Herzog sorgte ftlr den nötigen Unterhalt der nun-
mehr angesiedelten Benedictiner, indem er zu Gunsten des
Stiftes seinen Dienstmannen einige Güter entzog.^)
Flandern.
Der eigentliche Gründer der späteren Macht des flandrischen
Staates war Arnulf, genannt der Alte oder der Grosse. Von
väterlicher Seite mit den Karolingern, von mütterlicher mit
dem englischen Königshause verwandt, war er ebenso sehr
») Reinen Mir. S. Gisleni c. 10, SS. XV, 2, 583.
>) Relneri Mirac. c. 10; Vita Gerardi c. 1 5.
^) Nach der Darstellung Reinerd a. a. 0.
*) Wie die Vita Gerardi berichtet. Hier wird als Gesandter der
Bischof Thiedo v. Cambrai genannt, der erst 964—976 dieser Kirche vor-
stand. Offenbar stammt gerade diese Stelle aus der verlorenen Vita prior,
die 971/972 verfasst wurde, da eher ein gleichzeitiger Autor darauf kommen
konnte, diesen Namen irrig einzusetzen, als der spätere Bearbeiter, der
bereits die Miracel Reiners hier benutzt hätte. Da sich in demselben
Abschnitt auch die Notiz ttber Reiner vom Hennegau findet: nunc usque
exulat in ignotis regionibuSf die ebenfalls der ersten Vita angehört, so
nehme ich an, dass die Version der heutigen Vita Gerardi bereits der
ersten angehOrte und bin nicht geneigt, wie Schnitze, sie ganz zn ver-
werfen. Auch darin ist die Vita Ger. den Miracula Reiners vorzuziehen,
wenn nach jener St. Ghislain das erste von G. reformirte Stift war,
wahrend nach der andern Quelle G. zur Zeit schon viele Abteien geleitet
Uitte. Irrig meint S., die Vita habe spätere Mirac. S. G. benutzt, eine
Annahme, die schon v. Heinemann SS. XV, 2, 66S zurückwies. Die Vita
geht teils auf die Mir. Reiners oder seine Unterlagen (vgl. SS. XV, 2, 576)
teils auf die alte Vita Gerardi zurück.
*) Ann. Bland. 931. <) Vita Gerardi o. 17.
128
durch Herrschertugenden und Reichtum, als gewaltige physische
Kraft ausgezeichnet 0 Er hatte mit der Herrschaft ttber das
Land auch den Besitz der zahlreichen Abteien des Reiches
geerbt, die allerdings zur Zeit sich in beklagenswertem Znstande
befanden. Das ganze am Meere liegende Gebiet war seiner
Bebauer beraubt und glich einer Einöde.^) Die Besitzungen
der Klöster waren unter den Gütern des Markgrafen aufge-
gangen, während die Klosterheiligen nach der Zerstörung ihrer
Heiligtümer noch kein Heim wieder gefunden hatten.
Die beiden bedeutendsten Stifter waren bis dahin St. Peter
auf dem blandinischen Berge und St. Bavo gewesen. Jedes
von ihnen behauptete das ältere zu sein mit derjenigen
Kirche, welche der hl. Amandus innerhalb der Burg Gent dem
hl. Petrus gestiftet hatte. ^) Beide Klöster waren völlig in
Verfall geraten. In St Bavo hatte das Feuer nur dürftige
Mauerreste verschont, die jetzt mit dichten Dornen und
Unkraut bedeckt waren ; solche Spuren hatte die Einäscherung
der Abtei durch die Normannen und ihre Ueberwinterung
dreissig Jahre später in Gent hinterlassen. ^) Mit den Reliquien
waren die Mönche noch zur rechten Zeit erst nach St Omer,
dann nach Laon geflohen ^), wo der hl. Bavo und die hl. Pha-
raildis auch später noch ruhten. Das Schwesterkloster auf dem
Mont-Blandain war von weltlichen Clerikern in Besitz genommen,
während die Ländereien durch Raub und Vernachlässigung auf
nichts herabgebracht waren.^) Das dritte der grossen flandrischen
Klöster St Bertin war zwar noch in den Händen von Mönchen,
») Vita S. Bertulfi Betic. c. 23, SS. XV, 2, 625; Vita Gerardi c. 19.
*) Mirac. S. Bavonis I, c. 7, SS. XV, 2, 593: Et quoniam eotenus ut
totiis circumiacens paguSj ita et Gandensia coenobii hcw pene videbatur
similior deserto vacuatus cuUoribus,
') Ueber diesen interessanten Streit vgl. die ausführliche Darlegung
bei Holder-Egger, Zu den Heiligengesch. des Genter St. Bavosklosters,
Waitz-Aufsätze 1S86, p. 634 ff. — Zu bemerken ist, dass der von H.-£.
im N. A. X als ineditum gedruckte Brief Odvins v. St. Bavo an Adelwin
V. Mont-Blandain kurz vorher in d. Analecta Bolland. III, 189 zum Abdruck
gelangte.
*) Mirac. S. Bav. I, c. 7. Vgl. Ann. S. Bav. 851 u. 880.
ß) An. S. Bav. 846, 858.
^) Vgl van Lokeren, Chartes et docnments de St.-Pierre I, nr. 1 5, p. 1 6 ff. :
rebtiSj qiie partim per violentiam, partim per negligentiam ablote sunt.
129
die namentHoh unter dem Volk ungemein viel Anhang hatten,
aber ein regulärer Abt fehlte; dagegen konnte Arnulfs Gemahlin
es trotz der entgegenstehenden Klostervorsehriften durchsetzen,
die geheiligten Bäume zu betreten und am Grabe des hl.
Bertinus zu beten. Sowohl sie, als der Graf erwiesen dem
Kloster in der Folge Wohlthaten^); es ist jedenfalls diejenige
nnter den flandrischen Abteien gewesen, die bei Beginn der
Reformbewegung sich noch im leidlichsten Zustande befand.
Der erste, der auf diese Verhältnisse aufmerksam wurde,
war der Bischof Transmar von Noyon, ein reformatorisch ge-
ginnter Mann. Er fasste zuerst den Gedanken einer Wieder-
herstellung des St. Bavoklosters und schrieb darüber dem
Markgrafen einen Brief: er wolle eine Leiter errichten, auf
welcher sie beide in leichtem Fluge den Himmel erklimmen
könnten.^) Auch an mündlichen Ermahnungen liess der fromme
Bischof es nicht fehlen und so rang er Arnulf wirklich die
Einwilligung ab. Es ist dunkel, wie man gerade auf Gerhard
als den geeigneten Beformator kam, aber es ist doch anzu-
nehmen, dass Transmar bereits den Abt von Brogne kannte,
ehe er überhaupt darauf verfiel, die Beform in Flandern zu
beginnen. Die Vita freilich erzählt, Gerhard habe den Grafen
einmal von einem Steinleiden geheilt, dessen Beseitigung
geschickte Aerzte vergeblich versucht hätten.^) Im* Jahre 937
erschien Gerhard^), aber die Bestauratiou des Stiftes nahm
mehrere Jahre in Anspruch. Zwei Jahre später erfolgte erst
die Translation der nach Laon geflüchteten Heiligenreliqnien,
am 19. September zunächst nach der Kirche im neuen K!astell,
weil die St. Peterskirche noch nicht vollständig wieder her-
gestellt war^), und erst im nächsten Jahre konnte die feierliche
Uebertragnng unter grossem Menschenzulauf nach St Bavo
erfolgen : freilich hatte der Abt auf Verlangen des Markgrafen
0 Folcuini Gesta abb. S. Bert. c. 106.
') Mirac. S. Bav. c. 7: mandavit litteris (vJb in acriptis exxis re-
perimw) super hoc negotio Amulfo marchiso, ad quem idetn locns ex regio
pertin^xU beneficiOf sc scilicet scdUvm velle erigere, per quam uterque levi
rolatu cadum poaset conscendere.
») V. Gemrdi c. 19. *) An. S. Bav. 937.
<0 An. S. Bav. 939; nach Job. de ThUrode c. 11, SS. XXV, 567
geschih das 940.
Bftokvr, ClnniaoooMr. L 9
130
einen Teil der Reliquien in der Bargkapelle lassen müssen.^)
An den Wiederaufbau und die Vergrösserung des Kloster-
gebäudes konnte man indes erst im Jahre 946 gehen. ^)
Inzwischen war auch die Reform von Mont-Blandain ins
Werk gesetzt worden. Hatte Arnulf einmal den Anfang ge-
macht, so lag es nahe, gerade dasjenige Stift einem regulären
Klosterleben und einem auf sicherem Grundbesitz beitihenden
Gedeihen zuzuführen, das durch die Gräber der Vorfahren dem
Markgrafen und seiner Familie ganz besonders teuer sein
musste. Mit dem Beispiel des Judas Maccabäus vor Augen,
der den von Antiochus zerstörten Tempel von Jerusalem
wieder aufbaute, sann er, wie er selbst einmal bezeugt,
Tag und Nacht darauf, die Familienstiftung aus ihrem
Verfall zu erheben: wie aus einem schweren Traume erwacht
— so bezeichnet er den Umschwung in der Gesinnung, den
er in seinem religiösen Bewusstsein erlitten.^) Er holte die
Erlaubnis König Ludwigs IV. ein und verhandelte mit Bischof
Transmar von Noyon durch Boten, indem er ihn bat, nach Gent zu
kommen. Da der Prälat aber durch Hofdienst verhindert war,
erschien ein Stellvertreter, der Archidiacon Bernacer, am 24. Juni
941 vor dem Grafen.*) Nunmehr wurden die Cleriker von
Mont-Blai)dain aufgefordert, das Mönchskleid zu nehmen.^) Be-
greif lichei'weise erregte der Umschwung die grösste Erbitterung;
Gerhard stiess auf energischen Widerstand^); doch zerstreuten
sich schliesslich die meisten der verweltlichten Chorherren und
die Ordination der Mönche durch den Archidiacon und Abt
Gerhard konnte erfolgen, während der Markgraf in umfassender
Weise die Restitution der Klostergüter begann und das Stift,
wenn auch nicht mit dem einstmals besessenen Areal, so doch
») An. S. Bav. 940 ; vgl. Mir. S. Bav. c. 7.
«) An S. Bav. 946.
^ van Lokeren, Charles et doc. nr. 18., Urk. Arnulfs v. 8. Juli 942:
exsurgens quasi a gravi somno excitatuSy cepi cogitatione tadta meciim
diebus noctibusque revolvere etc. '
*) Das Jahr 941 geben die Ann. Bland, und der Liber ccnsualis
(SS. XV , 2, 645 n. **) : 8. Iduum Jidiarum anno dorn, incam. dorn. 941.
^) V. Lokeren a. a. 0. nr. 16.
') V. Ger. c. 20 weiss sogar von Mordabsiebten.
131
io angemesseaer Weise aiisstatteteJ) Tin selben Jahr noch gab
Transmar bei seiner Anwesenheit in Gent dem St. Peterskloster
den Segen nnd sprach für den Ort nnd seinen Besitz die
bisehöflicbe Immnnität ans.^) Damit war aber noch nicht der
Gmnd gelegt für das weitere Anfbltthen der Familienstiftung.
Ueberhänfte Arnulf und seine Gemahlin Zeit seines Lebens
dieselbe nait Schenkungen 3), so betrieb er auch die Herbei-
{lebaffung von Heiligenreliquien, welche dem Kloster in der Be-
völkerung erst das rechte Ansehen gewähren konnten. Im
Herbst des Jahres 944^) begaben sich Markgraf Arnulf und
Abt Gerbard mit einer Sehaar von Mönchen und Clerikem
nach Boalogne, wo vor etwa hundert Jahren die Gebeine der
hl. Wandregisil, Ansbert und Wulfram in Sicherheit gebracht
worden waren. Am 3. September langte der Zug mit den
Heiligen, die es an Wundem nicht fehlen Hessen, und zahllosen
kleinen Reliquien in Mont-Blandain an ; auf dem ganzen Wege
hatte die flandrische Bevölkerung mit ihrer Geistlichkeit den-
selben die höchsten Ehren erwiesen.*) In Gent nahm die Be-
satzung der Burg, wie das Stadtvolk regen Anteil an der Feier ;
unter Gesängen zog die Mönchsschaar des Klosters auf dem
Berge, voran der Bischof von Noyon, der Proeession entgegen.«)
Zu Ehren der Heiligen begann jetzt im Herbst das Erdreich
auf dem Mont-BIandain wie im FrOhUng zu spriessen und zu
keimen nnd die Bäume bedeckten sich mit frischem Grttn.'^)
^) V. Lokeren nr. 15: reatitiUis eis quibusdam rebus; nr. 16: redditis
in heato loco ablatis decimis et terria rogatu tnagni comitis; nr. 18: ei
9i non omniaf saltem reddidi aliqua que predecessomm meorum tempore
imle 8wit abstracta . . . Hec cuncta licet Quantität e et mwnero videantur
permodica; nr. 21 (Ludwig IV): reddidit . . quaadam re», quamvis non omnes.
•) V. Lokeren nr. 15. 16.
') V. Lokeren nr. 18. 22. 23. 29. 30. 31.
*) Das Jahr giebt der Sermo de adventn SS. Wandregisili, Ansbert!
et VulfraDni c. 20 (SS. XV, 2, 631) und die An. Bland. 944; Gatal. abb. Bland,
a. a. 0. p. 645 : 3. anno suh Gerardo abbate.
«) Sermo de adventu c. 14—19: SS. XV, 2, 628—630.
«) Sermo c. 20.
*) Sermo c. 21. — Die Translatio erwähnt auch die V. Ger. c. 20
Ä. a. 0. S. 671, bemerkt aber: angtista refugit nostrae narrationis angustiaj
pratsertim cum hactenus tota idipsum protestetur Flandrensis provincia.
Dts kAan nattlrlieh nur aus der Vita prior stammen, zumal ganz deutlich da-
dueh bezeugt ist, dass die Translatio noch nicht besonders geschrieben war.
9»
132
Eine neue Basilica erhob sich statt der alten, welche nicht mehr
ansreichte, reich mit liegendem Besitz und Gold- nnd Silber-
schätzen aasgestattet J) Endlich erfolgte, ein wenig später, am
3. Dec, ebenfalls aus Boulogne, die Translation der hll. Ber-
tulfas und Gudwalo und anderer Reliquien, die ebenfalls in der
neuen Kirche in der östlichen Absis ihre Ruhestätte fanden.^)
Wenige Monate, bevor Markgraf Arnulf und Abt Gerhard
die Translation der genannten Heiligen nach dem blandinischen
Berge vornahmen, waren beide an die Reform der dritten der
grossen flandrischen Abteien gegangen. Der Abt wurde be-
auftragt, mit den Mönchen von St. Bertin zu verhandeln, am
sie auf den rechten Weg zu geleiten. Als sie aber mit Hart-
näckigkeit sich jeder Aendernng entgegenstellten, erfolgte am
15. April 944 ihre Ausweisung und die Einführung regulärer
Mönche, die Gerhard aus verschiedenen Orten zusammengebracht
hatte. Aber die Bevölkerung ergriff offen Partei für die alten
Brüder und war geneigt, sich mit Gewalt gegen die Ankömm-
linge und den Abt zu erheben. Schliesslich siegte doch die
neue Richtung ; die früheren Insassen schieden unter dem Geleit
des Volkes und siedelten zum grossen Teil nach England über,
wo König Ethelstan, der besondere Anhänglichkeit an St. Bertin
hatte, wo sein Bruder Edwin bestattet war, ihnen ein neues
Heim bereitete. Immerhin waren es noch neun Mönche, die
nach ihrem alten Kloster zurückkehrten, entschlossen, sich der
neuen Ordnung zu fligen.^) Aber Abt Gerhard, der, wie wir
wissen, gerade damals durch die Blandinienser stark in An-
spruch genommen war, behielt die Abtwürde von St. Bertin
nicht, sondern setzte eine provisorische Leitung ein, die aus
einem Mönche von St Evre, Agilo, und Womar, einem Blan-
dinienser, bestand.*) Nach Agilos Tode jedoch, 947, erfolgte
^) Sermo c. 22.
«) c. 23; VitÄ S. Bertulfi c. 30, SS. XV, 2, 637. Vgl. Schultze p. 243.
>) Folcuini Gestaabb. S. Bert. c. 107; nach den Ann. Bland, erfolgte
die Ordination Gerhards in St. Bertin 945.
*) Folc. Gesta a. a. 0.: Agiloni quodam aancti Apri monacho Toletanae
civitatis cimi Womaro Blandi7iii monasterii monacho^ non cwn aJbbatis
nomine^ regularia vitae regimeth comite ivtbentt et Qerardo abbate con-
sentiente concessum est. St. Evre bei Toul war schon vorher von Fleoiy
auB reformiert worden.
133
die endgültige Consecration Widos, eines Neffen des Abtes
Gerbard, anf dessen eifriges Betreiben. Wido wurde jedoch
bald jngendlieher Thorheiten bei dem Markgrafen angeschuldigt
Dod der Abtei beraubt, die nunmehr Hildebrand, einem Neffen
Arnulfs, übergeben wurde, der am 17. März 950 durch den
Bisebof Wiefried von Tb^rouanne die Weihe erhielt. Der
Markgraf sorgte in der Folgezeit für den Erwerb und die Trans-
lation TOD Heiligenleibem und Rückgabe von Eirchengut. Ein
sächsischer Canonicus, der nach der flandrischen Abtei geflüchtet
war, ein gelehrter Mann, übernahm die Leitung der Schule.^)
Mit grosser Schnelligkeit hatte sich in den flandrischen
Abteien der Umschwung vollzogen. Der Markgraf, der im An-
fange seiner Berrschaft die Anschauungen und Gesinnungen
des Eriegsadels teilte, der über die Landesstifter schaltete und
waltete and ihre Ländereien an Vasallen weggegeben hatte ^),
wurde schliesslich durch das Verdienst des Bischof Transmar
and das Gerhards von Brogne völlig den kirchlichen Befoim-
ideen gewonnen, so dass er von dem säcularisirten Besitz so-
viel als möglich zurückgab und auch für die Beschaffung von
Reliquien sorgte. Namentlich auf Mont-Blandain hörte er nicht
anf^ Gunstbeweise zu häufen; auch sein Schwiegersohn Graf Wich-
mann beschenkte nach dem Tode seiner Gattin, der Tochter
Arnulfs, zu ihrem Seelenheil das Familienkloster. ^)
Die Wirksamkeit Gerhards ist jedoch damit noch nicht
erschöpft. Sicher ist, dass auch St. Amand, sehr wahrscheinlich,
dass St Omer ihm eine geistliche Wiederbelebung verdankten.
In beiden FäUen scheint ebenfaUs Arnulf ein nicht geringes
Verdienst beanspruchen zu dürfen. Am 1. Juni 952 berief er
zur Weihe des Abtes Leudericus von St. Amand die Bischöfe
Fulbert von Cambrai und Rudolf von Noyon ; von Achten aber
fanden sich Gerhard von Brogne, Hildebrand von St. Bertin
und Bemer von Homblieres ein, lauter entschiedene Vertreter
der reformatorischen Richtung.^) Der Markgraf erstattete
1) Folcuini Gesta c. 108.
*) Epist Odelboldi abb. S. Bavonis ad Otgivam, Miraeus, Opp. dipl.
I, 348. 8) V. Lokeren nr. 32 v. 18. Oct. 962.
*) Annal. Einen, maj. 952; An. Elnon. min. 952. Schnitze bat über-
sehen, dass Ledricus in einer Urk. Lothars v. 11. Dec. 954 als Abt unter
der Botmässigkeit Womars bezeichnet wird. S. Excurs IV.
134
alle Besitzungen der Abtei zurttck und übertrug vieles von seinem
Eigentum. Leuderiebs Regiment war nur von kurzer Dauer:
er starb bereits 956. >) Die glücklichen Erfolge, die Arnulf
mit der Klosterreform bereite in den drei grossen Klöstern
seines Landes in den vierziger Jahren erzielt hatte, veranlassten
vielleicht König Ludwig IV. im Jahre 949 St. Omer, das seit
der Zerstörung durch die Normannen ohne Leiter blieb, Arnulf
von Flandern zu übergeben. Ein gewisser Adelard empfing
als erster Propst die Abtei von Arnulf und leitete sie von
950 — 967, in welchem Jahre Adalwin folgte, bis er 982 Abt
von St Bavo wurde. Man wird kaum zweifeln dürfen, dass
auch bei dieser Reform Gerhard beteiligt war, da die Aebte
von St Bertin die Oberaufsicht führten, wie der Propsttitel
der Vorsteher von St Omer vermuten lässt Es kommt dazu,
dass einer derselben später auf den Abtsitz von St Bavo ge-
langt, woraus zu schliessen, dass er der Schule Gerhards von
Brogne angehörte. 2)
Man hat Gerhard von Brogne eine ausgedehntere Thätig-
keit in der Reimser Diöcese auf Grund einer Notiz der
Klostergeschichte vonMouzon^) zuschreiben wollen, sicher mit
Unrecht Das Kloster Saint-Remi, dessen Abt Gerhard danach
gewesen sein soll, wurde, wie wir sehen werden, 945 von
Fleury aus reformiert, die Abtreihe ist vollständig bestimmt
und vorher war bei den politischen Verwickelungen, deren
Mittelpunkt Reims war, an eine Reform dieses Klosters nicht
zu denken. Entstanden mag die Nachricht dadurch sein, dass
wir später einen Schüler Gerhards, Letald, als Abt von Tin-le-
Moutier und Mouzon finden, ohne sicher angeben zu können,
wie er dahin gelangt ist Möglich ist allerdings, dass die
Stifter des erstgenannten kleinen Klösterchens Graf Stephan
und Fredelindis sich an Gerhard wandten, der aber dann
sicher nicht Abt von Saint-Remi gewesen ist üeber Letald
») An. Elnon. 956.
«) Vgl. Lamberti S. Audomari Series abb. S. Bertin. SS. XIII, 390.
Hier wird die Uebersiedeliing Alwins nach Gent bereits 975 gesetzt.
^) Eist. Mosom. c. 2, SS. XIV, 610: Hunc ergo per consilium domni
Gerardi abbatiSy viri vitaeque venerabiliSj qui tunc temporis pro merito sui
nominis et religiosae conversationis plusibus in Franda preerai monachortmi
cenobiiSf inter qtuie et tnonaaterii Sancti Eetnigii curam agebat.
135
irerden wir an anderer SteUe zu reden haben: hier genügt
es, darauf hinzuweisen, dass die Bichtnug Gerhards nicht auf
Lothringen und Flandern beschränkt blieb und dass sich
Spuren von Wirkungen auch in Frankreich uachweisen lassen.
In der Normandie scheiterten zwar vorläufig noch die Versuche
Gerhards, festen Fuss zu fassen, sicherlich, weil bei der erst
za kurz verflossenen Christianisierung der Bevölkerung weder
der Hof, noch das Volk für kirchliche Reformideen reif war.
Wenig glaubwürdig aber ist die Nachricht einer normannischen
Quelle, Gerhard habe dem Herzog Richard die Zurückgabe
der Gebeine des hl. Wandregisil versprochen, die, wie vnr
wissen, von Boulogne nach Mont-BIandain übertragen wurden,
wenn er dem Kloster St Wandrille die einst besessenen Be-
sitzungen restituiere. 1) Die aus diesem Stift nach Gent ge-
brachten Reliquien bildeten den Hauptschatz des Klosters, bei
dessen Erwerbung der Graf wie der Abt den grössten Eifer
entwickelten. Wie hätte er jetzt ein solches Anerbieten machen
sollen, das ihn Arnulf gegenüber vollständig biosstellen konnte
— man müsste denn annehmen, dass es nur auf einen Betrug
dem Herzoge oder dem Grafen gegenüber abgesehen war. Glückte
es aber auch Gerhard noch nicht, reformatorischen Sinn in
der Normandie anzupflanzen, so erfolgte doch wenige Jahre nach
seinem Tode die Uebertragung der Keime aus einem der
Genter Klöster nach dem nördlichen Frankreich, wovon aber
hier noch nicht die Rede sein kann.
Bis in das Jahr 953^) hatte Gerhard die Abtwürde der
beiden Genter Stifter behauptet und auch über die übrigen
reformierten Klöster des Reiches seine Autorität bewahrt. In
diesem Jahre verbreitete sich in Folge des Aufstandes Ludolfs
von Schwaben, Konrads von Lothringen und des Erzbischofs
Friedrich von Mainz das Kriegsfeuer über das ganze Reich;
namentlich aber die westlichen Gebiete, Lothringen war in
heftiger Erregung. Wir wissen, dass Gerhard, als er nach
St Denis ins Kloster ging, seine sämmtlichen lothringischen
Besitzungen, darunter auch Brogne dem französischen Kloster
*) Vgl. Mirac. S. Wulfr. c. 3, d»Achery, Spicil. II, 285.
*) An. Bland. 958 ; An. S. Bav. 953.
136
ttbergab, obgleich jenes im Ltttticher Sprengel lag. Nunmehr
bei dem ausbrechenden Kriegsgetttmmel schien es dringend not-
wendig, das Kloster Brogne loszukaufen und seinem natürlichen
Beschützer, dem Bischöfe von Lttttich, zu untergeben, da die
Mönche von St Denis natürlich in keiner Weise dem fem
gelegenen Stift ihren Schutz angedeihen lassen konnten. Es
gelang Gerhard in der That mit Hülfe der von Arnulf er-
worbenen Geldmittel das Abhängigkeitsverhältnis zu lösen und
die kleine unbedeutende Abtei in die Hände des Bischofs
Farabert zu bringen, der seinerseits zum Dank dafür dem
neuen Schützlinge zwanzig Hufen Ackerland überwies. Nun
kehrte Gerhard noch einmal nach Flandern zurück, besuchte
die Stifter, die unter seiner Herrschaft gestanden hatten und
setzte über St Peter und St. Bavo eben jenen Womar, der
vorübergehend eine ähnliche Stellung in St Bertin eingenommen
hatte; in Cambrai erhielt er durch den Bischof Fülbert die
Weihe. 9 Aber nicht* nur die beiden Genter Klöster kamen
unter seine specielle Leitung, auch die Abhängigkeit anderer
flandrischer Klöster, wie St. Bertin, St Vaast, St Amand dauerte
unter Gerhards Nachfolger fort. 2)
Er war ein noch junger Mann, wenig über dreissig Jahr alt')
^) AUes nach Y. Ger. c. 21. Schnitze verwirft die ganze Erzählung
und er muss es, da er ja leugnet, dass Gerhard überhaupt in St. Denis war.
Wir haben letzteres (Excurs IV.) nachzuweisen gesucht, indem wir zeigten,
dass die chronolog. Daten der Vita sich als völlig richtig erwiesen. Ebenso
ist es mit diesen Nachrichten. Die Vita beschreibt hier heftige
Kämpf e, unter denen nur diejenigen von 953 gemeint sein können. 953
lobte auch Bischof Farabert noch, der hier genannt wird, 953 dankt Ger-
hard in der That ab. Dagegen verwerfe ich den Bericht über die römische
Reise, die Gerhard unternommen haben soll, um de rebus et liberalitcUe
ejusdetn nionasterii authenticos apices confirmantis decreti zu erlangen.
Der Autor benutzt nämlich eine Urkunde eines Papstes Stephan, der zu dieser
Zeit nicht regierte; nun ist uns ein unechtes Diplom eines Papstes
Stephan erhalten (vgl. v. Heinemann, N. Arch. XV, 594). Da aber na-
mentlich die Zeugenreihe in demselben übereinstimmt mit der Notiz der
Vita, nach der Gerhard die Erlaubnis erhielt, ut omnes subscriberent epis-
copi, per quos repatriando speraret ipse reverti, so ist kaum zu bezweifeln,
dass der Autor sich hier auf die falsche Urkunde stützt. Die römische
Reise verliert dadurch jede Bestätigung.
*) Vgl. die Urk. Lothars f. St. Bavo v. 11 . Dec. 954 (Serrure, Gart, de
St.-Bavon nr. 5^^, p. 5). ^) Nach den Ann. Bland, ist er 922 geb.
137
und seit fttnfzehn Jahren bereits darch die Priesterwürde geehrt 0;
erst 942 hatte er auf dem Mont-BkiDdaiii die Kntte genommen. ^)
Während nun hier seiner Einsetzung keine Hindernisse in den
Weg traten, gab es anseheinend in St. Bavo eine Partei unter
den Mönehen, die gegen die Personalunion mit dem Schwester-
kloster war und gegen Womar einen andern Abt auf den Schild
hob, einen gewissen Hugo. Indes wandte sich Womar bereits ein
Jahr nach seiner Ordination an den Abt Einold von Gorze, Humbert
von St Evre und andere reformatorisch gesinnte Klosteräbte: auf
deren Betreiben Graf Arnulf und sein Sohn den König von Frank-
reich mit der Bitte angingen, die Klosterleitung Womar zu be-
stätigen. Mit aller Entschiedenheit erklärte Ludwig d'Outremer
sich für den Günstling des markgräflichen Hauses 3), aber die
Opposition dauerte offenbar fort, denn noch im Jahre 967
wandte sich König Lothar in einem Diplom fbr St. Bavo, in
welchem er nach Arnulfs Tode die Rechte und Besitzungen der
Abtei bestätigte und für die in Frankreich gelegenen Güter
Immunität gewährte, gegen die schlechten Umtriebe, welche die
Klostermhe stören und lieh dem Abt Womar und seinen
Mönchen den Schutz seiner Autorität^) Warum die Stellung
Womars in St Bavo eine sehr missliche sein musste, ist ganz
1) An. Bland. 938. >) An. Bland. 942.
^ Urk. Lothars v. 954 bei Serrure a. a. 0. : Habeant sane potestatem
eligendi abbatem regiUariteTf quemcu/nique degerint: ita tarnen, ut his
qui in praesetUi tempore ejtisdeni coenobii regimen regidariter suscepwse
dignoscitur, dominus sdlicet Womarus, omnium opjw'nentium se insidiiSj ab
ejmdeni loci patemitate nunqtiam jyrivari valeai. Sowohl Schultze, als
Holder-Egger haben erkannt, dass diese entschiedene Verteidigung Womars
eine kräftige Opposition gegen seine Person in St. Bavo voraussetze.
Sehultze geht aber gewiss fehl, wenn er in den Gegnern eine reform-
feindliche Partei sieht. Da St. Bavo völlig neu eingerichtet wurde und
kein Stamm alter Mönche vorhanden, so wüsste man nicht, woher diese
Feinde der Reform kommen sollten. Dagegen ist mit Holder-Egger an-
zunehmen, dass man in St. Bavo für Selbständigkeit war und es scheint
das bei der Rivalität zwischen den Genter Klöstern ein sehr begreif-
licher Wunsch,
*) ürk. Lothars v. 5. Mai 967, Serrure nr. 6*, p. 7: Praecaventes itaque
antiqui hostis insidias^ quibus servorum dei quietem conturbare et muUiforma
eaüiditate molestari nitituTf reverendo abbati Womaro et ejusdem sancti loci
fratribus hanc nostrae auctoritaiis tutelam contra venttwae perturbationis
jacuUif opponendam conceMtmus,
138
klar: St. Peter war unstreitig das bevorzngtere und begttnstigtere
beider Klöster. Auf der audem Seite erhoben die St Bavos-
mönche den Anspruch auf höheres Alter ftlr ihr Kloster, das
in ihren Augen die Gründung des hl. Amandus in der Burg
Gent war. Daran knüpfte sich gerade unter Abt Womar jene
langwierige Rivalität zwischen beiden Abteien, die Fälschungen
verschiedener Art zu Tage förderte und da die Brttder von
St Bavo die schwächeren waren, so ist es sehr begreiflich,
dass Womar fttr die Blttte von Mont-Blandain mit verantwortlich
gemacht wurde. Indes hatte jener Hugo, den die St Bavonianer
für ihren Abt ansahen, endlich 965 für gut befunden zu re-
signieren. ^) Da bald darauf die Neuverbriefung des Stifts ftlr
Womar durch den französischen König erfolgte, so ist anzu-
nehmen, dass fllrder der Widerstand niedergeschlagen wurde,
zumal von weiteren Umtrieben nichts bekannt ist. Die beiden
Klöster erfreuten sich übrigens unter Abt Womar auch der
Gunst der deutschen Kaiser ; dieselben waren unermüdlich be-
strebt, die Rechte und Freiheiten der Klosterländereien zu er-
weitern. Restituierte Otto II. am 21. Jan. 974 und 18. Jan. 976
ehemals im Besitze von St Bavo gewesene Güter ^), so gewährte
Otto I. am 22. Jan. 966 einigen Gütern des blandinisohen
Klosters innerhalb der deutschen Reichsgrenzen Immunität 3),
was sein Nachfolger am 28. Febr. 977 bestätigte.^) Im selben
Jahre hob der Kaiser alle Zölle auf, die bis dahin im Reiche
von den Klosterleuten von St Peter eingetrieben wurden.*)
Am 27. Aug. 980 segnete Womar das Zeitliche«) und Wido,
der bis dahin unter jenem wahrscheinlich Probst von St Bavo
gewesen war"), folgte als gemeinschaftlicher Abt der beiden
Genter Abteien. Auch jetzt wieder stellten sich augen-
scheinlich der gemeinschaftlichen Verwaltung Schwierigkeiten
entgegen, denn bereits zwei Jahre später resignierte er in St
Bavo.^) Auf dem Mont-Blandain gewann er dagegen offenbar
») An. S. Bav. 965.
') van Lokeren, Hlst. de l'abbaye de Saint-Bavon, Gand 1S55-
Analyse des chartes et docum. p. 2; M. 6. DO II, nr. 69. 125; St. 617. 691.
>) v. Lokeren, Chart, et doc. de St. -Pierre nr. 40; DO I, nr. 317; St 395.
*) V. Lokeren nr. 50; DO II, nr. 145; St. 694.
») V. Lokeren nr. 49; DO II, nr. 149; St 697a.
•) Nach d. Berechn. v. Holder-Egger a. a. 0. p. 661.
'') Nach Holder-Eggers Annahme p. 662 ff. ") An. S. Bav. 982.
139
grosses Ansehen: ostentatiT bezeichneten die Mönche dieses
Klosters ihn in ihren Annalen, wo sie sich sonst aller Epitheta
enthielten, als den weisen Wido nnd Wido frommen Ange-
denkens. ^) Als Wido nach einigen Jahren 986 aus dem Leben
schied, da wählten denn seine Mönche nicht mehr den Abt
von St Bayo zu ihrem Abt: beide Klöster blieben fortan nn-
vereinigt, aber ihre Beziehungen blieben auch weiter die engsten,
wenn auch feindseligsten: denn sie stritten ein Jahrhundert
lang um die Ehre des Alters und um den Ruhm ihrer
Heiligengebeine.
Wir haben nur noch einen Blick auf St. Bertin zu werfen,
wo wir Hildebrand, den Neffen Arnulfs, als Abt verliessen;
er kam um die Zeit, da Gerhard sich von den Amtsgeschäften
zurückzog, nach St. Vaast, dessen Reform der Markgraf eben
so eifrig, als die der anderen flandrischen Stifter betrieb. Die
Widerstrebenden mussten wieder von dannen weichen ; über den
Geschäften und neuen Einrichtungen vernachlässigte Hildebrand
aber St Bertin, so dass dort, wenn auch gegen den Willen
der Brttder, durch Arnulf ein gewisser Reginald zum Abte
erhoben und am 21. März 954 ordiniert ward, dem es auch
gelang, sich die Liebe der Mönche zu erwerben. Als aber der
neue Leiter in eine schwere unheilbare Krankheit verfiel, wurde
auf Betreiben des Grafen zunächst nur ein provisorischer
Vorsteher ernannt, da Arnulf doch den Plan hatte, seinen
Neffen Hildebrand wieder nach St. Bertin zu berufen. Und
so geschah es. Im Jahre 962 trat Hildebrand zum zweiten
Mal die Abtwürde des westflandrischen Klosters an. 2)
Die Reform in Flandern nahm ihren Weg, ohne von
der von Cluni ausgehenden Bewegung näher abhängig zu
werden. Indes hatte keine von den damals bestehenden
RichtuDgen einen so exclusiven Charakter, dass eine leise
Bertihrnng ausgeschlossen gewesen wäre. In St Bertin treffen
wu* doch einen Mönch von St. Evre kurze Zeit am Ruder und
0 An. Bland. 981: svccessit sapiens Wido; 986: Obiit Wido piae
memoria^; Catalogus abb. Bland. (SS. XV, 2, H45): Post hunc Wido sapiens.
*) Folc. Gesta abb. S. Bert. c. 100. — Schnitze p. 245 irrt sich hier,
wenn er unmittelbar auf Wido Womar als Abt von St. Bertin folgen und
erst 081 nach W.'s Tode Ilildebrand Abt dieses Klosters werden lässt.
140
dieses Kloster stand, wie wir noch sehen werden, seiner reforma-
torisefaen Richtung nach zu Fleury in nahem Verhältnis. Womar
von St. Bavo und St. Peter begegnet mehr als einmal in Beziehungen
zu den Metzer Reformatoren, die ihren Ausgangspunkt in Gorze
nahmen. Der Erzbischot Dunstan TonCanterbury componierte seine
Klosterregel aus den Vorschriften von Fleury und St. Peter auf dem
blandinischen Berge und schliesslich verschmolz sich die Genter
Bewegung in der Normandie mit der cluniacensischen, die
hier von Wilhelm von Dijon geleitet wurde. Es fand offenbar
hier überall ein Geben und Nehmen statt, das schon durch
den ewigen Wechsel der Mönche in diesen Klöstern und den
fortwährenden Zufluss neuer Elemente aus anderen Gebieten
bedingt wurde. Freilich gewährt die Durchführung der neuen
Tendenzen ganz äusserlich betrachtet in den verschiedenen Re-
formbezirken ein unterschiedliches Ansehen ; aber man darf nicht
vergessen, dass diese Besonderheiten weniger durch eine innere
der betreffenden reformatorischen Richtung innewohnende Kraft,
als durch recht äusserliche und zufällige Umstände hervorgerufen
wurden. So lag der Grund der ganz besonderen Reliquienver-
ehrung und der Bemühungen, die alten Reliquien in den Klöstern
aufzuhäufen, die in Flandern sich bemerklich machen, offenbar
einzig und allein darin, dass wir es überaU mit alten Stiftern
der Merowingerzeit mit ihren zahllosen irischen Heiligen zu thnn
haben, deren Besitz von jeher als der Beweistitel des Alters und
des Ansehens der Abteien galt. Kamen nun noch Rivalitäten,
wie zwischen den Genter Klöstern hinzu, in denen möglichst
zahlreiche Heiligengebeine fUr ebensoviel Argumente angesehen
wurden, so wird man dieses Hervortreten der Reliquiensucht ge-
wiss nicht als eine Eigentttmlichkeit des Gerhard'schen Reform-
geistes ^) betrachten, sondern auf die zurälligen Umstände, die sie
bedingten, zurückzuführen haben.
Von grösserer Wichtigkeit für das Gedeihen der Klöster
und den Fortschritt der Reform ist die mehr oder weniger
grosse Freiheit, welche man den Stiftern selbst überlässi In
Flandern ist die Reform durchaus das Werk des Markgrafen
Arnulf. Er ist der Herr über die reformierten Abteien, nicht
nur der Lehnsherr, sondern der Besitzer. Er giebt sie nicht
aus den Händen ; dagegen veranlasst er den Bischof von Noyon,
^) Wie Schnitze p. 256 meint.
141
Stifter, wie die von Mont-Blandain und St Bavo von der
bisehöflichen Jnrisdiction za befreien. Sie kommen dadurch
um so fester in seine Gewali Es erfolgt auch kein Abtwechsel
ohne ihn. Ihm zur Seite steht Gerhard ; so lange er in Flandern
thätig ist, steht er an der Spitze des gesammten Klosterwesens.
Beide, der Abt und der Graf verfahren bei ihren Abtein-
setzungen, Translationen und Reformen gemeinschaftlich. Bald
giebt der eine, bald der andere die Anregung. Nicht nur
über die Genter Klöster, sondern auch über die, welche er
nicht unmittelbar leitet, behält Gerhard eine höhere Aufsicht
Er nimmt bei Arnulf die Stellung eines Procurators f&r das
flandrische Klosterwesen ein, eine Befugnis, die auch auf seinen
SehtUer Womar übergeht Diese eentralisierende Verwaltung
hatte indes nicht lange Bestand. Wir wissen, dass sich sogar
schon in St Bavo Selbständigkeitsgelttste regten und als nun
962 Markgraf Arnulf seinem um drei Jahre ^) ihm im Tode vorauf-
gegangenen Freunde Gerhard folgte, zerriss eigentlich das
letzte Band, das jene Vereinigung von Klöstern zusammenhielt
Die Wirkungen der Beform hielten darum nicht lange vor:
hatten Arnulf und Gerhard bei der Besetzung der Abtstühle
natürlich die Candidaten in erster Reihe auf ihre mönchischen
und organisatorischen Qualitäten geprüft, so liess die freiere
Entwickelung des Klosterwesens mehr persönlichen Rivalitäten
Spielraum. So kam es, dass es in der ersten Hälfte des
nächsten Jahrhunderts kein Kloster in Flandera gab, dass
nicht der von Richard von St Vannes und Poppo von Stablo
in Gang gesetzten Reform bedurft hätte.
2. Oberlothringen.
Kirchliche Zustände.
Seit dem Vertrage von Fouron im Jahre 878, der die
Teilung Lothringens in der Abkunft von Mersen nochmals be-
stätigte, erlebte das Land die wunderlichsten Schicksale; es
war eine ganz unberechenbare Zeit War es auch nach dem
Tode Karls des Kahlen und seines Sohnes des Stammlers an
Deutschland gefallen, dessen König, ein unechter Karolinger,
in Frankreich das Entsoheidungswort führte, so liebäugelte
^) Vita Gerardi c. 22, am 3. Oct 959.
142
dann der lothringische Adel fortwährend mit den westliehen
Nachbarn und begünstigte endlieh die französische Erobemng
Karls des Einfältigen. Dann wieder änderte sich das Spiel.
Raginars Sohn Giselbert wasste in einer schwankenden Politik
seinen Wert zu erhöhen i), empörte sich erst gegen den west-
fränkischen Karl nnd Hess sich schliesslich von König Hein-
rich durch die Anerkennung als Herzog nnd eine Heirats-
verbindung mit dem sächsischen Hanse gewinnen. Aber die
Verwickelungen zwischen den Vasallen der beiden Könige von
Deutschland und Frankreich hatten damit kein Ende. An der
französischen Grenze tobte der Kampf zwischen den Grossen.
Heribert von Virmandois und Giselbert, Boso uäd Hugo von
Francien befehden einander, wechseln die Parteien; Rudolf
und Heinrich greifen unter Umständen ein. Man streitet um
Vesten, brennt und mordet Die politische Lage wird ganz
verwirrt; einmal sehen wir Heribert von Virmandois als Va-
sallen Heinrichs, dann gehen die Lothringer unter Giselbert
zu Ludwig d'Outremer über. Und schliesslich endet der eine
Akt des grossen Kampfschauspiels mit einer doppelten Ver-
mählung: Hugo von Francien heiratet die Haduwid, Ludwig
die Gerberga, nachdem der Held, der letzteren Gemahl, seinen
Tod gefunden. 2)
In diesen unruhigen Zeiten erwächst die Reform der
lothringischen Abteien. Da hier der Episcopat weit mehr als
in Frankreich, wo die äusseren Einwirkungen viel drückender
waren, seinen Einfluss und seine Macht, wenigstens in den
oberlothringischen Diöcesen, zu erhalten gewusst hatte, war es
von Bedeutung, welche Stellung die Bisehöfe in den ununter-
brochenen Händeln einnahmen, in wie weit überhaupt die
politischen Ereignisse und der Wechsel der Oberlehnsherren
geeignet waren, auf die klösterlichen Verhältnisse einzuwirken.
Eine wichtige Epoche bezeichnet hier die Zeit der französischen
Herrschaft. Gelang es Karl dem Einfältigen, auf die wichtigeren
lothringischen Bischofssitze französisch gesinnte Männer einzu-
schieben, so konnte er dadurch den Besitz des Landes umsomehr
>) Vgl. Widukind I, c. 30.
>) Flodoardi Ann. 928 — 939.
143
fBr gesichert ansehen, als die Bischöfe an den grossen Familien
des Landes meist einen starken Bückbalt hatten. Er erzwingt
die Wahl Riehers, des Bruders des Grafen Matfried und Gerard,
gegen den von König Heinrich unterstützten Hilduin von Lttttich ^);
der Erzbischof von Trier Rotger ist der Kanzler des französischen
Königs nnd in seiner Haltung gewiss unverdächtig.^) In Toni
ward 922 Ganzlin Bischof, nachdem er Notar zur Zeit Rotgers ge-
wesen war, der ihn zweifellos in Verbindung mit dem Capitel auf
den Snifragansitz beförderte^); er stammte ausserdem aus vor-
nehmer fränkischer Familie. 0 Auf dem Stuhle zu Metz sass bis
927 Wiegrich, ein erbitterter Feind Heinrichs, dessen Angriffen er
sich widersetzte^), auch Adalbero, der aus einem der ersten
lothringischen Geschlechter hervorging, kam gewiss im Gegensatz
zu König Heinrich empor, nachdem dieser vorher einen Eremiten
der Bürgerschaft gegen ihren Willen aufgedrungen hatte <^); der
0 Folcuini Gesta Lobb. c. 19.
>) Vgl die zahlreichen Urk. Karls des Einnütigen mit seiner Re-
Cognition HF IX ; Bresslau, Urkundenlehre I, S05 n. 3.
') Zum letzten Mal erscheint er in einer Urk. vom 4. März 922
HF IX, 554. Sie fällt in die Zeit des Interregnums in Toul nach
Drogos Tode. Hier heisst es: Canonici saneti Stephani urbis Leuchonmi
prapii'io orbati patrono nostram expetierunt cUnientiatn obsecranteSy ut
Privilegium viüarum . . . confifmaremtis. Am 17. MSrz 922 wird ein Gauzlin
zum Bischof von Toni gewühlt. Schwerlich kann gezweifelt werden, dass
der lothringische Erzkanzler, der zugleich Metropolitan von Toul war, im
Einverständnis mit König und Capitel den westfränkischen Notar zu seinem
Suffragan machte.
*) Mirac. S. Apri c 30: Qui Francorum nobili sanguine ortus; Mirac.
S. Mansneti, SS. IV, 510: nobüisaiinis Francorum natalihus ortus.
») Waitz, Heinrich I, 1863, p. 76.
•) Flod. Ann. 927 ; Mirac. S. Glodes. SS. IV, 837 ; Hugo Flavin. SS.
VUI, 359. Schnitze, Forschungen zur Gesch. der Klosterreform p. 30
meint zwar, Heinrich habe Adalbero eingesetzt; doch lässt sich das leicht
widerlegen. Vit Joh. Gorz. c. 90 : consensu omnium publiciaque ecclesiae
legitimisque suffragiis »uBtoUituir; Flodoardi Ann. 927: haec synodw eon-
gregata omnes iUiva sceleris auctores excommunicavit et Addlberonem laco
^us substituit Hier ist zunächst von einem Eingreifen Heinrichs nicht
die Rede ; die einstimmige Wahl Adalberos von den in Metz Berechtigten
lässt von vornherein auf einen Gegensatz gegen Heinrich schliessen,
dessen GUnstling ja soeben mit Schimpf und Schande behandelt worden
war. Hatte Heinrich in diesen Jahren das Princip verfolgt, Sachsen oder
Alemannen auf die lothringischen Bischofsstuhle zu bringen — auch Benno
144
Bischof unterhielt noch lange Beziehungen zn Boso, dem Bruder
des Königs Rudolf von Frankreich. ^)
Bemerkenswert ist, dass die Anfänge der Reform in jene
Zeit fallen, in welcher Lothringen in deutschem Besitz und
Herzog Giselbert zu Heinrich und Otto in freundschaftlichem
Verhältnis stand, dass der Aufstand Giselberts auch die ober-
lothringischen Bischöfe, namentlich die von Toul und Metz
wieder auf seine Seite gegen den sächsischen König rief^)
und dass eine kräftige Förderung der Reform, ihr Gedeihen
und ihre Verbreitung erst dann erfolgte, als Ton französischer
Seite nichts mehr zu hoffen und das Uebergewicht Ottos des
Grossen über Frankreich über alle Zweifel erhaben war, als
durch Bestätigung des neuen Klosterstandes, seine Reformen
und Besitzungen durch die Ottonen, die Beruhigung des be-
weglichen Adels solidere Grundlagen des Friedens geschaffen
wurden. Denn so lange die Bischöfe selbst vor der Herstellung
sicherer Verhältnisse den Besitz ihrer Kirchen als Familien-
besitz betrachteten, durch ihre Verbindung mit dem lothringischen
Adel in dessen Fehden und Interessen lebten und aufgingen,
gezwungen waren, durch Kirchen- und Klostergut die Hülfe
kriegerischer Herren zu erkaufen, konnten sie dem regulären
Klosterwesen nicht geneigt sein, da gerade Güter, die zum
Unterhalt von Mönchen bestimmt waren, den Hauptbestand
ihrer materiellen Mittel ausmachten.
Es ist dann nicht mehr auffällig, wenn wir hören, dass
Richer von Lüttich, der selbst aus dem Mönchsstande hervor-
gegangen, als Bischof den Mönchen sehr ungnädig gesinnt
war 3), dass der Erzbischof von Trier kein Verständnis ftlr das
war ein Schwabe — so entspricht es ganz unserer Annahme, wenn die
Metzer ein Mitglied einer der ersten lothringischen Familien, eben Adalbero
erkoren, der seinen der deutschen resp. sächsischen Herrschaft abgeneigten
nationalen Sinn bei Giselberts Aufstande deutlich zeigte. Wenn es also
Mirac. S. Glodesind. a. a. 0. heisst: Inde a principe dectione petita et
impetrata virum magnum . . . sancta sedes adepta est, so kann das nur
heissen, dass Heinrich verzichten musste, ihnen einen Bischof zu geben
und dass er auf ihr Verlangen ihnen das Wahlrecht überliess.
») V. Joh. Gorz. c. 104.
>) Vgl. Dfimmler, Otto der Grosse p. 77 ff. 86 ff. 108 ff. 115 ff.
*) Folcnini Gesta Lobb. c. 19.
145
Klosterwesen zeigte, wenn er seinem Bruder Bertold die St.
Martinsabtei gab, deren Besitz dann noch zerstückelt wurde,
dass die Bisehöfe Adalbero von Metz und der von Strassbnrg,
wohl Utho. Ober die jttngst gegründete, trefflich eingerichtete
Abtei des hL Deieolus herfielen, wobei es dem einen um die
geistliche Herrschaft, dem andern um den materiellen Besitz
zu thnn warO^ dass eben jener Adalbero, wie wir noch sehen
werden, gegen die Mönche von Gorze wenig freundlich verfahrt,
dass Ganzlin von Toul, der mit den Gütern von St Evre seinen
Clerus unterhielt, den Mönchen später noch Ackerland nicht
herausgeben wollte, dass auch Bischof Berengar von Verdun
erst nach einer langjährigen Regierung, gedrängt von dem
reformatorischen Clerus, sich zu einer Reform und Wieder-
herstellung von St Vannes verstand.
In Oberlothringen hatte die Unsicherheit der Zeiten, das
wüste Chaos der Verhältnisse, aus dem kein Ausweg sich
zeigte, zu einer Verzweiflung an der Dauer und dem Wert
irdischer Güter geführt, welche nur in der Abwendung vom
Weltleben, in der Beschäftigung mit dem Uebersinnlichen
Heilung finden konnte. Naturen wie Odo von Cluni tauchen
überall auf, auch hier gerade im Clerus; in Toul, Metz und
Verdun regen sich die Geister. Primicere, Diacone, Cantoren
der verschiedenen Kirchen streben mit Gewalt aus den wider-
lichen Zuständen herauszukommen, drängen und agitieren für
eine Reform der kirchlichen Verhältnisse. Die einen ziehen
sieb vom Weltleben zurück und suchen in der Einsamkeit, in
stiller Beschaulichkeit, in der Negation menschlicher Triebe
seelischen Frieden und seelisches Glück, andere durchstreifen
Länder, um ein Kloster zu finden, in dem sie in romantischer
Abwendung von praktischer Thätigkeit und materiellen Interessen
den verlorenen Gleichmut des Geistes wieder zu gewinnen ver-
mögen. In den drei Bistümern knüpfen sich Bande der Freund-
schaft um die gleichgesinnten Männer; sie kommen zusammen,
lernen von einander, regen sich an, suchen Bundesgenossen
und als ihre Vorbereitungen und Agitationen beendigt, gehen
sie an die widerwilligen Bischöfe heran, zwingen sie moralisch,
») V. S. Deicoli c. 15, SS. XV, 2, 680.
Saoknr, Clnnlacenier. I. 10
146
ihnen zu willfahren, die weltliehen Lehnsleute von den Kloster-
gtttern zu jagen, diese selbst ihrer ursprünglichen Bestimmung
zurückzugeben.
Das Band, welches diese Leute verknüpft, ist ihre aske-
tische Stimmung. In Toul fristete der Erzdiacon Einold, ein
litterarisch hochgebildeter Mann von Vermögen, in einer Celle
ein kärgliches Leben wie ein Einsiedler; er hatte alles den
Armen vertheilt und wurde nun von Bischof Gauzlin erhalten.')
Ein anderer Cleriker Berner war so unbeugsam, dass er auch
höheren Personen nicht nachgab; er ging in seiner Sittenstrenge
so weit, dass er sich nicht einmal auf einen Platz setzte, auf
dem er vorher ein Weib hatte sitzen sehen.^) Er kam nach
Warimberts Tode an die Kirche St. Salvator in Metz. Angilram,
dem Archidiacon der Touler Kirche und Primicer des dortigen
Capitels, einem reichen Manne, welcher der Kirche Toul viel
Grundbesitz schenkte und dafür Kirchengut in Precarei erhielt^),
war es schon als Weltgeistlichem ein leichtes, zwei Tage
hintereinander zu fasten. Mit grossen Schätzen kam er später
nach Gorze, um sich nach einigen Irrungen einer unerhörten
Askese hinzugeben.*)
Unter den Metzern war der bekannteste Johannes, gebürtig
aus Vandi^res, einer einst königlichen Villa, teils auf Metzer,
teils auf Touler Gebiet.^) Sein Vater, der ein hohes Alter
erreichte, brachte es durch redliches Schaffen zu Vermögen.
Er war schon bejahrt, als er das junge Weib freite, das ihn
mit drei Söhnen beschenkte, deren ältester Johannes hiess.
Nachdem dieser über die ersten Anfangsgründe hinweg war,
kam er nach Metz in die Schule, um darauf einige Zeit im
Kloster St. Mihiel an der Mosel unter dem Scholasticus Hilde-
bold, einem Schüler des Remigius, grammatische Stadien zu
*) V. Job. Gorz. c. 29. Er erscheint noch 931/932 in Toul; vgl. eine
PrecarienverleihuDg Gauzlins mit der .Datumzeile: Agetialdua aanpsi
regnante Heinrico regCf ordinatio7iis X. domni Gatizlini episcopi in den
M^moires de la societ^ d^arch6ol. lorraine 2. s^r. I, 271.
«) V. Joh. Gorz. c. 16.
3) Vgl. die ürk. v. 912 u. 923 in den Memoires de la soci^te d^arcbeol.
lorr. 2. ser. IV, p. 133 f. Ein Neflfe Angilrams wird in deu beiden Ur-
kunden Huno, in einer andern undatierten Hardoinus genannt.
*) V. Joh. Gorz. c. 61—63.
*) Das folgende ganz nach der V. Joh. Gorz. c. 9—17.
147
trdbeD, allerdings ohne rechten Erfolg, wie Johannes später
gelbst gestand J) Nach dem Tode seines Vaters und der
Wiederverheiratnng der noch jugendlichen Mutter blieb ihm
die Sorge für die Brüder und fttr das Familienerbe. 2) Diese
Zeit bis zum Mannesalter, die er zu Hause zubrachte, war fttr
Johannes nach manchen Seiten hin fruchtbringend; er knüpfte
Verbindangen mit hohen weltlichen und geistliehen Personen
an, verkehrte Jahre lang im Hause des damals sehr ange-
sehenen und in den Geschäften bewanderten Grafen Bichwin,
der ihm als Laienabt der Nonnenabtei St. Peter in Metz^) auch
die Kirehe des diesem Kloster gehörigen Heimatsdorfes über-
wies, und ebenso schätzte ihn Bischof Dado von Verdun, der ihn
ganz zu sich herüberzuziehen strebte.^) Ein Edelmann Werner
an der Grenze von Toul machte ihn zum Pfarrer von St. Lorenz
in Fontenai an der Mosel ; so kam er häufig nach Toul selbst.
Bis dahin hatte er so gut als nichts gelernt. Jetzt erst begann
er den Schulcursus des Donat bei dem gelehrten Diacon
Bemer von Toul von neuem und wandte seither seine warme
Fürsorge der Kirche St. Lorenz zu. Als Patron der Kirche
seines Heimatortes, welcher mit jener Eigentum der Nonnen
von St Peter in Metz war, versah er das Amt eines Hebdo-
roadars bei denselben, auch hatte er ein Haus in der Stadt
Jetzt brachte ihn die Strenge der Nonne Geisa um seinen
Seelenfrieden. Mit brennender Begier stürzte er sich mit den
frommen Schwestern in die heilige Lektüre. Jahrelang trieben
ihn dann Zweifel und innere Kämpfe erst in die Argonnen
in die Einsiedelei zu einem Eremiten Lambert, über den selbst
das naive Volk, das bei dem wunderlichen Heiligen zusammen-
strömte, ein Lächeln nicht zurückhalten konnte. <^) Dann trieb
es ihn nach Italien, wo er vergeblich nach einem regulären
Kloster suchte.*) Dazwischen fastete er, betete er, wachte er.
Mit Begeisterung gab er sich jetzt ganz seinen religiösen Ge-
fttblen hin, der Wonne der Askese, in der er schwelgte.
0 c. 10. ») c. 11.
') Vgl. die ürk. desselben v. 1 . Febr. 91 8 in der Hist. de Metz III, pr. 56.
♦) c. 12.
*) V. Job. Gorz. c. 22: ti^ qui forte infirmiorum eum conspexeratf risum
teuere vix poaset.
«) V. Job. c. 21—24.
10*
148
^In Metz hatte Johannes Gesinnungsgenossen <) an den
Cantoren Radland von St Stephan 2), Warimbert von St. Sal-
vator, an den Clerikern Salecho von St. Martin '0, Radincus
von St Symphorian und Bernacer 4), der im Bttchersehreiben,
Singen und Rechnen gerühmt ward. Er war auch der Begleiter
Johanns auf der italienischen Reise; mit ihm besuchte er den
Monte Gargauo, Monte Cassino und die Mönche von St Salvator
in Neapel; beide bewunderten den rauchenden Vesuv.
Auch in Verdun gab es gleich tiefe Gemttter. Hier lebte
als Reclusns ein gewisser Humbert Bei ihm erschien einst
der in schwere Seelenkämpfe verstrickte Johannes ftlr
einige Tage; er soll seitdem sich gänzlich des Fleisch-
genusses enthalten haben. Humbert fand sich dann seinerseits
in den Argonnen ein, wo Johannes sich neben Lambert eine
Einsiedelei gegründet hatte. ^) Ein ander Mal kam er zufällig
nach Toul, wo er Einold aufsuchte; beide beschlossen ein
Eremitenleben s^u beginnen. Heimlich verliessen sie die Stadt,
überschritten die Mosel und fanden in dem nahen Walde eine
Höhle, in der sie sich einrichteten. Sie blieben nicht lange
allein. Allerlei Volk kam sie zu suchen; endlich redete man
ihnen ihre närrischen Gedanken aus, da die Lage des Ortes
so unpraktisch gewählt war, dass man Lebensmittel nur mit
der grössten Mühe hinschaffen konnte. So besannen sieh
beide eines Besseren: Humbert kehrte nach Verdun, Einold
nach Toul zurück.«) In Verdun bildeten wahrscheinlich die
vor den Dänen flüchtigen Britten, die Bischof Dado in
Montfaucon aufgenommen hatte, ein wichtiges Ferment für
den reformatorischen Geist der Diöcese. Einer von ihnen,
Andreas, ein gelehrter und frommer Mann, trat Johannes
ebenfalls nahe.^)
Aber dieser nnbezwingliche Drang nach Erlösung, Befrei-
ung von Zweifeln und Kämpfen, der Oberall auf Widerstand
*) V. Job. c. 20. 33.
') £^ erscheint in einer Urk. des Bischofs Robert von Metz v. 899
und 918, Bist, de Metz III, 51. 56.
") Nachzuweisen 910 a. a. 0. pr. 53.
0 Findet sich in Metzer Urk. v. 912. 914, Bist, de Metz pr. 54. 56.
Er schrieb später 945, Mai 17 eine Qorzer Urk. a. a. 0. pr. 64.
*) V. Joh. Qorz. c. 23. «) ib. c. 31. ^) ib. c. 28.
149
stiess, wuchs mit den Schwierigkeiten and machte sieh in einer
mystisch-tiefsinnigen Schwärmerei Lnft: endlich fasst man einen
EntschlnsB. Die Gleichgesinnten, die in Conventikehi nnd Ver-
Sammlungen zusammenkommen, in denen man sich im Aus-
harren sl&rkt und ermatigt, in denen Johannes von seinen
Wanderfahrten von den unbebauten und doch fruchtbaren
Strecken um Benevent, berichtet i), wollen Lothringen verlassen.
Sie verzweifeln an der Möglichkeit, die Bischöfe, die nicht un-
abhängig sind, zu gewinnen; ohne sie zu benachrichtigen, ob-
wohl sie als Cleriker ihre Untergebenen sind, verlangen sie
aasznwandem, sich in Italien unter einer milderen Sonne, wohl
vertrauend auf die Menge unbebauten Landes, das der Be-
siedelang bedurfte 2), ein Kloster nach ihrem Sinne zu er-
richten.^)
Da traten Zwischenf&lle ein; einer der Verbündeten,
Radincus, hatte Bedenken, dass man ohne Wissen des
Bischofs die Aemter im Stich lasse, dann soll der Eremit
Lambert, durch Bernacer benachrichtigt, von dem Wunsche
beseelt, die wenigen Männer der Reform im Lande zu halten,
dem Bischof Adalbero von Metz Mitteilung gemacht haben.^)
Nur durch ein fein abgekartetes Intriguen spiel konnte der
Bischof gewonnen werden. Dass die Brüder von diesem nach
ihren Wünschen gefragt, auf Lamberts Rat gerade Gorze als
den geeignetsten Punkt ftlr ein Kloster bezeichneten, hatte seinen
Grund darin, dass die Güter dieser ehemaligen Abtei im Leheu-
besitz einiger Laien, besonders des Grafen Adalbert sich be-
fanden. Willigte Adalbero ein, gewährte er den Clerikem
Gorze zur Wiederherstellung und Besiedelung, so musste er
unbedingt mit seinem ganzen System brechen; er musste das
Klostergnt dem Adel entziehen, es auf einen Kampf ankommen
lassen; that er es nicht, so war man seiner Pflichten gegen
0 Vit. Job. Gorz. c. 33: Cum hia veluti in quibusdam coelestium
disciplinarum scholiSj sanctorum ingenionmi viribus se ipsos coiidie in
studiis ounnium probatorum virtutum exercenteSj duo ipsi viri praecipui
fJut lectionibus aut orationibus aut certe mutuis ad coclestia cohortationibus
^iiai^tebayit, ipsosqtie cum quibus versabantur ad majora sui imitatioTK
(wipliwt atque amplius provocabant.
») VkI. z. B. Chron. Viilturn. bei Muratori SS. rer. Ital. I, b, 422.
3) V. Job. c. 34. *) ib. c. 35— 3S.
150
ihn ledig, man hatte den Versaeh gemacht und hatte das Recht,
sich über die ankirchliche Gesinnung Adalberos zu beklagen.
Die stürmischen Bitten seiner Umgebung zwangen den Bischof
zwar, nachzugeben, aber wie wenig man ihm traute, wie wenig
man seine Willfährigkeit erwartet hatte, wie sehr man an einer
Besserung der Verhältnisse im Vaterlande verzweifelte, beweist
der Umstand am besten, dass auch jetzt noch ein Teil zögerte
und zur Auswanderung geneigt war, bis man sich schliesslich
doch noch einigte, nach Gorze überzusiedeln.
Gorze.
Das Kloster Gorze, die einst bochangesebene Stiftung des
hl. Chrodegaugus, war unter den letzten Bischöfen vollständig
heruntergekommen ; es bot den Anblick einer öden und wüsten
Stätte, um die Altäre lagerte Mist von Eseln und anderen
Thieren, ein paar Mönche nur noch der Kleidung nach führten
ein ärmliches Dasein.^) Während am Ende des 9. Jahrhunderts
noch selbständige Aebte in Gorze auftraten, erscheint 910 Bi-
schof Robert als alleiniger Abt, neben ihm endlich 912 und
914 Wigericus, vielleicht derselbe, der bald darauf 917 den
bischöflichen Stuhl selbst bestieg.^) Unter ihm erfolgte der
eigentliche Verfall Der Ungarneinfall im Jahre 919 zwang
die Mönche mit ihrem Schutzheiligen Gorgonius in St. Salvator
zu Metz Schutz zu suchen, weil das Kloster nicht ummauert
war.^] Damals flog auch der Klosterbesitz in alle Winde. Das
lang besessene Moivron gab der Bischof in Precarbesitz aus;
ein vornehmer Mann Folmar trug es zu Lehen.*) Andere Be-
sitzungen, Eplonis-villa und Bellum Campnm, Lehen, die unter
Wigerich an Gorze zurückfallen mussten, beliess der Bischof gegen
Zins der Gattin des letztverstorbenen Lehnsmannes, bis sie erst
») V. Job. Gorz. c. 36. 39; Mirac. S. Gorgonii c. 8, SS. IV, p. 241.
^) Im Jahre 884 and 886 finden wir noch einen Abt Lodovicus, Hist.
de Metz III, pr. 44. 47 ; 899 scheint unter Bischof Robert noch ein Abt
Rudolf existiert zu haben (ib. p. 52). In der Urkunde der Richilde von
910 heisst es pr. 52: cui dommis Roberht^s sanctae Metensis ecclesine epis-
copus praeease videtv/r; 912 gab es Mönche und einen Abt Wigericus oder
Widericus in Gorze pr. 54, ebenso 914 pr. 55. Möglicherweise war es
auch der Vater des Bischofs Adalbero I. als Laienabt.
') Mirac. S. Gorg. c. 7.
*) ürk. Adalberos, Hist. de Metz III, pr. 60,
151
darch den Sprach . des Herzogs Friedrich von Lothringen 959
an den Abt znrückfieleD.^) Bas ttbrige war zum grössten Teil
im Lehnbesitz des Grafen Adalbert, eines wilden nnd trotzigen
Kriegsmannes, der dem Bischöfe Kriegsdienste that; es ist
jedenfalls derselbe, der 922 als Senior and Abt von Gorze er-
scheint 2); er ward darum der erbittertste Feind der Reform.
Andere Güter hatte der Pfalzgraf Amadens, ein bischöflicher
Vasall, teils als Beneiicinm, teils als Precarbesitz ^), wir finden
ihn auch als Vogt des Bistums Metz.^)
Ein sehr übles Streiflicht fällt aber auf die Verwaltung
des Bistums seitens Adalberos durch sein Verhältnis zu seinen
Stiefbrüdern. Adalbero befand sich in sehr misslicher Lage.
Durch die zweite Heirat seiner Mutter mit dem Grafen Riehwin,
den wir als Gönner des Johannes zu erwähnen hatten, büsste
er nämlich sein Vermögen ein ; mittellos wie er war, wurde er
jetzt offenbar von den Söhnen seiner Mutter und Richwins ab-
hängig. Vielleicht gaben sie ihm das Geld, sich auf den
Bischofsstuhl von Metz zu schwingen, denn es erregte zur Zeit
fast allgemeines Erstaunen, dass er, der vermögenslose Mann,
die Stimmen der Wähler auf sich zu lenken vermochte.^)
Wenigstens entspricht das folgende durchaus dieser Vermutung,
es wird ausdrücklich erzählt, seine Stiefbrüder hätten Kirchen-
besitz in Händen gehabt, dessen Einziehung weder recht
noch ratsam war; Adalbero ward von ihnen — Gozelinus
wird nur mit Namen genannt — förmlich tyrannisiert.^) Mit
») Eist de Metz III, pr. 74.
«) Die ürk. v. 922, Eist de Metz III, pr. 58 nennt ihn im Text:
venerabilem virum nomine Adalbertum; er unterschreibt S. Adelberti
senioris sive abbatis ipsiua ccTiobii.
*) y. Joh. c. HO; Mirac. S. Gorgonii c. 15; Döring, Beiträge zur
älteren Gesch. des Bistums Metz, Innsbruck 1886, p. 120.
*) ürk. Adalberos v. 936, Eist, de Metz III, pr. 60: nostri advocati
comitisque palatii; Döring p. 14; Ein Signum Hamedei 912 a. a. 0. pr. 54;
918 pr. 57.
•) V. Joh. c. 40 : ipse Adalbero praeter spem omnivm ... ob rei
familiaria inopiamf qua secundis matris nuptiis laborabat, censu aliqiumto
tcnuior . . sustollitur.
•) V. Joh. Gorz. c. 110: Causa vero erat^ quod in his difficilia vide-
batWj quod fratres ei plures ex matre erant et eis usque ad id temporis
parum consulere potuerat^ pluribtis res episcopii retinentibuSy quos privare
nee itis nee consilium erat — tanto robore ex superiorihus episcoporum
152
m
naiver Ofifenheit meint eine nnserer Haaptquellen, AdalberoB
Feindschaft gegen das Kloster Gorze rühre daher, weil er sich
geärgert habe, von einem von ihm so lange besessenen Orte,
wie Gorze, weichen zu mttssen.i] Dazu hatte sich der bm-
gnndische Graf Boso, König Rudolfs Bruder, von seinem Castell
Vitry aus auf gorzische Güter, so Vanoux, geworfen, auf die
er Erbansprüche zu haben vorgab. Zu Adalbero stand Boso
in sehr nahen Beziehungen, — hatte dieser doch Adalberos
Sache gegen seinen Stiefvater Richwin als die seinige betrachtet
und den Grafen ermordet 2) — bis im Jahre 931 beide in ihren
politischen Richtungen sich trennten 3); da 930 Vitry wieder in
den Besitz Bosos gelangte, so ist es nicht unwahrscheinlich,
dass die Verheerung der gorzischen Güter ein Racheakt gegen
Adalbero war, der damals bei König Heinrich verharrte.^) Der
Bischof musste also in die grösste Verlegenheit kommen. Was
seine Familie sich angeeignet hatte, wollte und konnte er nicht
herausgeben, seinen Lehnsleuten durfte er nicht kündigen, weil
er einmal in den unruhigen Zeiten ihrer Hilfe bedurfte und
andererseits, während er kein Mittel besass, sie zur Verzicht-
leistung auf die Lehen zu zwingen, ihre Feindschaft fürchten
musste. Interessant in Bezug auf diesen Punkt ist der Ausdruck
der Restitutionsurkunde.^) Adalbero meint, es wäre vorteilhafter
für den Abt und das Kloster, wenn die Mönche nicht mehr
hätten, als sie zum Unterhalt bedurften; denn ausgedehnte
Ländereien hätten die Haltung von Dienstleuten behufs Ver-
relms fractis nitebantur — et ideo hac vel qualibet occasiotie ipsis gemuinis
qiw quid largiretwr, expectahat. Gauzlin erklärte (c. 114): nionachis omnia
undiqtte abunde sufficere, suis magis eutn debere consulere.
^) Mirac. S. Gorg. c. 10: Dolebat enim se quam maxime a loco diu
possesso ac praevcdide sibi socifUo eniinus fugari.
'^) Vgl. W. Lippert, Zu dem Necrologium S. Vitoni Virdunensis, N.
Arch. XV, 608 flf. Sein Todestag ist der 14. März nach dem Necrol. S. Vit,
N. Arch. XV, 608.
3) Flodoardi Ann. 931; V. Joh. Gorz. c. 104; Mirac. S. Gorg. c. 12.
^) Flodoardi Ann. 930. Auch sonst verfuhr Boso gegen die ihm
feindlichen Bischöfe in ähnlicher Weise Fiod. 928. 931. 932.
») Urk. Adalberos v. 12. Dec. 933 bei Calmet, Ilist. de Lorraine I,
388: Quodsi omnem teneret abbatiae terram, opporteret et satellites tenere,
cum quibus publice niilitaret; sin autem nil amplius teneret j nisi quod
ad fratrum mensam pertineret^ nulluni deberet sn^rntinm nisi fratribus
ministrare et religioni providere.
153
teidiguiig zur Folge, im andern Falle aber könnte der Abt sieh
der Obhut der Brüder and dem Dienste Gottes widmen. Zwar
erklärt der Bisehof weiter, er habe von der Wahrheit der Ge-
sinnangen jener Bittsteller ttberzengt, so viel er angenblieklich
im Stande gewesen, dem Kloster restituiert and die angereehter
Weise entzogenen Besitzungen wiedergegeben, aber thatsächlich
war es doch recht wenig, so dass bereits in den ersten Jahren
die Brüder in bittere Not gerieten.
Im Jahre 933 war alles zum Einzug bereit ^); im December
ward die Urkunde ausgestellt. Selbstverständlich wahrt sich
der Bischof das Recht der Oberaufsicht. In Bezug auf die
Abtwahl bestimmt er, dass der Congregation zwar völlige Freiheit
bleiben solle, dagegen behielt er sich in dem Falle, dass unter
den Gorzer Mönchen sich kein geeigneter fände, das Recht
vor, einen Abt seiner Wahl zu setzen. Diesmal wählten die
neuen Insassen einstimmig mit Bewilligung des Bischofs den
Toaler Archidiacon Einold zum Abte.
In der ersten Zeit vertrug man sich leidlich ; als aber mit
der Vermehrung der Mönche die Klostergttter zum Unterhalt
nichi mehr ausreichten, brach auch der Conflict mit dem Bi-
sehofe aus, der den Brttdern immer noch einige Besitzungen
vorenthielt, weil er bei der Unruhe der Zeitverhältnisse nicht
im Stande war, sie seinen Lehnsleuten zu entziehen. Man be-
schloss endlich Adalbero aufzukündigen und in dem von Herzog
Giselbert eben wieder neu eingerichteten St Maximin in Trier,
das unter Ogo stand, Unterkommen zu suchen.^) Aber Einold
mahnte zur Besonnenheit und mit verjüngtem Eifer verschärfte
man die Lebensweise.^) Fast drei Jahre hatte der Bischof
sich von seiner Abtei femgehalten, als die Erscheinung des
hl. Gorgonins, der ihm zurief: „Ein gutes Werk hast du be-
gonnen, aber vom begonnenen bist du allzuschnell wieder ab-
gefallen", und die Bemühungen des Johannes, der die ganze
») V. Job. Gera. c. 43.
') Es muss etwa 036 oder 937 gewesen sein, da einmal nach der
V. Joh. c. 97 Giselbert noch lebt, andererseits sowohl nach der Vita, als
nach den Hirac. S. Gorg. c. 10 der Bischof den Brildem drei Jahre lan^
feindlich gesinnt war.
«) V. Joh. c. 95. 96.
154
wirtschaftliche Verwaltung übernommen hatte, Adalbero zur
Heraasgabe des lange begehrten Warengaeville, das im Lehen-
besitze Gozelins sich befand, nötigte i) und somit die Wieder-
Versöhnung anbahnte; bald folgte der Heimfall von Lagney-
ville und Moulins, aber erst nachdem sich der hL Petras ins
Mittel gelegt hatte, wider Willen des Bischofs.^) Etwas später
wohl gab er im Einverständnis mit dem Lehnsträger Folmar
und dem Pfalzgrafen Hamadeus reuig Moivron zurück, nachdem
die Schwierigkeiten gehoben waren, welche die Restitution ver-
zögert hatten^), und endlich nach dem Tode des Hamadeus
gegen 950^), was dieser an Lehen von der Abtei besass.
„Dankt dem hl. Märtyrer, nicht mir*, soll er, durch unruhige
Träume zur Nachgiebigkeit veranlasst, gesagt haben, „denn
nicht freiwillig, sondern auf sein Verlangen habe ich so ge-
handelt"^) Vor seinem Tode gab auch Graf Boso den Mönchen
von Gorze nach.<^) Vergleichen wir das, was Adalbero der
Abtei bei der Reform 933 zuwies mit der Summe der Besitzungen,
welche Otto L 945 bestätigt, so erkennen wir, dass es ein
verschwindend kleiner Teil war, mit dem die Mönche sich
anfangs begnügen mussten und dass die völlige Restauration
in Folge der eigentümlichen politischen und finanziellen Ver-
hältnisse erst sehr allmählich von Statten ging. Um die Hebung
des materiellen Wohlstandes der Abtei erwarb sich damals
Johannes ein unbestrittenes Verdienst. Er hatte keine leichte
Stellung: während er den schwersten Vorwürfen der Brüder
ausgesetzt war — man nannte ihn Heuchler, Geizhals und
Betrüger, man warf ihm den Aufenthalt seiner Matter im Kloster
vor '*) — so war er es, der durch seine Sendungen zu Adalbero
1) V. Job. c. 97—102; Mirac. S. Gorg. c. 10.
>) V. Job. c. 103; Mirac. S. Gorg. c. 11.
^) Urk. Adalberos, Hist. de Metz III, pr. 60: sola difficuUaa resütebcU . .
abiecta impossibilitate.
*) Döring, Beiträge zur alt. Geschichte des Bistums Metz, Innsbmck
1886, p. 18.
*) Mirac. S. Gorg. c. 15: quoniam non aponte mea, sed ipsiua cogente
imptUsu hoc ago; vgl. Hist. S. Amulfi Mett, SS. XXIV, 544: Adalberonej
qui ctmi prius acquiescere noüetj postmodum visionUms sancti Petri terri-
tu8f cuncta perficiebat.
«) V. Job. Gorz. c. 104; Mirac. S. Gorg. c. 12.
') V. Job. c. 76 : Ecce et geneceum claustrum motKichoruni fecisti.
155
und Graf Boso, den Zorn der ungern Gemahnten ttber sieh er-
gehen lassen und die Kastanien ans dem Fener holen mnsste.
Die niedrigsten durften ihn beleidigen — er warf sieh, ohne
ihnen zu antworten, um Verzeihung bittend zur Erde; er trug
die ganze Last der Verwaltung. Hatten Anfangs die Mönche
Not gelitten, so gelang es seinem gerechten und umsichtigen
Geschäftsverfahren, bedeutende Ueberschüsse zu erzielen; eine
FtUle von Einkünften ergab sich aus dem Acker- und Weinbau,
aus Mtthlenbetrieb, Fisch- und Vogelzucht; das Salzbergwerk
in Wie brachte er wieder in Gang.^) Es war ein Beweis ftlr
die Anerkennung seiner praktischen Tüchtigkeit, dass man Jo-
hannes 953 die Mission nach Cordova an den Hof des Califen
Abderrahman anvertraute.^)
Wahrscheinlich die politischen Feindseligkeiten zwischen
Bischof Adalbero und König Otto schoben ^) die Anerkennung
der Beform und die Bestätigung der Besitzungen von Gorze durch
letzteren bis zum 13. Juli 945 ^) hinaus, nachdem schon im Juni
938 Papst Leo VIT. die Urkunde des Bischofs ratifiziert hatte.^)
In dieser Zeit besserte sich auch das Verhältnis Adalberos zu
Abt Einold; wir sehen den Abt jetzt in engen Beziehungen
zum Bischöfe von Metz; 947 nahm dieser ihn mit auf die Sy-
node von Verdun«), der auch Bischof Gauzlin von Toul bei-
wohnte. Die feindliche Stellung Adalberos zu Conrad dem
Bothen war fttr das Schicksal von Gorze bei dessen Aufstand
von Bedeutung. Man sah es als ein Verdienst des hl. Gorgo-
nius an, dass der Herzog das Kloster in Frieden liess^); aber
Flodoard berichtet uns doch mit grösserer Wahrscheinlichkeit
von Einolds Vermittelung bei dem Empörer^); bis zum Kloster
waren die •Ungarn, von Conrad herbeigerufen, bereits vor-
gedrungen. Einold starb hochangesehen am 18. oder 19. Aug!
*) V. Job. c. 88. 89.
*) Vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen I, 299.
') Nach Stumpf p. 61 und Sickel, Dipl. Ott. I, p. 150 ist die Urk.
Ottos von 936 (Hist. de Metz III, pr. 59) unecht und nur aus dem Original
voD 945 entnommen.
*) M. G. Dipl. Ott. I, n. 70, p. 150; "Stumpf 114.
*) J.-L. 3609; gedr. v. Fflugk-Harttung, Acta pont. Rom. I, nr. 8. .
<) Flodoardi Ann. 947.
*) Mirac. S. Gorg. c. 20. •) Flod. Ann. 958.
156
959.^) Ihm folgte Johannes als Abt; sein Tod ist auf den
30. März 974 2) zu setzen. Die Aebte der Metzer Klöster, Ka-
droe von St. Clemens, Berhardas von St. Martin, Hudo und
Adelmodus umstanden sein Sterbelager.
*
Saint-Evre.
Die geistige Sti-ömung, die wir in Oberlothringen beob-
achteten, hat jedenfalls kurz nach der Wiederherstellung mön-
chischen Lebens im Metzer Sprengel auch den Bischof Gauzlin
von Toul veranlasst, den ruhebedürftigen, beschaulichen Ge-
mütern seiner Diöcese ein Asyl zu eröffnen. Aber Gauzlin
selbst, in dessen Adern französisches Blut floss und der wohl
mit Frankreich noch vielfach in Verbindung stand, scheint
mehr als Adalbero an der Förderung klösterlicher Interessen
Anteil genommen zu haben. Von dem Rufe der vorzüglichen
Disciplin in der eben reformierten Abtei Fleury an der Loire
veranlasst, begab er sich in dieses Kloster, um die in Lothringen
fast unbekannte Benedictinerregel und die bereits schriftlich
fixierten Statuten in die Heimat zu bringen ; bereichert durch die
1) Dümmler, Otto der Grosse S. 802.
') Authentische Nachricht über sein Ende und seinen Todestag giebt
die V. Joh. Gorz. im Prologus. Es heisst hier, dass er inicio sanctae qua^
dragesimae prima ipsa die post horam vespertine refectionis erkrankte und
post quintam exinde diem starb. Ferner erfahren wir, dass es quadra-
gesimus siquidem in sancto proposito anntis ei tunc erat, in dem er starb.
Nun ist die Einführung der Reform in Gorze durch die Urk. Adalberos
auf den 12. Dec. 933 fixiert, das 40. Jahr reicht also v. 12. Dec. 973 bis
ll.Dec. 974. Schon dadiurch kämen wir, da Johannes in der Fastenzeit
starb, auf 974. Bestätigt wird dieses Jahr im Gegensatz :Ai dem bisher
angenommenen 973 dadurch, dass Johannes in einer Urk. Ottos IL v. 973
Aug. 22 noch erscheint (D. Ott. II nr. 54), einer Urkunde, die über allen Zweifel
erhaben zu sein scheint. Femer aber kommt Johannes auch in einer Urk.
des unedierten Cartul. de Gorze (Cod. Paris lat 5436, f. 55) vom 4. Non.
Jun. 973 vor, so dass ausser Frage steht, dass er vor 974 nicht ge-
storben ist Was den Tag anbetrifft, so deutet der Autor durch das
prima ipsa die m. E. zweifellos an, dass er wirklich den ersten Tag der
Fasten d. h. den Aschermittwoch meint. Dieser fiel im Jahre 974 auf den
auf den 25. März und der fünfte Tag danach war der 30. März. Entferntere,
dem widersprechende Quellen, die Schnitze, der sich filr den 7. Febr. 973
entscheidet. Forsch. S. 36 aufzählt, können demgegenüber, was oben be-
merkt ist, nichts ausmachen.
157
ErfahrangeD, die er in Fleuiy gemacht, ging er daran, das
Haoptkloster der Diöeese St. Evre zu reformieren.^)
Aach hier hatte der Verlauf stürmischer Jahre Verhältnisse
geschaffen, die einer Verbesserung dringend bedurften und deren
Entwirrung Gauzlin nicht viel weniger Schwierigkeiten, als
Adalbero gemacht haben dürfte. Lothar I. hatte St. Evre in
Ermangelung anderer Besitzungen seinen Vasallen als Lehen
verteilt und so der Touler Kirche, der die Abtei bis dahin
untertbänig war, entzogen. Kurz vor seinem Tode befahl er
die Rückgabe, die sein Sohn Lothar II. im Jahre 858 bewerk-
stelligte.^) Doch erst 885 ward eine Restauration von Karl
dem Dicken unternommen, wobei nicht unbedeutende Leistungen
an den Bischof festgesetzt wurden.^) Das Bistum muss auf
diese Einkünfte im hohen Grade angewiesen gewesen sein, da
Bisehof Amald laute Klagen wegen der Armut der Touler
Kirche erhob, als ihm König Arnulf von neuem die Abteien
St Evre und St Germain entzogen hatte. Der König hatte ein
Einsehen, er gab wieder, was er genommen.^) Um dieselbe
Zeit hausten die übel berüchtigten Grafen Stephan, Gerhard
und Madfried mit Raub und Brand im Touler Sprengel. Die
Klöster St Mauritius und St Evre rissen sie an sich, indem
sie ein Erbrecht auf die Vogtei derselben vorgaben. Die Frei-
heit der Stadt gefährdeten sie aufs höchste, da sie in ihrer
0 Miracula S. Bercharii, SS. IV, 487 : descriptionem omnis monasticae
conversationis . . . supradictam quoque regulam beatipatria aecum deferens;
▼gl. Gesta episc. TuU. c. 31: mttu Dei regulam aancti Benedicti huius
regni habitatoribua omnibua ignotam, diu quaeaitam proculque inventam
aancti Apri inatituit loco; Mir. S. Apri c 30. Merkwürdiger Weise hat
Schultze diesen Zusammenhang mit der floriacensischen Reform vüllig
Übersehen, obgleich hier Dümmler, Otto der Grosse, bereits das richtige
hat. Auch Lamprecht, Der Charakter der lothringischen RIosterreform in
Pick's Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands VII, 94 verkennt
die Verbindung der lothringischen Reform mit der cluniacensischen.
*) Die bei Calmet, Hist de Lorraine I, 363 gedruckte Urk. ist irr-
ttlmlich vom Herausgeber 957 datiert, da er sie auf den französischen
Lothar bezieht. Dass sie vielmehr Lothar II. angehört, beweist der Um-
stand, dass Lothar seinen Vater: genüor piae recordationia Hlotariua
quondam piiaaimua Äuguatua nennt, abgesehen davon, dass das Dictat
den Urkunden Lothars II. entspricht und auch der Kanzler Erkanbold
recognosciert. Sie gehurt danach ins Jahr 858, 6. Aug.; Boehmer-M. 1250.
>) Calmet I, 317; 6.-M. 1661. *) Calmet I, 323; B.-M. 1833.
158
Nähe Castelle errichteteD, von denen aus sie die Bürger be-
lästigten. Arnulf half ab und die Befestigungen mnssten auf-
gegeben werden. 1) Nach diesen bösen Zeiten kamen bessere
unter Ludelm; er begann die zerstörten Gotteshäuser wieder
aufzubauen und verschaffte ihnen wieder Besitz.^) Auf der
andern Seite war aber er es wieder gerade, der die Besitzungen
der Klöster an sieh riss und nach Gutdünken verteilte.^) So
konnten auch die Mönche von St. tiVre offenbar nicht empor-
kommen : Drogo weigerte sich sogar, ihren Heiligen herauszugeben,
bis ihn die Brüder heimlich stahlen und sorgsam verbargen *) ;
die Besitzungen der Abtei nährten den Clerus von Toni. Der
Bischof hatte bisher in unstatthafter Weise über den Ort ver-
fügt, als endlich Gauzlin auf den Rat der angesehensten
Männer seines Sprengeis, zweifellos des reformatorisch gesinnten
Clerus, auf die ehemals der Abtei St. Evre gehörigen Güter
verzichtete. Wahrscheinlich hat die Reform 934 oder 935
stattgefunden.^) Zum Abt machte Gauzlin den Archim-
') B.-M. 1850; Calmet I, 325, ürk. Arnulfs v. 894; Gesta episc. Tiill.
c. 29, SS. Vm, 638.
>) Gesta episc. TuU. c. 29.
^) Mirac. S. Apri c. 20: tanquam 8iui sibi accipiem et libitu diapertiens.
*) Gesta episc. Tüll. c. 30 ; Mirac. S. Apri c. 24—29.
*) Die Urk. Calmet I, 842 trägt das Datum : V. Id. oct anno episcopahis
ejus XIII indict. Villi anno ab incam. doniini DCCCCXXXVlj anno
vero XI Henrici ghriosi Regis. Hier stimmt nun fast nichts zusammen.
Wir müssen zur Kritik noch eine andere Urkunde hinzuziehen, die für
Bouxi^res, datiert: Idih. Jan. regnante Othone Rege, ordinationis nostrae
anno decimo tercio. Calmet schrieb hier 985, Sicher ist, dass die Urkunde
fiir St. Evre vor die fdr Boux. fallt, denn erstens wird in dieser die
Reform von St. Evre bereits als durchgeführt und Erchambold oder
Archimbald als Abt erwähnt, zweitens aber liegt auf der Hand, dass die
Datierungen Oct. 936 mit Heinrichs Regierung, Jan. 935 mit Ottos Re-
gierung unmöglich sind. Deutet man nun das 1 1 . Jahr Heinrichs auf die
Zeit seiner Herrschaft in Lothringen, so würde Ende 935 schon in das
11. Jahr fallen. Dazu stimmt die Nachricht in den Mirac. S. Apri c. 30,
dass die Reform von St. Evre im 14. Jahre von Gauzlins Ordination
stattfand: wir kämen also auf Oct. 935. Noch früher setzen die Annal.
S. Benigni (SS. V, 40) die Reform: 934. Conversio monachorum S. ApH.
Vielleicht kann man die Nachricht bei Flodoard: 934. Religio regvlae
monachorum in quibuadam monasteriis per regnum Lothariae reparatur
auch auf Saint-£^vre beziehen. Wir werden später noch einen Grund an-
führen, der zu einer frühen Ansetzung der Reform nötigt.
159
bald.i) In der Urknnde, die hierüber ausgestellt wnrde, behielt
sieh der Bischof nicht nur die unbedingte Oberhoheit über die
Abtei vor, sondern er machte die Gültigkeit der Abtwahl von
seiner Bestätigung abhängig, und wollte dann selbst sogar, ähn-
lich wie Adalbero, das Amt des Abtes aus einem andern Kloster
besetzen, wenn unter den Mönchen von St Evre er keine ihm
genehme Persönlichkeit fände. Kein Abt solle es jemals
wagen, die Abtei der Jurisdiction des Bischofs von Toul zu
entziehen.^)
Schon in den nächsten Jahren wuchs die Zahl der Mönche
beträchtlich; der zum Unterhalt derselben bestimmte Besitz
reichte bald nicht mehr aus und Gauzlin musste sich ent-
schliessen, die Einkünfte etwas zu vermehren.^) Wie es die
Lage ihres Ortes mit sich brachte, scheinen die Mönche eifrig
Weinbau und Fischzucht getrieben zu haben.*) Wahrscheinlich
übten sie fleissig, was der Bischof ihnen zur Bedingung gemacht
hatte; gaben jeden persönlichen Willen auf und machten die
Benedictinerregel zum unverbrüchlichen Gesetz, pflegten Gast-
freundschaft und beteten täglich den Psalm De profnndis für
das Seelenheil des Stifters.
Erst am 3. August 947 hat Otto I. dem Kloster die ihm
vom Bischof zugewiesenen Güter bestätigt.^) Vermutlich fand
') Der erste Abt von Fleury (942 bis c. 945) tragt denselben Namen.
Man hat sie beide für identisch gehalten. Schnitze entscheidet sieb,
Forsch, p. 48 dagegen, aber aus einem nicht triftigen Grunde, wenn er
meint, dass das sonst in der Urk. gesagt worden wäre. In der Urk. z. B.,
in der Leo VII. zum ersten Mal die Reform von Fleury bestätigt, steht
kein Wort davon, dass Odo auch Abt von Cluni war. Im Gegenteil,
man vermied die Nennung der verschiedenen Klöster in den Urkunden,
einmal um eine Verdunkelung hinsichtlich des rechtlichen Verhält-
nisses der betreffenden Abteien zu verhindern, femer wahrscheinlich aus
kirchenrechtlichen Gründen, da die Leitung mehrerer Abteien durch einen
Abt von den Concilen üfter verboten worden war. Im übrigen war
z. Z., als St. Evre reformiert wurde, A. noch gar nicht Abt v. Fleury.
>) Calmet I, 342.
') Calmet I, 348. Urk. Gauzlins v. 23. Dec. 940: cognovimuSy quia
8ub venerabili abbate Archembaldo . . . et grex domini gradatitn cresceretf
et subfftantia monasterii valde effugeret, necposset vivere de rebus eiusdem
ecclesiae; vgl. Hugo Flav. SS. VIII, 859.
*) CahnetI, 302; IIF IX, 278; Dipl. Ott. I, nr. 92, p. 174.
ß) Dipl. Ott. I, nr. 92.
160
in dieser Zeit eine Versöhnung zwischen dem Könige und
Gauzlin statt, den wir damals wieder znerst auf der Synode
von Verdun politisch thätig findend) Es lässt sich nicht mehr
bestimmen, wann Archembald starb. Sein Nachfolger hiess
Humbert. Von Bauern geboren, nicht ohne Vermögen, bestimmte
ihn in seiner Jugend ein Wunder, sich Gott zu weihen. Nach
einer Bomreise, die er aus religiösen Beweggründen unter-
nommen, beschloss er, in Verdun als Reclusus ein zurück-
gezogenes Leben zu führen. Er trat dann in Gorze ein, einer
jener gottergebenen Eiferer, die wir bereits kennen gelernt
haben, bis er nach St. Evre kam, wo er bis zu seinem Tode
nach Archembald den Abtstab führte.^)
Gorze und Cluni.
Scheinbar spontan hatte sich in den oberlothringischen
Diöeesen eine Bewegung erhoben, die sich schliesslich so kräf-
tigte, dass sie im Stande war, auf die vielfach gefesselten und
abhängigen Bischöfe einen mächtigen Druck auszuüben. In
Bezug auf die Touler Reform ist der Zusammenhang mit der
französischen unzweifelhaft bewiesen. Kurz nach der Ueber-
nahme durch Odo beginnt Fleury einen Einfluss nach Osten
hin auszuüben, der in den nächsten Jahrzehnten noch bedeutend
steigen sollte. Die Frage ist: wie steht es mit Gorze? Sicherlich
lassen sich cluniacensische Einwirkungen hier in Fülle nach-
1) Flodoardi Ann. 947; Hist. Rhem. eccl. IV, c. 34, SS. XIII, 588.
*) Vita Job. Gorz. c. 50— 52. Dieser Ilumbert ist von dem späteren
gleichnamigen Abte von St. Vannes zu trennen. Nirgend findet sich in
den massgebenden Quellen etwas von ihrer Identität. Da Humbert von
St. Vannes 952 das Kloster übernahm, der von St. Evre 957 (CalmetI, 364)
und 965 (Mirac. S. Mansueti c. 10) sich nachweisen lässt, so müsste, wenn
beide eine Person wären, dieselbe beide Abteien zugleich geleitet haben,
und das hätte weder in den Quellen von Toul, noch in denen von Verdun
unerwähnt bleiben können. Wenn es Vita Joh. Gorz. c. 52 heisst: ubi
(S. Apr.) et in aira gregis dominici quievit, so starb und ruhte, wie ans
Hugo Flav. SS. VIII, 307 und An. S. Benig. 973 geschlossen werden
darf, der Abt von S. Vannes in Verdun. Wenn nun die erst Mitte
des 11. Jahrhunderts geschriebene Continuat. c. 2 der Gesta ep. Virdun.
(SS. IV, 45) sagt: tmw temporis divini amoris instinctu apud sanctvm
Aprum Tullo nwnachum ipsiqtie loco jam a Deo patrem factum, so beruht
das wohl auf einer Verwechselung beider Aebte, zumal der Abt von
St. Vannes auch Mönch von St. Evre war.
161
weisen ; nur ist kaum an eine unmittelbare Uebertragung fran-
zösischer Klostergewohnheiten zu denken; hier und da, all-
mählich, haben fremde Institutionen in der Metzer Abtei Eingang
gefunden. Was hier zunächst in die Augen fallt, ist die Selb-
ständigkeit, welche die einzelnen Mitglieder sich in der Beob-
achtung ihrer religiösen Pflichten bewahrt haben. Hier war
in der ersten Zeit die Gefahr einer allmählichen Ermattung,
die Folgen ungezügelter Wünsche nicht zu fürchten, da im
Gegenteil die strengen Selbstpeinigungen zu ganz unerhörter
Härte sich zu steigern schienen und jene Männer die ersten
Mönche waren, die aus glühendstem Eifer Profess abgelegt
hatten. Einold selbst ging in seinen Anstrengungen nicht über
seine Kräfte^), ganz anders Angilram^), Ansteus^), Jobannes.
Letzterer nahm für sich einen erbittei*ten Kampf gegen den
Schlaf auf; er fastete bei Brot und Wasser mit wunderbarer
Standhaftigkeit; dabei wirtschaftete er in Küche und Keller
allein ohne Gehülfen.^) In ganz andrer Weise wie bei Odo
tritt hier der Spiritualismus auf; ihm ist es nur um eine gleich-
massige Disciplin, eine moralische Läuterung zu thun, in Gorze
verfällt man ins Extrem und sieht im Materiellen ein Werk
des Teufels.
Neben diesen Anschauungen, die denen der ersten Clunia-
censer fremd sind, finden sich aber Institutionen, die einen
deutlichen Einfluss von französischer Seite verraten. Den voll-
gültigsten Beweis haben wir in der Einführung des Schuh-
wasehens, einer Cluni eigentümlichen Einrichtung, von der
es in Gorze heisst, „dass sie zwar alt, aber neuerdings
erst wieder uns überbracht sei."*) Wir wiederholen dann, was
wir schon erwähnten, dass in Cluni wie in Gorze ein bedeu-
tendes Gewicht auf Psalmengesang und nächtliche Leetüre
gelegt wurde, dass hier wie dort sich derselbe Modus in Bezug
auf die Einteilung der Yigilien findet, und wenn Johannes Bio-
graph hinsichtlich der nächtlichen Gesänge, Gebete und Lectionen
sagt, diese seien damals an Zahl, Länge und Vortrag vielfach
0 V. Job. Gorz. c. 92. 98. «) V. Job. c. 62—64.
») V. Job. c. 66—68. *) V. Job. c. 72—94.
^) V. Joh. c. 63: ex nuyi-e arUiquo quidem^ sed timc novit er nob%8
tradito.
SftokiiT, ClimiftoaiiB«. I. H
162
erweitert worden ^\ so wttsste ich nicht, worauf diese Bemerkung
mehr Bezug haben sollte, als auf die schon mannigfach ver-
breiteten cluniaeensischen Einrichtungen. Dann finden wir
aber auch einmal auf eine „mildere Regel* verwiesen 2), als
Johannes sein beständiges Fasten aufgab und nur zwei Fasten-
zeiten im Jahre vor Weihnachten und vor Ostern annahm, ganz
wie man es in Cluni später übte; hier wie dort waren die
Modi innerhalb dieser Zeiträume den Mönchen freigestellt. Die
Beobachtung der Stunden zur Nachtzeit durch den Stand der
Gestirne ist in cluniaeensischen und floriacensischen Riten bis
auf Bernard von Cluni zu finden; auch in Gorze beobachtet
Johannes als Prior den Himmel, während sonst die abgelaufene
Zeit nach dem Schwinden der Wachskerzen, nach Wasseruhren
und dem Hahnenruf bemessen wnrde.^) Nicht minder ist die
verschärfte Demut der Mönche dem Abte gegenüber ein Cha-
racteristicum der Clnniacenser; sie wird im Aachener Capitular
besonders betont, bei Johannes von Gorze erreicht sie ihren
Höhepunkt.
Auch ohne diese Anzeichen würde man mannigfache An-
regungen von dem nahe gelegenen Toul ans annehmen müssen.
Aber sie lassen sich für Gorze noch besonders belegen. Wir er-
fahren, dass in diesem Kloster Mönche aus Griechenland,
Burgund, England, Metz, Toul, Verdun zusammenströmten 4);
und bei der schnellen Verbreitung des Rufes unserer Abtei
mochte auch wenigstens in Bezug auf locale Verhältnisse der
rhetorischen Uebertreibung etwas wahres zu Grunde liegen:
niemand habe geglaubt, den Anfang der Conversion gemacht
zu haben, der nicht in die Gorzer Regel eingedrungen sei.^)
Kaddroe, ein Schotte, der in Fleury Mönch gewesen war, ward
*) V. Job. c. 81: Quae tunc temporis utique ut ferventUms conver-
saiionis initiis et numero et longitudine et mora dicendi muüiplicitis
extendebantur.
') V. Job. c. 93: itaqus regulam tolerabiliorem dsawnpsit.
3) Martine et Durand, De monachorum ritibus I, 1 ff.; vgl. BibL
Floriac. p. 88.
*) Mirac. S. Gorgomi c. 26: atque de ofnnibua saeculis istuc congre-
gavit de Oraecia viddicet, Burgundia ac de penitus toto divisis orbe
BritanniSf MettenaUmSf TuüensibuSf Verdunensibus.
*) V. S. Wigberti c. 8: nee quisqaam vel initium conversionis se
credebat anipuiaaef cui non contigerat Oorziensi regula initiatum esse.
163
von Adalbero einem Metzer Kloster vorgestellt*); zweifellos fand
anter diesen Abteien ein fortwährender Anstanscb statt. Noch
war auch die Cluniaeenserregel nicht in der Weise ausgebildet
und fixiert, wie später nnter Hugo. In Glani selbst war die
Tradition durehaus schwankend, noch schieden die Glnnia-
eenser sich nicht streng von den übrigen Mönchen. Agapit II.
bemft Gorzer Mönche nach dem cluniacensischen St. Panl;
Hnmbert von Gorze wird in St. Evre Mönch und bald Abt, in
Wanlsort wirken der floriacensisch*e Kaddroe und der gor-
zensische Malcalan friedlich nebeneinander, letzterer leitete
später die nach Laon überfllhrten Mönche von Fleury. Von
Bnrgund und Toni mögen vielfach Gorzer Einrichtungen modifi-
eiert worden sein, während eine directe Uebertragung vollstän-
diger Gewohnheiten nicht nachzuweisen ist.
Von den beiden behandelten Abteien aus verbreitet sich neues
mönehisches Leben und klösterliche Zucht nach verschiedenen
Riehtungen durch Lothringen von Kloster zu Kloster. Wir
verfolgen zunächst die von Gorze ausgehenden Reformen.
Gorzer Reformen.
DiÖeese Metz.
Nachdem für die gottbegeisterten Eifrer in der Abtei Gorae
ein Asyl geschaffen war, in dem sie ihren Neigungen nach-
gehen konnte, lag vor der Hand die Notwendigkeit neuer
Klostereinriehtnngen nicht vor. Auch waren die politischen
Unruhen, die sich Ende der dreissiger Jahre wieder erhoben,
die Teilnahme Adalberos an Giselberts Aufstande gegen Otto
den Grossen, einer gedeihlichen und schnellen Förderung der
Mönehsstifter nicht hold. So kam es, dass erst im Jahre 941
oder 942 der Bischof von Metz die Canoniker vertrieb, die in
Si Arnulf ein weltliches, wenig ehrbare« Leben ftthrten; eine
That, die ihm mit allgemeinem Dank gelohnt ward. Die einzig
Unzufriedenen waren die Chorherren selbst; sie appellierten
an den König und beklagten sich Über die Entziehung ihres
Eigentums. Doch Otto wies sie zurück, bestätigte die
Reform und Aribert, ein Mönch von Gorze, übernahm un-
') Vgl. unten ä. 183.
n
164
gestört die Leitung der in dem Kloster angesiedelten Brttder ') ;
leider starb er bereits nach zwei Jahren^), worauf Adalbero ihm
einen Nachfolger in einem Verwandten Einolds ersah, in Ansteus,
der frtlher Archidiacon, zuletzt Deean in Gorze gewesen war,
einem Mann von ausserordentlicher Beredtsamkeit, der in
technischen Künsten so erfahren war, dass er niemandes Kritik
zu scheuen brauchte. Seine Kenntnisse verwertete er alsbald
bei dem prächtigen Neubau des Gellerariums und des Fremden-
hospizes, das um so notwendiger war, als in St. Arnulf, das
nahe der Stadt lag, reger Fremdenverkehr herrschte, wie er
denn überhaupt sich um die Aufbesserung der verfallenen
Anstalten verdient machte. Er erfreute sieh dabei der ma-
teriellen Unterstützung Adalberos. Daneben war er ein vor-
trefflicher Verwalter und Landwirt, der durch Regelung von
Feldbau und Forstkultur, Wein- und Wiesenwirtschaft die Ein-
künfte erheblich steigerte. Aber auch er hatte unter den
Verwirrungen des Jahres 953 zu leiden; eine Mauer, die er
gegen die Ungarn um das Kloster angelegt, musste bis zum
nächsten Jahre unvollendet bleiben.*) Als er nach einer
sechzehnjährigen Herrschaft am 7. September 960 starb, folgte
ihm einer seiner Mönche, Johannes, dessen Gelehrsamkeit sogar
Sachsen und Bayern in die Klosterschule von St. Arnulf lockte
und der sich — er schrieb das Leben des Johannes von Gorze,
die Vita und Mirakel der hl. Glodesindis — durch litterarische
Arbeiten und musikalische Gompositionen einen Namen erwarb.^)
») V. Job. Gorz. c. 67; Calmet I, 349 Urk. Adalberos von 942; Dipl.
Ott. I, n. 45, p. 130. Urk. Ariberts in Eist. S. Arnulfi, SS. XXIV, 542;
Chron. S. Clementis, SS. XXIV, 498; Notae S. Arnulfi zu 929 Vgl. Wich-
mann im Jahrbuch der Gesellsch. f. lothr. Gesch. II (1890), 306 fr.
•) Eist. S. Amulfi p. 542: Iste non tenuit nisi duobua annis ecclesiam
pastoralem.
5) V. Joh. Gorz. c. 66. 67. Vgl. dazu die Urk. Adalberos ftlr Ansteus
vom 24. Nov. 952, Eist, de Metz lU, pr. 69.
*) Bist. S. Arnulfi a. a. 0.; vgl. Schnitze, War Johann von Gorze
historischer Schriftsteller? N. Archiv IX, 497—512, dem ich zustimme,
wenn er die V. Glodes. u. die Miracula S. Glodes. für Jobann v. St Amulf
in Anspruch nimmt. Die Vita u. die Mirac. sind mit der V. Johannis Gorz.
im Cod. Paris 1. 13766 saec. XI enthalten und die V. S. Glodes. über-
schrieben : P'tvlogus dornni Johannis abbatis in vitam sanctae Glodesindis
virginis a ae editam.
16b
Zwei Metzer Nonnenklöster wurden von Adalbero refor-
miert; und hier scheint sich der Bischof etwas freigebiger
gezeigt zn haben. Die Reformen von St. Glodesindis nnd St.
Peter fallen aber bereits in eine spätere Zeit, in der die Bähe
in Lothringen wieder hergestellt und an eine Gefahr von
Seiten Frankreichs nicht mehr za denken war. St. Glodesindis
hatte ihre wesentlichsten Güter an den Landadel verloren und
war aller Mittel entblösst. Am 6. October 945 *) wies endlich
der Bischof der Abtei alle früheren Besitzungen wieder zu,
namentlich eine Menge Weinberge, ferner das Marienkloster
von Hasti^re an der Maas. Aebtissin wurde Adalberos Nichte
Himeltrud, die 951 an die vollständige Wiederherstellung der
Klostergebäude ging. 2) Bereits 969 wurden die Nonnen von
St Glodesindis aus Hasti^re durch Bischof Dietrich I. von
Metz vertrieben, der diesen Ort mit Waulsort verband. 3) Weit
später, am 3. Juni 960 bestätigte der Kaiser auf Bitten Adalberos
und seines Bruders, des Herzogs Friedrich, die an das kaiser-
liche Hoflager nach Cöln gekommen waren, die Einführung der
Benedictinenregel in St. Peter; und Otto verordnete, dass die
Leiterin Uadnwid oder Hawid von nun an mit ihren Nonnen
ein echt mönchisches Leben fahrten. 4) Und in der That hielt
Hawid, was man von ihr hoffen durfte: Kaddroe meinte, er
habe nie eine ähnliche Frau gefunden.^) Sie starb zwischen
977 nnd 993«) am 13. Februar. ?)
Biöcese TonL
Den Uebergang zu den Gorzer Reformen im Sprengel von
Toul bildet füglich die von Senones, wo wir Adalbero von
Metz und Gauzlin von Toul in gemeinschaftlicher Thätigkeit
finden. Denn war letzterer der geistliche Oberhirt des in
») Calmet I, 369. «) V. Deoderici I. c. 6; Calmet I, 382.
^) Vgl. Sackur, Der Rechtsstreit der Klüstor Waulsort und Hastiere
in der Deutschen Zeitschr. f. Geschichtswissensch. II (1889), 346.
*) Dipl. Ott. I, n. 210.
*) V. Kaddroe c. 31. 34.
•) Dipl. Ott. II, n. 159, p. 179 v. U. Mai 977 begegnet sie noch; in
der Urk. Ottos III. vom 21. März 993 ist Ilyrmentnid Aebtissin, Hist. de
Metz III, pr. S2.
^ Necrol. S. Petri in der Voyage litteraire des deux B6n6dictins II, 115.
166
seiner Diöcese gelegenen Klosters, so waren die Ländereien
desselben ursprünglich Lehen der Kirche Metz. Unter Abt
Adalhard ging die Abtei sowohl in sittlicher, wie in wirtschaft-
licher Beziehung ihrem Rain entgegen. Güter, Renten, Servi-
tute wurden verschleudert und statt der geistlichen Uebungen
stürzte man sich in weltliche Lust, bis Armut die Brüder zu
Knechtsdiensten nötigte. Sechs Aebte sahen diesen Znstand
mit an, bis einer der Mönche Rambert in grosser Entrüstung
nach dem damals kräftig blühenden Gorze sich begab, wo er
gefesselt von dem geordneten Klosterleben nach Hülfe aus-
schaute für seine verirrten Brüder. Der damalige Abt von
Senones Ranger, ein vernünftiger Mann, machte ihn zum Probst
und als er wenige Jahre darauf starb, wählte der Convent
Rambert zum Abt. In der festen Absicht, die Institutionen
von Gorze einzufahren, Hess er sich durch den Bischof von
Metz den zeitlichen Besitz der Abtei, durch Gauzlin von Toni
die geistliche Ordination erteilen.^) Vielleicht geschah dies
im Jahre 938; damals im December ging er angeblich mit
seiner Gongregation den Bischof Adalbero mit der Bitte an,
die früheren Schenkungen der Metzer Bischöfe von neuem zu
bestätigen.^) Aber auf der Stelle fand er Widerstand unter
seinen Mönchen; auf den Rat des Metzer Bischofs holte er
Abt Einold zu Hülfe. Als man am Ende den Brüdern die
Wahl liess, sich entweder zu fügen oder das Kloster zu ver-
lassen, wählten nur vier das letztere. Am 11. Juni 948 hat
dann Otto I. auf der Synode zu Ingelheim den Besitzstand von
Senones durch eine Urkunde gesichert. 3)
Das zweite bedeutendere Kloster im Touler Sprengel, das
den Metzer Reformatoren seine Wiederbelebung verdankte,
war Moyenmoutier. Seit unter Zwentibold Weltgeistliche hinein-
gelegt wurden, wanderte die Stiftung durch verschiedene
Laienhände; die Grafen Hasuma, Richwin, Otto, Boso, Ainard,
Giselbert und Friedrich von Lothringen hatten sie nacheinander
im Besitz; das Klostergut war in alle Winde verschleudert
0 Riehen bist. Senon. II, c. 18.
3) Gallia Christ. XIII, 453. Urk. v. 30. Dec. 938, als unecht erwiesen
V. Wichmann a. a. 0.
8) Dipl. Ott. I, n. 103,
167
und nur vereinzelte Cleriker haasten hier and in den benach-
barten Abteien. <) Erst als der Zufall zam deutsehen Reich
in Lothringen einigermassen geordnete Zustände bewirkte,
ward auch die verminderte Zahl der Canoniker wieder ergänzt.
Endlieh wandte sich der Mönch Adalbert von Gorze, ein mit
dem lothringischen Adel blutsverwandter Mann, mit Unter-
stützung des Grafen Giselbert an Herzog Friedrich von Loth-
ringen, der im Besitz von Moyenmoutier war. Er willigte in
die Reform und Adalbert selbst wurde beauftragt, die klöster-
liche Ordnung in jener Abtei wieder einzuführen. Einolds
erfahrener Rat kam auch ihm zu Gute; er war es, der dem
neuen Abte zwei bewährte Gorzer Mönche, den einstigen
Metzer Primicer Blidulf^), einen durch Adel der Geburt wie
Reichtum ausgezeichneten Mann, und dessen Freund Gundeloch
mitgab, welcher früher in Fulda und St. Maximin gelebt hatte
und nach Gorze gekommen war, als Einold bereits die Leitung
übernommen hatte. ^) Beide waren dann von Bischof Ogo von
Ltittich nach seinem Bischofsitz berufen worden, von wo sie
aber bereits 947 nach Ogos Tode nach Gorze zurückkehrten.
In die letzten Jahre des sechsten Jahrzehnts dürfte ihre Ueber-
siedelung nach Moyenmoutier zu setzen sein.'^) Wie lange
Blidulf in diesem Kloster blieb, ist nicht bestimmbar; er zog
später das Einsiedlerleben vor und baute sich eine Celle auf
einem Berge in den Yogesen, die er Belmont nannte^); bald
Behaarten sich Mönche um ihn, einige Einkünfte verschaffte
er und Wohnhäuser erhoben sich. Vermutlich ging Gundeloch
mit, von seinen anderen Genossen werden Wilhelm und Acharich
genannt, dessen Frömmigkeit zu Ehren der Ort später seinen
[Namen erhielt. Die neue Celle ward dann dem Kloster
Moyenmoutier zugevriesen und untergeben, aber die Mönche,
') Cbron. Mediani Monast. c. 6; Riehen bist. SenoD. II, c. 7.
') Ein S. Blidulfi findet sich in einer Gorzer Urk. von 914, Hist. de
Metz in, pr. 56.
") Chron. Mediani Monast. c. 7; V. Joh. Gorz. c. 69; Gnndelahc wird
erwähnt unter den siebzig Mönchen, die zur Zeit Ogos (934—945) in
St. Maximin lebten, SS. XIII, 302.
•) V. Joh. Gorz. c. 70.
*) V. Joh. Gorz. c. 69: in remotioribm Vosagi; Richer II, 9: in
vaUe Lebrath.
168
die von dort ans übersiedelten, liessen den Ort verfallen. i)
Eine andere Abtei, die von Moyenmontier aus reformiert wurde,
ist die des hl. Deodat, Saint-Di^, wo nach dem Tode des
letzten Abtes Adalbert von Moyenmoutier die Leitung und
Reform ttbernahm. Er setzte einen Mönch seines Klosters,
Encherbertns, zum Abt, der aber das Klostergut in einer Weise
verschwendete, dass Herzog Friedrich ihn zur Abdankung zwang
und seine Mönche herausjagte. Wie Kater von Verona zog er
Canoniker jetzt den ungeratenen Mönchen vor.^) Moyenmoutier
übrigens und St Di6 gehörten noch nach der Reform dem
Herzoge Friedrich und gingen erst in den Besitz der Touler
Kirche über, als Bischof Gerhard sich bei Otto III. über die
Anlage des Gasteils Bar, das Friedrich auf Kirchengut in
Bosonville errichtet hatte, beklagte.^) Auf diese Weise behielt
der Herzog vorläufig, was er sich unrechtmässiger Weise an-
gemasst hatte ; dem Kloster St Mihiel im Gau von Verdun nahm
er ebenfalls zur Ausstattung des Gasteils den dritten Teil seines
Gutes weg und mit den Mönchen von St Denis schloss er
einen vorteilhaften Tausch, welcher ihn in den Besitz der ihm
günstiger gelegenen Orte Neuville, Laymont und Revigny
brachte. So hatte der Herzog, der Bruder Bischof Adalberos III,
*) Wir haben folgende Nachrichten: Vita Joh. Gorz. c. 70 nennt
die Metzer Blidulf und Giindeloch und erzählt ohne Erwähnung
ihres Aufenthalts in Moyenmoutier von ihrer Einsiedelei ; das Chron. Med.
Mon. c. 7 kennt Blidulf und Gundeloch nur in ihren Beziehungen zu
Moyenmoutier; Rieh. hist. Öen. II, c. 9 lasst Blidulf und Acharich in die
Einsiedelei gehen. Hier ist zunächst anzuerkennen, dass an der Identität
der verschiedenen Blidulfe nicht zu zweifeln ist, da sowohl in der
Vit. Joh. Gorz. a. a. 0., als im Chr. Med. Mon. Bildulf als Primicer von
Metz bezeichnet wird. Indes sehen Mabillon, und nach ihm Schnitze,
Forschungen etc. p. 47 in Vit. Joh. Gorz. und Rieh. hist. Sen. einen Wider-
spruch, weil die eiue Quelle Blidulfs Begleiter Gundeloch, die andere
Acharich nennt. Thatsächlich besteht aber gar kein Widerspruch. Dass
Blidulf mehrere Gefährten in der Einsiedelei hatte — einer wird noch
genannt, Wilhelm — berichtet Richer ; es ist also gar nicht ausgeschlossen,
dass Gundeloch unter ihnen war. Und wenn die Vita Joh. Gorz. gerade
Gundeloch als seinen Begleiter nennt, so war es ihr doch nur um Gorzer
MOnche zu thun; andere namhaft zu machen, hatte der Verfasser keinen
Grund, vielleicht kannte er sie auch nicht.
*) Richer hist. Senon. II, c. 10 nennt die Jahreszahl 942, doch ist
das jedenfalls viel zu früh. ^) Stumpf 872.
169
der ohnehin durch seine Vermählang mit der Schwester Hngo
Capets eine mächtige Stütze sich geschaffen, eine feste Position
aas dem Besitztum dreier Klöster.^)
Diöcese LIittich.
Umfangreicher war die Thätigkeit Gorzer Mönche, wirk-
samer Gorzer Einflüsse im Maasgebiet, im Sprengel von Lüttich.
Bischof Richer (920 — 945), von dem man erzählt, dass er den
Mönchen nicht günstig gewesen sei, hat doch nicht nur in
seiner eigenen Bischofsstadt das von den Normannen zerstörte
Peterskloster wieder hergestellt 2), sondern hat auch bereitwillig
den neuen Klosterinstitutionen von Metz in seiner Diöcese das
Thor geöffnet.
Im Jahre 937 fand die Wiederherstellung des Doppel-
klosters Stablo-Malmedy statt. Seit dem Anfange des Jahr-
hunderts von den Dänen verbrannt, dann in den Händen von
nicht weniger als fünf Laienäbten ^), endlich unter der Herr-
schaft des Bischofs Richer, standen die beiden Abteien unter
verschiedenen Pröbsten, welche ihre Aemter gegen Geld-
sammen erkaufen mussten^), bis sich das im Jahre 937 mit
der Uebemahme der verfallenen Abteien durch den Mönch
Odilo änderte.*) Von vornehmer Geburt und nicht ohne Ver-
mögen, diente er als Cleriker in Verdun, ehe er in Gorze das
Mönchskleid nahm.<^) Glänzender und grösser als früher, erhob
sich das Kloster von Grund auf wieder aus seinen Ruinen. '')
») Chron. Med. Monast. c. 10; Chron. S. Mich. Virdun. c. 7.
«) Gesta abb. Lobb. c. 19, SS. IV, 63; Aegidins Aiireavall. c. 37. 42,
SS. XXV, 49. 52.
3) Noch am 8. Jani 935 interveniert Giselbert für Stablo, Dipl.
Ott. I, n. 40.
*) Dipl. Ott. I, n. 167: quia oKw, anteqtumi praefatus dbha ibi ordi-
natwf fuissetf attdivinitis ea per pecuniae amoreni suh cura praepositorum
ab invicem fuisse separata. Es wird daher verboten: nt nullns per pecuniae
falsitatem (üiquam introducere in eisdem andeat personam,
») Ann. Stabul. 987; Series abb. StabuL, SS. Xm, 293.
«) V. Job. Gorz. c. 56.
») Nanratio de dedicatione eccl. Stabul. bei Martene et Durand, Coli,
ampl. II, 62: praedictum monasterium ab invisa gente Danornm ejst com-
hiistum et ideo carutn niinante ab abbate Odilone propensiori opere atq^ie
eminentiori in ipsis fundamentia est restauratum.
170
Es ist jedenfalls ein Beweis fttr sein Ansehen, wenn wir Odilo
im Jahre 947 mit seinem Bischof auf der Synode von Verdun
finden 9; mehrmals hat König Otto fllr ihn genrknndet/^) Aber
im hohen Alter noch erlebte er das Unglück, dass die Güter
seiner Abtei durch den lothringischen Grafen Emmo, einen
Parteigänger Conrads, verwüstet wurden. Halbgebrochen
kam er 953 schutzflehend an Brunos Hof nach Aachen. Hülfe
ward ihm zu Teil. Der Bruder Ottos liess Emmo einfangen
und sein Castell ward genommen.^) Vielleicht aus Gram starb
Odilo noch im selben Jahre. Sein Nachfolger hiess Werinfried,
der bis 980 den Krummstab von Stablo führte.^)
Sehr wenig wissen wir über die Reform von St. Hubert.
Wohl um dieselbe Zeit, da er Stablo reformierte, wandte sich
Richer von Lüttich an Bischof Adalbero ; als geeignete Persön-
lichkeit schlug dieser seinen Oheim Friedrich vor, dem man
um so eher Kenntnis der Ortsverhältnisse zutrauen konnte, als
er bereits seine ersten Jugendjahre in diesem Kloster zugebracht
hatte. Aber der weiter um sich greifende Verfall von St. Hubert
hatte ihn nach dem Beispiel seiner vornehmen Verwandten dem
ritterlichen Leben wieder zugeführt, bis er in dem Kloster seines
Neffen, in Gorze, wiederum das Mönchskleid nahm und schliess-
lich zum Probst erhoben wurde. Nur kurze Zeit kann er
St Hubert geleitet haben, denn bereits am 23. Oct. 942 ereilte
ihn der Tod in Trier, wo er einer Kirchweih beiwohnte.^)
Westlich von St. Hubert an der Maas lag Gembloux.
Hier hatte um die Mitte des 10. Jahrhunderts ein Kriegsmann
aus dem darvensischen Gau, Wigbert, der wie mancher seiner
Genossen mit seinem Stande zerfallen war, unter Mitwirkung
seiner Grossmutter Gisela ein Kloster gegründet. Das Gut,
auf welchem das Stift sich erhob, war königliches Fiscalland,
») Flodoardi Aon. 947; Bist. Rhem. IV, c. 84.
*) Dipl. Ott. I, n. 118. 167. ») V. Brunonis altera c. 9.
*) Ann. Stabul. 953. 980. Am 31. Oct. 953 erscheint Warinfried
zuerst als Abt, Wauters, Table chron. I, 362. Es ergiebt sich daraus,
dass die Urk. v. 8. Aug. 954 und 2. Mai 956 bei Wauters I, 362. 363, in
denen Odilo noch als Abt auftritt, unmöglich richtig datiert sind.
ö) V. Job. Gorz. c. 55. 74; Ann. Trever. 942; Necrol. S. Maxim.
(Hontheim, Prodromus II, 989): X Kai, Nov. Fridericus abbas; Necrol.
Epternac. (N. Arch. XV, 136); Fi-idericus diaconus et abbas sancti ünperti.
171
das den Vorfahren Wigberts zu Lehen gegeben war nnd
eigentlich widerrechtlich jetzt in den Besitz der Kirche über-
ging.') Mit Hülfe des Canonikers Erluin ging Wigbert an die
Errichtung Fon Gebäuden nnd die Heranziehnng von Mönchen,
während er selbst sich nach Gorze begab, „dem Bienenhaus
der Mönche'', um sich unter Einold in das Mönchsleben ein-
fuhren zu lassen.^) Einmal nur kehrte er nach seiner Heimat
zurück, wo er seinen Freund Erluin zum Abt 3) machte, um dann
in Gorze unter Fasten, Wachen und Beten sein Leben zu ver-
bringen. Erst nachträglich legalisierte Otto L, vielleicht am
20. Sept. 946, den Uebergang des königlichen Besitzes in den
der Kirche, nachdem er auf den ewigen Gewinn, der ihm aus
der fremden Stiftung erwachsen würde, aufmerksam gemacht
worden war.*)
Während Wigbert in Gorze nur den mönchischen Pflichten
lebte, ruhte die Leitung von Gembloux auf den Schultern
Erluins. Er hatte leider wenig Glück mit der Führung der
Geschäfte; es zeigte sich, dass der frühere Weltgeistliche
nicht die geeignete Person war, einem neuem Stift wirksam
vorzustehen. Gelang es ihm auch auf Veranlassung des Grafen
Raginer vom Hennegau in dem St Vincenzkloster zu Soignies
zwischen Brüssel und Valenciennes statt der Chorherren refor-
mierte Mönche einzuführen, so soheiterte sein Unternehmen in
Lobbes doch vollständig.
Dieses Stift hatte von 863 bis 955 keine regulären Aebte
und die Lütticher Bischöfe, in deren Gewalt die Abtei sich
befand, hatten immer mehr ihre wirtschaftlichen Vorteile, als
das religiöse Moment im Auge. Erluin fand in Lobbes er-
bitterten Widerstand, da man sich eben so sehr an seiner
niederen Herkunft, als daran stiess, dass er aus einem fremden
») Sigeber« V. Wieberti c. 11., SS. VUI, 512.
«) V. Wieberti e. 1—3, p. SüSflf.j vgl. Hist. elev. S. Wieberti e. I:
40 annoa in bonorum operum consutnniovit exercitio,
') V.Wieb, c. 10: nam ad cUvearium monachorum, scilicet Gorziam
regressus..; Catal. abb. Gemblac. SS. XIII, 291.
*) V. Wieb. c. 10; die Urk, Dipl. Ott. I, n. 82 ist unecht; vielleicht
ist aber das Datum — eine echte Urk. hat es ja doch gegeben — einer
echten Vorlage entnommen. Eine Schenkung an (lembloux bei Miraeus,
Opp. dipl. I, 141.
172
Kloster berbeigeftthrt ward, nm die zügellosen Möncbe zu
vorscbriftsmäsBiger Lebensweise zu zwingen. Das Ende war,
dass er zwei Jahre darauf, am 20. Oct. 957 geblendet und
eines Teiles seiner Zunge beraubt nach Gembloux zurückkehren
musste.*) Unfähig wie er war, vermochte er hier den feind-
lichen Unternehmungen Heribrands von Mawolt, des Schwagers
Wigberts, der Erbansprüche auf Gembloux erhob, nicht zu
widerstehen. Bald wandelten weltliche Herren in den Kloster-
räumen; die klösterliche Ruhe unterbrach jetzt das Wiehern
der Pferde.2)
Wigbert musste selbst sein Kloster bei Metz verlassen,
um die Gegner zu besänftigen 3), nachdem er schon vorher
in diesen Gebieten den Ungarn das Evangelium gepredigt
hatte. ^) Eine interessante Persönlichkeit ist er immerhin:
so fasst er den Plan, die Laien in den Kreis der kirchlichen
Bestrebungen zu ziehen und veranlasst fromme und gläubige
Leute, einen Verein zu gründen, in welchem die frommen
Handlungen des einen der ganzen Gemeinschaft zu Gute kommen
sollen: ein Institut, den klösterlichen Confraternitäten nach-
gebildet.*) Er starb am 23. Mai 962 in Gorze.«) Wie sehr
sein Nachfolger Erluin sich seine Tendenzen zu eigen gemacht
hatte, ersieht man daraus, dass er das Jahr darauf mit
Aletrann, der seit 960 die Abtwtirde in Lobbes bekleidete und
mit der Einführung strenger Zucht mehr Glück hatte, einen
Verbrüderungsvertrag abschloss.')
Nachdem am 25. März 983 Papst Benedict VII. die Schutz-
herrschaft des römischen Stuhles über Gembloux in einem
Privileg ausgesprochen hatte •»), starb Erluin am 10. August 987,
Nach der kurzen Amtsführung seines Nachfolgers Heriward,
wurde am 23. Dec. 090 ein Zögling von Gorze, Erluin IL
ordiniert, ein Vei^wandter seines gleichnamigen Vorgängers
und der Oheim des Bischofs Erluin von Gambrai. Trotzdem
löste sich unter ihm gerade die Disciplin, man strebte wieder
0 Gesta abb. Gemblac. c. 15. «) V. S. Wieb. c. 13.
3) ib. c. 12. *) ib. c. VI «) ib. c. 15.
«) c. 17; Ann. Laub. 963.
') V. Wieb. e. 19; Folciiini Gesta Lobb. c. 27.
«) J.-L. 2921; Miraeiis, Opp. Dipl. I, 507; V. S. Wieberti c. 11.
173
nach EigeDtnm nnd ein freieres Leben ergötzte die Brüder
des Klosters J)
An einer andern Stelle werden die Verdienste der Nach-
folger Bischof Adalberos I. um die Klöster ihrer Diöcese zar
Besprechung gelangen. Dass er selbst nur gezwungen und
sehr allmählich sich den Forderungen der Zeit anbequemte,
haben wir betont. Die späteren Quellen, die in ihm „den
Grossen "2)^ ^den Vater der Mönche", »den Wiederhersteller
der heiligen Religion''^) feiern, stehen doch unter dem Eindruck
des zwar nicht gegen seinen Willen, aber doch anfänglich
ohne seine Initiative Gewordenen. Bezeichnend ist sein Ver-
halten zu St. Trond, einer der Metzer Kirche gehörigen *) im
Lütticher Sprengel gelegenen Abtei. Hier hatte sich nach der
Zerstörung durch die Normannen einst Otto I. etwa 939 des
Klosters erbarmt und ohne Zuthun des Bischofs von den
Brüdern einen gewissen Rainar zum Abte wählen lassen. Bald
traten jedoch Reibungen zwischen Rainar nnd Adalbero
ein, die allerdings später beigelegt wurden, nachdem auch
hier der hl. Trudo sich ins Mittel gelegt hatte. Aber für
Adalberos Stellung zur Reform ist doch bezeichnend, dass
der Bischof nach Rainars Tode 944 gar keinen Abt mehr
wählen liess, anstatt sich etwa nach Gorze zu wenden, dagegen
von nun an in eigner Person den Abt spielte.^)
Hervorgehoben zu werden verdient aber namentlich, in
welcher Weise das Familienelement bei den Metzer Reformen
hervortritt Wir sahen den Bischof von seinen Brüdern
0 Qesta abb. Gemblac. c. 15; er starb am 26. Mai 1012.
') Constantini V. Adalberonis 11, c. 1.
') Sigeb. V. Deoderici c. 3 ; vgl. Sigeb. V. Wieberti c. 8.
*) Stepelini Mirac. S. Trud. c. 2, MabUlon, Acta SS. VI, 2.
^) Vgl. neben den Mirac. S. Trud. a. a. 0. die Gesta abb. Trudon.
cont in, in SS. X, 375, wo c. 10 einige Urkunden eingefügt sind, in
welchen Adalbero ^episcopus et dbbaa* genannt wird; vgl. Miraens, Opp.
dipl I, 505. Schnitze, Forsch, p. 42 meint zwar: „er wird doch gewiss
hier Gorzer Reform eingeführt haben.^ Aber da er selbst die Abtwttrde
übernahm, ist gerade das Gegenteil anzunehmen. Denn er behielt das
Kloster natürlich aus keinem anderen Grunde unter seiner speciellen
Herrschaft, als weil er auf den materiellen Besitz nicht verzichten konnte
oder wollte. Da aber die Regel die Identität von Abt und Bischof in
dem Falle, dass der Bischof nicht dem Benedictinerorden angehörte, aus-
lehliesst, so kann hier von keiner Benedictinerreform die Rede sein.
174
terrorisirt; als er dann endlich dem Wirken der Reformmänner
freien Lauf lassen musste, machte er in St. Hubert seinen Oheim
Friedrieh zum Abt, dem er schon vorher eine hohe Stellung
in Gorze verschafft hatte, in St Glodesindis erkor er seine
Nichte Himelti'ud zur Aebtissin; Adalbert von Moyenmoutier
war dem lothringischen Adel blutsverwandt, Odilo von Stablo,
Blidulf von Metz waren aus vornehmen lothringischen Familien
hervorgegangen und von Adalbero wohl aus verwandtschaftlichen
oder politischen Rücksichten befördert worden. Das Einwirken
Gorzer Reform im Touler Sprengel vermittelte Adalberos Bruder,
der Herzog Friedrich von Lothringen, der auch bei der Reform
von St. Peter dem Bischöfe am Hofe Ottos zur Seite stand.
Reformen von Saint-Evre.
Biöeese Toni.
In erster Reihe auf den Sprengel von Toul erstreckten sieh
die Klosterreformen, welche das floriacensische St. Evre zum
Ausgangspunkte hatten. Kurz nach der Wiederherstellung
dieser Abtei ging man daran, das Nonnenkloster Bouxi^res zu
restauriren und zu reformiren. Es wird erzählt, dass der Bruder
Bischof Gauzlins auf der Jagd bei der Verfolgung eines Ebers
an eine von Gebäuden umgebene zerstörte Kirche auf dem
HUgel von Bouxi^res geraten sei; wenige vereinzelte Nonnen
fllhrten hier ein karges, gotterfttlltes Leben. Durch ihn, be-
richtet man, habe der Bischof über sie erfahren und darauf
mit Hülfe Archembalds, des Abtes von St. Evre, eine Wieder-
herstellung des verfallenen Klosters bewerkstelligt ^ Zur
Aebtissin machte Gauzlin Rothilde, der er für den Lebenunterhalt
der Nonnen Güter aus dem Besitze der Kirche Toul bestimmte.
Sie erhielten das freie Wahlrecht der Aebtissin, blieben
aber durchaus der Jurisdiction des Bischofs unterworfen.^) Was
Rothilde betrifft, so gehörte sie bereits jenem pietistischen Kreise
an, welcher die lothringischen Reformen veranlasste, und stand
>) Gesta episc. Tiill. c. 31.
>) Calmet I, 340. Da die Urk. Idibus Jan. regnante Otkone rege
datiert ist, kann sie frUbesteus in den Januar 937 gesetzt werden. Vgl.
oben S. 158 n. 5.
175
in näherer Verbindung mit Humbert, dem spätem Abte von
St E?re. Die Bestätigung der Wiederherstellung von Bouxi6res
durch Papst Stephan VIII., dem Arehembald selbst Mitteilung
gemacht hatte, erfolgte im December 941.») Otto I. verbriefte
dann mehrere Mal den Besitz und die Rechte von Bonxi^res
sowohl Gauzlin^) als seinem Nachfolger Gerhard.^) Wie es
scheint, war das Nonnenkloster Gauzlins Liebliugsschöpfung;
hierhin brachte man ihn nach seinem Tode am 7. September
962; hier ward er beigesetzt.^) Auch Gerhard legte auf die Ge-
bete der Nonnen ersichtlich grossen Wert.
In unmittelbarem Zusammenhange mit St. Evre steht auch
die Reform von St. Mansuy. Auch hier trat Arehembald als
Reformatorauf, indem einige Mönche des Mutterklosters über-
siedelten, von Pröpsten regiert und, da St. Mansuy keine eigenen
Mittel hatte, auf Kosten von St Evre erhalten wurden.^) Einer
dieser Pröpste, ein Mönch von St. Evre, wird uns mit Namen
genannt, es war der ebenso sittenstrenge als bescheidene
Grimatüdus.^) Erst Gerhard blieb es vorbehalten, St. Mansuy
die Selbständigkeit wiederzugeben und die Zucht zu erneuern,
welche unter der Abhängigkeit von St, Evre vernachlässigt
worden war. Von Religion war wenig mehr zu spüren und
die Gebäude in schlechtem Zustande, als Gerhard Adam, einen
Sohn der Touler Kirche, zum Abte machte, und mit Hülfe
Humberts von St Evre eine gründliche Reform vornahm.') Am
selben Tage, am 2. Juni 965, bestätigte Kaiser Otto zu Cöln
die Wiederherstellung von Bouxiöres und St Mansuy.^)
') J'-L. 3167; Calmet I, 350: Cognoscentes igitwr per venerabilem
abbatem Arckembaldum.
•) Dipl. Ott. I, XL 211, p. 291 am 4. Juni 968. Die freie Wahl der
Aebtissin, die Schultze p. 46 in Bezug auf diese Urk. hervorhebt, finden
wir bereits in der Reformurkunde gesichert.
") Dipl. Ott. I, n. 288.
*) Hiracnla S. Mansaeti c. 9, SS. IV, 511.
') Mirac. S. Mansueti pro!.
') Mirac. S. Hans. c. 8 ; noch im Jahre 947 ist Mansny im Besitz von
Salnt-Evre, vgl. Schnitze, Forsch, p. 49.
') Calmet I, pr. 289. Ürk. v. 15. Oct. 982: Adam vocatunij nostrae
ecclenae flliumj disciplinis regtdaribus educatvm; Mirac. S. Mans. c. 10:
Eumberti consilio, qui tunc temporis beati Apri gloriose regebat monastei'ium,
") Dipl. Ott I, n. 289.
176
Diöeese Langrres.
Die aasftlhrliehsten Nachriehten sind uns erhalten ttber
die Reform von Montierender, das im Sprengel von Langres
lag. Sie ma88 spätestens 935 stattgefunden haben. <) Die
Wiederherstellung Fleurys lenkte die Blicke weltlicher Macht-
haber auf die angeordneten Zustände in dem benachbarten
Kloster, wo, wie auch sonst, Mönche mit ihren Frauen, Schwieger-
vätern und Schwiegersöhnen das Klostergut verwirtschafteten.
Jetzt wurde der letzte dieser Scheinäbte, Benzo, vertrieben;
er floh nach Moutier-la-Celle.^) Seine Mönche stoben ausein-
ander vor der verhassten Regel, die auf Veranlassung des
Bischofs von Toul, der zuletzt im Besitz von Derf war^), mit
dessen Brüdern und dem Abte Alberich von Reims, einem
•
ehemaligen Mönche von St Evre, ihren Einzug nahm. Al-
berich fand eine Stütze an Adso, einem Sohne reicher Eltern
aus dem Jura^), den einst Gauzlin mit Rücksicht auf seine
Gelehrsamkeit und kirchliche Tüchtigkeit aus dem Kloster
Luxueil nach Toul geführt hatte, wo er Vorsteher des
Domcapitels wurde. ^) Er begleitete Alberich bereits nach
*) Das Cartul. S. Berch. Mont (Cod. Paris. 1. nouv. acq. 1251 u. 1252,
saec. XIX) enthält f. 38 eine bereits von Mabillon (Ann. Ben. III, 399)
citierte Urkunde, in der folgendes steht: Notum sit omnibits tarn prae-
sentihiis quam futuriSj qualiter Roffredus venu ad inclitwn Bosoneni
comitetn et abhaietn Dervenais monasterii sancti Petri et aancti Bercharii
nomine Albriciim et petiit etc. Alberich war der neue Abt von Montier-
ender. Da nun Graf Boso, wie schon Mabillon richtig bemerkt, nach
Flodoard 935 stirbt, so muss die Einführung der Reform in M. spätestens
in dieses Jahr und die von St. Evre früher fallen. Da Mabillon letztere
aber erst 936 setzt — irrig, wie wir oben S. 158 n. 5 bemerkt — so gerät er
in grosse Verlegenheit und kommt auf den absonderlichen Einfall, dass
Herzog Richard von Burgund zwei Söhne namens Boso hatte, von denen
der eine 935 gefallen, der andere der in der Urk. genannte sei: ein Aus-
weg, wie er ungeschickter nicht hätte gefunden werden künnen. Schultze
p. 49 geht über die Reform von M. mit einer kurzen Notiz hinweg.
*) Mirac. S. Berch. c. 8 u. 9. In: Hinc itaque exardescentibm etiam
tyrannicis principilma inordinatoa actus bezieht Mabillon die principes
wohl nicht mit Unrecht auf König Rudolph und seinen Bruder Boso.
8) Gesta episc. Tüll. c. 33.
*) Irrtümlich bezeichnet ihn das Chron. S. Benigni ed. Bougaud p. 130
als Aquitanicua genere.
'^) Mirac. S. Berch. c. 11: ad tnagisterium aacH ordinia wird er in
Toul erhoben.
177
MontiertnderJ) Als er nach AlberichB Tode die Leitung von
Montierender übernommen — Ende 967 oder Anfang 968 *) —
entwickelte er eine ungemein rege Thätigkeit nach den ver-
sehiedensten Seiten hin; er legte den Grund zu einer neuen,
prächtigen Basiiica und bemühte sich mit Hülfe des Grafen
Heribert von Troyes verlorenes Kirchengut wieder zu erwerben ;
die Privilegien, die der böse Abt Benzo aus Rache mitgenommen
hatte, gab dessen Nachfolger in Moutier-la-Celle, Odo, bereitwillig
znrück.3) Reges litterarisches Leben ging mit strenger Kloster-
zacht Hand in Hand. Adso selbst schrieb mehrere Heiligen-
leben und Mirakelbücher, über den Antichrist einen berühmten
Tractat an die Königin Gerberga von Frankreich, und mehrere
theologische Werke, die auch in weiteren Kreisen Anklang
fanden.^) Mit Gerbert von Aurillac stand er in Briefwechsel,
aus dessen erhaltenen Resten Adsos Interesse fttr litterarische
und antike Studien deutlich hervorgeht.*) Im Jahre 990 berief
ihn der Bischof Bruno von Langres zur Reform von Saint-B6-
nigne in Dijon.«) Aber nicht nur Klöstern und Abteien widmete
er seine Thätigkeit, er traf z. B. für den Clerus von Troyes
^) Sein Signum befindet sich bereits auf der obenerwähnten Urkunde
Ton spätestens 935: Adsonis monachi.
*) In einer ürk. datiert piidie kl. aug. anno XIIII regnante domno
Lothario rege feliciter findet sich noch : S. Albrici praepositi, S. Adsonis
monachi. (Cart. S. Berch. Bibl. n. nouv. acq. 1251, fol. 32.) — Dagegen er-
scheint Abt Adso in einer Urkunde von XVI kl. febr. a. XIIII regn.
domno Lothario (ibidem fol. 27.) Er ist also zwischen dem 1. Aug. 967
und dem 17. Jan. 968 Abt geworden. Vgl. Mabillon, Ann. Ben. III, 553,
der die zuletzt genannte Urk. bereits benutzt, und danach Wattenbach,
D. Geschichtsq. I, 351. Sie steht auch im Cart. de Montierender (Coli.
des princ. cartul. du diocese de Troyes IV, 1878), wo sie jedoch gleich
auf eine Urk. v. 876 folgt
3) Hirac. S. Berch. c. 11.
*) Hirac. S. Berch. c. 11. Ueber seine Schriften wird an anderer
Stelle gehandelt werden.
*) Epist. Gerberti 8, ed. J. Havet p. 6: Istoriam Julii Cesaris a
domno Azone abbate Dervensi ad rescribendum nobis adquirite. Gerbert
an Erzbischof Adalbero kurz nach dem 20. Juni 983. Ungefähr drei Jahre
später fordert er ihn auf, nach Reims zu kommen: Carissima vobis ac
nobia librorum rolumina vestrum iter sint comitantia. Epist. 81 a. a. 0.
p. 74. Adso wohnte auch der Disputation Gerberts und Othrics bei,
Richeri Hist. III, c. 57.
*) Chron. S. Benign! ed. Bougaad p. 130.
Saekar, ClanUcenaer. 1. \2
178
mehrere wichtige liturgische EinrichtnngeD.*) Besonders hoch
hielt ihn der Bischof Manasse von Troyes; als Gefährte seines
Bruders, des Grafen Hilduin von Champagne, eines rohen und
gewaltthätigen Kriegsmannes, unternahm er 992 eine Pilgerfahrt
nach Jerusalem, von einem Mönche und einigen dienenden
Brüdern bis zum Meere begleitet, von wo er, im Begriff nach
Babylon zu segeln, die letzten schriftlichen Grüsse nach Hause
sandte. Er sollte nicht mehr zurückkehren. Auf offenem Meere
atmete er aus und wurde am fünften Tage nach dem Hafen
der Insel Astilia gebracht, wo er sein Grab fand.^)
Diöcese Yerdun«
Adalbero und Gauzlin hatten sich dem Drängen ihrer
Cleriker nicht verschliessen können; wohl aber waren aus dem
Sprengel von Verdun weltflUchtige Gemüter ausgewandert, hatten
in Gorze und in St. Evre Zuflucht und Frieden gesucht, ohne
dass Bischof Bernuin von Verdun sich genötigt gesehen hätte,
den sehnsüchtigen Wünschen jener Männer Rechnung zu tragen.
Während allerwegen in Lothringen die neubelebte religiöse
Gesinnung in Gründungen und Restaurationen von Klöstern
sich verewigte, schien diese Periode des Sturmes und Dranges
über Verdun spurlos vorüberzugehen. Noch um die Mitte
des zehnten Jahrhunderts lebten Cleriker in St. Vannes, dem
Hauptkloster der Diöcese. Als aber immer wieder mönchisch
beanlagte Naturen die Heimat verliessen, beschloss Bischof
Berengar, ein Mann aus edlem Geschlecht, der 940 den Bi-
schofsitz bestiegen hatte, im Jahre 951 im Einverständnis mit
Clerus und Adel das Kloster des hl. Vitonus der Benedictiner-
reform zu unterwerfen. 3) Aus Kirchengut und Privatver-
mögen dotierte er die neue Abtei, gewährte geeignete Wirt-
Schaftsräume und machte einen Mönch von St. Evre, Hum-
^) Im Jahre 990 cedierte ihm der Bischof v. Troyes drei Altäre in
seiner Diöcese (Cart. S. Berch. Bibl. nat. n. acq. 1251 f. 32').
*) Mirac. S. Berch. c. 11. Zuletzt begegnet Adso im Cart. de Mon-
tierender (Coli, des princ. cart. du diöcese de Troyes IV, 1878) in n. 18
vom 9. April 991.
') Gesta episc. Virdun. cont c. 2; Translatio S. Firmini, SS. XV, 2,
804; Ann. S. Benigni 951 (SS. V, 40); Hugo Flavin. SS. VIII, 358. 359.
179
bert, zam Abte, der von Kind auf in der Verduner Domschnle
erzogen, eine Pfründe dieser Kirche genossen hatte J) Am
21. Januar 952 bestätigte König Otto zu Pavia die Wieder-
einführung der Mönehe nnd den Besitz von St. Vannes.^) Als
Berater nnd Gönner des Bischofs Berengar erscheinen Kon-
rad von Lothringen, Erzbischof Kobert von Trier, Gauzlin
von Toni nnd Adalbero von Metz. Zwischen den Reformatoren
der einzelnen oberlothringischen Diöcesen bestand, wie wir
bereits bemerkten, ein fortwährender Verkehr nnd Austausch;
so ging anch jetzt wieder Abt Humbert in Gemeinschaft mit
Einold an die Erhebung der Gebeine des hl. Finnin auf Ver-
anlassung des Bischofs.^) Wie in Gorze, reichte auch in
St Vannes das von diesem zugewiesene Gut nicht aus, um
die Mönche zu unterhalten. Als Berengar am 12. August 959^)
das Zeitliche gesegnet hatte, war sein Nachfolger Wigfried
mehrere Mal genötigt, den Mangel leidenden Brüdern zu Hülfe
zu kommen. Wir sehen übrigens, dass zu seiner Zeit das
Kloster restauriert oder durch Neubauten vergrössert wurde ;
denn auf Verlangen der Mönche bestimmte der Bischof, dass
die hörigen Leute neben andern Frohnden auch den Mauer-
anstrich zu besorgen hätten.*) Am 4. Dec. 973 starb Humbert«)
Unter seinen Nachfolgern that sich anscheinend nur einer hervor,
*) Urk. BereDfi^ars v. 952 bei Hago v. Flav. a. a. 0.
*) Nach v.Sickel, Dipl. Ott. n. 140, p. 219 wäre bereits 951 derUrkunden-
entwurf aufgesetzt, aber erst nach königlicher Bestätigang vollzogen und
die Jahreszahl 952 hinzugefügt worden. — Auf Berengars Bitten bestätigte
Papst Johann XII. am 9. Jan. 956 die Privilegien und Besitzungen der
AbteL Doch ist die Form der Urk. verdächtig, die Datienmg sicher ver-
derbt. Ungewöhnlich ist ghriosi äbbatis Humbertij das an Mirac. S. Man-
sueti c. 10: Humberti consiliOj gui timc temporis beati Apri gloriose
regebat monasterium erinnert Der Kanzler und Bibliothecar heisst in
der Urk. Martinus statt Marinu8\ J.-L. 3676.
») Transl. S. Firmini, SS. XV, 2, 805.
*) Necrol. S. Vitoni (N. Arch. XV, 130): II. Id. Aug. Anno incam.
dam. nongentesimo quinquagesimo nono obiit recolendae memorie dominus
Berengarius episcopus Virdunensis et monachuSj nobilis instittitor huius
hei, qui eiectis clericis hoc in loco monachos introdi*xit etc.
^) Gartul. de S. Vannes (Cod. Paris, lat. 5435 f. 10 u. 11).
') Ann. S. Benigni 973: Obitus domni Hwnberti abhatis 2 Non.
Deeembr. primi äbbatis monasterii sancti Vitoni.
12*
180
Adelard, dessen reiche Zuwendungen die dankbaren Mönche
im Necrologium ausdrücklich hervorhoben.^)
Fraglich ist, ob in der Diöcese Verdun ausser dem Haupt-
kloster des hl. Vitonus noch ein anderes Stift eine Wieder-
belebung erfuhr. Bezüglich der Abtei St. Mihiel an der Mosel
haben wir zwar eine auf eine Reform und Wiederherstellung in
dieser Zeit hinweisende Nachricht 2); da jedoch der Bericht
voller Anachronismen ist und weder Personen noch Zahlen zu
einander passen, so ist es fraglich, ob man ihm überhaupt
etwas historisches entnehmen darf. Aber auch die Abtei
St. Vannes hielt sich nicht auf ihrer Höhe. Wir werden später
sehen, vrie gerade in Verdun wirtschaftliche und politische Ver-
hältnisse neben der Unfähigkeit der Aebte, eine wirkliche Blüte
religiösen Strebens gegen Ende des Jahrhunderts nicht auf-
kommen liessen.3)
») Necrol. S. Vit (N. Arch. XV, 132): XIII. Kl Jan. Addardua,
abbas huim locij qui nobis muUa bona contulit et ea que habemm aptid
Habonis cwrtem.
') Vgl. Beilage III: Hec autem admodiatio fuit facta per venera-
bilem abbatem Stephanum predictutn et suum conventum propriis honiinibtis
8ui tnonasterii anno inoamcUionis dotninice nongentesimo quinquagesimo
septimo die qtuirto mensia Octobri8 regnante Henrico pritno, qui vetua
monasterium reatoravit anno imperii sui secundo. Da von Stephan vorher
gesagt ist: qui postea fuit epiacopus Tungrenais^ so ist mit der Notiz
nichts anzufangen, indem nämlich Stephan von Lüttich von 903—920
regierte.
') Vgl. meine Dissertation, Riebard, Abt von St. Vannes, Breslau
1886, S. 6.
Drittes CapiteL
Reformen in Nordfrankreich.
1. Schottenrefonru
Die beiden Richtungen, die von Gorze und Flenry, die
in den oberlothringischen Sprengein friedlich nebeneinander
wirkten, eroberten auch gemeinschaftlich ein Gebiet an der
Somme, im Centrnm der Kirchenprovinz Reims, allerdings
nnr mittelbar durch die Ansiedelung irisch-schottischer in Gorze
und Fleury gebildeter Mönche.
In der Grafschaft Virmandois, die unter Grafen stand,
welche zugleich Laienäbte von St. Quentin waren, lebte um
die Zeit, mit der wir uns beschäftigen, ein vornehmer und an-
gesehener Mann namens Eilbert, dessen Gemahlin Uersindis, wie es
scheint, bereits vorher an einen Grafen verheiratet warJ) Schon
am Anfang des Jahrhunderts hatte ein Graf Hadericus mit seiner
Frau Hersindis die alte Marienkirche in Waulsort an der Maas
wiederherstellen lassen und durch die dorthin übertragenen Ge-
beine des hl. Eloquius geehrt. Sie ist wohl mit Eilberts Gattin
identisch — wenn nicht etwa ihre Mutter oder sonstige Ver-
wandte — die am Anfang der vierziger Jahre die Wieder-
herstellung und Einrichtung der Abteien Saint-Michel en Ti^r-
ache, Waulsort, Hombliöres und Bucilly bewerkstelligte.
>) Vita et transl. S. Eloquii in den Analectes p. servir & Phist. de
Belg. y, 344 ff.; vgl. Sackur, Der Rechtsstreit der Klüster Waulsort und
Hastiere. D. Zeitschr. f. Geschicbtswissensch. n (1889) p. 342, wo die An-
sicht, dass Hadericus der erste Gemahl der Hersinde war, zu bestimmt
ausgesprochen ist. Es ist immerhin möglich, dass Hadericus irrig flir
Ellbert genannt ist.
182
Im Walde von Ti^rache, im Sprengel von Laon, hatte
Hersindis mit Unterstützung des Cierikers Heribert die alte ver-
fallene Kirche des hl. Michael wieder aufbessern lassen, die
nach ihrer Herstellung das Ziel zahlreicher Pilger wurde. Unter
diesen kamen einst mehrere Schotten und Iren, von denen
Kaddroe, Malcalan^) und Forannan^) mit Namen genannt werden,
über Camden und Boulogne nach jenem Heiligtum und da sie
einen Ort zu gemeinsamer Niederlassung suchten, liesseu sie
sich durch die günstige Lage des Ortes verleiten, zur
Freude Uersindens und Eilberts in Ti^rache sich anzusiedeln.
Gegen einen jährlichen Zins überliess ihnen der Bischof von
Laon am 5. Febr. 945 die Kirche des Erzengels.'"^) Ehe jedoch
eine feste klösterliche Einrichtung getroffen wurde ^), gingen
Kaddroe und Malcalan, vielleicht auch Forannan, nach an-
gesehenen Benedictinerklöstern , Kaddroe nach Fleury, Mal-
calan^), in dessen Begleitung sich möglicher Weise Forauuan
befand <^), nach Gorze, um als Mönche die dortigen Einrichtungen
zu studieren und für die neue Stiftung zu verwerten. Nach
ihrer Rückkehr nach St. Michel übernahm Malcalan das Amt
des Abtes '), nachdem Kaddroe, ein Mann, der noch in der
Heimat Gelegenheit hatte, litterarisehen Studien nachzugehen,
*) In der Vita Kaddroae c. 4 flf.
*) V. Forannani, über welche vgl. meine Abhdlg. Über den Rechts-
streit der Klöster W. und Hast. a. a. 0. p. 349 ff. Warum weder sie, noch
die Hist Waiciod. zu verwerten ist, habe ich an derselben Stelle S. 349 ff.
und 369 ff. ausgeführt. Das ist auch der Grund, weshalb ich auf Lahaye,
Etüde sur Pabbaye de Waulsort, Liege 1890 nicht eingehe. Vgl. D. Zeit-
schrift f. Gesch. V, 156 ff.
8) Urk. Radulfs v. Laon bei Mabillon, Acta SS. V, 879.
*) Schnitze kennt die Urk. v. 945 nicht, sonst würde er nicht auf
den Einfall gekommen sein, S. 53 die Ankunft der Schotten auf 935 — 936
anzusetzen. Vgl. übrigens S. 1S5 n. I, was zu Kadroes Tod bemerkt ist.
*) V. Kaddroae c. 2(): Tnterea devotionis demderio crescente monasticae
religwni coepenint rtspirare. Unde . . domina illa Malchalatium Gorziam^
acilicet disciplinatui ven^'abilis Agetialdi, Kaddroe vero Floriacum, ubi
Erkembcddus vir magnae religionis praeeratj direxit Ambo ergo quod
cupierant assecutij Machalantia apud patreni Agenaldum monachum pro-
fessus cstj Kaddroe vero die coyiversionis Pauli Apostoli apud Floriacum
coram domino Erchambaldo habitum et animum mofuichaleni induit.
«) V. Forannani c. 6; vgl. D. Zeitschr. f. Gesch. IL S. 354.
') V. Kaddroae c. 4.
188
scholastische Wissenschaft und Astronomie za treiben, der dort
schon des höchsten Ansehens sieh erfreut haben soll, auf diese
Wttrde verzichtet hatte.
Um dieselbe Zeit ging von denselben Schotten eine andere
Gründung mit Unterstützung Eilberts und seiner Gemahlin aus:
Wanlsort im Sprengel von Lttttich, wo der hl. Eloquins durch
die Wunder, die er that, grosse Menschenmengen anlockte.*)
Es ist nicht ganz sicher, ob hier wieder Malcalan oder Foran-
nan, was wahrscheinlicher ist, zuerst Abt wurde. Als solcher
erseheint dieser wenigstens in einer zwar schlecht ttberlieferten,
inhaltlich aber unanfechtbaren Urkunde des Grafen Kobert von
Namur vom 2. Juni 946.^) Es ist femer fraglich, ob bereits
Kaddroe, der anfangs das Amt eines Propstes übernommen hatte^),
den Abtstab führte, als Otto I. am 19. Sepi 946 auf Intervention
des Herzogs Friedrich von Lothringen und Ogos von Lttttich
die neue Schottenstiflung und ihre Besitzungen bestätigte und
bestimmte, dass sie immerdar der Pflege von Pilgern und Armen
gewidmet sein und so lange einer von den Fremden lebe, dieser
das Amt des Abtes bekleiden solle. ^)
Da war es entscheidend, dass nach einigen Jahren, spä-
testens 953^), der Ruf von Eaddroes Tüchtigkeit zu Bischof
Adalbero von Metz drang.^) Er beriet sich mit den Häuptern
des Benedictinerordens in seiner Diöcese, Einold von Gorze
und Ansteus von St. Arnulf; auf ihre dringenden Bitten über-
nahm der Abt von Wanlsort die Beform und Leitung des in
seinen wirtschaftlichen Verhältnissen verfallenen Metzer Klosters
St Clemens. So hielten Schottenmönche ihren ersten Einzug
») Vgl. meine Abhdlg. a. a. 0. p. 843.
*) Martine, Coli. ampl. I, 287. Ueber diese von Bresslau, N. Arch«
VIII, 597; Forsch, z. D. Gesch. XXVI, 'M ; Urkundenlehre I, 531 n. 16
angefochtene Urkunde vgl. m. Abhdlg. S. 843 n. 1 u. S. 880 n. 2.
») V. Kaddroae c. 21.
*) Dipl. Ott. I, n. 81; St. 18S. Vgl. Dtimmler, Otto der Grosse S. 152
n. 2. Da es in der V. Kaddroae c. 21 heisst: Rege tunc, poat Augwto Ottone
cogente vix acquievit, ut ausciperet fwmen abbatiSf so kann man Ottos
Einwirkung vielleicht in diese Zeit setzen.
*) Vgl. Mabillon, Acta SS. V, 487; Schnitze, Forsch, z. Geschichte
d. Klosterref. S. 53.
*) V. Kaddroae c. 24—26 : vgl. Carmen de sanctis ecclesiae Mett. ed.
Dtimmler, N. Arch. V, 434 ff.
184
in den Sprengel von Metz. Vor seinem Weggange aus Wanls^
ort hatte er auf Verlangen der Brttder über die Abtei einen
Leiter gesetzt, der sich jedoch nicht bewährte. Sei es, dass
dieser den Abttitel führte, sei es, dass er nur als Propst fangierte,
jedenfalls hatte Kaddroe sich ein Aufsichtsrecht über Waulsort
und damit das eigentliche Begiment vorbehalten 0» wenn er
auch selbst in St Clemens residierte. In Metz kam nun Kad-
droe in fortwährende Berührung mit den dortigen Beformäbten
der Gorzer Schule. Persönlich nahe stand er Abt Johann von
Gorze, an dessen Todtenbett wir ihn unter den Getreuen
finden^); er kam in Berührung mit Womar von St. Bavo, der
dem Kreise Gerhards von Brogne, und Aletramm von Lobbes,
welcher dem des Wigbert von Gembloux angehörte.^) Er war
ein rühriger Mann ; er visitiert die ihm anvertrauten Stifter —
ausser Waulsort stand das Nonnenkloster St. Peter zu Bucilly,
das Hersinde gegründet hatte, unter seiner Aufsicht 4) — und
unterhandelt im Interesse von St. Clemens mit Herzog Friedrich
von Lothringen. Er ist der Wundermann seines Kreises. Nicht
nur gelegentlich und zufällig vollbringt er wunderbare Dinge:
er geht zu Johann von Gorze, der schwerkrank darniederliegt
und zwingt ihn, Fleisch zu essen, damit er genese^); man holt
ihn zu den Nonnen von St Peter in Metz, um einer Besessenen
den Teufel auszutreiben.^^)
Es ist gewiss nicht ohne sein Zuthun' geschehen, dass
Otto I. nach Eilberts Tode die Abtei Waulsort, die in könig-
lichem Besitz und Schutz sich befand, seinem getreuen Vetter,
dem Bischof Theoderich von Metz durch kaiserliche Urkunde
am 16. Dec. 969 zu Pavia Überwies.') Der Bischof von Metz
aber verband in der Folgezeit aus Erkenntlichkeit mit Waulsort
ein kleines verfallenes Stift Hasti^re, das zuletzt den Nonnen
von St. Glodesindis gehört hatte.^)
^) V. Kaddroae c. 25: His qui renianiferant sevundum voluntatem iUorum
patreni praefecit etc. . . c. 26: Interea contigitj tU Waldodorum visitaret . .
') V. Joh. Gorz. prol.
3) V. Kaddroae c. 25. *) ib. c. 23. «) ib. c. 30. «) c. 28.
') Dipl. Ott. I, n. 381 ; St. 477. Dass Eiibert tot war, geht aus dem
Satze: queni vir quondam illustris EiWertiis . , . fundarit hervor. Vgl.
D. Zeitschr. f. Gesch. II, 345 u. V, 157.
«) Sigeb. V. Deoderici c. 6, SS. IV, 467. S. oben S. 165.
185
Kadroe starb nicht lange nach Johannes von Oorze, vermat-
lich im Jahre 978.^) Damals nämlich befand sich die Kaiserin
Adelheid auf dem Wege nach Italien. Als sie nach Erstein im
Elsass kam, liess sie Kaddroe von Metz aus zn sich bescheiden.
Vier Tage blieb er bei der Fürstin ; anf dem Bückwege ereilte ihn
der Tod. Er überlebte vielleicht Malcadan, der inzwischen St Michel
verwaltet hatte. Obgleich er in Gorze sein Noviziat absolviert,
80 hinderte das doch nicht, dass er im Jahre 961 zwölf floria-
censisehen Mönchen, die nach dem St Vincenzkloster in Laon
kamen, vorgesetzt wurde. Hier hatte anfangs Bischof Adelel-
mus, um dem weiteren Verfall zu steuern, zwölf Chorherren
angesiedelt; als es jedoch um so schneller abwärts ging, ent-
schloss sich Bischof Borico zur Benedictinerreform.^) Wie so
häufig, hatten auch hier die Mönche in der ersten Zeit mit
Mangel zu kämpfen, dem Bischof Borico erst 973 abhalf.^) 975
>) Schultze S. 53 setzt seinen Tod 965/966, weil Kaddroe nach Vita
Kaddr. c. 84 kurz vorher mit der Kaiserin Adelheid zusammengetroffen
sein soll, die auf dem Wege nach Italien war. Aber seine Berechnung,
and damit die Zeitansetzung der Ankunft der Schotten wird ohne weiteres
dadurch umgestossen, dass Kaddroe noch am Totenbette Johanns v. Gorze
weilt, der im März 974 starb (V. Joh. Gorz. prol.; vgl. oben S. 156.),
eine Thatsache, die Seh. nur vergass, da er sich auf derselben Seite eben
erst auf die betreffende Stelle berufen hatte. Natürlich fallen alle Fol-
gerungen in Bezug auf Geburtsjahr, Ankunft, Aufenthalt in Fleury. Da
nun die Kaiserin erst 978 wieder nach Italien geht (Ann. Magdeburg.
978 j vgl. Wimmer, Kaiserin Adelheid, Programm zum Jahresberichte Über
das K. neue Gymnasium zu Regensburg 1889, S. 84, wo die V. Kaddroe
nicht citiert wird), so ist die V. Kaddroe wenigstens nicht weit von der
Wahrheit entfernt, wenn sie bemerkt, dass er post septuagesinmm vitae
et tricesimum annum peregrinationis »uae starb.
») Chron. S. Vinc. Laudun. bei Mabillon, Acta SS. V, 541 ; Urk.
Roricos V. 1. Oct. 961 bei Marlot, Metropolis Remensis U, 9; Gousset,
Leg actes de la prov. ^ccl. de Reims 1 (1842) 6'20: evocatis igitur a nw-
fuisterio sancti Befiedicti supra Ligerim sito duodecim monachis eis vene-
rabilem Melchanum praefeci abbatem.
^) Im Jahre 973 beurkundet Bischof Rorico, dass Mekalannua veneror
bilis abbas monasterii sancti Vincentii . . . saepissinie nostram postulavit
mansuettulinemj at sibi caterveqiie sub se posite, que ad (luodenariunn mo-
nachorum numerum incepta fwstro bonorutnqtic hominum adiutoHo excre-
terai, tale praeberenius stibsidiumj ne constitutus egestate inimorari cogerctur
n%tmeru8 neve quod metuehat quandoque ad nichiluni deveniret (Coli.
Moreau Paris. XI, 106).
186
bestätigte König Lothar die Einflihniog der Brüder von Flenry.^)
Nicht lange darauf starb Malealan am 21. Januar 978 in St. Michel,
wo er auch der Erde tibergeben wurde.^)
Durchweg sehen wir hier floriacensische und Gorzer Ein-
flüsse in wechselseitigen Wirkungen. Von einer festen Tradi-
tion ist auf keiner Seite die Rede. Die Aebte verfahren eclectisch ;
räumte die Benedictinerregel ja ihrem Ermessen einen breiten
Spielraum ein. In den mannigfaltigsten Variationen erscheinen
unzweifelhaft, je nach der Art der Mönche und Lage der Orte,
die klösterlichen Einrichtungen, eine Vermengung und Ver-
mischung, die dadurch jedenfalls erleichtert wurde, dass schon
in den ersten Zeiten in Gorze cluniacensische Einwirkungen
erfolgten, welche die Gewohnheiten dieses Klosters denen von
Cluni durchaus nahe gebracht haben dürften.
Inzwischen war das Kloster des hl. Benedict an der Loire
selbst zu einem mächtigen Beformherde geworden.
2. Die floriacensische Reform.
Kirchenprovinz Beims.
Die Wiederbelebung der geistlichen und materiellen Kräfte
in der Kirchenprovinz Reims nach den schweren Schlägen des
nennten Jahrhunderts kann man vom Erzbischof Heriveus an
datieren, der nach der Ermordung seines Vorgängers Fulco
das neue Jahrhundert durch eine rührige Thätigkeit einweihte,
die sich sowohl auf die Wiedererlangung der der Kirche ver-
loren gegangenen Güter erstreckte, als auch auf eine erhöhte
Hingabe an alle die geistlichen Pflichten, welche sein hohes
Kirchenamt ihm auferlegte. Es entsprach dem Charakter seiner
Herrschaft, dass jetzt der Provinzialheilige Remigius wieder
in sein Kloster übertragen wurde, dass Heriveus das Gasteil
Mouzon und andere Orte neu befestigte, zerstörte Kirchen
1) Marlot II, 11.
«) Flodoardi Ann. app. 978; Necrol. S. Remigii XII Kai. Febr. —
Sein Nachfolger in St. Vincenz hiess Barland; vgl. die Urk. Adalberos v.
Laon c. 980 bei Marlot II, 31 ; andere Urk. v. 978 und 979 in der Coli.
Moreau XII, 22. 82.
187
restaarierie und wieder mit Schätzen füllte. Er hielt Synoden
mit seinen Snffraganen, welche die Bekehraug und die Be-
rabigaog der Normannen znm Zweck hatten, and eine neue
Grandlage für das Gedeihen staatlicher Entwiekelang sehalBfen
sollten. Sein Nachfolger Sealf, der nur karze Zeit auf dem
Bischofsstnhle sass, trat in die Fasstapfen des Heriveus; er
ummauerte das Kloster St. Bemi, errichtete ein Gasteil und
schmückte den bischöflichen Palast mit Malereien. Nach seinem
Tode erfolgte die tumultuariscbe Erhebung des ftlnQährigen
Hago, des Sohnes Heriberts von Virmandois. Noch einmal
mussten die Mönche von St. Remi im Jahre 926 vor den
Uagam mit ihrem Heiligtum in die Stadt weichen. Von nun
an ward Reims Mittelpunkt der politischen Ereignisse, welche
durch die Verhältnisse des französischen Königs zu seinen
Vasallen und zum Reiche hervorgerufen wurden. Die Metropole
sah abwechselnd bald den Sohn Heriberts, bald den Günstling
des Königs, Artold, die Herrschaft führen; vor ihren Mauern
kämpften König Rudolph und Ludwig IV. mit den mächtigsten
Grossen, Hugo von Francien und dem Grafen von Virmandois
und verheerten das Land weit und breit Endlich rief Gerberga,
Ludwigs Gemahlin, ihren Bruder, König Otto, über den Rhein
und ihren vereinten Anstrengungen, den Rechtsprüchen der
Synoden von Verdun und Ingelheim verdankte Artold endlich
seine Befestigung auf dem erzbischöflichen Stuhle zu Reims. >)
Es ist begreiflich, dass, jemehr sich die Verwickelungen
nud Couflikte einer Lösung näheiiien, der Gedanke einer Re-
form der klösterlichen Institute mehr und mehr sich Bahn
brach ; nicht minder, dass gerade das Kloster des hl. Remigius
es war, in welchem die neuen Ideen zuerst Verwirklichung
fanden. Unter Mitwirkung des Abtes Archembald von Fleury
geschah es im Jahre 945, dass auf Befehl des Erzbischofs
Hugo die längst vergessenen Satzungen des hl. Benedict
wieder eingeführt und der Mönch Hincmar von St. Remi
zum Abte ordiniert wurde.*') Wie alle jene Reformatoren,
0 Flodoardi Eist. Rhem. IV, c. 10-32.
«) Cod. ms. Remig. bei Mabillon, Acta SS. V, 346: Anno ab incar-
natione Daniini 946 regula sancti Benedicti, quae dvdwn defeceratj restituta
est in manasterio sancti liemigiif iubente Hugone, Heriherti filiOf cum
188
zog auch Hincmar den Wiedererwerb abhanden gekommener Be-
sitzungen im hohen Masse in den Kreis seiner Thätigkeit und
es gelang ihm, seinem Kloster namentlich die lothringischen
Güter zarückzner werben, die schon einmal in die Gewalt
Werners, des Vaters Konrads von Lothringen gelangt, dann
an Herivens von Reims zurückgekommen, endlich durch den
Erzbischof Ai*told und den genannten Konrad in den Lehens-
besitz des Dienstmannes Ragimbald gewandert warenJ) Zwei-
mal verbriefte Otto L dem Abte Hincmar dieses Eigentum, sowie
den Besitz der Abtei Kusel, am 9. September 952 und am
23. Mai 965.2) f\1t das französische Königtum hatte die Grab-
stätte des hl Remigius seit seinem Entstehen eine hohe Be-
deutung; auch jetzt zeigte sich die traditionelle Anhänglichkeit
des karolingischen Hauses. Gerberga, die Mutter Lothars,
die schon bei der Reform nicht unbeteiligt war^), widmete dem
Kloster eine besondere Zuneignng: hier fand sie auch eine
Ruhestätte neben ihrem Gemahl König Ludwig.^) Hier ward
der junge Lothar gekrönt und gewährte am 27. März dem
Kloster St. Remi volle Immunität von Zöllen und Steuern.*)
Hincmar starb am 5. März 967.«) Seine Nachfolger waren
Hugo, welcher am 4. August 970 und Rudolf, der am 30. August
983 aus dem Leben schied. Unter des letzteren Herrschaft,
der ein Zeitgenosse des Erzbischofs Adalbero war, trat St.
Remi von neuem an die Spitze, in den Vordergrund der re-
formatorischen und klösterlichen Bewegung. Am 23. April 972
bestätigte Johann XIII. auf Adalberos Bitten dem „Erzkloster"
consilio Erchamboldi abbatis sancii Benedwti, ordinato ibi Hincmaro
sancti Remigii monacho; Flod. Hist. Rhem. IV, c. 32; Alberic. Tresfont.
Chron. ad a. 945, SS. XXIII, 764.
*) Flod. Hist. Rhem. I, c. 20: Hinanaro abbafi ac ceteris wonachis
ad supplemmitum victus attribuit (sc. Artoldus).
2) Dipl. Ott. I, n. 156. 286.
') Nach Alberich von TroisfoDtaines erfolgte die Reform per reginam
Franciae Gerbergam.
*) Vgl. Epitaphium Gerbergae HF IX, lü4; Adso von Montierender
nennt sie in der Praefatio seines Tractatus de Antichristo: monachorum
mater.
») Urk. V. 27. März 953 bei Marlot, Metrop. Rhem. I, 556; Böhmer 2024.
«) Necrol. Rhem. S. Non Mart., Mabillon, Ann. Ben. lü, 442; vgl.
Abbatum S. Remigii catalogus bei Marlot I, 350.
189
die Freiheit von königlicher und bischöflicher Gewalt nnd
Tcrbriefte ihm neben den übrigen Besitzungen die Abtei St
Timotheus^, welche Adalbero den Mönchen kurz vorher zu
gastliehen Zwecken verliehen hatte.^)
Keine geringe Einwirkung ttbte die Reform von St. Remi
auf die andern Klöster der Provinz. Drei Jahre darauf kam
Hombliöres an die Reihe. Eilbert und seine Gemahlin Hersinde,
die Förderer der schottischen Reformatoren, hatten das Kloster
für Nonnen Anfang der vierziger Jahre errichtet; eine prächtige
Basilika zeugte von der Frömmigkeit der Stifter.^) Die erste
Aebtissin war Berta; ehemals verheiratet, hatte sie nach dem
Tode ihres Gemahls alle Werbungen ausgeschlagen, um in dem
Marienkloster zu Reims den Schleier zu nehmen. Eine fttr ihre
Person strenge, den klösterlichen Pflichten mit Hingebung nach-
gehende Frau, war sie doch nicht im Stande, dem zügellosen Leben
einzelner Nonnen in Hombli6res zu steuern.^) Noch am 10. April
947 urkundete zwar Bischof Transmar von Noyon für sie auf
den Rat König Ludwigs, des Erzbisehofs von Reims und zahl-
reicher Bischöfe, die sich damals in des Königs Umgebung in
Laon befanden^), nachdem das Jahr vorher die feierliche Er-
hebung der hl. Hunegundis stattgefunden hattet); doch schon
im nächsten Jahre 948 sah man sieh bei der Zuehtlosigkeit,
die in Hombliöres eingerissen war, genötigt, die Nonnen durch
Mönche zu ersetzen. Zu dem Zwecke gab Eilbert die Abtei,
die er nur zu Lehen besass, an den Grafen Adalbert von
Virmandois zurück, der sie der Herrschaft des Königs unter-
warf, damit dieser Kraft seiner Autorität die Umwandlung
vollziehe. Allgemein war man dafür. Die Grafen Adalbert
und Begenold ebenso, wie der Erzbischof von Reims und die
») J.-L. 8763, HF IX, 240. Vgl. Riehen bist III, c. 26-29.
s) ürk. Adalberos v. 970 bei Marlot ü, 2.
») Eist Walciodor. c. 11, SS. XIV, 509.
*) Prologas ad transl&tionem S. Hanegnndis a. Bemero bei Mabillon,
Acta SS. V, 216: mirae abatinentiae, victricis patientieie . . . iejuniis et
viffiliis et orationibua convenienter intenta . . . qyi,a»dani sanctimoniales,
quae inibi per misera camaliB desiderii lenocinia twrpissime vohäabanhir.
In der Urkunde Ludwigs von 948 heisst es, dass die Nonnen non mtis
honesU lebten.
<) Colliette, M^moires p. serv. k Phist de Virmandois I, 561.
^ Bemeii Tranal. S. Hnneg. c. 8: am 7. Nov. 946.
190
Bischöfe Wido und Gibuin; Abt Hinemar und seine Congre-
gation begünstigten die Reform, so dass am 1. Oct. am Feste des
hl. Remigias der König die Einführung der Mönche beurkunden
konnte. 1) Nachdem auch König Lothar auf Bitten des Abtes
Berner die Rechte und den Besitz der Abtei bestätigt 2), ver-
briefte Agapit II. die Freiheit des Klosters von jeder welt-
lichen Herrschaft. Kein Laie dürfe dasselbe in seinen Besitz
bringen; jeder Versuch, auf simonistiscbe Weise dahin zu ge-
langen, wird mit dem Bann bedroht.^)
Der neue Abt Berner verstand es weiterhin, nicht nur
den Wohlstand des Klosters zu fördern, in dem er sich durch
die Königin Gerberga ein Besitztum der Abtei St. Maria zu
Soissons, das sie als Lehen des Grafen Adalbert von Virmandois
in ihrer Hand hatte, zuweisen 4) oder von Johann XII. am
2. Jan. 956 die Reform und die klösterliche Freiheit bestätigen s)
Hess — vermutlich war er es, der die überkommenen Institu-
tionen durch Ansiedelung von Mönchen bei der Kirche des
hl. Qnintinus auf einer Sommeinsel <*) und durch Uebertragnng
nach Mont-St.-Quentin, wo erst die Canoniker vertrieben wurden,
verbreitete. Dieses Stift, das einst zu Dagoberts Zeit von
einem Iren gegründet worden war, war im Laufe der Jahr-
>) Urk. Ludwigs v. 1. October 948 HF IX, 605; Marlot I, 578;
Mabillon, Acta SS. II, 984; Colliette I, 562; B. 2018; vgl. Ann. S. Quintini
Verom. 950: Adventu8 monachorum Humolariae.
') Colliette I, 563. Die Urk. Lothars undatiert, aber gewiss vor der
Urk. des Papstes ausgestellt.
3) J.-L. 3672; gedr. bei Hemeraeus, Augusta Viromandonim, Paris
1643, p. 96; Colliette I, 563.
*) Urk. der Gerberga o. Jahr HF IX, 665; Mabillon, Do re
diplom. I, 571. ») J.-L. 3675.
^) Ann. S. Quintini 963: Hoc anno catervida monachorum in Insula
constituta est; Cbron. S. Medardi Suess. (d'Acbery, Spicil. I, 48S) 965:
Monachi apud sanctum Quintinum in instUa ponuntur; Sigeb. Anct.
Ursicamp. 964: Hoc tempore eeclesia S. Quintini martyriSj qtiae est in
insula super flumum Somene sita cenobium monachorum paucorum facta
est. Procedente vet-o tempore crescente numero fratrum et aucta possessione
redituumy etiam abbatia esse coepit. Der Reformator dieser Abtei war
ein Cleriker Anselm, der sie vom Grafen Adalbert erhielt; vgl. Mirac.
S. Quintini bei Colliette, M^moires I, 570. 983 begegnet hier ein Abt
Arnold (Hemeraeus pr. 32); 1043 und 1047 Gerard (Hemeraeus pr. 86);
ebenso 1051 ; vgl. Translat. S. Hunegnndis o. 3 bei Mabillon, Acta SS. V, 224.
191
hnnderte dnreh Sorglosigkeit and feindliche Verheerangen so
beruntergekommen, dass kaum noch Spuren der alten An-
siedelnng bestanden. Graf Adalbei-t nnternahm die Wieder-
bersteünng, setzte den Abt nnd dotierte die Abtei nach dem
Rate seiner Getreuen.^) Aach hier wurde jeder weltliehe Ein-
griff unter dem Vorwande von schuldigen Leistungen und
Vogteireehten abgewiesen und die Rechtspflege ausschliesslich
in die Hände des Abtes gelegt. Berner starb etwa im Jahre 982.
Im Jahre 952 fand die Reform von St Basle statt. Auch
hier erscheint Hincmar als Reformator, allerdings im Verein
mit Rotmar von Hautvillers.^) In dieser Abtei hatte Artold,
als sein Rival Hugo auf dem Reimser Stuhle vom Papste an-
erkannt worden war, seinen Wohnsitz aufgeschlagen.^) Gleriker
hausten hier in fürchterlicher Weise; noch schlimmer war es,
als ein Laie das Kloster in seine Hände bekam. Wo ehemals
Abt nnd Mönche sassen, wirtschaftete Laienvolk roh und ge-
ränschvoU.^) Artold vertrieb das Gesindel und ftthrte Mönche
ein, deren Abt Odoleus wurde. Auf Verwendung der Königin
Gerberga begünstigte Lothar die Reform und bestätigte sie,
wie den Besitz der Abtei am 21. Mai 955.^) Odoleus leitete
St Basle bis etwa 970.«) Auf ihn folgte vielleicht Frodoard '),
dann Adso^), der mit seinem gleichnamigen Amtsgenossen von
Montierender eng befreundet war und ihn zur Abfassung des
Lebens und der Wunder des hl. Basolus veranlasste.^)
So mochte sich der Klosterzustand im Reimser Sprengel
im einzelneu schon etwas gebessert haben: im Allgemeinen
war er noch gar jämmerlich bis in die Zeit des Erzbischofs
>) Urk. Adalberts ohne Datum HF IX, 735; Colliette I, 573.
Vgl Mabillon, Acta SS. V, 215. Dio Conarmation des Bischof Leudulfus
von Noyon scheint erst nachtr'äglich zugefügt zu sein: Ego Leudulfus
Yermanden»is ac Noviomensia ecclesiae e^iacopua rdegi, «ubacripsi, con-
firmavi. Vgl Ezcurs III.
*) Fiodoardi Ann. 952. >) Fiod. Bist Rhem. IV, c. 29.
*) Adsonis Mirac. S. Basoli c. 11.
>) Urk. Lothars bei Marlot I, 594; Böhmer n. 2031.
*) Ein Odoleus erscheint in der Urls. Adalberos für Mouzon von 971
als Abt von St MMard de Soissons neben Adso von St. Basle (SS. XIV,
616) der möglicherweise mit Odoleus von St. Basle identisch ist
^ Marlot I, 598. *) Vgl. s. Epitaph bei Marlot I, &96.
•) Mirac. S. Bercharii eil.
192
Adalbero.. Während die kurze Zwisehenregierung Odalrichs,
des GanoDikers von Metz, für die Reform unergiebig war, wenn
aach der Erzbischof sich bemühte, den kleinen Raabadel in
Schranken zn halten >), so kam mit Adalbero, dem Sohne des
Ardennergrafen Gotfried, ein Mann auf den Metropolitansitz,
der, wie später seine ganze Familie der neuen mönchischen
Richtung im höchsten Grade zugethan war. Das klösterliche
Princip der Gemtitsvertiefung, geistiger Isolierung bei commu-
nistischer Lebensweise war bei ihm so sehr in den Vorder-
grund getreten, dass er auch bei seinen Canonikern ähnliche
Grundsätze zur Durchführung zu bringen suchte. Bau- und
verbesserungslustig, wie alle diese Reformatoren, restaurierte
und schmückte er die Kathedralkirche von Reims. Begreiflicher-
weise waren die Mönche seine Lieblinge, ganz besonders die
von St. Remi, denen zu Liebe er 972 eigens nach Rom zu
Papst Johann XIIL reiste.^)
Schon kurze Zeit nach Antritt seiner Regierung brachte
er seine Gesinnung durch die Reformen von Mouzon und St
Thierri zum Ausdruck. In dem erstgenannten Kloster hatte
Heriveus von Reims die Nonnen durch Gleriker ersetzt, die
aber ein so wenig geistliches Leben führten, dass Adalbero
ihre Ausweisung beschloss. Da gab es ein kleines, von nur
acht Mönchen und einem Abte bewohntes Kloster des hl.
Quintin, nach dem kleinen Bache, der vorüber floss, Thin-le-
Moutier genannt, das Gerhard von Brogne einst in seine Herr-
schaft gebracht und unter seinen Schüler Letald gestellt haben
soll; da es sehr arm war, glaubte der Erzbischof nach jeder
Richtung hin klug zu handeln, wenn er an Stelle der Gleriker
die armen, aber frommen Mönche von Thin-le-Moutier in Mouzon
ansiedele. Es gelang ihm, für seinen Plan den Abt Rudolf
von St. Remi zu gewinnen, der den Tausch an den Gonvent
*) Richeri bist. III, c. 19: Fcictvsque praesul mox tirannos, qui siuie
aecclesiae res pervaserantj ut ad aatisfaciendum redeant, iure aecclesiastico
advocat.
^) Richeri bist. III, c. 22. 25: Monachonim quoque mores q^ianta
dilectione et industria correxit atque a seciUi habitu distinxitj sat dicere
non est . , . praecipua tarnen beati Eemigii Francorum patroni monacJws
caritate extoüebat; v/nde et eorum res stabüiri in posterum cupienSy Bomam
concessit.
193
braebte, da St. Qaentin unter dem Hanptkloster der Diöcese
gestanden hatte. Trotz des Widerspruehs der jüngeren Brttder
setzte er seine Absieht dareh und der Tanseh wnrde gesetz-
mässig abgesehlossen. Jetzt erst wurde Abt Letald benach-
riehtigt nnd während der Erzbischof in Monzon den Glerikem
die Wahl stellte, entweder auszuwandern oder sich der neuen
Regel zu fbgen, stand der Abt mit seinen Brüdern bereits vor
der Pforte. Die meisten nahmen ihren Abschied. In längerer
Bede ermahnte Adalbero die neuen Insassen, nicht ihren Vor-
gängern zu folgen, sondern die Benedictinerregel zur Richt-
schnur zu nehmen; und nicht nur beschenkte er die Abtei
reich mit Kirchengut, er versprach auch, vorausgesetzt die
Einwilligung seines Bruders Gotfried, seine AUodien im Metzer
Sprengel Nachdem die Einführung am 7. November 971 er-
folgt war^), gingen nach Weihnachten Gesandte nach Rom
und baten um Bestätigung der Privilegien, die Johann XIIL
am 23. April 972 gewährte 2); im Mai 973 fand die Vorlesung
der Urkunden auf der Synode zu St. Marie in Tardenois statt.»)
Letald starb am 19. Juni 997; sein Nachfolger war Boso^),
unter dem am 18. Juni 999 die Weihe des Altars durch Erz-
bischof Arnulf erfolgte.*)
Um dieselbe Zeit etwa wurde St. Thierri reformiert In
der Gewalt des Grafen Rotger, sicher desselben, dem König
Ludwig, um ihn gegen seine Feinde zu gewinnen, die Graf-
schaft Laon verliehen hatte <^), lebten hier zuletzt nach seinem
Willen und ihrem Belieben zwölf Präbendare. Schlau wusste
ihm der Erzbischof das Kloster zu entwinden und unter Airafd,
einem Mönche von St Remi, zog nach Vertreibung der Chor-
herren neues Klosterleben in die gottverlassenen Räume. St
Thierri blieb der Hauptkirche untergeben. ^) Güter und Grund-
0 Alles nach der Bist, monast. Mosom. II, c. 2 ff., SS. XIY, 609 ff; vgl.
Ann. MoBom. 969. Die Urk. Adalberos auch HF IX, 732; sie ist unter-
schrieben von den Aebten Rudolf von Saint -Rem! und Adso von Saint-
Basle.
*) J.-L. 3762; HF IX, 239; Gousset, Les actes de la prov. 6ccl.
de Reims I, 622.
*) Eist Mosom. II, c. 7; Gousset p. 624.
^) Ann. Mosom. 997; Hist. Mosom. III, c. 21.
«) Hist. Mosom. III, c. 21. •) Dttmmler, Otto der Grosse S. 119.
«) Mirac. S. Theoderici abb. HF IX, 129; Hist Mosom. I, c. 9.
S*ekor, Clanimoonaw. I. t3
194
stttcke, die frtther im Besitz des Klosters gewesen waren,
brachte Adalbero zum Unterhalt der Mönche zusammen. ^ Be-
stätigt wurde die Reform am 26. Mai 974 von König Lothar:
der Abt nahm zwar eine selbständige Stellung ein, indes mit
Vorbehalt der erzbischöf liehen Ehre; ausser einem Zins von
ISVs Solidus sollten die Mönche frei sein von allen Auf-
lagen und Steuern.^) Am 19. April 975 fand die Erhebung
des hl. Theodorich durch Adalbero statt und seine Grablegung
in einem silbernen Sarcophag.^) Airard erfreute sich ttbrigens
der besonderen Gunst des Erzbischofs, der sich seiner in den
politischen Verwickelungen unter den letzten französischen
Karolingern als Unterhändler bediente^); auch mit Gerbert
stand er in litterarischen Beziehungen. Auf Airard folgte 980
Christian, dann Adso von Montierender, der 992, wie erwähnt,
auf einer Pilgerreise starb.^)
Diese Reformen waren das Ergebnis, der Ausfluss der
Gesinnungen, welche der Erzbischof jetzt allerwegen zur Geltung
brachte. Auf der Provinzialsynode zu Mont-Notre-Dame im
Gau Tardenois, die unter Vorsitz Adalberos Anfang 973 statt-
fand, wurde viel in Klostersachen verhandelt; er selbst stellte
eifrige Nachforschungen an über den religiösen Eifer der
Mönche, da die ursprüngliche Strenge vielfach einer lässigen
Beobachtung der Regel gewichen war. Nirgend hat man die
Reform so systematisch und mit so viel Ernst in die Hand
genommen: eine Versammlung der Reimser Achte ward ein-
berufen. Den Zweck derselben sprach Adalbero selbst in der
Eröffnungsrede des Gongresses aus: der Uneinigkeit in der
Auffassung der Regel ein Ende zu machen, ein einheitliches
Statut, Sinn und Willen herzustellen und damit zahlreiche
Missbräuche, die zu Tage getreten waren, abzuschneiden.
Rudolf, der Abt von St Remi, der Primas des reimsischen
<) Bist. Mosern. II, c. 8.
') Urk. bei Marlot II, c. 19: honore archiepiscopi servato. B. 2047.
>) Martyr. Rhem. bei Marlot II, o. 21.
*) Gerberti Epist. 34 (Havet p. 33) : MuUa cartia non credimuSf quae
legaJtis committim'U8j ut huic abbati Ayrardo sibi intimo pater meus Adal-
bero Bemorum archiepiscopus vobis per omnia fidua mUUa commiait, de
statu et pace regnorum vobiacutn habenda. Vgl. Epist. 60, Bavet p. 59.
*) Marlot II, 24; vgl GaUia cbrist. IX, 184.
195
Mönchtnms war Referent; ganz unerhörte Zustände kamen zur
Sprache: die Versammlnng erfahr von den widersinnigen
Trachten, dem törichten Lnxns nnd weitgehenden Aasschwei-
fnngen einer Anzahl von Mönchen. Wenn auch das Einzelne
den besonderen Beratungen Überlassen wurde, so hatte doch
der Erzbisehof der ganzen Bewegung für seine Provinz die
Direetion gegeben. Es wird berichtet, dass seine Bemühungen
von vortrefflichem Erfolge begleitet waren i); und es war dies
um so wertvoller, als die gegen Ende des Jahrhunderts aus-
brechenden stürmischen Unruhen, die wieder Reims zum Herde
hatten, nicht nur eine gedeihliche Reform unmöglich gemacht,
sondern im Klosterwesen die ärgste Zerrüttung herbeigeführt
hätten, wenn nicht ihre Keime durch Adalbero rechtzeitig ver-
nichtet worden wären.
Andere Reformen Fleurys.
Schon Abt Odo und sein Nachfolger in Fleury, Archem-
bald, hatten, wie wir gesehen, in Oberlothringen und der
Reimser Kirchenprovinz eine bedeutende Reformtätigkeit ent-
faltet Zwar sehen wir sie persönlich ausserhalb ihres Klosters
in diesen Gegenden kaum auftreten, aber die Hoffnung, die
Leo VII. einmal aussprach, dass, wenn erst das Kloster des
hl. Benedict wieder neues Leben empfangen habe, die andern
Stifter seines Ordens bald nachfolgen würden, schien sich
deutlieh zu bewahrheiten. Bei der Bedeutung, die diese Abtei
als die Ruhestätte des grossen Mönchsheiligen hatte, war es
also von ungeheurem Wert, dass sie in die Hände des Abtes
von Cluni gelangte, der, wie er von dem burgundischen Kloster
den Süden, so von Fleury aus den Norden des Landes eroberte.
Die reformatorischen Kräfte des Loireklosters erlahmten
auch unter Wulfald, Archembalds Nachfolger, nicht. Er war
offenbar derselbe Mönch, der einst dem Abte von Guni gegen-
über als Unterhändler die Rechte der störrischen Klosterbrüder
zu wahren versucht hatte. 2) Als er etwa im Jahre 945 3) die
I) Vgl. Richeri Bist. HI, c. 30—41.
*) Joh. V. Odonis III, c. 8.
*) Da die Translatioii des hl. Paulus von Orleans durch den Bischof
Mabbo voo St. Pol, der c. 945 starb, schon unter Wul&ld stattfand (Mirac.
18*
196
Leitung der Abtei übernahm, zeigte er sieh als einen energischen,
rührigen Mann im Sinne der ßeformpartei, ebenso wie er es
vorher im Interesse des alten Regimes gewesen war. Er um-
gab Fleury mit einer Ringmauer, bewirkte die Translation des
hl. Paulus von Orleans nach seinem Kloster und brachte den
hl. Benedict, der in der Grypta geruht hatte, zusammen mit
St Paulus feierlich an einem 6. August nach der oberen Kirche.^)
Dass er aber keine von den beschaulichen, einem mystischen
Triebe zu Gott folgenden, innerlichen Naturen war, vermag
man daraus zu schliessen, dass er im Jahre 962, als Clerus
und Volk ihn in Ghartres zum Bischöfe erkor, die Wahl an-
nahm. Hier hatte man bei der Reform der Abtei Saint-
Pöre Gelegenheit seine Tüchtigkeit schätzen zu lernen; man
rühmte ihn auch später in Ghartres.
In Saint-Pöre aber kam es auf folgende Weise zur Reform.
Der Normannenansturm hatte hier im Jahre 858 die traurigsten
Spuren hinterlassen. Mönche und Gleriker waren getödtet,
verödet lag die Stätte, bis Bischof Hagano^ der am 24. Dec 941
starbt), die Abtei von Grund auf neu erbaute und Gleriker
hineinlegte. Aber diese Weltgeistlichen leitete ein Mann,
Alveus, der, wie er selbst der strengen Zucht sich befleissigte,
nichts sehnlicher wünschte, als an Stelle der Ghorherren regu-
läre Benedictinermönehe zu sehen. Jene gingen zu sehr irdischen
Dingen nach und führten kein sehr canonisches Leben, so dass
Bischof Raginfred, der ein frommes Werk erfüllen wollte, behufis
Umwandlung des Stifts sich mit Alveus ins Einvernehmen setzte.
Er holte Wulfald von Fleury herbei; Alveus aber ging für drei
Jahre nach Fleury, um die klösterlichen Einrichtungen zu studie-
ren, und kehrte mit zwölf floriacensischen Mönchen auf des
Bischofs Veranlassung von dort heim.^) Die Reform erfolgte
S. Bened. lU, c. tl), andrerseits 945 Kaddroe unter Archembald in Fleury
Mönch war, 945 auch z. Z. Archembalds die Reform von St. R6mi erfolgte,
so ergiebt sich ungefähr sein Todesjahr.
^) Mirac. S. Bened. ed. Certain II, c. 4, p. 102; III, c. 11, p. 155;
VII, c. 16, p. 275.
>) Necrol. Carnot. bei Mabillon, Acta SS. V, 279 ff.
>) Cartuhiire de Saint -Pere de Ghartres ed. Gu^rardl, 10. 50 ff. Die
Darstellung der Vorrede des Cartulars weicht von der der Urk. Ragen-
freds ab; dort ist nur von Alveus^ Aufenthalt in Fleury, hier nur von
Wulfidds Eingreifen die Rede.
197
gegen 950-, in einer Urknnde gab Raginfred alle entzogenen
Begitznngen znrttck, weder von weltlieher noeh geistlieher Seite
sollen die Mönehe beunruhigt, weder Steuern noeh Zehnten
ihnen abgefordert werden. Alveus leitete die Abtei etwa bis
in die ersten Jahre des siebenten Jahrzehnts; sein Todestag
ist der 17. oder 18. August^) Erst unter einem seiner Nach-
folger erhielten die Brttder von König Lothar einen Immunitäts-
brief. ^) Nach Alveus Übernahmen Arembert und Widbert die
Jjeitnng, von denen der letztere bereits von Bisehof Wulfald
geweiht wurde, fttr reiehe Schenkungen sorgte, litterarisch
thätig war und um 980 aus dem Leben schied, s)
In enge Beziehungen zu Fleury trat während Wulfaids
Regiment auch die Abtei Saint-Fleurant de Saumur. In Folge
der Normanneneinfälle waren die Mönche von Montglonne^)
an der unteren Loire mit ihrem Heiligen nach Saint-Godon
geflohen. Später kamen sie mit dem hl. Florentius, man weiss
nicht wie, nach Tournus, während ihr altes Heimatsstift ver-
fiel Durch Absalon, einen alten Jünger des hl. Florentius,
soll dann der Heilige von Tournus entfllhrt und nach der
Barg Saumur gebracht worden sein.^) Nachdem endlich Friede
zu hoffen, tauchte der Plan auf, das Kloster Saint-Fleurant,
dessen Ländereien natürlich in die Hände von Fürsten und
Adeligen übergegangen waren ^), wiederherzustellen; aber auf
den Rat des Grafen Theobald von Blois wurde die neue Abtei
nicht auf dem gefährdeten Montglonne, sondern in Saumur
angelegt und der Klosterheilige aus dem Gastell übertragen.^)
>) Sein Todesjahr ermittelt sich dadurch, dass unter Bischof Arduin
Ton Chartres 960 — 962 Arembert auf Alyeus folgte; die Angaben Über
seinen Todestag aus Necrologien bei Mabillon, Acta SS. V a. a. 0.
>) Gu^rard, Cartul. do Saint -P^re I, 81.
») ib. 1, 54 ; Mab., Acta SS. V a. a. 0.
*) lieber den Brand der Abtei durch die Bretagner vgl. Versus
de eversione monasteril Glonnensis ed. Dümmler, Poetae lat. med. aevi
II, 146 ff.
') Aelterer Bericht eingeschaltet in die Ilist. S. Florentii Salmur. bei
Harobegay et Mabille, Chroniques d'Anjou p. 284. Ueber die Unglaub-
wUrdigkeit der ausführlicheren Erzählung vgl. Introduction p. XXVIII.
*) Vgl. ein Placitum v. Sept. 958 bei Baluze, Hist de la maison
d'Auvergne II, pr. 23.
^ Bist. S. Florentii Salmur. a. a. 0. p. 233. 234.
198
Der Graf, der sieh von den Kirehensefaätzen manehes zartick-
behielt, förderte doeh die nene Stiftung nieht nur durch Re-
stitution früheren Besitzes und Befreiung der Kirche von welt-
lichen Leistungen, sondern auch durch Ansiedlung von floria-
censischen Mönchen >), zu deren Abt um das Jahr 950 Elias
de Liniaeo erhoben wurde. Aber er starb kurze Zeit darauf,
am 13. März 956, in Folge eines Sturzes vom Pferde.^) Amal-
bert, der ihm folgte, war ein Mönch von Fleury, derselbe, der
fünfundzwanzig Jahre später Abt in Saint-B£noit-sur-Loire selbst
wurde. Er erwarb sich namentlich grosse Verdienste um den
Bau und die Ausschmückung der Kirche von Saint-Fleurant,
während die Wunder des Schutzpatrons zahlreiche Laien an-
lockten, die selbst ins Kloster traten oder ihre Söhne Gott
weihten. Unter ihm liess Graf Theobald an einem 21. Mai
die Basilica durch den Erzbischof von Tours und den Bischof
von Angers weihen und die Gebeine des hl. Florentius bei-
setzen.'^) Daneben bemühte sich Amalbert, die alten Rechte
der Abtei wieder geltend zu machen, namentlich ihre Freiheit
von jeder weltlichen Gerichtsbarkeit, die Zollfreiheit, die von
altersher ihre Waaren auf allen Flüssen des Reiches genossen.
Er bat deshalb mit den Brüdern um die Bestätigung der
Privilegien durch Theobald, dem sie sieh dafür verpflichteten,
ihn in die Zahl der Brüder aufzunehmen und für ihn zu beten.^)
Als Amalbert am 11. April 985 oder 986 gestorben war, wählten
die Mönche einen der ihrigen, Robert von Blois, der später
auch Abt von Micy wurde.^) Auf sein Verlangen bestimmte
Papst Johann XVIII. im April 1004 die Rechte des Klosters
dahin, dass es Niemandem unterworfen sein solle, ausser den
Erben des Grafen Theobald; niemand dürfe ihm neue Lasten
auferlegen ausser denen, welche der Erzbischof Arduin von
Tours und Graf Odo, Theobalds Sohn, vorgeschrieben hätten.
Von einem luterdict, das etwa den Gau von Seiten der Bischöfe
') a. a. 0. p. 240 : Ex saficti Bet^dicti Floriacetms monasterio rdi-
<fio808 fratres adduxit,
*) a. a. 0.; Breve Chron. S. Florentii (a. a. 0. p. 186) 956: Amalbertua
abbas efficitur.
^) Hist. S. Florentii Salmur a. a 0. p. 243.
*) Vgl. das Plac. bei Baluze a. a. 0.
^) Hist. S. Flor. p. 252.
199
träfe, solle das Kloster befreit bleiben. 0 £s lag in dem
Privileg eine Aufhebung gewisser Verpflichtungen dem Bisehofe
gegenüber und thatsäehlich hatte Rainald von Angers Abt Robert
und seine Abtei schon 994 von allen Leistungen losgesprochen,
ausgenommen wenn er oder seine Nachfolger durch die Be-
sitEungen der Abtei hindurchzögen. 2) Unter Abt Robert kam
das Kloster St. Michael in der Einöde, das der Vicegraf
Aimericus von Thouars, dessen ganze Familie sich um Saint-
Fleurant verdient machte^), im Lehenbesitz hatte, an dieses
Stift mit der Bestimmung, dass dessen Aebte auch die von
St Michael seien und dieses unter der Herrschaft; jener stttnde.^)
Robert, der namentlich fttr Vermehrung der Klosterschätze
sorgte, starb in Saint-Mesmin bei Orleans am 8. August 1011.^)
Inzwischen war Wulfald in Fleury durch Abt Richard er-
setzt worden. Er sorgte für die Sicherstellung der Rechte der
Abtei, indem am 5. Juni 967 König Lothar die von seinem
Vorgänger dem Kloster bewilligten Gtiter bestätigte und dieses
selbst in seinen besonderen Königschutz nahm.<^) Auch von
Benedict VIII. erhielt der Abt ein wichtiges am 8. November
080 zu Ravenna ausgestelltes Privileg über die Freiheiten der
Abtei und ihren Besitz''), über das wir an anderer Stelle noch
*) Die Bulle Johannes XIII, Bist S. Flor. p. 254; J.-L. 3941; vgl.
MabilloD, Ann. Ben. IV, 26.
') excepto cum ipse eiusqtui succesaorea per abbatiam sancti FloretUii
transirent.
^ Nach den Cliartes poltev. de Tabbayc de Saint - Florent pres Sau-
mur (Archives hist. de Poitou II), nr. 34. 35. 3H u. dem CartuL de S. Cyprten,
p. 164. 166. 167. 172 ist die Genealogie dieses Hauses folgende:
Aimericus
Gem. Hildegardis
(955—966)
Radnlfus Tetboldus Aimericus Gaufred
Gem.Aremburgis Gem. Eluis Gem. Ainoris
(1004—1015) (994-995) (1021-1058)
I • ^ '
Aimericus Aimericus Savaricus Raduifus Gaufred
(1004—1015) Gem.Aremgardis (1021—1058) (1021—1058) (1021—1058).
«) Gallia christ II, 410; Hist Florentii Salm. p. 259.
») Hist Flor. p. 263; Brcve Chron. Florentii 1011.
•) HF IX, 631 ; Boehmer nr. 2048. 2044.
') J.-L. 3803.
200
reden werden. Unter Riebard brannte die Basiliea St Peter
Wunderbarer Weise ohne Schaden fttr die benachbarten Bau-
lichkeiten nieder und wenige Jahre später 984 ereilte die
Kirche St. Maria und St Benedict dasselbe Schicksal Aber
nach drei Jahren war mit Hülfe des Baumeisters üominicus
der Schade wieder beseitigt^) Auch unter Richard gingen
floriacensische Mönche als Pioniere der Reform in fremde
Stifter.
Nur wenige Meilen unterhalb Fleury lag an der Loire die
Abtei Saint-Mesmin bei Orleans. Im Anfangt) des 10. Jahr-
hunderts die Residenz eines Laienabts, der die armen Mönche
fürchterlich plagte, dann im Besitze eines brittischen Bischofs
um nichts gehoben, kam die Abtei 942 auf Veranlassung des-
Bischofs Ermenthäus von Orleans an Abt Anno von lumiöges.
Zwar begann jetzt wieder reguläres Leben, aber noch immer
war die Not im Hause. Nach Annos Tode am 6. Januar 972,
kam der Bischof mit Richard von Fleury zur Beisetzung nach
Saint-Mesmin und da Ermenthäus an einer unheilbaren Krank-
heit litt, nahm er schliesslich selbst das Mönchsgewand.
Ermenthäus, den man gern selbst zum Abt gehabt hätte, be-
trieb vielmehr die Wahl eines Mönches von Fleury, Hermenald,
dessen Erhebung aber die Brüder von Saint -Mesmin ver-
eitelten. Schliesslich setzte der Bischof doch durch, dass der
Decan Amalrich von Fleury die Abtwürde erhielt Es war
das Mitte Januar 973; bald darauf am 1. April 974 starb der
Bischof. Auch sein Nachfolger Arnulf L. nahm sich des Klosters
freundlich an und verschaffte sogar ein päpstliches Privileg,
welches den Erlass jeglicher Abgaben an die Kathedralkirche
bestätigte und das Wahlrecht der Brüder sicherte.
Amalrichs Nachfolger war Robert, gegen den sich die
Mönche einst in einer Empörung erhoben, als deren Seele
Letald angesehen wurde, ein alter Freund Abbos von Fleury.
1) Mirac. S. Bened. U, c. 10, p. 113; Ann. Fioriac. 974.
^) Das folgende aus Letald! Mirac. S. Maxim, c. 22—41. Die Zahlen
werden durch folgende Berechnung gefunden. Ermenthäus starb am
1. April 974; da er nach c. 40 25 Monate in Saint- Mesmin lebte, so resig-
nierte er Antang März 972; die Angabe der 30jährigen Leitung Annos
tührt auf die Zeit seines Amtsantritts, Anfang 942.
201
Fllr das scbliiDioBte hielt es dieser, wie er in einem Mahnbrief
an die Brüder schrieb, dass sie den Bischof Fnlco von Orleans
gegen ihren Abt anriefen.^) Robert war zugleich Abt von
Saint-Flenrant, wie Amalrich gleichzeitig Saint- Mesmin nnd
Plenry geleitet hatte. Er starb am 8. Aug. 1011. 2) Als Albert
ihm folgte, waren, wie der Abt Johann XUI. mitteilte, die
finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klosters so
zerrttttet, dass kein Mönch hier weiter hätte leben können;
znm Glück hatte man eine tre£f liehe Freundin an der Königin
von Frankreich.*) Was die rechtliche Stellung von Saint-
Mesmin betrifft, so war die Abtei schon nach dem Tode des
Abtes Letald in den Besitz des Bischofs von Orleans ge-
kommen^); wir finden sie daher in einer Urkunde Hugo Capets
unter etwa dreissig Klöstern und Zellen aufgezählt, welche der
Herrschaft Arnulfs II. unterstauden.^) 1022 bestätigte König
Robert in Orleans, wo er der Synode gegen die dreizehn
Maniehäer beiwohnte, die Rechte der Abtei und bewilligte auch
hier Freiheit von weltlicher Jurisdiction.*) Abt Albert stand
weiterbin zum Königshause in Beziehung; bei der Einweihung
der Kirche des hl. Anianus in Orleans, die durch König Roberts
Anwesenheit besonderen Glanz erhielt, erschien der Abt von
Micy und benützte die Gelegenheit für sein Kloster, welchem
der König besonders zugetan war, die Gebeine des hl. Euspicius
zu erbitten.^)
Die Abtei Fleury hatte mehrere Filialklöster, die ihr seit
eher vollständig untergeben waren, Pressy in der Diöcese
') Vgl. Abbonis epist. 11 ad fratres Miciac, Migne 139, 430.
«) Vgl. oben S. 199.
') Alberti Miciac. epist. ad. Job. XIII bei Migne 139, 439: in tantiun
postmodtmi disaipcUiis pervasione malorum, ut ntUltut vivere potuerit
monachtM.
*) Letaldi Mirac. S. Max. c. 22: Co'tttigit atdem obeunte Letaldo
abbate locum patris Maximini in epicopi Theoderici dominitfm devenire,
6) HF X, 557.
^ HF X, 605; Migne 141, 961; MabilL Annales Bened. IV, app. 648:
quando Stephanus here9iarchu8 et coniplices eiu8 damnaJti 8wnt et arsi sunt
Aurelianis.
^) Hist translat. reliq. S. £u8picii, HF X, 370: vom Könige heisst
es : Miciacejise coeiwbium pUmmvun diligena.
202
Aütan^, Sacerge im Departement de llndre') and La Bäole')
in der Gascogne. Diesen letzteren Besitz aufrechtzuerhalten,
war jedoch wegen der entfernten Lage nicht möglich gewesen,
ebensowenig als die klösterliche Zucht, die früher hier bestan-
den hatte. Um so bereitwilliger ergriff Richard die Gelegenheit,
den Ort wiederzugewinnen, als der Herzog Wilhelm Sancfaez und
Bischof Gumbold von Gascogne die Wiederherstellung und Wieder-
belebung des Klosters in Aussicht nahmen. Es war im Jahre 977,
als beide, die Söhne des Sanzia-Garzia, daran gingen, das Kloster
St. Peter in Squirs, das seit der Normanenzeit brach lag, in geord-
neten Zustand zu versetzen. Mit Einwilligung ihrer Verwandten
und Getreuen sandten sie einen Cleriker zu Abt Riehard von
Fleury mit der Bitte, entweder selbst zu kommen, oder Mönche
zu senden, um die verfallene Abtei wieder herzustellen. Gern
folgte Richard dieser Aufforderung, gründete eine Ansiedlung
im Gau AUiardeys und konstituirte eine Verfassung der Golonie,
die vom Bischöfe beschworen wurde. Das Bedeutsamste war,
dass jene neue Stiftung so weit von Fleury abhängig wurde,
dass diese Abtei völlig freies Dispositionsrecht über dieselbe
behielt. 4) Das Kloster, welches den Namen Regula, La Röole
erhielt, erfreute sich zwar weiter der Gunst der Stifter*), machte
aber dem Abte von Fleury viel zu schaffen wegen der unauf-
hörlichen Reibereien zwischen den angesiedelten Mönchen und
den Landesbewohnem.
') Vgl. Mirac. S. Beoed. III, c. 15 p. 161.
«) Vgl. Mirac. S. Bened. III, c. 4 p. 133.
3) Vgl. darüber V. Abbonis c. 20.
*) Urk. Gumbolds und Wilhelms Sanchcz bei Petrus deMarca, Hist.
de B^ani, Paris 1640, p. 210 und Labbe, Nova bibl. II, 743. Sie geben:
de iure nostro in ins et ditionem praefati monasterii Floriacensis das
Kloster Squirs ita ut ab hodiema die in amnilnis quidquid abhas et fratres
eiusdeni coenobii facerc vohierintj liberam in omnibus haheant potestatem.
Vgl. V. Abbonis c. 16; über die Lage des Ortes c. 20. Bei Labbe steht
ein aus späterer Zeit stammendes Hof- resp. Stadtrecht desselben. In der
Nähe standen die Trümmer eines von Karl dem Grossen errichteten
Castells gegen die Spanier Cassignol; vgl. V. Abb. c. 20, Mirac. S. Bened.
U, c. 1, p. 05. Benedict VII. bestätigt in der Urk. v. 980: locum Patri-
ciaccnsem scilicet aud Caput cerviuntj locum etiam Regvle huius Richardi
abbatis tempore sancto Benedicto redditumy quoniam in his precipue ordo
monusticus religiöse conservatur.
») Urk. V. 978 bei Petrus de Marca p. 211.
ao8
Hit dem Ende der Herrschaft Richards hatte sich Flenry
xa einem Ansehen erhoben, das dem Clunis hinsichtlich der
reformatorisehen Bedeatnng wenig nachstehen mochte. Wir
sehen nm diese Zeit Mönche aas beiden Klöstern fttr die
Wiederernenemng mönchischer Zncht in St Peter zu Sens ge-
meinschaftlichen Einflnss ttben. Bald nachdem hier Odo von
Cluni das erste Mal die Reform vollendet, verschleuderte Abt
Notrann Kirchen and Dörfer, die Zierniten mehrer Abteien,
die er leitete. Da die Mönche von Sens wegen Mangel an
Lebensnnterhalt nmherschweiften, ging der Ort seinem Rain
entgegen; noch trauriger sah es aus, als der Erzbischof
Archembald das Klostergebäade nicht nur für seine Zwecke
in Besitz nahm, sondern sogar mit Hunden, Habichten und
Maitressen bezog, als zwölf Brüder von fünfzehn in einer Nacht
ihren Tod fanden und das Amt eines Abtes seit Notranns
Ableben unbesetzt blieb.* Es war noch ein Glück, dass ein
Kriegsmann Frodo den Klosterschatz und das Archiv fttr
bessere Zeiten in Sicherheit brachte, dass Erzbischof Anastasins,
Archembalds Nachfolger, wieder den Versuch einer Nenbelebung
des Klosters machte. Die wirkliche Reform und Wiederher-
stellnng in die alten Verhältnisse verzögerte sich jedoch bis auf
Sewin, welcher der Abtei nicht nur einen Teil ihres früheren Be-
sitzes, endlich auch den ganzen herausgab — was umsomehr
sagen wollte, als die erzbischöflichen Güter unter Dienstleute ge-
kommen waren — sondern auch in seinem Schwestersohn Rainard,
einem Mönche von St Columba, einen regulären Abt setzte und
aus Fleury und Gluui Mönche heranzog, nach deren Vorgang
Rainard die neuen Einrichtungen treffen sollte.^) In seinen
Anschauungen erinnert Sewin lebhaft an Adalbero von Reims;
ihn hatte der moderne scharf ausgeprägte Mönchsgeist so sehr
erfasst, dass er seit seiner Priesterweihe, so lange er lebte,
>) Chron. S. Petri Vivi Senon. bei Dura, Bibl bist, de PYonne II, 486:
Belinquens vero domwn mamf qaae erat cid tisum archiepiacoporumy habi-
tavit in clamtro monachorumf vendicans sibi refectoriunif in quo habitare
cotpit cum meretr%cibu8. Bemanserunt autem XV monachij ex quibus XII
una nocte sunt defuncti etc.
*) Chron. S. Petri p. 491 : Postea adduxit nionachoa reguläres ex
ooenoboi sancti Benedicti et Sancti Petri CluniacensiSf quorum exemplo
ipse Bainardua in melius proficeret, Vergl. Odoranni Chron. S. Petri sum
Jfthre 999.
204
weder Fleisch ass, noch sieh in Linnen kleidete. Begreif lieher-
weise war er dem Kloster St Peter, dessen zweiter Grttnder er
hätte heissen können, besonders zugetan; er räumte dem Abte
in der kirchliehen Rangordnung seines Episcopats die zweite
Stelle ein und machte ihn zum Primas sämmtlicher Achte seines
Sprengeis. TrefiFlich leitete Rainard in vollem ßewusstseia
seiner Pflichten die ihm vertraute Abtei bis zu seinem im
Jahre 1015 erfolgten Tode.
Sehen wir von der in floriacensischem Besitz befindlichen
Abtei La R^ole ab, so erstreckte sich die reformatorische
Wirkung Fleurys auf das nördliche und östliche Frankreich
und Oberlothringen. Freilich war mit dem Tode Archembalds
die Hauptblttte der Reform vorüber. Nachdem die Erzdiöcese
Reims die Anregung empfangen hatte, nachdem floriacensische
Einrichtungen einmal nach Toul verpflanzt waren, hört die
direete Einwirkung fast auf und nur noch in einzelnen Fällen,
wie von den benachbarten Abteien der Touraine aus, wandte
man sich noch unmittelbar an das Kloster des hl. Benedict So
fehlt auch in der Folgezeit der grosse Zug einer systematisch
unternommenen Reform. Die Achte regierten meist kurze Zeit
und waren Geschöpfe des Hofes. Im Verhältnis zu den Königen
werden wir sie später noch kennen lernen; fttr jetzt aber wenden
wir uns wieder dem Stammkloster der Reform: Cluni zu.
Viertes Capitel.
Aymard und Majolus.
1. Cluni bis zum Tode Aymards.
Aymard.
Ueber die Wahl Aymards, des Nachfolgers Odos, sind wir
schlecht unterrichtet Dass Odo ihn vor seinem Tode nicht
designiert hat, wie er seinerseits von Bemo für die Abtwürde
vorher bezeichnet wurde, scheint einmal das Übereinstimmende
Schweigen der meisten Quellen oder auch die gegenteiligen
Nachrichten einiger andern darüber ebenso zu bestätigen, als
die legendarische, erst aus der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts stammende Erzählung, nach welcher Aymard, der
während des Wahlactes aus seinem Verwaltungsbezirk ein mit
Fischen beladenes Pferd fbhrend, zu Fuss in Cluni eintraf,
seiner Demut wegen von den Brüdern zum Abt erkoren wurde J)
*) In der praef. zum Cartular Odos (Bibl. nat nouv. acq. 1497) i 37
wird erzählt: sujpprema sorte preventi*8 confsuljtatione fratrvm requisitus,
quis ex tanto coüegio ceteris praeficeretwr, aUo flamine afflatua »ic ad eoa
respandiase fertur: *No8tra in hoCf o filiif vaciüante censura Christi
demini larga non deerit prudentia, quae et domui suae sanctum providebit
pastorem et vohis rogantibus famtdis dignum non denegabit pastorem'.
Quod 8cüi cet sane conaiderantihus sole htcidiiM patet^ dum vita et
eonvertoHo domni Haymardi saHa ahtmde experimentvm praebet. Nach
ChronoL abb. Clnniac. zu 944, Bibl. Clun. col. 1618 sagte Odo vor b. Tode
befragt: Chmiacum suae diapositioni reaervavü Detis nee nostrae ordi-
nationi hoc in re tmbditur locus. In keiner der in Betracht kommenden
Quellen: OdU. V. Maioli; Rod. Glaber III, c 5; Sigeb. Gembl. Ghron. zu
937; Chron. Lemovic zu 941; Petri Damiani epist U, 14; Richardi Pictav.
Ghron. bei Mnratori, Antiq. Ital. IV, 1082; Aiberici Chron., SS. XXm, 762
findet sich eine Andeutung, dass Odo den Aymtnd bezeichnet habe oder
dieser bei Lebzeiten Odo's von den München gewählt worden sei Wenn
W. Schnitze, Forschungen S. 18 auf eine Urk. (CHOL I, nr. 546) verweist
mit dem Datum die sabbato Kaiendis Octubris annoa IUI. regnante Gowrado
206
Nieht weniger spricht gegen eine vorherige Designation der
Umstand, dass die Mönche anscheinend die Absicht hatten
den Propst Hildebrand zum Nachfolger Odos zu machen 0,
eine Ehre, die jener ablehnte. Auch können einige Urkunden,
in denen Aymard zu Odos Zeit bereits als Abt auftritt, gegen
unsere Meinung nicht sprechen: denn die richtige Datierung
derselben vorausgesetzt 2), wäre dne zeitweise Vertretung Odos
während seiner Reisen mit der Annahme wohl vereinbar, dass
der Abt, der nach kurzem Kranksein fern von seinem Kloster
starb, eine definitive Entscheidung vor seinem Ableben nicht
mehr zu treffen vermochte.
Wenn sich nun auch die Wahlhandlung schwerlich so
volkogen haben wird, wie unsere späte Quelle, die für die
älteren Zeiten wenig zuverlässig ist, schildert, so ist doch zu
vermuten, dass bei Aymards Erhebung in der That seine wirth-
sehaftliche Tüchtigkeit und sein practischer Sinn den Ausschlag
gegeben haben. Diese Eigenschaften werden an ihm beson-
ders gerühmt neben seiner Sittenstrenge und Gottergebenheit^),
regCj deren erste Daten auf den 1. Oct. 942 weisen, deren Königs jähre
aber nicht passen, so kann dieselbe bei der unsicheren Datierung un-
möglich den andern Quellen gegenüber in Betracht kommen, geschweige
Aolass zu so weitgehenden Hypothesen geben, wie sie Seh. S. 19 u. 67
aufstellt. Denn da die Regierangsjahre nicht stimmen, so kann man die
Urk. natürlich ebensogut ins Jahr 953 setzen, In welchem der 1. Oct.
(Schulze falsch 10. Oct. 1) ebenfalls auf einen Sonnabend fiel
^) Odilonis V. Maioli, Migne 142,947: Hie cum esset ex prioribua
Cluniensihus mofwchis et ei'usdem monasterii prciepositus j bis invitatuSy
ut officium abbatiae su^dperetj sed noluitf quia semper plus obedire quam
praedperef et magis subesse quam praeesse voluit. Diese zweimalige Auf-
forderung kann nur nach Odo's Tode erfolgt sein, vor der Wahl Aymards
und dann, als schliesslich Majolus Abt wurde.
') Die erste Urk. (GBGL 1, nr. 486) dat.: die domimco, V idus
mareii . . anno I regnante Lucdovico rege erregt Bedenken wegen der
nicht passenden Königsjahre. Die zweite Urk. nr. 496 : mense februario,
annos III Ludovico rege bietet hinsichtlich des Datums zwar keine Hand-
habe zur Kritik: aber bei den zahllosen Fehlem gerade in den KOnigs-
Jahren cluniacensischer Urkunden wUrde ich aus einer nur nach Königs-
jahren datierten Urkunde keinerlei sichere Sohlttsse zu ziehen wagen.
>) Odilonis Y. S. Maioli col. 946 : Hie in auffmentatione praediorum
et acquisitione temparalis commodi adeo stiidiosus fuit et in observatiane
satis devotus; Rod. Giaber III, c. 5: qui non licet adeo famosissimus
re^ularis tarnen obserwmtiae non impar cuaios.
207
und wirklich kann er für den eigentlicheD GrttDder der materiellen
Mittel Clnnis angesehen werden, wenn es ihm auch während
geiner kurzen Amtaftthrang versagt blieb, fttr die Ausbreitung
der Reform und das Ansehen der Abtei erhebliches zu leisten.
Bedenkt man, dass diese während Odos Amtszeit wenigstens
zeitweise sich in bedrängten wirthschaftlichen Verhältnissen
befunden hat, so begreift man leicht, dass bei einer Neuwahl
mehr practische Fähigkeiten, als litterarische Bildung und
geistige Grösse fttr den Gonvent der Mönche bestimmend ge-
wesen sein können.
Immerhin finden wir das Interesse der Könige von Bur-
gund und Frankreich weiter fttr das Kloster wirksam. Im
Jahre 943 urkundete König Konrad viermal fttr Cluni; das
erste Mal am 28. März oder Juni erkannte derselbe auf eine
Klage der Brüder gegen seinen Verwandten, den Grafen Karl
von Vienne, der ihnen Besitz streitig gemacht hatte, den sie
einem Bruder des Erzbischofs Sobbo von Vienne verdankten,
das Recht der Abtei an^i in den andern bestätigte er neue
Schenkungen.^) Ebenfalls vier Urkunden erhielten sie von
Ludwig IV. von Frankreich, von denen drei am 1. Juli 946,
eine am 8. Juni 950 ausgestellt wnrde.^)
Auch ist die Congregation von Cluni za Aymards Zeit
um einige Klöster gewachsen. Im Jahre 949 finden wir die
Abteien St Johann und St Martin in Mäcon in seinem Besitze.^)
^) CHOL I, nr. 622 ; zu den dort angegebenen Drnckorten kommen
Orig. Guelf. II, 128.
*) CHOL I, nr. 627. 628 v. 2S. April 948 u. Orig. Guelf. II, 117. 129;
CHCL I, nr. 631 v. 18. Mai 94:i. ») CHOL I nr. 688-690. 774.
*) Agapitll. bestätigt (Bullarium Claniac. p. 5; J.-L. 3648): abbaiias
sancti Johannis atque heati Martini in subu/rbio Matisconi aitas; sie werden
auch später im Privileg Gregors V., Bull. Clan. p. 10 aufgezählt Zu
Aymards Zeit wurde auch die Abtei St. Martin in Autun den Reform-
tendenzen Cluni's unterworfen. Es ist zwar eine bunte Gesellschaft, die
sieh f&r die Reform bei Ludwig IV. verwendet: Erzbischof Artald von
Reims, Grauzlin von Toul, Hincmar von Saint -Remi unter andern und
die Mönche von Cluni. Aymards Name wird nicht genannt. Man erkennt
doch die Solidarität dieser Reformmäoner vcrscliiedener Richtungen. Abt
wurde Hnmbert. Vgl. die undatierte Urk. Ludwigs IV. HF IX, 606.
Dureh die Erwähnung des Bischofs Hildebold v. Ghalon und Hincman
V. Reims wird die Zeit auf etwa 945—949 oder etwas später begrenzt.
208
Von grösserer Bedentnng war es, dass Bischof Stephan von
Glermont Aymard die Abtei SanxiilaDges unterstellte.
Zuerst hatte Wilhelm der Fromme Ende 917 hier eine
Kirche errichtet i), zehn Jahre später, am 11. Oct 927 erfolgte
die Gründung eines Chorherrenstiftes, in dem Tag und Nacht
unermttdlich zwölf Canoniker Gott lobsingen sollten.^) Anfang
des Jahres 950 reifte in dem Bischöfe von Glermont der Ent-
schluss die Stiftung dem Abte von Cluni zur Errichtung eines
Benediktinerklosters und Einführung regulärer Mönche zu Über-
geben. So berief er denn Aymard 5), während König Ludwig
von Frankreich am 3. Febr. 950 die Erlaubnis zu dieser Um-
wandlung erteilte.^) Etwas früher hatte bereits Hildegardis,
die Gemahlin des Vicegrafen Robert I. von Auvergne, mehrere
Dörfer gespendet zum Bau der Kirchen und Unterhalt der
Mönche, die man eben in das neue Kloster gebracht hatte ^),
ebenso schenkte Bischof Stephan eine Kirche.<^) Das Kloster
wurde wieder unmittelbar dem Schutz des römischen Stuhles
unterworfen. In der That hatte Papst Agapit IL bald Gelegen-
heit sieh desselben anzunehmen, indem er ein energisches
Ausschreiben gegen die Kirchenräuber erliess und den Diöcesan-
bischof zur Excommunication der Frevler aufforderte.^) Gerade
in den fünfziger Jahren litt die Auvergne unter den Fehden
der Barone, sogar nachdem bereits im Jahre 952 die anvergna-
tischen Grossen Wilhelm Flachshaupt gehuldigt hatten.^) Erst
958 kam mit Stephans Hülfe ein Friede zu Stande.»)
^) Gartulaire de Sauxülanges nr. 146, p. 135. Balaze^ Bist g^n.
d'Auvergne n, pr. 12.
>) Gart, de Saux. df. 13, p. 49; CHOL I, nr. 286. Die Stiftung soll
frei sein von jeder kirchlichen oder weltlichen Herrschaft, keinem
HeUigen, sondern nur Gott unterworfen sein.
») CHOL I, nr. 792. *) a. a. 0. nr. 763.
^) Gart de Saux. nr. 428, p. 326 u. 949.
^) a. a. 0. nr. 481 mit dem wohl unrichtigen 8. Jahre Ludwigs IV., da
Aymard damals noch gar nicht Abt y. S. war.
') Gart, de Saux. nr. 14, p. 51.
«) Gallia Ghrist. ü, 256 ; CHGL I, nr. 825.
^) Vgl. Goll. Moreau IX, 46 (Bibl. nation.): Anno incamoHonis
dominice DCCCLVIII indictione prima decidente in ipso annOj %it prin-
cipea Arvemorum invicem ae rebellarentj sed domino adiuvante et Stephano
Arvemorum episcopo regnante pax, que omnia auperat^ intra fines nostros
reg(nat). Urk. vom Sept des 4. Jahres Lothars.
209
Zar Zeit, als SanxillangeB ein Kloster wurde, leitete aber
Aymard wahrscheinlich nicht mehr allein die Abtei Clnni.
Bereits nach einer siebenjährigen Amtsftlhrung, wie es scheint,
nötigte ihn körperliches Gebrechen, sich nach einem Sub-
stituten umzusehen.^) Ob er Majolus damals nur designierte
oder die Brttder diesen wählten, ist ungewiss. Jedenfalls hatte
der junge Mönch zunächst nur selten Gelegenheit, Aymard in
den Amtsgeschäften als Abt zu vertreten. Erst eine ^eihe von
Jahren später, vielleicht im Jahre 954^), berief er, erblindet und
mit dem zunehmenden Alter seiner Körperkräfte beraubt^) den
Convent der Brttder, der den Majolus auf Aymards Vorschlag
einstimmig zum Abt erwählte; nach anfänglicher Weigerung
nahm dieser die Wahl an, die durch die benachbarten Bischöfe,
f^len und Aebte bestätigt wurde. Die Weihe vollzog der
Bischof Hildebold von Ghalon, der dem Kloster so nahe stand,
dass er sogar ein Gedicht zu Ehren Odos verfasste.
Majolus.
Majolus*) ward frühestens im Jahre 910^) in sehr vornehmer
Familie zu Avignon*) geboren. Sein Vater Fulcher, ein Kriegs-
mann von Verstand und Tugend''), hatte von väterlicher Seite
grossen Grundbesitz geerbt und diesen noch vermehrt, so dass
er in den Grafschaften Riez, Apt, Aix und Sisteron ausge-
dehnte Ländereien mit Dörfern und Kirchen beherrschte. Ob-
gleich Fulcher, noch ehe sein Sohn Majolus den geistlichen
Stand wählte, dem Kloster Gluni reiche Besitzungen zuwies,
kam noch immer eine stattliche Erbschaft auf seine Söhne
Majolus und Gyricus, die schliesslich, wenn auch auf Umwegen,
») Vgl. Excurs V.
«) Vgl. Excurs V.
9) Die BestaUungsorkaiide CHOL II, nr. 883.
*) Ogerdias, Hist. de S. Mayol, 1877 ist fUr wissenschaftliche Zwecke
gänzlich unbrauchbar.
*) Der Heirathscontract ist v. S. Dec. 909 datirt, CHGL I, nr. 105.
•) Syri V. Maioli c 1 : «r Avennicorum oppido; Anon. V. Maioli
(Bibl. Clun. coL 1783): oppidanorum Avennicorum alumntut. Nach Petrus
Damiani epist II, 14 und Chronicon Cluniac, Bibl. Clun. coi. 1635 ist er
in Valensolle geboren.
") Vgl OdUonis V. Maioli Ende.
Sftokur, Clanijioenwr. I. 14
210
ebenfalls dem französischen Kloster znfielJ) Während der Vater
des Majolns aas römischem Geschlecht stammte^), scheint die
Mutter Raimodis fränkischer oder bargandischer Abkunft ge-
wesen zu sein. Vielleicht ist sie identisch^), mit der Gemahlin
des Vicegrafen Majolus von Narbonne, der wenige Jahre vor
911 gestorben sein dürfte. Wir besitzen noch den Heirats-
contract vom Jahre 909, in welchem Fulcher seiner Gattin das
reiche I}eiratsgat im Betrage von 100 Hufen und 50 Leib-
eigenen zuweist^)
Es ist fraglich, welcher von beiden Söhnen der ältere war;
von Cyricus wissen wir nur, dass er im Jahre 959 oder 960
noch lebte.^) Jedenfalls war Majolus der beanlagtere. Schon
in seiner Kindheit gab er Beweise seiner Frühreife und er-
weckte bei seinen Zeitgenossen grosse Erwartungen.*)
Die Jugendjahre waren die traurigsten ftir die unteren
Rhonegegenden. Als die Sarrazenen die westlichen Alpenpässe
besetzt hielten und von da die umliegenden Länder plündernd
und brennend durchzogen, stoben die Uewohner erschreckt
auseinander. '') Auch Majolus verliess nach dem Tode seiner
Eltern®) — vielleicht waren sie bei einem Ueberfalle umge-
>) Vgl. MabiUon, Acta SS. V, 741—743; CHOL ü, nr. 1071, 11. Juli
959 bis 10. Juli 960.
') In CHCL I, nr. 106 sagt Fulcher: iwcta legem meam Bomanam
sei ihm Raimodis angetraut; daraus scheint zu schliessen, dass Raimodis
anderer Herkunft war.
^) Vgl. Sackur, Noch einmal die Biographien des Majolus, N. Arch.
XII, S. 508 n. 1 und weiter unten.
♦) CHCL I, nr. 105. *) II, nr. 1071. •) Syri V. Maioli I, c. 3.
0 Syr. I, c. 5; Anon. Silvin. V. Maioli a. a. 0.: Gens Sarracenorum
suis finilnis exiliens Protnnciam crtuleliter praeoccupaverat ; vgl. Dttmmler,
Otto der Gr., S. 114. Ich halte nach wie vor gegen Schultze, Noch ein
Wort zu den Biographien des Majolus, N. A. XIV, 552 an dem Sarrazenen-
einfall Anfang der zwanziger Jahre fest
") Syr. I, c. 4. Schnitze a. a. 0. S. 552 n. 5 meint, meiner Theorie nach
wäre damals Msjolus als 11— 12 jähriger Knabe nach Mäcon gegangen,
was er fUr unmöglich hält. Abgesehen davon, dass ich, ohne mich fUr
ein bestimmtes Jahr zu entscheiden, nur vom Anfang der zwanziger Jahre
gesprochen habe, ist das ein Argnment., für das mir jedes Verständnis ab-
geht; dass ein 11— 12 jähr. Knabe nach dem Tode seiner Eltern von Haus
und Hof getrieben, sich zu Verwandten an einem selbst entfernteren Orte
durchschlägt, wtlrde für unsere Zeiten und unsere geographische Lage
nicht befremden, geschweige denn für provengalische Frühreife des
211
kommen — das väterliehe Erbe und ging nach Mäeon, wo er
bei einem yomehmen Verwandten Unterkommen fand.
Ueber die Mäeoner Verwandten ^) sind einige Vermutungen
gestattet. Der erste Graf von Mäcon nämlich, Alberich, der
Schwiegersohn des Vicegrafen Raculf von Mäeon, war der Sohn
des Vicegrafen Majolus von Narbonne und seiner Gemahlin
Raimunde oder Raimod.^) Er muss bald nach 911 nach Mäcon
gekommen sein und die Attala geheirathet haben, da er be-
reits 930 zwei Söhne hatte, deren ersterer Letald damals als
Graf auftritt^) und fbnf Jahre später gar verheirathet war.^)
Da nun Alberichs Vater Majolus, die Mutter Raimod oder
Raimunda hiessen, wird man angesichts der Thatsache, dass
Alberich wie Majolus aus der Provence stammten, nicht ohne
Omnd vermuten können, dass Alberich zu den Verwandten
des Majolus gehörte. Damit ist durchaus nicht ausgeschlossen,
dass der Vicegraf Majolus, der sicher von 937^) bis 943^) in
10. Jahrhunderts! Auf Schnitze's Beweisführung , soweit sie die längere
Existenz der Eltern im Gegensatz zu Syrus darzuthun versucht, gehe ich
näher nicht ein: sie bewegt sich so sehr in willkürlichen Combinationen, dass
es genügt, den Leser darauf zu verweisen. Der Name Majolus tritt in
elnniac. ürk. sehr häufig auf, einige Mal sicher unser Cleriker, einige Mal
ein Vicecomes. Alle andern verteilt nun S. nach Bedürfnis in diese zwei
Rubriken und von diesen unbeweisbaren Identifizierungen aus schliesst er
wieder auf Personen, die in den betrefifenden Urkunden, die ein S. Maioli
tragen, vorkommen.
') Auf die monströse Genealogie der Necrol. hist. Clun. de Dom
Georges de Buren, die Ogerdias in den notes justificat. n. 2, p. 855 ab-
druckt, gehe ich natürlich nicht erst ein.
') Ragut, Gart de Saint -Vincent de Macon p. 6; Urk. des Erzbisch.
Amolf V. Narbonne v. 15. Juni 911 bei Baluze, Hist de la maison
d'Auvergne II, nr. 5; Hist de Langued'oc V, nr. 38; Vgl. N. A. XH,
S. 508 n. 1. Schultze, Noch ein Wort etc. S.551 bekämpft diese Hypothese
mit dem Hinweis, dass die Raimod in dem Dnick der Hist de Liang.
Raimnnda genannt werde. Dass indess eine Verwechselung von — mund
und — mod erfolgen kann, s. bei Foerstemann, Ahd. Namenbuch I, 932.
939, wenn ich auch zugebe, dass dadurch nicht alle Zweifel beseitigt
werden. ') Hist. de Lang. IV, 1, nr. 1 1.
*) ürk. V. 31. März 985, CHCL I, nr. 432.
*) Er erscheint bei Ragut, Gart, de S. Vincent nr. 185 und 356 beide
Urk. undatiert, die zweite aber durch die Zeit Bemos v. Mäcon (928 bis
937) bestimmt
•) GHGL I, nr. 632. 633. 634. 644. In einer Urk. v. Juni 949 erscheint
er ebenfalls noch als vicecomes. Bruel und Schultze halten das Datum
14^
212
Mäcon nachweisbar ist, der Familie Falchers verwandtschaftlich
nahe stand; mit ziemlicher Gewissheit wird man dasselbe von
einer andern Mäeoner Familie behaupten können, in der eben-
falls die Namen Msyolas und Baimo^s auftreten. i) So begreift
man, wie es kam, dass der junge Proven^ale sich gerade nach
Mäcon wandte.
Hier trat er zuerst unter die Chorherren, um nach einiger
Zeit Studien halber nach Lyon zu gehen.^) Dort bestanden
vielleicht Reste jener alten Akademie aus der Römerzeit'),
deren Existenz für die ersten christlichen Jahrhunderte noch
bezeugt ist. Immerhin bewahrte die Stadt auch im 10. Jahr-
hundert ihren Ruf als berühmte Bildungsstätte. Ob man freilich
in Antonius, dem Lehrer des Majolus, der nach der einen
Nachricht dem Laienstande angehörte^), einen Universitäts-
professor zu erblicken hat, ist um so zweifelhafter, als er nach
einer andern älteren Quelle Abt von Isle-Barbre bei Lyon ge-
wesen ist.*)
Nach Mäcon zurückgekehrt, ward Majolus, nachdem er
die nötigen Weihen erhalten, Archidiaeon, als welcher er
dieser Urkunde fUr falsch, weU er nach GHCL nr. 697 im Jahre 947 schon
todt gewesen sei. Nun beweist aber nichts, dass der Vicegraf Maj. iden-
tisch ist mit dem hier genannten Majolus, der eine Gemahlin Namens
Landrada, Alindrada hatte, eine Tochter Eaimodis und einen Sohn W&l-
tarius. In den Urk. dieser Familie CHGL I, nr. 528. 697. 765. 843 tritt
Majolus nie als vicecomes auf. Wir haben also allen Grund ihn von
diesem zu trennen. Wenn femer darauf verwiesen wird, dass am
4. Mai 948 (CHGL nr. 719) bereits ein Walter als vicecomes auftrete, Ma-
jolus also nicht 949 noch gelebt haben könne, so ist zu bemerken, dass
gerade die Datierung der Urk. nr. 719 unsicher ist, da hier wieder einmal
die Regiernngsjahre nicht passen.
*) Vgl. die vorhergehende Note.
8) Syr. I, 5 ; vgl. N. Arch. XII, 508 ; XIV, 552.
3) Vgl. Herici Mirac. 8. Germani c. 4; Syr. I, c. 5. der die Mir. S. Germ,
benützt; Odil. V. Mai.: philosophiae ntUriceni et matrem et quae totius
Oalliae ex antiquo more et ecclesiastico iwre non inmerito retineret arcem;
ganz ähnlich im Epitaph. Adelheidis c. 5; Rod. Glaber V, c. 4. Vgl.
Launoi, De scolis celebrioribus, Hamburg! 1717, p. 37. Ganz ungenügend
ist Francisque Ducros, Les arts, les sciences et les lettres dans ia ville
de Lyon, Revue des soci^t^s savantes IV (1858), p. 8.
*) Odil, V. Mai. Bibl. Glun. col. 282: Antonii sciectdari professione
philo8ophi.
«) Syr. I, c. 5.
213
zuerst in einer Urkunde vom Juni 938 oder 939 bezeugt ist.')
Er war offenbar hier im Besitz einer Pfründe. Damals, als
sein Vermögen, das in Folge seiner Freigebigkeit später sehr
zusammenschmolz, noch bedeutender war, errichtete er jenseits
der Saone dem hl. Michael ein Bethans, wohin er zuweilen
Yor dem Tumult der Stadt, um den religiösen Uebungen un-
gestörter obliegen zu können, flüchtete. Sein Ruf verbreitete
sich aber hauptsächlich, indem er Gleriker an sich heranzog,
um sie auszubilden.^) In den Jahren 927 bis 932 trat einmal
die Versuchung an ihn heran, sieh zum Erzbischof von Besangen
erheben zu lassen. Damals waren bezüglich der Besetzung
des erzbischöflichen Stuhles schwere Wirren ausgebrochen.^)
Erzbiscbof Berengar war gelegentlich der Invasion seines Sitzes
durch einen gewissen Heiminus geblendet worden. Der letztere
wurde jedoch nicht aufgenommen, während der anerkannte
Kandidat vorzeitig starb.^) So kam wahrscheinlich der Fürst
des Landes, entweder Hugo der Schwarze von Burgund oder
der Graf von Mäcon, in dessen Besitz sich wenigstens später
Besanfon befindet^), zuerst auf den Gedanken, den mit den
ersten Familien von Mäcon verwandten jungen Gleriker mit
Zustimmung von Glerus und Volk auf jenen Stuhl zu er-
heben. Seine Jugend konnte in diesen Zeiten für die mass-
gebenden Factoren, vornehmlich für den Stadtherrn kein
Hinderungsgrund sein 6); vielleicht veranlasste sie Majolus aber
<) CHOL I, nr. 493. Es ist selbstverständlich, dass ich die grund-
losen Identifizierungen Schultzens, der Majolus schon v. 18. Jan. 926 in
Mäcon nachweisen kann, ganz unberücksichtigt lasse.
«) Syr. I, c. 12.
») Vgl. Syr. I, c. 12; Nalgodi V. Maiolil, c. 8.
*) Vgl. Catalogi I. et III. archiep. Bisunt, SS. XIU, p. 372.
^) Vgl. meine Ausführungen im N. Arch. XII, 510, 511.
*) Dagegen stösst sich Schnitze S. 553 daran, den ich nur daran er-
innere, dass in Reims im 10. Jahrhundert einmal ein fün^ähriger Knabe
Erzbischof wurde, während Atto von Vercelli klagt, dass in Italien Kinder
zu Bischöfen gemacht würden. Die grossen Vasallen beherrschten in
dieser Zeit die Bischofsitze und hatten allerdings das grösste Interesse
daran, jugendliche, unselbständige Creaturen zu befördern. Gerade dass
der princeps von Besangon auf Majolus zu wirken sucht, macht mir die
Sache wahrscheinlich, nicht minder als die Weigerung des Majolus, der
nach dem Schicksal Berengars und der ganzen Art dieser „Wahlen" be-
greiflicher Weise keine Lust hatte, den Erzbischof von Be8an9on zu
214
ebenso, wie die sicher uncanoniscbe Art seiner Wahl, die ihm
angebotene Würde anszaschlagen.
In seiner clericalen Stellung in Mäeon trat Majolas zu den
Mönchen von Glnni in enge Beziehangen. Namentlich drängte
ihn der Prior Hildebrand mehrfach, das Mönehskleid anzu-
legen. Bis zum August 943 ist er in Mäcon als Archidiacon
nachweisbar^); nicht ganz sicher ist, wann er nach Cluni
kam.^) Hatte er früher sich mehr den freien Künsten und
namentlich grammatischen Studien hingegeben, so war es jetzt
die einfache schlichte und herzliche Glaubensinnigkeit der
Mönche, die ihn anzog. ^) Seiner überlegenen Klugheit in den
klösterlichen Angelegenheiten verdankte er, dass man ihm die
Aufsicht der Bibliothek und Schatzkammer übertrug. Er stand
als Schatzmeister dem Propst besonders nahe, neben dem er
urkundlich auftritt^
Bereits als Mönch unternahm er im Auftrage des Abtes
mit einem Begleiter, Namens Heldrich, eine Reise nach Bom
im Interesse der Abtei.*) Da wir von Agapit IL eine Urkunde
für Cluni vom März 949 besitzen^), so ist wohl anzunehmen,
dass die Beschaffung dieses Diploms der Zweck dieser Reise
war. In diesem Privileg bestätigte der Papst den Grund-
besitz der Abtei und sprach wiederum mit dem päpstlichen
Schutze dieselbe sammt allem Eigentum von jeder könig-
lichen, bischöflichen, gräflichen Herrschaft, sowie derj von Ver-
spielen. Ein fernerer Gegengrund Schultzens wirkt fast komisch. Ma-
jolus sei 926 in Macon (was beiläufig bemerkt, in keiner Weise bewiesen
ist). Nun gehe er (nach Syrus) von dort nach Lyon. „Mithin wäre ihm das
Erzbistum angeboten, als er nicht in Mäcon, sondern in Lyon ist. Man sieht,
wie Syrus mit sich selbst im Widerspruche steht.*' Nun wissen wir aber
weder, wann Majolus nach Lyon ging, noch wie lange er dort blieb ; und
endlich bleibt für seine Kandidatur in Besan^on ein Zeitraum von fünf
Jahren !
*) CHOL I, nr. 647. *) Vgl. oben S. 209. ») Syr. 1, c. 13.
*) Am 4. Mai 948 kommen vor den Grafen Letald quidam viri et
monachi fideles sancti Petri ClunienaeSy Hüdebrannvs nomine atque Mo-
ioliM necnon et Bainaldua. GHCL I, nr. 719. Hildebrand ist in den Urk.
erst V. c. 948—963 bestimmt nachzuweisen CHOL I, nr. 466. 708. 718. 719.
850. 878. 880; II, nr. 944. 1064. 1066. 1071. 1083. 1087. 1119. 1147.
^) Syr. I, c. 15: pro monagterii utüitate,
^) Bullarium Cluniac. p. 5; Jaffe-L. nr. 3648.
215
wandten des Stifters frei. Die Mönche sind in der Abtwahl
an keines Fürsten Zustimmung gebunden und vollkommen un-
abhängig. Da der Mönehsoiden die höchste Immunität erstrebe,
bemerkt Agapit, so dürfen weder die Klosterhörigen, noch totes
Inventar und Eigentum von irgend jemandem ohne Einwilligung
des Abtes rechtlieh belangt, noch gewaltsam angegriffen wer-
den. Der Bttckweg von Rom wurde über Ivrea eingeschlagen.
Als es Majolns hier gelang, dem schwer erkrankten Gefährten
durch seine Gebete Heilung zu verschaffen, sahen seine Mit-
brttder in Cluni darin ein Zeichen höherer Macht und Be-
stimmung. Die Verehrung, die sie ihm dann mehr und mehr
zollten, scheint bald nach seiner Heimkehr in seiner Wahl zum
Ausdruck gelangt zu sein, als es sich darum handelte, Aymard
zu ersetzen.
Als Aymard Majolus den Krummstab übergab, zählte die
Congregation von Cluni, natürlich die abhängigen Obödienzen
und Cellen mitgerechnet, über hundertsechzig Mönche. Indes
ist die Zahl dieser Filialklöster damals sicher nicht bedeutend
gewesen.^) Von grösseren Abteien haben nicht mehr als die
beiden von Mäcon, Gharlien, Bomainmoutier und Sauxillanges
unter Cluni gestanden. Da die Zahl der abhängigen Cellen in
den ersten Jahren Odiles nur siebenundzwanzig, fast sämmtlich
in den Bistümern der mittleren und unteren Bhonegegenden,
betrog, so kann nach Aymard ihre Zahl nicht gross gewesen
sein. Für die Fortschritte, welche die wirtschaftliche Ent-
wicklung der Abtei im Gegensatz zur ideellen unter diesem Abt
gemacht hat, ist eine Gegenüberstellung der Gütererwerbungen
unter Demo, Odo und Aymard nach ihrem Charakter sehr
lehrreich. Wahrend nämlich unter den erst genannten Achten,
also in der Zeit von 910 — 942, unter 100 Erwerbsnrkunden
durchschnittlich 57 unbedingte Schenkungen, 29 bedingte,
4 Kauf- und 10 Tausch vertrage sich finden 2), ist unter Aymard
in den Jahren 942 — 954 die Zahl der unbedingten Schenkungen
1) Vgl. die Urk. Aymards a. a. 0.
*) Aus der Zeit Bernos und Odos sind 270 Urkunden erhalten,
welche Schenkungen oder onerose Erwerbungen betreffen; von diesen
sind 154 unbedingte, 77 bedingte Schenkungen (d. h. solche auf Todfall
oder mit Auferlegung gewisser Verpflichtungen), 11 Kaufverträge,
2b Tauschgeschäfte. Auf das Jahr kommen je 8Vs Erwerbsacte.
216
auf darchschnittlich 42V2^/o gesunken, während die bedingten
sich auf derselben Höhe hielten, die sie früher einnahmen.
Dagegen ist die Zahl der onerosen Erwerbungen bedeutend
gestiegen, die der Kaufverträge auf ll^/s, der Tauschaete auf
17^0*0 LäsBt sich daraus ein Schluss ziehen auf die ge-
steigerten wirtschaftlichen Kräfte des Klosters unter Aymard,
so scheint der Rückgang der unbedingten Schenkungen ebenso
trefilich die Berichte der Quellen zu illustriren, nach welchen
zwar der Zuwachs an materiellen Mitteln bedeutend stieg, der
Abt an allgemeinem Ansehen seinen Vorgänger aber nicht
erreicht hat. Die Zahl der jährlichen Erwerbsgeschäfte stieg
auf mehr als das doppelte 2); auf eine systematische Bewirt-
schaftung lässt das Anwachsen der Tausch- und Kaufverträge
schliessen, welche meist durch den Wunsch geeigneter Arron-
dierung des Besitzes veranlasst wurden.
Majolus ist anfangs weder allein noch in jeder Beziehung
an Aymards Stelle getreten; noch am 15. Mai 956 vertritt er
in Gemeinschaft mit dem Prior Hildebrand den Abt Aymard
in Mäcon, ohne dass hier seiner Abtwttrde Erwähnung ge-
schieht.^) Zunächst ist ihm wohl nur die Leitung der äusseren
Geschäfte übertragen worden; seit dem Herbst 958^) aber muss
sich Aymard von seinem Amte ganz zurückgezogen und den
jüngeren Mann in alle Rechte und Pflichten eines Abtes ein-
gesetzt haben. Während jener bis zu dieser Zeit in den Ur-
kunden überwiegend als Abt begegnet, findet sich zwar später
noch hier und da sein Signum am Ende der Diplome; er er-
^) Nämlich 92 unbedingte, 64 bedingte Schenkangen, 25 Kaufverti^e,
38 Tauschverträge. *) Auf etwa 18 gegen 8*/».
') CHOL II, nr. 1000: adierunt presentiam ipsius duo fratrea et
monachi Cluniensis coenobii, Eldebrannus viddicet atque Maiolus cum ali'
quibus prefatae congregationis vice domini abbatis Eymardi et reliquorum
monachorutn Cluniaco degentium. Man beachte, dass Hildebrand zuerst
genannt ist
^) In 31 Urk. vom Nov. 954 bis Aag. 958, welche einen Abt nennen
(solche, in denen die Datierung innerhalb grösserer Zeiträume schwankt,
blieben natürlich unberücksichtigt), tritt 22 mal Aymard, 9 mal Majolus als
Abt auf. Ganz hinfällig ist also die Behauptung Schnitzes, Forsch. S. 21,
dass von 954 an fast immer Majolus aufträte. Ebenso unbewiesen ist
seine Bemerkung, seit 955 sei Majolus an Aymards Stelle auch in den
äusseren Geschäften getreten.
217
seheint aber im Texte 8o gut wie gar nicht mehr als Abt.^)
Zaletzt lägst sich seine Existenz im Sept. 965 nachweisen^);
bald darauf wird er das Zeitliehe gesegnet haben.
Gleich im Anfang seiner Amtsftthrang erhielt Majolus ein
sehr wichtiges Privileg von König Lothar von Frankreich, am
20. Oct. 955, in welchem der König auf Bitten des Herzogs
Hugo von Francien und des Grafen Letald von Mäcon die
Rechte und Besitzungen der Abtei bestätigt: die Burg des
Klosters solle immun sein und unter der Herrschaft der Mönche
stehen; niemand solle gegen ihren Willen innerhalb oder
ausserhalb der Ringmauer gerichtliche Functionen ausüben.
Ihr ganzer Besitz soll fttr die Ewigkeit sicher und frei sein
von jedem Eingriff einer fremden Gewalt und vollständige
Immunität geniessen. Jede Unterdrückung, jeder gewaltsame
Raub auch seitens des Königs wird verboten.^) So sehen wir
denn, dass Cluni damals bereits befestigt war und der Abt im
Begriff stand, sich zum Stadtherrn zu erheben.
2. Cluni und das deutsche Reicli*
Die Gründung von Peterlingen.
Während Majolus auf diese Weise fUr die Sicherung des
ihm anvertrauten Besitzes und die Stärkung seiner eigenen
Stellung im Innern sorgte, knüpften sich wieder die Fäden
zwischen dem Abte von Cluni und den italienisch-burgundischen
Höfen an, die unter Odo einst bestanden hatten und nach
seinem Tode gerissen waren. Wir wissen, welcher Gunst sich
bereits Odo am Hofe von Pavia erfreute. Hier brachte es
einst Helderich, einer der italienischen Grossen, zu hohem An-
sehen; von dem Rufe des französischen Klosters angezogen,
verliess er Weib und Besitz, um dort sich der Regel Benedicts
^) Nur noch zweimal begegnet er im Text der Uri^unden als Abt, so
viel ich sehe, Dec. 959 (CHCL II, nr. 1070) und Juni 960 (CHCL II, nr. 1086).
*) Als Zeuge steht er noch unter einer Urk. vom Sept. 065 (CHCL
II, nr. 1 1 S6). Es will dagegen wenig sagen, dass die in den Daten wenig
sichere Chronolog. abb. Clun. col. 1619 ihn am 5. Oct. 963 sterben lässt.
Seinen Todes- resp. Beisetzungstag II. Non. Oct.: Deposit io dofnni Hey^
mardi abbatis giebt das Necrol. Yillar. (Beilage lY.)
») CHCL II, nr. 9&0.
218
zu unterwerfen.^) Seine Kenntnis von Land und Leuten, seine
mächtigen Verbindungen machten ihn wahrscheinlich bereits
949 zu einem geeigneten Begleiter des Majolus auf dessen
erster italienischen Reise. Seitdem muss er ihn öfter über die
Alpen geführt haben. Gerade er vermittelte, wie es heisst, die
enge Verbindung des Abtes von Cluni mit König Otto. Aber
Adelheid, die junge Königstochter von Burgund, hat sicher
noch im Hause des Vaters öfter Mönche von Cluni gesehen,
von ihrem strengen Lebenswandel gehört und zu ihnen Neigung
gefasst.
Schon in den Zeiten Odos, wie wir wissen, war das bur-
gundische Königshaus um Glunis Sicherheit und Gedeihen
redlieh bemüht, und dass es für die Tendenzen seiner Leiter
auch für die Folgezeit volles Verständnis hatte, beweist die
Gründung von Peterlingen im Jura. Es war am 1. April 962,
als sich die Königin Berta, die Mutter der Kaiserin Adelheid,
all ihrer Besitzungen in und um Peterlingen zu Gunsten der
Heiligen Maria, Peter, Johannes und Mauritius entäusserte
behufs Gründung eines Benedictinerklosters strengster Obser-
vanz. Die Mönche samt dem Besitz werden vollständig in
die Gewalt des Abtes Majolus von Cluni gegeben; nach
seinem Tode aber den Brüdern freie Abtwahl zugesichert, so
dass niemand irgendwie Einsprache erhebe. Mit dringenden
Bitten wendet sich Berta an weltliche wie geistliche Fürsten,
ja an den Papst: der jungen Abtei keinerlei Abbruch zu thun,
sie nicht als Lehen auszugeben, noch einen Herrn darüber zu
setzen.^) Am 8. April erweiterte König Konrad die Besitzungen
*) Syr. II, c. 22 : Heldncus . . . in laicali potentia praecipuuSj qui
quondam in Italia inter ccteros palatinos extitit Iwfiorabilis. Da er wahr-
scheinlich schon vor 949 in Cluni war — denn er hat Majolus, der z. Z. noch
Mönch war, vermutlich in diesem Jahre nach Italien begleitet — so kann
er nicht, wie Schulze a. a. 0. meint, am italienischen Hofe Ottos I. sich
bewegt haben ; wir müssten ihn vielmehr an den Hof Hugos und Lothars
versetzen. Seine Bekanntschaft mit dem Kaiser könnte durch Adelheid
zuwege gebracht worden sein.
«) Urkunde Hertas, CHCL II, 1126; Guichenon, Bibl. Sebusiana,
cent I, 1; Schöpf lin, Alsatia I, 119; Hidber, Schweiz. Urkundenregister
nr. 1062. — Vgl. über die Datierung der Stiftungsurk. Wurstemberger,
Geschichte d. alten Landschaft Bern, 1862, II, 56. Obgleich den Mönchen
freie Abtwahl zugestanden wird, finden wir Peterlingen doch nach Majolus
219
und Rechte von Peterlingen dnrcb Verleihung eines Hofes and
des HttnzrechtB ^) and bewies seine Teilnahme an der Stiftung
seiner Matter am 23. März 963 durch neue Schenkungen.^) Mit
dem Einfluss , den der säehsische Hof seit Otto I. in Burgund
ausübte ^), wuchs auch das Bemühen desselben, die Existenz des
burgnndischen Klosters und namentlieb seine Besitzungen, auf
Reichsboden zu sichern. Sämmtliche Ottonen haben des öfteren
fUr Peterlingen geurkundet^) und ihre Nachfolger haben dem
Kloster dasselbe Wohlwollen bewahrt.
Berta erlebte die Vollendung ihrer Stiftung nicht; aber
Adelheid betrachtete sie als ein Vermächtnis ihrer Mutter. Die
Kaiserin und ihr Bruder Konrad errichteten das Kloster und
statteten es reichlich aus; zugleich aber übertrugen sie es dem
Majolus und seinen Nachfolgern zur Leitung und zum Besitz.
Die Gluniacenser hatten bis zur Erwerbung Peterlingens
keinen Schritt auf deutsches Reichsgebiet getan. Das Kloster
im Besitze von ClmiL In einer Urk. y. 2 1 . Oct 1003 b. Grandidier, Bist. d'Al-
sace I, nr. 358 sagt Heinrich: abbaa 8, ecclesiae etc. nomine Odüo cum
cuncta cangregatione —. Vgl. Odil. £pit. Adelh. c. 9 SS. IV, p. 64t : In
patris vero Bodulfi videlicet nobiliasimi regia et domni Chwmradi fratris
rtgno, loco videlieet FaJtemiacOy ubi matrem reginam voeabulo Bertham. . .
sepuUurae tradidit, in honorern Dei genitricia monagtetium eondidit et
sanctissimo patri Maiolo suisque siAccesaoribus sua munificentia et fratris
mi Chwmradi regia pra^ecepto ordinandum perpetuo commiait Danach bat
also Adelheid nach dem Tode ihrer Mutter die vOUige Uebertragang an
Clmii bewerkstelligt. Dazu vgl. die Bullen QregorB V. und Sylvesters II.
im Ball. Clan. p. 1 1 and 1 4 : Fatemiacum ab Adelaide itnperatriee auguata
conatruetwn et a Conrado rege et filio atw Rudolpho rege Climiacenai
cenohio per praec^ta regalia traditum cum amnibua quae videtur habere in
Burgundia; ferner die Urk. Heinrichs III. für Peterlingen v. 4. Dec. 1049 bei
Grandidier a. a. 0. 1, nr. 408 : a regina Bertaj matre viddicet Conradi regia
et imperatricia Ädelaidiaj poat mortem matria dotatumj conatructum et
nobüitatum. — Ans all' diesem geht hervor, dass Berta knrz nach der
Stiftung starb, Adelheid erst den Bau unternahm oder wenigstens grössten-
teils aosftthren liess. Der Tod Bertas, die an einem 2. Jan. starb, wird
ins Jahr 966 gesetzt, Wurstemberger a.a.O. p. 6t, doch scheint er noch
frtther erfolgt zu sein. — Schnitze, Forschungen etc. S. 25, n. 3 irrt also,
wenn er Odüo im Epitaphiam der Adelheid eines „leicht verzeihlichen
Irrtums" bezichtigt.
>) CHOL II, 1127; HPM II, 81. ») CHCL II, 1152.
*) Bltfmcke, Burgund unter Rudolph UI, S. 28.
*) Stumpf nr. 361. 509. 854. 898. 1139.
220
erwarb nun bald im Anfang Güter im Elsass and zwar in Colmar,
Httttenheim und den Besitz eines gewissen Gantram ausser
Brampt, Liegenschaften, die Otto L am 14. April 959^) an einen
Getrenen Radolf, der vermatlich mit dem Bruder der Königin
Adelheid identisch war, verliehen hatte^). Dieser gab sie, wie
es seheint, dem nen gegründeten Kloster bald nach dem Ent-
stehen, wie er überhanpt an der burgandischen Familienstiftung
nicht unbeteiligt war.^) Wahrscheinlich schon Otto I.*) ver-
mehrte die cluniaeensischen Besitzungen im Elsass durch eine
Hufe im Dorfe Bohlsbach in der Oiiienau, das bereits auf dem
rechten Rheinufer gelegen ist.^) In Httttenheim wurden die Cluni-
acenser Nachbarn der Mönche von Ebersheim ^) und Murbach.^)
Es waren wohl Angelegenheiten dieser elsässischen Besitzungen,
welche unter Majolus den Bruder Warner einst nach Murbach
führten ^), der als Propst sich überhaupt vielfach in den äusseren
«) M. G. DOI, 201.
') Da es in der Urk. Ottos I. nur heisst: cuidam fiddi nostro Ruo-
dtUfo will V. Sickel, Kaiserurkunden der Schweiz S. 62. 63 diesen Rudolf
von dem Bruder der Kaiserin trennen. Mit Sicherheit möchte ich weder
das eine noch das andere behaupten.
") Urk. Konrads v. 8. April 962 a. a. 0.: qiuditer nos cwn matre nostra
Berta et fratre nostro Ruodolpho etc. Dass er der (reber war, steht in
fast allen Urkunden.
*) Zwei Urk. Ottos I. für Peterlingen sind verloren gegangen; vgl.
Sickel, Kaiserurk. der Schweiz S. 68. Erwähnt wird der Mansus zuerst in
St. 599 v. 25. Juli 973.
^) Erwähnt wird der Mansus in St. 599 und 1139; dagegen nicht in
St. 854, einem Diplom, dass Sickel a. a. 0. S. 67 für unecht hält und
St. 898, das durch seine selbständige Fassung aus der Reihe der andern
Diplome fUr Peterlingen herausfällt. In die Urk. Heinrichs II, v. 21. Oct. 1003
ist aus den Vorurkunden wieder cum uno nostro manso in viUa Baddes-
back etc. aufgenommen, ein Umstand, der vielleicht den Irrtum in den
Urk. Konrads II. v. 9. Sept 1024 und 1027 hervorgerufen hat, wo es heisst:
regit iuris unum nianaum in viUa Badeleshach a praedicto imperatore
Henrico eidem monasterio coUatum. Auf ähnlichen Irrtum ist wohl die
Notiz der V. Heinrici c. 28 zurückzuführen, dass nämlich Heinrich in
supplementum necessaHum rerum in Alsatia optima praedia eidem con-
gregationi (nämlich Cluni) contradidit.
') Grandidier, Hist. d'Alsace I, nr. 386 Urk. Wilhelms von Strassburg
V. 1031.
^) Hidber, Schweizer. Urkundenregister nr. 1272.
«) Syri epist. dedicat, Mabillon, A. SS. V, 764; Gfrörer, Gregor VII,
VI, 32 will darin schon einen Beweis cluniacensischer Einwirkung hin-
221
Geschäften bewegen mnsste.^) Bei Colmar lag die Bnrg der
Grafen von Eggisheim.^) Indem wir sie früh in Verbindung
mit den ClnniacenBem nachweisen, gewinnen wir eine wert-
volle Beleachtnng für die ererbte Sinnesweise des berühmtesten
ihrer Sprossen, Brunos von Toni.
Graf Eberhard liebte unter seinen Besitzungen yomehmlich
die Gegend von Mohlsheim der fruchtbaren und lieblichen Lage
wegen; nicht selten weilte er hier zwei oder drei Tage. Seinen
sehnlichsten Wunsch, an dieser Stätte ein Kloster zu errichten,
hinderte ihn der Tod zur Ausführung zu bringen. Sein Sohn
Hugo aber, ein rauher Mann, erbaute da dem hl. Bartolomäus,
sichtlich der Reform in Mnrbach sehen. Schnitze, Forschungen S. 23 hat
dargethan, dass die betreffende Stelle nichts dafür beweist. Neuerdings
ist nun Gatrio in der Revue cathol. d'Alsace 1886 nr. 3, S. 155 ff. und nach
ihm Ringholz, Die ehemalige Begräbnisstätte der Kaiserin Adelheid, in den
Studien u. Mittheil. aus den Benedictiner- u. Cisterzienserorden 1886 p. V,
Abschn. II, n. 1 daftir eingetreten. Da mir die erstere Abhdlg. unzugäng-
lich ist, kann ich nur nach dem Referat Ringholz' urteilen. Danach stützte
sich der Beweis Gatrios, dass Warner und Odilo Aebte von Murbach
waren, auf die im Anz. f. schweizer. Gesch. 1883, Heft 4 edierten Murbacher
Annalen. Diese Murbacher Annalen sind nun eine jüngere Compilation
verschiedener handschriftlicher Nachrichten. Der Beweis Gatrios kann
nur. darauf beruhen, dass in der ganz lückenhaften Abtreihe ein Odolon
abbas sich findet und zwar vor Guntram, der 812 nachweisbar ist (vgl.
Mossmann, Chron. des dominicains de Gnebwiller 1844, p. 395), sodann
unter der Rubrik: De nominibus antiquorum ein Wemherus und Werin-
herus, Weder der eine noch der andere Name gestattet natürlich irgend
einen Scbluss auf die Cluniacenserreform. Ebensowenig ist mit einer
Nachricht etwas anzufangen, die in der Notitia fiindationis et primorum
abbatnm Murbac. abbatiae ad saec. usque Xin. bei Grandidier, Hist. d'Al-
sace II, p. LXXII sich findet. Es heisst hier, dass unter Abt Wanpert die
Ungarn kamen und die Mönche zerstreuten, die unter seinen Nachfolgern
Theodericus, Rnpertus und Werinharius vereinzelt waren, donec fratres
MurbacenaeSj reparato tandem monasterio et ab exilio iterum redeuntes post
Werinhanum in dbbatem unanimiter elegerunt Beregherum^ der 976 nach-
weisbar ist Daraus ginge gerade hervor, dass die Reform von Murbach
nach dem Abte Werinher erfolgte, dieser Werinher also mit Warner von
Cluni schwerlich identifiziert werden kann.
1) Als Propst ist er etwa v. J. 969 bis c. 994 nachzuweisen.
') Ueber die Grafen von Eggisheim und ihre geistl. Stiftungen vgl.
LaqaiÜe, Hist. de la province d'Alsace, Strassbourg 1727 1, 1 54. 166; MSmoires
et doonments pnbli^s par bi sooi^t^ d'hist. et d'aich^ol. de G^növe XYI, 2
(1867).
222
Gregor nnd anderen Heiligen ein Eircblein. Die Weihe dieser
Kirche nntemahm auf Hngos Bitten der Bischof Erchembold^
von Strassbnrg nnd zwar in Gegenwart — des Majolus von
Clani. Reiche Schenkungen liess der Graf dem neuen Kloster,
das sich hier erhob, zu Teil werden: die Zehnten von Altorf,
so hiess die Abtei, die aller benachbarten Güter und des
ganzen Gebirgslandes, das um die Burg auf dem Burg-
berge lag.')
In einem spätem Privileg Leos IX. wird des Mtyolus Auf-
enthalt in Altorf gedacht; sollte sich die Erinnerung daran
anders erklären lassen, als wenn man annimmt, dass er durch
Massregeln und Anordnungen einen tieferen Eindruck hinter-
lassen hat? Wird man es sich haben entgehen lassen, ihn bei
der Errichtung einer neuen Abtei um Rat zu fragen? Man
setzt die Einweihung der Kirche ins Jahr 974, in dasselbe, in
welchem wir Majolus am kaiserlichen Hofe finden. Vielleicht
ist eine Nachricht des Syrus damit in Verbindung zu bringen,
dass bei einem Aufenthalt in Deutschland ein seit langer Zeit
in Krankheit verfallener Graf den Abt von Cluni zu sich be-
scheiden liess.^)
Italienische Reisen des Majolus.
I.
Inzwischen war Majolus in Italien mehrfach in persönliche
Beziehungen zu dem deutschen Kaiserhause getreten.
Im Frühjahr 967 zog er, wahrscheinlich um den Sarra-
zenen zu entgehen^), welche die westlichen Alpenpässe besetzt
hielten, in einem grossen Bogen über Ghur durch das Rheintal
nach Italien. In Ghur weilte er Ende März kurz vor dem
Osterfest, das damals auf den 31. März fiel, und heilte durch
seine Gebete den Bischof Aripeii; wenigstens so weit, dass er
») 965—991.
8) Urk. Leos IX. v. 28. Nov. 1049 bei Grandidier I, nr. 407; Schöpf lin I,
164; SS. XV, 2, 998; Jaff^-L. 4206; daraus schöpft die Notitia II. Alttorf,
bei Grandidier I, nr. 350 ; SS. XV, 2, 998.
') Syr. II, c. 1 1 : Jn Alemanniae partibits quodam tempore cwn mora-
retwTj eiti8 adventua rumore di/famatOj ad eum cuiuadam comitis concita
pervenit legatio.
*) Nach einer Vermutung Kellers, Der Einfall der Sarrazenen in die
Schweiz, Mittheil, der antiqnar. Gesellschaft in Zürich XI, 14 n. 36.
223
die österlichen Vorbereitnngen treffen konnte i); freilieb starb
dieser dann im nächsten Jahre Vom 16. bis 19. Juli ist der
Abt in Pavia nachzuweisen. Hier erwarb er den ersten cluni-
acensischen Besitz auf italienischem Boden. Ein Priester Adal-
gis ttbertrng ihm eine Kapelle der hl. Jungfrau und einige
Gnindsttteke bei Pavia behufs einer Elostergrttndung; welche
die Aebte von Cluni völlig beherrschen sollten 2); alles dies
hatte Adalgis am selben Tage vom kaiserlichen Richter Gaidulf
empfangen.^) Zwei Tage später liess der um den Besitz im
fremden Lande besorgte Abt denselben vor dem kaiserlichen
Pfalzgrafen durch ein Placitum nochmals feierlich sich zu-
sprechen. Damals erschien Majolus vor dem kaiserlichen Ge-
richtshöfe, der mit Erlaubnis des Bischofs Lietfried in Pavia sich
aufgetan hatte: er wird Abt von St. Peter in Burgund genannt
und des jüngst erbauten Klosters^), das zu seiner Zeit noch
durch sumpfige Wege mit der inneren Stadt verbunden war.
Es war sein Aufenhaltsort, so oft er seitdem nach Pavia kam^),
und ward nach seinem Tode ihm selbst geweiht.^) Der cluni-
acensische Besitz in Oberitalien vermehrte sich am 6. April
971 durch einige Güter am Po, welche der Markgraf Albert
verlieh''), und einen Hof bei Pavia, den Kaiser Otto I. auf
Bitten der Kaiserin Adelheid schenkte.^)
») Syr. II, c. 17.
*) CHOL II, nr. 1229: ut abeant motiahi Uli quem ipse domnus Magiolus
abba suique successorea in praedicta capeüaj qua nunc monesterium con-
stituo esse intra urbem Ticinensem; nullus alius omo abemd lieendam nee
potest4dem abam nee monachum ibidem ordinandi, nixi domnus Magiolus
abha monasterio sancti Fetri sita loco Cloniacus aut sui »uccessores.
16. Juli 967; Stumpf ur. 429.
*) CHCL II, nr. 1228 v. 16. Juli 967; Stumpf nr. 428.
«) CHCL II, Note zu nr. 1228 und 1229. Placitum Otberts vom 18.
Juli 967.
>) Anon. Silyiniac. V. S. Maioli c. 19, Bibl. Clun. col. 1 775 : ubi sanctus
pater demorari solitus etc. . . Inter hanc atUem et inter praedictae civitatis
Hedem quidam erat locus pro paludis et aquarum receptaculis sancto patri
iotis nimirumque infestus.
*) Ueber St. Migolus bei Pavia vgl. Romualdus a S. Maria, Flavia Papia
Sacra, Pavia 1699, p. 107 ff., wo viel falsches. ') CHCLI I, nr. 1295.
') CHCL U, nr. 1143 undatiert und ohne Actum. Bruel datiert 962 bis
973. Da eine Verbindung Ottos und des Abtes von Cluni vor 967 nicht
nachweisbar ist, wird sich die Zeit von 967—973 beschränken lassen.
224
Im Juli 967 war Otto nicht mehr in Pavia*); da er sich
aber um diese Zeit in Oberitalien befand, könnte Majolas ihm
an einem andern Orte begegnet sein. Der Abt kam von dort
nach Rom, wo sich ihm Gelegenheit bot, wieder in St. Paul
einzugreifen, jener Abtei, die Abt Odo einst der Beform gewonnen
hatte. Nach Odos Ableben muss es hier heftige Kämpfe gesetzt
haben. Noch Papst Agapit II. war mit der Durchführung der Re-
form beschäftigt; er bat den Abt Einold von Gorze um religiöse
Mönche 2), wohl zu einer Zeit als der Ruf des Metzer Klosters
den von Gluni, das unter Aymard an allgemeinem Ansehen
etwas verlor, überstrahlte. Dass sich die Brüder von St Paul
aber ihres Zusammenhangs mit Gluni bewnsst blieben, erhellt
daraus, dass während der Parteistürme, welche die sächsische
Herrschaft in den sechziger Jahren in Rom hervorrief, die in
ihrer Existenz bedrohten Mönche mit dem Heiligsten, was sie
retten konnten, der Asche der Apostel Peter und Paul, in dem
französischen Kloster Zuflucht suchten.') Die Gelegenheit, die
sich Majolus bot, in Italien einigen Einfluss auszuüben, be-
nutzte er, um auch in St Paul wieder Ordnung zu schaffen.
Bei seinem ersten Besuche im Jahre 967^) fand er eine arm-
*) Das Itinerar des Kaisers yom 24. Juni bis 24. Sept. 967 ist un-
bekannt, vgl Dümmler, Otto der Grosse S. 422. Dass der Kaiser nicht
in Pavia war, erhellt daraus, dass in keinem der drei Placiten der An-
wesenheit desselben Erwähnung geschieht, was wohl sonst üblich war.
Vgl. ein anderes Placitnm vom 12. Juni 967 (DOI nr. 342); v. 3. Nov. 971
in Chiasso (Muratori, Antichita Est I, 147; St. 494); v. 14. Oct. 1001 (Mura-
tori, Antich. Est I, 125; St 1269). *) Vita Johannis Gorz. c. 58.
') Hugonis epist. ad Pontium, Bibl. Clnn. col. 560: Tandem seditionis
urbe turbata motibuSf quos illa civitas infausto %uiu creberrime patitur,
malis urgentibw monachi discedentes vas iUud apostolicorum cinerum Sacra
secvmi pignora aecimi dettderunt sicque Cluniacum propere pervenerunt.
Im Cod. Paris, lat 942 saec. XYII liegt zwischen fol. 137 und 138 ein
kleiner Zettel, auf dem folgende Worte stehen: Tempore sancti Maioli
cineres apostolorum Petri et Pauli fuere rqpositi 9ub ara . . maioris tdtaria
aancti Petri veteris. Lbi versus sequentes leguntur:
Pastor, PetrCf gregis coelestis claviger aulae
Divinae legis tu doctor m<iximej Paule,
Hie, qttorum cineres domino praestante reponi
Testantwr veteres, ncbis estote patroni.
*) Bei Syr. II, c. 18 wird sein Aufenthalt in St. Paul gesetzt zwischen
seinen Besuch in Ghur bei Bischof Aripert und seine Bekanntschaft mit
Otto I. Da Aripert 968 starb, kann es sich nur um die Reise von 967 handeln.
225
selige Schaar verkommener Brüder. Ihren dringenden Gesuchen
um Beistand in der Not willfahrte er durch Geldgeschenke;
er besserte ihre Sitten <) and bei einem zweiten Aufenthalt
setze er ihnen auf ihre Bitten einen Prior 2), vielleicht nach
dem Ableben jenes Ingenald, der auch Abt von St Julien in
Tours war und auf einer Reise von Rom nach Frankreich von
den Sarrazenen getödtet wurde.^)
So sehen wir Majolus in den Fusstapfen seines Vorgängers.
So oft er von jetzt an nach Rom kam, besuchte er die heiligen
Stätten. Aufgelöst und in Thränen schwimmend lag er an
Gräbern der Apostel, und auf allen diesen Reisen bezeichneten
seinen Weg Denkmale der Barmherzigkeit gegen das arme
Volk, das die vielbereisten Strassen Italiens damals erfüllte.^)
Um diese Zeit muss der Abt bei Papst Johann XIII. Klage
erhoben haben gegen die weltlichen Grossen, welche cluni-
acensischen Besitz belästigten. Mit Feuer ergriff der Papst
die Sache des französischen Klosters. Indem er sein Schutz-
recht geltend machte und sich auf das Protektorat berief, das
ihm über die Abtei übertragen sei, indem er auf die Vorrechte
und die Sorge derselben um aller Seelenheil hinwies, bedrohte
er in einem an die Bischöfe von Lyon, Arles, Vienne, Cler-
mont, Mäcon, Besan^on, Valence, die proven^alischen und ost-
französischen Kirchenfttrsten, gerichteten Schreiben^) jeden Ein-
griff in die Rechte und Besitzungen der Abtei mit dem Anathem
und forderte namentlich Stephan II. von Glermont und Ado
von Mäcon auf, Cluni ihren Schutz angedeihen zu lassen, letz-
teren der Nachbarschaft wegen, die ihm erlaube, um so zeitiger
beizuspringen , ersteren, weil das in seiner Diöcese belegene
') Syr. II, c. 18.
») Petri Damiani Opusculum XXXIII, c. 8, Opp. in (Venet 1783),
384 : quia sicut rogattta fuerat, e/wm in monasterio S, Pauli priorem con-
stUuere decreviaset,
') Brevis Bist. Turon. bei Salmon, Receuil de Chroniques de Ton-
raine p. 228: Ingenaldus siiccessit Hie dum a Borna reverteretur de
monasterio S. Fauli, cuius rector eratj inter Apenninas Alpes a Sarracenis
interemptiAS est.
*) Syr. II, c. 16.
') J.-L. 3744; Bull. Gluniac. p. 5; zwischen 968—971 ausgestellt; ver-
mutlieh hatte also M%jolus den Papst 967 für seine Sache interessirt.
Sftokor, Olnnlacenaar. I. 15
226
Kloster SanxillaDges dnrch einen bischöflichen Unterthan Am-
blard eines Gates beraubt worden war.
Majolus nächster Anfenthalt jenseits der Alpen lässt sich wohl
im April 971 aonehmen.O War der Kaiser anch diesmal nicht
gleichzeitig iu der lombardischen Hauptstadt, so ist der Abt
in der nächsten Zeit doch sicher an den Hof Ottos des Grossen
gezogen worden. Sein Ruf war bis an den deutschen Kaiser-
thron gedrungen; der Kaiser, ein Freund der Mönche, hatte
den Wunsch, den seltenen Mann kennen zu lernen. Die We-
kanntschaft wurde durch den bereits genannten Helderich ver-
mittelt. Es folgte eine Periode, in welcher der Abt von Gluni
zu den angesehensten Persönlichkeiten am kaiserlichen Hof-
lager gehörte und auf den Herrscher selbst, dessen geheimer
Ratgeber er wurde, keinen geringen Einfluss ausüben durfte.
Nicht selten hatte er hier Gelegenheit als Fürsprecher und
Vermittler zu erscheinen.^) Es heisst, dass Kaiser Otto sich
mit dem Gedanken getragen habe, ihm seine italienischen und
deutschen Klöster zu übergeben; wahrscheinlich scheiterte der
Plan an seiner Undurchftlhrbarkeit und vielleicht an dem
Widerstände des einheimischen Clerus. Aber Adelheid zeigte
sich doch, wo es ihr möglich war, als warme Anhängerin der
französischen Reformbestrebungen.
Von Pavia, wo wir Majolus zuerst treffen, begab er sich
nach Rom wohl zu einer Zeit, als die Vermählung Ottos IL
mit der Griechin Theophano stattfand. Johann XIII., der
sich schon einmal Majolus gegenüber hilfreich erwiesen^), be-
stätigte die Reform des Klosters St. Salvator bei Pavia, welche
die Kaiserin damals durch Majolus unternehmen liess. Durch
Grundbesitz und Kirchenschmuck bereicherte sie das Kloster
und stellte es unter den Abt von Cluni.^) In einer Urkunde
») CHOL 11, nr. 1295; vgl. oben S. 223.
«) Syr. II, c. 22. ») Jaff6-L. nr. 8744 v. 968—971.
*) Odil. Epit. S. Adelh. c. 9: Postmodum in Italia iuxta Ticinensem
urbem monasterittm a fundamentis incoepit et ad honorem Salvatoris
mundi honorifice imperiäli auctoritate et sua largtasima donatione per-
fecit; praediis et omamentis ampliasime ditavit oe tarn dicto patri Maiolo
ordinandvm regtdariter tradidit Odilo schreibt an Andreas y. St. Salvator,
SS. IV, 637 : cuius (Adelh.) industria atque prtidentia vestri monasterii a
fundamentis crevenmt aedificia cuiusque sufrtentamini larga eontintuique
munificentia; Syr. II, c. 22; Nalgodi V. Mai. c. 22; Anon. Silvin. c. 18.
227
vom 24. April 972, eben zur Zeit der Hochzeit des jungen
Kaisersohnes, nahm der Papst auf Adelheids Bitten die Abtei
in seinen Schutz und verbot feierlich, dass eine weltliche oder
geistliehe Person irgend welche Herrschafi; hier ausübe. Natür-
lich wurde freie Abtwahl zugesichert; nie sollten Zehnten ge-
zahlt werden. 1) Im selben Monat machte Johann XIII. dem
Bischöfe von Pavia von diesen Bestimmungen Mittheilung und er-
klärte dabei, dass Adelheid hier heilige und ehrwürdige Kloster-
brüder, von wo es nur möglich war, vereint habe.*) Otto I.,
sein Sohn und sein Enkel, urkundeten dann für St. Salvator.^)
Der Abt, den Majolus hier einsetzte, hiess Andreas 4); er stand
Odilo von Cluni, der ihm sein Epitaphium der Kaiserin Adel-
heid mit einem Widmungsschreiben übersandte, besonders nahe.
Um dieselbe Zeit erfolgte die Reform von San Apollinare
in Glasse bei Ravenna.^) Wir sind über dieselbe nicht näher
unterrichtet und wissen nur, dass die Abtei in wirtschaftlicher
Hinsicht durch Leihverträge so sehr heruntergekommen war,
dass die Brüder an allem Mangel litten. Otto I. half der Abtei
schliesslich auf, so dass sie im Frühjahr 972 sich wieder in
günstigeren Umständen befand. Damals war das Kloster restau-
rirt^'); in diese Zeit haben wir also die Eingriffe des Abtes
«) HPM XIII, 1 277 ; Jaff6-L. 3764.
*) HPM XIII, 1281 : Ädelkeis , . . saitctosqtie ac venerahiles coenobitas
ündem wndecumque potuit coUigere curavit.
») St. 476 a. 826. 1237.
*) Drei Schenkungsurkunden der Adelheid für St. Salvator v. AprQ
999 nennen zwar den von Adelheid ordinierten Abt Tidebaldus oder
Ildebaldus. Indes sind die Urkunden (Hist. patr. Mon. XIII, 1754) nicht
authentisch.
») Syr. II, c. 28 : Per idem tempus (d. h. quo monast. S. Salvat. refor-
mayit) heaH ApoUinaris coenobium, quod per viginti quatuor stadiorum
gpatium a Ravennate urbe fertur aeposituMj ad beati Benedicti instituit
tramitem ibique sutan ordinavit abbatem.
*) DOI, nr. 410 ▼. 25. Mai 972. Der Erzbischof Honestus sagte: ita in
dissipatiane poaituB fuü, ut eiuadem monasterii coenobite cunctis necesaariis
indigebantj veatris vero tempestatibus Dei favente pietate vestrisque sacris
subsidiis aubvenumtibus ita restawratum nwnc cernitvr, qtw bonis universis
habundat. Allerdings tritt wenig später Romuald in dieses Kloster und
ist mit den Mönchen so unzufrieden, dass er nach drei Jahren die Abtei
verlSsst. Indes ist R. in dieser Hinsicht ein sehr einseitiger Beurteiler,
andererseits wäre ja möglich, dass die Klosterzncht in der That bald
15*
228
von Gluni und die Einsetzang des neuen Leiters von San Apol-
linare zu verlegen. Der Erzbischof Uonestns ging Otto I. und
Otto II. mit der Bitte an, Bischöfen und Aebten fernere Emphy-
teusalverleihungen zu verbieten, sowie die Honorarfordernng
ftir saeramentale Handlungen. Die Herrscher gewährten am
28. Mai 972 die Bitte und verboten ausserdem den weltliehen
Beamten den Zutritt zum Abteibesitz behufs Vornahme beamten-
massiger Handlungen.
In demselben Frühjahr, wie es scheint'), trat Majolus die
Rückreise an. Er wählte diesmal den Weg über den grossen
St. Bernard. Die Passhöhe war bereits erklommen, — es war
etwa der 20. Juli — als Majolus, an den sich zahlreiche
Pilger angeschlossen hatten, bei Orsiöres im Thal der Drance
sich von einer nicht unbedeutenden Maurenhorde bedrängt sah.^)
nachliess. Am 30. Nov. 998 leistete der Abt Petrus dem Erzbischof Ger-
bert einen mit cluniacensischem Brauche und Geiste allerdings wenig ver-
einbaren Obödienzeid (Mitarelli, Ann. Gamaldul. I, app. 147). Trotzdem
glaube ich nicht, bei der genauen Ausdruckweise des Syrus und dem
übereinstimmenden Inhalt der Urk. der Kaiser Otto I. und IL, dass man
an San Apollinare nuovo in Ravenna zu denken hat, eine Abtei, die da-
mals vom Herzog Peter von Ravenna neu gegründet wurde und deren
Abt Andreas am 11. Mai 973 durch den Erzbischof die Weihe erhielt.
Vgl. die Urk. bei Fantuzzi, Monum. Ravenn. I, 178; Serie degli abbat del
monast. etc. a. a. 0. VI, 259.
*) Im Sept 972 ist Majolus bereits wieder heimgekehrt (CHGL II,
1322). Andererseits würde die genaue Interpretation einer Stelle des Syr.
III, c. 10 allerdings auf 973 führen. Danach soll Majolus: Quodam tem-
porCf dum Borna rediret den Tod Ottos I. vorausgesagt haben. Als er
dann in proximo . . . Provinciam reveraus einige Tage in einer Obödienz
weilte, sei die bestätigende Nachricht aus Deutschland gekommen. Das
ist nun nicht gerade wahrscheinlich, wenn man annimmt, Majolus sei im
Sommer 973 auf der Rüchreise gewesen. Ende Juli gerät er in die Ge-
fangenschaft der Sarrazenen ; am 7. Mai ist Otto gestorben. Die Nachricht
von dem Tode desselben würde ihn also erst fast drei Monate später er-
reicht haben, eine Folgerung, die man schwerlich billigen wird. Forner
soll er nach DO II, 51 (Original urk.) am 25. Juli 973 bereits am Hofe
Otto's U. in Aachen gewesen sein!
') Syr. III, c. 1 1 : cum iam cacumina Alpinae praeterissent altitudinis
ad vilkmi usque descenduntj quae prope Dranci fluvii decursum posita
PonS'Uraarii qiwndam vocitari erat aolita; Nalgod. III, c. 22: Trafiscensis
iffitw Alpibus cum Jovini montis declivia sequerentwr; Rod. Glaber Hist.
I, c. 4: in arctissimis Alpium. Vgl. Dümmler, Otto d. Gr. S. 485 note 1.;
Keller, Der Einfall der Sarazenen in die Schweiz a. a. 0. S. 15 note 23 j G.
229
Man hoffte durch die Gefangennahme des heiligen Mannes ein
hohes Lösegeld erpressen zn können, nnd so sehr er darauf be-
stand, dass er selbst arm sei, so hatte er doch zageben müssen,
dass einige reiche Herren unter seiner Botmässigkeit ständen.
Auf tausend Pfund Silber ward er abgeschätzt und ein Bote mit
einem Briefe des Abtes, in welchem er um Auslösung bat, nach
Gluni gesandt. In der Zwischenzeit gelang es der Ehrfurcht
gebietenden Persönlichkeit des Majolus bei seinen Gegnern
Milde und sogar Verehrung hervorzurufen.^) Nach der Bttck-
kehr des Boten erfolgte die Freilassung; den 15. August, Maria
Himmelfahrt, feierte er bereits mit den Seinen.^)
Die Gefangennahme des Majolus durch die Sarrazenen
war die Veranlassung zu ihrer Vertreibung durch den Grafen
Wilhelm von Arles.
n.
Der erste Graf von Arles war Wilhelms Vater Boso IL,
Rotbolds Sohn, der zuerst im Jahre 948 nachweisbar ist und
das Land von König Konrad von Burgund zu Lehen erhielt.^)
Bereits zehn Jahre später überwies er an Majolus die Abtei
Saint-Amand in der Grafschaft Trois-Chateaux am linken Ufer
der unteren Rhone sammt den dazu gehörigen Gütern. In dem
am 13. Sept. 958 ausgestellten Diplom Konrads von Burgund
wurde die Untergebung des Klosters unter Cluni zu dauerndem
Besitz ausdrücklich bestätigt.*) Im Nov. 960 erfolgte die Ver-
briefung von Seiten des französischen Königs.^) Auch in dem
Privileg, in welchem Gregor V. die der Abtei Gluni unterwor-
fenen Klöster und Gellen bestätigt, ist St. Amand mit auf-
geführt.
Bemdt, Das Val d'Anniviers und das Bassin de Sierre in Petermanns
MittheU., Ergänzungsheft 68, S.46.
») Rod. Glab. I, c. 4.
*) Syr. III, c. 40; Naigod III, c. 23. Majohis bittet die hl. Jungfrau bis
zum Tage der Himmelfahrt frei zn sein. Syrus bemerkt, dass bis dahin
noch 24 Tage waren; die Gefangennahme wäre also auf den 21. oder
22. Juli zu setzen. Einen Tag nach dem Gebet lässt ihn Naigod durch
ein Wunder frei werden.
*) Bresslau, Jahrb. Konrads II, 11,21; Papon, Eist. gen6r. de Pro-
vence II, 478.
*) CHCLII, 1052. ß) II, 1067; Migne, Patrol. lat. 137, 779.
230
Zuletzt wird Boso II. bemerkt, wie er mit dem Adel von
Arles im März 965 Gericht hält und im Einverständnis mit
seinen beiden Söhnen Rotbold und Wilhelm, die schon den
Grafentitel führten, der Kirche St. Maria und Victor in Mar-
seille entrissenen Besitz zurückerstattet. 0 Bereits am 20. Aug.
967 oder 968 sass Graf Wilhelm an Stelle des Vaters zu
Gericht und entschied über Güter in der Grafschaft Aix, auf
welche die Marseiller Kirche Anspruch erhob. ^) Er selbst
besass schon vor der Vertreibung der Sarrazenen Güter in den
Grafschaften Fr^jus und Sisteron.^)
Inzwischen sassen die Mauren in Garde-Frainet am Golf
von St. Tropez, wo noch in späterer Zeit ein alter Thurm und
zahlreiche Gräber an ein Schlachtfeld erinnerten.^) Als sie
jetzt nach der Loslösung des Abtes Von Gluni ihren Schlupf-
winkel Garde-Frainet wieder aufsuchten, lauerte Wilhelm ihnen
auf, umzingelte sie, schlug sie und scheuchte den Rest auf einen
unzugänglichen Felsenvorsprung, von dem die Ueberlebenden
in die Tiefe stürzten, als sie jeder Hoffnung beraubt, zur Nacht-
zeit die Rettung versuchten. Einige wenige, die dem Verderben
entgangen waren, empfingen die Taufe. Majolus war nicht
zugegen; ihm schrieb man aber nicht zum wenigsten das Ver-
dienst zu, dass die Strasse nach Italien fUrder frei blieb.^)
Eine Folge der allmählichen Verjagung der muhame-
danischen Piraten war nun sicherlich der Gewinn der Insel
Ldrins zwischen Nizza und Fr^jus fUr Gluni. Hier standen
ursprünglich zwei Klöster, eines für Nonnen, eines für Mönche,
aus denen die Sarrazenen die frommen Bewohner vertrieben
hatten. Als dann unter Konrad dem Friedlichen die Provence
wieder einige Ruhe hatte, vereinigte der König von Burgund
^) 6u6rard, Cartul. de St. Victor de Marseille I, nr. 20, p. 40; bei
Ruffi, Hist. des comtes de Prov., Aix 1H55, p. 48 fälschlich 934 datiert.
*) Carl de St. Victor I, nr. 290.
8) I, nr. 598.
*) Bouche, Essai sur l'hist. de Provence I, 242.
«) Syr. III, c. 6 u. 7 ; Odil. V. Majoli, Bibl. Clan. col. 289; Rod. Glab. I,
c. 4, § 9. Vgl. die merkwürdigen Nachrichten der V. Bobonis Viquer. in
den Acta SS. Mai. V, 187 ff., welche das Verdienst, die Sarrazenen aus
Garde-Frainet yertrieben und teilweise getauft zu haben, dem hl. Bobo
zuschreibt, einem sonst ganz unbekannten Heiligen.
231
beide Abteien, L^rins und Arlne, die er wiederherstellte, mit
Montmajour. Aber die Buhe währte nur kurze Zeit Auch
die Vertreibung der Mauren befreite die Bewohner der Insel
nicht von ihren räuberischen Anfällen. Kurze Zeit nach dem
Siege Wilhelms von Arles sollen Abt und Mönche noch einmal
ihre Opfer geworden sein.^) Indes nur wenige Jahre später,
am 22. April 978 gewährte Papst Benedict VII. dem Majolns
beide Abteien auf seine Bitten zu vollem Besitz, und weil sie
bisher unter der Herrschaft und dem Schutze des römischen
Stuhles gestanden hatten, so bedang sich der Papst einen jähr-
lichen Zins von ftinf Solidi aus.^)
Auch sonst scheint die That Wilhelms ftlr Majolus nicht
ohne günstige Folgen gewesen zu sein. Jedenfalls kam er
jetzt wieder in den Besitz eines Theiles seines Erbes, das er
vor seinem Weggange nach Mäcon eingebttsst hatte. Dass er
Wilhelm von Arles dasselbe überliess^), scheint anzudeuten,
wie sehr er in ihm seinen Retter und Rächer verehrte. Ueber-
haupt erlangte jetzt das Geschlecht der Grafen von Arles eine
ganz andere Stellung, als früher. Das den Mauren abge-
nommene Land ging durch königliche Verleihung in den that-
sächlichen Besitz dieses Hauses über^), und ob den früheren Eigen-
tümern das verlorene Land zurückerstattet werden solle, sehen
wir schliesslich von dem Entscheid der gräflichen Familie ab-
hängen.^) Aber auch andere Titel bezeichneten die Erhöhung
der Macht Wilhelms von Arles. In den siebziger Jahren nennt
er sich zwar noch Graf der Provence«), 979 aber schon Mark-
graf der Provinz von Arles ^), nach 990 Fürst der gesammten
0 AUiez, Hist. du monastere de L^rins, Paris 1862, ü, c. XI,
p. 38 ff.
>) ürk. Benedicts HF IX, 245; Jaff6 L. 3796. Barralis, Chronologia
sanctorum et aliorum yirorum ac abbatum s. insulae Lerin. Lyon 1613,
S. 389 hält die Urkunde für unecht , weil das von ihm benutzte Docu-
ment das Datum 1015 trug. £r kennt also Majolns überhaupt nicht in
der Reihe der Aebte. Sonst ist die Urkunde nie angefochten worden;
Aldebaldi V. S. Maioli I, c. 3—4.
8) CHCL m, nr. 1837.
«) Bresslau, Konrad IL, II, 28.
6) Vgl. die Urk. Wilhelms, Gallia Christ. I, instr. 82,
•) Z. B. Hist. de Langued'oc V, 138 nr. 115.
•) Cart. de St. Victor U, nr. 1042.
232
Provence, Fttrat und Markgraf der Provence.*) Wohl kurz
nach 992, wo wir ihn mit seiner Gattin Adelaix nnd ihrem
Söhnehen Wilhelm in Gesellschaft eines Majolns in St. Cäsaire
d'Arles finden^), nahm er in Folge einer Krankheit, die ihn in
Avignon befiel und in der Ihm der Abt von Clani beistand, in
diesem Kloster die Kutte^), nachdem er demselben den Hof Valen-
solle, ein Erbgut des Majolus, zurückerstattet hatte.^) Ebenso
überwies er Majolus das Dorf Sarrian^) ; wie sehr er sich einen
Namen in diesen Gegenden über seinen Tod hinaus geschaffen,
beweist am besten, dass er noch im 11. Jahrhundert mit dem
Ehrentitel 'Vater des Vaterlandes^ bedacht wurde. Einer seiner
Nachfolger restituirte noch im Jahre 1037 Erbgut des Majolus
im Bistum Riez, das so lange im Besitz der proven^alischen
Grafen gewesen war, an Cluni mit Einwilligung seiner Ver-
wandten.*)
Wir werden es dem wachsenden Einfluss des Majolus in
diesen Gegenden zuzuschreiben haben, wenn Graf Lambert
von Valence in dem von ihm gegi*Undeten Kloster St. Marceil
de Sauzet Cluniacenser ansiedelte. In der am 27. Juni 985
ausgestellten Urkunde wurde diese Abtei wie Cluni selbst dem
römischen Stuhl gegen einen jährlichen Zins von fttnf Solidi
unterworfen. Den Mönchen wurde aber ganz besonders die
Aufnahme von Gästen, Pilgern und Waisen zur Pflicht ge-
macht.^) Noch im selben Jahre erfolgte die Bestätigung der
Stiftung durch König Konrad von Burgund.^)
*) Gallia Christ. I, instr. 74: Wilhelmi totius Frovinciae prificipis v.
Aug. 991; Ruffi a.a.O. p. 55 und Hist. de Langued^oc V, 153 nr. 130:
Dominus princeps et marchio istiiis Provi7iciae bonae indolis WiUelmus.
>) Vgl. die zuletzt erwähnte Urkunde. Der unterzeichnete Majolus
ist vermutlich unser Abt.
») Odil. V. Mai. a. a. 0. col. 287; Syr. III, c. 18; Nalg. III, c. 25; vergl.
Ruffi p. 55. *) CHOL III, nr. 1837.
*) ib. IV, nr. 2866: SarrianiSj qiuitn Wilelmus quandatn chix Provi7itiae
pater patrie satwtomm Petrl et Pauli et monasterio Cluniensi et loco, in
quo se sepelitn rogavit et beato Maiolo adhtic in carne vhente et vivens
(lelegavit et wionciw donando attribuit.
*) CHOL IV, nr. 2916 und 2917: quandcini terram sandi Maioli ali-
quando hereditateni acte^im r ero pottsessam a nostris antecessoribus.
') CHCL II, nr. 1715; Mabillon, Acta SS. V, 749.
«) CIICL II, nr. 1716.
233
III.
Im Sept. 972 ist Majolns nach seiner Befreiung wieder in
seiner Heimat nachzuweisen.^) Am 7. Mai des folgenden Jahres
starb Kaiser Otto I., dessen Tod der Abt auf der Rückkehr von
Rom bereits vorausgesagt haben soll. Begreiflicherweise lag ihm
viel daran, von dem neuen Herrscher möglichst bald den Besitz
seines Klosters Peterlingen auf deutschem Reichsgebiet verbriefen
zu lassen. Er erschien deshalb im Juli 973 zu Aachen, wo Otto II.
am 25. der Bitte des Majolus willfahrte. 2) Vermutlich wohnte
Majolus während dieses oder des nächstjährigen Aufenthaltes
in Deutschland der Weihe der Kirche Altorf im Elsass bei 3),
die Graf Hugo von Eggisheim gegründet und daselbst ange-
siedelten Mönchen übergeben hatte. Denn es ist anzunehmen,
dass der Abt sich durch das Elsass nach Aachen begab. Auch
im nächsten Jahre soll er am Hof lager des Königs erschienen
sein, als Adelheid und Otto II. ihn nach dem Tode des Papstes
Benedict VI. flir die Papstwürde ins Auge fassten.^) Damals
meinte Majolus, seine Beförderung zum Nachfolger Petri sei
dem Kloster Gluni schädlich, dem römischen Stuhl aber gewiss
nicht förderlich. Auch stiess ihn ab, dass die Curie im höchsten
Grade entsittlicht war. Er sah anscheinend richtig voraus,
dass die Zeit noch nicht da war, dem römischen Adel die
Macht über den hl. Stuhl zu entreissen. Die Erhebung Bene-
dicts VII. deutet daraufhin, dass der Kaiser gar nicht im
Stande war, über die apostolische Würde zu verfügen. •
Für das Ansehen, dessen Majolus auch nach Ottos I. Tode
am deutschen Hofe sich erfreute, ist es bezeichnend, dass er
bei einem innerhalb des Herrscherhauses ausgebrochenen Zwiste
die Rolle des Vermittlers übernahm. Schmeichlerische Höflinge
hatten die Kaiserin Adelheid bei Otto, ihrem Sohne, verleumdet.
») Siehe oben S. 281 n. 1. «) DO II, nr. 51. ») Siehe oben S. 222.
*) V^l. Sackur, Noch einmal die Biographien des Majohis, N. Arch.
XII, 511. Von Schnitze bestritten Forsch z. D. Gesch. XXV, 153 flF. und
N. Arch. XIV, 554 ff. Ich sehe auch nach seinen neuesten Ausführungen
keinen Grnnd, die Nachricht des Syrus zu verwerfen. Wenn Syrus irrig
meint, der Kaiser sei damals in Italien gewesen, so ist das doch kein
.wesentlicher Zug'', mit dessen Ablehnung auch der ganze Bericht fallen
müsste. Dass das Schweigen Odilos gar nichts beweist, habe ich an der
erwähnten Stelle besonders betont.
234
Ihr Frennd, der Nachfolger des Majolus, Odilo von Cluni,
meinte*): Wenn man dem Papiere alles das anvertrante, was
sich damals ereignete, so würde man den Glanz jenes so
grossen Geschlechtes oflfenbar schädigen. Verstimmt durch den
Wechsel der politischen Richtung, der durch Theophanos Ein-
flnss auf den Gemahl eingetreten war, hatte sich Adelheid,
erst nach der Lombardei 2), dann in das väterliche Reich Bar-
gund, namentlich nach Lyon und Vienne, zurückgezogen, wo
ihr Bruder König Konrad und dessen Gemahlin Mathilde ihr
ehrenvollen Empfang bereiteten. Der Kaiser wurde schliesslich
von Reue erfasst — vielleicht wirkten andere Personen auf ihn
ein — und wendete sieh durch Boten an König Konrad und
Abt Majolus mit der Bitte, schleunigst eine Versöhnung mit der
Mutter herbeizuführen. Als Ort der Zusammenkunft bestimmte
er Pavia, wo in der That im December 980 Adelheid und ihr
kaiserlicher Sohn nach längerer Entfremdung sich wieder be-
gegneten.3) Beide warfen sich bei ihrem gegenseitigen Anblick
weinend zu Boden.
Drei Jahre später kam Majolus wiederum nach Italien.
Die unteritalischen Kriege und der Rückzug des Kaisers,
vielleicht auch nur Angelegenheiten seines Klosters Peterlingen,
hatten ihn zu dieser Reise veranlasst In Pavia traf er mit
Adalbert, dem späteren Erzbischof von Prag, und Bischof 6er-
') Epit. Adelh., c. 6, SS. IV, 640.
') Ann. Magdeburg. 978; vgl. Wimmer, Kaiserin Adelheid, Pro-
gramm zum Jaliresbericht Über das neue kgl. Gymnasium. Regensburg
18b9. S. 84.
0 Am 5. Dec. 980 urkundet Otto II. in Pav'ui, DO U, nr. 237. In
einer Urkunde vom 28. Dec. desselben Jahres aus Ravenna wird Adelheid
als Intervenientin bezeichnet, DO U, nr. 288. Eine andere Darstellung giebt
Syr. III, c. 9. Danach hUtte der Abt die Zusammenkunft veranlasst, auf die
Leiden d^r Kaiserin aufmerksam gemacht, welcher der Sohn mit der Aus-
weisung gedroht hatte. Odilo als Freuud der Kaiserin Adelheid ist hier
glaubwürdiger. Die Ann. Magdeburg. SS. XYI, 154 berichten zu 978:
AdcUuiida imperatrix . . . quorundam delatorum indebitas inter sc et filium
discordias setnifiantiiini culpa in Longohardiam est profecta. Die Ann.
Magdeb. haben allein diese Nachricht; eine Bestätigung scheint dieselbe
aber in V. Kaddroe c. 34 zu finden, wo berichtet wird, dass die Kaiserin
auf dem Wege nach Italien Kaddroe nach Erstein bescheiden Hess. Auf
der Heimreise nach Metz starb der Abt, der nicht zu lange nach 975 ge-
storben sein kann. Vgl. oben S. 185.
235
hftrd von Toni, der dem Abte von Glnni überhanpt sehr nahe
stand, znsammen.^) Der von Otto in Verona abgehaltenen
Reichsyersammlang, die er berufen hatte, um naeh der Nieder-
lage von Cotrone die Stände des Reiches zu hören, wohnte auch
Majolas bei. Auch er gab seine Stimme ab, er riet entschieden,
Yon den italischen Kämpfen abzustehen: die geschäftige Legende
lässt ihn dem Kaiser sogar den Tod voraussagen, wenn er
nicht folge und nach Rom zurückgehe^) Zugleich liess sich
der Abt von Otto am 15. Juni ein Privileg über die elsässischen
Besitzungen von Peterlingen ausstellen^), welches den Abt allein
bereehtigte, auf diesen weltliche Abgaben einzuziehen. Damals
erfreute er sich der Fürsprache der beiden königlichen Frauen.
Auf dem Veroneser Reichstage erschien auch der junge Adal-
bert. Von Verona zog der Kaiser nach Ravenna^); er scheint
hier eine Synode abgehalten zu haben, der auch Majolus bei-
wohnte.
In dasselbe Jahr^) gehört nämlich aller Wahrscheinlichkeit
nach die Wirksamkeit des Majolus in der St. Johannesabtei in
Parma. Bischof Siegfried hatte dieselbe gegründet und einem
gewissen Johannes anvertraut, dei: in Parma geboren, dann
*) VitÄ Gerardi episc. Tul. c. 6; V. Adalberti c. 8; vgl. Gfrörer, Kirchen-
ge8ch.III, 1408; N. Arch. XII, 512 n. 1.
«) Syr. III, c. 10.
>) DO II, nr. 307, p. 864; St. 854; Hidber, Schweizer Urkandenreg.
nr. 1126. *) St. 860. 861.
^) Das Jabr 988 ergiebt sich mit Notwendigkeit aus folgender Be-
rechnung. Wir wissen einmal, aus Vita Job. Farm. c. 22, dass der erste
Abt Johannes z. Z. Ottos IL Abt war, also jedenfalls spätestens 983. Nun
war er 7 Jahre im Amte. Nachfolger war ein Mönch yon St. Peter ciel
d'oro in Pavia. Dieses Kloster wurde nun erst 987 durch Majolus aus
diesem Verfall wiederhergestellt. Vor dieser Zeit ist also der Nachfolger
des Johannes schwerlich in Parma Abt geworden; es ist im Gegenteil
anzunehmen, dass gerade die 987 durch Majolus erfolgte Reform von St. Peter
yeranlasste, den Nachfolger aus dieser Abtei zu wählen. Während also ein-
mal Johannes spätestens 983 Abt wird, ist er es frühestens 980 geworden.
Da nun Bischof Siegfried y. Parma erst 981 sein Amt erlangt, so kann
der Aufenthalt des Miyolus in Parma nur auf der Reise von 983 erfolgt
sein. Damit stimmt die Erwähnung der Ravennater Synode vortrefflich,
indem Otto II. von Verona, wo wir Majolus bei ihm finden, nach Ravenna
zog. Auch Aff6, Storia deila citta di Parma, 1792 I, 254 entschied sich
mit Mabilion für 983. Ganz falsch lässt Bordonius, Thesaurus S. eccl.
Parm. ortns etc., Parmae 1671 p. 231, Johannes 972 sterben.
286
CanoDicns daselbst geworden und sechsmal nach Jerusalem
gepilgert war, wo er zuletzt das Mönchskleid angelegt hatte.
Nach seiner Kttckkehr fand er in dem Bischöfe einen Gönner,
der ihn der neuen Stiftung vorsetzte.*) Mit gltthendem Eifer
sorgte er für sein Kloster und liess auf einer Synode von
Ravenna die freie Abtwahl und die Abstellung jeglicher simo-
nistischer Misbräuche durch ein Beeret verbriefen, das, wie ans
ausdrücklich versichert wird, auch Majolus von Cluni unter-
zeichnete.^) Der Rat desselben unterstützte ihn in mannig-
fachen klösterlichen Einrichtungen. Als Abt zog Johannes
jährlich nach Rom, starb aber bereits, nachdem er wenig mehr
als sieben Jahre die Abtei geleitet, am 22. Mai, wahrscheinlich
990. Sein Nachfolger war ein Mönch des Paveser Klosters
St. Peter Ciel d'oro, der ebenfalls den Namen Johannes trug.^)
Im Jahre 987 war Majolus zum letzten Mal jenseits der
Alpen. Er weilte in Locedia im St. Michaelskloster, wo er den
jungen Wilhelm von Volpiano kennen lernte*), von dem weiter
unten noch sehr ausführlich zu berichten ist; von dort begab
er sich wahrscheinlich nach Pavia, reiste nach Rom, wo er
mit dem Papste über die. Reform von Ciel d'oro verhandelte
und kehrte, wie anzunehmen, über Pavia nach Locedia zurück,
von wo er Wilhelm mit nach Cluni nahm.
Damals war die Paveser Abtei, in der wir bereits Odo
von Cluni thätig fanden, arg veifallen. Die Gebäude lagen dar-
nieder, Majolus musste sie von Grund aus wiederherstellen.*)
1) Vita Johannis Farm. c. 1—4. 9. 14. 22, Mabillon, Acta SS. V,
p. 718 flf.
*) V. Job. c. 4: Qtwd decretuni etiam sanctissimo viro Maiolo ad con-
firmandum tradiditj cuiiis quidetn mellifluis admonitionibiis in praedieto
coenobio niulta ad coenohialetn 'usum apta constituit. Es ist DatUrlich an-
zunehmen, dass Majolus eben das Beeret auf der Ravennater Synode
unterzeichnete.
^) Von den Kaiser-Urkunden des Klosters ist nur eine bekannt, eine
solche Konrads IL vom 24. Mai 1037, St. 2091.
*) Rudolf! V. S. Wilhelmi c. 9 ; Chron. S. Benigni Divion. ed. Bon-
gaud et Garnier, Dijon 1875, p. 131. Ueber die Berechnung des Jahres
vgl. Mabillon, Ann. Bened. IV, 40 und den Abschnitt über Wilh. v. Dijon.
*) Nalg. V. S. Mai. ni, c. 22 : Monasterium , qtiod mdgo Cella awrea
dicitur et coUap^um paene fuerat in niinani, restauravit ad ungiiem;
Anon. V. Maioli c. 18, Bibl. Clun. col. 1775: illud antiqui decotis et am-
237
Sein Anteil an der Ernennung eines gewissen Azzo zum Abt
von St. Peter und dessen Weihe durch Papst Johann XV. wird
hervorgehoben. Dieser wandte sich alsbald am 2. April 987
in einem Schreiben an den Bischof Wido I. von Pavia, worin
er ihn von der Reform benachrichtigte und warnte, dem neuen
Abte Beschwerden zu bereiten. St. Peter blieb weiter in den
engsten Beziehungen zu Cluni; in den Jahren 998*) und 10122)
intervenierte Abt Odilo für das Paveser Kloster bei Otto III.
und Heinrich IL
So hatte Majolus durch den Erwerb der Kirche der hl. Maria
und anderer Grnndstücke in der Nähe von Pavia, durch die Re-
formen der Klöster St. Salvator und St. Peter Ciel d'oro der cluni-
aeensischen Reform in Pavia einen festen Stützpunkt geschaffen;
es ist bezeichnend fttr seine Stellung zum deutschen Kaiserhause
dass gerade in der alten lombardischen Krönungsstadt, dem
Hauptorte Oberitaliens, in dem die Ottonen so häufig weilten,
mit ihrer Hülfe die französische Reform eine reiche Thätigkeit
entfalten konnte. Man ermisst, wie hoch die Herrscher die
reformatorischen Bemühungen und Absichten schätzten, da sie
keine Gelegenheit vorüberliessen, sie in ihrer Hauptstadt zu
fördern. Es war dies um so wichtiger, als Pavia zur Zeit eine
sehr volkreiche und von Kaufleuten aller Länder besuchte
Stadt war, die schon den Zeitgenossen mit Tyrus und Sydon
pliatae apeciositatis monasteHumj nomine CeHa-aureaj ejus congaudet me-
liorari patemitatis gratia. Diese Nachricht fehlt bei Syrus und Odilo
Yoliständig. Bestätigt wird sie durch die Urkunde Johanns XV, HPM
Xm, 1461: giiia, lU audivim\i8y monaaterium S. Petrij quod Coelum aureum
nuncupatuTj a beati Liutprandi regis tempore, quod id ah eo constructum
est, regulam S, Benedicti non tarn provide ibi coluerunt nwnachij nee offi-
eina monasterii tarn egregle conatructa fiierunt, quam nunc sunt per patrem
Azonem, quem manibus consecravirniis nostris ordinante tarn apud nos,
quam apud imperatore sanctismnioque viro Maiolo abbate. Im Auszuge
bei Robolini, Notizie appartenenti alla storia della sua patria, Pavia 1 823, II, S 1 .
>) HPM XIII, 1660: necnon et probatissimi ac reverentissimi abbatis
Odüi postulationibua.
•) Robolini II, 296, Urk. Heinrichs II. v. 1012: quod noa interventu
ac petitione domini Odelonia venerabilis abbatis per hanc nostri praecepti
pagifiam firmavimus et corrohoramus monasterio sancti Fetri, qui vocatw
Coehim aureum.
238
vergleichbar schien, i) Der Abt, der mit seinem Gefolge so ofk
die Strassen Italiens durchzog, den man so häufig in der
Umgebung des Kaisers bemerkte, der in so manchen Klöstern
— sicher öfker, als wir heute wissen — Spuren seiner Thätigkeit
zurttckliess, wurde natürlich zu einer allgemein bekannten
Persönlichkeit, um welche die Menge sich drängte, deren
Anwesenheit der Bevölkerung wie durch ein Lauffeuer be-
kannt wurde, die man aufsuchte, um ihre Wunderkraft zu
erproben.
>) Anon. Silviniac. V. S. Maioli (Bibl. Clun. col. 1775) c. 18: Quae
multiplicibus populortirn refei-ta turbis, nobilium et divermrum ma-cium
speciebus insiyniSf quasi quaedam Tyrus et Sydon videtur remansissCf
quibtis complacet ad »ui mercimonii comparationem et vefulitionem venire.
Fünftes Capitel.
Reformen im Herzogtum Burgund und in
Francien.
L Majolus von Cluni.
So lange die Karolinger auf dem französischen Throne
Sassen, haben sie zwar Urkunden für Klöster aasgestellt, ihre
Rechte nnd Besitzungen verbrieft, auch hier und da Land-
Schenkungen gemacht und unaufhörlich in ihren Diplomen
wiederholt, wie nützlich die Unterstützung heiliger Orte für das
ewige Seelenheil und dass es eine königliche Pflicht sei, die Bitten
der Priester und Knechte Gottes zu erfüllen ^) : aber für die Re-
form, die Wiederbelebung verfallener Stifter und die Einführung
klösterlicher Zucht in entartete Abteien haben sie doch nichts
gethan. Ihre Verleihungen von Münzrecht, Zöllen und andern
Regalien stehen doch auf keiner andern Stufe, als die Ver-
schleuderung von Kronrechten und königlicher Domänen an
die Laien. Sie wurzelten zu tief in den Traditionen ihrer Zeit
und ihres Hauses, in welchem die Verleihung von Abteien nach
Benefizialrecht Gewohnheit geworden war, und konnten um
so weniger eine andere kirchliche Politik einschlagen, als sie
im Kampfe um ihre Existenz, bei dem Schwinden ihres Hans-
gutes^), weder auf die Vergabung klösterlichen Besitzes ver-
zichten, noch aber den bereits verliehenen oder entrissenen
wieder einziehen konnten. Dazu befanden sich die ange-
sehensten Abteien Franciens, St. Denis, St Germain -des -Pros,
») Vgl. HF IX, 611. 643.
*) Vgl. Stein, Gesch. des franz. Strafrechts und Prozesses S. 38;
Luchaire, Institations politiques de la France I, 19.
240
St. Martin in Tours und Mannontier schon lange nicht mehr
in ihrem Besitz.^) So kam es, dass man den Sturz des Ge-
schlechts dem Umstände zuschrieb, dass es „schon lange Gottes
Gnade vernachlässigend die Kirchen mehr herunter als herauf-
zubringen schien ".2)
Dagegen hatten sich die Robertiner schon früh kirchlichen
Tendenzen zugewandt. Hugo der Grosse bedachte als Laien-
abt von St. Martin seine Abtei des öfteren 3); er urkundete
für St. Julien in Tours*) und ist jedenfalls früh bereits mit
Abt Odo in Berührung gekommen, mit dem er zusammen an
der Reform von Fleury hervorragend beteiligt ist.*) An ihn
war die Aufforderung Leos VIL gerichtet: die Zugänge zum
Kloster St. Martin besser zu wahren, jene Aufforderung, die der
Abt von Cluni 938 in Rom veranlasste.^) Dann erscheint
Hugo öfter in Urkunden der Karolinger als Fürsprecher für
Klöster, namentlich auch für Cluni.'') Er gründete die Abtei
des hl. Maglorius in Paris, siedelte Benedictinermönche an und
beschenkte das Stift. ^) Sein Sohn Hugo wandelte in denselben
Bahnen. Er sprach einmal sehr ausführlich sein Vertrauen
auf die Hülfe der Heiligen aus, nicht nur im Himmel, sondern
schon auf Erden.») Als er dann gewählt war, hauptsächlich
durch die Bischöfe Franciens, bestätigte er alle Freiheiten und
Privilegien der Kirchen.*®) Ademar nennt ihn den gnädigsten
Beschützer der Kirche, den Freund der Kirche und gerechtesten
Mann.'*) Ob es wahr ist oder nicht, jedenfalls bezeichnet es
doch die Anschauung, die man von ihm hatte, wenn es heisst,
er habe auf dem Todtenbette seinen Sohn Robert ganz be-
sonders auf die Pflege des hl. Benedict hingewiesen. ^2)
^) Pfister, Etudes sur Robert le Pienx p. 103.
*) Ademari Hist. III, c. 30: Nam ob hanc causam creditur progenies
Caroli reprohata , quia iam diu tieglegeiis Dei gratianij ecclesiarum potiiis
negledrix quam erectrix videbatur. *) HF IX, 719. 720.
*) ib. IX, 722. S. oben S. 93. *) S. oben S. S9. «) S. oben S. 106.
T) HF IX, 584. 585. 598. 601. 602. .
«) Helgaudi V. Roberti c. 4, HFX, p. 104; bestätigt wird dies durch
eine Urkunde Philipps I, wo Hugo Magnus genannt wird, den aber Luchaire
II, 90 n. 1 irrig mit Hugo Capet identificiert. ») HF IX, 733 v. 975.
*o) ib. X, 548. ") Adern. Hist. IH, c. 80. 31.
1^) Helgaudi V. Roberti c. 4, a. a. 0. p. 105. Auch Hugos Frau Adel-
heid stiftete mehrere Klöster und stickte und webte kostbare Caseln and
241
So sehen wir das Haus schon früh dem Mönchsstande
geneigt^) Nachdem die Robertiner erst im Gegensatz gegen
das alte Regime der Fendalwirtschaft in die Höhe gekommen,
massten sie auf ihrer Bahn fortschreiten und durften nicht
etwa in den alten Fehler verfallen, die kirchlichen Anstalten
dynastischen Zwecken zn opfern.^) Freilich ergriffen zunächst
nur die grossen Vasallen die Initiative zur Reform; aber die
Fürsten wurden doch allmählich dafilr interessiert und schliess-
lich ganz und gar gewonnen.
Bnrgünd.
Schon früh fasste die Reform im Herzogtum Burgnnd
festen Fuss und zwar zuerst in der Grafschaft Ghalon s. S.
Hier hatte sich Lambert 3), der Sohn des Vicegrafen Robert und
seiner Gemahlin Ingeltmd, mit GenehmigUDg des Königs und
der grossen Vasallen zum ersten Grafen erhoben. Als er nun
dankbar gegen Gott für die ihm gewordenen Erfolge einen
Klosterbau plante, wandte er sich an den Abt Majolns von
Glnni und lud ihn ein, das Unternehmen zu fördern. Der Abt
erschien auch und suchte den geeigneten Ort aus. Alsbald
wurde der Bau der Abtei in waldreichem Tale, an einem Orte,
der später Paray hiess, im Jahre 978 begonnen. Man sah es
als eine besondere Gunst Gottes an, dass man unverhofft Kalk
und Steinmaterial in der Nähe fand. Im Jahre 977 fand be-
reits die Weihe der Kirche mit grossem Pomp unter Zulauf
von Clerikem, Mönchen und Laien durch drei Bischöfe statt.
Graf Lambert gewährte reiche Geschenke und stattete den
Ort mit Landgut aus. Natürlich kamen Mönche ans Cluni.
Kurze Zeit darauf starb der Graf, am 22. Febr. 978, und wurde
auf seinen Wunsch in dem neuen Kloster beerdigt, lieber die
ersten Jahre des Bestehens sind wir nicht unterrichtet Wir
Cappen den hl. hl. Martin und Dionysius, den Patronen der französischen
Krone. (Helgaudi V. Rob. a. a. 0.).
^) Luchaire II, 82 : Eüe avait combU les moines de Privileges et de
donations et ne devait jamais cesser de lewr en prodiguer.
>) Vgl. Luchaire U, 87.
^ Das folgende ist aus der fragmentarisch erhaltenen Chronik von
Paray-le-Monial aus dem XL Jahrhundert geschöpft, die in der Beilage
excerpiert ist.
Saeknr, GlnnlMenser, I. \Q
242
wissen nicht, ob Majolns schon damals einen Abt einsetzte
oder nicht. Jedenfalls war anfänglich eine von Cluni unab-
hängige Existenz der Abtei in Aussicht genommen. Unter
Odilo änderte sich das; wir werden sehen, wie Cluni auch
nach diesem Stift seine Hände ausstreckte. Auch Lamberts
Nachfolger schenkten Paray, sowie den Cluniacensern selbst
ihre Gunst. Graf Hugo verzichtete einmal auf gewisse For-
derungen, als der Prior Vivian von Cluni von Lambert und
ihm zurückgehaltene Güter einklagte.^) Seine Mutter hatte
nach dem Tode des Gemahls dem Grafen Gaufred von Anjou
die Hand gereicht. Er trat in Lamberts Fusstapfen, indem er
— ungewiss wann — die Abtei St. Marcell in Chalon Abt
Majolus übergab, um die klösterliche Zucht, die hier fast ganz
geschwunden war, zu erneuern. Die Hauptsache war, dass sie
die Mönche von Cluni für die Ewigkeit in ihrem Besitz haben
sollten.^)
Auch das Ansehen und die Verehrung des Bischofs von
Chalon, nicht nur des Grafengeschlechts, genoss Majolus: am
30. Nov. 980 bestätigte Bischof Rodulf die Schenkung eines
Archidiacons an Cluni 3): , zumal wir den Ruhm, den der Herr
selbst dem grossen Manne verliehen, mit den Ohren hören und
mit den eigenen Augen täglich wahrnehmen, indem wir nichts
unterlassen, ihm Verehrung zu zollen. Denn wie ein Stern ist
jener wahrhaftig zur Zeit über Gallien aufgegangen, unsem
Jahrhunderten zur Bewunderung und allen, womöglich, ein
ein Vorbild. "" Ein glänzender Beweis für den mächtigen Ein-
druck, den die Thätigkeit und die Persönlichkeit des Abtes in
diesen Gegenden gemacht hat.
Kein Wunder, dass auch andere Machthaber im Herzogtum
Burgund, Fürsten und Bischöfe, die Reformideen zu begünstigen
begannen. Da war in erster Reihe Herzog Heinrich, Hugos
des Grossen Sohn, der bei seinen Unterthanen das Andenken
eines guten, namentlich milden und der Kirche ergebenen
Mannes hinterlassen hat.^) Als Majolus einst in seine Gebiete
*) CHOL IIT, 1794.
«) Urkunde Thetbalds von Chalon bei Mabülon, A. SS. V, 750.
s) CHCL n, 1537.
*) Chron. de Saint-B^nigne ed. Bougaud p. 185: hie fuit contptiis
bonis morilmSf preciptie mansuetudinet vir ecclesidsticus.
243
kam, knüpfte der Herzog Beziehnngen an nnd bat ihn, die
Abtei St. Germain d'Anxerre, zn reformieren. Sicherlieh fand
der Abt eine Stütze an Heinrichg Brader, Bischof TIeribert von
Auxerre, der, so sehr er im Weltleben stand, doch auf Wieder-
herstellnng der alten kirchlichen nnd klösterlichen Traditionen
hielt Majolns leitete die Abtei nicht selbst; er setzte im Jahre
989 den Mönch Helderich als Abt ein, offenbar denselben
Italiener, der ihn früher mit Otto I. bekannt gemacht hatte.^)
Im Jahre 1002 nahm der König unter Bestätigung der alten
Rechte nnd Besitzungen das Kloster in seinen Schutz, gewährte
Immunität von weltlicher und geistlicher Gewalt und freie
Abtwahl.2)
Inzwischen reformierte Helderich in der Umgegend weiter.
Da Heribert seine Freude an ihm hatte, überwies er ihm
eine grosse Anzahl Kirchen, und Heinrichs Gemahlin Gersindis
liess das Kloster des hl. Leodegar in Champelles von ihm
wieder in Stand setzen. Zwei Jahre hatte er es. Als aber
bei der Verkommenheit desselben die Mittel nicht ausreichten,
um es selbständig zn erhalten, bewirkte er bei dem Herzog
die gänzliche Vereinigung mit St. Germain. In der Abtei
St Leodegar schalteten fortan acht Mönche unter dem Abt des
Klosters von Auxerre.^) Ein gewisses Bemühen zn arrondieren
ist auch bei diesen Achten zu bemerken : zwei Abteien, welche
zuletzt Wilhelm von Dijon unter seiner Herrschaft hatte, gelang
es Helderich in seinen Besitz zu bringen, Verzy, das früher
schon St Germain gehört hatte und von Herzog Heinrich Abt
Wilhelm übergeben worden war^) und Reoman, aus welchem
derselbe, wie wir noch sehen werden, der feindlichen Stellung
wegen, die er in den burgundischen Kämpfen König Robert
gegenüber einnahm, weichen musste.^)
') Gesta episc. Autissiodor. c. 47, Dura I, 382 ff.; Gesta abb. S. Ger-
mani Autissiod. c. 1.
s) QuantiD, Cartul. g^n^r. de l'Yonne I, p.l60; HF IX, 579.
') Urkunde Hugos und Roberts vom 11. Oct 994 bei Quantin I, 157;
MabUlon, De re dipl. I, 598; vgl. v. Ealckstein, Gapetinger I, 413.
*) Gesta abb. Autissiodor. c. 1 ; vgl. unten.
^) Rod. Glaber II, c. 9; vgl. Mabiilon, Ann. Bened. IV, 195; Roche-
foucauld, Hist. Reomensis, Paris 1637: Antiquus catal. abbatum p. 437 zn
Heldricus: praesidebat anno 1003 et fuit praesidens tribiis monasteriis wno
16*
244
Dem Sprengel Auxerre benachbart ist der von Antnn,
welchem zu Helderichg Zeit Bischof Walter vorstand, ein
Mann von wirklich reformatoriseher Gesinnung. Schon im
Jahre 983, als einige cluniacensische Mönche nach Antun
kamen und um die Zuweisung einer Kirche zur Aufbesserung
ihres Lebensunterhaltes baten, bewilligte er die Bitte im Hin-
blick darauf, dass die Mönchsschaar jenes Klosters noch das
alte Ansehen geniesse und die Pflege der Religion würdig
beobachte.^) Besonders nahe stand ihm das mit der Kirche
Autun eng verknüpfte Kloster Flavigny^), welches bis 992 3)
ein Bruder des Grafen Landrich, Abt Robert, im Besitz hatte.
Damals musste er weichen, ging nach Corbigny, einer von
Flavigny abhängigen Celle, wo er den Abttitel annahm, wäh-
rend der Schüler des Majolus, Helderich, die Leitung seines
bisherigen Klosters ergriff.*) Noch im selben Jahre ging der
neue Abt den Bischof mit der Bitte um Ueberlassung einiger
Kirchenzehnten zum Unterhalt des Abtes und der Mönche an,
und wenig später bemerkte Bisehof Walter, dass ihm die
Congregation von Cluni durch besondere Freundschaftsbande
verbunden sei.^) Namentlich erfreute sich Helderich seines
Wohlwollens, da er dessen Abtei eine grosse Zahl früher
besessener Kirchen und Güter restituirte.*) Auch sonst ver-
stand es der Abt die Rechte von Flavigny zu wahren und
seinen Besitz zu vergrössem.'^)
et eoflem tempore, viddicet sancti Germani Autissiodorensia, Rewnensi et
Flavitiia^ensi.
*) CIICL II, 1628: Igitur quia favente Cunctipofentis maxima mise-
ratione ipatus loci cateit^a antiq\ui adhuc floret nobilitate et cultum sancte
reliffionis digne retincre prospicitur nee nostris ea temporibtts minuan
cupimiis etc.
^) Urkunde Walters iUr Helderich bei Duchesne, Hist. de la maison
de Vergy pr. 44: abbatiae praedictae sime sedi decenter adnixae v. 992;
Urkunde Helmoins bei Mabillon a. a. 0. : Aeditae adnexum est aedi,
^) 992 erscheint Helderich mit seinen Mönchen vor Walter. Cartni.
de Flavigny saec. XVIH Cod. lat. Paris. 17720 fol. 61.
*) Hugo Flavin. SS. VIII, 368; Series abb. Flavln. bei Labbe, Nova
bibl. manuscr. I, 792; Mabillon, Ann. Bened. IV, 113.
») CHOL II, 1947.
«) Necrol Flavin. SS. VIII, 286.
') Vgl. die Urkunde bei Duchesne, Hist. de Vergy p. 44. 45 ; Quantin,
Cartul. de PYonne p. 159.
245
Als Helderich am 19. Januar 1010 ^ starb, folgte ihm in
St Germain der bisherige Prior Achard 2), der das Salvator-
kloster von Nevers erwarb 3), und in Flavigny Amadens,
zweifellos ein cluniacensischer Mönch, der nach seiner Resig-
nation nach Cluni ging. Nach seiner Rückkehr gewann er
dann eine früher seinem Kloster gehörige Obödienz zurück
und machte einige Abteien abhängig, lieber seine weitere
Wirksamkeit wird noch an anderer Stelle zu handeln sein. 4)
Der Einfluss des Abtes von Cluni in diesen Gegenden
ist damit keineswegs erschöpft; wir werden in einem beson-
deren Abschnitt von den Reformen seines Schülers Wilhelm
von Volpiano reden müssen, der im Sprengel von Langres ein
neues Reformcentrum schuf.
Inzwischen hatte aber Majolas auch seine Wirksamkeit
auf die Diöcesen von Tours und Paris d. b. auf das Herzog-
tum Francien ausgedehnt
Francien.
Hier war es zunächst die Touraine, in welche Majo-
1ns seine Mönche abordnete. Nach der Zerstörung durch
die Normanen geriet die Abtei Marmoutier in Laienhände; es
war im Jahre 887, als die Mönche sich vor dem Laienabte
und Grafen Odo niederwarfen und in ihrer schreienden Not
um Hilfe baten; war doch der Ort, wo sie Weihe und Tonsur
empfangen, auf nichts herabgesunken und seiner Besitzungen
beraubt worden.^) Nachher sollen hier Cleriker mit ihren
Gonenbinen ein wenig geistliches Leben geführt haben. Der
') Das Jahr giebt Hugo Flav. SS. VIII, 386 ; das Datum XIV Kai.
Febr.: NecroL Villar. (Beilage IV.); Necrol. Autissiod. b. Lebeuf, Me-
moires II, 247 ; Martyrol. Autissiod. b. MartcDe, Coli. ampl. VI, 087 ; Gcsta
abb. Autissiod.; XIX Kai. Jan. haben Hugo Flav. a. a. 0.; Necrol. Flavin.
SS. VIII, 287.
«) Rod. Glaber II, c. 9.
3) Mabillon, Ann. Bened. IV, 195.
*) Necrol Flavin.: XIV, Kai. April. Aniadem abbas Flaviniacerisis
obiitf qtd Sinemurcnsem f ColcJ^ensemf Beüilocensetn ceüas adijidifivit et
Corbiniacum recuperavit.
^) Urkunde Odos bei Mabiile, Les invasions des Normands, Bibl. de
r^cole des chartes, s^r. VI, 5, p. 175, n. 5.
246
Gedanke einer Reform ging von dem Grafen Odo I.^), von Blois
und Chartres, seinem Bruder, dem Erzbischof Hugo von Bourges,
und ihrer Mutter Letgardis aus.^) Darf man das als sicher
annehmen, so mnss man die Reform spätestens etwa ins Jahr
984 setzen, da Tours um diese Zeit vom Grafen Fulco von
Anjou erobert und erst nach Odos I. Tode von seiner Wittwe
Berta, die inzwischen Robert IL geheiratet hatte, wieder in den
Besitz des Hauses Chai*tres gebracht wurde.') Wie dem nun
sein mag: jedenfalls noch zu Lebzeiten Ludwigs V. war die Wieder-
besiedelnng vollendet, da bereits im Januar 987 der Schüler des
Majolus, Gilbert, Willibert oder Giselbert*) als Abt nachweisbar
ist^) Graf Theobald schenkte den Mönchen am Ende desselben
>) Wir haben ausführliche Beschreibungen der Reform aus dem
XIII. Jahrhundert in dem Liber de restructione Maioris Monasterii bei Sai-
mon p. 358 fif und im Liber de commendatione Tiironicao provinciae, wo
die erste Schrift benutzt ist, a. a. 0. p. 310 ff. Da aber diese späten Quellen
voller Anachronismen und romanhafter Details sind, müssen sie als un-
brauchbar zurückgewiesen werden. Aus einer dieser Schriften stammt
offenbar erst wieder die Notiz bei Albericus Triumfont. SS. XXIII, 778 zu
1005. Falsche Angaben enthält auch die Aufzeichnung über Marmoutier bei
Delisle, Robert de Torigni II, 205. Allein authentische Nachrichten gewährt
eine Urk. des Grafen Stephan v. Blois v. 1096 (Mabille, Cartul. de Mannouticr
pour 1e Dunois, Chateaudun 1879, nr. 92. p. 86): übi comes Odo avus mew et
frater eins Hugo Bituricensis archiepiscopus et eotnim maier humati iacentj et
quod post eversionem a Danis factam exsti^mctum et amotis canonicis facuUatu
biis suis auctum monastico ordini, qui ab initio antiquitus a tempore beati
Marti7iiibi fuerat, restitueruntj ahbatetnque Gnillebertum nomine posiierunt
a sancto Maiolo sibi de Cluniaco datiim. Hugo von Bourges spielt auch
in den späteren Quellen eine Rolle, aus Letgardis wurde aber Ermengardis,
welche als Gattin des Grafen Odo erscheint. Odo U. aber hatte erst eine
Gemahlin Ermengardis. Da Hugo zudem als Sohn des Grafen Odo be-
zeichnet wird, 80 sieht man, welche Verwirrung in den Quellen von
Marmoutier herrscht.
') Es heisst in einer Urkunde bei Mabillon, Ann. Bened. IV, 39 von
987: Odo eiusdem monastetni instructor.
3) Brevis bist. S. Jul. Turon. ed. Salmon p. 228. Die Brev. bist stammt
aus der Mitte des XI. Jahrhunderts und ist wohl die älteste Touroner Quelle.
*) Chron. abb. Maioris monast. ed. Salmon p. 318; Chron. S. Maxen tii
Malleac. 994 ed. Marchegay et Mabille, Chroniques des ^glises d'Anjou
p. 382. Der Brief nr. 8 des Abbo v. Flenry ad G. abbatem , der in der
Anrede coabbas angeredet wird, ist an ihn gerichtet.
^) Coli. Moreau (Bibl. nation.) XIV, fol. 1 : humilis congregatio sancti
Martini Maioris Motiasterii videlicet Guilibertus ahbas et Hunebaldus
247
Jahres Grundbesitz^) Die Wiederbelebung der Abtei rief in
befreundeten Kreisen grosse Freude hervor; der Erzbischof von
Reims sprach in einem von Gerbert geschriebenen und an den
Abt von Marmoutier gerichteten Briefe seinen Glückwunsch
ans.-) Gilbert starb jedoch, wie es scheint, nicht lange darauf;
im Jahre 991 ist bereits sein Nachfolger Berner nachzuweisen.^)
Bisehof Rainald von Paris verlieh in jener Zeit den Mönchen
auf ihre Bitten ein Stttck Land bei der Kirche St. Genovefa,
in der Nähe des damaligen Paris ^); auf sein und seines Vaters,
des Grafen Burchard, Ersuchen gestattete König Robert die
Verleihung eines Königslehens an Marmoutier, das dem Kloster
früher gehört hatte und dann in den Besitz der Herzoge von
Francien gekommen war.^) Unter Bemer, der, wie wir noch
sehen werden, mit widerspänstigen Mönchen zu kämpfen hatte,
scheint die Abtei nicht besonders gediehen zu sein. Sie kam
nachher, in ziemlich dürftigen Verhältnissen befindlich, an den
Abt Gauzbert von St. Julien in Tours, der sie mit andern
Klöstern zusammen leitete.^)
Wenig später erfolgte die Reform von St. Maur-des-Fosses^),
einer Abtei, die im Besitze des robertinischen Hauses war.
Die Initiative ergriff indes nicht der neue König selbst, son-
dern einer seiner Vasallen, Burchard, der am Hofe des Her-
zogs von Francien erzogen und von diesem, als er König ge-
worden, nach dem Tode des Grafen Heimo von Corbeil zum
Grafen von Melun, Corbeil und Paris erhoben worden war.
Er wurde zuerst auf das üppige und regellose Treiben der
decanus etc. Mit dem Datum: Data niaisc Janiiario anno prinio Kludo-
viel regis apud Maim monaaterium. Zudem starb Hugo von Bourges
bereits 987.
>) Coli. Moreau XIV, 22flf. ») Gerberti epist. 189.
^ Coli. Moreau XIV, 170. Tausch zwischen Erzbischof Archembald
von Tours und Abt Berner von Marmoutier: Data nicnse septcmlmo in
civitate Tui-onus anno incam. domin. DCCCCXCI sive anno V. regnante
Hugo (!) rege.
*) CoU. Moreau XVI, 2. ») Coli. Moreau XVI, 70.
*) Brev. bist. S. Jul. p. 22S. 229. Er gründete Burgueil, Maillezais,
St. Peter von Le Maus, über die später zu handeln ist. 1046 führte Graf
Gaufred Martell fünfundzwanzig Mönche von Marmoutier in das von ihm
gegründete Kloster St. Trinitatis in Venddme.
') Für das folgende vgl. V. Burchardi comitis c. 2—8, HF X, 350 flf.
248
Mönche von St. Maar unter Abt Magenard aufmerksam durch
einen Klosterbruder, den sein Gewissen beseh werte; er bat sich
die Abtei behufs der Reform aus und übernahm ihren Schutz
gegen Feinde und Räuber J) Mit Erlaubnis des Königs trat
ßurchard den weiten Weg zu Majolus an, um ihn für die
Wiederherstellung der klösterlichen Zucht zu gewinnen. Die
Antwort war nicht erfreulich ; aber Majolus war ein Mann von
achtzig Jahren und man konnte ihm nicht verdenken, wenn
er meinte: Sie möchten sich doch an die vielen Abteien in
ihrem Reiche wenden, denn ihm und seinen Landsleuten
wäre es beschwerlich, ausländische und fremde Gegenden zu
betreten und die ihren zu verlassen. Es bedurfte mehrfacher,
dringender Bitten, um Majolus zur Annahme zu bewegen. Mit
dem Grafen und einigen der ausgezeichnetsten Mönche kam
er nach Paris; an der Marne stellte Burchard den Mönchen
von St. Maur die Wahl, entweder sich dem Abte von Cluni zu
fügen, oder zu weichen. Nun begann jener die Arbeit ; da die
Mittel der Abtei beschränkt waren, begab er sich im Juni 989
zu Hugo Capet, mit dem er damals zuerst zusammengetroffen
sein dürfte, und erlangte vom Könige, der den Abt freundlich
aufnahm, die Abtretung von Grundbesitz zwischen Marne und
Seine. Hugo forderte dafür, dass von den Mönchen sein, seiner
Gemahlin und seines Sohnes Robert Andenken ewig durch
Gebete gefeiert werde.^) Machdem Majolus einen Leiter, Teuto,
in der reformierten Abtei zurückgelassen, kehrte er nach Hause
zurück. Sowohl im inneren Walten, als durch äussere Er-
höhung des Glanzes seiner Kirche suchte Teuto seine Pflichten
zu erfüllen; er stellte die alten zerfallenen Mauern der Kirche
mit grosser Pracht wieder her und wusste sich die Gunst
Burchards und des Königshauses zu erhalten. Viele Franken
folgten dem frommen Beispiele des Grafen, und König Robert
konnte am 19. April 998 wieder sein Siegel an eine lange
0 Vgl. die ürk. Ilemrichs I. v. 29. Juni 1058 für Wilhelm v. CorbeU
bei Tardif, Monuments histor. p. 169, nr. 272: iam dictiia conies Burchardus
nil aliud ad avo nostro iam dicto Hugone de ipso loco luibuit 7icquc tenuit
nisi tU providentiam atqiw defensionctn advtr»u8 hostes et inimicos sancte
Dei ecclcsie atquc pervasore^ prediorum ipsUis loci haberet.
2) ürk. Hugos V. 20. Juni 989. HF IX, 555.
249
DotationsQrknnde hängen lassen. i) Stand nun Tento etwa bis
zu dieser Zeit unter der Herrschaft Clnnis, so wusste er sich
doch selbständig zu machen, als König Kobert auf den Hat
Burchards ihm zum grossen Leidwesen der Cluniacenser die
selbständige Leitung der Abtei überwies.^) Später muss er
sieh Cluni wieder genähert, sowie den eigenen Mönchen Anlass
zur Unzufriedenheit gegeben haben, denn einmal verweigerten
ihm die Brüder die Wiederaufnahme, als er, wie berichtet wird,
um seinen Gebetsübungen ungestörter obliegen zu können, sich
eine Zeit lang in eine Celle im Gebiet von Keims zurückgezogen
hatte, andrerseits nahm er gerade nach Cluni seine Zuflucht,
wo er noch fünf Jahre lang lebte.
Teutos Nachfolger in St Maur, Theobald, der Sohn jenes
Grafen Heimo, dessen Gemahlin Elisabet Burchard geheiratet
hatte, also der Stiefsohn desselben und Stiefbruder des Bischofs
Rainald von Paris, erfreute sich der Fürsprache dieser nahen
Verwandten beim Könige. Er war ebenfalls ein Schüler des
MajoluB, kam aber nicht aus Cluni, sondern war zuletzt Abt
von Cormery im Sprengel von Tours.^) Diese Abtei, die seit
altersher unter Königsschutz stand 4), war in Verfall geraten
und begann erst in den sechziger und siebziger Jahren des
10. Jahrhunderts sich wieder zu heben.^) Augenscheinlich aber
lässt sich erst unter Theobald eine umfassendere Thätigkeit,
1) HF IX, 574.
') Vita Burch. c. 5 ; Cum piae memoriae Bohertus reXj filitis chis^ reg-
num 8U8cepi88ctf cofisilio et hortatu eidem TctUoni donum abbatiae isdetn rcx
dedit eumque abbatem ordinäre praecepit. Quod cum ad aure8 Cluniacensium
percenisset, valde tristes affecti sunt, quin cupierant sibi ipsum locum ad
ceUam redigere. Die Vorgänge gehöreu also bereits in die Zeit Odilos;
wenn Mabillon die Nachricht verwirft mit dem Hinweis, dass die Clunia-
censer erst später zur Reform tibergebene Klöster in cellae umzuwandeln
pflegten, so werde ich an anderer Stelle die Anfänge dieser Praxis gerade
unter Odilo an einer Reihe von Beispielen nachweisen.
') V. Burchardi, c. 8 — 10: etimqiu: patretn nionachorum fore constituitj
quin et ipse ex Cluniacensibus erat atque sancti patris Maioli i^istitutione
edoctus fucrcU. Er ist also jedenfalls vor 994 von Cluni fortgekommen;
in Cormery ist er sicher am 1. Juni 997 nachzuweisen, Cartul. de Cor-
mery ed. Bourass6 nr. 30.
*) Cartul. de Cormery nr. 32: Idcfn namque locus in speciali regum
dotptitiatu ipsis consistere a7itiquitus vistis erat.
A) CartaL de Cormery nr. 48.
250
den Besitz zu coDSolidieren und zn sehützcD, erkennen. Wir
sehen ihn für die Errichtimg einer Kirche sorgen*) und finden
ihn in freundschaftlichem Verhältnis zn Fulco Nerra, auf dessen
Vermittlung König Kobei-t ihm ein Schutzprivileg ausstellte.^)
Für St. Maur erhielt er am 1. März 1006 ein einzig da-
stehendes Privileg vom Grafen Bnrchard: alle seine Lehnsleute
sollten fUr alle Zukunft ohne Befragung ihrer Herren, seiner
Rechtsnachfolger, Teile ihrer Lehen an das Kloster verschenken
dürfen, ebenso sollten alle Cleriker, Chorherren und Laien
seiner Burg, die Mönche werden wollen, nur in St. Maur die
Kutte nehmen.^) Noch im selben Jahre starb Theobald. Sein
Nachfolger in St. Maur war Hildebert*), während in Cormcry,
das iuzwischen reich an Mitteln und Brttdern geworden war^),
Abt Richard folgte.
Graf Bnrchard, dem beide Klöster ihre Wiederbelebung
verdankten, bewies auch sonst seine Zuneigung zum Mönchs-
staude. Viele Klöster im Frankenreiche beschenkte er; nament-
lich das vom Erzbischof Sewin von Sens gegründete Kloster
St. Feter zu Melun®), dessen Stiftung die Könige zu Compi^gne
am 15. Sept. 991 autorisirt hatten^), erfreute sich seiner Gunst.
Endlich gedachte er ganz dem weltlichen Kriegsdienste zu
entsagen und Christo zu folgen: mit freigebiger Hand legte
er seine Gold- und Silberschätze am Altar des hl. Maurus
nieder und beschloss tief betrauert am 27. Februar, wohl im
Jahre 1012, im Gewände St. Benedicts sein Leben.*»)
^) Cartul. de Cormery nr. 30.
^) Cartul. de Cormery nr. 31 (c. 1000): Idan vero Ftdco comes iam
di4!to abbati et suis moyiachis utpote niaxime rcligiosis niaxinw devuic-
tuff aniore,
3) Tardif, Monum. histor. p. 155. Burchard nennt selbst sein Privileg:
dommi tarn peculiare et maximum , . . . tU tanti talisq^ie doni . .
*) Urk. v. 1006 bei Mabillon, Ann. Bened. IV, 172.
") Cartul. de Cormery nr. 32 (1007): nuixima copiarum et opum dona-
tione ditatum et numerosa Christo famidantinm niotuicJwrum stijmtione
locatum. Später kam das Kloster wieder herunter durch Brand oder Zer-
störung; erst im Jahre 1054 Sept. 13 fand die Weihe der neuen ver-
grösserten Abtei statt; Cartul. de Cormery nr. 35.
«) V. Burch. c. 9.
') ürk. Hugos und Roberts, HF X, 559.
^) y. Burch. c. 11 ff. Man hat neuerdings sein Grab gefunden; vgl.
Salier im Bulletin de la societe bist, du Yendomois XUI (1S74), 317 ff.
251
Nachdem io Marmoatier and SaiDt-Manr-des-Fosses wieder
klösterliches Leben erblttht war, beschloss Hugo Capet selbst
aaeh die Abtei Saint-Denis bei Paris ebenfalls der Glaniaeenser-
reform za unterwerfen. Es war im Jahre 994. Majolas hatte
sich schon seit zwei Jahren i) ans Altersschwäche — er hatte
die achzig überschritten — nach Gluni oder in irgend eines
seiner Filialklöster zarückgezogen und wagte kaum mehr in
die Oeffentlichkeit zu treten, mit Gebeten und Ermahnungen,
mit Lecttlre oder Gedanken an den Tod beschäftigt, als König
Hugo den Abt so heftig drängte, das Kloster des hl. Dionysius
nach der Regel Benedicts einzurichten, dass der Abt nachgab
und, trotzdem er sein Ende nahe flihlte, sich selbst auf den
Weg machte, um die Aufgabe mit Erfolg zu erledigen.^) Er
kam jedoch nicht weit In der Anvergne warf ihn die Krank-
heit aufs Lager, in einer kleinen Celle, die in Sonvigny ent-
standen war, einem Gutshof, den ein gewisser Aymard, der
Ahnherr der Bourbons, schon zu Bernos Zeiten zu freier Ver-
fügung an Gluni geschenkt hatte.'O Hier hauchte er hoch-
bejahrt und viel betrauert, Freitag den 11. Mai 994^) seine
Seele aus. Sein Grab, das er hier in der St. Peterskirche fand,
wurde nicht leer von Besuchern, die herbeigelockt durch die
Wunder, die hier fort und fort geschahen, aus allen Himmels-
gegenden herzuströmten.
>) Syr. III, c. 19: Biennio itaque priusquam obiret; Anon. V. Maiol.,
Bibl. Glun. col. 1784; vgl. Odil. V. Mai., ib. p. 287.
*) Syr. III, c. 19: regis Francomm impellebatur nimia importunitate.
») CHOL I, 217, März 920 (nicht 921, wie Schultze, Forschungen p. 13,
Mabillon nachschreibt); Bibl. Clun. col. 10. Um die Mitte des 10. Jahr-
hunderts steht hier eine Kirche St. Petri, CHOL I, 782 ; dann erklärte Aymo,
Aymards Sohn, die Schenkung für ungültig, erneuerte sie aber wieder
954 (CHOL I, 871). Unrichtig meint Schultze a. a. 0., unter Bemo sei das
„Priorat" Souvigny an Gluni gekommen, ein Ausdruck, der sich erst unter
Ilugo I. findet.
^) Den 1 1 . Mai 994 gewährleisten die Viten ; dazu setzen den Tod ins
Jahr 994: Chron. S. Dionysii (Bibl. de l'^cole des eh. XL, 1879 p. 275) ; Chron.
Strozz. (HF X, 273); Chron. S. Maxentii Malleac.; andere Quellen varüren. 993
haben Sigeb. Chron.; Ann. Laus. SS. XXIV, 780; auf das Jahr 992 führen
Chron. Turon. M. ed. Salmon p. 1 16; Wilh. Godelli Chron. ; Ann. Parch. Ausser-
dem berichten seinen Tod Chron. Dol. 988 (Labbe, Bibl. manuscr. novall, 315);
Ann. Lambertini 995. Den Todestag geben das Martyrologium Hermanns
des Lahmen (Forsch, z. d. Gesch. XXV, 216) falsch II. Jd. Mai; richtig
252
War es dem Abte von Cluni vielleicht nicht beschie-
den, wesentlich in den grossen Fragen der Politik mitzu-
wirken — wiewohl es auch in den dentseh-italieniscben An-
gelegenheiten nicht an Spuren einer derartigen Thätigkeit
fehlt ^) — so wuchs sein Ansehen doch von Jahr zu Jahr
und unter den Fürsten Mitteleuropas waren wohl wenige,
die ihn nicht kennen und schätzen gelernt batten.^) Wel-
chen Kuf er als Führer des französischen MOnchtoms in
weiteren Kreisen genoss, lehrt das bereits angeführte Urteil
des Bischofs von Chalon'); Gerbert, dem Scbolastieus von
Keims, war er der leuchtendste Stern am kirchlichen Himmel.'*)
Als Wilhelm von der Provence sich dem Tode nahe fühlte,
liess er Majolus zu sich bescheiden, weil er glaubte, dass
durch die Verdienste desselben seine Seele vom ewigen Tode
gerettet werden könnte.*) Im Volke erfreute er sich nicht
geringerer Bewunderung und geringeren Ansehens. Wo er
hinkam, in Puy<^), in Avignon^) strOmten die Menschen zu-
sammen, um ihn zu sehen, zu hören, seine wunderthätige Hilfe
zu erbitten.
Majolus ward schon bei Lebzeiten der Wunder gewürdigt
Er selbst wollte zwar nichts davon wissen.^) Er wich den an
ihn sich herandrängenden Menschen aus, so viel er konnte 9);
es wäre ihm wie eitel Rohm- und Prahlsucht vorgekommen,
mit dieser Kraft vor der Menge zu glänzen. Das ist einer
seiner hervorstechendsten Züge; er vermied es durchaus
Lob zu ernten, indem er sich öffentlich hervorthat.*<^) Alles
AufTällige war ihm zuwider. Ihm erschien sogar die lieber-
V. Id. Mai das Necrol. Einsiedl. (Boehmer, Fontes IV, 144; Necrol. Eptem.,
N. Arch. XY, 134; Obit. S. Martialis in Documents bist, concem. la Marche
et Ic Limousin I (18S3), p. 25. Im Martyr. Villar. (Bibl. nat. n. acq. 348) ist
der Todestag so eingetragen: V. Id. Mail. Ipso die pago Claromontetisi
ceyiobio Süviniaco tramitus beatissimi patris Maioli tlieosophi.
") Vgl vor allem Syr. 11, c. 21 ; III, c. 10. S. oben S. 226.
') Vgl. namentlich die Aufzählung in Odil. V. Mai.
^) Vgl. Odil. V. Mai.: et vere erat eo tctn2)ore princeps rdigionis
monusticae. S. oben S. 242.
*) Epist. 95 ed. J. Havet; vgl. weiter unten. ^) Syr. III, c. 18.
«) II, c. 11. ') III, c. 18. «) Vgl. II, c. 13. ») Vgl. III, c. 16.
") II, c. 7: M^ . . . »c laiidandi materiam nemini praeberet; II, c. 9:
ne qua laudandi daretur occasio.
253
treibong der mönchigcben Tendenzen als Heuchelei und Ruhm-
snchtJ) Er wollte weder in der Enthaltsamkeit, noch im
äusseren Anzüge eine erlogene Heiligkeit zur Schau tragen.
Sein Princip war deshalb Masshalten.^) Er nahm die Kegel
schlecht und recht, und machte yon den Licenzen Gebrauch,
die sie verstattete.^) Er trank Wein, aber massig, er fastete
mit Mass.^) Er hielt darauf, das seine Kleidung nicht zu
prächtig, aber doch auch darauf, dass nie nicht zu gering sei.^)
Er verkehrte viel an den Höfen der Fürsten und Vornehmen;
aber er nahm an ihren Tischen, was ihm irgend erlaubt war.®)
Wie er das Lob der Menge verachtete und jedes Aufsehen
scheute, so liebte er die Einsamkeit, das Alleinsein, wo er fem
von den Menschen Gott näher zu kommen hofite*") Auf seinen
Reisen schritt er gewöhnlich allein des Weges, indem er seine
Begleiter vorausschickte.^) An den Rastorten und Herbergen
zog er sich gern zurück, um zerknirscht im Gebet weinend
und schluchzend vor dem Angesicht Gottes zu liegen.^) Wunder-
bar bewegt war er bei seinen Gebeten. Meist schien der Fuss-
boden so von Thränen befeuchtet, als wenn eine Welle darüber
weggegangen wäre.*®)
Majolus war eine jener glänzenden Gestalten, bei denen
Schönheit und Ebenmass des Körpers mit hohen Geisteskräften
in harmonischer Verschmelzung aufzutreten pflegen. Odilo nennt
^) Uy c. 7: sie adulantium lingua vitabatvr, sie merUe iactantia pelle-
hatur; II, c. 8 : Ex his enitn saepius se solent homines vel insolenter iactare
vel indiscrete abicere. Quodrca discretione usuSj inter utnimque incessit
mediuSf ut nee iactantiae argui possit p^riiosis de vestibus, nee simu-
latae sanctitatis de nimitum abiectis et vilibus.
*) II, c. 8 : quoniam quidem mensura ubique est laudabilis. Rebus enim
in Omnibus etiam in bonis est vitium quidquid excesserit modnm.
') II, c. 7 : Begtdari enim praecepto concessis ita utebatur et licitiSf
non ut voluptas aleretu/r, sed tU corporis necessitas brevi sumptu aleretw.
*) II, c. 7: vino utebatur modicOy sie sanctis et moderatis ieiuniis
corpus semper attenuebatur, ") II, c. 8.
') II, c. 8: Nobilium mensis quoties coactus intereratj sie apposita
libabatj ut et superstitionem fugeret et continentiam reservaret;
vgl II, c. 6. ^ II, c. 9.
*) II, c. 9; c. 15: dum . . et caeteris more solito praemissis solus
incederet •) II, c. 9.
") II, c. 9: Plerumque terra ante oculos ita lacrimis videbatur irrigaia
ac si foret unda perfusa.
254
ihn den Schönsten aller Sterblichen,*) Er war beredt; er redete
klar and allen yerständlicb. Seine Stimme war voll Pathos,
seine Redeweise witzig und pointiert, aber korz; dazu sprach
er nur selten.^) Am meisten fesselten ihn theologische Ge-
spräche. Er holte da seine Argumente ans den Evangelien und
apostolischen Briefen, aber suchte seine Gegner weniger durch
sophistische Argumentationen, als freundliche Belehrung zu
überführen: auch hierin vermied er seine Gelehrsamkeit zur
Schau zu tragen.^) Vom Studium der freien Künste^), von der
Beschäftigung mit den antiken Dichtern und Philosophen war
Majolus zur heiligen Schrift zurückgekehrt Als Nacheifrer
Benedicts nahm er die Demut des kleinen Mannes an, verwarf
die dumme Lehre der Philosophen und wandte sich zu der
weisen Torheit Gottes.^) Er wollte schliesslich die Lügen
Virgils weder selbst hören, noch dass andere sie läsen.^) Wenn
er philosopische Schriften oder Bücher weltlichen Inhalts
studierte, so prägte er das Nützliche ein, was aber auf irdische
Dinge ging, das sah er als giftig und tödtlich an.*^) Trotzdem
stand er keinem nach in der Kentnis des Rechtes und der
Philosophie.^) Bei ihm kam alles auf moralische Läuterung
und Belehrung hinaus; mit um so grösserem Eifer studierte er
die canonischen Schriften.^) Die Leetüre war überhaupt seine
Lieblingsbeschäftigung; selbst auf seinen Reisen führte er seine
Bücher mit*^) Wenn Odo auf der Landstrasse Psalmen singend
*) Odil. V. Maioli a. a. 0. col. 284 : omnium mortalium mihi videhatur
pulcherrimtis.
') Syr. II, c. 5 : Sertno eiiis sale conditus, quo rirtutis pondere Weins
et raruSj eo prudenti suaritate habebatnr pretiosus.
■) Vgl. U, c. 5, 8 : et e^niditimiis iactantiam fugere videbetur,
*) I, c. .5.
*) 1, c. 1 3 : induta parvuli humilitatej stulto philosophorum neglecto
dogmcUe, mpientem Dei stultitiam est adoraus.
«) I, c. 14. ') II, c. 4.
®) II, c. 4 : u^ nulli videretur secundua in legum decretia ac phih-
aophicis argumentis.
•) II, c. 3 : Ideo divinorum praeceptorutn phis delectahatur eloqtiiis
qiuim dapivm ditissimis ferctUis; quia ex his et 8uo8 mores componere et
sibi commissos instmebatur docere et corrigere.
***) II, c. 3 : Adeo Uxtioni semper erat dedituSj ut in itinere posiHis libel-
lum saepius gestaret in ntanibus. Itaqtie in equitando reficiebatur animus
legende. Vgl. OdU. V. Mai :. Cum . , noctumo tempore legeretj ut sui moris erat.
255
dahiDSchritt, so sass Majolus in ein Bnch vertieft auf seinem
Pferde.') Neben der alten Stiftsbibliothek hatte er eine private*);
er sorgte aneh für die Vervielfältigung theologischer Codices.*)
Von Odo war Majolus in seinem Charakter merklich unter-
schieden. Trat jener mit der Wucht und Gewalt seiner Worte
gegen die Sünden der Zeit auf, so war dieser eine stille, be-
scheidene, fast schüchterne Natur, welche volle Befriedigung
in theologischer Leetüre und beschaulicher Einsamkeit fand.
Dort ein praktischer für öffentliches Wirken geschaffener Cha-
rakter, hier ein Mann, der die Oeffentlichkeit mied und jedem
Aufsehen abhold war. Dort ein schroffer, mitunter cynischer
Ton, hier mehr massvolle Versöhnlichkeit
Dass Majolus im Inneren seines Klosters die Disciplin
aufrecht erhielt, wird keines besonderen Nachweises bedürfen.
In seinen Strafreden verfuhr er bald nachsichtig, bald hart und
streng; er pflegte die Sünder vor den Ohren der anderen zu
schelten, damit diese mehr Furcht bekämen.^) Unterdessen
wuchs die Zahl der Mönche, die in dichten Schaaren von
verschiedenen Seiten nach Cluni strömten.^) Dieser Seelenfang
gewährte dem Abte die grösste Befriedigung. Er verdankte
solche Erfolge seinem häufigen Aufenthalt an den Höfen der
Fürsten, seinem weitgepriesenen Namen, seiner Persönlichkeit
>) U, c. 8. 9; III, c. 3. 7.
^ Vgl. den Bibliothekscatalog von Gluni aus der Mitte des XII. Jahr-
hunderts bei Delisle, Inventaire des manuscr. du fonds de Cluni p. 337:
1) Volumen bibliothecae antique et plenarie, 2) Volumen secundae biblio-
thecfy que fuit beati Mayoli,
*) Vgl. Serapenm Y, 138; Delisle, Fonds de Gluni p. 44. 388; Cata-
logue of tbe British mnseum, Addit. manuscr. nr. 22820. Es waren
Augustin, Rabanus Maums und Ambrosins, von denen er einzelne Werke
abschreiben liess. lieber Malereien seines Schülers Helderich in einem
Ck>d. des Haimo von Halberstadt (Paris lat. 12302) vgl. Labarte, Hist. des
arts indnstriels II, 127. Ausführlicher wird auf diese Dinge noch in
einem späteren Kapitel über cluniacensische Kunst und Litteratur zurück-
zukommen sein.
*) n, c. 6 : Feccantes vero zdo pii amoria coram omnibus arguebat,
\U eaeteri timorem kaberent Diese und andere Stellen der V. Maioli I,
c. 9; II, c. 3. 5. 6 sind in das Ghron. S. Benigni ed. Bougaud p. 1 31— 133
wörtlich übergegangen und auf Wilhelm von Dijon bezogen worden. Zur
Charakteristik dieses Schülers des Majolus sind sie also nicht ohne wei-
teres zu verwerten.
») n, c. 6.
256
Dass er die dem Tode verfalleneii Seelen dem ewigen Leben
wiedergewann, musste seine Biographen darüber trösten, dass
der gefeierte Mann nicht wirkliche Tote zum Leben erweckt
hat^) Mit der Zahl der Mönche wuchs aber der Besitz der
Abtei. Durchschnittlich zwanzig Erwerbsurkunden kommen
auf das Jahr während der Amtsführung des Majolus, also
mehr als zur Zeit seines Vorgängers.^) Sowohl der Procent-
satz der unbedingten und bedingten Schenkungen, als der der
Kaufverträge ist gestiegen: die Schenkungen von 71V2% ^^f
80^0^); zurückgegangen ist nur die Zahl der Tauschgeschäfte,
nämlich von 17^0 ^^f ^^loy £tber diese waren naturgemäss am
wenigsten geeignet den Besitzstand wirklich zo vermehren.
Bemerkenswert als Beweis fttr eine extensivere BQvnrtschaftung
sind die zahlreichen Pachtverti'äge unter Majolus.^) Nicht weniger
spricht die steigende Zahl der Pfandgeschäfte ^) fttr einen wirt-
schaftlichen Aufschwung. So prägt sich auch hier in den Er-
werbsurkunden Clunis der Gedanke aus, den wir als die Summe
der bisherigen Entwicklang betrachten können: das ideelle
Ansehen der Abtei wie ihre wirtschaftlichen Kräfte waren im
Steigen.
Eben gleichzeitig mit Majolus hatte im Herzogtum Bur-
gund einer seiner Schüler, ein Italiener Wilhelm von Volpiano
zu wirken begonnen. Seiner Thätigkeit wenden wir uns zu-
nächst zu.
1) Vgl. die Auseinandersetzung II, c. 10 u. Odil. V. Mai. Sehr merkwUrdig
ist, wie man in Cluni— und das geht auch, wie bemerkt, aus der Y. Odonis her-
vor — auf sichtbare Wunder keinen Wert legte, trotzdem aber sich be-
mühte, von den Aebten weiche zu berichten, mit Rücksicht auf diejenigen,
welche erst durch Wunder sich von der Heiligkeit eines Mannes tiber-
zeugen Hessen. Es war eine Concession an den naiven Zeitgeist, deren
man sich völlig bewusst war.
*) Unter Aymard nur c. 18.
3) 44Va°/o unbedingte Schenkungen gegen 42'/i°/o; SöVaVo bedingte
gegen 29%.
*) Während unter Odo kein, unter Aymard nur ein Piäcarienvertrag
nachweisbar ist, finden wir unter Majolus nicht weniger als 23.
*) Unter Odo 4; Aymard 4; Majolus 14. Dagegen ist die jährlich
auf Landkauf verwandte Summe ungefähr dieselbe geblieben. Unter Ay-
mard kommen auf 25 Käufe 381 sol. 7 den., unter Majolus auf 90 Käufe
1175 sol. 10 den., d. h. jährlich ca. 31—32 sol.
257
2. Wilhelm von Yolpiano.
Als Otto der Grosse nach seiner Kaiserkrönung in Rom
sich gegen Berengar und Willa wandte, warf sich die KOnigin
in ein Castell auf der Insel San Giuglio im See von Orta, das
Berengar einst dem Bistum Novara entrissen hatte. Gegen sie
richtete der Kaiser zunächst seinen Angriff, während Berengar
mit seinen Mannschaften in San Leo, einer stark befestigten
Felsenburg bei San Marino sich zur Wehr setzte. 0 Während
der Belagerung von San Giuglio ward einem der Dienstmannen
Willas, Robert, nach seinem Besitz bei Ivrea von Volpiano ge-
nannt, der eine vornehme, gottergebene Langobardin Perintia*)
geheiratet hatte, von ihr ein Sohn geboren. Ende Juli 962 ergab
sich die Feste; damals muss es gewesen sein, als die Kaiserin
Adelheid das Kind aus der Taufe hob, während ihr Gemahl,
der es mit der Rechten emporhielt, ihm den Namen Wilhelm
beilegte.^) Der Vater Robert war ein Kriegsmann von Ruf;
oft hatte ihn an der Spitze seiner Mannschaften sein wackeres
Schwert zum Siege geftihrt. In der Lombardei und im übrigen
Italien, sogar in Deutschland und Frankreich pries man weit
und breit seinen Namen.^) Damals war er der Gommandant
der von Otto belagerten Festung, als welcher er seine Vater-
landsliebe und seine Unbestechlichkeit bewies, als der Kaiser
ihn durch Geschenke zu einem Verrate verleiten wollte. Er war
der Sohn Wibos, eines Schwaben, der einst um der Blutrache
•) Vgl Dtimmler, Otto d. Gr. S. 341.
*) So schreibt Wilhelm den Namen in den Briefen an seinen Vater
bei Levis, S. Wilbelmi Opera, Turin 1797, p. 69. 73. Rod. Glaber Vita S.
Wilhelmi c. 1 (Mabillon, Acta SS. VI, 1, 323): Perinza, Ueber ihre Abkunft
und Familie wird an anderer Stelle gehandelt werden.
•) Rod. V. Wilh. c. 2. Der Verfasser bemerkt in der Vorrede : Plura
siquidein a nobis viatty plwrima tarnen a veraciasimis rdatoribua comperta
huitta narrationis infortnabunt aeriem. Neuerdings erschien Ghevallier,
Le vdn^rable Guillaume, abb6 de Saint -Benigne de Dijon, Paris et Dijon
1876, ein erbauliches Buch voll dreister Erfindungen, wissenschaft-
lich vollkommen wertlos, wenn man davon absieht, dass der Autor die
Werke Wilhelms nach der selten gewordenen Ausgabe von Levis von
neuem abdruckt. Ebenso breit als phantasiereich ist Groset-Mouchet, Bist,
de Saint Guillaume, Turin 1859.
*) Brief Wilhelms an Robert bei Levis p. 72: Ensis tuw, qui tot
paimaa tecum ttUit . . . Loquuntur nunc de te Longobardia, Italia, Qulliaj
Qermania . . . Cum dux tu fuisti exercitiMm.
Sftokar, ClanUotnter. I.' 17
258
zu entgehen, seine Heimat verlassen hatte nnd in der Fremde
zn Reichtum nnd Ansehen gelangt warJ)
Eine oder die andere Weissagung liess in den Eltern
Robert und Perintia den Entschluss reifen, ihr Söhnchen, das
schon im zartesten Kindesalter sich vor den Altersgenossen
auszeichnete, Gott zu weihen. Mit sieben Jahren etwa kam
Wilhelm in das Michaelskloster von Locedia^), das dem Bischöfe
von Vercelli untergeben war, und setzte bald seine Lehrer durch
seinen Scharfsinn und seine schnelle Auffassungsgabe in Er-
staunen. Schon früh war er ein begeisterter Anhänger des
Klosterlebens, ein schwärmerischer Sohn der Kirche; zu seinen
idealen Führern hatte er den Engelsfttrsten , den Erzengel
Michael, und die Himmelskönigin und Herrin Maria erkoren.^)
Nachdem er in Vercelli und Pavia grammatische Studien
getrieben, ward er Scholasticus in der Abtei, die ihn erzogen,
und Leiter des göttlichen Dienstes. Er bekam auch die Kanzlei
und die gesammte Verwaltung, die Sorge fttr die rituellen Ge-
räte nnd die Entscheidung über äussere und innere Dinge in
die Hände. Er war noeh in Locedia, als er seine Mutter
Perintia durch den Tod*) verlor; der Brief, in dem er den
*) Rod. V. Wilh. c. 2. üeber die Macht des Hauses vgl. c. 9: specio-
sitas caimalium fratrum seu vici ac latifundia atque casteUa eorumy quae
perplura erant ... An anderer Stelle wird ausfuhrlicher von Wilhelms
Familie, namentlich seinen Brüdern die Rede sein. Die Stelle der Vita
c. 2 : ob inimicitiarum ultionetn über die Geltung der Blutrache wird durch
eine Urkunde des Abtes Richard v. St. Vannes, Gallia Christ. XIII, 560
gut illustriert, wo erzählt wird, dass nach einem in Baileu vertibten Mord
qiiamplurimi hac et illuc dispersi suntj sicut contingere aaepius
8 ölet qiiampluriniis mortalibu8. Ein gewisser Hervardns musste
mit seiner Familie fliehen: qnoniam de illormn, qui hominem occiderantj
fxierat parentela.
*) Ueber diese Abtei vgl. Augustinus ab Ecclesia, Pedemont. reg.
chronolog. hist., Turin 1646, p. 287; dass W. mit 7 Jahren Mönch wurde,
sagt Rod. Gl., er selbst in Epist 2 ad patrem : piter %nffre88m sum in hac
militia.
*) Epist. 2 ad patrem a. a. 0. p. 73 : et ducem meae consolatianis ange-
lorum omnium principxim sanctum Michaelem archangelum et coelorum re-
ginam Mariam habeo dominam.
0 Ihr Todestag ist der Kai. Nov.j Necrol. S. Benign! bei Montfancon,
Manuscr. bibl. II, 11 60 ff.: Obiit Perenza nostra amica, maier dxnmni W
abbatia. Nach „nostra amiea" sollte man annehmen, sie habe noch die
Reform von Saint-B^nigne erlebt.
259
Vater Ober den Verlust zq trösten sncbt, zengt nicht allein von
seiner Frömmigkeit, sondern auch von dem ttberans zärtlichen
Verhältnis, in dem die einzelnen Glieder der Familie zu einander
standen.*) Bald darauf richtete Wilhelm wiederum ein drin-
gendes Schreiben an Robert: indem Gott die Bande des Fleisches
löste und ihn allein znrttckliess, soll ihn das Beispiel vieler
Kaiser und Könige, der Tod der Gattin, den W^ilhelm als göttlichen
Fingerzeig hinstellt, die Aussicht auf den Himmelslohn bewegen,
in Locedia ins Kloster zu treten und dem hl. Michael denselben
Kriegsdienst zu leisten, den er so oft seinem weltlichen Herrn
geleistet habe.^) In der Tbat folgte der Vater mit reichen
Geschenken der Aufforderung; aber nicht lange mehr war es
ihm vergönnt, Benedicts Kutte zu tragen. Indes verleideten
Wilhelm selbst den Aufenthalt in Locedia Händel mit dem
Bischöfe, da dieser, alä Wilhelm die Priesterweihe erhalten
sollte, von ihm den üblichen Obödienzeid forderte, den der
Mönch als uncanonisch und simonistisch entschieden verwei-
gerte; während er andererseits mehr und mehr den religiösen
Uebungen des Betens, Fastens, Wachens und Psalmodierens
hingegeben, vor Verlangen brannte, einen Ort zu finden, an
dem er noch eifriger als in Locedia, wo die Glut religiösen
Eifers sehr erkaltet war, seinen mönchischen Pflichten nach-
gehen könnte.^)
Da geschah es, dass im Frtthjahr 987 *) Majolus von Gluni
auf einer Reise nach Rom in Locedia einkehrte. Ihm ver-
traute Wilhelm sein Begehren an, und als der Abt nach Be-
endigung seiner Geschäfte wieder in demselben Kloster vor-
sprach, nahm er den jungen Mönch über die Alpen mit nach
Frankreich. Er ward feierlich aufgenommen und schon nach
einem Jahre sollte er die Priesterweihe empfangen, eine Ehre,
die er, als ihrer unwürdig, zurückwies. Seine unleugbare Be-
fähigung, sein Eifer für die reformatorische Bewegung trat
^) Epiflt 1 ad patrem a. a. 0. p. 69.
') Epist 2 ad patrem p. 71.
") Rod. V. Wilh. c. 7. 9.
*) V. Wilh. c. 9. Das Jahr ergiebt sich daraus, dass er ea^leto in
eodan loco plus minusque anno integro in Cluni die Priesterwürde erhielt ;
dann lebte er IV'a Jahre in St. Satumin. Endlich übernahm er 990 St.
Benigne. Dass Majolus 987 wirklich in Italien war, s. oben S. 236.
17*
260
aueh in Gluni so sehr an den Tag, dass ihn Majolns nach dem
kleinen Kloster des hl. Saturnin^) an der Rhone schickte, als
der Probst desselben aus Cluni einen Mann erbat, der ihn mit
seinen Brttdern anf den Weg der strengen Zucht leiten könne.
Mit einer Schaar gleichgesinnter Mönche machte sich Wilhelm
auf; selbst in späteren Jahren, als er bereits zu höheren Ehren
gelangt war, gedachte er immer noch wehmütig des Aufent-
haltes in Saint-Sernin, wo er seinen Idealen in Bezug auf Armut
und äusserste Strenge so ungestört nachgehen konnte.^) Nur
anderthalb Jahre etwa blieb Wilhelm hier; dann fiel ihm eine
grössere Aufgabe zu.
Auf dem bischöflichen Stuhle von Langres sass in dieser
Zeit Bruno, durch seine Mutter Aldrada ein Neffe des Königs
Lothar von Frankreich, ein Sohn des Grafen Rainald von Roucy,
und Bruder der Ermentrud, die zuerst Alberich IL von Mäcon,
dann den Grafen Otto Wilhelm von Burgund geheiratet hatte.*)
Bruno war Cleriker der Reimser Kirche und erst vierundzwan-
zig Jahr alt, als ihm sein königlicher Oheim im Jahre 980 das
Bistum Langres übertrug. Im nächsten Jahre ward er durch
Burchard IL von Lyon consecrirt und vom Clerus seines Bischof-
sitzes empfangen.^) In Reims hatte er gerade um diese Zeit
sicherlich Gelegenheit, sich über den Lebenswandel der refor-
mierten Mönche zu unterrichten; er muss an ihnen Gefallen
gefanden haben, denn als er sein neues Amt angetreten hatte,
lag ihm gerade die Hebung des Klosterwesens, das in seiner
Diöcese verfallen war, ganz besonders am Herzen.*) Erigehört
in die Kategorie der mönchsfreundliehen KirchenfUrsten, wie
die meisten der burgundischen Bischöfe. Bruno war wohl-
thätig in hohem Grade, eifrig im Gebet und im Wachen, ein
Vater der Mönche und Nonnen, und des Clerus, ein Beschützer
^) Von einem Aufenthalt des Majolus daselbst berichtet Syrus III, c. 1 2.
*) V. Wilh. c. 10: Habebat enim praefatus vir plures fratres secum
simul degentes, una tarnen voluntas omniumj par consenstiSj similis operatiOj
modiis orandi ac pscUkndi atque edendi et totus hmtim habittts caritatis
gratia unifonnis.
3) L'art de vörifier les dates XI, 15; XII, 281.
*) Ghron. S. Benign! ed. Bougaud p. 129; Ann. S. Benign! 981 ; Mar-
tyrol. S. Benign! bei Labbe, Nova bibl. I, 657.
^) Ghron. S. Benign! p. 129.
261
der Armen und VerwaiBten, dabei beredt, ernst nnd wohl-
wollend.*)
Als er sein Amt antrat, fand er die Klöster seines
Sprengeis im Aensseren nnd im Inneren vernachlässigt, und
ihrer Besitzungen znm grossen Teil beraubt Auch das Haupt-
kloster der Diöcese, das des hL Benignus in Dijon befand sich
in keinem besseren Zustande. Zuerst versuchte es Bruno mit
einer localen Reform. Er entfernte den Abt Manasse, der sein
Amt schlecht verwaltet hatte, und berief aus der Nähe den Abt
Adso von Montieränder.2) Aber der blieb nur zwei Jahre hier
— er trat im Jahre 992 eine Pilgerreise nach Jerusalem an,
von der er nicht mehr zurückkehrte 3) — und wieder Übernahm
Manasse die Abtei, deren Zucht man wohl zunächst fUr ge-
sichert hielt.^) Die Unsicherheit der Verhältnisse jedoch bewog
den Bischof sich an Hajolus von Cluni zu wenden, mit dessen
Hülfe er nicht nur die religiöse Disciplin, sondern auch den
wirtschaftlichen Wohlstand, den Grundbesitz der herabge-
kommenen Abtei herzustellen gedachte. Zwölf aus der ganzen
Congregation erlesene, gelehrte Mönche, wie es heisst, von vor-
nehmer Abstammung^), kamen aus Cluni und Majolus setzte auf
Ersuchen den jungen Wilhelm zum Abt ein, der bis dahin im
Kloster des hl. Satumin gewirtschaftet hatte. Am Tage der
Translation des hL Benignus, am 17. Februar 990, zogen
>) Chron. S. Benigni p. 172.
') Chron. S. Benigni p. 129: inatituit in locum eius abbatem quendam
ex motuisterio Derveiuti Azoneni nomine. Azo ist doch wohl mit dem
gleichzeitigen Adso von Montier6ndor Identisch, wie aach Chevallier, Le
vdn^rable Guillaume p. 50 und Ogerdias, Hist. de S. Mayol p. 127 annehmen.
Allerdings ist dann die Nachricht des Chron. S. Benigni, dass er Aqui-
tanicus yenere gewesen sei, falsch ; denn die Miracula S. Bercharii c 1 0 be-
zeichnen ihn jedenfalls richtiger als Jurensi teüure satus,
*) Miracula S. Berch. c. 11. S. oben S. 178.
*) Während die Reihenfolge der Aebte nach dem Chron. S. Ben. ist:
Fulcherius, Manasse, Azo, Manasse, Wilhelmus, ist sie in der Series abb.
ä. Benigni SS. XUI, 381 : Azo, Fulcherius, Manasse, Wilhelmus. Ich folge
der sonst gut unterrichteten Chronik.
*) Rod. V. WUh. c. 1 0 : quibusdam ex honestioribus Cluniaci fratri-
bus; Chron. S. Ben. a. a. 0.: Cuius precibus flcxus reverendutf dbbas Maio-
lu8 dedit d duodecim monacho» ex omni congregatione electoSf disciplinUt
Hanctae religionis instructos, divina et huniana sapientia doctoSy nobilitate
camali claroa.
262
die Glnniaeensermönche bei Tagesgranen ein^); von den alten
stoben die, welche den neuen Zwang scheuten, auseinander.
Mit Wilhelms Amtsantritt begann neues Leben zu blühen.
Seine Thätigkeit erstreckte sich neben der Aufbesserung der
klösterlichen Zucht hauptsächlich auf eine umfassende Restitu-
tion des abhanden gekommenen Grundbesitzes. Dabei fand er
in Bruno einen warmen Förderer, der ihn aus eigenen Mitteln
unterstützte und unermüdlich bei seinen Bemühungen, den alten
Besitz der Abtei wieder zusammenzubringen, zur Seite stand.^)
Auch lag ihm an einer Verbesserung der Boden- und Garten-
kultur. Den Mönchen von Saint- Benigne gab er Land zur
Anlage eines Gartens und von Weinpflanzungen ^); und als er
etwa um dieselbe Zeit dem Abte von Dijon auch Saint-Michel
de Tonnerre unterwarf, lies er die Brüder ebenfalls einen
Garten anlegen.^)
Neben der Sorge um den materiellen Besitz beschäftigte
sowohl den Bischof als den Abt die Wiederherstellung und
Ergänzung der alten, zerfallenen Baulichkeiten. Die Kirche
war zum Teil eingestürzt. Als man aber den Versuch einer
Restauration machte, fielen noch weitere Teile zusammen, so
dass ein völliger Neubau von Grund auf notwendig wurde.
Während der Bischof die Kosten bestritt und zahlreiche Mar-
morsäulen und Gestein herbeischaffen liess, zog der Abt Bau-
meister heran und überwachte die technische Ausführung.
Das merkwürdigste war der Anbau einer gewaltigen Rotunde
zwischen den beiden Absiden im Osten, sowie die Verwendung
zahlreicher Säulen und Glasfenster. Die Grundlegung erfolgte
am 14 Februar 1001.*) Die erste Weihe fand ein Jahr später
am 24. Februar 1002 statt«)
») Chron. S. Ben. p. 1 30 ; Ann. S. Benigni 990 ; Albericus Trinmfont. 990.
') Chron. S. Ben. p. 138: Crescente autem interius religionis studio ^
exterioris suhstantie mppletnentwn cepit Jiabundare non niodwe . . ütrisque
vero domno scilicet presule Brunone atque venerando abbate WiUelnw in
restaibratione huius loci stadiose decertantibus cepit crescere et qtuisi denuo
reflorere; p. 138: cuncta ab antiquis huic loco co7ilata posteaque anuüignis
direpta, vd a pravis rectoribus dispertita a Brunone episcopo sunt rcstituta.
8) Chron. S. Ben. p. 129. *) Quantin, Cartul. g^n^r. da TYonne 1, nr. 79.
") Chron, S. Benigni p. ISSfif. Wir handeln an anderer Stelle ge-
nauer über den Bau und die Basilica von Saint-B^nigno.
•) Ann. S. Benigni 1 002 : 6. Kai Mart. feria 3.
263
Nur wenige Jahre, fiaehdem Wilhelm die Leitung von
Saint-Bönigne übernommen, im Frühjahr 995 zog der Abt nach
Rom, om sich von Johann XV. den Besitz nnd die Rechte der
Abteien Saint Benigne und Böze. die er inzwischen auch über-
nommen hatte, bestätigen zu lassen nnd den Schutz des
apostolischen Stuhles anzurufen.^) Nachdem er seinen Zweck
erreicht, pilgerte er auf den Monte Gargano; in Beneyent er-
krankte er heftig.^). Eines Nachts sah er sich in einer Vision
vor ein Gericht gestellt, in welchem ihm neben andern Vor-
würfen auch der einer masslosen Strenge gemacht wurde.
Wir hören in der That, dass er den Mönchen gegenüber mit
grosser Härte und Rücksichtslosigkeit verfuhr. Als Bene-
dict VIIL den römischen Stuhl bestiegen hatte, sandten Abt
und Bischof die päpstlichen und königlichen Privilegien nach
Rom, wo sie am 30. November 1012 erneute Anerkennung
fanden 3); an Wilhelm schrieb Benedict damals, er habe auf
seine Bitten das Kloster zu Dijon wiederum in seinen aposto-
lischen Schutz genommen^.)
*) Chr. S. Ben. p. 1S6: Anno aexto sue ordinaiionü WUlehnus abbas
Romam perrexit ad apostolorum limina, eorum patrocinia exposcens..
Nun haben wir ein leider nur fragmentarisch und sehr verstümmelt er-
haltenes Privileg Johanns XV. v. 26. Mai 995; es scheint mir danach
zweifellos, dass dieses auf der in der Chronik erwähnten Reise beschafft
wurde. Die Urk. J.-L. 3858 ist gedruckt bei v. Pflugk-Harttung, Acta pont
Rom. I, n. 12 und besser bei Delisle, M^langes de pal^ographie 1880 p. 50;
vgl. Lüwenfeld, Uistor. Jahrbuch, MUnster 1881, II, 110. Ich ergänze und
emendiere: beatae memoriae (so D. besser fUr deheat me proprie Pf.-H.)
[clujniacenaia (malcenais Druck) cen[obJii abbatia con8u[Uo atquej nego[Ha-
tione »usjcepü fratres ex quibus loco abbat[em QuJiUelnium ordinavit
quendam,
*) Rod. Glaber V. Wilh. c. 16 spricht von einer Reise, auf der er in
Rom betet und in Vercelli und Sanct Christina erkrankt. Mabillon, Ann.
Ben. IV, 87 und Pignot I, 495 identifizieren beide Reisen, was mir bei der
Verschiedenheit der in beiden Quellen genannten Orte nicht erlaubt scheint.
Wir werden von der anderen Reise in anderem Zusammenhange zu
reden haben.
■) J.-L. 3991; gedr. bei P6rard, Recueil de plusieurs picces p. 172;
Migne 139, 1579.
*) J.-L. :i992; Perard p. 173; Migne 139, 1581: i^e^i^iont^itir tuü an-
nuentes monasteriiwi vestrum aub protectione apostolica conservandttm
statwimuB,
264
Bruno war bereits gestorben, als der prächtige Ban seiner
Vollendung nahte; ftlr den 30. Oct 1018 ward die Weihe fest-
gesetzt*) Unter Wilhelms trefflichem Regiment wuchs die
Zahl der Brüder von Tag zu Tage; namentlich aus Italien
kamen Bischöfe, Mönche und Aebte in die Schule ihres Lands-
mannes. Ein reges künstlerisches und wissenschaftliches Leben
erblühte in dem bnrgundischen Kloster; nie waren weniger
als siebzig oder achtzig Brüder.^)
Die Freundschaft Brunos, ftlr Wilhelm von Volpiano hatte
neben dem allgemeinen kirchlichen, sicherlich noch einen
speziellen Grand gehabt in ihrer beiderseitigen Verwandt-
schaft zu Otto Wilhelm ^), dem mächtigen burgundischen Grafen,
dem Stiefsohne Herzog Heinrichs. In der That schloss sich
Otto Wilhelm ebenfalls den Bestrebungen seiner beiden geist-
lichen Verwandten mit Eifer an. Indem er Vogt von Saint-
Bänigne war^), hatte er schon die Verpflichtung, das Kloster
in seinem äusseren Besitzstande zu schützen und seine In-
teressen zu wahren; dieses Amtes hat er auch öfter gewaltet.^)
Aber er förderte auch selbst durch Schenkungen das Vermögen
der Abtei. Er übertrug Herrschaftsrechte und Besitz in Veuvey-
sur-Ouche«), Cessey-sur-Tille^) und Salins®), er half bei der
Restitution abhanden gekommenen Gutes, wie in der Villa
Albiniacus, im Departement Haute-Saöne, wo seit jeher eine
Kirche Stancti Marcelli stand und sich jetzt ein Kloster des hl.
Benignus erhob.^) Er unterstützte auch die Vergabungen an-
derer für das Stift; so intervenierte er im August 1005 bei
König Robert zu Avalen in Gemeinschaft mit dem Bischof
Walter von Autun dafür, die Klostergründung, die Herzog
Heinrichs Stiefsohn, Vicegraf Oddo mit seiner Gemahlin
Hingala vor den Mauern von Beaune bei der Kirche des
0 Ann. S. Benigni 1018; Rod. V. WUb. c. 25: dies tercius Kalendas
Novembriwn; Mirftc. S. Bercharii c. 21 (Mabillon, A. SS. II, 817).
«) Chron. S. Ben. p. 187.
>) Die Verwandtschaft Otto Wilhelms mit dem Abte bezeugt die Vita
c. 12: WilhelmOj qui etiam eiusdem patris, de quo ttenno estj extiterat af-
finitate propifiquus; Chron. S. Benigni p. 162: Wilhelnw abhaJte, qui ei
(Otto W.) propinquitate iungebatwr.
*) Chron. S. Ben. p. 149: Ottotiem^ qui et WiUehnua dictus^ comitefin,
qui tunc advocatua erat loci istius. ^) Chron. S. Ben. p. 169. 176.
•) ib. p. 163. ') p. 184. •) p. 162. ») p. 162.
265
hL Stephan nnternommen nnd dem Abte von Dijon Über-
geben hatte, seinerseits demselben nrkandlich zu gewähren. >)
Im nächsten Jahre war er wieder mit Bischof Walter von
Antun bei König Robert, als es sich darnm handelte, die
Schenknng eines Kriegsmannes Letbald von Beanne zu be-
stätigen. Denn Letbald hatte der Abtei den Ort Puisieux in
der Grafschaft Beaune, den er von Otto Wilhelm zu Lehen
hatte, unter der Bedingung überweisen lassen, dass der Abt
Mönche daselbst ansiedle.^) Das letzte Mal widmete Otto
Wilhelm den Mönchen des hl. Benignus seine Fürsprache noch
kurz vor seinem Tode, am 13. Juli 1026 bei König Rudolph IIL,
welcher damals die Zuwendung königlicher Lehen, die der
Graf im Besitz hatte, gestattete. 3) Otto Wilhelms Sohn Rainald
bewahrte die Freundschaft des Vaters gegen den Ort, auch
nachdem Wilhelm gestorben und Ualinard Abt geworden war.
Abgesehen von mehreren Schenkungen, die er demselben in
Salins im Jura^), wo die Mönche von Dijon schon Grundbesitz
hatten, zu Teil werden liess, übergab er ihnen eine Kirche des
hl Georg bei dem Gasteil Vesoul zur Errichtung eines Klöster-
chens ftlr vier Mönche, die allezeit ftlr ihn und seine Familie
beten sollten.^)
Wie die beiden Grafen, die Rudolph III. einmal die beiden
angesehensten Fürsten seines Reiches nennt®), so beteiligte
sich auch sonst der Adel des Landes eifrig an der kirchlichen
Reform, wie es die Zeit mit sich brachte. So schenkte Herr
üumbert von Salmaise die Marienkirche in seiner Burg, damit
dort Mönche angesiedelt würden"), ein Archidiacon der Kirche
Langres, Isembert, der später Bischof von Paris wurde, trat an
das Kloster von Dijon die Abtei St. Amator vor den Thoren
von Langres ab, die er als Lehen von Bischof Lambert erhalten
>) GbroD. S. Ben. p. 164; die Urk. Roberts HF X, 585; die BestUtigungs-
ork. des Bischofs Walter von Autun iui Cartul. de Saint-Benigne (Cod. lat.
Paris 17080 saec. XVII) foL 162 von 1004 in curia Otto^iis cotnitis.
^) Cliron. p. 164; Die Urk. Roberts IIF X, 58J»; P^rard p. 171.
») HF XI, 550.
*) Chron. S. Ben. p. 193. ^) p. 104.
•) HF XI, 549 : Otto conies eiusque filius Reynaldm dtu) regni tiostri
praeclarissimi principea.
7) Chron. S. Ben. p. 165.
266
hatte; ein Graf Aymo<) übergab im Jabre 1030 eine Abtei der
bl. jQDgfrau und des bl. Flavian vor seiner Barg Saxe-fontaine
an Wilbelm, um das klösterliebe Leben, das frllber hier ge-
herrscht hatte, wiederherzustellen.^) Auch nach Wilhelms Tode
kamen einige Stifter an das Benignnskloster. Graf Burehard^}
knüpfte an die Uebergabe der Leodegarabtei in Enfonvelle die
liitte, die klösterliche Ordnung wiederherzustellen; Rotger ^) von
Vignory wollte von der von seinem Vater Wido erbauten Kirche
St. Stephan die Chorherren vertrieben und Mönche, die Gott
Tag und Nacht dienen, hineingelegt wissen und Herr Rainald*^)
von Chätillon-snr-Seine nahm selbst vor seinem Tode am
2. September 1038 das Mönchsgewand und überwies Saint-
Julien bei Dijon mit allen dazu gehörigen Ländereien und
Hörigen nebst der Kirche dem hl. Benignus und bat Mönche an-
zusiedeln, die für ihn und die übrigen Gläubigen beten sollten.<^)
Bei alledem ist doch das wichtigste, dass dieser kirchliche
Geist, diese Vorliebe für die Benedictinercongregationen in
weite Kreise getragen wurde, indem die Vasallen der Burg-
herren diesen gleichzuthun trachteten und es auch ihrerseits
an Schenkungen nicht fehlen Hessen.'^) Vor und in die Castelle
dringen jetzt die Mönche; ganz andere Stimmungen als bisher
gewannen Gewalt über den waffenmächtigen Laienadel.
Um Saint- Benigne grnppirte sich so eine grössere Zahl
kleinerer von dem Hauptkloster abhängiger Gellen und Depen-
denzen. Aber noch in andere dem hl. Benignus nicht unter-
gebene Abteien zog wieder der Geist des hl. Benedict unter
dem Regiment des Abtes Wilhelm. Bald nach der Reform von
Saint-B6nigne übergab ihm Herzog Heinrich von Burgund, der,
wie wir wissen, schon die Schule des Majolus begünstigt hatte,
das Kloster des hl. Viventias vor der Burg Vergy, das ganz
') Sein Todestag ist der 23. Juni nach dem Necrol. S. Benigni.
^) Chron. 8. Ben. p. 174; Die Urk. Aymos bei P^rard, Recueil de
plusiciirs pi6ces p. 179; sein Sobn Graf Otto bestätigt die Schenkung,
P6rard p. 187.
>) S. Todestag d. n. Febr., NecroL S. Ben. a. a. 0.
*) Gestorben am 24. Dec, Necrol. S. Ben. a. a. 0.
*) Gest. am 2. Sept., Necrol. S. Ben. a. a. 0.
«) Chron. S. Ben. p. 194; Die Urk. Katnalds bei P6rard p. 186.
') Cartul. de Saint-B6nigne (Cod. lat. Paris. 17080 saec. XVII) nr. 22.
26. 27. 28.
267
henmtergekommen war, zur Wiederherstellnog nnd BeformJ)
iDzwischen reifte aacb in dem Schwager des Herzogs, Bisehof
Bruno, der Entschluss, sämmtlicbe Diöcesanklöster unter dem
Abtstab Wilhelms von Dijon zn vereinigen.^) Es waren dies
ausser Saint -Jean de R^ome und Molosmes, über deren Ver-
hältnisse zur Zeit der Reform genauere Nachrichten fehlen, die
Klöster Böze und Saint-Michel de Tonnerre.
Nordöstlich von Dijon an der Quelle des Flttsschens ge-
legen, dessen Namen die Abtei trug, war Böze in den Jahr-
hunderten der Barbareneiniälle von keinem der drei Völker-
stämme, welche das Frankenreich beunruhigten, verschont ge-
blieben. 731 zerstörten es die Araber; aber nachdem hier
ein Jahrhundert später unter Bischof Alberich, vielleicht unter
der Einwirkung der anianischen Reform, neues Klosterleben
zu blühen begonnen hatte, zertraten die Normannen die jungen
Triebe mit rücksichtsloser Rohheit. Wieder ein halbes Jahr-
hundert später 933 thaten die Ungarn ihr Bestes, alle Reste
friedlicher Cnltur zu vernichten.') B6ze soll nicht weniger
als fünfmal^) von ihnen eingeäschert worden sein, eine Nach-
rieht, die jedenfalls übertrieben ist. Der Laienadel, der Eigen-
nutz und die Gleichgttlttgkeit der Bischöfe brachten das Stift
gänzlich herunter.^) Da war es Bruno in Gemeinschaft mit
dem Grafen Otto Wilhelm, der an eine Erneuerung klöster-
licher Zucht und Sitte in Böze dachte und Wilhelm von Dijon
>) Rod. V. Wilh. c. 12; Chron. S. Ben. p. 135. In früheren Citaten
wurde hier statt Verziacenaetn gelesen Vezdiacenseni ; der falschen Lesart
folgen Prosper Merimde, Notes d'iin voyage dans le midi de la France
1835 p. 44; Schnaase, Gesch. d. bild. Künste IV, 518, Chevalier p. 72.
Das Richtige hat bereits Duchesne, Bist, de hi maison de Vergy, Paris
1Ö25 pr. 25.
') Chron. S. Ben. p. 135: omnia in suo epiacopio monasteria ipsius
delegavit prot^identie. Abbatiam 8cilicet Bemjbensein ^ apostolorum Petri et
Pauli honore dicatam; monasterium sancti JohanniSf quod Meoniatut dicitur;
locum sancti Michaiis archangeli iuxta castrum Thamodorum; abbatiam
Melundensem etc.
>) Ann. Besuenses (SS. II, 249) 731. 830. 888. 083.
*) Chron. Besuense ed. Garnier p. 28t> : invenimvs hunc eundeni locum
ab Htmgris comlmstum quinquies,
^) V. Wilh. c. 1 2 : ac saepiiis paganomm seu pessimorum qtwruncun-
que hominum infestatione desolatum; Chron. Bes. p. 286.
268
991 in die benachbarte Abtei berief J) Mit wenigen Mönchen
fing man an; das meiste ihres Unterhalts bestritt ein ange-
sehener Bürger von Dijon, Rudolph, der zu den ersten Con-
Versen von St Benigne gehört und auch hier durch seine
Mittel den Abt unterstützt hatte.^) In Böze errichtete er an
Stelle der kleinen Kirche eine der Apostelfürsten ¥Fttrdige von
Grund auf; ein anderer vornehmer Bürger, der Vicegraf Magnus,
hatte hier unter Abt Wilhelm eine Zeit lang das Amt eines
Priors^), und schien in seinem Eifer für die inneren und
äusseren Angelegenheiten dem Prior Arnulf von Saint-Bönigne
nachzueifern. Im Jahre 1008 erhielten die Mönche durch
Bischof Bruno ein wichtiges Privileg: innerhalb sechs Weg-
stunden im Umkreise von Böze sollen von den Pfarrgemeinden
zur Zeit der Rogationen, also drei Tage vor Christi Himmel-
fahrt, Männer und Weiber mit Oblationen nach der Kirche von
Böze kommen/) An dieselbe Abtei gelangte unter Wilhelms
Amtsführung im Jahre 1019 ein Kloster der hl. Jungfrau, das
Graf Girard von Fouvent-le-Ghäteau vor seiner Burg eben
errichtete. Er stammte von der Grenze der Genfer Diöcese,
hatte eine Dame von Arsoncourt, Gertrud, geheiratet und zwei
Söhne von ihr geschenkt erhalten, Humbert und Girard, von
denen der letztere in den geistlichen Stand trat Zur Kirche
Langrcs war Graf Girard schon in Beziehungen getreten, als
er der Abtei Böze die Zehnten von Neuvelle-les-Champlitte
restituirte.^) Jetzt überwies er zum Bau der Abtei Sainte-Marie
und Unterhalt der Mönche Grundbesitz. Alles Gut stellte er mit
der Stiftung unter die Herrschaft unseres Klosters und liess den
Act durch Bischof Lambert von Langres rechtskräftig machen,
welcher auf Girards Bitten auch bewilligte, dass alle, die inner-
halb des Bargreviers und der Herrschaft derselben das Zeit-
liche segneten, in der Abtei der hl. Jungfrau bestattet würden.<^)
Koch in die Zeit des Bischofs Widricns zurück reicht die
Wiederherstellung des Klosters Saint-Michel im Süden des Castells
*) Ann. Besuenses 991. >) Ghron. Besuense p. 287.
3) ib. p. 288. *) p. 288.
^) Diese Notizen ergeben sich aus einer Reihe von Urkunden im
Chron. Bes. Eigentümlich ist, dass Girard im Texte derselben nur miles
und dominus castri genannt wird, während er als comes unterschreibt.
') Chron. Bes. p. 308; Duchesne, Hist de la maison de Vergy pr. 62.
269
Tonnerre. Der erste selbständige Graf von Toonerre, Milo I,
hatte sie im Juli 980 mit Hülfe des Bischofs unternommen. ^)
Milo stattete das Kloster nicht nur mit Grandbesitz ans; er
legte hier später selbst die Mönchsgelübde ab.^) Die ersten
Aebte waren Dodo und Petrus. Als aber dann Bisehof Bruno
seine umfassende Reformthätigkeit begann, schenkte er auch
an Saint-Michel Landbesitz, auf dem die Brttder ein Fremden-
hospiz, mehrere Wirtschaftsgebäude, einen Hain und einen
Garten anlegten.^) Wahrscheinlich gleichzeitig wurde die Abtei
dem Abte von Saint-B6nigne untergeben ; eine Zeit lang ftthrte
damals hier Letbald den Abtstab, jener frtthere Kriegsmann
von Beaune, der dann ins Kloster getreten war und solche
Kenntnisse erworben hatte, dass er mit dem Beinamen „der
Weise" geehrt wurde.^) Nach Wilhelms Tode übernahm Hu-
nald die Leitung, der zur Zeit, als die Reform in Dijon durch
Majolus erfolgte, in jugendlichem Alter in Saint-B^nigne lebte.
Wilhelm, der seine Begabung erkannt, hatte ihn bei sich be-
halten, unterrichten lassen und zum Hüter der Kirchenschätze
gemacht, die er erst fast sämmtlich zusammenbrachte.^) Als Abt
von Saint-Michel starb er am 27. März®), wohl im Jahre 1057.^)
In wenigen Jahrzehnten gewann der Sprengel von Langres
durch die Verbindung Brunos mit Wilhelm ein neues Ansehen.
Aber der Einflnss des Abtes von Dijon reichte weit über die
Grenzen der burgundischen Lande. Erst in anderem Zusammen-
hange können wir seine Wirksamkeit weiter verfolgen.
^) Quantin, Cartul. g6n6r. de PYonne I, p. 146, nr. 76.
*) Quantin I, m. 79 u. 94.
') Quantin I, nr. 79. Wie aus nr. 95 hervorgeht, gab es zwei Aebte
Namens Hunold. Da nun Hunold I. nach dem Cbron. S. Ben. p. 148 nach
Wilhelms Tode 27 Jahre lang Abt war, also bis 1057, so ergtebt sich,
dass die von Quantin für die Wahlurkunde des zweiten angesetzte Zahl
1048—1049 unmöglich richtig ist.
*) Chron. S. Ben. p. 150. Er hatte einen Sohn, der Archidiacon an
der Kirche von Langres war, vgl. p. 168.
<»> Chron. S. Ben. p. 148.
*) Necrol. S. Ben. b. Montfaucon II, 11 60 ff.
T) Nach 27 jährigem Regiment, Chr. S. Ben. p. 148.
Sechstes Capitel.
Abbo von Fleury.
i.
Die schweren ADfechtangen, denen der klösterliche Besitz
nnd die Abteien selbst fortwährend seitens der Biscböfe and
weltlichen Grossen aasgesetzt waren, massten früh das Streben
erwecken, Schatz gegen derartige Vergewaltigungen bei stär-
keren Factoren des weltlichen and kirchlichen Lebens zu
suchen. Natargemäss durfte in erster Reihe der König be-
fugt erscheinen, diese Sicherheit zu gewähren, fasste man doch
seit jeher sein Amt als das eines Beschtttzers der Kirche auf,
der mit dem Schwerte, das er führte, dieser als Rächer und
Verteidiger ihrer Forderungen zur Seite zu stehen habe. Aber
das Verfahren der Könige im 9. Jahrhundert war wenig ge-
eignet, das Vertrauen in diesen königlichen Schutz, in den
viele Abteien aufgenommen worden waren, zu stärken. Man
hatte im Gegenteil oft genug erlebt, dass die Könige ihre Ver-
teidigungspflicht als ein privates Eigentumsrecht ttber die
Kirchen und Klöster auffassten, und war deshalb namentlich
gegen Ende des 9. Jahrhunderts dazu gedrängt worden, einen
stärkeren Schutzverband aufzusuchen. Dem königlichen Schutz
gegenttber musstc der päpstliche bedeutend vorteilhafter er-
scheinen: der Papst war weit und gar nicht in der Lage, als
Privateigentttmer über entfernt gelegene Kirchen zu verfügen,
andererseits besass er kraft seiner sacramentalen Functionen
die stärkste und umfassendste Disciplinargewalt gegen die
Bedränger seiner Schützlinge. Wie man seine Stellung den
ihm anvertrauten Stiftern gegenüber auifasste, zeigen Be-
stimmungen in den ersten Diplomen Clunis: nur seinem
271
Schatze, nicht seiner Herrschaft wird das Kloster anvertraut,
wie es ausdrtteklich heisst^) Es wird ihm ein Verfttgungsrecht
darüber abgesprochen, ebenso wie dem Könige von Frankreich
ein solches über die Abtei Flenry, die allein unter der Herr-
schaft des weltlichen Fttrsten stand.^) Das heisst, es wird ein
privatrechtliches Verhältnis beiden Souveränen gegenüber ab-
gelehnt
Freilich war das nur die eine negative Seite der Be-
deutung des päpstlichen Schutzes: der Papst sollte sowenig
über die Abteien verftlgen, wie die Bischöfe über das ihnen
anvertraute Kirchengut Die positive bestand darin, dass der
Papst überhaupt an die Stelle des Diöcesanbiscbofs trat Das
Recht der ihm commendierten Stifter ist das Recht der römischen
Geistlichkeit Nicht der Bischof von Mäcon ist der Diöcesan-
bischof Clunis, nicht der von Orleans der Fleurys, sondern der
Bischof von Rom. Ihm kommen also auch alle sacralen
Functionen des Sprengelbischofs zn. Da er diese jedoch nicht
immer in eigener Person oder durch Legaten aasOben kann, so
ergiebt sich das vielfach beanspruchte und verliehene Recht der
ihm untergebenen Klöster, beliebige Bischöfe damit zu beanf-
tragen.3) Freilieh wurden in den Privilegien nicht immer die
notwendigen Consequenzen gezogen: nach dieser Richtung be-
wegt sich aber durchweg die Rechtsentwicklung. Ursprünglich
eine Analogiebildung nach deutschem Recht, erhält die Institu-
tion allmählich die angegebene kirchenrechtliche Auslegung.
Je unbestimmter aber die Ausdrücke der Urkunden, desto
unsicherer waren vielfach die thatsächlichen Verhältnisse. Wie
weit päpstliche Schutzprivilegien die Abteien von der einen
oder andern Pflicht den Bischöfen gegenüber lossprachen, ist
aus den Diplomen selbst häufig gar nicht zu ersehen, jedenfalls
zeigt sich nach den Reformen im zehnten Jahrhundert bei vielen
Achten die Tendenz, den Exemtionsbegriif möglichst weit aus-
zudehnen und 4en päpstlichen Schutz jetzt als eine Herrschaft
») S. oben S. 41.
■) Urk. Leos VII.: ut nunquam locus ille aut res quaelibetad ipsum
pertinenteSf aub alicuitis potestate niai tantum m/i auhtnittatiirf nrqne ipse
rex vd aliquia princeps unquam ipautn locum tradat atä episcopo etc.
») Vgl. Petri Venerab. epist. I, 28, Bibl. Clun. col. 077.
272
des Papstes za deaten, die jede andere, auch die des Bischofs,
nach allen Richtungen hin ausschlösse.
Es war zu erwarten, dass die Bischöfe einer zu weitgehenden
Auslegung in einzelnen Fällen entgegentreten, und dass auch hier
mit dem Geftthl einer grösseren Sicherheit der Verhältnisse
Tendenzen auftauchen ¥Fttrden, die auf die Stärkung und den
Znsammenhalt der bischöflichen Rechte gingen. Es ist bemerkens-
wert, dass es im Herzogtum Francien war, dem am festesten
gefligten Staate des westfränkischen Reiches, in welchem die
Bischöfe ihre Autorität am besten bewahrten und auch gegen Ende
des Jahrhunderts, als Hugo Capet mit ihrer Hülfet) den fran-
zösischen Thron bestiegen hatte, am entschiedensten zum Aus-
druck brachten. Es kamen politische Gründe hinzu, welche
einzelne nordfranzösische Bischöfe gegen die mönchische Demo-
cratie reizten, die jetzt am Hofe sich einfand und bei den
Neigungen Hugos und seines Sohnes Robert die hohe Geist-
lichkeit von da zu verdrängen im Begriff stand.
Während die Aebte von Cluni in der ersten Zeit mit dem
Diöcesanbischofe, wie wir noch sehen werden, in durchaus
freundlichen Beziehungen lebten, und nichts verrät, dass es
hier zu verschiedenen Auffassungen hinsichtlich der Befreiung
des Klosters aus der Gewalt des Bischofs von Mäeon gekommen
ist, geriet bereits Richard von Flenry mit dem Diöcesanbischofe
in derartige Zwistigkeiten, dass es ihm wünschenswert erschien,
die in der Urkunde Leos VII. nur allgemein umschriebene
rechtliche Stellung der Abtei, die nur der Herrschaft des Königs
mit Ausschluss jeder andern untergeben sein sollte, durch Papst
Benedict VII. genauer definieren lassen. In dem Privileg, das
der Statthalter Christi am 8. Nov. 980 zu Ravenna ausstellte^)
werden dem Abte des Benedictsklosters, abgesehen von der
Verbrief ung der freien Abtwahl, nach zwei Seiten hin be-
deutsame Freiheiten zugestanden. Hinsichtlich der von den
Bischöfen beanspruchten jurisdictionellen Gewalt wird dem
Abte eingeräumt, dass er in Griminalfällen nicht durch einen
einzelnen Bischof, sondern ein Provincialconcil gerichtet werden
*) Vgl. Luchaire, Institutions politiques de la France I, 31.
■) J.-L. 3803; gedr. Archives historiques de la Gironde V, 176: Der
Abt bittet den Papst, ut eins anxietatibua auxilio et conailio subveniretnua.
J.-L. 2570 (Gregor IV., April 829) mit denselben Bestimmungen ist unecht.
273
und BeinerseitB an den römischen Stuhl appelliren dürfe J)
Andererseits wird ihm das Bann- und Absolutionsreeht gegen
alle Mönebe und Nonnen seines Ordens zugestanden 2): weil
der hl. Benedict das Haupt des Mönchtums sei, so solle der
Abt seines Klosters die erste Stellung unter den Aebten
Galliens einnehmen. Femer aber wird decretirt: kein Geist-
licher, welchen Rang er auch habe, dürfe ihn belästigen, gegen
seinen Willen nach dem Kloster kommen und Ordinationen
und Messen im Kloster abhalten.
Sei es nun, dass man sich in Fleury seither auf jene
Urkunde dem Bischöfe von Orleans gegenüber stützte, sei es,
dass man noch weitergehende Freiheiten in Anspruch nahm,
jedenfalls war Arnulf von Orleans, ein streng kirchlich ge-
sinnter und sehr gelehrter Mann"^), dessen anständigen Cha-
racter^) auch die Gegner anerkannten, nicht gewillt, seine
Rechte als Diöcesanbischof schmälern zu lassen. Er geriet
deshalb bald nach seiner Wahl mit dem Abte Oylbold von
Fleury zusammen, der ihm die von ihm beanspruchten Leistungen
mit Hinweis auf die rechtliche Stellung der Abtei versagte.^)
Es ist daher begreiflich, das ihm die Aebte derselben seither
ein Dorn im Auge waren.^) Als nun gar im Jahre 988 Abbo
mit Hülfe Hugo Capets gegen den Willen einer widerstrebenden
Partei zum Abt gewählt wurde, hatte er einen ebenso warmen
und gelehrten Verteidiger mönchischer Interessen zum Gegner,
als er selbst ein solcher der episcopalen Rechte war. Abbo
weigerte sieh nicht minder als sein Vorgänger, die Hoheit des
Bischofs von Orleans anzuerkennen und die von diesem auf
V non wniua epiacopi itidicio terminetvr sentencia, sed provinciaUs
eoncilii expectetur cenaura aut, 8% maluerit appellare aedem apostolicam,
res ad Romani pontificis differatur audientiam.
*) Solvendi et ligandi potestatem in viros et feminaa sui ordinia
habeat,
') Mirac. S. Bened. II, c. 19: alias sane boivus et eeclesiasticas regrdas
scientia et opera optime servans.
*) V. Abb. c. 8: cwn in reliquis actibus suis honestis semper se dt-
monstraret poüere moribus,
'^) Mirac. S. Bened. II, c. 19: qiwd Uli ditioni solummodo parentes
regiae sttbiectionem, qua ipse ultra modum delectabatur^ nequaquam ei ad
tp9iu8 voluntaJtis dependerent nutum,
*) a. a. 0. : nunquam ad purum praelatos huius Floriacensis loci dilexit,
SAoknr, Glimiaotnier. I, IS
274
Grund derselben beanspruchten Forderungen zu erfüllen ^), offen-
bar in erster Reihe den Obödienzeid zu leisten. Man stützte sieh
damals den ungerechten Belästigungen der Bischöfe gegen-
über gern auf Briefe Gregors I., der die Klöster nicht selten
gegen willkürliche Massregeln des Episcopats in Schutz ge-
nommen hatte, und bekämpfte namentlich mit diesen Mitteln
ungerechte Excommunicationen der Bischöfe uud Verbote des
Messopfers und der Begräbnisse. Abbo selbst legte sich eine kleine
Sammlung derartiger aus den Kirchenvätern entnommenen Be-
legstücke an, um sie zur Verteidigung der klösterlichen Interessen
gegen den Bischof von Orleans zur Hand zu haben.^)
Ueber sein Leben sind wir ziemlich gut unterrichtet.
IL
Geboren im Gau von Orleans ward Abbo von seinem
Vater Latus der Schule der zur Peterskirche gehörigen Cle-
riker^) in Fleury zur ersten Ausbildung übergeben, wo zur
Zeit Verwandte seiner Mutter Ermengard, der Mönch Gumbold
und der Cleriker Christian, als Lehrer wirkten. Noch als
Knabe wurde er unter Abt Wulfald dem hl. Benedict geweiht.
Eine rasche Auffassungsgabe verband sich bei ihm mit grossem
Eifer für das Studium der freien Wissenschaften. Schon früh
schloss er sich lieber den Alten, als seinen Altersgenossen an.^)
Er hatte erst Grammatik, Arithmetik und Dialectik vollständig
studiert, als er Scholasticus des Klosters wurde, um die Knaben
im Lesen und Singen zu unterrichten.^) Nach einigen Jahren
aber ging er nach Paris und Reims, um Philosophie zu studieren
und namentlich astronomische Kenntnisse zu erwerben, ohne
aber voll befriedigt zu werden. Nach Orleans heimgekehrt,
drang er in das Studium der Musik ein und zwar heimlich,
da ein Cleriker ihn fUr Geld unterrichtete. Dann zogen ihn
Rethorik und Geometrie an und in der Himmelskunde brachte
*) V. Abb. c. 8: inteUigens tarnen loco quem regebat postmodum posse
officere, si ei modos sn/^ectioniSj quos requirehatt ad ipsiiis libitum depen-
deretf id facere in omni sua recusavit vita.
>) Ueber diese Sammlung unten S. 289.
*) V. Abb. c. 1 : in Floriacensi monoßterio seholae clericorum ecclesiae
sancti Petri obsequentium, *) V. Abb. c. 2.
'^) ib. c. 3 : leetione aimul et cantilena cum tanta erudivit cura.
275
er es so weit, dass er sogar Schriften über die Laufbahn von
Sonne und Mond und den Planeten verfassteJ) Unterdessen
war auf Abt Wulfald Richard gefolgt, der, wie bereits er-
wähnt, am 16. Februar 979 starb. Nach ihm erhielt Amalbert
von St Fleurant de Saumur, ein Mann, dessen Gttte und Milde
gerühmt wird*), durch die Wahl der Brüder und Verleihung
König Lothars die Leitung von Fleury. Er starb aber bereits
im Jahre 985 oder 986. Wieder mit Hülfe Lothars^) kam jetzt
ein Mann ans Ruder, Oylbold, dessen Erhebung sowohl im
Kloster selbst, als bei einigen Femerstehenden Widerspruch
hervorrief.^) Mochte eine Wahl des Convents auch erfolgt sein,
so hatte er doch seine Würde mehr der Gunst des Königs,
als seinem Rufe zu verdanken, der offenbar vorher Anstoss
erregte.*) Der Abt Evrard von St. Julien in Tours, der ihm
«) V. Abb. c. 4.
«) Mir. S. Ben. II. c. 17.
') II, c. 18: OiWoldus (id praelationem Flonacensiwn fratrtim ipsortwi
electione et regia principis Lotharii ascendit donatione.
*) Dass es sich bei diesen Streitigkeiten nur um Oylbold handeln
kann, hat J. Havet mit Rücksicht auf die chronologische Ordnung
der Briefsammlung Gerberts richtig erwiesen, vgl. Lettres de Gerbert
p. 65 n. 5. Es ist zwar richtig, dass weder in der Vita Abb. noch den
Mirac. S. Bened. sich eine Andeutung darüber findet. Indes sind beide
von einem Verfasser Aimoin, nnd Aimoln zeigt auch sonst durch Ver-
schweigen gewisser Dinge, wie der nncanonischen Ehe Roberts, Über die
Abbo in Rom verhandelte, dass das argumentum ex silentio bei ihm
nicht anwendbar ist. Ein gewisses Bestreben, Oylbold in glänzendes
Licht zn stellen, verrät die Absicht, andere Gedanken über ihn zu Über-
tonen. Sehr merkwürdig ist aber, dass Abbo gerade zn seiner Zeit nach
England ging, und offenbar aus dem Grunde, weil er mit Oylbold schlecht
stand. So sagt Aimoin selbst, es habe Verläumder gegeben, welche Abbo
vor dem Abte warnten, der ihn nnr entfernen wolle und darum nach
England schicke. Bezeichnend ist femer der Brief, den Oylbold an Abbo
nach England schreibt, in dem unter schmeichlerischen Phrasen sich die
Stelle findet: quod per tuas litteras cor nostrum laetificatum est et quod
de te maxime timehamus, a memoria et mente nostra expulit
Dazu kommt, dass Aimoin von Gonflicten vor der Wahl Abbos kurz be-
richtet. Meines Erachtens lag die Sache so, dass schon vor Oylbolds
Wahl Abbo in Betracht kam, jener aber durch die Gunst des Hofes siegte
und deshalb selbst froh war, dass Abbo für einige Zeit nach dem Aus-
lande ging.
') So schreibt Majolus: Persona quidem nobis iam olim infami con-
versatione erat famosaj Gerb, epist 95.
18*
276
persönlich wegen irgend welcher Aeusserung feindlich gesinnt
war<), wandte sich an den Reimser Scholasticus Gerbert 2), der
die Sache mit Eifer in die Hand nahm nnd fttr ein Einschreiten
gegen Oylbold namentlich Abt Majolus von Glani zu gewinnen
sachte, zu dem er das grösste Vertrauen hatte ^), von dem er wusste,
dass er „ein Weiser vieles in wenigem erkenne"*) und den er
flir den leuchtendsten Stern ^) in der Kirche Gottes hielt Ihm
stellte er die Entscheidung anheim, ob der Abt als ein Ein-
dringling vom Verkehr auszuschliessen sei oder nicht. Er
schrieb ihm^): Wenn er schweige, wer solle dann reden? Die
angesehensten Häupter des Mönchtums ^) waren offenbar wenig
geneigt, sich mit der Sache zu befassen. Auch Majolus, der
sonst den üblen Ruf Oylbolds bestätigte^) und sich fttr seine
Verdammung aussprach, meinte doch, die Sache ginge ihn gar
nichts an.'^) Gerbert unterhandelte indes mit den Floriacenseni^^),
die sich aber, so viel wir erkennen können, zurttckhaltend be-
nahmen >*) und schliesslich mit der Amtsführung Oylbolds zu-
frieden schienenJ^) Gerbert hätte sogar gern den Papst zum
Einschreiten veranlasste^); indes hinderte die Gunst des Hofes,
in der Oylbold stand»*), ein entschiedenes Vorgehen. So war
denn gar nichts zu thun; um so grösser war die Freude, als
der Abt von Fleury im October 988 das Zeitliche segnete.»*)
0 Vgl. Gerb, epist. 95. «) Epist. 80.
^) Epist. 88 : virque ille Deo plemtSj ad quem muUam fidem habemus.
*) Epist. 80: quia sapientem in paucis multa intelligere scimus.
^) Epist. 95 : An non litcidissima Stella reverendus pater Maiolus.
•) Epist 69 : Si vos tacetiSj quis loqiietur ?
^) Epist. 80: tacentibus cunctis priniaiibus vestri ordinis.
8) Epist. 86. 95.
^) Epist 86 : sed rem ad se mimta spectare significavit
'<^) Epist. 86 an den Scholasticus Constantin; epist 95.
>') Gerbert schreibt im Namen des Erzbischofs von Reims an Con-
stantin: ut affectus noster a Floria^ensibits te faciente paululum abor-
lienatvSf te faciente sit plurimum reconciliatiis.
^*) Wenigstens rühmt ihn Aimoin V. Abb. c. 4. 6.
*') Epist 87: sed eOanif si fieri potest, Romani pontificis se male-
dictis urgeri,
") Epist 95: Pretendat sibi reges, dtices, seculi principe^, qtii se fa-
vore solummodo eorum monachorutn principeni fecit; epist 88: QtMdsi
divinitate propitia favorem principwn obtinebimus, ad haec utilia utiliora
ju/ngenius, ^) Epist 142. 143«
277
Abbo, der Oylbolds Wahl ebenfalls gemissbillig;! zu haben
scheint, hatte bis zn Oylbolds Erhebung in Flenry als Schul-
meister gelebt, litterarisehen Studien mit Emsigkeit hingegeben,
beständig lesend, sehreibend oder dictierend, als eine englische
Gesandtschaft, die von Dunstan, Ethelwold und Oswald aus-
ging, unter Abt Oylbold in Fleury erschien^) und sich einen
Mönch zur Unterweisung in der Klosterzucht erbat fttr die
Abtei Bamsay, die der Aldermann Ailwin, ein dem Eönigshause
verwandter Mann, gegründet 2) und Oswald, ein Converse von
Fleury, der zum Erzbischof von York erhoben worden war,
erbaut hatte. Schon längst bestanden Beziehungen zwischen
Fleury und den englischen Reformatoren. Bereits unter Abt
Odo hatte sich der vorzügliche Ruf der Abtei jenseits des
Meeres verbreitet; seit Odo, dem Erzbischof von Canterbury 3),
hatte die Verbindung bestanden. Auch der Prior Germanus
von Ramsay hatte ebenfalls einst in dem Kloster an der Loire
Profess geleistet^) Obgleich es Leute gab, die Abbo zu über-
zeugen suchten, dass Oylbold ihn desswegen nach England
sende, damit er nicht zurückkehre, nahm er, dem Abte feindlich
gesinnt, den Antrag an und fuhr in Begleitung von acht andern
0 V.Abb, c. 4; Mirac. S. Ben. VII, c. 13; V. Dunstaui c. 13 bei Stubbs,
Memorials of Saint - Dunstan p. 303; Eadmeri V. Oswaldi bei Wharton,
Anglia sacra U, 201; V. Oswaldi c. 5 b. Mabillon, Acta SS. V; V. Ethel-
woldi episc. Winton. c. 14; Chron. Rames. ed. Dünn Maeray p. 42; Orderi-
cos Vitalis ed. Prevost II, 204; Wilh. Malmesber. de gestis pontif. Angl. III,
Migne 170, 1573.
*) Die Bestätigungsurk. des Rünigs Edgar v. 28. Dec. 974 bei Hart
and Lyons, Cartnl. monast. de Bameseia II (London 1886) p. 51. — All-
tcinus wird der Gründer der Abtei im Cartular v. R. und in der Chronik
genannt; Ältvine und AiltDinus dux heisst er in zwei Urkunden für das
Kloster Croyland bei Mabillon, Acta SS. V, 503. Aimoin nennt ihn in
der V. Abb. Sekelguinu» dux\ als Äegelwinus quidam de j>ot€7itioribu8
regni dttcibus bezeichnet ihn Eadmer; comes heisst er in der V. Turketuli
abb. Cruland. bei Mabillon, Acta SS. V, 503. König Edgar nennt ihn : vir
dÜectissimiis mihi necnon et propinquitatis consanguinitate connexus . . .
AilwiniLSj Ealderman nomine. So unterschreibt er auch Ego Ailwinus
Addorman,
*) V. S. Odonis Cantuar. c. 9, A. SS. V, 291; vgl. Eadmeri V. Os-
waldi a. a. 0. p. 194.
*) Germanus war ein Cleriker, den Oswald 956 in Fleury Hess, Ead-
meri V. Osw. a. a. 0. p. 197; er wurde dann Prior in Westbury, darauf in
Ramsay und schliesslich Abt in Winchacumbe; vgl. Wharton II, 200 n.
278
Fahrzeugen Ober den von Stürmen bewegten Canal. Nur
drei von den neun Schiffen, unter ihnen dasjenige, auf wel-
chem Abbo sich befand, kamen unversehrt an die englische
Koste. ^) Er lebte zwei Jahre in jenem Benedictinerkloster als
Schulmeister und kam auch zu König Ethelred, der ihn aber
mit Worten abspeiste; in engere Beziehungen trat er zu dem
Aldermann Ailwin. Ganz besonders verehrten ihn die Erz-
bischöfe von York und Canterbury.^) Auf Verlangen seines Abtes
kehrte er heim, nachdem er von Oswald von York die Priester-
weihe erhalten, und zwar mit reichen Geschenken für den hl.
Benedict Auch nachher stand Abbo mit den englischen Prä-
laten in BerOhrung. Er correspondirte noch mit Dunstan und
Abt Wulfric von Saint-Augustines, die ihn auch zu litterarischen
Arbeiten anregten.^)
IIL
Inzwischen traten politische Ereignisse ein, in welchen der
Gegensatz der klösterlichen und episcopalen Tendenzen in
erweiterter Form zum Ausdruck gelangte.
Hugo Capet hatte sich in der Hoffnung, die ihm noch
feindlich gegenüberstehenden Anhänger der Karolinger zu ge-
winnen, durch geleistete Sicherheiten bestimmen lassen, in die
Erhebung von Lothars Sohn Arnulf zum Erzbischof von Reims
zu willigen; aber sein Vertrauen wurde durch den Verrat des
Karolingers, der die Üeberrumpelung von Reims durch seinen
^WlM* L Meffwt Karl begünstigte, schwer getäuscht.*) Nun wurde Arnulf
abgesetzt und vor die Synode der robertinischen Bischöfe ge-
stellt, die am 17. und 18. Juni 991 zu St. Basle zusammentrat,
um ihn wegen Hochverrats zu richten. Man hatte sich von
königlicher Seite zwar an den Papst um Entscheidung ge-
wendet, als aber die Gesandten wegen der Bestechlichkeit
Johanns XV. und des Crescentius, der bereits Herr der Stadt
war, nicht zu ihm vordringen konnten, hatte die nordfranzösische
Geistlichkeit mit den Königen Hugo und Robert den Process
selbst in die Hand genommen. Daran knüpfte sich ein Gegen-
satz von prinzipieller Bedeutung. Die französische Kirche wurde
>) V. Abb. c. 4. «) V. Abb. c. 5.
^) Vgl. Stubbs, Memorials of Saint-DuDStan p. 378. 409. 410.
*) Vgl. J. Ilavet, Lettres de Gerbert, Paris 1889, p. XXL
279
in zwei Haaptparteien gespalten, von denen die eine, der König
mit dem Episcopat, an der Befagnis über Arnulf zu richten fest-
hielt, die andere dieselbe bestritt und allein dem Papste das Recht
dazu zuschreiben wollte.*) Damit kamen tiefere Gegensätze zum
Vorschein. Die Frage, ob alle römischen Decrete allgemeine
Gültigkeit hätten, brachte ans Tageslicht, dass man über den
sehr wichtigen Punkt nicht einig war, ob man auch einem
schlechten Priester Gehorsam schulde und was damit zu-
sammenhing, dass man sich über den unzerstörbaren Charakter
des priesterlichen Amtes nicht verständigen konnte.
Hatten der König und die Bischöfe durch ihre Gesandt-
schaft den Satz anerkannt, dass die Autorisation des römischen
Stuhles für den Process gegen den Erzbischof notwendig war,
so bemerkte auch Arnulf von Orleans, der auf dieser Seite das
Wort führte, dass er zwar gern die Decrete römischer Päpste
vom Schlage eines Gregor L, Leo und anderer anerkenne; er
verneinte aber die Verpflichtung solch* schandvollen, so aller
Kenntnis baren Ungeheuern, wie sie die letzten Jahrzehnte
gesehen, zu gehorchen.^) Die entgegengesetzte Auffassung ver-
trat die Mönchspartei, deren Führer Abbo von Fleury, Abt
Romulf von Sens und der Scholastieus Johannes von Auxerre
waren. Sie hatte das Bedürfnis bereits längst dem römischen
Stuhl genähert. Abbo fällte später das herbste Urteil über
Johann: trotzdem hielt er mit Berufung auf Pseudoisidor die
Appellation an den Papst für durchaus notwendig; allerdings
den Widerspruch aufgebend, als bewiesen wurde, dass man
sich bereits vergeblich nach Rom gewandt hätte. Wie man
aber in den Mönchskreisen überhaupt über den unzerstörbaren
Charakter des Priesterstandes dachte, beweisen bereits Aeusse-
rungen Odos von Cluni, welcher der Excommunication eines
schlechten Priesters dieselbe Wirksamkeit zuschrieb und die-
') Gerberti epist. 217, Havet p. 206: Alii Bomano pontifici ifiiuriam
factam videri volunt, quasi sine eius atictoritate et sine suis viribus re-
swnptis deponi twn debuerit £s gab dann unter den Verteidigern eine
zweite Klasse, welche behaupteten: regem sacerdoti Arnulf o onmium
peccatorum veniam tribuisse; er hätte ihn also nicht nachträglich noch
bestrafen dürfen.
') Vgl. Certain, Arnoul ^v§que d'Orl^ans in der Bibl. de T^cole des
chartes 3 ser. 4. Bd. p. 446.
280
gelbe Beobachtung einräumte, als der eines guten, welcher im
Anschluss an Augustin behauptete, dass die Sacramente in der
Iland eines schlechten Geistlichen um nichts schlechter seien,
als in der eines guten, denn Christus sei es, der die Sacra-
mente reiche. Und Abbo von Fleury, wie seine Freunde mussten
um so eher geneigt sein, auch die Bestimmungen der letzten
simonistisehen Päpste als gültig anzuerkennen, als sie sich
ihrer ohne Scheu zur Privilegierung ihrer klösterlichen Rechte
und Ansprüche zu bedienen pflegten. So kam es, dass, als die
Befugnisse des römischen Stuhls und der Charakter ihrer Träger
zum ersten Mal Gegenstand der öffentlichen Discussion wurden,
das Papsttum die Mönche an seiner Seite fand.
FUr die Streitigkeiten, die uns hier beschäftigen, kam aber
weniger dieser Punkt, als die daraus resultierende Frage in
Betracht: Ist es erlaubt an päpstlichen Decretalen Kritik zu
üben? Der Bischof von Orleans meinte: „Wir haben ja den
Papst um Antwort angegangen: wenn die Antwort gerecht ist,
wird Friede und Einheit herrschen: ist sie ungerecht, so werden
wir an Galather 1, 8. 9 denken. ** Aber wem steht die Ent-
scheidung zu über das, was gerecht und ungerecht ist? In
Belgien und Deutschland, denkt der Bischof, könnte man, wenn
die politischen Streitigkeiten nicht hinderten, eher das Urteil
der Bischöfe holen, als von der Stadt, die jetzt Käufern feil
steht und nach der Grösse der Geldsumme Urteile fällt*) Er
denkt also an eine Vereinigung der ost- und westfränkischen
Bischöfe gegen Rom. Er und seine Partei huldigen offenbar
denselben kirchenrechtlichen Anschauungen, die wir wenig
später in der Diöcese Cambrai, die ja zur Reimser Kirchen-
provinz gehörte, ausgesprochen finden: die kirchliche Autorität
beruht auf den Bischöfen.^) Wer sich dem Joch des Bischofs
entzieht, flieht dasjenige Christi. Die Bischöfe stellen die Ein-
heit der Kirche dar.^)
») Acta conc. Rem., SS. III, 673.
*) Gesta episc. Camerac. I, c. 116: qui heatum Augustimmi 'ium ad-
vertebat nienioriae dicefUem male cos disputare contra claves ecclesiae. qui
auctoritatem ccclesiasticamj quam in episcopis constat faterij contendant
adnullare.
') I, c. 107: quia quictiTique iugum cpiscojn declinare contenditj etiam
Christi confuyere C07ivincitur. N€7no enim absqtie episcopalis ministerii
281
Ganz entgegengesetzt ist die Anffassong des von Abbo
geführten französischen Mönchtnms. In Wort und Schrift hat
er seine Anschauungen znm Ausdruck gebracht; er zuerst geht
in seiner Begründung auf Sätze des Psendoisidor zurück. Aus
ihrer trttben Quelle belegen die französischen Mönche den Satz,
dass alle Processe ttber Bischöfe und wichtige Kirchenan-
gelegenheiten nach Rom gezogen werden müssen, dass in noch
so entfernten Ländern nichts derartiges verhandelt werden
dttrfe, bevor der Papst benachrichtigt, dass der apostolische
Stuhl das von Gott befestigte und unbewegliche Firmament,
das ttber alle Priester strahlende Licht, der Gipfelpunkt der
Hierarchie sei.*) «Die Autorität des römischen und aposto-
lischen Sitzes", sagt Abbo einmal^), , strahlt unter der Gunst
nnsere« Herrn Christus ttber die universale Kirche des ganzen
Erdkreises. Kein Wunder, da die Bischöfe dieses Sitzes das
Amt des hl. Petrus zu ftthren scheinen, welcher der Herr der
ganzen Kirche ist'' Er schreibt den Päpsten gesetzgebende
Gewalt ttber sämmtliche Kirchen und Klöster der Christenheit
zu: von den christliehen Kaisern sei es anerkannt worden, dass
das päpstliche Decret, das unter Androhung des Kirchenbannes
erlassen sei, nie und nimmer — wenn nicht die Not eine Aus-
nahme erheische — seine bindende Kraft verliere. Er hält es
darum auch fUr unerlaubt, alte Papstdekrete zu kritisieren und
umzustossen; er sieht in der römischen Kirche die Quelle aller
Autorität, die von ihr aus erst allen andern Kirchen, ihren
Gliedern zukomme: sie ist die Summe alles Rechts und wer
sich ihr entgegenstellt, trennt sich auch von den einzelnen
Gliedern der Hierarchie.^)
eruditione ad unitatetn eccksiae colligitur. Daher vermeidet auch Bischof
Gerard (Gesta Gamerac. III, c. 2) den Schein, über den Kopf des Metro-
politana mit Born in Verbindung zu treten. III, c. 6 wird ausgesprochen,
dass nur der Kaiser oder der Bischof das Recht habe, Abteien zu ver-
schenken. Allerdings ist das ganz etwas anderes, als Abbo wollte.
>) Acta concil. Rem., SS. III, 666.
*) Abb. coli. can. c. 5. Ich kann deshalb J. Harttung, Diplomatisch-
htstor. Forschungen p. 188 nicht zustimmen, wenn er meint, dass die
Canonsammlung Abbos fUr die geringe Rücksicht, die auf die päpstliche
Hoheit genommen wurde, sehr ausgiebig sei.
s) Abbonis epist. ad Heriveum bei Migne, Patrol. lat 189, 423: Si-
quideni Bomajia ecclesia 9ua super omneß ecclesias excellentia hoc habet pri-
282
Das Concil von St. Basle endigte damit, dass Arnulf
demütig mit einem Selbstgeständnis abdankte und die Bisehöfe
Gerbert znm Erzbischof erhoben, der Belbst noeb rechtzeitig
von der Partei Karls zn Hngo Capet Übergetreten war. Indes
war der Kampf der Gemüter keineswegs beendigt.
Die eigentliche Widerlegung der Aeusserungen Arnulfs
von Orleans gab aber nicht Abbo, sondern der römische Abt
Leo von St. Bonifazius, der Johann XV. als Legat in den
weiteren Verhandlungen der Reimser Sache doch noch vertrat,
allerdings nur in Deutschland >), um eine neue Verhandlung zu
bewerkstelligen und namentlich die französischen Könige vor
eine deutsche Synode zu ziehen. Er gehörte der römischen
Keformpartei an^), stand Abbo von Fleury persönlich nahe und
verkehrte viel mit ihm in Reims.^) Als er die Acten des Con-
cils erhielt, protestierte er in einem Briefe an Hugo und Robert
gegen die Angriffe des Bischofs von Orleans auf die päpstliche
Allgewalt. Die Tendenz des Schreibens entspricht völlig der
von Abbo und seinen Gesinnungsgenossen auf dem Concil vor-
gebrachten pseudoisidorischen Stellen, deren auch Leo eine
grosse Anzahl citiert. Bemerkenswert ist dabei, dass die Privi-
legien, welche der römische Stuhl zu haben behauptete, zuletzt
auf die Autorität Nicolaus L gegründet werden, nach dessen
Zeugnis sie von Christus gegeben seien, nicht von Synoden, die
sie nur feierten und verehrten, da Gott das Fundament gelegt
habe. Natürlich folgt daraus, dass es dann auch ganz gleich-
gültig sei, ob ein würdiger oder unwürdiger Papst auf dem
Stuhle Petri sitze. Leo sucht die Behauptung Arnulfs zu
widerlegen, dass öfter Päpste ihre universalen Ansprüche auf
höchste richterliche Entscheidung in Kirchensachen nicht gel-
vilegiif tU sictU claviger regni coelestis obtinet pri'iicipaiwn apostolixd cuU
miniSj ita eadetn Bonmna ecclesiu aiictoritatem trilmat amnUms quasi suis
metnbriSj quae sunt per quatuor climata totius orbis, Qui ergo Bonianae
ecclcsiae contradicitf quid aliud quam se a membris cius subtrahit, id fiat
portio aduet'sariorum Christi ? — Absit itaque^ absit^ tU sanctorum virorum et
niaxime antiquorum pontificum Romanorum scripta modernorum sustineant
praeiudicia et flocciperidant posteriorum sensa^ qvarum venerantur meniorias.
Abbo kann es nicht begreifen, wie der Erzbischof Arnulf von Tours den
römischen Privilegien von St. Martin zuwiderzuhandeln wage.
1) Havet p. XXVI. *) VgL unten.
3) Abbonis epist. 15 bei Migne 139, 459.
283
tend gemaeht hätten. .Immer hatte die römische Kirehe das
Privilegium'', sagt er, ^Gerechte zn rechtfertigen, Gottlose za
verdammen, Feinde zn vertreiben, treue Söhne zu erheben.*
Er weist die Behauptungen zurück, dass die orientalischen,
afrikanischen und spanischen Kirchen sich vom römischen
Stuhle loszusagen begännen und führt Beispiele an, welche
belegen sollen, dass noch in den letzten Jahren afrikanische
und spanische Prälaten in Rom erschienen seien und deutliche
Beweise ihrer Anerkennung der römischen Universalherrschaft
gegeben hätten. Daraus ersähe man, dass die römische Kirche
noch von allen Kirchen geachtet und verehrt werde, und nur
von dem gallicanischen Clerus verächtliche Behandlung erleide.^)
Auf der andern Seite verteidigte wieder Gerbert das Ver-
fahren der Majorität auf der Synode. In einer Denkschriff;,
die er im Sommer 995 im Auftrage des Bischofs Wilderod
von Strassburg verfasste^) und die fbr grössere Kreise be-
stimmt war 3), bestritt er, dass dem römischen Stuhl Unrecht
geschehen sei, auf dessen Antwort man achtzehn Monate ver-
geblich gewartet habe.^) Aber mag man, meinte er, wo es
sich um ein neues Urteil, um einen neuen Fall handelt, an den
römischen Stuhl, wie an ein göttliches Orakel appellieren: was
sollen aber die einmal gefällten Entscheide, wenn die vor-
liegenden Urteile nicht danach gebildet werden sollen, wozu'
haben dreihundertachtzehn Väter fttr die Ewigkeit Decrete er-
lassen, weiin sie nach dem Belieben eines Einzelnen abgeändert
oder vernichtet werden dürfen?*) Von Rom, das bisher fttr
die Mutter aller Kirchen galt, beisse es, dass es die Guten
verfluche und die Schlechten segne, und mit denen Umgang
halte, denen man den Gruss nicht bieten dürfe: es verdamme
die Eifrer Christi und misbrauche die verliehene Gewalt zu
binden und zu lösen. Ein ander Mal meint ^) Gerbert, selbst
der römische Bischof sei, wenn er gegen seinen Bruder sündige,
und die Kirche nicht höre, nach göttlichem Ausspruch fttr einen
Heiden oder Zöllner zu halten.
') Leonis epist, SS. III., 686 ff.
») Epist. 217, Havel p. 203—230.
») Vgl. Epist. 193, p. 193.
*) Epist. 217, p. 220. 8) p. 221.
^) Epist. 192 an Siguin vod Sens, p. 180,
284
So sehen wir auf der einen Seite den König mit den
Bischöfen Franciens, auf der andern die mönchische Opposition
mit dem Papst.
IV.
Während in dem Streit über die Absetzung Arnulfs und
die Erhebung Gerberts auch das deutsche Reich mit seiner
Geistlichkeit Partei nahm und der Papst schliesslich so weit
ging, Gerbert und die Bischöfe zu excommunicieren *), welche
gegen den verräterischen Erzbischof gestimmt hatten, dauerte
der kleine Krieg zwischen Abbo und dem Bischöfe von Orleans
fort Hugo Capet hatte jedenfalls die exceptionelle Stellung
FleuryR dem Bischöfe von Orleans gegenüber anerkannt, denn
als er im Nov. 991 Arnulf die Herrschaft Über die Abteien seines
Sprengeis bestätigte 2), begriff er die Abtei Abbos nicht mit ein.
Mehr Glück hatte der Bischof noch im Jahre 993 am Hofe, als
Hugo in der Fehde gegen den Grafen Odo von Chartres die
Hilfe des Bischofs von Orleans brauchte, die er nur dadurch
erkaufen konnte, dass er dem Neffen des Bischofs, Arnulf von
Y6vre-le-Chatel, der als Vogt Fleury beraubte, eine jährliche
Weinrente seitens der Abtei gewährte, so lange der Bischof
am Leben sei.^)
Die Feindschaft des Bischofs gegen Abbo und seine Abtei
verschärfte sich schliesslich so sehr, dass Kriegsleute Arnulfs
den Abt einst bei Nacht auf dem Wege nach Tours, wo er
das Martinsfest feiern wollte, überfielen, ihn mit Schmähungen
überschütteten und einige seiner Leute sogar tödtlich ver-
wundeten. Dass der Bischof nicht ganz damit unzufrieden war,
ging aus der geringen Strenge hervor, mit der er die Uebel-
thäter bestrafte. Als nun einige dieser Leute kurze Zeit darauf
entseelt in ihren Betten gefunden wurden, ward das natür-
lich gegen Abbo ausgebeutet; so kam es, dass mehrere höhere
Geistliche, ja sogar Benedictinermönche den Abt mit gehässigen
Klatschereien verfolgten. Die Stimmung, die sich in clericalen
Kreisen gegen Abbo geltend machte, steigerte sich noch nach
einem sehr unangenehmen Auftritt in St Denis.
1) Havet p. XXVI. «) HF X, 556.
8) Urk. Hugos V. 993 HF X, 561 ; vgl. v. Kalckstein, Capetinger I, 444;
Pardiac, Hist. d'Abbon p. 310; Gertain, Arnoul a. a. 0. p. 154.
285
Zu den zwischen Bischöfen und Aebten bestehenden Streit-
punkten war ein nener getreten. Im Lanfe des 9. Jahrhouderts
waren in dem Masse, als Kirchen und Capellen materielle
Wertobjekte wurden, auch die zu diesen gehörigen Kirchen-
zehnten vielfach in die Hände von Laien und Klöstern über-
gegangen. Der Kirchenpatron, der auf eigenem Grund und
Boden eine Kirche errichtete, erhob mit dem Anspruch auf die
Verfügung und Vererbung derselben, auch Anspruch auf die an
sie fälligen Zehnten und Oblationen. Ebenso erhoben die
Klöster den Zehnten von den in ihrem Besitz befindlichen
Kirchen und die Bischöfe selbst überwiesen in zahlreichen
Fällen neugegrttndeten oder reformierten Abteien Capellen und
Kirchenzehnten, die auch von Königen und Päpsten bestätigt
wurden. In einzelnen Fällen wurden diese Abgaben zwar
immer seitens des Episcopats angefochten i), zu einer syste-
matischen, umfassenderen Agitation gegen die im Besitz von
Laien und Mönchen befindlichen Zehnten kam es jedoch erst
gegen Ende des 10. Jahrhunderts. Es waren wieder die
Bischöfe Franciens, welche die Berechtigung der Laien und
Klöster sie zu erheben, in Frage zogen. Sie erklärten, dass
aller Grundbesitz, mit dem eine Kirche zu ihrem Unterhalt
ausgestattet war, sowie die Zehnten ^in der Hand*" der Bischöfe
seien.^) Abbo bestritt diese Auffassung aufs energischste. Die
genannten Dinge befänden sich nur soweit in der Hand der
Bischöfe, als das Reich in der des Königs.^) So wenig im
letzteren Falle dem Unterthan die Möglichkeit abgestritten
werden könne, echtes Eigentum an Grund und Boden zu er-
werben, so wenig seien die Bischöfe berechtigt, ihren kirch-
>) Vgl. die Urk. Johanns XI. von 931 für Cluni: Decimas vero, quae
olim ad vestras capeüas pertinuerunt et per modemam quasi auctoritateni
sire licentiam a quolibet episcopo subtractae sunt, vobis ex integro restU
tuimus; vgl. die Bulle Leos VII. v. 938 fUr D6ols (N. Arch. XI, 379):
Decifiuis vero, quae olim ad vestras capeüas pertinuerunt, vobis ex integro
deUgcanus, ita ut nullus quidquam inde subtrahere praesumat. Vgl. die Urk.
Gregors V. f. Romainmoutier in M^moires de la Suisse Romande III, 425.
') Abbonis Epist. 14. ad G.: fingentes tegnam boncan saeculis in-
auditam, quod ipsae dotes non sint ecclesiarum, sed potius altarium . . Quod
vero sacerdotes Domini ecclesiarum dotes et decimas in manu sua cofisistere
canonum auctoritate confirmaftt.
>) Nampraedictae res in manu sunt episcopi, siciU regnum in manu regia.
266
liehen Untergebenen den Erwerb von Zehnten und Oblationen
zu verwehren. Der privatrechtlichen AafTassnng setzte er die
öffentlich-rechtliche entgegen. Wenn wirklich alle Zehnten in
der Hand des Bischofs seien, dann wäre es doch wunderbar,
dass die Canones nnr den dritten und vierten Teil derselben
dem Bischöfe zugeständen. Man wolle die Oblationen der
Kirche den Waisen, Wittwen, Armen nnd Fremden entziehen,
um sie mit den Altären in den Besitz von Laien zu bringen,
ebenso wie das Ausstattungsgut der Kirchen, das den Armen
entzogen, den bischöflichen Vasallen als Geschenk oder Lehen
überwiesen würde. Man ging sogar noch weiter, indem man
geradezu behauptete, Kirchen könnten überhaupt nicht im Be-
sitze von Mönchen sein.^ Abbo wirft die Frage auf: einer seiner
Vorgänger habe auf klösterlichem Terrain eine Kirche erbaut
und ausgestattet, — hat deswegen das Kloster den Besitz ver-
loren oder konnte der Abt ihn überhaupt dem Kloster entfremden ?
Zu St. Denis erfolgte in der Zehntenfrage der Hauptschlag
der dort versammelten nordfranzösischen Bischöfe.^) Hier ge-
schah es, dass unter den energischen Protesten des Abtes
von Fleury die Bevölkerung und die Mönche sich zum Auf-
ruhr zusammenrotteten. Als nun die Bischöfe von Schrecken
erfasst, voran der Erzbischof Sewin von Sens, Hals über Kopf
auseinanderflohen und auf der Flucht von der Menge nicht ge-
schont wurden, machte man Abbo fttr den Aufstand verant-
wortlich. Die Aufrührer wurden excommuniciert Das hinderte
jedoch Abbo nicht, weiter mit ihnen zu verkehren, hatte er
doch jetzt den Hof auf seiner Seite, wo man das Verfahren
des Episcopats entschieden missbilligte. Der Bischof von Or-
leans fiel geradezu aus der Gnade des Königs; es konnte nicht
fehlen, dass die ganze Wut der Gegner sich gegen Abbo rich-
tete. Man warf ihm vor, dass er Arnulf die Gunst des Hofes
entzogen habe und dass er weiter mit den Excommunicierten
in Verbindung bliebe.^)
*) Q\M>d monachi ecclesicLS tenere nequirent,
■) V. Abb. c. 9 : uixta vulgare proverbium cunctum suum sermonem
ad decimaa veHerunt eccleaiammj quas laida ac Deo aervientibus monachis
auferre moliti . .
') lieber die Thatsachen handeln neuerdings Pfister, l^tades sur le
regne de Robert le Pieax p. 818 ff; Gertain, Amoul p. 454. Der Bischof
287
Abbo hatte bei den Königen stets in Gnnst gestanden^);
Hago hatte seine Wahl gefordert nnd bei dem nahen Verhält-
nis, in dem Fleury zam Hofe stand, mochte er das Auftreten
des Bisehofs gegen den Abt von vornherein verurteilt haben.
Abbo selbst war viel an den Hof gekommen. Als jetzt die
Gegner mit ihren Anklagen zu den Herrschern drangen, sah
sich Abbo genötigt, sieh den Königen Hugo und Robert
gegenüber zu rechtfertigen. Voll herber Bitterkeit schrieb er
an Robert , eingedenk des Salzes, das er einst im Palast ge-
gessen habe". Er wehrt sich gegen den Vorwurf der Unwahr-
heit und bemerkt, dass er sich bisher höfischer Redeweise 2)
bedient habe. Die Schrift, die er ihnen übersandte, der Apo-
logeticus, ist ein kirchenpolitisches Document ersten Ranges:
es enthält mit der ihm angefllgten Liste der verbesserungs-
bedttrftigen Punkte ein Programm der Mönchspartei, durch
welches diese auf das neue Königtum zu wirken suchte.
Täglich nähre ihn, sagt Abbo'^), in seinem Hirtenamte das
Wasser der Not und das Brot der Bedrängnis ; mit hündischem
Zahn beisse ihn die tückische Schlauheit der Nebenbuhler und
begeifere ihn oft die scharfe Zunge der Gegner und aus
keinem andern Grunde murrten sie gegen ihn, als weil er
die Rechte des Mönchstandes vertrete und das Gedeihen des
Staates erstrebe. Auch die königliche Majestät würde sie nicht
abhalten, ihn zu töten, wenn sich ein geeigneter Ort und eine
günstige Gelegenheit biete. Hinsichtlich der Anklagepunkte
erklärte er, er entziehe sich der Prüfung der Könige und anderer
verständiger Männer durchaus nicht Was den Vorwurf anbe-
trifft, er habe die Mönche gegen die Bischöfe aufgehetzt, so
habe er im Gegenteil bei jener Aufruhrscene in Saint-Denis
tiefen Schmerz empfunden in der Erinnerung an das frühere
gute Verhältnis zu Sewin, an seine Vergünstigungen und aus
Ehrfurcht vor seinem grauen Haar.^) Auch sei er, wenn man
schrieb eine Schrift CartiÜago eius quasi lamina ferri (Cod. Christ reg.
nr. 633), die bisher nicht bekannt warde, gegen Abbo ; vgl. Certain p. 457 ;
Pardiac p. 288; Archiv XII, 302.
*) V. Abb. c. 8 : ai quibua . . . quam maxime amabatur.
*) Abb. epist. ^d Robertnm, Migne 139, 424: menwr saliSj quod ali-
quando in pcUatio comedi . . . pakUina facundia hactenus usus sum.
*) Apologetiens, Migne 139,461.
*) Apologeticus col. 468.
2d8
ihm Einwirkung auf den Hof zu Ungunsten des Bisehofs vor-
werfe, weder Gott noeh ein Zauberer, der die Sonne anderer
naeh Belieben umwandle, überdies ziele die Anklage eigentlich
gegen die Könige. Wie oft habe er Gesandte im Interesse
des Friedens geschickt und selbst gebeten.^) ' Bei jeder regu-
lären Forderung habe er sich dem Bischöfe willfährig erwie-
sen, natürlich unbeschadet der Rechte seines Klosters. Wenn
dieser ihn endlich des Umganges mit den excommunioierten Mön-
chen zeihe, so habe er nur nach des Bischofs eigenem Beispiel
gehandelt, der die Söhne Belials, die in nächtlichem Banb-
anfall auf ihn sich stürzten, um ihn zu töten, wieder auf-
nahm, trotz ihrer Bannung durch den Erzbiscbof Sewin von
Sens, Odo von Chartres und andere fromme Männer. 2) Am
Ende wendet sich Abbo direkt an König Robert, den er mit den
Worten anredet, die Horaz in seiner ersten Ode seinem Freunde
Maecen widmet. Er bemerkt am Schlüsse: Wenn er nach Gott
und den Heiligen besonders durch die Hülfe und den Rat des
jungen Königs gestutzt werde, dessen Erwähnung er bei seinen
täglichen Gebeten niemals übergehe, so werde er endlich dem
Hauptinhalte nach, was im fränkischen Reiche am meisten der
Verbesserung bedürfe, der Schrift beifügen, damit die Regierung
die Bischöfe veranlasse, die betreffenden Misstände in ihren
Synoden auf canonische Weise zu verbessern.
Diese Beilage ist vermutlich verloren gegangen. Denn
dasB die Canonsammlung, die uns von Abbo erhalten, mit der
von ihm angekündigten Aufzeichnung identisch ist, muss man
wohl angesichts der Thatsache bezweifeln, dass jene keinerlei
Verweis auf die Hauptschrift enthält pnd die Worte der letz-
teren mehr auf eine Liste der Gravan^ina, als eine Sammlung
von Rechtsstellen sich zu beziehen äteheinen. Einen Ersatz
für das vermisste Actenstück vermag die Canonsammlung frei-
lich auf jeden Fall zu bieten.^)
^) Apolog. col. 469: An sdre potero, qtwOes legatos miaij quotiea de
pace rogavi, quotiea me aupplicem obtuli?
*) col. 469 : eiu8 exeniplo lUique fecij qui ßio8 BelicU nocturna UUro-
cinio in meam necem grasaantes recepit, postquam eo8 ancUhematizaverat
8UU8 archiepiscopiis singiUaris meriti Siguinus et Odo Camotensium epis-
copuSf necnon et alii magnae vitae et religiosi viri.
') Als Zweck derselben giebt er in der Praefatio an : Ad defensionem
quoque monastid ordinis plura congessi . . Es lag daher sehr nahe, darauf
289
Wie bereits durch den Hinweis anf die karolingischen
Vorgänger in der Widmung, so suchte Abbo auch im dritten
Capitel, das ttber das Königsamt handelt, Hugo und Robert
an die Regierung Karls des Grossen und Ludwigs des Frommen
zu erinnern und somit an das Königtum der letzten Dynastie
anzuknüpfen. <) Im folgenden Abschnitt betont er die Not-
wendigkeit, dass die Grossen des Reiches den König durch
Treue und Ehrfurcht unterstützen. Deshalb fordere der ge-
wählte König von allen Unterthanen den Treueid. Es sei
aber — und damit wird deutlich auf gegenwärtige oder jüngst
verflossene Ereignisse der ersten Zeit Hugos angespielt —
besser der Wahl eines Fürsten die Zustimmung zu versagen,
als nach Anerkennung seiner Wahl ihn zu verwerfen.^) Ebenso
zeigt der angeführte Canon von Toledo, dass die Ausführungen
vornehmlich gegen die rebellierenden Grossen gerichtet sind,
die Hugo nach seiner Erhebung Schwierigkeiten bereiteten.
Wer den königlichen Vorschriften, denen er für das gesammte
Reich bindende Kraft zuschreibt 3), widerstrebe, meint Abbo,
der zeige dadurch, dass er den König weder liebe noch
zu beziehen Y . Abb. c. 7 : assumptisque ex phwimorum patrum atictori-
tatibus sententiis . . . Quod licet ad praesens non reperiatuTj partim
nostrorum negligentia, partim extraneorum sii^tractum cupiditatej certum
tarnen estj idcirco eum excerpsisse, quo haberet ad manum defensiones
contra pontificem ecclesiae Awrelianensis, non recta quaedam ab eo exigen-
teni. Mabülon hat auch gemeint, dass die hier erwähnte Ganonsammlung
identisch mit der erhaltenen sei. Indessen lassen sich dagegen Bedenken
erheben. In der erhaltenen Gollectio sind nämlich gerade auctoritates
patrum höchst selten angeflibrt. Wenn es nun auch nicht ausgeschlossen
ist, dass Aimoin, der nur nach der Erinnerung schrieb, sich nur ungenau
ausdrückte, so muss auf der andern Seite als wahrscheinlicher hingestellt
werden, dass der Biograph eine Sammlung von Kirchenväterstellen im
Sinne hat, die jetzt mit Vor- und Nachwort als Epist. 14 ad G. erhalten
ist Hier werden über die Abbo vornehmlich berührenden Fragen (Be-
lästigungen der Klöster durch Bischöfe und Cleriker, ungerechte Excom-
municationen, Zusammenleben der Bischöfe und Cleriker mit Frauen) in
der That Gregor I, Hieronymus, Leo I, Isidor, Ambrosius u. s. w. citiert.
*) Vgl. Luchaire, Institutions polit. I, 45.
■) Coli. can. c. 4 : ita melius est electioni principis non subscribere
quam post subscriptionem electum contemnere vel proscribere.
') Vgl. Sacknr, Zu den Streitschriften des Deusdedit und Hugo von
Fleury, N. Arch. XVI, 371.
Sftoknr, Claniaoenier. I. 19
290
fürchte. ^) Aber woher komme das alles, wenn nicht von der
zu grossen Milde des Königs? 2) Indem der Verfasser in ge-
schickter Weise ein Gapitnlar Karls des Grossen heranzieht,
in welchem dieser die Nichtbefoignng gewisser Verordnungen
scharf bedroht, richtet er die Blicke des Hofes wiederum auf
die widerstrebenden Bischöfe und weltlichen Grossen und sucht
zugleich das Königtum durch Anerkennung der allgemeinsten
und umfassendsten Rechte für sich zu gewinnen. 3) Abbo
empfiehlt also den Königen strenges Vorgehen gegen jedwede
Opposition auf Grund der Rechte der königlichen Macht und
auf Grund des von den Unterthanen geschworenen Treueides.
Die übrigen Titel enthalten Weisungen bezüglich der
Geltung der Papstdecrete, Ehre und Verwaltung der Kirchen,
Bischöfe und Clerus, Aebte und Mönche, Gläubige, kurz über
alle möglichen Verhältnisse mit Berufung auf Synodalcanones,
Papstdecrete und Stellen des römischen Rechts. In mehreren
Canones wird der kirchliche Besitz behandelt und namentlich
das Verhältnis der Gläubigen zu den von ihnen überwiesenen
Gütern. Aber weder in diesen, noch in andern auf die Ver-
waltung bezüglichen Vorschriften*) liegt der Schwerpunkt des
Programmes, sondern vielmehr in den Abschnitten, die sich
mit den Pflichten und Rechten des regulären und weltlichen
Clerus beschäftigen. Auf den ersten Blick lässt sich erkennen,
was Abbo als Zweck der Sammlung in der Vorrede bezeichnet:
Schutz der Abteien und Mönche gegen die Anmassungen der
Bischöfe. Auch dem Clerus gegenüber soll der Einflnss und
die Gewalt des Episcopats auf das canonische Mass beschränkt
werden.*^) Wenn wir Titel finden, welche die simonistische
Erwerbung der Bischofssitze^), sowie Designation des Nach-
folgers durch den Bischof) untersagen, Verbote, welche die
Belästigung der Stifter durch Bischöfe und Cleriker^), die will-
^) Coli. can. c. 6 : Quapropter qui praeceptis regalibu8 contradicit se
regem non diligere nee timere ostendit.
') Sed unde hoc contigitj nisi ex nimia tnansueiudine regis?
*) Luchaire I, 43 urteilt: L*abhi de Fleury^ Abbotif semble n'avoir ete
dans ses canons que Vorgane plus ou moina atUorise du gouvemement de
Uugue Capet.
*) c. 7—9. 25. 29. 30. 32. 34. 91.
») c. 12. •) 0. 13. 0 C.42. •) 0. 16.
291
kürliche VeräasseruDg von Kirchengnt dnrch den Bischof^)
betreffen, Titel, welche von der Isolenz der Bischöfe den
Mönchen gegenüber^) nnd von der gewaltsamen bischöflichen
Besitzergreifnng von Kirchen nnd Gemeinden mit Umgehung
des Rechtsverfahrens ^) handeln, Titel, die sich mit den Söhnen
der Bischöfe, Priester und Diaconen*) beschäftigen, — dem
niederen Clerus war die Ehe erlaubt*) — die von der Habsucht
der Priester ö) reden — so sieht man, dass Abbo den Königen
die Sünden des Weltclerus vor Augen stellen will, dass er
die Regierung im Sinne der Mönchspartei gegen den Episcopat
zu beeinflussen unternimmt. Indem der Abt den Herrschern
die rechtsphiloBophische Grundlage nachweist, von der aus sie
allen Widerstand niederzuschlagen vermögen, legt er ihnen
gleichzeitig das Programm seiner Partei in die Hände, mit der
Aufforderung, ftir die Durchführung desselben Sorge zu tragen.
V.
In dem Streite mit dem Bischof von Orleans um die
Gunst des Hofes hatte Abbo den Sieg davongetragen. Die
Könige hatten sich soweit gegen den Episcopat erklärt, dass
sich Gerbert bedroht sah und die Bischöfe gezwungen wurden,
vor den Excommunicierten von St. Denis die Messe zu cele-
brieren, mit Rücksicht auf die päpstlichen Privilegien dieser
Abtei.'') Es war vermutlich während dieser Händel, oder kurz
vorher, als Hugo Capet im Frühjahr 994 Abt Majolus von
Cluni zur Reform nach dem dicht bei Paris gelegenen Kloster
herbeirief. . Man klagte sogar Gerbert, den Erzbischof von Reims,
an, Bischof Arnulf, mit dem er in kirchenpolitisehen Fragen
stets eins war, am Hofe angeschwärzt zu haben ; in dem Briefe,
in welchem er dem Bischöfe gegenüber diesen Vorwurf ab-
weist, bemerkt er, er habe sogar bei seinen Bemühungen, ihn
») c. 41.
*) c. 23: De clericis qui monachi volunt fieri et de insolentia episco-
porum in monachoa.
^) c. 28 : De ^nscopia invasorUma p^'oetermiasa synodo.
*) c. 40: De filiis preshyterorum vel episcopomm vd diaconorum.
^ Apolog., Migne 139, 464: nam omneSj qui sunt inferioria gradua^
per ahusionem clerid vocantWj dum eia aicut et laicia ex indulgentia per-
mittitur aaciari coniugibua, ^) c. 85: De avaritia aacerdotum.
0 Gerberti epist. 190, Havet p. 176.
19*
292
za verteidigeD, sich den Bissen der ^Palastbnnde* preis-
gegeben.^) Noch bei Lebzeiten Hugos hatte sich die Haitang
der Regierung geändert. Die Mönche hatten dem gallicaniscben
Episcopat d^n Rang abgelaufen. Um dieselbe Zeit vielleicht
änderte Hugo auch seine Politik dem Papste gegenüber, indem
er directe Fühlung mit ihm anstrebend, einen Archidiacon der
Reimser Kirche zur Aufklärung der Sache Arnulfs nach Rom
sandte und Johann XV. eine Zusammenkunft in Grenoble vor-
schlug, , damit Ihr einsehet, dass wir und die nnsrigen Eure
Urteile nicht umgehen wollen." 2) Noch im Jahre 995 scheint
Abbo im Auftrage Hugos als Unterhändler nach Rom gegangen
zu sein, zugleich in der Absicht, die Privilegien seines Klosters
bestätigen zu lassen. Aber da er den Papst käuflich und
geldgierig fand, wandte er sich voll Abscheu von ihm ab und
kehrte nach einem Besuch der heiligen Orte zurück, nachdem
er noch in Rom ftir sein Kloster Einkäufe gemacht hatte.^)
Während der abgesetzte Arnulf von Reims immer noch
im Gefängnis schmachtete, war in Rom auf Johann XV. Ottos III.
Vetter Gregor V. im Mai 996, und wenige Monate später, nach
dem am 24. Oci 996 erfolgten Tode Hugos, König Robert II.
als alleiniger Herrscher auf dem französischen Throne gefolgt.
') Gerb, epist. 190, p. 177: Non ergOj ut vohia relatum est, mea tu-
lentia in vo8 sevit nee ehctUio dwa absenti amico detraxitj aed dum vos
excusare nisits su/m, me pene accuaaium pakUinia canibus obieci.
') Gerberti epist. 188 p. 74. Die Stellung des Briefes in der Samm-
lung der Briefe Gerberts spricht dafür, dass wir ihn etwa in die letzte
Zeit Hugos setzen, ebenso was im folgenden bemerkt wird.
°) V. Abb. c. 1 1 weiss nur von einer Reise Abbos unter Johann XV.
privileffia ecclesiae aibi commissae corroboratvrus , imo renovatwrus. Eine
Reise nach Rom vor der von 997 bestätigt Abbo selbst in einem Briefe
an Leo von St. Bonifazius, Epist 15: 8ed Bomanam ecclesiam digno
viduatam pastore, heu pro dolor I inveni. Die Auslegung des «digno vi-
duatam* giebt die V. Abb. Nach Aimoin fand die zweite Reise paucis
labentibw annis statt. Nun lesen wir in Gerb, epist. 191 (nach der
Stellung in der Sammlung spätestens 995): Satis super venerabilis A. lega-
Hone miratus sum. Beferebat quippe . . (das tolgende fehlt). Es handelte
sich, wie das spätere zeigt, um eine Gesandtschaft nach Rom und die
Unterhandlung über Arnulf. Der Schluss, dass A. kein Anderer als Abbo
ist, der in diesen Jahren eine Reise unternahm und auch später mit Gre-
gor Y. verhandelte, ist sehr naheliegend. Dass Aimoin nur von seiner
Absicht, die Privilegien erneuern zu lassen, weiss, ist kein Argument da-
gegen, denn er ist offenbar schlecht unterrichtet.
293
Damals schrieb Abbo an Leo Yon St Bonifazins, er habe ge-
hört, die- apostolische Würde sei wieder anfgerichtet dnrch
einen Mann von kaiserlichem Blute, wohl ansgerttstet mit
Tugenden und Weisheit,^) Der Papst nahm die Sache des
römischen Stuhles mit Energie auf. Wohl noch bevor Robert
jetzt die Hand zum Frieden bot, fand jene italienische Synode
statt, auf welcher die Theilnehmer des Concils von St. Basle mit
dem Anathem belegt wurden und der König, der kurz vorher die
ihm nahe verwandte Berta von Burgnnd geheiratet hatte, nebst
den Bischöfen, welche dieser Ehe zugestimmt, die Aufforderung
erhielt, zur Rechtfertigung zu erscheinen.^) Angesichts des
drohenden Interdicts^) und vermutlich in Folge des energischen
Vorgehens des Papstes beauftragte König Robert im Spätherbst
997 Abbo von Flenry, der ihm vorher besonders nahe gestanden
hatte — an Robert hatte der Abt sich speziell in der Verteidi-
gungsschrift gewendet — nach Rom zu gehen. Abbo traf mit
Gregor, nachdem er ihn in Rom vergeblich gesucht, in Spoleto
zusammen^), da der Papst sich vom 29. Sept 996 bis zum Febr.
998 als Vertriebener ausserhalb seines Bischofssitzes aufhalten
musste.^) Beide befreundeten sich eng miteinander, blieben
acht Tage zusammen und tauschten ihre innersten Gedanken^^)
mit einander aus. Abbo ertrug gern die Anstrengungen und
Besehwerden der Reise — er klagte namentlich über die un-
gewohnte Zubereitung der Speisen in Italien, die ihn fett
machte — in der Hoffnung, dass Gregor der Mann wäre, „der
') Epist. 1 5 : erectum esse apoBtoUcum decus per quendam imperialis
sanguinis t^rum, totwn virtvttibus et sapientia compositum,
*) Auch Pfister, Etudes p. 53 verlegt die Synode vor Abbes Sendung,
die dadurch gut motiviert wird, v. Kalckstein p. 460 nach Abbos Legation.
Indes halte ich nach Einleitung der Unterhandlung eine Excommunication
der Theilnehmer an dem Concil von St. Basle für unmöglich, da der König
hinsichtlich Arnulfs ja ohne weiteres nachgab.
>) V.Abb, c. 11. Dass es bereits verhängt worden sei, wird von
Pfister p. 57 bestritten, der mit Recht bemerkt: Nul document contemporain
ne nous autorise ä affirmer ce fait. Die Stelle der V. Abb. sowie die
Bestimmung in der Bulle Gregors V. ftir Abbo, dass das Kloster bei
einem allgemeinen Interdict davon nicht betroffen werden solle, lässt
jedoch darauf schliessen, dass damals von. solchen Dingen wohl die
Bede war. *) V. Abb. c. lt.
^) Gregorovins, Gesch. d. Stadt Rom III, 448 ff.; J.-L. p. 491.
*) Sie sprechen de passionibus animae.
294
den alten Zustand der Religion wiederherstellen könnte." <)
lieber die Einzelheiten der Unterhandlung können wir nur
SchlttBse machen. Abbo war namentlich beauftragt worden,
das für ganz Frankreich angedrohte Interdiet zu hintertreiben.
Der Papst verlangte, dass Robert erst die uncanonisehe Ehe
mit Berta, der Wittwe Odos I. von Chartres, aufgebe^), wofür
Abbo zu wirken versprach, lieber die Wiedereinsetzung des
abgesetzten und gefangenen Arnulf von Reims einigte man
sich ohne Weiteres und Abbo trug seinerseits vom Papst die
Anerkennung fOr seine Verdienste in einer Urkunde davon 3),
die sich wörtlich an das Privileg Benedicts VIT. von 980 an-
lehnte und nur insofern Erweiterungen enthielt, als decretiert
wurde, dass ein allgemeines Interdiet die Mönche von Flenry
nicht treffen solle. Femer wird ein Recht, das Leo VII. be-
reits gewährt hatte, wiederholt: fremde Mönche irregulärer
Klöster aufzunehmen, bis die Ordnung in diesen wiederher-
gestellt sei.
Mit dem Pallium für Arnulf und dem Befehl seiner Be-
freiung reiste Abbo ab. Ihm selbst hatte der Papst seine Kasel,
deren er sich bei der Messe zu bedienen pflegte, und Weihrauch
geschenkt.^) Der König war mit dem Erfolg der Sendung
unzufrieden; er Hess Abbo, als er vor ihn trat, seinen Zorn
entgelten. Dieser blieb ruhig; ihm galt das Versprechen, das er
dem Papste gegeben, weit höher als die Gunst des Herrschers.
Mit Heftigkeit griff er den König unter vier Augen und öffent-
lich seiner uncanonischen Ehe wegen an und ruhte nicht eher,
als bis er ihn zu dem Entschluss brachte, Gregor zu gehorchen wie
dem Apostel Petrus selbst, dessen Vertreter der Papst auf Erden
*) V. Abb. c. 1 1 : dummodo eum reperiret virum, per quem^ fama vul-
gantCj audierat ad pristinum posse statum religio7ii8 resurgere nortnam;
Otto, Papst Gregor V, Münster. Dissert. ISSl, p. 21 geht viel zu weit,
wenn er von seinem Streben spricht, in Rom eine wahre Reform nach
cluniacensischem Muster einzuführen.
*) Es ist bemerkenswert für die Stellung Fleurys zu Robert, dass
dieser Punkt von Aimoin vollständig übergangen wird; auch bei An-
führung der Briefe Abbos lässt er die betr. Stellen fort
') Idus Novembris, also v. 13. Nov. 997 (nicht 15., wie Pfistor notiert)
gedruckt bei Pfister, Etudes sur Robert le Pieux p. LVU.
*) V.Abb, c. 12.
295
war.O Abbo teilte das in einem Briefe dem Papste mit; sehon
die Uebersehrift ist für Abbo bezeichnend: «Dem stets in Christo
ehrwttrdigen Herrn, Bischof des heiligen Rom nnd des aposto-
lischen Stuhls nnd so dem Lehrer der allgemeinen Kirche/ 2)
Neben dem Bericht über seine Audienz beim Könige finden
sich Ausfälle gegen Arnulf selbst und Gerbert, die er tadelt, —
obwohl er sie als Freunde ehrt — dass sie die vornehmste fran-
zösische Kirche arm und gemein gemacht und zerrüttet haben.
Er fordert den Papst auf, derselben zu Hilfe zu kommen und
den alten Zustand unter Adalbero wieder herzustellen. Dann
folgen Klagen über Klagen über ranblustige Burgherren, die
sieh verheerend auf klösterliche Besitzungen werfen. Auf
diesen Brief scheint als Antwort Gregors ein Schreiben in
AbboB Hände gelangt zu sein 3), in welchem der Papst den
Abt auffordert, ihm sofort dureh einen Bruder R. Mitteilung zu
machen, wie es ihm gehe, über das Versprechen des Königs^)
und das Befinden des Erzbischofs von Canterbury. Am Ende
bittet er Abbo, ihm sein bestes Messbuch zur Erinnerung an
den speziellen Freund zu übersenden. Noch deutlicher tritt
das enge Verhältnis zwischen Gregor und Abbo, die eigentliche
Aufgabe, die dieser übernommen hatte, in einem andern Schreiben
des Abtes hervor.^) Er berichtet, dass er nach seiner Rückkehr
nach Fleury allen, die er sprach, erzählt habe, ein wie frommes
und gottergebenes Leben Gregor führe. Seine nahen Beziehungen
zum apostolischen Vater waren bald so bekannt geworden, dass
gar viele ihm grossen Einfluss in Rom zutrauten und ihn in-
ständigst um Fürbitte angingen behufs Absolution ihrer Sünden.
*) Epist. 1 ad Gregorinm: nee animositatem regis perhorrui, dum fidem,
quam vobis promiseram, ex asae servavij quandoquidem nihil addidiy nihil
minuif nihü immuiavi, nihü reliqui; Helgaudi V. Roberti c. 17, HF X, 107:
istvm aeque per domnv/ni et vctierabilem Abboneni . . . spreta mortis fomii-
dine dure increpatum privatim et publice. Cuins sancti viri iticrepatio
tarn diu perstitit, donec rex mitissimua reatum Buum agnosceret.
*) Epist 1 : Domino semper in Christo venerabili, sanctae Bomae et
apostolicae sedis praesuli ac ideo imiversalis ecclesiae doctori.
») Epist. 11 (Gregor an Abbo), Migue 137, 107.
*) de regia promissione hatte schon Mabillon auf die LOsung der un-
canonischen Ehe bezogen. Ebenso Pflister, Etudes sur le regne de Robert
]» Pieux p. 55.
») Epist. 8.
296
Beleuchtet wird Beine Stellung weiter, wenn er den Papst um
Bestätigung der Immunitätsurkunden zweier von einer reichen
Dame, Frau Hildegard, gegründeten Abteien ersucht
Im Auftrage und Interesse des französischen Hofes war
Abbo nach Rom gegangen, als Agent der Curie kam er in sein
Vaterland zurück. Aber der Einfluss, den er auf Gregor ge-
wann, war sicher ein sehr bedeutender^) Soll ihm doch der
Papst in jenen Unterredungen versprochen haben zu thun, was
Abbo ihm riete: „Deine Sache wird es sein zu bitten", sagte
er, „meine deine Bitten zu gewähren".
Dem gefangenen Arnulf wurde alsbald die Freiheit zurück-
gegeben 2); halsstarriger verhielt sich der König gegenüber der
zweiten Forderung, der Auflösung seiner Ehe, so dass Gregor V.
noch den Bannstrahl gegen ihn schleuderte. 3) Schliesslich
errang auch darin die Curie einen vollkommenen Sieg.
Nur wenige Jahre überlebte Abbo seinen Freund auf dem
Stuhle Petri. Im SchaflFen und Wirken fllr die Ausbreitung
der reformatorischen Bestrebungen fand er seinen Tod in der
Gascogne, wo Fleury das Kloster La R^ole besass. Vergeblich
hatten seine Vorgänger versucht, hier ein friedlich geordnetes
Klosterleben herzustellen; die Bemühungen der Mönche schei-
terten aber an dem Widerwillen und dem Hasse der sie und
den Klosterbesitz 4) beständig anfeindenden Basken. Abbo hatte
keinen besseren Erfolg; obgleich er bei einer Anwesenheit
daselbst sich mit den Söhnen Herzog Wilhelms Bernard und
Sancho ins Einvernehmen setzte, konnten sich die Mönchs-
colonien, die er nacheinander dort ansiedelte, nicht halten.^)
Ende October 1004«) entschloss er sich zu einer zweiten Reise,
auf der ihn die Mönche Remigius, Aimoin und der Bajulus
Wilhelm begleiteten. Am 28. October kam man nach Poitiers,
wo Abbo Gelegenheit fand, in innere Streitigkeiten der Abtei
St. Cyprian einzugreifen und Odilo von Cluni darauf aufmerksam
') V. Abb. c. tl: Poito ummi te volo nosse, Icgationeni tuam me
henigtw suscipere et quaeqxit miaseris nie fadurutn fore. Tumn auteni et^t
peterCf rneum vero petitis pro posse assensum praeberc.
«) Pfister, Etudes p. 54. «) J.-L. p. 494.
*) Vgl. Ademari bist. III, c. 39.
ß) V. Abbonis c. 16. «) Das folgende ib. c. 17—20.
297
zn maehen, dem das Kloster untergeben war. Nachdem der
Abt mit seinen Begleitern hier Allerheiligen gefeiert, brach er
am 2. Nov. auf und zog über Charroux nach NanteuiL Sonn-
abend den 4. November wurde AngoulSme erreicht. Hier weilte
er im Kloster St Eparch.i) Nach einigen Tagen, während
welcher Herr Girald von Aubeterre, ein Verwandter Aimoins,
und Aunenrudis, die Mutter desselben Mönches, Gastfreundschaft
gewährten, gelangte die kleine Beisegesellschaft nach La Räole,
wo es gleich am folgenden Tage, am 10. zwischen den Leuten
der Klosterbrüder und den Basken zu Streitigkeiten um das
Pferdefntter kam. Den Montag darauf, es war der 13. November,
gab es wieder Händel. Als der Abt ans seiner Studierstube
trat, um zu sehen, was es gäbe, wurde ihm der linke Arm
durch einen Speer durchbohrt, der zwischen den Rippen in
den Körper eindrang. Er vermochte sieh noch in das Innere
des Klosters zu schleppen, gab aber alsbald umringt von den
bestürzten Mönchen seinen Geist auf^) Herzog Bernard be-
strafte zwar die Mörder und sprach die strittigen Güter den
fränkischen Mönchen zu, aber diese mussten sich jetzt gefallen
lassen, dass König Robert ihnen gegen ihren Willen seinen
Halbbruder Gauzlin, einen unehelichen Sohn Hugo Gapets, als
Abt aufdrang.^)
Der streitbarste der damaligen Vertreter und Führer des
Mönchtums, war Abbo bei einer Prügelei ums Leben gekommen.
Er war eine ganz andere Natur als etwa Odo und Majolus:
ebensoweit entfernt von der theosophischen Richtung des letz-
teren, der die geistige Armut, die „weise Torheit Gottes*^ weit
über weltliche Wissenschaft gestellt hatte, als von der erhabenen
Tiefe des ersteren, der von einem kosmotheologischen System
^) Ademari hist. III, c. 3ü: Interea sunwiae phUosophiae ahbas S.
Benedicti Fhriacensis super Ligenm loci, fwnmie Abbo . . mmse Novenibri
in monaatcrio beati Eparchü Jwspitatiis est.
•) Ausser der V. Abbonis c. 21 vgl. Mirac. S. Bened. III, c. 2; Ade-
mari hist III, c. 89; Rod. Glaber III, c. 3; Wilhelmas Malmesbur. III, bei
Migne 179, 1573; Epist. encyclica bei Baluze, MIscoll. II, 114: Id. Nov.]
Necrol. Villar. (Beilage IV) : //. Id. Nov. Depositio donini Abbonis abbaiis.
Den richtigen Todestag haben die von Mabillon angeführten Necrol.
Silvin. nnd Kalend. Floriac.
*) Ademari hist. lU, c. 39.
298
aas an die Beurteilnng der Gebreehen der Welt heranging.
Er war zu sehr Weltgelehrter, um sieh mit Majolns zn be-
rühren, zu sehr practiBeher Politiker, um die Schäden der
Zeit von spekalatiTem Standpunkte zu betrachten. Seine
Studien — über die an anderem Orte ausführlicher zu reden
ist — bewegten sich vornehmlieh auf dem Gebiete der Mathe-
matik und Astronomie: schon das wies ihn auf exaete Ge-
dankenarbeit und hielt ihn vom Spiele der Phantasie fem.
Seine politischen Beziehungeu, die kirchenpolitischen Streitig-
keiten, in die er verwickelt wurde, namentlich aber der Con-
flikt mit dem Bischöfe von Orleans lenkten seine Gedanken
auf das nächste, unmittelbarste. Die Verteidigung des Mönch-
tums gegen den Episcopat war die Tendenz, die ihn be-
herrschte.
Er war unstreitig ein scharfer Verstand und stets zu
juristischer Durchdringung geneigt Er will den Königen die
Handhabe gewähren, die Gegner der Krone zu bekämpfen,
und entwickelt ihnen ein staatsrechtliches System, in dem ihre
Rechte bestimmt definiert sind. Er greift die herrschende
Simonie an, indem er den Rechtsirrtum aufdeckt, von dem die
Simonisten ausgehen.^) Er poltert nicht, er beweist. Auch
bei seinen Angriffen auf das Sittenleben und die Uebergriffe
des Clerus ergeht er sich nicht in breiten Ausführungen: es
genügt ihm auf die Belegstellen zu verweisen, mit deren Hülfe
den Schäden beizukommen wäre. Ein scharfer, energischer
Zug charakterisiert sein Auftreten, wie seine Schriften. Es
fehlt nicht an sarcastischen Aeusserungen.
Seine politische Thätigkeit, das nahe Verhältnis zum Hofe
und zur Curie erhöhte die hervorragende Stellung, die er als
Abt von St. B^noit bereits inne hatte. In manche innere
Klosterangelegenheit griff er ein 2); sein Rat war gesucht. Wo-
hin er auf seinen Reisen kam: er erfreute sich stets der ehren-
vollsten Aufnahme. Von den Achten seines Ordens stand ihm
Odilo von Cluni wohl am nächsten. Er nennt ihn den Fahnen-
träger der gesammten Religion 3), ihm fühlte er sich solidarisch
') Darüber an anderer Stelle mehr.
») Vgl. Epist. 8. 9. 11. 12.
3) In epist. 8. ad G. abbatem nennt er ihn: iUe totius rdiffionis .
signifer Odilo.
299
verbundenJ) Noch bevor die Nachricht von Abbos Tode sich
verbreitet hatte, war Odilo mit andern Aebten im Dec. 1004
znm Benedictsfeste nach Fleary gekommen.^)
Dem Abt von Cluni wenden wir nun unsere Aufmerksam-
keit zu.
^) Epist 12 an Odilo über St CTprian in Poitiers: quem locum post-
quam reperi vestrae subditum ditionif Twstrwm credidi; quoniam atnicorum
sunt ofnnia communia^ ut est quorundcmi sententia.
») V.Abb, c. 21.
Siebentes Capitel.
Anfänge Odilos.
i.
Etwa zur selben Zeit, da MajoluB und Wilhelm von Vol-
piano in den HerzogtUmeru Franeien und Burguud thätig
waren und Abbo von Fleury auf dem Concil von Saint-Basle
die kirchenreehtliehen Anscbauuugen des Möncbtums zur Gel-
tung braebte, legte ein Auvergnate Namens Odilo in Clnni die
MöDcbsgelübde ab. Er entstammte einer reichbegüterten und
angesehenen Adelsfamilie der Auvergne. In dem Flecken
Mereoeur im Departement Haute-Loire im Arrondissement
Brioude stand die Stammburg des Hauses, nach der sich
später die Mitglieder desselben benannten.^) Man hat wegen
des öfteren Vorkommens des Namens Hicterius in der Familie
Odilos vielleicht mit Recht vermutet, dass sie auf jenen Iterius
zurUckzufllhren sei 2), den Karl der Grosse 778 zum Grafen der
Auvergne machte 3); auf der andern Seite ist freilich nicht
ausgeschlossen, dass etwa ein ehemals von dem gräflichen
Hause abhängiges Geschlecht, welches später selbständig wurde,
») Vgl. Mabillon, Acta SS. VI, I, 554; Ringholz, Der hl. Abt Odilo,
Regensburg 1885, p. LXXX. Grundbesitz in Mercorfa schenken Odilos
Grossvater Hicterius und dessen Bruder an Saint-Julien de Brioude 911
und 912 bei Doniol, Cartnl. de Saint -Julien nr. 5. 37. Die Kirche St.
Stephan in Mercoria schenkt Bieter seinem Sohne Walter zwischen
936—964 (Cartul. de Brioude nr. 285); dieselbe Kirche kommt dann
zwischen 954 u. 986 durch dessen Bruder Berald, Odilos Vater, an St. Julien
(Doniol nr. 320). In der Chronik von Puy (Eist, de Langued'oc V, 2t)
heisst es : Stephanus de Castro vulgo nuncupato MercwriOj nepos beaii Odi-
lonis abbatis Cluniacensis.
*) Baluze, Bist, de la maison d' Auvergne I, 26.
') Abel, Jahrb. Karls des Grossen 1, 251.
301
traditionell an dem Namen des ersten Grafen festhielt. Der
erste Bieter, der nachgewiesen werden kann, ist der, welcher
im Anfang des 10. Jahrhunderts mit seiner Gemahlin Arsendis
der Kirche Brioade einige Schenkungen machte 9; sein Bruder
Golfald war Decan dieser Kirche, in deren Urkunden er in der
ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts öfter begegnet.^) Aus seinem
Erbe kam das Dorf Montaniacus noch auf die Generation
OdiloB.^) Hicter hatte mit seiner Gemahlin, soviel wir wissen,
vier Söhne: Stephan*), Walter, Nicedius und Berald.^) Letz-
terer, der Vater Odilos, war ein Mann, an dem man neben
seiner Kriegstüchtigkeit und seinem Reichtum vor allem Ver-
stand, Mannestreue und Ehrlichkeit rühmte. Er wurde deshalb
von allen Major, Maire, genannt. Seine Gemahlin Gerberga
war eine einfache, fromme Frau, die nach dem Tode ihres
Gemahls Heimat, Verwandte, Söhne und Reichtümer verliess
und sich als Nonne nach Saint-Jean d'Autun zurOckzog.<^)
Eine reiche Kinderschaar erblühte um die von den Standes-
genossen in mancher Beziehung vorteilhaft abstechenden Ehe-
leute. Der grosse Grundbesitz erlaubte nicht nur die Söhne
einzeln auszustatten; auch die Kirche erhielt mehr als einmal
Beweise von der Hingebung der ganzen Familie.') Unter den
acht oder neun Brüdern^) scheint Odilo zu den jüngeren zu
1) Cartul. de Brioade nr. S7 (H.Jahr Karls d. Einfältigen); er be-
gegnet denn nr. 285 (regnante Ludovico).
>) Gartnl. de Brioude nr. 5. 30. 36. 57. 112. 203. 220; Cartul. de Sauxil-
langes nr. 728.
^) CHOL III, nr. 2788 : Montaniacus, que ex hereditate Golfaldi avun-
culi nostri ad nos pervenit; 923 schenkt er an Sauxillanges aliquid ex here-
ditate meaj hoc estf in viUa quae dicitur Montanniaco sive in alio Monta-
niaco minore (Cartul. de Sauxillanges nr. 728).
*) Nobilis vir nomine Stephanus, dessen Eltern Jterius und Ärsindis
genannt werden, l^ommt Dec. 955 im Chartul. S. Theofr. ed. Chevallier 1888,
c. 276, p. 95 vor.
^) Die drei letzten begegnen Cartul. de Brioade nr. 820.
^) Jotsaldi praef. ad vitam Odilonis; Petri Damiani V. S. Odil. c. 1
(Bibl. Clan, col 315).
^) Vgl. ausser den schon angeführten Urk. der Cartulare von St.
Julien und Sauxillanges CHCL III, nr. 1838. 2135. 2788.
*) Sie Messen: Stephan, Ebo, Beraldus, Bertrann, Wilhelm, Eustorgius,
dann werden zwei flicterius genannt; möglicherweise beruht aber die
doppelte Nennung auf Versehen.
302
gehören, da die andern wohl sämmtlioh am vieles früher als
er starben*); der eine Hieter war am das Jahr 990 bereits
nicht mehr am Leben.^) Von den zwei Schwestern wählte
Blismodis den geistlichen Stand; sie ist als Aebtissin fast
hondertjährig gestorben^), die andere Adelgardis ward eine
vornehme Weltdame 4) and wahrscheinlich an einen Herrn von
Solignac verheiratet^); sicher ist sie nicht, wie man vermutete <^),
die Gemahlin des Vicegrafen Robert I. von Aavergne gewesen. '')
Mit dem übrigen aavergnatischen Adel stand die Familie wohl
in engen Beziehangen; wir finden die Söhne Beralds öfter als
Zeugen in Urkunden aufgeführt, welche Ueberweisungen von
Besitz in der Auvergne an Gluni betrafen.^) Auch standen sie
selbnt diesem Kloster kaum fern, dessen Mönche schon 992 ein
Haus in Puy besassen.^) Gerade mit diesem Bitum finden wir die
Mercoenrs seitdem in enger Verbindung; Odiles Bruder Berald
war hier erst Decan, dann Propst i^); ein Neffe Stephan, erst
0 Es geht das aus CHOL III, 2788 v. 1025 mit ziemlicher Sicherheit
hervor. Im Febr. 1021 lebten ausser Odilo Bertrandus, Stephanus und
Ebo noch ; sie Urkunden pro anima fratHs sui Bcraldi praepoaitij für die
Abtei St.-Chaffre, ubi sepultiis est idetn BeraUlus, id est in nionasterio
sancti PetH iuxta sanctum Hilariuniy ^in 8td)urbio Anicienai. ChartuL S.
Theofredi (ed. U. Chevallier 1888) c. 382, p. 134.
») CHCL II, nr. j 838.
^) Jots. mon. praef.; man wird annehmen können, dass sie Aebtissin
in St.-Jean d'Autun war, weil hier gerade ihre Mutter ins Kloster trat.
*) Odilo nennt sie in GUCL III, nr. 2788: Aldegardis aecundum sae-
culum nobilisaimae matronae.
») Im Chron. S. Theofredi (ed. U. Chevallier 1888) c. 12, p. 9 wird
erzählt: post quem dectus a fratribus accepit locum regiminis alter Vuil-
hertnuft, ex genere nobili de Castro Solemniaco oriundus, beati Odüonis ab-
batis Cluniacensis ex sorore nepos. Es kann sich das wohl nur auf
Aldegardis beziehen. I^lobilis matrona Aldeardis, Aldegardis erscheinen
im Ghartul. S. Theofredi c. 158. 174. 280, die aber weder untereinander,
noch mit der Schwester Odilos identisch zu sein scheinen.
") Baluze, Hist. de la maison d' Auvergne I, 27.
') Vgl. oben S. 84 n. 4.
^) CHOL in, nr. 2179 u. 2305. Freilich kommen dieselben Namen
in der Auvergne sehr häufig vor.
») III, nr. 1926.
^ Als solcher unterschreibt er CHCL III, nr. 2135. 2179; in 2788 v.
1025 wird er Aniciensis ecclesiae praeposittts genannt; 993 erscheint in
Puy ein Beraldus canonictis; wohl derselbe vgl Chron. S. .Petri c. 418,
303
Propst, dann Bischof dieser Kirche i); ein anderer Hildegar war
Canonicns in Pay^) und später begegnet noch eine ganze Reihe
von Anverwandten, die geistliche Aemter und Pfrttnden hier
in Besitz hatten.^) Unfern Puy liegt das Collegiatstift des
hl. Julian zu Brioude, das den Herzogen von Aqnitanien einst
sehr nahe stand 4); mit Brioude fanden wir schon Odilos Gross-
vater und Grossoheim in Beziehung und auch hier, an dieser
Kirche sind die Mercoeurs später nicht selten.^)
Zu Saint-Julien ward auch unser Odilo, der zum geist-
liehen Beruf bestimmt worden war, Gleriker; dass er daneben
einige Pfrttnden, wie die Abtwürde im weltlichen Chor-
herrenstift St Evodius zu Puy<^) und an der Kirche von
Mäcon^) genoss, ist durchaus unbeweisbar. Ein frühreifer
Mensch, an Kenntnissen und sittlicher Tiefe seinen Alters-
genossen voraus, lebte er in Brioude von seinen Knabenjahren
an, bis Abt Majolus einst den ebenso schönen, als begabten
jungen Cleriker kennen lernte.^) Es war vielleicht die Wirkung
des Eindruckes, den Odilo von dem Abte empfangen, dass er
noch als Canonicus die den Chorherren einst fllr die Bestattung
p. 158. Als praeposittts ist er nachzuweisen 1001 (Ghartul. S. Theofr.
c. 154 p. 72) — 1016, 31. Jan. (Chron. S. Petri Anic. c. 420, p. 150).
*) 1 025 ist er Aniciensis aecclesiae praeposittis : Chron. S. Petri Anic.
(Bist, de Langued'oc V, 21; ed. ü. Chevallier 188S, p. 160): Stephanus de
Castro viUgo nuncupato MercuHOf nepos beati Odilonis abbatü Cluniacensis . . .
starb und wurde bestattet in La Vouote, qiiod ipse cum beato Odilone
avunculo 8uo in propHa construxerat tellure; vgl. Mabillon, Acta SS, VI,
1, 554. Stephan folgte sein Neffe Petrus (Chron. S. Petri Anic. c. 424, p. 161).
>) CHCL III, 2788; vgl. Chart. S. Theofr. a. a. 0.; Chron. S. Petri Anic.
c. 423 p. 161. 3) Ringholz, Der hl. Abt Odilo S. 3.
*) Vgl. d'Achery, Spicü. 111, 370.
^) Ringholz a. a. 0. S. 3. Auch als PrOpste von Sauxillanges begeg-
nen mehrere Mercoeurs; vgl. Cucherat, Cluny au onzieine siede 1851, p. 25;
Gallia Christ. II, 675 ff. ») Gallia Christ II, 758 c. 988.
^ Ringholz S. 6 nach Gall. Chr. IV, 1105. Wenn femer R. aus der
Stelle des Wahldecrets Odilos : beati quidem Petri pridein clericum schliesst,
dass Odilos die Säcularabtei Saint-Pierre la Tour bei Puy besessen habe,
80 ist für clericum jetzt electvm zu lesen; vgl. CHCL III, nr. 1957.'
") Jost V. Odil. I, c. 2; vgl. Electio domni Odilonis v. 9: PatriMaiolo
iunxit 8e praeduce Christo. Ringholz S. 6 nimmt an , dass erst Wilhelm,
dann Miyolus mit Odilo zusammentraf; aber da wir wissen, dass Majolus
ohne ihn nach Cluni zurückkehrte, wird die von uns vertretene Auf-
&SBnng wahrscheinlicher.
304
seines Bruders Hieterias ttberlassenen Orundstlieke in der
Auvergne wieder zartickerwarb, um sie dem Kloster Clnni mit
der Bestimmung zu übertragen, dass eine Veränsserung nur
an seine Brüder gestattet sei.^) Endlich veranlasste ein Schüler
des Majolus, Wilhelm von Dijon, vielleicht auf des Meisters
Anregung ihn in Cluni selbst die Kutte zu nehmen.^) Im
Jahre 991 verliess der fast dreissigjährige die Heimat')
Ueber seine Thätigkeit im Kloster wissen wir nicht viel:
er war der erste bei der Arbeit und verrichtete die niedrigsten
Arbeiten, besorgte die Lichter, überwachte die kleinen zur Hut
übergebenen Kinder und fegte den Fussboden.*) Dass er aber
an klösterlichen Tugenden und persönlicher Tüchtigkeit die
andern übertroilen hat, vermag man daraus zu ersehen, dass
Mujolus, als er zu kränkeln und mit Altersschwäche zu kämpfen
begann, ihn bereits nach zwei Jahren zu seinem Substituten
wählen Hess; es geschah das wohl schon im Laufe des Jahres
992 ; seit dem Frühjahr 993 erscheint Odilo fast ausnahmslos
als Abt.^) Der officielle Wahlakt, an welchem auch die be-
nachbarten höheren KirchenfUrsten und weltlichen Grossen
•
teilnahmen, fand aber erst kurze Zeit vor des Majolus Tode
statt. König Rudolf III. von Burgund selbst, Herzog Heinrich
und sein Stiefsohn Otto Wilhelm, mehrere Bischöfe, hundert-
^) CHOL III, nr. 1838. Die Güter lagen in patria Arvemicaj in co-
mitatu BHvatensi, in vicai-ia de Aurato, in villa quae vocatur Saraciacus.
«) Rod. V. Wiihelmi c. 18.
5) Jots. V. Odil. I, c. 3.
*) Jota. V. Odil. 1, c. 4 u. Petri Damiani V. Odil. c. 1, wo erzählt wird,
dass Majolus vier Jahre darauf starb; danach offenbar Hugo Flav. zu 991 :
Odilo venu ad conversio^ieni Cluniaci et quarto anno sanctus Majolus obiit.
Dass er damals gegen 30 Jahre alt war, folgt aus Dam. V. Odil. c. 30 u.
Jots. I, c. 14.
^) Nach Syri V. Maioli zog sich Majolus zwei Jahre vor seinem Tode
von den Geschäften völlig zurück; diesen Zeitpunkt haben wir auch iür
die Wahl Odilos anzunehmen. In Urkunden begegnet dieser bereits ein-
mal im Juli 992 (CHOL III, nr. 1928), einmal in einem Diplom, dessen
Datum zwischen 992 und 993 schwankt, sonst aber bis auf wenige Aus-
nahmen, in denen Majolus noch auftritt, vom Mai 993 constant Bruel
meint, dass in nr. 1928 in der Datierung ein Fehler liege; ich denke, dass
die Existenz dieser Urkunde mit der Nachricht des Syrus vortrefflich
übereinstimmt. Wenn Ringholz S. 7 Odilo schon 991 Coadjutor werden
lässt, so ist das zu früh.
305
siebenundsiebzig Mönche der Congregation von Cluni unter-
zeichneten das Decret^) Wohl am selben Tage empfahl Budolf
die Besitzungen der Abtei den Fürsten, Richtern und Grafen
des Territoriums, auf dem Cluni lag, so viele sich in seiner
Umgebung befanden.^) Seit dem August 993 versah, so viel
wir sehen können, Odilo die Amtsgeschäfte des Abtes ziemlich
allein; im Februar 994 erschien vor ihm und andern Brüdern
in Cluni der Cleriker Majolus^) der auf eine Hufe zu Gunsten
des Klosters Verzichtete, dem er sie streitig gemacht hatte, und
der später noch einige Mal mit den Gerechtsamen der Abtei
^) Auf diesen offiziellen Act beziehen sich die Angaben der Viten.
Jots. I, c 4 : instante mortis articulo; Damiani c. 1 : Sed antequam humanitatis
debittim solveret, proximus tarnen beatae dormitionis articultis immineret,
beatum Odüonem sibimet in pastoralis officii cura substituit Bestätigt
wird diese Zeitansetzang durch das Wahldecret selbst, welches bereits
von Rudolph III. unterschrieben und also nach dem 1 9. October 938 aus-
gestellt ist. Dieses Schriftstück (CHOL III, nr. 1957) ist wörtlich Über-
einstimmend mit der bei des Majolus Wahl ausgestellten Urkunde. Es
erscheint mir dashalb fraglich, ob man die Angaben desselben ohne wei-
teres für Odilo verwerten darf, so, ob man die Worte: pridem dectum
fratrem . . . Odilonem reeligimus als Bestätigung für die Thatsache heran-
ziehen darf, dass bereits längere Zeit vor dem offiziellen Bestätigungsact
die eigentliche Wahl des Gonvents erfolgt war. Die Urkunde selbst ist
öfters gedruckt: d'Achery, Spicil. Ill, 379; Origines Guelf. II, nr. 62; CHOL
III, 1957 nach einer Copie mit wichtigen Varianten. Wenn Ringholz S. 10
so grossen Wert darauf legt, dass Odilo heftig widerstrebend nur aus
Gehorsam die Wahl annahm, so beweist der Umstand, dass die Urkunde
genau mit der des Majolus übereinstimmt, dass die Weigerung eine rein
Conventionelle war, was auch die Consuetud. Cluniac. III, c. 1 durchaus be-
stätigen. Von demselben Gesichtspunkte aus muss die Stelle bei Jotsald. :
rductans et uUra quam credi posset invitiis beurteilt werden. Man vgl
übrigens die Beispiele Gregors I. und Gregors VII. Wenn die Notwen-
digkeit der Weigerung jetzt von mönchischer Seite wieder betont wird,
so hatte das einmal seinen Grund in der vom Mönche geforderten Demut;
dann aber sollte es ein Zeichen dafür sein, dass nicht herrschsüchtige
Interessen dem Mönche etwa die Würde als erstrebenswert erscheinen
Hessen und dass namentlich keine Simonie bei ihrer Erlangung obge-
waltet hat.
*) CHOL lü, 2276 undatiert; dass er sich an die PrincipeSj iudices
sive rectores comitatus illius et regioniSj in qua ilUid monasterium con-
sistitj quicunque in pi-aesentia mea estis, wendet, deutet darauf hin , dass
die Urkunde damals ausgestellt war, als er sich in Cluni befand.
») CHOL III, 2241.
S»okar, Olajulftcenser. I. 20
306
in Gonflikt geriet; and im März darauf schloss Odilo als Abt
im Namen des Klosters einen Tausch ab.^)
Er war nicht besonders gross, aber sein Gesichtsansdruck
voll Würde und Milde, Freundlich gegen seine Freunde, war
er doch unerträglich aufbrausend gegen Hochmut und Dünkel;
seine Augen hatten einen wunderbaren und unheimlichen Glanz
und waren meist mit Thränen gefüllt. Er war bleich, aber
kräftig; wenn er sprach, entzückte er die Zuhörer durch ein
ungemein weiches, klangvolles Organ. Man rühmte, an ihm
sei nichts gemachtes, nichts affectirtes gewesen: in inniger
Harmonie verschmolz ihm die Natur seine äussere Gestalt und
seine Lebensführung.^) Hatte Majolus Massigkeit zu seinem
Princip, und die allzu asketisch Gesinnten für Prahler und
Heuchler erklärt, überwiegt bei Majolus ruhige Versenkung die
Leidenschaftlichkeit der religiösen Geftlhle, so finden wir bei
Odilo gerade im Gegenteil eine hochgradige mystische Schwär-
merei. Seine harten Fasten, seine körperlichen Kasteiungen, sein
eifriges Psalmensingen und Beten erinnert an die religiösen
Uebungen der lothringischen Asketen. Es wird von ihm be-
richtet, dass er sich zur Erde warf bei dem Namen der Gottes-
mutter, die er mit glühender Liebe verehrte; er ward auch von
Gott der Wunder gewürdigt, „damit er, der in den Augen des
allmächtigen Gottes eine brennende Kerze, vor den Menschen
eine leuchtende werde". Seine Seufzer und Thränen — er
weinte viel — galten für ein Geschenk des hl. Geistes und
doch wird erzählt, dass er in allen seinen Handlungen und Be-
fehlen das rechte Mass nicht überschritten habe.^) Den Gegnern
seiner masslosen Freigebigkeit, erzählte man sich, habe er ge-
sagt: Bin ich zu verdammen, so will ich doch lieber milde
wegen Mitleides, als grausam wegen Härte gerichtet werden.^)
Man kann nicht genug seine Freigebigkeit gegen Arme und
Fremde rühmen.
Nicht lange nach der Wahl, am 11. Mai 994 schloss, wie wir
wissen, Majolus sein an Erfolgen reiches Leben. Zu Pfingsten,
») CHOL m, nr. 2242.
*) Jots. V. OdU. I, c. 4. 5. Eine kurze Schilderung Odilos bei Greeven,
Die Wirksamkeit der Cluniacenser , Jenenser Dissertation 1870, S. Uff.,
einer ganz wertlosen Arbeit. ') Jots. I, c. 6 — 12; Dam. c. 1. 2.
*) Jots. I, c. 8 : EgOf inquitj magis volo de misericordia misericorditei'
ivdicaHj qiuim de crudelitate cntdeliter damnari; Dam. 1, c.4; Sigeb. Chr. 993.
307
den 20. Mai empfing Odilo die Weihe i) durch den Erzbischof
Letald von Besangon, mit dessen Kirche das Kloster auch
später noch in enger Beziehung blieb.^)
IL
Wenig später, im Herbst 994 trat im ganzen Centnim und
Osten Frankreichs eine furchtbare Blatternepidemie auf. Die
Krankheit, die allerwärts als eine schwere Strafe Gottes für
die Sünden der Menschen angesehen wurde, wird überall gleich
geschildert. Die Symptome waren eine intensive Röte der Haut,
ein unsichtbares subcutanes Feuer, wie man sich ausdrückte^),
verbunden mit Lähmungen der Extremitäten.^) Ausflüsse, die
einen schauderhaften Geruch verbreiteten '^), die entsetzlichen
Leiden der Befallenen, die ihrem Angstgefühl durch herz-
zerreissendes Geschrei Ausdruck gaben, der Abscheu der Ge-
sunden vor dem furchtbaren Anblick der entstellten Kran-
ken <*), die überaus schnelle Verbreitung der Seuche ') und rasche
Sterblichkeit^) lassen kaum einen Zweifel darüber, dass wir
») Chronol. abb. Cluniac, Bibl. Clun. col. 1620; Chron. Wilhelmi Go-
delli 992 (HF X, 620). Ringholz a. a. 0. p. V hat darauf aufmerksam ge-
macht, dass Letald erst damals das Wahldiplom unterschrieb. Was Ring-
holz p. 10 von einer nochmaligen Wahl Odüos im Beisein des Künigs
Hugo erzählt, ist ganz unhaltbar. Einmal steht davon nichts an der Stelle,
auf die er sich beruft, andererseits findet sie sich nur in dem Ende des
12. Jahrhunderts interpolirten Codex 2 des Ademar, ist also überhaupt
nicht heranzuziehen.
*) CHOL III, 2746. ürk. Walters von Besan^on : quia Cluniacensis
coenobii congregationem speciali nobis famüiaritate conjunctam, in qxian-
Umi po88umu8, solaciari congruum dttcimuis.
') Transl. S. Martialis lectio I (Beilage VI): subctUanew ignis; Ademar
III, c. 35: invisibili igni; Rod. Glab. II, c. 7: ignis scilicet occuMus.
*) Transl. S. Mart. a. a. 0.; Gonstantini V. Adalberonis IL c. U.
*) Transl. S. Genulfi HF X, 361 : vel exustas a c<yi'porihu8 effluere
partes videre miseriaj verum etiam ex ptärae camis foetore res intoleranda;
ähnlich Ademari Sermo I. bei Migne 141, 115.
ö) Transl. S. Genulfi a. a. 0.; Ademari Sermo I. a. a. 0.; 'Sermo II
ebenda; Ademari bist. III, c. 35.
^) Gonstantini V. Adalb. IL c. 14; Transl. S. Genulfi a. a. 0.; Ademari
Sermo I a. a. 0. ; in einem andern ungedruckten Sermo Ademars (Cod.
Paris, lat. 2469, f. 87): intereunte tanta multitudine per singulos dies.
^) Rod. Glaber II; c. 7: plerosque etiam in spatio wnius noctis huius
ignis cansumsit exustii.
20*
•«
308
es mit einer schweren Poekenepidemie zu thun habend) Von
Bnrgund^), der Touraine^), namentlich aber aus Limousin*)
haben wir Nachrichten. In dieser Not richtete sich der Blick
aller zum Himmel. Da menschliche Kunst sich als eitel er-
wies'^), suchte man an den Altären und bei den Reliquien der
Heiligen Rettung. Die grossen Wahlfahrtsorte fttllten sich mit
Pilgern. Der hl. Majolus, der eben erst gestorben war, lockte
zahlreiche Scharen zu seinem Grabe nach Souvigny«); sie
zogen nach Augsburg, wo der hl. Udalrich, nach Tours, wo der
hl. Martin seine alte Wunderkraft bewährte."^) In Limoges
drängten sich die Kranken, weil hier St. Martialis bestattet
war»); aus Burgund wurden sie auf Karren und auf Stöcke
gestützt nach dem benachbarten Lothringen geschafft.^)
Die Seuche trat zu einer Zeit auf, als in den kirchlichen
Kreisen die heftigste Entrtlstung über die Gewaltthätigkeiten
des weltlichen Rittertums herrschte. Landleute und Handel-
treibende konnten ohne Gefahr häufig ihrem lieruf oder Ge-
werbe nicht nachgehen. Viehraub auf Wegen und Weiden
stand auf der Tagesordnung. Fehden und Händel des Burg-
adels schädigten kirchlichen Besitz unaufhörlich. Die Un-
sicherheit des klösterlichen und kirchlichen Eigentums er-
reichte damals ihren Höhepunkt. Die Stifter hatten sich erst
seit kurzem wieder aus ihrem Ruin erhoben und die ab-
handen gekommenen Liegenschaften nach Kräften wiederzu-
gewinnen gesucht. Lawinenartig war der Grundbesitz dann
durch Schenkungen gewachsen, noch ehe verständige Wirt-
schaftsmassregeln ihn zu schützen vermochten. Mit der Zu-
nahme wuchs die Schwierigkeit die gesamroten Liegenschäften
zu beaufsichtigen und nach Möglichkeit abzurunden. Dazu kam,
*) Vgl. Zuelzer s. v. Variola in Eulenborgs Realencyclopaedie der
gesammten Heilkunde XX (1890), p. 606 ff.
^) V. Adalberonis II. c. 14: tn Burgimdiae cunctü finibus; vgl. Rod.
Glaber a. a. 0.
^) Letaldi Mirac. S. Maximini c. 48 : Medio fere mense augusto ingens
Ines populum Aurelianemem devastare coepit; vgl. Rod. Glaber.
*) Aderaari bist. III, c.35; Ademars Predigten; Commemoratio abb.
S. Martialis bei Labbe, Nova bibl. manuscr. II, 272; Transl. S. Martialis
(Beilage VI); Transl. S. Genulfi. ß) Vgl. Letaldi Mirac. c. 49.
«) Vgl. oben S. 251. ') Rod. Gl. II, c. 7.
") Transl. S. Martialis. •) Constantini V. Adalber. II. c. 14.
309
dass im Süden Frankreiehs, namentlich in der Provence nach
Vertreibung der Sarrazenen vielfach eine völlig neue Besitz-
nahme und Eintdlung des Gebietes erfolgt war. Von dem
willkürlich occupierten Lande war sicher vieles in klösterlichen
Besitz übergegangen. Mochten nun etwa alte Ansprüche auf
geschenkten Grundbesitz hervorgesucht oder dem Geber die
Berechtigung der Vergabung bestritten werden, jedenfalls war
in Zeiten, in denen kaum jemand auf alte Rechte mit Sicher-
heit verweisen konnte, Angriffen und Belästigungen Thür und
Thor geöffnet, die um so häufiger und drückender wurden, je
öfker das schnelle Anwachsen klösterlichen Besitzes dazu An-
lass gab.
So sehen wir im ganzen Süden Frankreichs die Kirche
energische Massregeln zum Schutze ihrer Güter ergreifen. Mit
Bann und Excommunikation drohte man den Friedensstörern. i)
Mehrmals mussten die bedrückten Abteien sich mit der Bitte
um Schutz nach Rom wenden und mehr als einmal sehen wir
den Papst benachbarte Bischöfe oder Grafen zur Verteidigung
der klösterlichen Besitzungen auffordern.^) Aber gerade diese
fortwährenden Hilferufe beweisen am besten, dass alle Anstreng-
ungen fruchtlos waren. Nur ein gemeinschaftliches Vorgehen
der geschädigten Kirchen schien hier Erfolg zu versprechen.
Zuerst traten, so viel wir wissen, eine Anzahl aquitanischer
Bischöfe zu Charroux im Juni 989 gegen diese Frevler mit einer
Verfluchung aller Kirchen- und Viehräuber, die den Schaden
nicht ersetzten, sowie mit der Androhung der Excommunication
gegen diejenigen auf, welche unbewaffnete Diener der Kirche
anfielen und nicht nach Verlangen des Bischofs Busse thäten.^)
Eine ähnliche Versammlung fand damals in Narbonne statt.^)
Im südöstlichen Frankreich vereinigten sich auf Veranlassung
des Bischofs Wido von Puy im Jahre 993*) die Bischöfe von
*) Vgl. den Brief Joh. XIII für ChmiJ.-L. 3744; ferner Marion, CartuL
de GrcDoble nr. 25, p. 59; Gartul. de Sauxillanges nr. 14, p. 51;
«) Ringholz, Der hl. Abt Odile S. 22.
») Labbe, Nova bibl. II, 764; Mansi XIX, 89. Die Namen der Bischöfe
weisen auf 989 — 990; Delatio S. Juliani, HF X, S6(K Vgl. A. Kluckhohn,
Geschichte des Gottesfriedens, Leipzig 1857, S. 16f. *) Mansi XIX, 103.
*) Cartul. de Sauxillanges nr. 15, S. 52. Die Namen der genannten
Bischöfe weisen auf 993: videtites maleficia, que inpopulo cotidie c^-escimt;
vgl. Kluckhohn a. a. 0. S. 17.
310
Viviers, Valence, Clermont, Toulouge, Bodez, LodÄves, Glandöve,
die Erzbiechöfe von Vienne und Bourges, sowie andere Kirchen-
fUrsten and zahlreiche vornehme Laien zn Verboten gegen
räuberische Ueberfälle auf Zugvieh, Geistliche und Kaufleute,
Occupation von Kirchengut, Eindringen in die Kirchen selbst
und die Begräbnisorte.
Im nächsten Jahre sassen die Erzbischöfe von Vienne,
Lyon und Tarantaise mit den Bischöfen von Autun, Chalon,
Mäcon, Grenoble, Valence, Maurienne, Aosta, Usöz in der Basi-
lica des hl. Romanus von Anse auf Lyoner Gebiet und berieten
über Frieden und Sicherheit, über Glaubenssachen und Kirchen-
zucht. Auch hier war von den nichtswürdigen Bedrückern der
Kirchen die Rede, daneben aber von dem Leben des Clerus
und der Laien. Es wurden auch eine Reihe von Canones er-
lassen, die den Geistlichen ihre Pflichten neu einschärfen, den
Clerus von Jagd und Weiberumgang zurückrufen sollten, und
namentlich eine strengere Sonntagsheiligung bezweckten.^ Auch
Achte waren zu Anse erschienen, wie Odilo von Cluni mit dem
Prior Vivian und Hugo von Savigny.^) Wie die Canonici von
1) CHGL III, nr. 2255. Die Canones sind der Urkunde für Cluni bei-
gefügt: 1) Nur der Priester darf das Abendmahl den Kranken reichen;
2) die Hostie ist alle Sonntage zu erneuem; 3) man soll zu den Vigilien
häufig kommen u. s. w.; 4) kein Cleriker darf zur Jagd gehen; 5) die
Priester sollen sich des Umganges mit Weibern enthalten ; 6) sonst dürfen
sie kein geistliches Amt verwalten und verlieren sie ihre Kirchen; 7) Ent-
haltung von Beschwörungen u. s. w. ; ■ 8) Sonnabend darf nach den Nonen
nicht gearbeitet werden; 9) Sonntag darf niemand weder etwas kaufen
noch verkaufen nisi tantvm, quod in die manducet; 10) am Sonntag
placitum non qtterat neque faciat; 11) die Laien dürfen Mittwoch kein
Fleisch essen und müssen Freitag fasten. An diesen Tagen sollen sie
auch die Messe hören.
') Giraud, Cartul. de Bomans nr. 1 1 : in synodali conventu anno Domi-
nicae incam. 994. — Acta 8unt hcc in basilica S. Romani in loco qui vocatur
Ansa vel teiTitorio Lugdiinensij pvblice in coticilio residentihua prefatis
pontificibtis ecclesiae ordinibus. Es heisst hier; inquietudinis vero defen-
sante a malignis et importunis homi7iibu8y qui sanctuaria Dei diripiuntf
sicut nunc ccniimus loca per 2)lurinia ecchsias desolatas et pene a religione
antiquis patribus exposita dissolutaSj instigante hoc ve7ito cotUrario . .
Sed quoniam mundi approjnnquante tertnino jam ianique quasi confecta
senioj a status sui rectitudine paulatim non omnmiodo in sc, sed in quo-
rumdam improbis filiomm suorum moribus deflexa . . Pi-eordinante igitur
311
St. Bernard, so bat Odilo am Bestätigung der Elosterprivilegien.
Er zeigte, welche Bedrängnisse Gluni za erleiden habe.^) Aas
Verehrung für den Apostel Petras and den kürzlich verstorbenen
Abt Majolns, wie sie aasdrücklich bemerkten, willfahrten die
Bischöfe der Bitte. Niemand solle sich anmassen, die Kirchen,
Häuser und Keller in den Flecken, dessen Herr der Abt von
Gloni sei, zu berauben. Kein öffentlicher Gerichts- oder Steuer-
beamter, kein Graf, kein Vasallen- oder Söldnerheer soll inner-
halb des Bnrgus oder in der Nähe Befestigungen anlegen.
Keine weltliche oder kriegerische Macht, noch die bei Glani
oder Gharlieu wohnenden Leute dürfen im Gasteil oder im
Orte Beute machen oder Raub an Rindern, Kühen, Schweinen,
Pferden von draussen herein oder von drinnen herausschaffen,
um alle Belästigungen zu vermeiden. Freilich war auch dieser
Erlass kaum von Erfolg begleitet, denn auch später sehen wir
den Abt in Sorge um die Sicherheit des Besitzes.
Im westlichen Aquitanien hatte die Seuche, welche die Ver-
wirrung noch erhöhte, zu weitergehenden Massnahmen geführt.
Als eine wesentliche Ursache aller Leiden der Kirche und des
Volkes musste die schrankenlose Geltung des Faustrechtes an-
gesehen werden, die jedem ermöglichte mit den Waffen sein
Recht zu fordern und seine Rache zu üben. Es wurde sicher
viel gewonnen, wenn es gelang, das Gewirr von Fehden mit
einem Schlage zu zerhauen, den allgemeinen Kampf plötzlich
zum Stehen zu bringen und auf Grundlage eines gemeinsamen
Vertrages der beteiligten Grossen an Stelle des Gewaltprincips
dasjenige des Rechts und der gesetzlichen Entscheidung zu
erheben. Diese kühne Aufgabe übernahm die Kirche. In
Limoges erliess Bischof Hilduin nach Beratung mit älteren
und angesehenen Leuten, namentlich Herzog Wilhelm von
Aquitanien und dem Abte Gosfried von St. Martialis Ein-
ladungen zu einem aquitanisehen Coneil.^) Im November 994
versammelten sich nicht nur der Metropolitan und seine Suffra-
et favente suhlimi Arbitri clenientiaj nobis de eins pace et sMilitate atqtie
doctrina tractaniibus etc. Unter den Aebten ist als erster Odilo ahhds
Cluiiievms ecclesiae unterzeichnet.
*) CHCL III, nr. 2255: quantis qualibusque prenicretur angustiis «eu
iam dictus locus Cluniensis Hanctimmus pretneretur malis.
^) Ademari hist. III, c. 35 ; Commem. abb. Lemov. bei Labbe a. a. 0.
312
gane, sondern auch andere Kirchenftlrsten erschienen von nah
und fern mit grossem Gefolge, dann der jugendliche Graf von
Poitiers mit seinen Vasallen, endlich die Herzöge von Toulouse
und Bordeaux J) Nach dreitägigen Fasten und Gebeten erfolgte
die Translation des hl. Martialis auf einen Httgel ausserhalb der
Stadt, wo die mit Gebrechen Behafteten oder von der Seuche
Ergriffenen Heilung oder Linderung ihrer Leiden fanden.^) Auf
der Synode, welche die Bischöfe hier abhielten, wurden kirch-
liche Einrichtungen getroffen, namentlich aber die in Streit und
Fehde liegenden Grossen zum Frieden geftthrt und der Herzog mit
seinen Vasallen ausgesöhnt. Durch richterlichen Spruch, nicht
durch das Schwert, sollen fortan Streitigkeiten entschieden
werden.3) Es war am 11. November.^) Diese erste Friedens-
synode in Aquitanien machte solches Aufsehen, dass seither
auch in andern Städten zur Abhaltung derartiger Versamm-
lungen geschritten wurde.^) So kam wenige Jahre später
Poitiers an die Reihe, wo der Herzog und die Grossen des
Landes vor den Bischöfen die Wiederherstellung des Friedens
in der Weise zu bewirken gedachten, dass fortan bei Aufgabe
jeder Selbsthilfe und Selbstrache alle Streitigkeiten von zu-
ständigen Gerichten entschieden werden sollten.®)
Somit sehen wir im letzten Jahrzehnt des ersten Jahr-
tausends die Bischöfe des ganzen Westens und Südens Frank-
reichs in reger Reformthätigkeit. Der Weltclerus zeigte jetzt
zuerst wieder eine energische Teilnahme am kirchlichen und
socialen Leben.
*) Translatio S. Martialis lectio IV.
*) Sermo I u. II des Ademar von Chabannes bei Migne 141.
') Adern, bist. III, c. 35 : pactumque pacis et iustida a duce et prin-
cipibiis tncissim foederata est; Sermo I: Ante omnia pacein et imtUiam
observari monebantj ut legis docti inter tnrum et virum qucreXas iuste fini-
refU et oppressionibiis pauperum et violentiis rapacitatis procul exclusis,
pax et amica quies in regno Äquita^iico deinccps pemimieret; Trausl. S.
Mart. lectio VII: Preterea pontificali collegio consilitim rite peragente . . .
queque fiebant adversa fed4*re solidariturf dissidentes ad concordiam
revocantwr.
*) Transl. S. Mart. 1. VIII: condlii tertio Idus Novenibris in hoc ci-
vitate . . . competetiter sanciti.
») Transl. S. Mart. 1. VIII.
«) Kluckbohn S. 23; HF X, 586,
313
lieber die Thätigkeit Odilos in den ersten Jahren seiner
AmtsfDhmng sind wir nicht besonders unterrichtet Nicht lange
nach dem Tode seines Vorgängers empfing^ er Hugo Capet ^),
in dessen Umgebung sich Graf Burchard von Corbeii und der
Bischof Rainald von Paris befanden, am Grabe des Majolus;
in einer im Juli 995 ausgestellten Urkunde erhielt Odilo das
Recht, Münzen mit dem Bilde des letzten Abtes zu schlagen,
sogenannte Maillen, die beständige Geltung im Gebiete des
Grafen Archimbald von Bourbon, der Majolus selbst sehr
zugetan war, haben sollten.^) Während uns ftir das Jahr 996
sichere Nachweise seiner Wirksamkeit fehlen - es ist möglieh,
dass er am 18. November dieses Jahres der Weihe des Klosters
Selz im Elsass beiwohnte 3) — so wissen wir doch, dass er
im Februar, März und November 997 in den Geschäften seiner
Abtei sich bewegte.^) Er liegt nahe anzanehmen, dass er sich
Anfangs der Sicherstellung des Besitzstandes seines Klosters und
der Dependenzen desselben gewidmet habe.^) Dann aber steht
fest, dass er Ende 997 oder Anfang des folgenden Jahres zum
ersten Male nach der lombardischen Ebene über die Alpen
hinunterstieg. Ehe wir jedoch auf seine Beziehungen zu Otto III.
und den Päpsten jener Zeit eingehen, empfiehlt es sich, die
kirchlichen Zustände Italiens um die Wende des Jahrhunderts
kurz zu betrachten.
») Odil. V. Maioli (Bibl. Clun. col. 228); Mirac. S. Maioli II, c. 3; vgl.
Ogerdias, Bist, de St. Mayol 1877, p. 290 ff.
') Urk. Hugos V. Juli 995, HF X, 565; vgl. v. Kalckstein, Capetinger
I, 455; Ogerdias a. a. 0. p. 988 ff.
^) Er giebt davon so genaue Nachrichten im £pit. Adelh. c. 10, dass
man es annehmen möchte. Auch findet sich der Todestag des Abtes
Ek'ceman von Selz im Necrol. Villar., eines cluniacenslschen Priorates, ein-
getragen.
*) CHCL III, nr. 2388. 2387. 2401.
^) So nimmt die Abtei Romainmoutier gerade vom Anfange des
I I . Jahrhunderts an einen überraschenden Aufschwung.
Achtes Capitel.
Italienische Reformbewegung,
1. Kirchliche Zustände.
Immer noch walteten die alten Misstände in Italien,
welche die Zeit des Provengalen Hugo benonders bezeichnet
hatten. Noch während des dritten italienischen Zuges Ottos I.
finden wir zahlreiche Städte und Kirchen in allen Teilen des
Landes in Trümmern. Nur Ruinen zeugten damals von der
entschwundenen Bedeutung von Marsia am Fucinersee, Amiter-
num, Cortona, San Vincenzo am Voltumo.^) Durch den Kaiser
selbst und ihm nahestehende Leute wurden Reliquien, die
grössten Schätze von Kirchen und Klöstern, der Talisman, von
dem häufig ihre Existenz und ihr Ansehen abhing, über die
Alpen gescha£Ft Der allgemeine Aufschwung der kirchlichen
Gesinnung wurde durch solche Massregeln in immer weitere
Ferne gerückt. In späterer Zeit schrieb man den Eingri£feQ
der Ottonen, die alle Rechte und Befugnisse an sich rissen, sogar
den Ruin der italienischen Kirche zu.^) Es mochte demgegen-
über wenig sagen, wenn Kaiser Otto auf einer im April 967 ab-
gehaltenen Synode zu Ravenna Beschlüsse fassen liess, welche
den verheirateten Priestern die Wahl stellten, sich entweder von
*) Sigeberti V. Deoderici c. 16; vgl. Dresdner, Cultiir- und Sitten-
gesell, der ital. Geistlichkeit S. 116fif. Im 12. Jahrhundert schreibt Gerhoh
V. Keichersberg, Comm. in psal. IX (Migne 193, 759) von Rom: Ipsa enim
civitatf Borna in saecularibiuf i^gum CLedificivt ita cer^iitur destructüf tit non
tani civitctSj quam civitatis ruina esse appareat. Vgl. die drastische Schil-
derung von dem elenden Zustande von Kirchen und Klöstern im 11. Jahr-
hundert in Humberti cardin. adv. simoniacos II, c. 35, Libelli de lite I, 184.
«) Vgl. Humbert a. a. 0. III, c. 7. 11. 15. .
315
ihren Weibern zu scheiden oder ihr Amt niederzulegen 0, und
dass endlieh eine Reiehsversammlung zu Verona den Söhnen
von Clerikem jedes weltliche Amt, wie das eines Notars,
Schultheissen, Grafen und Richters versagte.^) Denn oifenbar
blieben diese Reformmassregeln ohne alle Wirkung, wie auch
weiterhin Bischöfe, Presbyter, Diaconen, Subdiaconen und die
niederen Grade der Geistlichkeit in der Ehe lebten.^)
Die Kirchenhörigen drängten jetzt allgemein den geist-
lichen Aemtern zu, offenbar in der Voraussetzung, dass mit den
Weihen eine Befreiung aus dem Hörigenstande verbunden sei.^)
Heiratete, wie es meist geschah, dieses clericale Proletariat, das
sieh um die Bischofskirchen scharte, freie Frauen, so erhob es
fttr die aus diesen Ehen stammenden Kinder den Anspruch auf
das Erbrecht der Mutter und entzog nicht nur zahlreiche Leib-
eigene, sondern auch Gttter, die ursprünglich der Kirche ge-
hörten, den Bistümern. Durch diese Praxis verarmten einige
oberitalienische Kirchen geradezu und wurden umsomehr be-
lastet, als sie sogar genötigt waren Kirchendiener um Lohn zu
mieten.*)
1) Dttmmler, Otto der Grosse S. 418.
•) M. G. LL. IV, 567-580; DUmmler S. 426.
^) Acta concil. Ticin. b. Mansi XIX, 343 ff. ; vgl. Provana, Studi critici
sovra la storia d'Italia ai tempi del re Ardoino, Torino 1844, nr. 18. Urk.
V. 1. Nov. 1000 für Leo v. Vercelli: attdita dilapidatione mncti EusMi ab
uxoratis antecessorüms ; namentlich die Chronik des Domcapitels von
Arezzo, ed. Bresslau, N. Arch. V, 443 fif. 446; vgl. Dresdner S. 309 fif.
*) Die kirchlichen Decrete darüber haben sehr geschwankt; das eine
Mal wird die Ordination von Leibeigenen überhaupt verboten und der
wider Willen des Herrn erfolgten Weihe keine liberirende Wirkung zu-
geschrieben; andere Stellen schreiben für die, welche Cleriker werden
wollen, Freilassung vor; daneben begegnen wieder leibeigene Cleriker:
vgl darüber Hinschius, Eirchenrecht I, 33 nr. 3. In Verhältnissen wie den
oben geschilderten wird eben die Praxis sehr geschwankt haben. Da
aber die Kirche selbst Herrin der zu Geistlichen geweihten Leibeigenen
war, so wird sie namentlich später daran festgehalten haben, dass die
hörigen Cleriker in der Leibeigenschaft blieben, während diese sich die
gegenteilige Auffassung zu eigen machten.
*) Acta concil. Ticin. a. a. 0.: otnnes filii servorum ecclesiae ad cleri-
catum aspiratvt, non ut deo sei-viant, sed ut scortati cum liberis muUeribiut
filii eorum de famulatu ecclesiae cum ovmi^rus bonis eccletfiae raptis quasi
liberi eaceant. Sic iam nonnuüae ecclesiae pauperes simt in familiiSy quod
iam in pretio servientea ecclesiarum ministri conducant, et in annuam
316
Ein zweiter Uebelstand, der die materiellen Kräfte von
Kirchen und Klöstern schwer schädigte, lag darin, dass vom
Ende des nennten Jahrhunderts an die ganze folgende Zeit hin-
durch Bischöfe und Aebte in steigender Menge Landbesitz auf
längere Zeit verpachteten. ^) Die Massregel hatte verschiedene
Gründe. Zu der Furcht vor dem landsässigen Adel und dem
Bestreben seine Gunst und Unterstützung zu erwerben 2) kam
Geldmangel, der sich um so bemerkbarer machte, als die
Restaurationen der Stiftsgebäude und Kirchen grosse Summen
verschlangen, ferner aber Mangel an Arbeitskräften, um die
oft ausgedehnten, brachliegenden Ländereien bewirtschaften zu
können.^) Vom Standpunkte einer intensiven Bewirtschaftung
der Liegenschaften war die Vei^pachtung derselben eine not-
mercede solvenda transeant necesaitatem. Vgl. die Urkunde bei Provana
nr. 18: statuimits quoque, ut amries filii vel filie clericmnim et familia sandi
Eusebii in servatione ecclesiae remaneant neque liberis matriSj si clerico
8U0 adhesitj hiis qui 7iati fuerint, prosint; Decret. Leos v. Vercelli bei
Ughelli IV, 173 und Provana nr. 14.
») Vgl. namentlich Karoli IL Capit Pap. (876, Febr.) c. 10, Capit.
reg. Franc. II, 102; für die Zeit Ottos I. Mittarelli, Ann. Camald. I, 77;
Dümmler, Otto d. Gr. S. 345 n. 4; für Otto III. die Urkunden flir Mantua
V. 15. Oct. 997 bei Muratori, Antiq. Ital. II, 701; f. Arezzo Stumpf, Acta
imp. nr. 441, p. 619 v. 12. Juli 996; für Nonantula v. 25. März 997 ebenda,
nr. 25Ü, p. 348; ftir Cremona v. 25. März 1001, nr. 258, p. 359. Namentlich
das Paveser Decret v. 20. Sept. 998 bei Muratori, SS. rer. Ital. II, b, 496:
dum 8id)diti nohis non possunt exhibere obsequia. Sehr ergiebig sind die
grossen Chroniken mittel- und unteritalischer Klöster; Chron. Vultum.
bei Muratori SS. I, b, 462 ff.; Chron. Casaur. a. a. 0. II, b, 835; Leo Ost. 11,
c. 13; ich verweise femer auf das Registrum Farfense; einzelne Urk. f.
Nonuntula u. San Ambrogio HPM XIII, 1669. 1741; Novara und Asti
nPM I, 361. 484. Die Verpachtungen erfolgen tiberall meist auf 29 Jahre.
*) Vgl. Karoli II. Capit. Pap. c. lü a. a. 0.
^) Chron. Volturn. a. a. 0. col. 489: pro restauratione praedicti wo-
nasterii; ebenda col. 462: Der Abt Johannes ruft im Juli 982 die Mönche
zusammen und beriet: quid de ipsas terras facere deberemuSj ut si liahe-
retUHS honiineSj quia mos pro convenientia libellari ordine tolle^'e deberet et
ad (ndtum perduceretj darenius eas ipsi ; Leo Ost II, c. 13: 11t et ipsam
eccksiam a barbaris deatructam restaurarent , et terrae in circuitu eins
iuxta terminos statutos excolerent; vgl. Chron. Farf. bei Muratori SS. II,
b, 395: ad melioratidum ipsa^ res; col. 397: ad custodiendum et lahorandum
atque meliorajidum u. s. w. Vgl. die interessanten Aufzeichnungen über
die wirthschaftliche Bedeutung der Emphyteusen zu Anfang des 2. Buches
des Chron. Farf. a. a. 0. col. 413.
317
wendige Massregel; unverständig war sie nur im Interesse der
Erhaltung des Kirchenbesitzes. Denn Bischöfe und Aebte ver-
loren so zeitweise, oft auch bei Erbpachten dauernd die Ver-
fügung über ihren Besitz und seine Erträge. So geschah es,
dass die Kirchen verarmten *) und vielfach ihre weltlichen Ver-
pflichtungen nicht zu erfüllen im Stande waren und erklären
mussten, ihre Güter seien in fremden Händen. Nicht weniger,
als durch diese Libellarverträge war durch unvorteilhafte Tausch-
geschäfte seitens gewissenloser Kirchenvorsteher, welche augen-
blickliche Bedürfnisse zu befriedigen hatten, eine Menge Kirchen-
besitz verschleudert worden. Das schlimmste war, dass der
Pacht- oder Lehenbesitz schliesslich soweit von den Inhabern
als Eigentum betrachtet wurde, dass sie sich aller Verpflicht-
ungen gegen die betreffende Kirche lossagten und nach Empfang
des Pachtcontracts kaum dazu gebracht werden konnten, den
jährlichen Zins zu zahlen. Unaufhörliche Streitigkeiten und
Processe, unaufhörliche Klagen der kirchlichen Oberen waren
die Folge.2)
Die Vernachlässigung der wirtschaftlichen Angelegenheiten
durch die Bischöfe, die Willkür, mit der sie mit den Kirchen-
gütem umsprangen, fUhrte dann auch zu gewaltsamen Mass-
regeln gegen die Besitzungen und Einkünfte, welche zum Unter-
halt des Domclerus bestimmt waren.^) Bei der wachsenden Armut
der Capitel konnte es nicht fehlen, dass diese sich mitunter
*) Vgl. Gerberti epist. 2. 3. 12 ed. Havet p. 2. 8. 10.
') So sehen wir z. B. in Farfa das 10. Jahrhundert hindurch den
^üssten Teil des Klosterbesitzes in den Händen der Erben derjenigen,
die als Precarei, Lehen oder Einphyteuse zeitweise denselben zur Be-
wirtschaftung oder Niessbrauch erhalten hatten. Schon im 9. Jahrhundert
hatten die Fürsten unvorteUhafte Geschäfte dieser Art einfach für ungültig
erklärt. (Vgl. die Urk. Ludwigs IL v. 872 im Reg. Farf. II, 11, nr. 307;
Karls d. Kahlen v. 875 a. a. 0. nr. 318). Auch Otto I. hatte bei der in
Tnscien herrschendou Gewohnheit, sich den Verpflichtungen gegen die
Kirche zu entziehen, alle Gutsvergabungen ausser an ackerbauende Colo-
nisten untersagt; vgl. Urkunde Ottos I. f. Arezzo, Dümmler, Otto d. Gr.
S. 345 n. 4; von Otto III. wörtlich wiederholt am 12. Juli 996, Stumpf, Acta
imp. nr. 441, p. 619. Vgl. die Ausführungen Hurabcrts adv. simon. II,
C.36, Lib. I, 184 der überall da Simonie sieht.
") So hatten die Canonikor v. Arezzo neben andern Benefizien den
vierten Teil ihrer Einkünfte eingebttsst; vgl. Chron. des Domcap. v. Arezzo
a. a. 0.
318
auch anflösten, die geistlichen Aemter und Pflichten zeitweise
ruhten.*) Auf der andern Seite kam es wieder vor, dass Priester,
Diaconen und die übrigen Diener der Kirche ihre Einkünfte
und die Oblationen derselben nicht gemeinsam besassen und
zu geistlichen Zwecken verwendeten, sondern dass sie die
Beute gierig teilten, in ihre Privathäuser schleppten und mit
ihren Freunden oder Weibern davon lebten.^) Mit der Sorge
um den persönlichen Unterhalt war natürlich eine immer
weiter umsichgreifende Verweltlichung notwendig verbunden.^)
Allmählich machte sich begreiflicherweise unter dem Dom-
clerus eine gegen die Bischöfe gerichtete Strömung geltend,
so in Arezzo, Lucca, Pisa, wo man sich bemühte, den bischöf-
lichen Einfluss auf die Verwaltung des Pfründengutes zurück-
zudrängen.*) In der That fand später Arduin von Ivrea bei
seinen Angriffen gegen die oberitalischeu Bischöfe auch im
höheren Kathedralderus Anknüpfungspunkte.^)
') Chron. v. Arezzo a. a. 0. vgl. die Urk. d. Bisch. Peter v. Novara
V. 7. Jan. 1007 in IIPM I, 363.
^) Vgl. die Urk. des Bischofs Johann v. Cesena v. 2. Juni 1042 bei
Fantuzzi, Monuui. Raven. VI, 24: adolevit enim in nostra ecclesia tarn prava
consuettido, ut sacerdotes et diaconij ceterique ecclesiastici stipendia stia et
ecclesiae oblationes non conimuniter possiderent etc.
') Vgl. die Urk. des Bisch. Peter v. Novara a. a. 0.
*) Man sieht das deutlich aus den Urk. Ottos III. für die Canoniker
von Arezzo, Lncca, Pisa bei Stampf, Acta imp. nr. 444. 446. 447. In einer
Sjrnode von Verona v. 23. Nov. 995 beklagte sich Bischof Otbert v. Verona
über die Canoniker von St. Maria Antiqua und St. Margareta: quia ipsi
secundum canonicam traditionem et antiqtuim consuetudinem filio ohedire
vetarent, ita ut nee ad sinodtmif nee ad proeessionem ipsius venire veUent
nee illud obsen^are qtu>d ceteri tituli de eadem civitate faciunt bei Muratori
Antiq. V, 1003; es werden Schenkungen an Canonikercollegiate gemacht
und dabei Beunruhigungen seitens der Bischöfe ausdrücklich zurückge-
wiesen, so für S. Alessandro in Bergamo HPM XIII, nr. 840 u. 850 Nov.
987 nnd Oct. 989.
^) Von der Verceilenser Kirche neben dem Subdiacon Agadus der
Archidiacon Giselbert und der Archipresbyter Cunibert; vgl. die Urk.
Ottos III. V. 999 bei Provana nr. 15, S. 348. Cunibert ist jedenfalls der
spätere Kanzler König Arduins v. Febr. 1002, Provana app. nr. 27; St
1839; Löwenfeld, Leo v. Vercelli S. 21. — Cunibert ist als archipresbyter
et prepositus von Vercelli nachzuweisen HPM I, 301 vom 19. April 996;
Giselbert als archipresbyter am 4. Sept. 996 HPM I, 807.
319
Die Stellnng eiDzelner Bischöfe wurde noch von einer
andern Seite erschwert Schon zur Zeit des Königs Hugo
werden in Oberitalien Aftervasallen, Valvassoren, erwähnt,
welche Gttter der grossen Kirchenvasallen zu Lehen hatten,
deren Unabhängigkeitsbestrebnngen die Könige, die nacheinan-
der um die Herrschaft des Landes rangen, sich gegen die
Grossen bedienten, und die um so leichter geneigt waren, den
Versprechungen eines aufstrebenden und eroberungssüchtigen
Mannes Gehör zu leisten, als ihnen Freiheit von ihren bis-
herigen Herren in Aussicht gestellt wurde.') Die deutsche
Eroberung unter Otto L scheint vorläufig diese Erhebangsge-
Ittste unterdrückt zu haben, bis unter Otto HL die Bewegung
von neuem in Fluss kam, als Arduin sich an die Spitze dieser
kirchlichen zweiten Vasallen stellte und mit ihnen die Bischöfe
von Ivrea und Vercelli angriiF.^)
Neben dem Domclerus und dem Lohnkriegertum kam die
bereits kräftig aufstrebende Bevölkerung der Bischofsitze in
Gegensatz zu dem Episcopat.^) Sie erhob Ansprüche auf
gesteigerte Verkehrsfreiheit und drängte mächtig gegen die
Schranken, welche ihre sociale und rechtliche Stellung ein-
engten. In verschiedenen norditalischen Städten lässt sich
diese Freiheitsbewegung verfolgen. In Mailand rief das harte
und übermütige Regiment des Erzbischofs Landnlf, der schon
unter dem Widerspruch des ganzen Clerus nur mit Hilfe
des väterlichen Goldes sein hohes Amt erlangt hatte, den
heftigsten Widerstand der Bürger hervor.*) In Cremona währte
») Vgl. Schultz, Atto V. Vercelli, Göttinger Diss., S. 36 u. 76. Doch
möchte ich das, was Atto allgemein den Fürsten zuschreibt, nicht speciell
auf Hugo allein beziehen, wie Schultz S. 86. lieber die Existenz von
Aftervasallen Anfang des zehnten Jahrhunderts vgl. auch Liutpr. Antapod.
II, c. 62.
>) Allocntio episc. Ippored. ad plebem bei Provana nr. 9, p. 340; nr. 13,
p. 344: episcopos crebra et impia vexatione concussisse atque a propriia
civitatibus expulissej secundos vero milites pene oninea in periurii crimen
atrociter coegisse; nr. 1 6, p. 352.
^) Vgl. Roboletti, Delle pergamene e de! carte di Cremona avanti il
Mille, Miscelhin. di storia ital. I, p. 534—548; St. 1075— -1077.
*) Amulfi Gesta Hediol.l,c. 10: ünde cives indignati tma esse coniurati
stfvnxerunt. Inde civilis aeditio ae partium est facta divisio; vgl. Landnlfi
hist Hediol. II, c. 17.
820
Jahre lang der Streit zwischen dem Bisehofe and der Bürger-
schaft, welche die freie Poschiflffart flir ihren Handel forderte.*)
In Ravenna erhob sich ebenfalls gegen Ende des Jahrhunderts
ein Aufstand, zn dessen Unterdrückung der Kaiser seinen Kanzler
Heribert absandte.^) Daher fand Arduin auch in den Kreisen der
Bürgerschaft Anhänger bei seinen Unternehmungen gegen lom-
bardische KirchenfÜrsten.3) Mit dem Kampf um politische Rechte
ging hier und da ein Bestreben, gewisse Fesseln des Glaubens
und der Religion abzustreifen Hand in Hand. Es ist eine
Zeit mächtiger geistiger Bewegung. Die Schöpfungsgeschichte
der Bibel und die christlichen Dogmen werden bestritten.
Man bekämpft den Wert der Sacramente und die gesammte
kirchliche Hierarchie, und schliesslich wendet sich diese Auf-
lehnung gegen jede kirchliche Autorität vor allem gegen die
Bischöfe.^) Einen wesentlichen Einfluss auf diese oder ähn-
liche materialistische Lehren muss man sicher bereits dem
Geist der Antike zuschreiben.*)
Nirgends verschieben sich nun aber die Rechtsverhältnisse
so sehr zu Gunsten der Bischofskirchen, als bier unter der
deutschen Herrschaft. Da der oberitalische Adel, die Mark-
grafen und Grafen, die grossen Familien, so die Este mit
iliren Seitenlinien derselben wenig geneigt waren und einen
nationalen Standpunkt vertraten, so suchten die deutschen
^) Vgl. Handloiko, Die lombardischon Städte unter der Herrschaft der
Bischöfe und die Entstehung der Gommunen, Berlin 1883, 8. 100 ff.
*) V. Ileriberti c. 5.
3) In dei Proscriptionsliste fUr Vercelli Werden genannt die iudices
Hermann und Giselbert, offenbar Vorsteher der Bürgerschaft; vgl. Hegel,
Gesch. der Städteverfassung in Italien II, 98.
*) Vgl die ActaSynodi Attrebat. v. 1025 bei Migne, 142, 1269 ff. Dem
Bischof Gerard von Gambrai wird gemeldet: qiwsdam ab Italiae finibus
viros eo loci advenisse, qui . . Sie erklären : se esse auditores Gundidfi
cuiusdam ab Italiae pa/t'tibus viri ; Rod. Glaber III, c. 8 : Fertur namque
a midiere quadam ex Italia procedente hec insanissima heresis in GalUis
habuisse exordium. Mit Unrecht leugnet Pfister, Etudes sur le regne de
Robert le Pieux p. 326 den italienischen Ursprung der manichäischen
Ketzereien; Rod. Glaber IV, c. 2; Landulfi bist. Mediol. II, c. 27. Vgl.
Feiice Focco, L'eresia nel medio evo, Firenze 1884, S. 108 u. 112.
^) Rod. Glaber III, c. 12: Dictaque poetarum per omnia credenda
esse asserebat . . . Flures etiam per Italiam tunc huius pestiferi dogmatis
sunt reperti.
321
Kaiser in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Maeht und
die Selbständigkeit der Bischöfe zn stärken J) Man gewährt
ihnen bald ganze Grafschaften'^), bald die gesamte Gerichts-
barkeit innerhalb der Stadt.*^) Man gewährt ihnen hier das
Recht, Rechtssachen der kirchlichen Hintersassen mit gleicher
Rechtskraft wie in den öffentlichen Gerichten zu entschei-
den^), dort Reiehsgerichtsbarkeit und die Functionen könig-
licher Missi^), Exemtionen aus der gräflichen Jurisdiction^) und,
wenn diese nicht völlig ausgeschlossen war, so doch gleiche
Rechte mit den Grafen. Steuern, Zölle, Märkte werden ihnen
bewilligt") und dadurch die alleinige Einwirkung des Episcopats
auf immer weitere Kreise ausgedehnt. Die Hauptsache war,
dass die oberitalienischen Biscbofssttthle fast durchweg deutsehe
Geistliche bestiegen, welche dem germanischen Einfluss auf
allen Lebensgebieten die Herrschaft sicherten.^)
Namentlich Otto IH. verfolgte deutlich das Princip, sich
der Bischöfe gegen die widerstrebenden Gewalten anzunehmen
und ihre Stellung zur Abwehr derselben zu stärken. Ein neuer
Geist schien Macht über einen Teil der Bischöfe zu gewinnen,
die, weit entfernt von der gleichgültigen Haltung ihrer Vor-
gänger, sich jetzt ihrer Pflichten zu besinnen begannen.
Bischof Leo von Vercelli liess sich von Otto HL ein Privileg
^) Das Motiv geht namentlicb aus Provana app. nr. 1 6 hervor : Et ut
constantiam fidelia nostH constanter remuneraremuSf ut ceteri promptiwea
ad obsequium nostrum consurgant.
') Vercelli und S. Agathe an Vercelli, Provana nr. 16; Vicenza an den
Bischof V. V., Ficker, Forsch, z. Reichs- und Rechtsgesch. Italiens I, 270;
Romagna an Ravenna bestätigt, Ficker I, 251. Vgl. die Urk. Ottos III.
V. 22. Nov. 1001 für Ravenna bei I^ibniz, Ann. imp. III, 785.
>) Vgl. fUr Ivrea Provana nr. 17, p. 354: omnem eiusdem civitatis di-
strictum et publicam functionem; f. Asti 992 HPM I, 289; vgl. Hegel, Ge-
schichte der Stüdteverfassung in Italien II, 72fif; Handloike, Lombard.
Städte S. 29 ff.
*) Priv. f. Lodi v. 975, Ficker I, 2S2. Was Handloike S. 126 ff. gegen
die Echtheit der Urkunde vorgebracht hat, hat mich nicht völlig Überzeugt.
^) Zahlreiche Beispiele fttr Parma, Asti, Lodi, Lucca, Novara, Reggio
bei Ficker U, 15.
•) So für Cremona, Ficker U, 28.
^ Handloike S. 1—39.
") Höfler, Die deutschen Päpste I; Ricci, Storia dell' architeUnra in
Italia I, 363.
SAoknri ClnnUoenser. I. 21
322
ausstellen, das die ZnrückfUhrang der freigewordenen Kinder
leibeigener Cleriker in die Knechtschaft der Kirche und die
Aufhebung der früheren der Kirche ungünstigen Tauschge-
schäfte aussprach, eine Verordnung, die anderwärts bereits
früher erlassen worden war. Mehrfach gingen die verarmten
Domcapitel den Kaiser mit der Bitte um Bestätigung ihres
Besitzes an und die Bischöfe selbst versuchten jetzt durch ge-
ordnetere Verwaltung den Bedürfnissen ihrer Cleriker ent-
gegenzukommen und die früher genossenen Einkünfte ihnen
von neuem zu erschliessenJ) Sie fingen wieder an mit dem
Diöcesanclerns^) oder in gemeinsamen Zusammenkünften über
kirchliche Fragen zu beraten.^) Man revidierte die Einnahmen,
restaurirte Türme, Castelle, Stadtmauern, Kirchen, zahlreiche
verfallene Bauten 4); man durchmusterte auch wieder Biblio-
theken und Kirchenschätze, um dieselben durch neue An-
schaffungen zu ergänzen und zu bereichern.^)
Unermüdlich ist namentlich der deutsche Herrscher um
Wiedergewinn verlorenen Kirchenbesitzes und Wiederherstellung
der alten Zustände bedacht. Mitunter auf seine Anregung
werden von den Bischöfen jetzt wieder Klöster neu gegründet
und reformiert. Aber auch sonst begannen die Bischöfe dem
') Vgl. die Chron. v. Arezzo und die zahlreichen Urk., die Otto III.
für das Domcapitel ausstellte; Urk. des Bischofs Keginfred v. Bergamo
bei Ughelli, Italia sacra IV, 437; Urk. Peters v. Novara HPM I, 3G3.
*) Vgl. die Urk. Keglnfreds v. Bergamo a. a. 0. : Dum solita priortmi
conmietwline in S. Vineentii matris ecclesiae choro domnus Regiyifredua
reverendissirmis episcopus resldei-et, de rectitudine et statu ecclesiae dispu-
taret; Urk. Arnulfs v. Mailand v. 7. Febr. 993 in HPM I, 1541: Dum . . .
domnvs Ämulfus metropolita clemetiti4i8imus in caminata stia resideret et
de ecclesie sue statu ac regimine pertractaret ; Aufzeichnung bei Besly,
Bist, des comtes de Poitou S. 325 : Dum . . . Landulfus Taurintnsis eccle-
siae episcopus vener ahilis in Lodevi episcopatu residens de statu suae
ecclesiae . . . cogitare coepit.
8) Rod. Glaber III, c. 3 : Tunc igitur temporis in Italia . . plerique
episcoporum nonnulla inter se de diversis questionibus habucre synodorum
conciliabula.
*) Urk. Landulfs von Turin von 1037, HPM I, 514. Am Ende des
13. Bandes finden sich mehrere Giiterverzeichnisse und Inventare oberital.
Kirchen aus dem 10. Jahrhundert
*) Verzeichnis des Bischofs Odalrich von Cremona HPM XIII, 1442,
nr. 825 von 984.
323
Klosterwesen wieder ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. In
Cremona erhob sich durch Bischof Odalrich ein Kloster des
hl. Laurentius'), durch Bemard von Savona St. Eugenius.^) In
Genua grttndete Bischof Johann IL bei der Kirche St. Syrus
ein Benedictinerstift^); in Mailand Erzbischof Landulf S. Celso.^)
Die Bischöfe von Modena und Piacenza, Johann und Siegfried
blieben nicht zurück. Ersterer errichtete die Abtei St. Peter*),
letzterer auf Anregung Ottos III St Sabinus.^) In Parma
stiftete Bischof Siegfried die Johannesabtei, die einzige in
episcopalen Kreisen gegründete Abtei, bei der cluniacensischer
Einfluss erkennbar ist.'') Neben diesen Neugrttndungen er-
folgten auch Kestaurationen bestehender und verfallener Stifter
stets unter der Gunst des jugendlichen Kaisers.
Blieb nun auch, wie es scheint, diese bischöfliche Thätig-
keit fbr das Klosterwesen in Oberitalien ohne weitere Wirkungen
nach aussen hin, so hatte doch immerhin erfreulicher Weise
kirchliche Gesinnung auch hier ihren Einzug gehalten. Die
religiöse Bewegung aber, welche diese Zeit Italiens besonders
charakterisiert, ging von ganz andern Kreisen aus und mied,
zügellos und subjectiv im höchsten Grade, die in hierarchischer
Abgeschlossenheit und MachtfUlle dastehenden Episcopate der
Lombardei, wo die Herrschaft der Bischöfe freieren und regel-
loseren Strömungen nicht günstig war.
2. Die Eremiten.
Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts erhob sich in der Be-
völkerung Italiens ein ganz eigener religiöser Geist; er kam spät,
aber in der Glut der seelischen Wiedererneuerung flammte er
lebhafter auf, als wir in Frankreich und selbst in Lothringen
>) ürk. V. 31. Mai 990 bei Muratori, Antiq. II, 268; HPM XIII, 1501;
vgl Gialini, Memorie di Milane U, 15.
«) ügheUi, Italfa sacra IV, 732. «) Ughelü IV, 842.
«) GiuliDi II, 431; vgl. Milane, L'antica badia di S. Celso in MUano
im Archivio storico ser. 2, 1888, p. 351.
(^) 998, Muratori, Antiq. I, 1019.
•) Urk. Ottos IIL V. 7. Nov. 1000 bei Stumpf, Acta imp. III, nr. 257:
monasterium, qttod nostro impulaUf noatro favore suffragioque fundare et
ab imis construere cepit n. s. w. '') Vgl. oben S. 235.
21*
3^4
beobachtet haben, wo die Reformbewegung zwar einen aske-
tischen Charakter trägt, aber die von ihr beseelten Gemüter
doch unter der Regel St Benedicts vereinigt. In Italien knüpfte
man an den Orient an nnd begann den hl Hilarion, das Urbild
der Eremiten, nachzuahmen. Nilns^) and Romuald^) lasen die
Lebensbeschreibungen der griechischen Väter und wurden ihre
Jünger. Auf einem Esel durchzog der armenische Eremit
Symeon nach einer Pilgerfahrt zum hl. Lande Italien, wo er
überall durch sein seltsames Aeussere und seine Wunderthaten
Aufsehen erregte. Allenthalben strömte das Volk zusammen;
andere Pilger schlössen sich ihm an. Von Rom durchzog er
über Pisa und Lucca das nördliche Italien; über Vercelli, Turin
durch das Thal von Susa betrat er französischen Boden, betete
dann bei St. Jacobus in Galizien, setzte nach England über,
um endlich nach seiner Rückkehr sich in einem Kloster bei
Mantua der strengsten Askese hinzugeben. Er erlangte hier
bereits hohes Ansehen beim Markgrafen Bonifaz und seiner
Gemahlin Richilde.^) In der Nachahmung Christi ging er so
weit, dass er am Charfreitage stets unter Thränen nach Sonnen-
untergang den schärfsten Essig trank und die Zeit bis zum
Ostersonntag ruhe- und schlaflos in Trauer und Klagen ver-
brachte.^) Dieselbe Ruhelosigkeit, dasselbe Predigen und
Wunderthun finden wir auch anderweitig. Der hl. Dominicus
von Foligno, der erst auf einem Berggipfel in einer Klause
sass, wo er bald in den Geruch der Heiligkeit kam, errichtete
auf Veranlassung des Markgrafen Hubert von Tuscien St. Sal-
vator in Scandrilia, bezog dann auf dem Monte Pizi mit einem
Mönch Johannes einen niedrigen Turm, in dem er eine Zeit
lang seinen Meditationen nachging, bis er auch von dort ver-
scheucht wurde und auf Veranlassung einiger campanischen
») V. S. Nili (Acta SS. Boll. Sept. VII) § 2: "Hydna yag äel rwv aylütv
naxBQixiv Tovg ßiovq ix vsod-rjtog avrov", AvtcdvIov (pti^l öi], Saßßa ze xal
^IXaglwvog etc.; vgl. §§ 15. 47.
^) Vgl. Brunonis V. quinque fratrum c. 2, SS. XV, 718: Hie . . . BomaMus
primus nostrorum temporum non propria presumtionej sed secundum CoUa-
tiones patrum hereniitarum per pvlchra sublimia humilitate magna vivit
et quae est recta via nos instfuxit; V. Romualdi c. 12. 80.
>) Er war der Sohn des Markgrafen Tedald, Richiide die Tochter
des Pfalzgrafen und Grafen von Piacenza Giselbert.
*) V. S. Symeonis bei Mablllon, Acta SS. VI, 1.
325
und spoletinischen Grafen mehrere Klöster gründete. >) Er erhob
namentlich zn Trifalto in der Campagna seine Stimme vor dem
Volke, das noch niehtswllrdige, wohl heidnische Gebräuche und
unerlaubte Ehen bewahrte.^) Ueberall sammelten sich grosse
Menschenmassen um diese herumziehenden Prediger und
Wundermänner, um jene Anachoreten, die jahrelang fern von
menschlichem Getriebe von Baumwurzeln und Früchten lebten,
wie ein gewisser Venerius, der, als man ihn entdeckt und mit
Lebensmitteln beschenkt hatte, diese an Viehhirten und arme
Leute verteilte.^) Am wunderbarsten kam diese seelische Un-
ruhe in Komuald zum Vorschein.
Der Herzogsfamilie von Ravenna entsprossen und unter
den Versuchungen eines weltlich-vornehmen Lebens aufge-
wachsen, zeigte er früh einen Hang zur Beschaulichkeit, und
ein geheimes Verlangen nach einem einsamen Leben befiel
ihn schon, wenn er auf der Jagd durch die Wälder streifte.
Derselbe dunkle Trieb, dasselbe mystische Streben nach voller
seelischer Befriedigung, die er stets vergeblich suchte, führte
ihn dann sein ganzes Leben hindurch von Ort zu Ort. Er
nahm zuerst die Kutte in San ApoUinare in Classe, als sein
Vater Sergius eine Blutschuld auf sich geladen ^), dann zog es
ihn in die Einsiedelei; bald hier, bald dahin setzte er seinen
Wanderstab. In der ersten Zeit wurde er vielfach vom Teufel
heimgesucht, der ihm immer vor die Seele stellte, was er
^) Im Gebiet von Velva die Abtei St. Peter de lacu ; im Gebiet von
Sangro: St. Peter de Avellana; von Sora: St. Maria. Die drei Grafen sind
Beraldua, Theodinus, Handisus. (V. Domin. c. 11.) Der Sohn Beralds
Rainald v. Marsicanum stiftete am 1. Februar 1000 bei Celle im Gebiet von
GarsoH ein Kloster der hl. Jungfrau. (Vgl. Leo Ost. II, c. 23; die Urk. bei
Gattnla, Access, p. 101.) Rainald zog nach Leo 11, c. 10 zuerst mit den
Grafen Trasmundus und Qderisius aliein vor Capua. Mit Oderisius möchte
ich den erwähnten Randisus identificiren. Oderisius als Graf v. Marsi-
canum und Graf Tendinus v. Rieti treten in Farfeser Urkunden der Zeit
auf. Teudinus sitzt in territorio EecUino zu Gericht. Nov. 982 bei Ficker,
Forsch. IV, p. 46, nr. 33; ebenda nr. 30, p. 42: Teudinus comes . . . BainaU
dum comitem et Banduisium germanos fratres.
') V. S. Dominici c. 17: Post haec in Campaniam ad locum, qui Tri-
fäUus dicituTf per reveUxtionevn profectus a nefariis muUis eiusdem loci
accolas et db iUicitis praesertim coniugiis sua praedicatione convertit.
s) y. S. Romualdi c. 24 (Petri Damiani Opp. ed. Gaietani II, 447).
*) V. S. Romualdi c. 1.
326
anfgegeben und was er im Leben hätte erreichen könnend)
Oft setzten sich die bösen Geister yne schwarze Raben und
Geier neben ihn, oft in Gestalt von Aethiopen und verschiedenen
Tieren.^) Hart und voller Entsagung war das Leben, das er
in den Sümpfen bei Classe^) and in Gatalonien führte, wo er
eine Zeit lang mit seinem Lehrer Marinas von Venetien beim
Kloster S. Michel de Gusan lebte.^) Streng hielt er die Schüler,
die sich um ihn scharten.^) Er pflegte ihnen ein geweihtes
Brot, einen geweihten Apfel oder dergleichen Dinge zu geben,
denen dann heilkräftige Wirkungen zugeschrieben wurden.^) Die
Brüder lebten in vereinzelt liegenden Gellen und Wohnungen,
einige von ihnen hinter verrammelten Thüren, eingesargt, wie
Tote. Sie* gingen wohl in der Regel barfuss, ungepflegt und
bleich. Wein kannte Niemand.'^) Aber sie assen zusammen
und, wenn Romuald in einem dieser Stifter erschien, kam er
zur Mahlzeit und nahm wohl ein Gericht. Nur zur Fastenzeit
verliess er seine Gelle gar nicht. ^) Er selbst hatte zwei oder
drei Röcke, die er alle Monat wechselte; niemals aber wurden
sie gewaschen, sondern nur dem Regen ausgesetzt.^) In der
Regel erfolgten die Klostergrttndungen folgeudermassen: hatte
Romuald einen zur Ansiedelung geeigneten Ort gefunden — er
kletterte zu dem Zweck oft tagelang in den Gebirgen umher
— wobei hauptsächlich auf Wassemähe, Fruchtbarkeit des
Bodens, Wald und Berge geachtet wurde *^), dann blieb er
meist nicht lange allein. Rasch sammelten sich Jünger um
ihn; waren ihrer genügend, so gab er ihnen einen seiner
Schüler zum Abt und setzte seinen Wanderstab weiter.**) In
einzelne Gellen wurden die Neubekehrten verteilt Lagen
diese Ansiedelungen in der Nähe der Küste, so beschäftigten
0 V.Rom, c. 7. «) ib. c. 16. 17.
') ib. c. 4. *) ib. c.öflf.
») ib. c 26.
*) V. Romualdi c. 88: Habebat autem vir sanctus huiusmodi consue-
tudifiem, utj ai quando fratres in viam dirigerety benedictum iUis Hve
panenij sive pomum, seu quodcumque alitid daret.
') Was Petrus Damiani V. Rom. c. 64 speciell von Sitrio erzählt,
wird man wohl verallgemeinern dürfen.
«) V. Rom. c. 97. ») ib. c. 52.
") Vgl. ib. c. 85. >') ib. c. 49. 64.
327
sieh die Eremiten mit Flechten von Körben und Netzen.^)
Sie Sassen meist im Gebiet von Ravenna and im Apennin; in
der späteren Zeit seines Lebens begünstigte Romaald offenbar
die Gebirgsgegenden; es seheint, dass er der Luft des Apennins
den Vorzug gab vor den giftigen Dünsten des Sumpflandes.^)
So siedelte er sich in Bagno im Gebiet von Sassina an, wo er
in der Nähe seiner Celle das Michaelskloster stiftete, dann
lebte er eine Zeitlang nicht weit von Caria im Apennin im
Herzogtum Urbino. In Bifurci hatten sich bereits Eremiten
niedergelassen, die sich mehrfach an Romuald mit der Bitte
um Weisungen für den Kampf mit den Dämonen wandten
und die Romuald auch besuchte.^) Er lebte dann im Gebiet
von Camerino in Val di Castro^), stiffcete in Esino und Ascoli
Klöster^) und entliess von dem ersteren Zöglinge nach Orvieto.*)
Auch in Tuscien unweit der Burg des späteren Markgrafen
Rayner führte er eine Zeitlang sein Klausnerleben, zog nach
Aqua bella im Apennin und von da nach dem Monte Sitrio,
um da zu leben. Sitrio und Val di Gastro scheint er in
seinen letzten Lebensjahren am meisten bewohnt zu haben.
Aber nirgends hatte er Ruhe. Bald da bald dort tauchte er
auf. Mit seinen Klöstern stand er nicht immer gut^); meist
befriedigte ihn die Strenge der Aebte nicht Seine Eremiten-
eongregationen gewannen beständig an Boden. Im Exarchat,
an den Küsten und auf den Inseln, in den Tälern und auf den
Bergen des Apennin konnte man die kleinen einzeln stehenden
Häuschen Zelten gleich ausgebreitet sehen.^)
In. Romuald hatte die Welt- und Menschenverachtung ihren
höchsten Grad erreicht. Einer seiner Schüler sagt, er habe
mit Absicht den Menschen immer zu missfallen gesucht, indem
^) V. Rom. c. 26 : Faciebant autein omnes opera manuum, alii scilicet
cockaria, alii nebantj alii retia nectebant,
') Ueber die ungesunde Luft in diesen Gegenden vgl. auch Brun. V.
qoinque fratrum c. 3, SS. XV, 720.
>) V. Rom. c. 32. *) ib. c. 35.
») ib. c. 89. fl) ib. c. 37.
') ib. c. 27. 45. 49. 100.
") Auch Rod. Glaber hist. III, c. 1 bemerkt: accipieyUea solitanum
quendam indutum monachali habitu, quibus etiam Italia plurimum
abundat.
328
er sich dann für gross nnd erhaben hielt.^) Mit seiner grenzen-
losen Menschenverachtung ging seine Selbstsehätznng Hand in
Hand. Er war ein Einsiedler nicht nur, indem er sieh leiblich
von der Menge fernhielt, er betrachtete sich anch als etwas
anderes im Geiste und hatte zn den andern Menschen keine
geistigen Beziehungen. Wir sehen ihn daher mitunter sogar
in offenem Streit mit seinen Klöstern.^) Das bemerkenswerteste
war doch, dass ein Manu, wie er, nicht nur im Volke, sondern
auch an den Fttrstenhöfen gewaltige Wirkungen hervorrief.
Der Markgraf Rayner von Tuscien soll bemerkt haben: kein
Kaiser könne ihm solche Furcht einflössen, als Romualds An-
blick.^) Er erschien, wo er auftrat, wie der Engel des Gerichts,
und wie er aus den Sümpfen von Comachio geschwollen und
ohne Haare mit grünlicher Hautfarbe heraufstiegt), muss er
einen erschreckenden Eindruck gemacht haben. Auf seine
und des Marinus Entscheidung entfloh der schuldbeladene
Pier Orseolo I. von Venedig mit Johannes Gradenicus aus der
Lagunenstadt, um im Kloster Saint-Michel de Gusan sein Leben
zu beschUessen^); auf Romualds Forderung hüllte der blut-
befleckte Graf Oliba sich in Monte Cassino ins Mönchsgewand.®)
Es hatte den Anschein, als wolle er die ganze Welt in eine
Klause verwandeln, als wolle er alles Volk zum Mönchlästande
bekehren.')
Die Eremitagen, die Romuald einrichtete, hatten zwar
meist in Mittelitalien, in der Gegend von Ravenna und in
Tuscien, Spoleto und Camerino ihre Sitze, doch war schon
sein Lehrer Marinus nach Apulien vorgedrungen, wo er allein
in einer Klause lebte, bis Sarrazenen ihn erschlugen. Romuald
und seine Schule waren dann öfter mit Monte Cassino in Be-
rührung gekommen.^) Im Anfange des 11. Jahrhunderts finden
wir in Apulien auch ein Kloster, welches Auachoreten seiner
>) V. qn. fr. c. 2 : Qui Bonialdus . . . hoc mirabile in suis moribus
habuity quod displicere hominibtts per Studium querebatj tunc se maffnum
existimans etc.
«) Vgl. V. Rom. c. 49. ^) ib. c. 40.
*) V. Rom. c. 20.
*) ib. c. 9; Brun. V. qu. fr. c. 2, SS. XV, 717. «) V. Rom. c. 11.
') V. Rom. c. 37 : ut putaretur totum munduni in erenium velle con^
vertere et monachico ordini omnem populi muUitudinem sociare,
») Brun. V. qu. fr. c. 2, SS. XV, 717; Leo Ost. II, c. 18.
329
Lehre bewohnt zn haben scheinen, unter einem Abt Joseph.^)
Weit bedeutender fttr den Sttden Italiens war jedoch der
hl. Nilus, ein Grieche von Rossano, der ebenfalls nacheinander
an verschiedenen Orten Unteritaliens ansässig war. Er lebte
lange in einer Einsiedelei in der Nähe seiner Vaterstadt,
nachdem er eine Zeit lang dem hl. Nazarius als Mönch gedient
hatte 2), den härtesten Selbstpeinigungen und Entbehrungen
hingegeben.') Seine Kleidung bestand aus einem Sack aus
Ziegenfell; er hatte deren zwei, die er jährlich wechselte.^)
Nahm das Ungeziefer, das sich dort sammelte, zu sehr überhand,
so legte er das Fell in einen Ameisenhaufen. Als Gurt trug er
einen Strick, den er jährlich nur einmal löste. Als er einst
— in späterer Zeit bereits — mit einem Fuchsbalg, den er
am Wege gefunden, um den Kopf, den Mantel auf dem Stock
über der Schulter nach Bossano kam, liefen ihm die Strassen-
jungen nach, warfen ihn mit Steinen und riefen: Ein Bulgar!,
andere: Ein Franke!, noch andere: Ein Armenier!^) Er hatte
kein Bett, keinen Stuhl; als Tisch diente ihm ein Stein mit
einer Platte. Seine Wohnung bestand in .einer Höhle, seine
Nahrung aus Brot und Wasser, höchstens gekochtem Gemüse,
ans Feldfrüchten, wenn es solche gab. Neben Psalmensingen,
Beten, Fasten und Wachen beschäftigten ihn Abschriften.^)
Da er keine Tinte hatte, schrieb er mit einem Holzgriffel in
Wachs. In Rom kaufte er Bücher''); als er später einen Ge-
fährten bekam, schickte er ihn einst nach Rossano, um Perga-
ment zu beschaffen.^) Innerhalb zwölf Tagen schrieb er einmal
drei Psalter.®) Die griechischen Väter kannte er vortrefflich.
Von den Sarrazenen wurde er öfter verscheucht; endlich ver-
liess er vor ihnen den Ort für immer und siedelte sich bei einem
Heiligtum St. Hadrian an i^); immer mehr Gefährten sammelten
sich um ihn; er gab ihnen einen Abt und beschäftigte sich
*) Ordo Farf., prol., SS. XI, 545: ex discipulis domni Romualdij no-
mine Johannes ; p. 546 wird dann bemerkt, dass er in monasterio suo svb
i'eligiosissifni abbatia Joseph sanctorumque piissime monachortim Apuli
catervae lebte. Die Beziehungen der Cluniacenser können wir erst im
Zusammenbang mit den einzelnen Ereignissen behandeln.
») V. S. Nil! § 5, Acta SS. Bell. Sept. VII, 264.
>) ib. S 15ff. *) § 17. *) § 41. •) § 18. ') § 19.
■) § 32. ») § 21. >o) § 86.
330
mit Ansroden von Wäldern und Urbarmachen von Ackerland.
In der ganzen Gegend war der seltsame Asket eine mit scheuer
Ehrfurcht betrachtete Persönlichkeit Er trat mit den hohen
griechischen Beamten der Provinz in Berührung. Der kaiser-
liche Statthalter Eupraxios Hess sich von ihm die Tonsur
geben 1), und vor der Rache seines Nachfolgers Nicophorus
rettete er die aufständischen Bewohner von Bossano.^) Er
allein durfte von der ganzen griechischen Geistlichkeit, die den
kaiserlichen Beamten auf ihren Reisen entgegenkommen und
huldigen musste, es wagen fem zu bleiben.^) Als endlich
Anfang der achtziger Jahre die Sarrazenen ganz Galabrien be-
drängten, zog er es vor, im Jahre 981 auf römischen Boden in
das Gebiet von Capua überzusiedeln.*) Durch Vermittelung
des fürstlichen Hauses erhielt er auf casinatischem Besitz die
Abtei St. Michael in Vallaluca, die er mit seinen Brüdern
bezog. ^) Von ihrer Hände Arbeit lebend, befolgten sie die
Regel des hl. Basilius, welche die des hl. Benedict an Strenge
übertraf und unter den Griechen viele Anhänger zählte. Die
Verehrung, die Nilus hier genoss, war allgemein: ein neuer
Stern schien mit ihm aufzugehen; zahlreiche Jünger seharten
sich um ihn, wie um Romuald.^)
Wenige Jahre nachdem Nilus auf capuanisches Gebiet
gezogen war, starb Abt Aligernus von Monte Cassino, der ihn
mit grösster Ehrfurcht empfangen hatte. '^) Er stammte noch
aus der Schule Odos von Gluni; es ist daher begreiflich, dass
unter seiner Leitung das Hauptkloster Italiens auf der Höhe
mönchischer Anforderungen sich erhielt. Aber auch hier folgte
der Rückschlag. Dem unglückseligen Regiment der Fürstin
Aloara von Capua »), der Wittwe Pandulfs L, der Nilus noch
») V. S. Nili § 55. «) § 61. 8) § 53.
*) § 72. ») § 73ff.
^) Job. Canap. V. S. Adalb. c. 15: cuiua nobile meritum in monastico
ordine velud novus lu^fer in aetherio axe refulget; aub quo etiam duce ac
divinae artia magistro discipulorum plurima manus Deo mllitanmt. Hi
vero omnes propriis nianibus victum quaerentes secundum regidam sancti
patris nostri Basilii coelestibus vestigiis innituntur.
^) Ann. Casin. 086 ; auch Leo Ost. II. führt wohl zu diesem Jahr, nicht
auf den 23. Nov. 985 , wie der Herausgeber II , c. 1 1 am Rande bemerkt
«) Vgl. darüber namentlich V. Nili § 79. Pandulf v. Capua war 981
im März gestorben (Ann. Benev. 982). Im nächsten Jahre vertrieben die
331
frenndlich aufgenommea hatte Jener Frau, die für ihre UDmUodigen
Söhne, von denen später der eine den andern ermordete, die
Herrsehafk flihrte, war anch die alte Abtei zum Opfer gefallen:
gegen den Willen der Mönebe wurde durch die fürstliche
Familie auf den Abtsitz Manso gebracht 0) der die Sitten und
den Prunk des entarteten italienischen Weltclerus in die Eloster-
hallen einführte.^) Acht von den Mönchen verliessen damals
den gottverlassenen Ort, drei, um auf der Wallfahrt nach dem
heiligen Lande den Seelenfrieden zu finden, der ihnen hier
versagt blieb, fünf, um sich nach Mittelitalien zu begeben, wo
Markgraf Hugo von Tnscien sie freundlich und ehrenvoll auf-
nahm und ihnen die Mittel gewährte, fünf Klöster nach ihrer
Regel zu gründen.^)
Voll Unwillen verliess auch Nilus die Stätte, an der er
fünfzehn Jahre gewirkt; denn Manso hatte kein Verständnis fUr
Beneventaner Landulf, den Sohn Pandulfs (Ann. Benev. 982). Otto IL be-
stätigte aber der Aloara und ihrem Sohne Landulf den Besitz von Capna
(Leo Ost. II, c. 9). Nach Leo Ost. 11, c. 1 0 wäre Aloara bereits nach annia
circiter octo gestorben, also etwa 9S9; sie tritt aber als Regentin neben
ihrem Sohne noch 991 auf, Gattula, Access, p. 87. lieber Landulfs Er-
mordung vgl. Ann. Casin. 992; Catal. com. Capuae, SS. rer. Langob. p. 500;
Leo Ost. II, c. 10. 1) Leo Ost. II, c. 12; Ann. Casin. 986.
«) Leo Ost. II, c. 16; V. S. Nili § 85.
') Leo Ost II, c. 12. In diesen Zusammenhang gehören wohl die
Urk. Hugos bei Mittarelli, Ann. Camald. I, 120. 129. 132. 134. 137: na-
mentlich für das Kloster S. Maria an der Etsch, das er restaurirte und S.
Michael de Castro Marturi. Mit seiner Gemahlin Judith gründete er St.
Januarius de Campo Leone im Gebiet von Arezzo, Leibniz, Ann. imp.
III, 68t. — Hugo war der Sohn des Markgrafen Hubert und der Willa,
Tochter des Bonifaz v. Spoleto (Urk. Hugos v. 28. Mai 993 bei Mittarelli I,
app. 120; vgl. Provana, Studi p. 94). Seine Schwester Waldrada, Gemahlin
Peters v. Venedig (V. Rom. c. 5; Chron. Venet., SS. VII, 25), war
aber von einem andern Vater, Herzog Peter v. Venetien (Urk. der Wald-
rada v. 25. Oct. 976 bei Ficker, Forsch. IV, nr. 29). Hugos Tochter: Willa,
Gemahlin Ardicios, Sohnes des Arduin von Ivrea (Urk. vom 24. Jan. 1019
bei Muratori, Ant. ItaL III, 857). Seine Gemahlin: Judith (Leibniz, Ann.
imp. III, 681). Hugo war zeitweise Herzog von Camerino und Spoleto
(Ficker, Forsch. II, 318; Provana p. 94; Muratori, Antiq. II, 292). Seine
Stellung zu Theophano und zum Kaiser und seine Bedeutung für Italien
geht hervor aus Ann. Quedlinb. 991 ; Catal. com. Capuae a. a. 0.; Leo Ost.
II, c. 10. 12. S.Tod: 12. Kai. Jan. 1001 bei Leibniz, Ann. imp. III, 288, wo-
selbst sein Epitaph; Ann. Einsiedl. 1001; Rod. Glaber II, c. 7.
332
ihn.') Es war um dieselbe Zeit, als der Abt seinen Lohn erntete,
indem er, sei es auf Veranlassung des Fürsten 2), sei es des
Bisehofs Albericb, geblendet wnrde.') Nilas aber baute seine
Hütten im Gebiete von Gaeta^) auf. von wo es ihm noeh be-
sehieden war, auf den jugendlichen Kaiser Otto zu wirken.
Schon früher verbanden ihn nahe Beziehungen mit Rom.
Es hatte sich unter den Reformgeistern dieser Gegenden und
namentlich der von zahlreichen griechischen Mönchen be-
wohnten römischen Klöster ■'^) eine Art pietistischer Cirkel ge-
bildet, dessen Mitglieder zusammenkamen und tiefe, begeisterte,
von Glaubenseifer durchglühte Gespräche führten.
Als einst Adalbert von Prag beim hl. Nilus anpochte und um
Aufnahme in seiner Congregation bat, wies dieser ihn zurück —
Adalbert hatte die Aufforderung der Gasinaten bei ihnen zu
bleiben abgelehnt, und Nilus fürchtete für das ihm von ihnen
überlassene Stück Landes, wenn er ihn aufnehme — ; er gab
ihm aber eine Empfehlung an den ihm innigbefreundeten Abt
Leo von St Bonifazius und Alexius®) in Rom mit Wir kennen
Leo bereits; er war später der Gesandte Johanns XV. in Frank-
reich nach dem Concil von St Basle und der energische Ver-
teidiger der Rechte des römischen Stuhles. Leo stand dem
Papste auch persönlich nahe. Ihm stellte er den Bischof von
Prag vor, der jetzt die Kutte nehmen wollte, und erbat seinen
und der Cardinäle Rat') Am 17. April 990 erfolgte die Auf-
nahme Adalberts. In der Abtei San Bonifazio und San Alessio
lebten damals Griechen und Römer. Ihre Lebensweise war
verschieden; nur vier befolgten die Regel des hl. Basilius —
sie galten für die Oberen, Vorgeschritteneren — die übrigen die
des hl. Benedict. Einen mittleren Weg schlug Adalbert ein.
Hier in diesem Kloster war der Sammelpunkt der reform-
*) V. S. Nili § 84: Sc ovx yösi rov oaiov NelXov oazigtjv; vgl. §86.
«) So V. S. Nili § 85. 8) Nach Leo Ost. U, c. 12.
*) liier war seit 979 Johannes, Sohn des Marimis, Herzog; im Jahre
992 nahm er nach südital. Herkommen seinen Sohn Johannes zum Mit-
regenten (vgl. Gattula, Access, p. 116).
*) Vgl. V. Nili § 90. 96.
^) Joh. Canap. V. S. Adalb. c. 15: domnum abbatem Leonem nobis
amicissimum ; vgl. Leo Ost. H, c. 17; Passio S. Adalb. c. 1, SS. XV, 2, 706;
V. qu. fr. c. 11. ') Joh. Canap. V. Adalb, c. 16.
333
begeisterten Eiferer, die wie Leo im Stahle Petri die Stütze
nnd den Mittelpunkt alles kirehliehen Lebens sahen. Da trafen
sich ,Abt Gregor", — wohl der frühere Abt von Cerchiara in
Calabrien^) — „der Vater Nilus, Jobannes, der gute schwache,
der schlichte Stratus, ein Engel auf der Erde, hier von dem
höheren römischen Clerus der weise Johannes, der schweig-
same Theodorus, der unschuldige Johannes, der schlichte Leo,
ein Freund der Psalmen und immer zum Predigen bereit".^)
Wir dürfen aus dem letzten Zusatz schliessen, dass er meist
das grosse Wort führte; um so wertvoller ist es daher, dass
wir gerade über seine hierarchischen Grundsätze, die gewiss
von der ganzen Gesellschaft geteilt wurden, unterrichtet sind.
Und dass man in diesen Kreisen sich in nachdrücklichen
Gegensatz zu den Hauptübelständen der Zeit stellte, zur
Simonie und Priesterehe, lässt sich mit Sicherheit aus ein-
zelnen Andeutungen vermuten. Gegen das erstere Uebel
erhob Romuald seine Stimme 3); dass er auch das zweite ver-
urteilte, darf man wohl darom annehmen, weil aus seiner
Schule Männer wie Petrus Damiani hervorgingen. Wenn
Nilus aber die Ehe so sehr verabscheute, dass er lieber mit
einer Schlange, als einem Weibe umgehen wollte^), so wird
') Wie bereits Holder -Egger in der Ausgabe der V. Gregorii SS.
XV, 2, p. 1188 n. 2 bemerkte. Er lebte noch ein Jahr nach dem Sarra^
zeneneinfall in Calabrien in seinem Kloster, also etwa bis 987 oder 988
(V. Greg, prior c. 10) and kam dann nach Buccino. Zur Zeit Ottos III.
scheint er sich in Rom aufgehalten zu haben (vgl. Y. Gregorii posterior
c. 13 ff., SS. XV, 2, 11 95 ff.). Er wurde dann Abt eines St. Salvatorklosters
in Rom, das er mit Theophanos Hülfe errichtet haben soll (V. Greg,
post. c. 16).
*) Brun. V. S. Adalb. c. 17: Graecij inquamf optimi i^eniuntf Latini
aimiles militarunt. Superioribus quatuor piua Basüius, inferioribua magnus
Benedictaa dux sive rex ej'at Inter qiios medius incedena Deum siciens
Adalbertus . . Dum convenirent sancti viri, pltiebafit ibi sermones Deiy accenaae
sentenciae fnutw> cursant . . Hoc Gregorius abbaSy hoc erat pater Nilus j
hoc Johannes bonus infii-nius , hoc simplex Stratus et supe^' terram angelus
unus, hoc tjc Romae maioribus Dei sapiens Johannes, hoc silens Theodorus^
hoc Johannes innocens, hoc simplex Leo, psaknorum amicus et semper
praedicare paratus.
') Vgl. V.Rom, c. 85. 41.
*) V. Nili § 39: TtQoaiQsltai fiällov daniöi rj ywaixl ofAik^aai;
vgl § 49.
334 A
er die Ehe der Geistlicben mit nm so schärferen Ausdrücken
angegriffen haben. Als ein wesentliches Merkmal dieses italisch-
griechischen Mönchtnms haben wir aber einmal die asketische
üebertreibung der vom Mönche geforderten Uebnngen im
Wachen, Beten nnd Fasten, dann aber die überall betonte
Handarbeit hervorzuheben >), die nicht nur den ländlichen und
gewerblichen Beschäftigungen, sondern namentlich der Ver-
vielfältigung patristischer Schriften zu Gute kam. Wie Nilns,
so kannte auch Gregor diese Litteratur, wie jener, so be-
schäftigte sich auch dieser mit dem Abschreiben theologischer
Werke.^)
3. Otto III. und die Reformmänner.
I.
Wenige Jahre nur hatte Adalbert jene wunderbaren Ge-
stalten genossen, die in Leo und Nilns ihre Häupter verehrten,
er hatte nach seinem Prager Bistum auf Befehl des Papstes
und seines Abtes zurückkehren müssen. Freilich nicht auf
lange, denn bald trieb ihn die Sehnsucht nach der Sonne
Italiens, nach den frischen Lüften des Aventinklosters, von
dem man nach der Tiber schaute, nach dem Verkehr mit den
gleichgesinnten Freunden weg von der Rohheit und Unver-
besserlichkeit seiner Landsleute. Dann kam der Mai 996, da
Otto IIL in Italien erschien und ihm bis nach Bavenna die
Boten und Briefe des römischen Stadtadels, die ihn um die
Einsetzung eines Papstes nach dem Tode Johannes XV. er-
suchten, entgegenkamen.^) Der Kaiser war dann bereits
wieder über die Alpen gezogen, als der neue Papst Gregor V.
Adalbert die Rückkehr in seine Diöcese befahl. Ungern
machte er sich mit Notger von Lüttich auf den Weg; nach
zwei Monaten traf er den Kaiser in Mainz. Noch bevor er
Mönch wurde, war Adalbert der Theophano in Italien nahe
getreten; während des letzten Aufenthalts in Rom müssen
die Beziehungen zu Otto noch enger geworden sein. Es wird
*) Vgl. Gregorii c. 4 a. a. 0. p. 1188: noluit enim aliud manducare
n%8% quod ipse elaboraaset. Vgl. was über die Congregationen Hornualds
und des NUus gesagt ist. ') Vgl. V. Gregorii prior c. 4 a. a. 0. p. 1188.
') Can. Vita S. Adalb. c. 21.
335
uns berichtet, dass er mit dem Kaiser längere Zeit zusammen
blieb, weil er ihm anfs engste befreundet war, und Tag und
Nacht das kaiserliche Cabinet nicht verliess. Wenn das Hof-
lager, namentlich des Nachts, in Ruhe lag und die letzten
Schritte der Diener und Gäste verhallten, da konnte man den
römischen Mönch neben dem Herrn der Welt sitzen sehen nnd
man konnte hören, wie er ihn mit feuriger Beredsamkeit von
der Nichtigkeit weltlicher Herrschaft und eitlen Strebens über-
zeugte, dass alles an der Erwerbung des ewigen Heiles ge-
legen sei, nnd alles gipfelte in der Ermahnung, an den Tod
zn denken: auch er sei ein Mensch und einst die Speise der
Würmer. 1) Noch einmal, nachdem er in Frankreich beim
hl. Martin in Tours, St. Benedict in Fleury, St. Denis, St. Maur
u. a. 0. seine Gebete verrichtet, kehi-te Adalbert, der nach der
Märtyrerkrone dürstete, zu Otto zurück: noch eine letzte Unter-
redung, noch ein Abschiedskuss, und Adalbert schied von dem
durch ihn hingerissenen und begeisterten Jüngling, um sein
Blut unter den Heiden zu verströmen.^) Der Eindruck blieb.
Dass eine Lehre durch ein solches Beispiel besiegelt wurde,
konnte nicht unbemerkt vorübergehen.
Das selige Ende Adalberts weckte in jenen reforma-
torischen Kreisen, die wir betrachtet haben, allgemein das
Verlangen nach der Märtyrerkrone und dem Heiligenscheine.
Ein Schüler Komualds, der in San Bonifazio die Kutte und
den Namen Bonifazius genommen hatte, Bruno von Querfurt,
sehritt mit nackten Füssen und Schenkeln durch das rauhe
Alpenland, um in Rnssland für seinen Glauben zu sterben.^)
Gaudentius, der Bruder Adalberts, und Anastasius, welcher
mit einigen andern Mönchen diesen begleitete, stammten aus
S. Bonifazio und Alessio und predigten unter den Slaven und
Magyaren das Evangelium, ersterer als Erzbischof von Gnesen,
') CaDap. Vita S. Adalb. c. 23 : Nam die aive nocte, cum turba locum
deditj sanctis aUoquiis aggreditur illumj docens, ne magnum putaret se
imperatorem esse; cogitaret se hominem moriturum, cinerem ex pülcherrimo,
putredinem et vermium escam esse futurum; Brunon. Vita S. Adalb. c. 20:
Cum quo aliquos dies commoratur, nee nocte nisi ante conspectum impera-
toris j€u:ere permissus est.
«) Can. Vita S. Adalb. c. 25; Brunon. Vita Adalb. c. 19.
») Vita S. Rom. c. 27.
336
letzterer als Bischof der Ungarn J) Naeh Polen gingen auf die
Aufforderung König Boleslaws, der sich an Kaiser Otto gewandt
hatte, zwei Eremiten aas Romualds Jüngerschaft, Johannes and
Benedict, die dort mit einigen Genossen von ßäabem ermordet
worden, weil man Gold bei ihnen vermatete^), and endlich
machte sich Romaald selbst mit vierandzwanzig seiner Ge-
fährten nach empfangener Erlaubnis des römischen Stahles aaf
den Weg nach Ungarn. Als ihn aber Krankheit und Schwäche
zur Umkehr zwangen, begleiteten ihn nur sieben zurück, die
andern gingen in dem noch halbbarbarischen Lande zwar nicht
dem Glaubenstode, wohl aber elender Sclaverei entgegen.')
Während der Kaiser sich am Niederrhein und in Sachsen
aufhielt, wo er wieder die aufrührerischen Slaven bekämpfen
mnsste, hatte sich in Rom die bekannte Revolution vollzogen,
welche Gregor V. aus der Stadt zu entweichen zwang und den
Griechen Johannes Philagathos mit Hülfe des Crescentius auf
den römischen Stuhl brachte. Jetzt, nachdem erst einmal die
Persönlichkeit Gregors in den Köpfen der Cluniacenser die
schönsten Hoffnungen erweckt hatte, war diese Niederlage von
mehr als augenblicklicher Bedeutung. Es handelte sich darum,
ob das Papsttum, nun endlich in geordnetere Verhältnisse ge-
bracht, im Stande sein würde, seine universalen Rechte zum
Heil der Kirche zur Geltung zu bringen, oder ,ob es auch
fttrderhin ein Spielball, ein Kampfpreis der römischen Factionen
bleiben solle, der dem jeweiligen Sieger zufiel, ob man das
natiönalrömische Interesse dem allgemeinkirchlichen, welches
der römische Kaiser vertrat, vorziehen werde. Wir wissen,
dass sich im November 997 Abbo von Fleury acht Tage lang
in der Gesellschaft des Papstes in Spoleto befand; um die-
selbe Zeit verliess auch Abt Odilo von Gluni sein Kloster, um
nach Oberitalien herabzuziehen, wo Otto und der vertriebene
Papst im December 997 zu Pavia sich trafen. Vielleicht — und
es ist dies höchst wahrscheinlich, da die Cluniacenser Pavia sehr
nahe standen und die Stadt bei keiner ihrer italienischen
Reisen umgingen — war Odilo damals schon in ihrer Um-
0 Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom III, 443.
«) V. qu. fr. c. 13; Vita S. Rom. c. 28. ») V. S. Rom. c. 39.
337
gebiiDg. Hier wnvden nämlich zuerst von Seiten des Papstes
reformatorisehe Massregeln getrofifen, indem er auf der Synode
einen Canon des Papstes Symmachus wieder erneuerte, wonach
jeder Bischof, Presbyter, Diacon und Cleriker, der bei Lebzeiten
des Papstes und ohne dessen Erlaubnis irgendwelche Ver-
bindlichkeiten betreffs der zukünftigen Wahl eingebe, abgesetzt
und excommuniciert werden soUe.^) Sicher ist Odilo erst in £a-
venna nachzuweisen, wo der junge Herrscher von Ende Januar
bis in den Februar sich auf hielt.^) Am 6. Februar 998 urkundete
Otto hier für den Abt, indem er die elsässischen Besitzungen
von Peterlingen bestätigte.^) In Rom sehen wir Odilo mit dem
Kaiser und Papst in gleicher Weise in Verbindung; wir werden
um so eher einen engeren Verker am Hofe Ottos begreiflich
finden, als das St. Marienkloster, in dem Odilo sein Quartier
zu haben pflegte, wie S. Alessio, auf dem Aventin, also in
nächster Nähe der kaiserlichen Pfalz stand.'*) Gregor V.
verbriefte auf seine Bitten die Freiheit des Klosters Romain-
moutior und die Sicherheit der Schenkungen, die Konrad von
Burgund dieser Abtei gemacht, gegen einen jährlichen Zins
von zehn Solidi an den römischen Stuhl, wohl im Februar
dieses Jahres^), und in dieselbe Zeit wird die Bulle gehören,
in welcher der Papst auf Intervention Kaiser Ottos die Privi-
legien Clunis bestätigte, namentlich, dass es dem Abte frei
stehen solle, bei priesterlichen Offizien und Ordinationen jeden
beliebigen Bischof anzugehen, jene Urkunde, welche die von
Glnni abhängigen Klöster und Gellen vollständig aufzählt.^)
Am 22. April beweist uns dann die Fürbitte Odilos für S. Peter
Giel d'oro bei Pavia seineu weiteren Aufenthalt an der Seite
des Kaisers^); er hat also offenbar in Rom jener Reaction
») Otto, Papst Gregor V, Mlinst. Diss. 1881, p. 25-29; Herrn. Aug.
997 : Qui venerabüis papa canonicum ibi disciplinam reparare aatagens etc.
«) St. 1137—1140.
') St 1139; Grandidier, Uist. d'Alsace I, nr. 846.
*) Vgl. Jota. Vita Odilon. II, c. 9.
^) Mem. et doc. de la Suisse Rom. III, 425; J.-L. 3895; nach Stein-
dorfTs Nachweis (Jahrb. Heinrichs III., I, 491) zwischen dem 6. Febr. 998
und Febr. 999 ausgestellt
•) BuUarium Clun. p. 10; J.-L. 3896.
') St 1145; IIPM XllI, col. 1660, nr. 943: qualitermonachi monasterii
sancti Fetri Cellae aureae devotis precibus nostrae pietatis clementiam
Saokur, Clttiiiaconaer. I, 2
338
Ottos und Gregors beigewohnt, jenen Kämpfen um die Engels-
bürg, die mit der Gefangennahme und Misshandlung des
griechischen Gegenpapstes und der Hinrichtung de Crescentius
am 29. April ihren Abschluss fanden J) Auch an sein Ohr war
wohl der Ruf nach Gnade, den der hl. Nilus für den unglück-
lichen Landsmann an den Kaiser ergehen liess, gedrungen;
aber Otto war zu sehr in der Hand des Papstes und dieser
zu sehr von den Rachegefühlen des Siegers beseelt, als dass der
Kaiser, so gern er es gethan hätte, die Bitte erfüllen konnte.^) So
erfolgte denn jener bizarre Eselsritt des Bischofs von Piacenza
durch die Strassen Roms, während der fromme Eremit, der im
Süden Italiens sich des höchsten Ansehens und des gewal-
tigsten Einflusses erfreute, zum ersten Mal erfahren musste,
wie wenig sein Wort in den grösseren Fragen der Politik galt,
und sich verstimmt von den Gräueln der Gegenwart in seine
Gelle bei Gaeta zurückzog.
Während der Kaiser den Rest des Jahres 998 in Unter-
und Mittelitalien verbrachte, einmal sogar im September wohl
vor der Hitze des Südens sich nach Pavia zurükzog^), weilte
Odilo im Mai bereits wieder in seinem französischen Kloster.^)
Inzwischen hatte sich Otto mehrmals gegen die Vergabungen
und Verpachtungen von Kirchengnt ausgesprochen; er hatte
dann in einzelnen Fällen alle unter dem Zwange der Umstände
oder leichtsinnig eingegangenen Verträge dieser Art, für den
Fall, dass sie dem Nutzen der Kirche nicht entsprächen, kraft
seiner kaiserlichen Autorität für ungültig und aufgehoben er-
klärt.^) Er erliess endlich ein allgemeines Decret von gesetz-
licher Bedeutung am 20. Sept. 998 in Pavia an die geistlichen
und weltlichen Stände Italiens, in welchem er im Hinblick auf
die Verschleuderung und Verpachtung der Kirchengüter seitens
der Bischöfe und Aebte und der daraus entspringenden Folge
der Leistungsunfähigkeit für staatliche Zwecke allen diesen
ddieruntf qtuitcniis . . longo tempore . . abstractam ... necnon et proba-
tissimi ac revereMissimi abbatis Odili postulationibus . . redderenius.
') Wilmans, Jahrb. Ottos III. S. 101.
») Vgl. Vita S. Nili § 89—93.
3) Wilmans, Jahrb. Ottos III. S. 105. *) CHOL III, nr. 2459.
^) So in einer Urk. f. Nonantula am 25. März 997, Stumpf, Acta imp.
nr. 250, p. 348.
339
Verträgen und Pachtcontracten in der Form der Emphyteuse
nur eine Verbindlichkeit für die Lebenszeit des contrahirendea
Abtes zuschreibt, nicht seiner Nachfolger, so dass allen Erb-
und Zeitpachten von längerer Dauer dadurch der recht-
liehe Boden entzogen wurde. Nur dann soll ein derartiger
Vertrag gesetzlich sein, wenn er der Kirche zum Nutzen ge-
reiche.') Bedenkt man, dass der Kaiser nur so lange Herr
Über die Finanzkräfte des Reiches war, als der Gtiterbesitz
in seiner Vollständigkeit in den Händen der vom Kaiser
durch die Wahlen abhängigen Kirchen sich befand, so wird
man dieser Massregel eine grosse politische Bedeutung nicht
absprechen können, und unter demselben Gesichtspunkte müssen
die Anordnungen betrachtet werden, durch welche Otto den nord-
italischen Episcopat, der in jener Zeit mit den kleinen, nach
Erblichkeit ihrer Lehen strebenden Vasallen und den nach
Selbständigkeit ringenden Bürgern in stetem Kampfe lag, mit
Rechten und Gütern überhäufte, um auf diese Weise die Ver-
fügung über die materiellen Mittel Italiens nicht aus den
Händen zu verlieren.
Den Winter über verbrachte Otto wieder in Rom. Jetzt,
nachdem Anfang Februar 999 der harte Gregor das Zeitliche
gesegnet hatte, mochten wieder, wo er sich allein und ohne
Stütze auf dem Throne der Welt befand, der religiöse Tiefsinn
und alle jene weltverachtenden Gefühle in ihm erwachen,
die Adalbert in ahm zu wecken versucht hatte. Doppelt er-
fasste ihn jetzt die Reue über die grausame Behandlung des
Crescentius und des Johannes, und mit den Gedanken an das
Schicksal, welches die Seele Gregors erwarte, mag es ihn ge-
drängt haben, seine Vergehen und Sünden auf Erden zu sühnen.
Wie ein Mahner stand ihm die ehrwürdige Gestalt des greisen
Nilus vor Augen: denn zu den «Hütten Israels in der Wüste*
lenkte der Kaiser bald seine Schritte. Zuerst freilich pilgerte
er zu Fuss zum hl. Michael auf dem Monte Gargano 2), jener
alten berühmten Wallfartsstätte, die durch ihre Lage in wilder
>) Muratori SS. II, b, 496.
*) Nach Vita S. NUi § 91 zur Sühne für die Behandlung des Johannes,
nach Vita 8. Rom. c. 25 für den Eidbruch an Crescentius; Leo Ost. II, 24:
causa penitentie, quam Uli beatus Bomucddus iniunxerat, abiit ad montem
Garganum; Catal. com. Capuae a. a. 0.
22*
340
Fels- und Meereseinsamkeit die Gedanken an den Himmel zn
begünstigen schien; dann aber auf der ROckkehr kehrte er zn
Gaeta bei dem Heiligen ein.^) Auch Nilns schrieb es ihm
wieder in die Seele, wenn er auch Kaiser sei, müsse er doch
wie ein sterblicher Mensch sterben und vor dem Weltricbter
einst Rechenschaft ablegen.^) So predigte dem schwachen
und unselbständigen Gemüte des Kaisers alles Vernichtung
menschlicher Triebe und Freuden, und wie ein Schleier zog
es sich um seine Seele. Diese Stimmungen gewannen mehr
und mehr über ihn Gewalt. Er gab sich damals mit dem
Bischof Franco von Worms vierzehn Tage lang in einer Grotte
bei San demente in Rom Gebeten , Fasten und Nachtwachen
hin.^) Und wie er dem hl. Nilus, als er von ihm schied, seine
Krone in die Hand legte, so brachte er seinen Krönungsmantel,
auf dem die ganze Apocalypse in Gold gestickt war, den
heiligen Bonifazio und Alessio zum Geschenke dar.'*)
Inzwischen hatte Otto seinen Lehrer Gerbert auf den
päpstlichen Stuhl erhoben; das war vielleicht die nächste
Veranlassung, die den Abt von Cluni wieder über die Alpen
führte. Denn wohl persönlich ersuchte Odilo den Kaiser im
April 999 in Rom, den Besitz der Celle des hl. Majolus, wie
man jenes Marienkloster bei Pavia jetzt allgemein nannte, von
neuem zn bestätigen; kraft seiner kaiserlichen Autorität be-
stimmte damals Otto III., dass keine weltliche oder geistliehe
Macht sich in die Angelegenheiten der pavesischen Obödienz
mische oder ohne ausdrücklichen Wunsch — dies ging gegen den
Diöcesanbischof — zu ordinieren oder zu dispensieren wage.^)
Vielleicht darf man in diese Zeit noch die erneute Reform
von St. Paul setzen, wo, wie wir wissen, bereits Odo und
>) Im Frühjahr 999 w&r Gaeta völlig der Oberhoheit des Kaisers
unterworfen. In Urkunden vom März und April ist die Sendung des
kaiserl. Clerikers Notger als eines Missus erwähnt; Gattula, Acc. p. 114
und 115: Cumque impcraret in Italia supradictiLS impcrator Angustus
Ottonem (p. 114).
«) Vita S. Nili §91.
8) V. Burchardi c. 3; vgl. Gregorovius, Gesch. d. Stadt Rom III, 606.
*) Mirac. S. Alexii c. 3; vgl. Gregorovius III, 505.
«) St. 1179; Bibl. Clun. col. 409; CIICL III, 2483: oh petitionein domni
Odelonis. Hier heisst es von der Celle: sed nunc ab omnibus ceüa dici-
tur S. Maioli.
341
Majolus für ein reguläres Klosterleben sieh bemttht hatten.
Damals war die Abtei jedoch wieder derartig herunterge-
kommen, dass Otto III. auf Zureden des Papstes bereits ent-
schlossen war, dieselbe von den Mönchen zu befreien und mit
Clerikem zu besiedeln. Wenn es nun heisst <), der hl. Apostel
habe sich selbst ins Mittel gelegt und in einer nächtlichen
Vision von Otto eine Reform innerhalb der Mönchsregel ge-
fordert, so wird man wohl auch Odilo einigen Anteil an der
Umstimmung des Kaisers zuschreiben müssen, zumal der
Chronist, dem wir die Nachricht verdanken, den betreffenden
Teil seines Werkes wahrscheinlich in Cluni schrieb.
IL
Den Rest des Jahres befand sich Odilo wieder in der
Heimat. Es ist die letzte Lebenszeit der Kaiserin Adelheid,
und gerade damals ist der Abt in enge Berührung zu ihr ge-
kommen. Nach dem 10. April bis Anfang December 999 weilte
die alte Fürstin in Burgund^), indem sie bald da bald dort
sich aufhielt; wir wissen, dass Odilo öfter in ihrer Umgebung
sich befand 3), und zwar ist uns diese Thatsache um so be-
merkenswerter, als es feststeht, dass Adelheid die italienische
Politik ihres Enkels durchaus missbilligte, jene Politik, die dem
griechischen Blute, das in ihm rollte, entsprang und die von
seiner Mutter Theophano, die während der Minderjährigkeit
Ottos von 989 an mit männlicher Thatkraft die Verwaltung
Italiens führte, beeinflusst war.*) Die beiden Frauen hatten
sich nach dem Tode Ottos IL zwar bis zum Jahre 985 ganz
gut verständigt^), dann aber war die Autorität der alten
Kaiserin durch Theophano zurückgedrängt worden. In der
*) Rod. Glaber hist. I, c. 4.
') Bentzinger, Das Leben der Kaiserin Adelheid unter Otto III, Bres-
lauer Diss. 1883, S. 50.
«) Odil. Epit. Adelh. c. 19: Erat quidam ihi in 2)rae8entia ipsius
monachuSj qui licet esset irulignus ahhas vocitarij ab ca tarnen putabatur
alicuius esse momenti; c. 15 spricht dann von Thränen und Gebeten in
St. Maurice: Si enim respiceres augiistae facietUj excedere diceres hunianam
effigiem; c. 16: Tunc videres augustam toto corpore solo prostratam, non
minus crederes, also muss er doch damals zugegen gewesen sein.
*) An. Hildesh. 989: Thcojjhafiu impcratrix, mater regiSj Romain per-
rexitf ibique fmtalem Donmii celebravit et omneni regionem regi subdidit.
fi) Bentzinger p. 13j Kehr in der Histor. Zft. Bd. 66, S. 423.
342
That zeigte Theopbano alle Eigenseliaften jener griechischen
Prinzessinnen, die in Herrschsucht und Ueppigkeit aufwuchsen.
Gewiss konnte man ihr männlichen Geist und energisches
Handeln i), auch gewinnende Liebenswürdigkeit und Freigebig-
keit gegen die Armen nicht absprechen^) — aber wie wider-
wärtig berühren die Schmähungen, die sie gegen ihren Ge-
mahl in Gegenwart des Bischofs Theoderich von Metz aus-
stiess, als sie in Rossano, wo sie zurückgeblieben war, die
Kunde von der Niederlage Ottos IL ereilte, und wie erhob sie
dagegen ihre Landsleute in den Himmel.^) Ueppigen Schmuck
und unnötigen Prunk brachte sie, wie es heisst, an den schlichten
deutschen Hof*), und wer weiss, ob nicht die Recht hatten,
welche schon Otto den Grossen vor der griechischen Heirat
warnten.^) Mit der milden Adelheid konnte eine Frau wie Theo-
pbano nicht stimmen. Ein unanfechtbarer Zeuge, Odilo selbst,
meint, er könne nicht im einzelnen erzählen, wie viel Be-
^) Die Ann. Quedlinb. 991 sagen: Ibi ergo, dum quadam quasi com-
pede totnm siui ditione colligasset imperiumj Tlieophanu imperatrix con-
summato in bonis vitae suae cursu etc. . . .
*) Canap. Vit. Adalb. c. 14 rühmt ihre pia cura drca pauperes citm
8ummatibu8 mris. Allerdings war Adalbert von ihr durch Geldmittel
unterstützt worden, als sie seine Absicht, nach Jerusalem zu pilgern, er-
fuhr. — Tangmar in d. Vita Bemwardi c. 2 spricht von der vencfxMli et sa-
pie7itis8ima matre domna Tlieophanu. Das sind aber Aeusserungen aus
einem Kreise, der dem Kaiser und seiner Mutter sehr nahe stand. Anders
lauten die Urteile aus dem Munde der Partei Adelheids.
') Alpertus de ep. Mettens. c. 1, SS. IV, 698: statini procaci loctUione,
ut fert levitas mulierum, conterrales suos — erat enitn de Graecia — ad coeUmi
extollere eocitumqus adversi praclii cum sumtno probro ad derogationem
imperatoris intorquere. Der Bischof konnte die procacitatem et contume-
liam reginae nicht mehr vergessen. Giesebrecht geht in seiner Wert-
schätzung der Theophano entschieden zu weit, wenn er alle diese Ur-
teile verwirft.
*) Sehr bemerkenswert ist hier eine in einem Cod. der Vita Bemwardi
sich findende Notiz SS. IV, 888 erst unter den Addenda. Sie wird in der
Hölle gefoltert: Quia multa superflua et luxuriosa mulierum ornamenta,
quibus Graecia uti sollet, et eatenus in Gennanie Francieque provinciis
erant incognita, huc primum detuli ... alias mulieres similia appetentes
peccare feci.
*) Thietmari Chr. II, c. 15 (ed. Kurze p. 27): Fuere nonnulli qui ha7ic
fiei-i conjuncioneni apud imperatorem inpedire studerent, eandemque remitti
consulerent.
343
Bchwerden die alte Kaiserin nach dem Tode ihres Sohnes zu
ertragen gehabt habe.^) Auch nach Theophanos Hinscheiden
war ihr Einflnss auf den Enkel von kurzer Dauer, wäh-
rend der Mann, der Theophanos vertrautester Ratgeber war,
den sie von Anfang an begünstigt und endlich auf den
Stuhl von Piaeenza gebracht hatte, der Grieche Johannes
Philagathos^), sich von Crescentius gegen den Papst Ottos IIL
gebrauchen Hess. Sowie Majolus das erste Mal sich der
Adelheid annahm, als sie dem Herzen Ottos U. entfremdet
wurde, und beide zu Pavia wieder versöhnte, so teilte auch
Odilo mit ihr die traurigen Stunden ihres freudelosen Alters.
Wir ftthlen die gemeinsame Harmonie ihrer Seelen, wenn Odilo
bei der Nachricht von dem Tode des jungen Bischofs Franco von
Worms, der am 27. August eintrat, die Kaiserin ausrufen lässt:
„Es werden zu Grunde gehen, wie ich glaube, viele mit ihm in
Italien, und er selbst nach ihnen, wie ich Unselige färchte,
Otto, der kaiserliche Spross ; und ich werde bar alles mensch-
lichen Trostes zurückbleiben!" 3) Und in diesem Ausruf liegt
mehr als eine Missbilligung, liegt eine tiefe Resignation und
Verzweiflung. Ruhelos zog sie von Ort zu Ort. In Peter-
Hngen, ihrem Werke, entwickelte sie eine rührende Wohl-
thätigkeit.^) In St. Maurice, wo wir Odilo bei ihr finden, brach
sie vor dem im burgundischen Hause hochgehaltenen Heiligen
*) Odil. Ep. Adelh. c. 8: Igitur reciduis diu afflicta verberibus non
p08sumu8 enarrareper smgula, quot et qualia post mortem filii 8ibi succes-
serunt incommoda. Licet illa imperatrix Graeca sibi et aliis fuisset satis
utilis et optima^ socriii tarnen auffustae fuit ex parte contraria. Vgl. die
aus dem 1 1 . Jahrhundert aus Sciz stammenden Mir. Adelh. c. 2 : ejus pravo
ingeniOf deteriori consilio deceptuSj regnum Graecoriitn conatus est adipisci,
') Ann. Qnedlinb. 997; ThietmarlV, c. SO: Johannem Cala^itanum
Theophanu imperatricis dilectum comitem etc. Es kann wohl kein Zweifel
sein, dass er identisch ist mit dem Griechen, den Odilo als ihren Ratgeber
erwähnt: Ad postrenium vero cujusdam Graeci aliorumque adulantium
consilio fruens etc. ; Odil. Ep. Adelh. c. 8.
■) Odil. Ep. Adelh. c. 16: Peribunt in Italia. vi credo^ multi cum eo,
peribit post ipsoSj ut timeo, heu misera! augustae indolis Otto; retnanebo
omni humano desfituta solatio! — Franco stand dem Kaiser während
seines einjährigen Aufenthalts in Italien sehr nahe und teilte auch die
schwärmerischen Regungen desselben in dieser Zeit. Vgl. Vita Burchardi
ep. Wormat. c. 3. Man darf sich also nicht wundem, wenn die Kaiserin
gerade dieser Todesfall so erschüttert. *) Odil. Epit. c. 13.
344
in erschtttternde Klagen und Thränen ausJ) Sie weilte in
Genf beim hl. Victor nnd dieser Besuch ward bald die Ver-
anlassung zur Reform des Klosters, ging dann nach Lausanne
zur Gottesmutter, wo sie den Hof versammelt fand. In Orbe,
wo dann das Hoflager aufgeschlagen wurde, vermittelte sie
eifrig den Frieden zwischen dem Könige und den Vasallen,
wer weiss, ob nicht im Auftrage Odilos, auf den sie viel hielt
In Souvigny betete sie am Grabe des hl. Majolns, den sie so
sehr in Italien gefördert hatte; schliesslich kam sie nach Cluni.
Hier sah sie Odilo wieder 2), der sie inzwischen verlassen hatte;
gewiss nicht ohne sein Zuthun geschah es, dass sie der Kirche
des hl. Martin in Tours aushalf, nachdem sie von Feuersbrnnst
schwer geschädigt worden war. Am Ende bedeckte sie das
Gewand des Abtes von Cluni mit heissen Küssen und empfahl
von Todesahnungen erfasst, ihre Seele dem Gebete seiner
Mönche.^) Auf demselben Wege, auf dem sie gekommen, ging
Adelheid nach Selz zurück, wo sie in der Nacht vom 16. zum
17. December ihr Leben beschloss.
in.
Um dieselbe Zeit, da dies geschah, im December 999, kam
der Kaiser mit Romuald, der damals in Pereum lebte, in
nähere Berührung.*) In der Absicht, die Abtei San ApoUinare
in Classe zu reformieren, begab er sich, nachdem die Brüder
sich den unfern in der Klause weilenden Romuald zum Abt
erbeten hatten, nach der Celle des Eremiten und vei^weilte
doli; die ganze Nacht von Sonnenuntergang bis zum frühen
Morgen. Mit Mühe wurde Romuald zur Annahme des Amtes
bewogen. Wie an andern Orten geriet er aber auch hier mit
den Mönchen, die ihre Wahl bereuten, in Streit, und noch wäh-
rend desselben Aufenthalts des Kaisers in Ravenna warf Romuald
ihm und dem Erzbischofe den Hirtenstab vor die Füsse.*)
>) Odil. Epit. Adelh. c. 15 u. 16.
') c. 17: Non enim oblita Cluniacwn adeo sibi familiäre coe^iobiuni etc.
Dass Odilo sie iDzwischen verlassen hatte, geht aus c. 19 hervor: Quem
cum illa respiceret et ipse eam esset intuitus.
8) c. 18 n. 19. *) V. Romualdi c. 22 ff.
*) Ich folge hier und im Folgenden der Chronologie der Bmn. V.
quinque fratrum c. 2, SS. XV, 7 IS. Sie rührt von einem unmittelbaren
Zeitgenossen und teilweisen Augenzeugen her und verdient schon deshalb
345
Während Otto nun nordwärts zog, um am Grabe des
Märtyrers Adalbert in Gnesen zu beten, eilte Romuald wie ein
Fliehender nach Monte Cassino, in dessen Nähe Jobannes
Gradenicns ein Eremitenleben fährte. Hier schloss sich ihm
mit jugendlicher Begeisterung ein junger Beneventaner, Bene-
dict, an, der mit so erbarmungsloser Strenge sich kasteite, dass
Romuald von ihm sagte, er sei wie ein Stein im Fasten und
Wachen. Im Herbst des Jahres 1000 erkrankte jener im Kloster
des hl. Benedict; dann, als er sich erholt hatte, begab er sich nach
Rom zur selben Zeit, als der Kaiser unter dem erheuchelten
Jubel der Römer wieder in der ewigen Stadt einzog. Otto
bändigte die Tiburtiner, die ihren Herzog Mazolin ermordet
hatten, und Romuald soll damals seinen Einfluss zu Gunsten
der unglücklichen Bürger aufgewendet haben.^) Dann war
jener bekannte Aufstand der Römer gefolgt, die Einschliessung
auf dem Aveutin und Ottos Rede an die undankbaren Bürger,
die jetzt wie umgewandelt den Rädelsführer ergriffen. In-
zwischen hatte Romuald, der sich immer auf die Suche nach
Jüngern befand, aus der nächsten Umgebung des Kaisers
dessen Freund Tammo, wohl den Bruder Bischof Bernwards
von Hildesheim, Bonifazius oder Brun von Querfurt, einen ge-
wissen Benignus und andere Deutsche gewonnen, mit denen
er nach Pereum abzog.^)
Endlich weilte Otto von Ende März bis gegen Mitte Mai
selbst in Ravenna. Oefter besuchte er die Einsiedler in Pereum,
höheren Glauben. Bei Peter Damiani c. 22—26 folgt nach dem Ereignis
in S. Apollinare der römische Aufenthalt,, dann wird der kaiserliche Auf-
enthalt in den Fasten in S. ApolÜDare erwähnt, endlich Romnalds Reise
von Tibur nach Monte) Cassino, von wo er erst wieder nach Pereum
kommt.
0 Ich lege auf diese Nachricht des späten Petrus Damiani c. 28 kein
grosses Gewicht; die Vita Bemwardi c. 23 weiss nur von dem Rate des
Bemward.
') V. Rom. c. 25 : Tammum quemdam Tentonicum, qui, sicut dicitur,
in tantum regt familiaris et carus extiteratj ut utrixisque vestes utmmqtne
contegerent et amborum manus unaparopsi communi saepe coninvio sociaret;
Brunon. V. qninque fr. c. 2, SS. XV, 718: ablatis duobus, quorum atnor
tetigit viscera cesariSj quorum unus vocabatur Benignus, alter Thonw»;
aller Wahrscheinlichkeit ist Thomas nur die christianisirte Form ftir Tam-
nns oder Tammo. Als Tammo begegnet er V. Bemwardi c. 35. Bonifaz
nennt Petrus Damiani c. 27.
346
bald mitten in der Nacht, bald am bellen "Rage erschien er,
ohne dass man in der Pfalz von diesen Besnehen wnsste.')
„Za dieser Stande*^ soll er vor zwei oder drei Zeugen in
Romualds Gegenwart gesagt haben, „verspreche ich Gott und
den Heiligen: nach drei Jahren, innerhalb deren ich die Fehler
meiner Regierung gut machen werde, will ich nach meiner Besse-
rung die Herrschaft aufgeben und nach Vergabung der Erbschaft
meiner Mutter von ganzer Seele Christus in Armut folgen. "2)
Nach einer andern Nachricht hätte er auf Bomualds Mahnung
Mönch zu werden erklärt, er wolle erst das rebellische Rom
unterwerfen, um dann siegreich wieder nach Ravenna zurück-
zukehren.^) Der jugendliche Kaiser ward fast völlig in die
Anschauungen dieser Kreise gezogen. Aber er zögerte doch
noch sich ihnen ganz hinzugeben. Damals fasste er zuerst den
Gedanken, Brüder aus der Einsiedelei als Missionare nach dem
Slavenlande zu senden und durch sie für die Neubekehrten
ein Kloster errichten zu lassen. Inzwischen legte er den
Grund zu einem Kloster des hl. Adalbert in Perenm ; hundert
Pfund wendete er auf das Werk, dessen prächtiger Rundbau
sich auf Marmorsäulen erhob.^) Das Stift stattete er mit be-
nachbarten Gütern von Classe aus.^) In Gegenwart vieler
Bischöfe fand die Weihe der Basilica statt«) — wohl nur
eines kleinen Teiles — und es scheint, dass die grosse Ver-
sammlung, die wir am 4. April in Classe um den Kaiser an-
treffen^), zu diesem Zweck zusammengekommen war.
Es macht den Eindruck, als wenn sich die Elite der
reformatorischen Kreise Norditaliens hier ein Stelldichein ge-
geben hätte. Um Kaiser' Otto und den Papst scharten sich
Bischöfe, Aebte, Diaconen, Mönche, Eremiten, Cleriker, Grafen,
Richter, Consuln u. s. w. Die Bischöfe von Como, Verona,
>) Brun. V. qu. fr. c. 2, SS. XV, 719.
») y. qu. fr. c. 2. ») V. Rom. c. 30.
*) V. qu. fr. c. 2, p. 718. 719.
*) V. Rom. c. 30: praesidia; offenbar praedia zu emendiren.
*) V. qn. fr. c. 3 : dedicationem huius basilicae in manu multorum
epiacoporum honorifice fecit.
'') Vgl. das Placitum bei Fantuzzi, Monum. Ravenn. lil, 13. Dass
Odilo im April 1001 nicht in Cluni war, geht auch aus CHOL III, 2541
hervor, wo an seiner Stelle der Prior Vlvianus allein ein Tauschgeschäft
abschliesst.
347
Vercelli, Sutri, Cesina, Comachio und Hatria hatten sich in
der kaiserlichen Pfalz eingefunden. Von Aebten finden wir
aasser Odilo von Cluni, dem wir seit dem April 999 hier
wieder zuerst jenseits der Alpen begegnen, seinen Freund
Andreas von St. Salvator, Girbald von St. Christina am Oglio,
einen Schüler des Majolus^), also ebenfalls einen Glnniacenser,
Anastasius von St Maria, Bonizo von St. Severus, beides
Schüler des hl. Wilhelm von Dijon , Arderadus von S. Apolli-
nare in Classe. Dazu Bomuald selbst, der sich Abt und Eremit
nennt, die Eremiten Wilhelm, Bonfazius und zwei Johannes.
So hatten Kaiser und Papst ihre Residenz inmitten des Lagers
der Anachoreten aufgesehlagen. Man verhandelte über die
Loslösung der Abtei Santa Maria di Pomposa, welche Adelheid
dem von ihr gegi'ündeteu Kloster St. Salvator in Pavia zuge-
wiesen hatte. Da aber ältere Rechtsbriefe für den klagenden
Erzbischof von Ravenna sprachen, so verzichtete Abt Andreas
zu Gunsten desselben auf die Abtei, die in jener Zeit bereits
von Eremiten bewohnt war oder bald von solchen besiedelt
wurde.2) Natürlich war diese Verhandlung schwerlich der
Zweck, welcher so viele hervorragende Geistliche in Ravenna
vereinigte; eher kann es, wie bemerkt, die Weihe der neuen
Basilica St. Adalbert gewesen sein; möglicherweise hatte ein-
fach die Anwesenheit von Kaiser und Papst den benachbarten
Clerus angezogen. Bemerkenswert ist die Urkunde, die uns
die Häupter der Christenheit in solcher Umgebung zeigt, für
uns namentlich noch dadurch, weil wir die reformatorischen
Köpfe, die aus der Schule Clunis und Dijons, und die Jünger
*) Rod. V. Wilh. c. 16: Gerbaldüa almi patria Maioli mo^iachus ac
praedicti coenobii sanctae Christinae abbas. Das Kloster ist 976 im Be-
sitz des Bischofs von Pavia; vgl. die Urkunde Ottos IL v. 22. Nov. 977,
DO II, n. 144, p. 161. Mabilion, Ann. Bened. IV , 124 will den Mönch 6er-
bald, welcher in einem Briefe Silvesters IL an Odüo auftritt: quae nostrae
auctoritati per Gerbaldum veatrum monachum discutienda praettentasti mit
dem Abte v. St. Christina identificieren; doch geht aus der Bemerkung
Rodolfs Glaber wohl hervor, dass Gerbald bereits unter Majolus von
Cluni fortkam, lieber die Archive von St. Christina vgl. v. Sickel, MittheiL
d. Inst. XII (1891), 505 ff.
«) Vgl. Hirsch, Jahrb. Heinr. II, I, 389; am 81. März 1001 wohnen hier
£remiten. Otto III. bestätigt den Besitz der Abtei petitione domni Wil-
helmi heremitae bei Mittarelli, Ann. Camaldul. I, 159; St 1253.
348
Romnalds in getneiüsamen Interes8ea sich begegnen sehen.
Bedeutender aber, als gerade die Schule Clunis, wurde fttr
die Verbindung der französischen und italienischen Reforni-
raänner Wilhelm von Dijon, der selbst ein Italiener war und
sein Kloster Saint- Benigne zu einem Sammelplatz zahlreicher
von der Strömung der Zeit erfasster Landsleute machte, und
zwar gerade ehe seine Stiftung Fruttuaria, über die wir noch
reden werden, sich erhob, ergoss sich ein Strom italienischer
und auch griechischer Bischöfe und Mönche nach dem bur-
gnndisehen Kloster. Da war ein Bischof von Albenga, wohl
Erembert, ein griechischer Bischof Barnabas*), Wilhelm von
Lacedämon^); ein Bischof Benignus kam von Rom nach Dijon,
dem Papst Benedict VIII. auch als Mönch zu ordinieren er-
laubte.^) Dann wird genannt Abt Johannes von Capua, ein
Abt Marcus eines unbekannten Klosters u. a.; Johannes von
S. Apollinare in Ravenna^), der von 1007 — 1009 Abt in dem
von Herzog Peter 973 gegründeten Stift war*^), zählte ebenfalls
zu Wilhelms Schülern. Nach St. Severus in Classe verpflanzte
Benedict die Institutionen des Abtes von Saint -Benigne.*)
Anastasius, wahrscheinlich der Abt eines Marienklosters in der
Provinz Selavanum studierte in Dijon; beide fanden wir am
4. April 1001 in Classe.^) Ein Mailänder Archidiaeon Gotefred
') Chron. S. Benigni ed. Bougaud p. 152.
') Im Necrol. S. Benigni bei Montfaucon II, 1165 findet sich zu XVI
Kai. April: Depositio domni Willelmi Lacedaemoniensis episcopi. Da
unter Wilhelm viele Griechen nach Dijon kamen, so gehört dieser Bischof
sicher unter diese.
8) Brief Benedicts Vm. an Wilhelm bei Mabillon, Ann. Ben. IV,
206; J.-L. 4049.
*) Chron. S. Benigni a. a. 0. p. 152.
^) Series degli abbati bei Fantuzzi, Monum. Ravenn. VI, 259 ; Chron.
S. Benigni a. a. 0.
^) Chron. S. Ben. a. a. 0. Einen Abt Benedict finde ich nicht, wohl
aber Bonizo. Dieser ist am 4. April 1001 in S. Apollinare in Classe (Fan-
tuzzi III, 13). Indes hatte S. Severus wohl mehrere Aebte dieses Namens.
Bonizo begegnet 970 bei Fantuzzi II, 365 ; 988,7. März bei Mittarelli, Ann.
Camaldul. I, app. 108; 1029 bei Mittarelli II, app. 19; am 20. April 1040
ebenda II, app. 79.
') Chron. S. Ben.; Fantuzzi III, 13 u. Mittarelli I, 160. lieber das
mofiasterium S. MaHae Selavanense in provmcia habe ich nichts finden
können.
349
kam mit reichen Sehätzen zn Wilhelm i); er wurde später mit
Einwilligung desselben Abt von San Ambrogio in Mailand.^)
Aber auch mit den Eremiten bahnten sich, da Wilhelm
des öfteren, wie wir noch sehen werden, nach Italien kam,
nähere Beziehungen an. Besonders nahe standen ihm die
Venetianer^), in deren Nähe das Hauptlager der Einsiedler
sieh befand; beabsichtigte doch der Doge Pier OrseoloII., der
Freund Kaiser Ottos, wie sein Vater in Saint-Michel de Gnsan,
unter Wilhelm die Kutte zu nehmen. Der hl. Romuald selbst,
sein Lehrer Marinus von Venetien, sowie sein Schüler Wilhelm
waren zu Wilhelm von Volpiano in ein engeres Verhältnis
getreten.^) Einige der Anachoreten verliessen sogar die Klause
und begaben sich in seine Schule, so zwei hochgelehrte Männer,
Johannes und Paulus, von denen der erstere Abt von Fruttuaria
wurde, der andere in Dijon starb.*)
IV.
Gar mannigfaltig verknüpften sich so die Fäden zwischen
den französischen und italienischen Reformmännern der ver-
schiedenen Richtungen. Sehr deutlich tritt aber dieser Zu-
sammenhang zwischen den Trägern der religiösen Bewegung
gelegentlich der Reform von Farfa im Sabinerlande zu Tage.
') Chron. S. Ben. a. a. 0.
>) In Betracht kämen Gottfried I, den ich 1016 (Urk. bei Puricelli,
Ambros. med. basil. et monast. Monum., Mediolani 1645, I, 841) und Nov.
1019 (Placit. des kais. Missus Anselm bei Mnratori, Antiq. Ital. V, 931)
nachzuweisen vermag und der spätestens 1028 starb (Sept. 1028 ist bei
Puricelli I, 358 bereits sein Nachfolger Wido nachzuweisen) n. Gottfried II,
der 1032 vor dem Erzbischof Aribert die üble Lage seiner Abtei beklagte
und den Erzbischof bat, den Schädigungen derselben Einhalt zu thun.
Urk. bei Bartholomaeus Aresius, Insig. basilicae et imper. coenob. S. Am-
brosii Mai. Mediol. abbatum chronologica series, Mediolani 1674, Privilegia
et diplom. p. 59.
') Rod. V. Wilh. c. 29: Quis enim unquam aliua praeter cum Vene-
ticorum getitetn in tarn amica familiaritate habuit?
*) Chron. S. Benigni a. a. 0. p. 153: Ipsi denique sancti viri patres
et dociores ereniitarum existentes^ fania sanctitatis hnge lateque notificatif
Bonialdus scÜicetj Willelmus ac MartimiSf quos in magna veneratione ha-
bebat urbs Bavennaj ceterique, quos intra se concludit Italittf patris Willelmi
expetebant societatem, üeber Marinus vgl. V. Rom. c. 8 ; über Wilhelm
ebenda c. 31 ; vgl. Mittarelli, Ann. Camald. I, 159.
*) Chron. S. Benigni a. a. 0.: Ipsi vero cultores eretni relicta quiete
solitudinis gaudebant sub eius magisterio assodari coenobitis.
350
Hier hatte Dach dem Tode des Abtes Alberieh im Jahre
998 ein gewisser Hago, der im April 973 das Licht der Welt
erblickt hatte ') und mit dreizehn Jahren dem Benedietinerorden
beigetreten war*), Papst Gregor V. Geld für den Besitz der
Abtei geboten, und wunderbarer Weise war der von der Re-
formpartei mit solcher Freude begrtisste heilige Vater auf den
simonistischen Vorschlag eingegangen.^) Als aber Otto III.
den Handel erfuhr, geriet er in nicht geringen Zorn. Er er-
klärte die Erhebung Hugos für ungültig und hatte das Kloster
bereits einem Bischof Hugo zu Lehen gegeben^), als die Bitten
der Brüder gerade in den Tagen der Anwesenheit Odilos ihn
veranlassten, Hugo unter der Bedingung wieder einzusetzen,
dass die kaiserliche Oberherrschaft über Farfa stets bewahrt
bleibe, der von der Congregation gewählte Abt dem Kaiser
präsentiert und nach Bestätigung vom Papste geweiht werde.^)
Wenig später bestätigte er den Besitz und die Immunität der
Abtei. Indem der Kaiser auch sonst den abhanden gekommenen
Grundbesitz wieder einzubringen sich bemühte*), zu einer Zeit,
als der Abt fortwährend vor dem kaiserlichen Pfalzgericht und
der römischen Curie gegen die unrechtmässigen Insassen und
Eindringlinge Klage führte, verfolgte er nicht nur wirtschaft-
liche und religiöse Zwecke, sondern ganz besonders auch
politische; waren doch die Crescentier und ihre Verwandten,
die in der Sabina durch List und Gewalt ein Stück Klostergnt
nach dem andern an sich brachten, die eifrigsten Feinde seiner
Herrschaft, denen er den materiellen Boden entzog, wenn er
die geraubte Beute ihren Händen eutriss. Am 22. Sept. 999
») Ann. Farf. 973. «) Ann. Farf. 986.
") Hist. Farf. c. 16; Constit. Hugonis (Mabillon, Ann. Bened. IV, 110):
Denique cum in hanc abbatiam cupiditate honoris captvs venire audereniy
pecuniam obtuli domino papae et sttidui eum acquirere inique. Greg.
Catin. Chron. c. 3, SS. XI, 559 ; Ann. Farf. 998. Urk. Ottos III. v. 22. Febr. 998
bei Muratori SS. II, b, 492. In Bezug auf die Bestechlichkeit Gregors ist
noch eine andere Urkunde von Farfa charakteristisch. In einem Placitum
vom December 999 (Reg. Farf. III, nr. 437, p. 149) heisst es : Tunc supra-
dictiis Gregorivs papa propter pecuniam, quam acceperat a Gregorio abbate.
*) Urk. V. 3. Oct. 999; St. 1198.
») Urk. V. 22. Febr. 998; St. 1146; vgl. Kehr, Die Urkunden Ottos III.,
Innsbruck 1890, S. 247 n. 2.
•) Vgl. Reg. Farf. III, nr. 427, p. 141 v. 23. April 998.
351
erklärte Otto in Farfa alle von Hugo oder seinem Vorgänger
auf Befehl des Bisehofs Hngo abgeschlossenen Libellarverträge
für ungültig, sprach dem Abt die alleinige Jurisdiction über
die Pächter und Zinsleute der Abtei und ebenso das Recht zu,
auf allen Besitzungen anstatt der königlichen Beamten das
Fodrum zu erheben i) und ebenso bestimmte er, dass das
Kloster nie in Lehnbesitz ausgegeben werde, sondern immer
dem Reiche unmittelbar erhalten bliebe.^)
Vielleicht hat Odilo schon damals, als es sich um die
Absetzung Hugos handelte, ein gutes Wort für ihn eingelegt
Jedenfalls war es ihm wenig später — es ist ungewiss, ob noch
im Jahre 999 oder erst 1001 — vergönnt, gemeinsam mit Wil-
helm von Dijon in Farfa einzuwirken. In Hugo nämlich, der
eine durchaus religiöse Natur war, pochte bald das Gewissen
über die unwürdige Occupation des Abtstuhles. Er bemühte
sich daher zunächst die alten Unsitten, die wir noch von den
Zeiten Odos her kennen, abzuschaffen: stolzierten doch die
Mönche in Laienkleidern umher, scheuten sie sich doch nicht
im Refectorium Fleisch zu geniessen. Zuerst holte Hugo
Mönche aus Subiaco, fand aber nicht die Zucht, die er
brauchte, und ebensowenig machte er in Monte Cassino er-
freuliche Beobachtungen, wo, wie wir wissen, eben die Zeiten
Mansos vorangegangen waren. Da wirkte das Beispiel Romualds
auf ihn ein, dessen Schüler Johannes mit einem Gefährten
nach Cluni gegangen war, um sich dort umzusehen, und die
gemachten Beobachtungen aufzuzeichnen. Ravennater Mönche,
die er sich kommen liess, sprangen zwar mit dem Abte nicht
glimpflich um, da er ihnen vom täglichen Unterhalt Abzüge
machte, — endlich gab ibm das Erscheinen Odiles und Wilhelms
von Dijon eine feste Stütze zur Durchführung der beabsichtigten
Reformen. Hugo, den sein Vergehen ängstigte, hatte inzwischen
daran gedacht, den Krummstab niederzulegen. Aber die beiden
Reformmänner, [die sofort erkannten, welche Förderung ihre
>) Reg. Farf. III, nr. 431, p. 145,v. 22. Sept. 999; St. 1196. Die Worte: c*
cuncta quae ad am aepiscoptut n. 8. w. sind, da vorher von B. Hugo die
Rede war, offenbar zu emendieren: quae idem aepisc.
«) SL 1198 V. 3. Oct. 999; Mabillon, Ann. Bened. IV, app. p. 638; Mu-
ratori II, b, 493; Registrum Farf. III, nr. 429, p. 143: sed semper pennaneai
Beipvblicae deatinatum.
352
Tendenzen durch den ihnen geneigten Abt von Farfa erhalten
könnten, verboten ihm abzudanken: als Busse für sein simo-
nistisches Eindringen in den Schafstail des Herrn verlangten
sie, dass er die Institutionen Clunis in seinem Kloster ein-
führe.i) Die Aebte von Cluni und St Benigne unterzeiehneten
selbst die Constitution Hugos, in welcher dieser sich ver-
pflichtete, die cluniacensischen Gebräuche einzuführen in den
kirchlichen Officien, in Bezug auf wttrdige Lebensweise, Kleidung
der Brüder, Lebensunterhalt für alle Tage und die heiligen
Feste, soweit mit Gottes Uilfe es die Lage des Ortes gestatte.
Endlich bestätigte Papst Silvester IL die Neuerung durch seine
Autorität.2)
Ich sehe nicht, dass Silvester IL sonst den Cluniacensern
oder den Reformmännern überhaupt näher getreten wäre.^)
Dass er Männer wie Majolus hochschätzte, wissen wir. Ebenso
hat er mit Benedictineräbten und Mönchen öfter im Briefwechsel
gestanden, aber aus eben dieser Gorrespondenz geht deutlich
hervor, dass es nur litterarische oder politische Beziehungen
sind, die ihn mit jenen verknüpften. Ganz entschieden stand
er aber der Mönchspartei gegenüber zur Zeit des Beimser
Bischofstreites. Damit ist freilich nicht gesagt, dass er ihren
Tendenzen im allgemeinen unfreundlich gesinnt gewesen
') Die Hauptquelle ist die Constitutio Ilugonis bei MabUion, Ann.
Bened. IV, liu. Daneben kommt in Betracht die etwas wirre Erzählung
im Ord. Farf. (SS. XI, 545), wo namentlich der Einfluss Komualds auf Hugo
hervorgehoben wird. Hier heisst es: U7ius vaUle inspiratiis et accenm^8 in
fervore nionastico ex diacipulis donini Romualdi, nomine Johannes j ctwi
uno »tto socio ad videyidum et scribendum properamt apud eundeni C/tmui-
censem coeTwbium. Weiter wird dann Johannes als Mönch eines unter
einem Abt Joseph stehenden Marienklosters in Apulien bezeichnet Von
Hugo heisst es, dass er haec et multa alia in suo atitiqtio coenobio advexity
ut ab illorum usu tn nullo disci-eparH. Von Odilos und Wilhelms Auf-
enthalt in Farfa wird hier nichts bemerkt. Nach der Constitutio stellten
sie an Hugo die Forderung: ut praefati Cluniemns monasterii sanctam
consuetamque religionem in hoc nostro niona^terio itttroduceretn. Die Dis-
ciplina Farfensis ist gedruckt bei Hergott, Vetus discipl. monastica, 1726.
') Constit. Hugonis a. a. 0. : ui officiis ecclesiasticis et dignis moribus
ec confrati-um cultu vestium sive copia victtis et in sanctis soletnnitatibus,
in qttantum huitis loci possibilitas Doniino administrantc exegerit.
*) Vgl. Harttung, Histor.-diplom. Forschungen S. 1^2.
353
wäreJ) Die engen Beziehungen zwischen dem römischen Stuhle
und Clnni kommen sogar in einem Schreiben, das er als Papst
an Odilo richtete, insofern deutlich zum Ausdruck, als er be-
merkte, dass wo auch der EinflusR des Papsttums hinreiche,
die Bestrebungen Clunis keiner Schwächung unterliegen sollen.^)
Er stand aller Askese und religiösen Schwärmerei fern: eine
praktische Natur von grossen hierarchischen Gesichtspunkten,
die ihre Ideale mehr aus der Beschäftigung mit den antiken
Autoren und dem römischen Altertum, als aus geistlichen An-
schauungen hervorholte. Dass Odilo oder ein anderer der
französischen Aebte besonderen Einfluss auf ihn gewann, ist
nicht nachzuweisen. Das einzige Mal, soviel wir wissen, da
Odilo mit einer Bitte sich an ihn wandte, deren Erfüllung der
Stärkung der mönchischen Tendenzen dem Episcopat gegen-
über gleichgekommen wäre, wies er ihn ab: er verweigerte
einem Bischöfe, der in Gluni Mönch geworden war, die Er-
laubnis zu ordinieren^), und stellte sich damit auf den Stand-
punkt der Bischöfe, welche die Schwächung ihrer Befugnisse
und Rechte durch das Mönchtum ^bekämpften. Und wenn
er schon als Erabiscbof von Ravenna 998 in einem Provinzial-
eoncil alle Weihen, Promotionen und Ordinationen in einer
anderen Diöcese ohne Bewilligung und Zustimmung des be-
treffenden Bischofs untersagte^), so zeigt sich auch hierin die
Absicht, demselben Bestreben des Mönchtums entgegenzu-
treten.
0 Dass die Schrift De infortnatione episcoporum, von der nur eine
Handschrift seinen Namen bietet, ihm nicht angehört, vgl. v. Pflagk-Hart-
tang im N. Archiv I, 587 fif., Ewald im N. Archiv YIll, 354 ; Schultess,
Papst Silvester II (Gerbert) als Lehrer und Staatsmann, Osterprogr. des
Wiihelmsgymnasinms in Hamburg 1891, S. 8.
') Mabillon, Ann. Ben. IV, 134: quia in quocuvnque noster vcduerit
statuSj nuUo modo veater defectum sentiet profectus.
') Mabillon, Ann. Ben. IV, 134. Uebrigens teilte bereits Gregor V.
denselben Standpunkt, wenn er in der Urk. Hir Fleury (Pfister, Etndes
sur le r^gne de Robert le Pieux nr. XI) bestimmte: Si vero abba vel nio-
nachus de eodern monastmo ad clericatus ordinem promotus fuerity non
illic habeat ulterius potestatem renioi'andi aut aliquid ordinandi. Auf der
anderen Seite hat Benedict VIII. ein ähnliches Gesuch Wilhelms v. Dijon
bewilligt J.-L. 4019.
*) Conc. Ravenn. c. 3, Mansi XIX, 220.
Sackur, Clujiiaceiiaer. I. 23
354
Man weiss, dass Silvester II. die Hauptstütze flir die phan-
tastischen Pläne Ottos III. abgegeben hat Sein Ideal war
aber vielleicht weniger die Wiederherstellung des früheren
römischen Weltreiches, als eine Restanration Italiens mit Rom
als Mittelpunkt, der Respublica Romana.^) Er war der erste
vom Schlage der Rienzi, die ihre Ideale nicht kirchlichen
Anschauungen, sondern der antiken Litteratur entnahmen.
Von seinem Vaterlande wollte er nichts wissen.^) Die Haupt-
sache war, dass Rom der Mittelpunkt des neuen Reiches
wurde, dass der Populus Romanus seine Weltstellung wieder-
erlange. Wir haben jetzt das Urteil eines unmittelbaren Zeit-
genossen und Freundes des Kaisers, Bruns von Querfnrt Er
tadelt ebenso wie Romuald^) und Odilo durch den Mund der
Kaiserin Adelheid^) die italienischen Kämpfe, die Otto um
seines Zweckes willen führte. Nur Rom habe ihm gefallen,
das römische Volk habe er in kindischem Spiele zu seinem
früheren Glanz wieder erheben wollen.^) Das sei sein Fehler,
damit sei er nicht auf dem rechten Wege gewesen. Wie die
antiken und heidnischen^ Könige habe er sich unablässig be-
müht, den toten Glanz der veralteten Roma wiederzuerwecken.^)
^) Vgl. Urk. y. 7. Mai 999 fUr Vercelli bei Provana, Studi crit. nr. 16:
ut libere et secure permanente Dei ecclesia prosperetur nostrum itnperium,
triumphet Corona nostrae militiej propagetur potentia populi Bamani et re-
stitiKäur respublica. Was unter respublica zu yerstehen ist, geht dentUch
aas der Urk. v. 3. Oct. 999 ftir Farfa (St, 1198) hervor: qualiter nos qvM-
dam die Bomam exeuntes pro restituenda Republica cum marchione
nostro JSugone convenimu8f et conailio i mp erii nostri cum venerabili
papa Silvestro secundo. Die Gegenüberstellung der Beratung mit dem
Markgrafen von Tuscien pro restituenda republica und der Reichs-
angelegenheiten, zeigt, dass unter respublica Italien zu verstehen ist
Vgl. Giesebrecht I, 877. 892; Ranke, Weltg. VII, 69; Kehr, HistZftS. 399 iT.
') Vgl. Brun. V. qu. fr. c. 7; andere Belege dafür bei Schnltess,
Silvester II, S. 47.
') Nach der Y. Rom. c. 30 sagte ihm Romuald: Si Bomam, inquit,
ieriSj Bavennam idterius non videbis, *) Vgl. oben S. 343.
•) Brun. V. qu. fr. c. 7 : Nam cum sola Roma ei placeret et ante omnes
Romanum populum pecunia et honore dilexissetj ibi semper stare, hanc
renovare ad decorem secundum pristinam dignitatem ioco puef*ili in
cassuim cogitavit
•) Enimvero more regum antiqtiorum et paganorum, qui suam vo-
luntatem difficile relinquit, inveteratae Romae morttmm decorem renovare
supervacuo labore insistit.
r
35 o
„Er hat gelesen und nicht verstanden', meint derselbe Ge-
währsmann, «denn der Hang zu den irdischen DiDgen blendet
die Sinne der Menschen'^J) Dem entgegen stellt er seine
hingebende Frömmigkeit der letzten Jahre, seine Freigebigkeit,
seine Neigung zur mönchischen Askese.
Wir sehen schon daraus, welche Stellung die italienischen
Eremiten diesen Bestrebungen gegenüber einnahmen. Wir ver-
stehen, warum sie ihm fortwährend Weltentsagung predigten.
Zwischen dem Einfluss Silvesters und dem eines Romuald,
Adalbert und Nilus stand der jugendliche Kaiser: das Ideal
des alten römischen Staatswesens, das Ideal christUcher Welt-
entsagung, die entgegengesetzten Weltanschauungen zweier
Cnlturepocheu, kämpften um seinen Besitz und rissen ihn von
törichter Ueberhebung irdischer Grösse zur Selbstvemichtung,
und von der Negation menschlicher Triebe zur Selbstvergötterang
römischer Cäsaren. Die Cluniacenser standen sowohl der einen,
wie der andern Richtung völlig fem. Wenn man geneigt wäre,
ihnen überhaupt eine Einwirkung auf Massregeln des Kaisers
zuzuschreiben, so dürfte diese nur in dem Bereiche der Kloster-
reform zu suchen sein und in den Bemühungen Ottos, die wirt-
schaftlichen Verhältnisse der Kirchen und Stifter zu heben.
Sah eine spätere kirchliche Anschauung 2) gerade in dem Ein-
greifen der Ottonen den Grund alles späteren Unheils und in
ihrer Herrschaft über die italienischen Kirchen nichts als
simonistische Einmischung, so verdient es hervorgehoben zu
werden, dass die früheren Cluniacenser derartige Auffassungen
ganz und gar nicht kannten.
*) Legit et non intellexit ; solet enim amor transetintium rerum cecare
mentes hominum.
*) So Hnmbert an den schon oben angeführten Stellen.
23*
Excurse.
Erster Excurs.
Zu den italienischen Reisen Odos.
Die Vita Odonis wurde von Johannes, Odos Schüler, im Früh-
jahr oder Sommer 943 verfasst. Man erkennt das daraus, dass der
Autor II. c. 21 ein Ereignis bezeichnet, das Fraeterito isto ni&nse
augustOy ipsa die assumptionis hcatae Mariae während des Auf-
enthalts Odos in Rom sich ereignete. Nun wissen wir auch aus
Flodoardi Ann. 942, dass Odo in diesem Jahre, seinem letzten
Lebensjahre, in Rom war. Fenier spricht Johannes I, c. 28 von
Adhegrin, Odos Begleit^jr, indem er bemerkt: Sunt hactenus evoluti,
nisi fallor, 2)lus quam triginta anni, ex quo intra ipsam eremiim
deguit. In der Einsiedelei lebte aber der Mann etwa seit 912, da
er etwa 909 mit Odo nach Baume kam und erst drei Jahre als
reclnsus zubrachte (I, c. 23). Wir kämen also auch hier auf 942
bis 943. Da nun Odo erst am 18. Nov. 942 starb und einige
Monate bis zur Abfassung der Vita sicher verflossen waren, so
folgt, dass diese im Laufe des Jahres 943, aber vor dem August
verfasst wurde. Eine Bestätigung dafür gewinnen wir in dem
häufigen Bezugnehmen auf Odos italienische Reisen mit den Zeit-
bestimmungen: Fraeteritis namque his duobus annis (I, c. 16);
Ante hoc fcre quinqtiennium (I, c. 27); ante hoc triennium
(U, c. 15. 22).
Eine genaue Jahrbestimmung für derartige Reisen giebt Johannes
nur einmal I, c. 4 : Anno itaque Dom. incarn, 939 et eins aetatis
60 etc. . . . Bomam veniens me . . . reperit . . . atque coenobium
sancti Fetri Ticini positum usque perduxit Parvo ibi tempore ah
Hugone rege detenttis gab er Johannes dem Prior Hildebrand von Cluni
zur Erziehung. Non post niulto Romam veniens me infelicem dig-
flatus est sibi socium sumere; et quem canonicum parentihus abie^ts
rapuity redieiis postmodum monachum reduxit Im Jahre 939
soll ihn also der Abt mitgenommen und non post multo zui*ückge-
fßhrt haben. Es mttsste das noch im selben Jahre geschehen sein.
V. Od. II, c. 7 berichtet nämlich der Autor: Suh idem tetnpus Italiam
missi sumus a Leone sumnio pontifice, utpa^is legatione funge-
remur inter Hugonem Longobardorum regem et Albericum IIa-
nianae urbis principe^n. Wie das ^ missi sumus^ andeutet, sowie der
Absender der Legation, muss diese von Rom ihren Ausgangspunkt ge-
360
nommen haben. Die Stationen, die auf dieser Legation erwähnt werden,
das eine Mal Siena und die Alpes Ammiat«8, das andere Mal Burrianum
und die maritimae fines zeigen, dass es sich um eine Gesandtschaft
zwischen Rom und einem Orte Mittel- oder Oberitaliens gehandelt
haben muss. Wie haben wir uns nun aus der ganzen unklaren
Schilderung ein Bild zu machen?
Johannes erzählt folgendes: Post nonnidla vvro discrimhia
renimus Senam. Dort grosse Hungersnot. Ajfuerunt antem nohis
in profedu tanti periculosi itincris fere tri(jhita solidi ar-
(jentei, ex quihns pars maxima iam distnhuta erat In Siena ist
der Abt sehr freigebig mit dem Gelde; auf die Schilderung seiner Mild-
thätigkeit kommt es dem Biogi'apheu überhaupt nur an. Sein Be-
gleiter Johannes will ihn zu grösserer Mässig^ng veranlassen. Der
Abt kauft schliesslich zu hohem Preise eine Menge Lorbeerfrüchte.
Johannes setzt mit vieler Mühe durch, dass diese den Verkäufern
zurückgegeben werden, damit man sich nicht unnötig damit be-
schwere: ostendendo dli sequestrationem loci et lontßinquiiatem
ifineris iam peracti . . . Necdum peracto itinerc et antea quam
funditus nostra defecissct pccuniay oh v iam halmimus fratrem
nostrnm Fetrum preshi/termn, qui tunc convcrsationis gratia Ho-
mam veniehat: ex ciiius suhstantia nostra ditata est inopia, quia
ah eo sumpsimus, ex quo iter nostrmn perfecimus. Fiehat autem
istmi diiobus mensibus, Januario videlicet atque Fehruario, Fnit
antem iter nostrum per Ämmiates Alpes, Dort wegen des
Schnees grosse Beschwerden. Feracta itaqiie legatione a
nostra tihns coacti sumus, ut ])er maritimas reverteremur fines.
Factum est autcfu, cum venissemus ad locum, qui vulgo Burria-
num vocatur, iam sole Oceanum tegente ohvium habuimtis einen
Armen, der behauptete, ad Pastorale se castrum persistente die
posse pervenire. Aus seinen Worten compertus sum, dass er ein
unreiner Mensch war, quia illud itineris spatium, quod se sab itfha
hora pollicitus est peracturum, nos pene per totum diei spatium
rix peregimtis.
Bleiben wir hier stehen. Odo kommt auf einer Reise nach
Siena, als er bereits den gi'össten Teil des Reisegeldes ausgegeben
hat. Er hatte damals schon einen grossen Weg gemacht Vor
Beendigung der Reise begegnet ihm ein clnniacensischer Mönch,
der nach Rom will: d. h. Odo befand sich nicht auf der Reise von
Frankreich nach Rom, sondern von Rom nach dem nördlichen Italien.
Das war im Januar und Februar. In den Alpes Ammiatae (Monte
Amiata) hat man so viel durch den Schnee gelitten, dass die no-
strates peracta legatione zur Heimkehr den Weg an der Küste für
besser halten. Auf diesem Wege kommen sie erst nach dem Pa-
storale castrum (sicherlich Castello di Pieträ), dann nach dem eine
Tagereise südlich liegenden Buriano in der Nähe der Küste östlich
vom Golf von Piombino. Daraus ergiebt sich folgendes: Odo ist
im Januar und Februar auf einer Reise von Rom über Siena hinaus
361
end kehrt an der Küste entlang über Castel di Pieträ und Buriano
nach Rom zurück.
Man nimmt allgemein an, da8 sei im Jahre 940 gewesen,
aber in der falschen Voraussetzung, dass Odo im Anfang dieses
Jahres, als er über den Monte Amiata zog, auf der Rückreise von
Rom nach Frankreich begriffen war. Nun sagt Johannes ausdrück-
lich, dass Leo VII. die Unterhandlung zwischen Hugo und Alberich
veranlasste; wollte man bei dem Jahre 940 stehen bleiben, so
müsste man annehmen, dass die Reise Odos zu Hugo erst ein halbes
Jahr nach Leos VU. Tode — er starb im Juli 939 — zur Aus-
ftlhmng kam, was sehr unwahrscheinlich ist. Auf der andern Seite
ist schwer anzunehmen, dass Johannes, der selbst zugegen war, sich
im Namen des Papstes irrte und etwa Marinus II. gemeint hat. Ich
bin deshalb der Meinung, dass man die Legation Odos in den An-
fang 939 zu setzen hat.
Nun steht allerdings der Annahme etwas entgegen: nämlich
dass Johannes erzählt, er sei 989 erst von Odo mitgenommen und
non niiilto post als Mönch nach Rom zurückgebracht worden. Indes
steckt gerade in dieser Zahl in fast sämmtlichen Handschriften ein
Fehler, es steht nämlich da: oct'mgente^'vmo tricesimo nono oder
DCCCXXXVIIII.^) Hier liegt die Vennutung sehr nahe, dass dieser
Fehler entweder auf den Autor zurückgeht, der nongentesimo tri-
cesimo octavo schreiben wollte, oder auf einen Schreiber, der sich
verschrieben oder verlesen hat. Aber sollte man diese Hypothese
zu gewagt finden, so bliebe noch ein anderer Ausweg, dass Johannes,
der in Salemo schreibt, nach süditalischer Sitte das Jahr mit dem
1. September beginnt, vom 1. Sept. 938 an also schon 939 rechnet.
Vielleicht dürfte man gar an die Anwendung des Oalcnlus Pisanus
denken, nach welchem das Jahr 939 aus dem 25. März — 81. Dec.
988 und dem I.Jan. — 24. März 989 unserer Zeitrechnung besteht.
Auf jeden Fall kann bei dem Durcheinandergehen verschiedener
Jahresanfänge in Italien und namentlich angesichts des erwähnten
Fehlers in der Zahl auf das von einer oder wenigen Handschriften
überlieferte Jahr 989 kein Wert gelegt werden. Ich nehme des-
halb an, dass Odo Johannes in demselben Jahre 938 kennen
lernte, als er im Januar sich von Leo VII. zahlreiche Urkunden aus-
stellen liess.
Auf jener gemeinschaftlichen Reise, die wir in den Anfang
989 setzen, eröffnete Odo seinem Schüler, dass er Prior werden
würde. Wir werden annehmen müssen, dass das noch im Laufe
desselben Jahres geschehen sei, denn eine derartige Erhöhung
pflegt man doch nicht Jahre vorher in Aussicht zu stellen. Dass
^) Mabillon bemerkt: Ita (939) in ms. codice Silviniacermj in aliis
quotquot vidi omnibis mendose: octingentesimo. Auch in der Ausgabe
SS. XV. 387 nur eine Handschrift benutzt, welche 939 bietet; die andern
DCCCXKXVIIIL Ebenfalls ö39 hat die Bibl. Clun. coL 15.
362
Johannes nicht in Cluni zu diesem Amte gelangte, sondern in Rom,
geht schon daraus hervor, dass Johannes sich seiner eigenen An-
gabe nach nicht einmal zwei volle Jahre im Dienste Odilos befand,
und dass beide sich nach III, c. 6 wirklich trennten. Nehmen wir
also an^ dass Odo seinen Schüler im Anfang des Jahres 938 auf-
nahm, so würde er gegen Ende 939 seine Würde erlangt haben.
Nun sagt Johannes selbst: quem canonicum parentibiis ahietis rapuity
rediens positnodum monachum reduxit Die Gegenüberstellung
des „Rauhens" und „Znrückbringens" deutet darauf hin, dass Odo
den Johannes fär immer nach Rom zurückbrachte und nicht etwa
nach der ersten Reise noch einmal fort nach Fi'ankreich nahm.
In der That widerspricht dieser Annahme nichts, nachdem wir jene
Reise nach Siena richtig erklärt haben. Johannes spricht nur noch
von seinen Begegnungen mit Odo in Rom. Wenn er II, c. 6 er-
zählt: Illo enim tempore , quo cum Geraldo Regiensi^ ecclesiae epis-
copo Cotias transivimus Alpes, so knüpft er II, c. 7 an: Sub idem
tempu^ Italiam missi sumus a Leone d. h. er spricht von der Ende
938 in Gemeinschaft mit Odo unternommenen Reise. Er erwähnt
somit hier für die Hinreise nach Italien die Cottischen Alpen und
Siena als Station. In allen anderen FäUen, wo er . von Reisen
Odos spricht — abgesehen von dessen Aufenthalt in Rom — er-
zählt er nur von Odo solbst. So I, c. 27, wo er von einer Reise
spricht, die vor seiner Zeit lag, in U, c. 18, wo Odo über die Bur-
donum Alpes zurückkehrt. Sodann in Rec. B. der Vita Odonis
(N. Arch. XV, 110) c. 1 u. c. 2. Das eine Mal kommt Odo von
Rom aus nach Vaduscinie, das andere Mal ist er auf der Reise nach
Rom in Acquapendente. So kommt es auch, dass Johannes (II, c. 15)
im Jahre 940 Odo nicht mehr auf den Monte Gargano begleitet,
während er doch mit ihm in St. Paul im selben Jahre weilt (II, c. 22).
Im nächsten Jahre 941 sind beide wieder in Rom zusammen, wo
sie die heiligen Orte besuchen (I, c. 16). Im folgenden Jahre 942,
August ist gar Odo in Rom, während Johannes in Geschäften seines
Klosters in Neapel sich aufhält. Dass Johannes also Prior in Rom
war, scheint zweifellos, dass er es in St. Paul war, schliesst v. Ileine-
mann mit Recht, weil er dieses Kloster gerade, so wie dessen Abt
Balduin öfter nennt.
Aber Johannes ist nicht in Rom geblieben. Schon im An-
fang 939 sagt ihm Odo voraus, priorem fore futurum et multa alia,
quae mihi postea acciderunt. Schwerlich war er es noch, j^s er
die bekannte V. Odonis schrieb. Das Werk ist den Mönchen eines
salemitanischen Klosters gewidmet, von denen er coactu^ das Buch
des Palladius de vita et virtutibus der hl. Eremiten abschrieb. Er
ward damals krank, und nun begannen einige Freunde ihm von Odo
zu sprechen. Abt ist Johannes in Salerno noch schwerlich ge-
wesen: er hätte unmöglich von den Brüdern zu etwas „gezwungen^
werden können. Dagegen ist er es später allem Anschein nach
geworden. Vgl. N. Arch. XV, 107, n. 2. Vermutlich war Johannes
363
nach Salerno gekommen, um dort zu reformieren ; denn dass die
dortigen Mönche sich als Jünger Odos betrachteten, beweist der
Umstand, dass Johannes ihn stets pater noster nennt, auch in der
Widmung der Vita. Da wir nun aus Rec. B. c. 3 wissen, dass zwei
salernitanische Priester Odo anf den Monte Gargano begleiteten, so
ist er damals, 940, in Salerno gewesen und die Annahme, dass
schon er hinsichtlich der Klöster mit dem Ftirsten oder dem Bischof
verhandelte, liegt sehr nahe. Wahrscheinlich ist dann Johannes, sei
es nun noch vor Odos Tode, sei es nachher, nach Salerno gesandt
worden, wo er schliesslich Abt wurde.
Zweiter Excurs.
Odonis Sermo de combustione ecclesiae beati
Martini.
Mabille hat neuerdings in seiner Schrift: Les invasions Nor-
mandes dans la Loire, Bibl. de Fecole des chartes, ser. IV, 5, p. 194
dem Abte Odo von Cluni die ihm bisher stets zugeschriebene
Predigt de combustione ecclesiae b. Martini abgesprochen. Durch-
aus mit Unrecht. Allerdings hat derselbe mit der Bemerkung
Recht, dass es sich hier nicht um den 903 durch die Normannen
verursachten Brand handeln kann, was schon Haur6au, Singularites
p. 173 bemerkte. Die Predigt ist aber zweifellos um 938 von Odo
gebalten worden. Es wird in derselben auf einen Brand von
St. Martialis in Limoges und den darauf erfolgten Tod des Abtes
Stephan angespielt: col. 158: titide et ejus concrenmtio et Siephani
abbatis iteritus mox esset adimplendus. Nun starb Stephan, wie
man aus der Commemoratio abb. S. Martialis Lemov. auct. Ademaro
b. Labbe, Nova bibliotheca I, 272 leicht berechnen kann, am 14. Nov.
936 ; kurz vorher muss also der Brand von S. Martialis erfolgt sein,
nicht 952, wie Mabille behauptet, um zu beweisen, dass Odo nicht
der Verfasser sein könne. Auf diese Katastrophe wird eben nicht
angespielt, sondern auf eine frühere. Dazu kommt noch ein anderes.
Ein Brief Leos VII. an Herzog Hugo, den Abt von St.. Martin,
J.-L. 3604 von 938, zeigt eine so überraschende Aehnlichkeit
mit Ausführungen in der Predigt, dass nicht nur kein Zweifel
sein kann, dass sie einer Zeit angehören, sondern auch darüber
kaum, dass beide Schriftstücke einen geistigen Vater haben, Odo
von Cluni. Der Papst befiehlt Weibern den Zutritt in St. Martin
zu verweigern: ob qiiod etiam juxta ejus basilicam fundari mu-
rum studuistiSy ut ita rel ab incendio defendi, rel in pristina
lionestate passet ipse locus Iwheri Sed res in contrarium versa
est, quia per occasionem castelli mulieribus et impudens et libera
conversatio est etc. Vgl. nun Sermo de combust., Bibl. Clun. col.
364
148: Nam post illam pridhuiam siteccnsionem, muris cum hi-
genti studio compact i.s, scpta monasterii communistis, lioc nitnirum
praecavere volentes , ne sancta domus ultra possct ab hostibu^
lacdi Sed . . . commune diversorinm esse 2><?''w^/67>^/^% itu nt
feminis ml haiiriendum aquam et ad discurreitdum, quo volne-
rhitj portarii non resistant. Ueber die Gleichzeitigkeit dieser
Aeassernngen kann kein Zweifel sein; ebenso wenig aber darfiber,
dass Odo der Verfasser des Sermo de combnstione ist, wenn man
denselben mit seinen Collationen vergleicht. Die Lieblingsgedanken
Odos über den Urspmng des Bösen, die Verderbtheit der Welt,
seine Klagen über den gesunkenen Clerus, die er in den Collationen
so ausführlich ausdrückt, finden wir auch hier. Besonders auffallig
ist die Aehnlichkeit der Gedanken über das Nachlassen der Wunder
in beiden Schriften. Vgl. Bibl. Clun. col. 157 und Collat. I, col. 175.
Dazu kommt, dass zwei Handschriften der Pariser Nationalbibl. codd.
lat. 5326 und 5329 den Titel tragen: Sanctae et egregiae recor-
dationis Odonls abhatis sertno, ntiper orante domno Theotoloneo
episcopo^ de adustione heatissimi Martini Turonensis ecclesiae
editus. Die beti'effende Ueberschrift ist also kurz nach der Ab-
fassung der Predigt geschrieben. Vgl. Haur^u, Singularit^s histo-
riqnes etc. p. 173.
Was nun den Brief Leos VII. anbetrifil, so habe ich schon
oben 8. 106 darauf hingewiesen, dass Odo, der in demselben Jahre
938 ftir seine Klöster mehrere Urkunden in Rom erwirkte, auch ihn
veranlasste, da er ja gegen dieselben Uebelstände vorgeht, gegen
welche die Predigt sich wendet.
Dritter Excurs.
Der Tod Eilberts von Peronne.
In der Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft II, 345
n. 2, ebenso V, 156 — 158 und oben S. 184 habe ich mit Berufung auf
St. 477, DOI, nr. 381 darauf hingewiesen, dass Eilbert, ein im Gau
Virmandois begüterter Edelmann, im Jahre 969 bereits tot war, dass
also die Nachrichten der unglaubwürdigen Hist. Walciod., die ein
längeres Leben desselben voraussetzen und namentlich die Notiz
derselben Quelle, nach welcher Eilbert erst 977 das Zeitliche ge-
segnet habe, zu verwerfen seien. Auch Lahaye, £tude6 sur l'abbaye
deWaulsort, vermochte in seiner Polemik gegen mich 8. 288 doch
nichts anderes, als mir den Vorwurf einer willkürlichen Textver-
änderung zu machen, den ich an anderer Stelle genügend zurück-
gewiesen habe. Trotzdem hätte er wenigstens scheinbar seine Sache
durch Hinweis auf zwei Urkunden retten können, in denen Eilbert
angeblich noch nach 969 auftritt, von denen freilich dann wenigstens
die eine auch das Todesjahr der Hist. Walciod. widerlegt hätte.
365
*
Bei Hemeraens, Augnsta Viromandonim pr. S. 34 und bei Col-
liette, Mdmoires de Virmandois I, 565 findet sich eine Urkunde, in
welcher bekannt gemacht wird, dass im Jahre 988 quidam vasallus
nomine Haderictis cum consilio Eilberti et uxoris suae Herisindis
znm Abt von Hombli^res kam, einen Neffen tradierte and mit ihm
der Abtei ein Allod in comitatu Otmensi in villa, quae didtur
VedenicuniSy schenkte. Diese Uebertragung bestätigt Heribertus
comes eiusdeni loci per deprecationem Herisindis. Unter der
Urkunde findet sich nur das S, Heriberti comitis, keine weitere
Zeugennnterschrift. Hemeraens hatte die Urkunde ex iisdefn archivis
d. h. von Homblieres und bemerkt ausdrücklich dazu: sine data.
Ob er eine Urkunde oder ein Ohartular benützte, ist nicht zu er-
sehen. CoUiette I, p. 565 druckt dieselbe Urkunde ab und bemerkt:
Dtir cartulaire d'Ho7Hblieres, oü eile est rapportee ad decimum
septimum Calendas Februarii; c'est ä dire au siziime de
Janvier 988. Nun habe ich aber auch ein Cartul. d' Homblieres
(Cod. Paris, lat. 13911) saec. XVII. benutzt und hier trägt zwar
die Urkunde (f. 17), wie Colliette angegeben, das Datum: die 11
Kai. Febr., jedoch das Jahr DCCCCVIII^) im Texte. Die
Ueberlieferung der Urkunde ist also hinsichtlich der Datierung
durchaus anfechtbar. Sie ist aber überhaupt höchst zweifelhaft
wegen des Fehlens aller Zeugenunterschriften neben der des Aus-
stellers. Eine derartige Urkunde war kein genügendes Beweis-
mittel, da nur die Königsurkunden der Unterschriften entbehren
konnten. 2) In der That finden sich unter den Urkunden der
Grafen von Virmandois und Troyes stets eine Reihe von Zeugen.
Nun hätte man trotzdem daran festhalten können, dass die Urkunde
dem Jahre 988 angehört, wenn der Aussteller wirklich Heribert lU.
von Virmandois wäre, wie Hemeraeus und Colliette meinen: denn
dieser folgte erst in diesem Jahre seinem Vater Albert. Es ist
sogar zu vermuten, dass die beiden Geschichtsforscher von Vir-
mandois (oder wenigstens Hemeraeus) dieses Datum erst mit Rück-
sicht auf den Regierungsantritt Heriberts lU. einsetzten. Der in
der Urkunde genannte Heribert ist aber sicher überhaupt kein
Heribert von Virmandois, sondern der Graf Heribert von Troyes
und Champagne, welchem der comitatus Otmensis, der an der Marne
lag, gehörte.'*) Der comes eiusdem loci ist nicht der Graf von
Homblieres, sondern der Graf des Gaues, in dem die villa Vedeniacus
lag. Da Heribert von Troyes aber 968 die Herrschaft antrat^),
0 In meinen Excerpten, die noch ohne Rücksicht auf die bebandelte
Frage gemacht wurden, finde ich: ^Mit dem falschen Datum 908'.
*) Vgl. Bresslau, Urkundenlehre f. Deutschland und Italien I, 799.
') Vgl. die Urk. v. 980 im Cartul. de Montierender bei Lalore, Coli,
des pnnc. cartul. de Troyes IV (1878), p. 140. 142, wo Heribert dem Kloster
Montier^der Besitz in einer villa Velcianas im comitatus Otmensis schenkt.
Vielleicht ist Vedeniacus nur corramniert aus Velcianas.
*) L'art de vSrifier les dates XI, 846.
866
fällt auch so jeder Grund fort, an der zweifelhaften Datierung fest-
zuhalten J)
Ebensowenig ist die zweite Urkunde, auf die ich hier ver-
weisen wollte, geeignet, die aus dem Diplom Ottos I. gezogenen
Schlüsse zu entkräften. Es handelt sich um eine undatierte Urkunde
Adalberts von Virmandois für das Kloster 8t Quentin bei Peronne.*)
Hier erregt nur ein S. Eilberti und zugleich die Unterschrift: Ego
LeudidfiisVirniandensisacNoinomensis ecdeMae episcopus relegi,
siibscrijys'i, confirmavi unser Interesse. Denn vorausgesetzt, Eilbert
wäre mit dem Gemahl der Herisindis identisch, — was natürlich
immer erst des Beweises bedürfte — so Avürde die Unterschrift des
Bischofs Liudulf, der erst von 977 an regierte, scheinbar den Schluss
gestatten, dass Eilbert nach dieser Zeit noch am Leben war. Aller-
dings nur scheinbar, denn der Umstand, dass der Bischof am Ende
nach sämmtlichen andern Zeugen seine Uutei'schrift zufügt, spricht
entschieden dafür, dass er der Urkunde eret nachträglich seine Con-
firmation erteilte. Für den Zeitpunkt der Handlung, der Eilbert
beiwohnte, gewinnen wir natürlich gar nichts.
Somit fällt vorläufig jeder Grund fort, von unserer Behauptung
abzugehen, dass Eilbert vor 969 aus dem Leben geschieden ist.
Vierter Excurs.
Ztir Reform Gerhards von Brogne.
I.
W. Schnitze, Forschungen z. D. Gesch. XXV, 229 bestreitet den
Bericht der V. Gerardi Brohiensis, nach welcher Gerard von Brogne
in St. Denis Mönch geworden wäre. Seine Gründe sind folgende:
1. Der Vita widerspricht die Darstellung der Translatio resp.
Virtutes S. Engenii. Während er danach die Reliquien des hl. Eugen
auf einfache Bitten hin erhält, — was nicht ganz richtig, da er sie
kauft — so ist damit unvereinbar, dass er sie nach der Vita nur
deshalb erhielt, weil er so und so lange in St. Denis Mönch ge-
wesen sei.
2. Nach der Vita ist zur Zeit der Rückkehr Gerhards mit den
Reliquien aus St. Denis Stephan Bischof von Lüttich, wie auch die
Virtutes berichten, die in der Vita benutzt äind. Da aber den An-
^) Ich möchte um so eher das Jahr 968 als das richtige annehmen,
als in diesem Jahre mehrfach ein Hubert, resp. Heilbert fttr Hombliöres
urkundet, der wohl identisch mit unserm Eilbert ist. Gart. Humolar., Cod.
Paris, lat. 11)911 f. 12 und 59. Jedenfalls beweist übrigens der Umstand,
dass die BestStigang der Urkunde nur j^er deprecationem Herisindis er-
folgte, dass die von Eilbert und Herismdis veranlasste Schenkung der
Regiernng Heriberts lange vorausgegangen sein kann.
') Mabillon, Ann. Bened. III, app. p. 719; CoUiette I, 572. 573.
367
gaben der Vita nach Gerhard nicht vor 929 aus St Denis zurück-
gekehrt sein kann, Stephan aber nur bis 920 Bischof von Lüttich
war, so sind die Angaben unvereinbar.
3. Die Translatio der Reliquien erfolgte spätestens 920; da
Gerhard 898 nach den Ann. Bland, geboren, war er damals höchstens
22 Jahre alt. Nun soll er 9 Jahre in St. Denis als Mönch gewesen
sein, mithin müsste er bereits zu 13 Jahren beim Grafen Berengar
eine hohe Vertrauensstellung bekleidet haben, was undenkbar sei.
4. Nach der Urk. v. 2. Juni 919 beabsichtigt G. erst Mönch zu
werden, ist es also noch nicht. Da die Translatio bereits 920 er-
folgt, so kann er die Reliquien nicht erhalten haben, weil er 9 Jahre
in St. Denis gewesen.
5. Die Ann. Bland, setzen den Erwerb der Reliquien 915;
dann aber kann G., der erst 919 Mönch wurde, nicht in St. Denis
Mönch gewesen sein.
„Ich glaube meine Behauptung," schliesst Seh., „dass Gerhard
in St. Denis überhaupt nicht Mönch war, nunmehr genügend be-
wiesen zu haben." Nein, ganz gewiss nicht! Bewiesen ist nur, dass
er die Reliquien nicht erst in Folge eines längeren Aufenthalts in
St. Denis erhalten haben kann. Falsch ist nur die Beziehung der
Translation auf seine Mönchszeit.
Prüfen wir zunächst unabhängig von der Translatio die Nach-
richten über den Aufenthalt in St. Denis.
In der Urk. v. 2. Juni 919 erkläi*t Gerhard, ein Kloster gründen
und Mönch werden zu wollen. Damals bestand in Brogne nach den Ann.
Bland. 913 bereits ein Canonikercollegiat und die Reliquien des
hl. Eugen waren bereits in der Kirche. G. beabsichtigt also gleich-
zeitig, das Chorherrenstift in ein Kloster zu verwandeln und selbst
Mönch zu werden. Nun erzählen die Ann. Bland 918: Gerardus
abbas monachus efficitiir. Die Annalen sind in dieser Zeit durch-
weg um ein Jahr zurück. Mit Berücksichtigung dieses Umstandes
stimmen die Ann. also gut mit der Urkunde. Nun kann G. nicht
etwa 919 in Brogne Mönch geworden sein, denn damals war dort
noch kein Kloster und noch 920 oder 921 finden wir Cleriker da-
selbst. Vgl. Virtutes S. Eugenii c. 16: Qtiadam tempestate Carolo
rege ad Äquasgrani palacii properante d. h. c. 920 (vgl. SS. XV,
p. 650 n. 9) . . . JJhi suo more nequiier agentes, Bei sacerdotes
deonestdbant ibi manentes. Quo unus agens neqtims ceteris,
itni sacerdotnm . . . Mithin muss Gerard 919 anderwärts Mönch
geworden sein. Nun erweisen sich die Nachrichten der Vita Ge-
rardi aufs genaueste in chronologischer Hinsicht übereinstimmend
mit den Thatsachen. V. Gerardi c. 9: Anno igitur conver-
»ionis eins scenndo Parimis ordinatur acolitus ab episcopo
eittsdeni urbis Thendulfo; a quo etiam ypodiaconus consecratur
mbsequente tertio; siib eins vero successore Furado ascendit
gradum dinronii quarto. Anno auteni nono subliniatus et sa-
cerdotio ab ipsius Fulradi sticcessore AdJielelmo.
368
Das heisst, wir erhalten folgende chronologische Tabelle:
Theodulfns 911—922 2. Jahrd.Convers.Gerh. 920— 921 Akolyth
3. „ „ „ 921—922 Subdiacon
Fnlradus 922—926 4. „ ^ „ 922—923 Diacon
Adhelelmns 927 - 935 9. „ , „ 927—928 Presbyter
Wir sehen somit, wie vortrefflich die Vita sowohl über die
Regierungszeit der einzelnen Bischöfe, als die einzelnen Lebens-
umstände Gerhards nnterrichtet ist. Danach fällt anch der Eintritt
in St. Denis 919 — 920 entsprechend der Urkunde und den Ann.
Bland. Femer wird er 927—928 nach der Vita Presbyter. Ent-
sprechend setzen die Ann. Bland., die um ein Jahr zurück sind,
die Priesterweihe 926 d. h. wiederum wird die Chronologie der Vita
glänzend bestätigt.
Nun ist es ganz richtig, dass die Translation der Reliquien
unmöglich nach dieser Zeit erifolgt ist, wohl aber hat sie, wie wir
sahen, vorher stattgefunden. Der Irrtum der V. Gerardi besteht
eben darin, dass der schon vorhandene Bericht der Virtutes
falsch eingereiht und mit der Mönchszeit in St. Denis cömbiniert
wurde. Hält man daran fest, so schwinden jegliche Schwierigkeiten.
Wir erhalten dann eine chronologische Reihenfolge, wie die Ann.
Bland, sie geben. Für falsch halte ich allerdings hier das Geburts-
jahr Gerhards 898 resp. 899, denn er müsste noch sehr jung ge-
wesen sein, als er an die Gründung des Canonikercollegiats ging,
eine Schwierigkeit, die Seh. gar nicht berührt. Es kommt dazu,
dass die V. Gerardi ihn 959 vehementer defafigatus provectione
aetatis sterben lässt, dass er schon 953 sich von seinen Aemtem
zurückzieht. Es widerspricht den Nachrichten der Vita nicht, dass
er 923 bereits als Abt von Brogne in Tours erscheint (s. oben 8. 125).
Die Beförderung zum Presbyter kann ihm auch als solchem zu teil
geworden sein.
n.
Bezüglich der Abtreihe von St. Bavo liegen folgende Nach-
richten vor:
1. Ann. S. Bav. 953. Gerh. resigniert et per Arnulf um . . .
et Rodulfum Noviomensem episcopiim Hugonem Gandensis
cenohii ahbateni sibi suhstituit.
965. Hugo abhas Gandensis resignaHt, et eodem anno oJnit.
Cui sxiccessit rcneralyilis vir abbas Wortiarus.
2. Folc. Gesta abb. S. Bert. c. 107. Im Jahre 947 wurde
Wido zum Abte consecrirt. Nachher ward er seiner Abtei beraubt
et sancti Bavonis monasterio abbas est destinatus. Woniarns
autem regimen monasticum sub regulari regebat districtione,
Qtw tempore ego ipse haec scribens Foleuinus etc anno ine,
948 . . . monachus . . . sum effectus; c. 108. Markgraf Arnulf gab nach
Wido parvo 2>ost tempore Hildebrando nepoti suo des Klosters
369
St Bertin. Demnach war also Womar nur provisorischer Leiter
zwischen Wido und Hildebrand.
3. Urk. Lothars mit d. Datum: Actum in palatio Lauduni
clavati apud monasterium sancti Joluinnis, die 3. id. Dec, Anno
incanm, dorn, 958, ind. 11, anno 1. regnante Lothario rege glo-
riosissimo. In dem Diplom heisst es ; Postea vero ammonitione ve-
nerabilis viri Gerardi ahbatis placuit ei eundem restaurare looum
et quendam alumnorum ejus Gerardi j religiosum indelicet i^irurn,
Wonmrum, äbhatem ordinäre atqiie monachos, qtii regulam S.
Benedicti observarent, congregare. Quo etiam in loco transacto
jam anno ordinationis supradicttis Womarus religiosos abhates
arcesciens, videlicet Agenaldum Gorzensis coenohii abbateni,
Hunibertum promsoretn coenobii sancti Apri, nee non et suae
ditionis abbates quamplures, id est Hildebrandum atque Le-
dricum etc.
Schnitze löste den Widerspruch, der zwischen der Urkunde
und den Ann. S. Bav. besteht, so, indem er Hugo von 953 — 957
Abt sein lässt in der Annahme, dass das Jahr 965 seiner Resignation
nach den Ann. S. Bav. falsch ist. Er setzt also die Urkunde nach dem
Incamationsjahr 958. Nun hat bereits Holder-Egger, Waitzaufsätze
p. 661 darauf aufmerksam gemacht, dass das Incamationsjahr sicher
falsch und nach dem Köoigsjahr und der allerdings nicht ganz
richtigen Indiction von 954 zu datieren sei, da offenbar Womar als
zweiter Abt von St. Bavo erscheine und dem deutlichen Wortlaut
der Urkunde nach nicht noch ein anderer zwischen Gerhard und
Womar gesetzt werden könne. Ein sehr wesentliches Moment hat
er aber nicht angeftthi-t: dass nämlich der genannte Abt Ledricus,
der als Abt suae ditionis d. h. Womars bezeichnet wird, der Abt
von St. Amand ist, der 956 starb (Ann. Elnon. 956), w^omit aufs
schlagendste bewiesen wird, dass die in der Urkunde erwähnte
Handlung nicht ins Jahr 958, sondern 954 gehört. Nun stimmt
das ganz gut dazu, dass Gerhard in beiden Genter Stiftern 953 re-
signiert und Womar 953 auch in Mont-Blandain Abt wird. Da
indes auch das Original der Urkunde (Serrure, Gart, de St. Bavon
p. 5) das Jahr 958 bietet, so wird man annehmen müssen, dass
dieses Jahr erst später in eine Lttcke eingefügt wurde.
Die Urkunde bietet noch weiter Gelegenheit zu interessanten
Betrachtungen. Es werden hier entgegengesetzt einerseits fremde
Aebte, Einold von Gorze und der genannte Humbert von St. £^vre,
dann aber suae ditionis abbates quamplures id est Hildebran-
dum atque Ledricum, Ilildebrand war erst Abt von St. Bertin,
dann von St Vaast, Ledricus Abt von St Amand. Folglich muss
Womar eine Stellung eingenommen haben, die sich über die übrigen
flandrischen Klöster erhob, mithin auch sein Vorgänger Gerhard,
von dem es uns ausdrücklich sonst bestätigt wird. Man ver-
gleiche die Urkunde bei van Lokeren nr. 24: Womarus abbas ex
constitutione domni abbatis Gerardi urkundet per consensum
Sftokur, ClunUceiuer. L 24
370
predicti abbatis Gerardi atque marchysi Amulfr, ein Beweis, dass
Gerhard, wenigstens noch kurze Zeit nach seiner Abdankung bei
Arnulf die Stelle eines Cnrators fttr das flandrische Klosterwesen
bekleidete.
Unrichtig ist nun allerdings, was Holder-E^rer 8. 663 über den
provisor 8. Petri bemerkt, da er nur in dem Iflckenhaften Abdruck
der Urkunde Lothars bei Miraeus-Bouquet an Stelle des Abtes
Humbert von St. £)vre auftritt, dessen Namen die Originalurkunde
(Serrure p. 5) bietet.
Was jenen Hugo anbetrifit, den die Ann. 8. Bav. von 953 — 965
Abt in St Bavo sein lassen, so glaube ich allerdings, dass es in
diesem Kloster eine Persönlichkeit gegeben haben muss, die viel-
leicht von einem Teile der Mönche in der That als Abt anerkannt
wurde und die Womar das Leben sauer machte. Dann läge es in
der That nahe, ihn mit Wido, wenn er wirklich Propst von St Bavo
gewesen ist, zu identifizieren.
Fünfter Excurs.
Die Wahl des Majolus.
Ueber den Zeitpunkt der Wahl des Majolus unterrichtet uns
die Chronologia abbatum Clnniacensium (Bibl. Clnn. col. 1619),
eine Quelle ans der zweiten Hälfte des II. JahrhundertsJ) Danach
erblindet Aymard 954 und lässt Majolus zum Abt wählen und
durch Hildebold von Chalon ordinieren. Mit dieser Ansetzung
scheint einigermassen übereinzustimmen, dass Majolus von 954
an in der That öfter in den Urkunden auftritt, aber erst von 958
an erscheint er fast regelmässig. 2) Da die Daten, welche die
Chrono], abb. Cluniac. fUrs 10. Jalirhundert giebt, teilweise falsch
sind^), so kann natürlich nicht mit Bestimmtheit behauptet werden,
ob die Wahl und Ordination des Majolus wirklich 954 erfolgte.
Nun existieren zwei Urkunden bereits aus der Zeit vor 954, in
denen er als Abt auftritt: CHCL I, nr. 729 u. 781. Was die zweite
anbetrifft, so ist sie datiert Ciinrado rege anno VIIL Rechnet
man die Jahre Konrads, wie es in cluniacensischen Urkunden sonst
geschieht, von 937 an, so kämen wir auf 944 — 945, eine Zeit, zu
der Majolus noch nicht Abt gewesen sein kann. Denn da er 943
noch als Archidiaconus in Mäcon nachweisbar ist und nach Odil.
V. Maioli sechs Jahr Mönch war, so ergiebt sich mit Notwendigkeit,
dass die Urkunde anders zu datieren ist. Beniard in der Urkunden-
*) Zum Jahre 1049 heisst es von Hugo: nunc in praesenti, ut decetf
officii 8ui ministcriiim adimplet.
*) Vgl. oben S. 21«.
B) So wird der Tod Bemos 926, der Odos 944 gesetzt.
371
sammlnng von Cluni nimmt deshalb das Jahr 943 zum Ausgangs-
punkt seiner Rechnung und kommt so auf c. 950. Immerhin ist
dieses Datum unsicher, um so mehr, als bei den in cluniacensischen
Urkunden häufig vorkommenden fehlerhaften Königsjahren Irrtümer
nirgend ausgeschlossen sind. Die andere Urk. I, nr. 729 ist datiert :
regnanie Ludorico ayino XIII d. h. 948 — 949; auch hier giebt
die alleinige Datierung nach Königsjahren keine Gewähr für die
Richtigkeit der Rechnung. Als unsicher müssen diese Daten umso-
mehr angesehen werden, als sonst bis zum Jahre 954 Aymard
durchweg in den Urkunden noch als Abt auftritt.
Freilich genügen die Bedenken, die gegen die Datiening der
Urkunden erhoben werden können, keineswegs, sie aus der Welt
zu schaffen. Im Gegenteil; wir haben sogar Grund zur Annahme,
dass bereits lange vor der eigentlichen Ordination eine Wahl
des Majolus und provisorische Stellvertretung desselben statt-
gefunden hat.
In der Wahlurkunde >) des Majolus sagt Aymard: beati qtiidem
Petri pridem clerictim fratrem ac filhim monachis Maiolum
religiomim eligimtis et ahhatem esse decernhnns. Der Wortlaut
des Documents ist aber nicht richtig überliefert. Syrus II, c. 2,
welcher die Urkunde wörtlich anführt, citieii: folgenden Text:
heati quidem Fetri jmdeni electum fratrem ac filiuni Mcviolum
reeleginvus et ahhaiem esse decerninms^ und dass dies der richtige
Wortlaut ist, ergiebt sich daraus, dass auch die Wahlurkunde
Odilos*), die wörtlich d!t der des Majolus Übereinstimmt, in der
einzigen handschriftlichen Ueberlieferung den Text des Syrus be-
stätigt. Es kommt dazu, dass clerictim an Stelle des electum ganz
unverständlich wäre: denn wollte man nn den Aufenthalt des
Majolus in Mäcon denken und an sein Archidiaconat, so würde man
statt des hl. Petrus die Erwähnung des hl. Vincentius erwarten
müssen. 3) Wenn nun Aymard zur Zeit, als er die benachbarten
Bischöfe und Aebte zur Bestätigung der Wahl zusammenberufen
hatte, bemerken konnte, dass Majolus pridem electum' sei, so muss
man eine vor längerer Zeit erfolgte Wahl annehmen.
Was nun die Vitae anbetrifft, so kennt Syrus nur einen Wahlakt.
Aymard betritt den Convent und fordert die Mönche auf, einen
Vorsteher zu wählen; da sie zögern, schlägt er Majolus vor, dessen
Wahl sofort alle zustimmen. Majolus verweigert zuerst die Annahme;
erst in drei Tagen ändert er in Folge einer Vision des hl. Benedict
seinen Entschluss. Darauf bemft der Abt multitudinent . . . nobi-
Imm, pontifieum et ahbatum, die er mit den Worten anredet, die
') CHCL II, nr. 888 wieder abgedruckt aus d'Achery.
») CHCL 111, nr. 1957.
>) Was Ringbolz, D. hl. Abt Odilo S. III, nr. 30 aus dem falschen
Text der Wahlurkunde Odilos, die, wie bemerkt, wörtlich der früheren
gleicht, gar für diesen Abt schliesst, ist natürlich ganz hinfällig.
24*
372
Syrns ans der Wahlarkonde abgeschrieben hat. Die Wahl wird
bestätigt und Majolus geweiht. Das ist der vollständig correkte
Verlauf einer Abtwahl im Benedictinerorden mit dem Unterschiede,
dass die Wahlen sonst nach dem Tode des Abtes zn erfolgen pflegten.
Wenn Schnitze ans der Nennung des Namens des Majolus durch
Aymard ein besonderes Vorschlagsrecht des Abtes von Cluni herleitet,
so tibersieht er, dass das lediglich der naturgemässe Verlauf der
Wahlhandlung war. Sonst pflegte wohl der erste anwesende Obere,
also der Prior die erste Stimme abzugeben i), der sich die andern
in der Regel wohl anschlössen. Wenn hier, da der Abt selbst den
Wahlakt leitet, die Mönche zögern, irgend einen Namen zu nennen,
so war das eben nichts als die begreifliche Scheu, ihrem Abte
vorzugreifen. Die Heranziehung der benachbarten Geistlichen zur
Approbation hatte ihren Grund in einer Bestimmung der Benedic-
tinerregel c. 64, nach welcher bei einer ungeeigneten Wahl der
Diöcesanbischof und die benachbarten Aebte prohibeant pravorum
prevalere consensum. Damit nun nicht von dieser Seite später
gegen die Wahl Protest erhoben würde, wurden die benachbarten
Bischöfe und Aebte am dritten Tage nach der Wahl herbeigeholt,
um derselben ihre Zustimmung zu geben.') Aehnlich als Syrus,
nur noch unklarer und phrasenhafter schildert Odilo den Verlauf
der Wahl. Wenn er bemerkt: Facta est autem ah otnnibus inqui-
sitio, ad que^n omnium fratrum tendebat, ad dommmi Maiolum
pervenit electio, so kam es ihm eben nur auf das Resultat, nicht
etwa darauf an, ob Aymard den Majolud^ vorgeschlagen hat, oder
die Brüder auf ihn kamen. Er weigert sich, giebt dann aber nach:
Postremo a fratribus eligitiir, a populo accianmtur, a ponti-
fidhus benedidtur et a supradicto patre mofiasterii in loco
sublimi celeberrime coUocatiir, et a fratribus officiosissime salii-
tatur et ab omnibus domnus et abba honoratur et colitur. Von
einer absichtlichen Verdunkelung der Vorgänge, die Schultze hier
herausliest, ist keine Rede, ebenso wenig von einer doppelten Wahl-
handlung. In seiner gewöhnlichen Rlietorik wiederholt Odilo hier
nur den ganzen Verlauf der Wahl in kurzen gereimten Sätzen, wie
wir etwa zusammenfassend sagen würden: Schliesslich wird er von
den Brüdern gewählt u. s. w. Also Odüo hat nicht etwa sagen
wollen, dass Majolus nach seiner Weigerung und Wiederannahme
noch einmal gewählt worden wäre. Beide, Syrus wie Odilo, schil-
dern nur den offiziellen Wahlakt, den die Chronol. abb. Cluniac.
ins Jahr 954 setzt Odilo hat auch hier keine eigenen Kenntnisse
1) Vgl. Udalrici Consuet. Cluniac. 111, c. 1. Dem entspricht an-
scheinend auch Bemardi Ordo Cluniac. 1, c. 1 (Hergott p. 135), wo der
Prior als Leiter des Wahlactes erscheint.
') So erklärt auch Ringholz S. 9 mit Recht die Heranziehung der
benachbarten Geistlichkeit. Bemardi Ordo Cluniac. c. 1 erwähnt die Ein-
ladung des Bischofs, der fUr die Weihe auserseben ist, und zweier Aebte,
welche den Erwählten zur Weihe zu geleiten haben.
373
und schreibt nur in Anlehnung an Syrns. Dass dieser aber nur
unvollkommen unterrichtet war und mit Zuhilfenahme seiner Phan-
tasie schildert, ergiebt sich daraus, dass er den Text der Wahl-
urkunde als eine Rede dem Aymard in den Mund legt. Im übrigen
kann Syrus wohl auf Grund des allgemein üblichen Verfahrens
geschrieben haben. Für eine frühere Wahl oder Designation des
Majolus gewinnen wir nichts daraus. Auf Grund der Wahl-
urkunde müssen wir jedoch eine solche annehmen, und insofern
gewähren die Urkunden nr. 729 und 781 eine erwünschte Be-
stütigung. Freilich muss hinsichtlich des Zeitpunktes und der Art
dieser frtlheren electio immer ein leiser Zweifel bestehen bleiben;
denn aus dem iam prideni electum auch nur schliesssen zu wollen,
dass die Brüder ihn gewählt und Dicht etwa Aymard ihn vorläufig
nur designiei-t habe, halte ich bei der Unbestimmtheit der Ausdrücke,
die gerade auch sonst in Bezug auf Wahlhandlungen üblich ist, für
unstatthah. Der Umstand, dass nachmals eine wirkliche Wahl der
Brüder stattfindet, spricht sogar mehr dafür, dass es sich anfangs
nur um eine vorläufige Designation des Abtes handelte.
Beilagen,
Erste Beilage.
Aus Cartular A von Cluni.
(Bibl. Dat. lat. nouv. acquis. nr. 1497.)
Prefatio temporibus domni Oddonis abbatis. f. 37
Quotienscunqne ad expngnandam calumniam illorum, qnorum
perversitas sanctnarinm Dei dissipat quorumqne stulta temeritas
elemosinas pia instornm largitione matri ^cclesi^ coUatas, scntnm
defensionis anipimus, necessaria per plnrimum noticia litterarum
forte dinoscitar. Et ideo, nt in series primnm libri anrenm tempiis et
Incida gesta domni deprompsit Bemonis, sie prosecntio omninm
donationum carismata a fidel ibus viris tempore predicandi patris
domni videlicet Oddonis monasterio attribnta statis evidenter decla-
rabit Sed interim non ab re nobis videtnr digressionem qnandam ab
oratione facere, nt ignorantibns vitam viri, qnalis fnerat, valeamns
intimare.
Fnit igitnr, nt veridica priomm relatione fertnr, nobili pro-
sapia satns, Cynomannica regione exortns, arcinm liberalinm adprime
regnlis imbntns, almi Martini Tnronensis basilic^ ^dituus, seimone
clams, vita nitidus, societate iocnndns et, quod bis omnibns excelsius
est, sacr^ doctrine roseo flore decenter omatns. Ut enim de re-
lietis minus gerendis ad anteriora extentus, iuxta apostolum vir
perfectionis effectus, filiorum Recab emulatione ductus est, luteas
sedes habere contempsit in terra, quatenus Christo mereretur inngi
in c^lestica mera. Delibutus proinde odore virtutnm, quem id tem-
poris Cluniacensis rumor praeeiosomm more aromatum longe lateque
profuderat, mente prompta quod diu concupierat tenebrosi reliquit
rura lugente cive in patria, l^tante Christo in gloria. Divino iugo
mitia subposuit colla. Tyrocinio denique sue conversionis non seg-
niter peracto, praecatione patris circumventus, cnius institutis fuerat
maneipatns, nolens, nolens et, ut verius dictum sit, nolens totius
fratemitatis ad regendum suscepit examen. Quanta deinde acri-
monia excelsos animos stemere, qualive cautela vitia resecare quaque
benignitate virtutes inserere studuit, non ignorat Italia, protestatur
Burgundia, simulque refert Gallia. Propheti^ denique gratia sufihsus
ex hoc certissime approbatur, dum supprema sorte preventus con-
tatione iratrum requisitus, qnis ex tanto collegio ceteris praeficeretnr,
378
alto ilamine afflatas sie ad eos respondisse fertur: ^Nostra in hoc,
0 filii, vacillante censura, Christi domini larga non deerit prudentia,
qu^ et domui su^ sanctam providebit pastorem et vobis rogitantibus
famalis dignnm non denegabit pastorem.' Quod scilicet sane consi-
derantibns sole lucidius patet, dam vita et conversatio domni Hey-
mardi satis abunde experimentnm prebet Hacnsqne siqaidem de
tanti yiri landanda nobilitate breve') peroratnm suf&ciat, quatinns
ex hoc intellegatar, qaantopere oportet nos inherere illiiis scitis,
quem pro merito non ambigimus insertnm angelomm cnneis. Sin
antem scrutinio fideli percnnctari temptaverit, qnanta et qualia prae-
libati patris indnstria nsibns monachomm in Clnniacensi loco degen-
tinm perseverant adqnisita, acie ocnlornm erecta seqnentia relegat,
ibi repperire potent non minima.
Zweite Beilage.
Aus dem Cartular von Deols.
(Cod. Paris, lat. 12820*), saec. XVII.)
1. Brief Stephans VEI.»)
f. .8'. ^'"'-'''-^
Stephanus episcopus serrns servonim Dei Gerunco suflfraganeo
nostro Bituricensi archiepiscopo tuisqne successoribus in perpetnnm.
Prudentia tua, venerabilis frater, qnam tibi per filinm nostmm ab-
batem Odonem inesse didicimus, nt credo, non ignorat, qnia ad hoc
qnilibet episcopi divinitns constituti sunt, nt patientiam vel caetera-
rum virtntum exempla subjectis demonstrent, et si religionis ancto-
ritas apnd saecnlares forte contemnitur vel apnd spiritales snnm ins
debet retinere iuxta illnd propheticum : ^) Si fornicaris tu, Israel,
non delinquas saltim Jiida, Et idcirco miror, frater, quod inter
te et quosdam monasticae professionis fratres esse scelns et contentio
videatur. Ipsa namque raritas religionis iam nobis pretiosos facere
deberet illos, ubi aliqna scintilla regularis propositi remansisse vide-
tur. Et Uli, qui pene soli in tua diocesi communem vitam ducunt,
et a te sicut a patre deberent solatiari et tu illos quasi filios habere.
At nunc nescio praedio pro quodam^) contendis cum illis et quod
legaliter finiri poterat, per vim excommunications extorquis. Porro
*) brevi hs. •) Die Schrift ist teilweise schwer zu lesen.
3) Von Löwenfeld übersehen. *) Oseas 4, 15.
*) Vgl. J.-L. 8603 : Bodillonem quoque viUam cimi suis appenditiis a
Girardo nobili viro conlatam eidem praedicto loco similiter confirfnamuSj
quia licet praedictus vir Gerardus primum exinde testamentum ad aliam
ecclesinm fecerit^ non tarnen ad possidendum hanc tradidit, sicut his post-
erioribus fecit.
379
locus ille a snis fundatoribns apostolicae sedi ad tnendnm tradi-
tus est, pro qua re necessnm est, ut, in quantum fas exigit, eidem
loco favere stndeamns. Discussa antem contribationis causa didi-
cimns, qnod vix qnidam praedictum praedium tuae sedi per testa-
mentnm dedit, non tarnen ad possidendum tradidit: monachis vero
ipsum praedium postea et dedit et ad possidendum tradidit, et eis
coram principibus auctor fuit. Sane si hoc tibi satis non est, re-
cnrre, quamvis inter spiritalia non deceret, ad auctoritatem Romanae
legis 1), et quid ipsa de duobns, quibus una res traditur, recepisse
Visa fuerit, id observa. Alioquin qnaesote, frater, — ut eidem loco
vel fratribus nobis commissis nuUatenus sub excommunicatione et
anathematis obligatione sancita est, quam et nos per nomen sancto-
rum principum apostolorum Petri et Pauli omnimodis confirmamus —
rogantes potins, ut paternitatis tuae suffiragium illa fraternitas, in
quocunque indiguerit, pro amore sanctae Dei genitricis et praedic-
torum apostolorum et pro vestra hnmili subiectione sibi adesse sen-
tiat, ne forte, quod absit, si iniuriati nostram sedem adierint, hoc
quod nohimus pro eorum defensione agere compellamnr. Vale
frater, et quod dicimus pro apostolicae sedis reverentia, libenter
adimple. Veiiim si, quod absit» non per legale iudicium, sed per
vim excommunicationis monachos includere volueris, eos omnimodis
absolutos esse decernimus.
2. Urkunde Ebbos von Ddols.
Qnia praedecessores nostros magnum in construendis Deo ta- f. 10.
bemaculis Studium habuisse tam frequentes ubique testantur ecclesiae,
nos, qui per fidem dominicam ut illi vidimus salvari, necesse est eos
aliquatenus imitari. Ego Abbo et uxor mea cunctis tam praesentibus
quam futuris notum facimus, quod in honore matris Dei Mariae sanc-
tommque apostolorum Petri et Pauli monasterium inxta Dolense
castrum ad monachomm habitationem aedificavimus, tam pro nobis
videlicet, quam pro illis, qnorum in alio testamento memoria reci-
tatur maximeque pro eis, qui loco illi vel monachis auxiliatores ex-
titerunt, cui scilicet monasterio iuris nostri res vel possessiones seu,
quod a futuris nostris successoribus per quamcunque occasionem re-
quisitum esse poterat, et in villa ipsa Dolis vel in aliis diversis locis
consistentes delegavimus, de quibus singulis rebus iam quidem legale
testamentum feceramus. Sed quia christiana fides duobus testamentis
Unnatur, idcirco et istud facimus, quatinus calumniatorum impu-
dentia, si aliquando obrepserit, duobus testimoniis facilius confutetur,
et cum bis temporibus caritate^) iam nimis frigescente et iniquitate
*) J.-L. 3603 : Lex enim Romana iubet, ut si quia de utw. re duobus
fecerit testamentum wii prius et alteri postea f non queratur, ctii prius aut
posterius fecerit , etiam si aliquis ei propinqutis sitj sed ille videlicet, cui
post factum testamentum rem ipsam ad possidendum tradidit.
>) charitate Abs,
380
superabnndante qnosdam novimus ad tant«m impietatem prornpisse,
nt caenobia, qnae sui parentes aedificavernnt, ipsi snb occasione
propinqnitatis opprimere non formidant, qnod ne forsitan hnic loco
eveniat, omnimodis cavere satagentes, primnm vos, o christiani pria-
cipes, qni retributionem boni vel mali operifi in tremendo indicio
ventnram non dubitatis, convenio et per Christi misericordiam
obsecro, nt colentes illnd verbnm dominicnm: Qni non est nie-
cum adversum me est, hanc anctoritatem contra omnes malevolos
defendatis^ ne snbtrahendo solatinm contra Deum stetis, quin potius
nostri cooperatores effecti mercedem participetis, vos deinde, mei
domestici, uxor videlicet mea, nomine Hildegardis, filii caeteri, qui
fotnri haeredes vel successores hinc et in perpetunm, per tremendam
sanctae Trinitatis maiestatem et aeque contestor, adinro, nt nuUus
unqnam aat praedicto loco aut rebus nostra vel aliomm donatione
ad enm pertinentibns ant monachis ibidem consistentibns aliquam
laesionem ant invasionem sive diminntionem per qnalemcnnqne occa-
sionem inferre praesnmat^ neque aliqnis tanquam de nostra propin-
qnitate praesnmens ei qnasi mnnibnrdns aat advocatns per eamdem
propinqnitatem existere nitens, hospitalitatem ant aliqnod mannscnlnm
exigat, sed nee snb inre quidem commutandi ant comparandi de bis,
qne vel ad sepultnram vel in donariis quocunque pacto delata fnerint
sen arte ad eundem locnm quolibet ordine pertinuerint, aliquid ex-
poscat, sed sicut nnusquisque vestrum suas haereditates, portionem
absqne alterins inqnietiidine possidere volnerit, vel sie genitrici Dei
et apostolis partem, qnae eis delegata est, tenere liceat; non episcopns
qnis, non comes ant qnaelibet alia terrenae potestatis persona
dominari loco illi vel monachis audeat ant abbatem eis constituere
vel rei>) . . . cuiuslibet inibi praesamat ordinäre, sed exclusa totins
impedimenti molestia praeceptis regularis queant liberi inservire.
Siqnidem ipse Dens non solum praecepti anctoritate, sed et male-
dictionis interminatione temeritatem pravonim compescnit dicens
per Moysem^): Maledictus qui transfert terminos proicimi
sui Nee igitnr nostra vox quasi hominis contemnenda putetur, nos
quoque hoc exemplum secuti imprecamar, nt maledictus sit qui hos
terminos nostros, id est has constitutiones, immutari tentavit, et sicut
Josue dixit de Iherico, quam sibi archa Dei subiugaverat^): Male-
dictus qui eam in priorem stattim reparcisset, sie maledictus
sit qui nostras res, quas ecclesiae dominio subiugavimus, ad saecu-
larem dominium quasi ad priorem statum referre tentaverit. Ne vero
huius maledictionis imprecatio quasi una voce prolata minus timenda
credatur, si quis forte hanc hereditatem Dei vexare praesumpserit,
contremiscat voces omnium ubique psallentium, qui utique nobis
etiam tacentibus contra ipsum vel alios huiusmodi quotidie dicunt^):
^) Lücke in der Copie ohne irgend welche Erklärung.
«) Deut. 27, 17.
«) Vgl. Jos. 6, 26. *) Ps. 93, 5.
381
Domine y hereditutem tuam vexaverunt, Et deincepe^): Bedde
illi^ inquitateni ipsorum et in malitia ipsorum disperde
eos. Et item 2): Omnes qui dixerunt: haereditate possidea-
mus sanctarium Dei, Dens meus, pone illos ut rotam et cetera 3)
quoQsqne snbjangitur : Confundantur in saeoulum saeculi et
pereant Si qnis igitur hnic nostrae constitntioni quolibet modo
contrarins fnerit, primo eamdem participationem mercedis careat, de-
in praedictis maledictionibns vel in caeteris, qnae in veteri et novo
testamento scripta sunt, nisi resipuerit, citins subiaceat. Monachos
antem ipsos per nomen totins religionis et sanctae regulae auctori-
tatem deprecamur et obtestamar, nt secnndum propositum monasticae
professionis vivant, et si non melius vel ad exempla istomm, quos ibi
Bemo venerabilis et reverendus abbas primitus posuit quique suc-
cessores conversentur, eandem psalmodiae quantitatem, eandem hospi-
talitatis humanitatem, eandem ab omni came praeter piscium per-
petuam abstinentiam tendant. Sed et in vestitu nativnm colorem
solummodo habeant, eandem obedientiam vel abbati vel sibimet ipsis
impendant, ab omni iuramento penitus abstineant, silentio et medita-
tioni stndeant et nihil omnino, quod dici vel nominari potest, pro-
prium habeant, sed et in caeteris consuetudinibus eundem modnm
observent. Quod si haec omnia fecerint et oblationibns nostris vel
aliorum fidelium, sicut divinitus sancitum est, vivant, similiter non
oblationes, sed peccata nostra, ut proplieta dicit^), comedant. Hoc
tamen omnibus notum sit, quin ipsi qualitercunque vivant, nos quod
eis non pro se, sed pro Deo donavimus nequaquam auferemus, quia,
etsi divino iudicio utpote maioris gradus reservandi sunt, et nos,
qui de nostri operis mercede divina gratia largiente securi sumus,
impinm valde vidimus, si transgressiones humanas, quasi contra Deum
nostras oblationes retrahendo, vindicemus, verum, ut haec eadem
auctoritate, humanis etiam adminiculis fulcitur, hanc et nostra et
honestorum astipulatione virorum corroborari rogavimus.
Dritte Beilage.
Aus dem Cartular von St.-Miliiel.
In der paläographisch genauen Abschrift des Cartnl. de Tabbaye
de Saint -Mihiel, welche Ulysse Robert 1876 für die National-
bibliothek angefertigt hat (Nouv. acquis. nr. 1283) steht zwischen
dem Chron. 8. Michaelis, das zuerst vollständig von L. Tross^) ediert
wurde, während Waitz im IV. Bande der SS. nur die älteren Drucke
wiederholen konnte, und dem eigentlichen Cartular eine spätere
>) Vgl. Ps. 98, 23. «) Ps. 82, 13. 14. «) eibani? h8. *) Os. 4, 8.
^) Chronicon S. Michaelis etc. ed. Lndovicus Tross, Hammone 1857.
382
Aufzeichnung über Oonsecration, Lage nnd Besitz des Klosters, die,
obgleich die darin enthaltenen Namen sämmtlich falsch sind, doch
namentlich in wirtschaftgeschichtlicher Hinsicht nicht ohne Interesse
ist. Bemerkenswert für den Inhalt dieses Bnches ist, dass man
vielleicht auf eine Reform der Abtei im Jahre 957 geführt wird,
die insofern nicht unwahrscheinlich wäre, als das Hanptkloster der
Diöcese 952 refoimirt wurde.
879 Anno octingentesimo septuagesimo nono tempore Ludovici se-
2. Apr. cundi, qui. fuit rex Francorum et Imperator *) , anno secundo sui
regnl, die secunda mensis Aprilis fuit perfectum monasterium sancti
3. Ang. Michaelis situm super rivulam Marsnpii^) et conseeratum eodem
anno die tercia mensis Augusti a venerabili episcopo Virdunensi ^),
presentibus Girardo Dei gratia episcopo Cathalenensi^), Arnulpho
abbate de Insula^), Johanne episcopo Motens! <*), Bartholomeo abbate
sancti Apri^) et pluribus aliis tempore Smaragd! abbatis.^) Cum
vero demum monasterium sit sitnm ad pedem montis parv! castri
ex uno latere, et ripariam Moze in altera parte et praedictum^)
rivulum Marsupii a sinistra, sciant universi^^), quod praefatum
monasterium in sno ambitu habet et de sua dote tenet tres croverias,
unam tendentem versus Billatem, qne continet triginta duo iomalla
terre, aliam incipientem'^) a Moza et tendentem^-) versus ecclesiam
sancti Stephan!, terciam vero incipientem^^) ab uno latere iuxta»*)
furnnm nostrum Brouville et praetendentem ' *) per viam Virduni
usque ad fontem, qui dicitur Mardosus fons, recte nsque ad ripam
Moze sinistra parte et a dextra usque ad montem nostri prioratus
sancti Blas!!. Ilaec'^') vero croveria dimissa fuit liominibus praefati
monasterii ad habitandum et domos edificandum per venerabilem
abbatem Stephanum, qui postea fuit episcopus Tungrensis'''), quilibet
pes latitudinis continens centum pedes in longitudine pro uno denario
proveniensi. Unde dicti homines ipsam croveriam amodiantes, de
ea sie ordinaverunt, quod primam partem versus Virdunum dimise-
runt'**), terciam ordinaverunt ad cöleudum •••), mediam vero partem
ad edificandum et in ea habitandum, in qua media parte dictus
veuerabilis abbas^^') Stephanus retinuit pro se et suo monasterio
^) Ludwig d. Stammler, der wohl nur gemeint sein kauD, war be-
kanntlich nie Kaiser.
^) Massoupe.
*) Virdunenci /la., Bischof war z. Z. Berardus oder Dado. Vgl. Garns,
Series episc. p. 652.
*) Gab es im 9. Jährt, nicht.
») St. Quentin? ») Im 9. Jährt unbek. ') Unbekannt.
•) Abt unter Ludwig dem Frommen. Vgl. SS. lY, 80 flF.
®) pdein hs. *°) uni versa ha. *') incipientä hs.
*') tendentä hs. ^^) incipientä hs. ") justa hs.
^^) praetendentä hs. '^) Uac hs.
") War Bischof v. 903—920; vgl. SS. IV, 81. ") dimlsserunt hs.
") colandum hs. ^) venerabil' abbes hs.
883
recte in medio duo iomalia terre ad domipolam edificandam <),
forum commune tenendum. Hec antem admodiatio fait facta per
venerabilem abbatem Stephannm praedictum et smim conventnm
propriis hominibns sni monasterii anno incamationis dominice non- ^^'
gentesimo quinqaagesimo septimo die quarto^) mensis Octobris reg- Oct. 4
nante piissimo ac serenissimo imperatore nostro Henrico^) primo, qni
vetns monasteriam restoravit anno imperii sni secnndo.
Media pars hnins croverie in circnitn dnomm iomarium terre,
qne dictns venerabilis ^) Stephanns retinnit pro foro tenendo^), con-
tinet quatuor vicos in circnitn, et pro amodiatione primns vicns in
saltibns nobis tenetnr in decem novem solidis provencium cum octo
denariis, secundus vicus incipiens in angnlo, ubi fluvius^) Moze un-
das suas revolvit, superius ascendens debet ^iginti duos solides,
tercins ascendens ad meridiam decem octo, quartus rediens ad
Circusfranciam decem et novem solides cum decem denariis et
semipede.
Vierte Beilage.
Aus dem Necrologiiim des Cluniacenserpriorats
von Villers (Diöcese Besan^on).
(Bibl. Dat. lat. nouv. acqnis. 348, saec. XII. ^)
Kai. Jan. Deposicio domni Hugonis archi^piscopi.^) Willelmi
abbatis.^)
Vü Id. Jan. Depos. domni Willelmi ducis Aquitanorum.'^)
VI Id. Jan. Oonrardns dux.
Id. Jan. Depos. domni Bernonis abbatis.**)
XIX Kl. Febr. Ob. Heldricus abbas.»^)
XV Kl. Febr. Ob. Richardns episcopus.^'*) . . . Gerbertus.'*) Hie
frater Gerbertus monacns noster ante et post con-
versionem arte et ingenio adquisivit nobis omnes
vineas, quas babemus ultra lacum in diversis locis
Villi lunationes tem^ et alia multa bona.
XIII KL Febr. Kainaudus prior claustralis Clnniacensis. . . . Giral-
dns abbas.
VIII Kl. Febr. Dep. domni Richardi episcopi. Pontii abbatis.
') edificantam ha. *) quarta hs.
') Muss natürlich Ottone heissen.
*) tenädo hs. *) venerabil* hs. •) fluviü hs.
"*) Ueber die Handschrift vgl. L. Delisle, Inventaire des manuscrits
de la biblioth^que nat. Fonds de Gluni. Paris 1884, p. 216—218.
") V. Besancon. ^) A. v. Dijon, gest. 1031.
^ HI ?, IV ? ") V. Clunl
") A. V. Flavimy, gest. 1010. "») Ders., den Jots. II, c. 13 nennt?
") Darüber Stent pro qiM officium fiat.
384
VII Kl. Febr. Ob. Andreas abbas-O
m Non. Febr. Ob. Rotbertns abbas.^)
U Non. Febr. Ob. Lendbaldus episcopns.^)
Non. Febr. Ob. Ildeboldns episcopns.^)
VIII Id. Febr. Ob. Willelmus epißcopus. . . . Richardus abbas.
IV Id. Febr. Dep. domni Adraldi abbatis et episcopi.^)
XIV Kl. Mart. Ob. Siefredns archiepiscopus ^)
XIII Kl. Mart. Dep. domni Raimbaldi archiepiscopi.') Gansberti
abbatis.^) Adaltrudis regin^.^)
V KL Mart. Ob. Subo archiepiscopns.*")
V Non. Mart. Ob. Feraldns episcopus.*')
II Non. Mart. Ob. Bemerius abbas.'^)
VIII Id. Mart. Ob. Jotsaldns abbas.«»)
Depos. Thetbaldi abbatis.»*) Bert^ regin^.**)
IV Id. Mart. Ob. Hugo abbas.
XVU Kl. Apr. Berlo episcopus.*«)
XV Kl. Apr. Ob. Anselmus episcopus. Wamerius abbas.
XIV Kl. Apr. Ob, Amadeus abbas. J')
XII Kl. Apr. Dep. domni Widonis archiepiscopi.**) Bernardi
abbatis et episcopi.)'"
XI Kl Apr. Ob. Garsias abbas.'^") Vitalis abbas.
VII Kl. Apr. Ob. Sanctius episcopus.^^ Folgemus abbas.
VI Kl. Apr. Ob. Arnnlfus abbas.
V Kl. Apr. Rodulfus abbas 8. Vit[oni].*20
III Kl. Apr. Ob. Hugo abbas.
Kl. Apr. Ob. Girbaldus abbas.^»)
III Non. Apr. Ob. Ebrardus abbas.^*)
VI Id. Apr. Ob. Eracleus episcopus.^^)
IV Id. Apr. Ob. Anselmus episcopus.^«)
III Id. Apr. Dep. domni Fulberti episcopi.*')
XV Kl. Mai. Ob. Stephanus episcopus.^^) Wido abbas.^»)
>) V. St. Salvator in Pavia? «) A. v. Cormery?
») B. V. M&con 996—1018. *) B. v. Chalon s. S. 944— c.949.
») von Chartres 1070—1075. «) von Mainz 1060—184.
^) von Arles 1030—1065. •) von St.- Julien in Tours?
") Am Rande eingetragen. Gemahlin Rudolfs III. von Burgund.
»«) von Vienne 927—949/50. ")'I- oder II von Gap.
") von Marmoutier? •«) von St.-Claude?
") 1. oder II. V. Cormery. ") Gemahlin Rudolfs U. v. Burgund.
>«) von Bellay 1134. ") v. Flavigny.
") v. Besan^on, nach 9S3.
") Abt V. Beaulieu, Bischof von Cahors. *») Abt von Oila.
*M Bischof V. Pompelona.
") An der Seite abgeschnitten. R. starb 1099; vgl. Necrol. S. Vitoni
im N. Arch. XV, p. 127.
») Abt V. Savigny (gest. c. 1121) ? oder St. Ghristina am Oglio? vgl.
oben S. 347. ") Xl. v. St Julien in Tours?
») V. Tarbes? 1056—1064. "•) v. Aosta? c. 990 bis c. 1025.
^) V. Chartres 1007—1029. ») v. Clermont.
«•) V. Cormery?, Jsle-Barbre?
385
VI Kl. Mai. Ob. Geraldus abbas.»)
X Kl. Mai. Ob. Richardos abbas.
YU KL Mai. Ob. Stephanus abbas.
y Kl. Mai. Ob. Ganfredus archiepiscopus.'^)
IV Non. Mai. Ob. Herimannus episcopns Metensis.^)
Non. Mai. Ob. Bonizo abbas.^)
VIII Id. Mai. Dep. domni Dnranni abbatis et episcopi.^)
VI Id. Mai. Ob. Theotmarns abbas. Iterins abbas.«)
Xin Kl. Jun. Ob. Albertus abbas.')
X KI. Jon. Ob. Willelmas abbas.
VII KL Jan Ob. Andreas episcopus.
VI Kl. Jan. Ob. Oddo abbas. Hugo abbas.»)
V Kl. Jun. Ob. Lanfraneus archiepiscopus.») . . . Remigius epis-
copus. i")
IV Kl. Jun. Ob. Achardus episcopus. ^^ Amaldus abbas.
II Kl. Jun. Heinricus episcopus Leodiensis.^^)
Non. Jun. Obiit Aymo episcopus.'*)
XVI Kl. JuL Ob. Petrus episcopus.**) Berengarius episcopus.»^)
XI KL JuL Ob. Adam abbas. ^
X KL JuL Ob. Burchardus archiepiscopus.^«)
V KL JuL Ob. Fridericus abbas. i")
II Kl. JuL Geraldus episcopus Laus.'»)
U Non. JuL Ob. Herbaldus episcopus.'^)
VIII Id. JuL Ob. Gauzlenus episcopus. 2®)
III Id. JuL Ob. Aldebaldus abbas.^») . . . Heinricus imperator
primus.^2)
XIV Kl. Aug. Dep. domni Bemonis abbatis. Bovonis abbatis.
VIU KL Aug. Dep. domni Nicholai pape 11.23)
VII KL Aug. Leotulfus episcopus.^*) RodL^s) dux.
VI Kl. Aug. Hugo archiepiscopus.26)
V Kl. Aug. Victor papa.*?)
IV Kl. Aug. Ob. domnus Urbanus papa.^») Walterius episcopus.
») V. Aurillac? «) V. Lyon, 1054—1069. ») Am Rande; gest. 1090.
«) V. St. Severus in Classe? *) v. Chalon s. S. c. 940.
•) I. V. Savigny, gest. 1044. ') v. Marmoutier, gest. 1064.
•) V. St. Martialis. ») v. Canterbury, 1070—1089.
w) V. Avignon? c. 907. ") v. Chalon s. S. 1059—1070.
") 1076--1091. Am Rande.
") V. Belley? 1032—1044; L v. Sitten? 932—944; v. Valence? c. 960
bis 980.
^*) Bischöfe dieses Namens finden sich mehrfach in südfranzüsischen
DiOcesen, Cavaillon, Fr^jus, Sisteron. Vaison.
'*) Dieser Name ebenfalls mehrfach in B^ziers, Fr^jus, Perpignan.
»•) IL V. Lyon, 979— 103;l ") v. Marmoutier? "p) 1107—1129.
") Wohl von Uz^s, 994—1026. ««) von Macon, gest. 1032.
*i) Ist wohl identisch mit dem Bearbeiter der Biographie des Majolus.
") Heinrich IL, gest 1024 (A. R.) ^^) gest. 1061.
") V. Augsburg 988-996. ") So Hs.; Rodlandus?
*») I. V. Besan^on, 1033—1066. ") II, gest. 1057. ««) II, gest. 1099.
8»ekar, ClaniaceDier. I. 25
386
II Kl. Aug. Petrus episcopus.
VI II Id. Aug. Dcp. domni Goderanni abbatis et episcopi.*)
V Id. Aug. Dep. domni Viviani abbatis.^)
XU Kl. Sept. Ob. Ileinricus episcopus. Burchardns episcopus. 3)
IX Kl. Sept. Landricus episcopus Matisconensis.^)
VI Kl. Sept. Odalncus episcopus Constanti[ensis] 6)
Non. Sept Ob. Ecemannus abbas.<^)
XV Kl. Okt. Ob. Chönradns episcopus.^)
VIII Kl. Oct. Ob. Girardus episcopus.^)
III Kl. Oct. Ob. Walterius episcopus.
II Non. Oct. Dep. domni Ueymardi abbatis.^*)
IV Id. Oct. Ob. Iterius abbas.^o) . . . Kaimbaldus episcopus.**)
XII Kl. Nov. Ob. Gauslenus abbas.i^)
VI Kl. Nov. Ob. Willelmus episcopus. *')
IV Non. Nov. Ob. Bernardus episcopus.**)
II Non. Nov. Ob. Suppo abbas.^^)
VI Id. Nov. Ob. Paternus abbas.*®)
II Id. Nov. Dep. domni Abbonis abbatis.*')
XVI Kl. Dec. Ob. Gothefredus abbas.*»)
V Kl. Dec. Ob. Geraldus episcopus.**)
Kl. Dec. Ob. Leotardus archiepiscopus.-®)
VIII Id. Dec. Dep. domni Geraldi cardinalis.
VII Id. Dec. Otto imperator.21)
XVIII Kl. Jan. Agnes imperatrix.22)
XVI Kl. Jan. Adeleida imperatrix.23)
XV Kl. Jan. Ob. Iterius archiepiscopus.^*)
VIII Kl. Jan. Ob. Stephanus episcopus.**) . . . Hurchardns epis-
copus. . . . Domnus Petrus abbas Cluniacensis.^^)
») V. Saintes, 1068—1078.
«) V. St-Denis. «) v. Worms, lüOo— 1025.
*) 1074—1096.
») Abgeschnitten; 1110—1127. •) v. Selz, vgl. oben S. 313.
T) V. Genf? c. 1025. *) v. Angoulöme, v. Gabors?
») V. Cluni. »°) I. od. II. v. St-Andr6-le-Bas?
») V. Speyer, 946 -950. ») v. Fleury, gest. 1026.
") V. Belley? v. Carpentras?
^*) Bischöfo dieses Namens öfter in B6ziers, Gabors, Dig^e, Lodeve,
Toulouse.
") V. F^camp.
Juan in Spanien, gest. zwischen 1063 und 1077.
") V. F^
") V. S.
") von Fleury; gest. 1004.
^^) V. S. Ambrogio in Malland.
»») V. AngoulÖme? *<>) v. Besannen, c. 990—994.
»») A. R., Otto II, gest. 983. «) Gemahlin Heinrichs III.
w) Gemahlin Ottos 1. **) v. Arles, 963 bis c. 978/79.
^) V. Olermont? — Das folgende am Rande.
«») Gest. 1157.
387
Fünfte Beilage.
Aus dem Cartular von Paray-le-Monial.
Die Coli. Moreau der Bibl. nat. enthält Bd. XI, p. 99 ff. eine
Abschrift des nnr fragmentarisch erhaltenen Cartulaire du prietire
des Benedictins de Parey, Ordre de Clnny, vom Jahre 1783. Nach
einer Angabe Lamberts de Barive ist das Original auf Pergament
in 40 auf 114 Blättern geschrieben. Bezüglich des Zustandes der
Handschrift lasse ich die französischen Worte des Copisten folgen:
Quoique les 1^' fenillets soient lac^r^ et empörtes en grande
partie, on a cm devoir donner ce qni en reste ä raison de ce qu'on
y tronve des dates et des faites qui ont pai*n meriter d'etre connus.
II ne paroit pas par le catalogne des chartes imprim^es qne ce qni
va snivre ait 6t6 donn^.
La P'^ page, dont il n' existe rien, contenoit nn prdambule oü
Tautear rendoit compte des motifs de son entreprise; on peut lire
ä la fin ce qni suit:
Litteramm notitiam qnoquo modo traditnm
in unius codicilli tenorem stndiose colligere, pront nostra valnit par-
vitas, non ut quidam vesani garrulo ore submnrmurant nos aliqna
dempsisse vel augmentasse, sed ob hoc potius, ut Incidins veritas de
cetero pateat.
Von dem folgenden gebe ich nur die chronikartigen Ans-
f&hningen über die Geschichte der Abtei wieder und zwar so, dass
ich Zeile för Zeile der Copie folge,*) obgleich diese im Anfang
offenbar die Vorlage nicht genau wiedergiebt. Einige leicht zu er-
reichende Ergänzungen habe ich in Klammem zugefügt. Das Car-
tular stammt, wie sich später aus cap. XIIII ergiebt, aus der Zeit
Bischof Haganos von Antun, also aus der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts und ist für die Geschichte der Grafen von Chalon s. S. nicht
ohne Wert, wie es auch bereits von den Verfassern der L'art de
vdrifier les dates benützt wurde. 2) Ausführlicher hat kürzlich
U. Chevalier, Paray-le-Monial, Lyon 189(3, darüber gehandelt, der
eine vollständige Ausgabe mit Heranziehung des sonstigen Materials
beabsichtigt.^)
Suit en titre et en lettres rouges^):
Incipit textus.
Igitur postquam per dispositionem Dei ante secula
prescientis omnia et, qui vocat ea que non sunt tanqnam
ea qne sunt, nobilissimus strenuissimusque Lambertus,
*) Die Ueberschriften sind im Original wie in der Copie z. T. am
Rande angegeben; ich habe sie überall mit Voranstellung der Zahlen in
die Mitte der Zeile gesetzt.
') L'art de v6r. les dates XI, 129.
') Seine Schrift konnte ich erst bei der Correctur benUtzeu.
*) Die Ueberschriften sind im Original stets rot.
26*
386
filins Rotberti vicecomitis, Ingeltiiide matre ortns, obtinnit
comitatum Oabilonensem primns, assentante rege primoribns-
que Francie, cogitans erga se Dei cara beDefitia, acto collo-
f. l'. qnio cum su[is *et qaodam 8no conse [nsn]
eis Votum sui cordis effectum,
quod ipsi grati patrem laudatum Cluni [acen-
sem] .... plum eique declaravit snum [desiderium]
. . . certo ad se properaret . . eius audiens libenter
aeeepit . . . a]tque libenter occurrerunt sibi et simul
non sedebat animis qnalitas
venien]te8 vero supra coUiculum qui . .
orbes providus pater huc illucque
ob] vius subiacentem vallem rubis . .
dumojsam queque Aurea vallis hae ex oc
ido] neus pater Maiolus videtur in ... .
es. Hie profecto locus atque ibi . . .
aratns. Nempe siquis calumpniam
congrua. Nee ulti'a vir sapiens
adeo coUatum in dies prorsus . . .
celerius ducat effectum. Assensit ergo comes
et advocatis suis ministris que ininnxit eis [fecerunt
omnia, ut volebat, erogatis pecunie aliarnmque [rerum
maximam quantitatem. Alacriter ergo incepta est [con-
struc]tio monasterii in valle illa dumosa in nomine Domini
anno ab incarnatione Domini nongentesimo *) LXX™** III®***
et, ut certius crederetur, Deo esse placitum, magnum
calcis lapidumque subplementnm repertum esse ibi
defossum'^), eatenus vicinis incognitum, quod plenius
provexit opus ad cumulum. Ne ergo generent verba
fastidium, pluriora sunt brevienda et ad lucem deducenda.
Deo volente bonorum auctore operis peifectio contollebatur^)
paulatimque die in diem augmentabatur, ita ut in
septimo anno tres invitati antistites cum ingenti
clericorum monachorum laicorumque [sexus]
utriusque numerosa plebe ipso domno comite magnifice*)
f. 2. omnia provident[e
honestate, in sancti Salvatoris
ac sancti Johannis babtiste omnium
comes ampla dona obtu [lit
larga munera dedit, mag
amplum contulit ex suis
dotalitium. Sed antequam ea ta
. . . larum diversarum scriptaque
unus adnotanda sunt
*) 'nogentesiuio' hs. ') defosse lis ; cf. Chevalier p. S, n. 8.
') attollebatur Chev. *) magDifico /w.
389
minns utiles brevientur
nomina eorum terrarumqne sitiis testi
vel si qna sunt commoda describantur, cetera oen ....
Caput II. Que et qnante contnlit in sacratione
hnins ecclesie.
Acta est hec consecratio anno ab incarnatione [Domini]
DCCCCLXXVII cum magna gloria. Ipsa vero die
ob[talit] domnns Lambertus comes magnificns vel mnnificns
xenia *) mnlta, ornamenta [qne] quamplnra in diversis speciebns.
Praeterea hec ampla terrarnm spatia multis in locis coniacentia
aecclesiam sancte Mane dictam ad capellam omniaque ad se
pertinentia terris ntriasqne sexus mancipiis. Actnm ad inqui-
rendnm aecclesiam sancti Martini in villa Tolon sitam
n. s. w. folgt die Anfz&hlnng der Schenkungen Lamberts.
. . . . His aliisqne multis a karissimo Lamberto hnins f. 2'.
loci post Dominum fundatore concessis, quia non quennt omnia
fari, corde mesto venimus ad ßnem qna migravit a seculo.
Cap. III. Quod longius a propriis obiit suumque
corpus huc deferri iussit.
Anno ab incarnatione Domini DCCCCLXXXVIII 2),
quia non est in hominis potestate eins vita, decessit de mundo
isdem egregins comes octavo Ealendas Marcii suisque ante
suum obitum testificavit, ut quia longe discesserant a propriis,
tumulatio eins corporis nonalibi, sedpotias esset in loco aseconstructo.
Nos ergo his premissis ut ad cepta redeamus, tam pro iam dictis,
quam etiam pro subsecuturis, ea que videntur innectamus.
Sit elemosinis his assensum prebentibus gratia, pax et misericor-
dia a Deo patre et domino Jesu Christo, Spiritu quoque sancto
prosperitas, salnbritas et vite utriusque felicitas. Violatori vero,
desertori, raptori, profanatori verorum Christi servorum hoc in
loco commanentium anathema, maledictio, dampnatio, pars
cum Dathan, Chore et Abiron, societas cum Pilato et Juda et
Caipha et cum Judeis, qui dixerunt domino Deo: Recede a nobis,
nisi resipuerit et satisfecent, denasque libras auri coactus
exsolvat iudicii. Amen.
[Cap. Uli] Quod post eins ßnem in eins loco surrexit
filius eins llugo.^)
Es folgt im Original f. 3 eine fragmentarische Schenkungs-
urkunde. Von der Ueberschrift des Cap. V. ist nur noch zu lesen :
*) quia li8.
*) in einer Schlussnote auf fol. 104 wird bemerkt, dass hier eine X
iel ii
zu viel ist. Vgl. L'art de verifier los dates XI, 129.
') L'art de v6r. etc. p. 181.
390
Quam largus hunc lo Das Capitel
enthält wiederum eine Anfzählnng von Schenkungen.
Cap. sextnm. Quod post eins decessum^ surrexit
in loco eins domnns Theobaldns, nepos eins, comes
Cabilonensis.2)
f. 4. Igitnr qnia omnes morimur et sici
multa alia hnic loco concessa
et episcopo elabente eo atqne di
domnns Tedbaldns nepos eins vi
sejcnlaribns valde obtimns. Qui qnan[tnm
ab antecessoribus suis fundatum
multis eins profectibus ntilitatique consulunt .... mul]
ta terraiTim dona concessit, tam prin
cessoribus agnoverat loco dedicata
te corroboravit et stabilivit. Unde
nt si qnis ex illis ßdelibns benefitium
pro anima sna voluerit dare, firmnm id ha]
beatnr, et item et si quislibet
rem snmpserit vel in terram sancti invase]
rit, inmunis et liber ab omni ca
tis perpetuo maneat, inter misera
Lambertus comea linic loco contulit
qui est situs in pago Cabilonensi ins
det, in villa Biciaco cnm Omnibus suis ap[ertinentibus et man]
sum unum in comitatu Cabilonensi in agi*o
liacensi. Terminat supradicta vinea de uno latere et uno fronte
teiTa sancti Nazarii, de alio terra Dodolini, de alio terra sancti
Ferioli.
[Cap. VIL] Carta Rodberti vicecomitis.
Rodbertus igitnr vicecomes Cabilonensis, frater domni Lambert!
comitis, vir in litteris obtulit quendam mansum in vallis
dictum u. s. w.
f. 4'. [Cap. Vm.] Quod Tolose obiit.
prefatus comes domnns Teudbaldus
anie detentus infirmitat«
litare et convocatis suis famulis
conscribi fecit testamentum
minem Hngonem puerum rerum suarum
ut heredem. Inter hec monuit suos
. . ..... superno nomine, ut corpus eins deferrent
in loco a maioribus suis constructo, denominavitque ex
suis rebus loco concedenda, videlicet sellam argenteam,
candelabra argentea, sciphos quatuor argenteos et quedam
») 1039, Nov. 4. «) L'art p. 133.
391
alia, et qua potnit auctoritate, anathematizando interdixit
filinm ac post hec successores, ut omnes pernitiosas noxias-
qne consuetudines, qaas sni ministri et apparitores in tota
terra in ten*a sancti percipiebant, vel exigebant, ultra
nunquam perciperent; privilegia vero et dona, que ipse vel
sui parentes loco concesserant, rata et inconvulsa perpetuo
fideliter servaret Testes liuius rationis fuemnt Girardus
de Busol. Wilelmus de Monthcrmente. Dalmatius Centarben.
Bernardus Bers. Qui etiam corpus eiusdem comitis cum
multo labore ad tumulandum deportavemnt in loco iam dicto
Paredo.
Cap. Villi. Qnod in eins locum infans filius eius
Hugo successit.*)
Domno comite Teudobald[o fili] f. 5.
US eius Hugo surrexit pati
er bene roboratus suorum ag
strenue, locumque hunc multo
Egressns metas infantie sancti Jabob[i sepulcrum ....
invisere in ipsa nempe via praeven[tus
morte, quedamque delegavit dari hnic loco pro sue salute
anime, que successores recusavere
Cap. X. Nomina et utilitas quorundam prepositorum
huius loci partim notata.
Genannt werden: Andraldus^), Gunterius, Segualdus, Girbertus.
Nach ihnen: domnus Hugo, hoc tempore moderno.^)
Cap. XI. De domnis abbatibus Cluniacensibus, qui hunc
locum provexerant.
nomijnandi sunt venerandi patres f. 5'.
abjbates. Sanctus pater Maiolus huius
ce[nobii primus abbas. Ipjsius enim salubri consilio statu
tu[s mon]asticus ordo a comite Lamberto.
Dehinc [succepsit p]ater Odilo, cui isdem locus concessus
post apostolum . . . ftierat concessus a domno Hugone comite
et episcopo, qnique ornamentis auxit locum et terris. Cui
successit amantissimus pater Hugo, dignus actione et merito,
qui prelibatum locum ampliavit terris et ornamentis semper-
que assensit multis commodis.
Cap. XUI. De presulibus Ednensibus, qui hunc locum ad-
creverunt et de Bertranno vicecomite Arvernensi.
Der Rest des Cartulars ist für uns nicht mehr von Belang.
») c. 1065.
') Dieser begegnet z. Z. Odilos und Hugos in einer Urkunde der
CoU. Moreau XVlfl, 164.
') Aus c. 14 folgt, dass dieser z. Z. Bischof Haganos lebte.
392
Sechste Beilage.
Tranölatio beati Martialis de Monte Gaudio.
(Cod. Paris, lat. nr. 810, saec. XIV.)
f. 100'. In translatione beati Marcialis de Monte Gaudio.
Leetio prima« Anno i^tur ab incarnatione Domini nongen-
tesinio nonagesimo quai*to indictione septima indignatns est fnror
Doraini super istius provincie incolas et vehementer excrevit; ac non
sine iusto iudicio exigentibus culpis eorum vindietam sue ulcionis
super eos ingessit. Que nimirum nlcio divina quam populum,
([uem invaserat, trueidabat acerbe, et plnrimi nostrates, qui evasere
nutu Dei, potuenint referre, et nonnulli ex nostris, qui supersunt^
certum est, lacrimosis obtutibus conspexisse. Ardebat etenim, heu,
pro dolor! subcutaneus ignis et pene usqne ad necem inextin-
guibilis; et pedibus manibusve maius incendium tolerans quanto
acrius paciebatur incommodum, tanto devotius iuxta vires celeriter
accurrens') Christi famuli Marcialis salvificum^) expectabat ad-
miniculum.
Lectio II« Jacebat eqnidem ante fores templi ipsius vel per
atria gi'aviter estnantis popnli et sine flamma fumum emittentis fessa
caterva; ac tantus angebatur cotidie infirmancium numerus, quatinus
ad sanctissimum Martialem nimis ai*tato tramite difficilis haberetur
ingressus. Non solum enim que vicina erant ecclesie nostre loca
replebant infirmi, ubi per alta suspiria sedulis gemitibus eiulabant
cum fetore hon'ibili, sed eciam secus semitas^) civitatis et sub gra-
dibus domorum, in grabbatis et vilissimis tuguriis tanta manebat cohors
fol. 101. invalida per cunctaque passim Lemovicina spacia, ut illius psal-
miste posset^) reminisci cum dolore et mesticia*"»): „Foties eos, ut
dibanum ignis in tempore fiiroris tili; dominus in ira siia
rt conturhahit eos et dcrorahit eos ignis^. Et ut con-
fidcntius in Christo confidentes non condecet hesitare, nolens eos
Deus fnictu sue frustrai'i clemencie tanquam aurum in fornace pro-
batos nostro suoque patrono ducente ad patriam letos redduxit
felicitatis eteme.
Lectio III. Cum enim pene tota . civitas vel pagus prefate
persequcionis tedio quateretur et solita leticia in planctus mestitu-
dinem verteretur, ceperunt nostri maiores natu ac divino sanctiores
in opere salubri meditatione rimare, qua deliberacione sanioris con-
silii tarn adurens incendium ab obsessa plebicula potuisset extingui.
Quid videlicet, quod erat dignius, consulentes concurrunt pariter ad
omnipotentis Christi veniale solacium eiusque discipuli Marcialis
fidele patrocinium, poscentes, ut suo levamine rogus inextingnibilis
extinguibilis redderetur et debilium turma optate sospitatis medita-
') aceureus /w. *) salvinificuiQ hs.
*) semictas /w. *) posse hs. >) Ps. 20, 10.
393
i ne fuloiretiir. Huiiismodi siquidem gratia venerabilis Hilduinus,
qni tunc Lemovicensi sedi idoneus preerat episcopus ac admodnm
commodns procurator suscepti regiminis, cum ceteris probis patribus
et excellencioribns viris tale dedit decretam profntnri invaminis.
Qui videlicet missa legacione in Oalliam per cunctaque climata
Aqnitanle gi*atis ad nostri presenciam sacratissimi pastoris consilium
popoßcit agi'egari peringens in hac civitate Lemovica: nt profecto*)
per qnem provincias credendi habnernnt in Christo, illius in ad-
versis tutissimo potirentur solacio et tanqnam ab proprio patrono
pax et exnltatio impetraretur a Christo et in rebns titnbantibus in-
vincibilis fortitndo.
Lectio IUI. Negocio quippe legacionis peracto iustis peticio"
nibns invitati prompte parentes consilium celebratur ad hanc urbem«
Convenere gaudentes* meti-opolitanus scilicet noster^) suique coepis- tlOl'
copi suflfragatores optimi clericorum honesto secum comitante collegio
huiusmodi interesse studuerunt prefato consilio. Nee defiuit aliorum
pontificum societas admirabilis, qni a vicinis civitatibus vel etiam a
longinquis illostrium virorum ad id properantes vasto cum agmine
in rebus necessariis solidum potuissent consultum efficaciter exibere.
Comes iternm Pictavensis ^), qui tamen adhnc invenis super Aqnitaniam
primatnm tenebat honoris cum subditis comitibus, civibus et obti-
matibus sui regiminis ibidem presens adesse procuravit; cum hono-
riücencia magni honoris Tholosane*) siquidem ac Burdegale ingenui
dnces urbinm, ex eorumve imperio primates nobilissimi quique
nobilium nichilominns ad hec leti prebuerunt accessum. Tantaqne
denuo a circumadiacentibus horis utriusque sexus conflnxit copia
populorum, ut revera intra civitatem et extra per girum vix aut
nnllatenns repperiretnr vel exiguum spacium, ubi non inveniretur
condensa hospitacio hominum. Interea collecta, uti praediximus, tanta
fidelium ad consilium turma, quanta fnerint^) cum summo gaudio ad-
vecta ab ortodoxis almiiiua sanctorum corpora, enucleacius potuenint
exprimere qui eorum patrociniis fulti de merore in gaudinm meiiie-
mnt transire.
Lectio Quinta* Post igitur adscitis singillatim et in secreto
et in divino dogmate peritissimis patribus postulatur a Christo salu-
tare consilium et indicitur plebi triduanum ieinnium, quo conciliatns
ipse petentibus conferret optabile supplementum. Cumulantur altaria
libaminum sacramentis; totns insistit populus orationibns sanctis, ut
pius Dominus sno intersit arbitrio snppliciter exoratus, eiusque, cliens
Marcialis beatus, ut subveniat, deprecatus. Unde ex divina dispen-
satione expedito diligenter consilio ratum est divinitus, ut denomi-
nati pas^toris sacratissimum corpus a proprio elevaretur tumulo et f. io2
0 Es folgte: namque; vom Rnbricator ausgestrichen.
*) Dagobert von Bourges.
*) Wilhelm V. von Aquitanien.
*) Wilhelm Taillefer. ») fuit Äs.
394
quasi vicinior ex eo sortiretur obtentus orandiqne facilior tribneretur
accessns. Qnocirca Christo, credimus, non absente, elevato ipsiiis
sanctissimo corpore, non, qnanta decnit, sed, quanta potnit dignitate
evectum est a spiritalibus senioribus melioris memorie extra menia
civitatis band longe, in cuiusdam enim eminencioris apice cacuminis,
quod ob reverenciam tanti patris per tndiinm ibi permanentis per-
que inmanitatem signorum, que ibidem quamplurima*) snnt patrata
per eiim, ab hoc*) dierum tempore vulgo nnncnpatnr Mons gaudii.
Ibi etiam extnnc solerti indnstria est fundata basilica in honore
ipsius fideliter dedicata, que usque hodie a transeuntibus 3) cemitur
manifesta.
Lectio VI. Noctim in exitu ipsius sacri coi-poris a sancti
Salvatoris basilica tanta sunt celitus, ut fertur, ostensa magnalia,
qnatinus queque erant secus altare dominicum vel supra divini
misterii exennti patrono supplicandi blandissima prebuerunt incli-
nando servicia. Quodsi quis voluerit solummodo hec et alia vir-
tutum prodigia, que tunc ab eo sunt gesta, plenius recensere, qui
eorum fuerunt capaces, recepta plenius sospitate, evidenter poternnt
promulgare: nos autem in fide ipsius, nt putamus, quod eciam verius,
credimus, quia fastidium legentibus infen*ent, si per singula paginis
diligenter adscripta fuissent. Sed, ut eciam breviter exponatur,
omnes, qui eum expetunt^) quinqne sensuum corporis privati officio,
dum invigilant precibus pastori piissimo, extimplo integre ditantur
sanitatis commercio. Id vero genus hominum, qnos, ut supra retuli-
mus, ignis actrociter cremabat vaporis infesti, tantam per eumdem
gratiam refrigerii sunt adepti, ut sopito prorsus incendio nullo
cohartarentur incommodo, sospites effectL Veruraptaraen, ut credi-
mus, aliorum presencia sancta sanctorum bis patrandis virtutibus
f. 102' opitulandi contulit* incrementum; qui videlicet in circuitu nostri
pastoris eximii in papilionibns insegniter hospitati, clari^) iubare
renitebant virtutum ac cboruscantis triumphi. Vos quoque, visus
acie audituque aut ratione privati, claudi gressnum debilitate curvati,
ac diversis egritudinibus fessi, confidenter fuistis adepti, quanti capaces
existunt meriti, videlicet hie pater eximius ac<^) huiusmodi sancti, dum
pristina sanitate his patrocinantibus meruistis potiri.
Lectio VIL Preterea pontificali collegio consilium rite pera-
gente et sermonem ad populum mistice proferente ecclesiastice sanc-
tiones iure disponuntur, queque fiebant adversa, federe solidantur,
dissidentes') ad concordiam revocantur, et cunctis tripudium ineffabile
pulsis doloribus exibetur. Fulcitur civitas hec tanto referta pastore,
rerum habundanciam ubertate tellus ultra, quam fecerat, maiori fer-
tilitate redividat: et populus cunctns per sanctissimum Marcialem a
pio magistro suo Jesu Christo utpote celitus visitatus, cunctis ab
^) quem plurima hs. >) hec hs.
3) transseuntibus hs, *) expectunt hs.
^) ciarii hs, ^) hac hs, '') dissidantes hs.
395
adversitatibns*) est immnnis et in fide ulterius bene vivendi admodnm
roboratns. Nee mirnm, qnandoqnidem non poterat hie deesse
summe pietatis divina elemencia, ubi tot manebant cum pastore pre-
dicto Banctorum presencium pignora preciosa. Cum igitnr congruus
videretur finis dari coneilio, sumpto sanctorum sanctissimo thesauro
indicibili dignitate in iubilo, ante Christi apostolum cuncti prope-
rant obseerando. Ibiqne fnsis oraeionibns humiliter saplicando vota
cuncta^) muneribus persolventes condignam sibi honorificenciam prepa-
rant exibentes. Exinde alterna supplicandi vicissitndine sanctis ad
invicem salntatis, pontificum benedictione cuncti sascepta, simul eciam
a suo priori pastore impetrata licencia, cum triumpho inenarrabili
rediemnt in sua.
Lectio Till. Ex huiuscemodi quippe equa traditione con- f- 103.
cilii tertio Idus Novembris in hac civitate, ut supra meminimus,
competenter sanciti in aliis etiam civitatibus, quo fama non latnit,
statuendi concilia mos inolevit, quorum pervigili procnrationo Status
ecclesie solide coloratus, adhuc favente Domino permanet inconvnl-
8U8. Qnis enim tantum honoris, tam miram excellentiam dignitatis
poterit opinari, quantum Salvator dominus magister suus suo fideli
discipulo prestitit exhiberi. Anterius namque, nee postea simul in
unum apud nos est visa tam virorum decencium innummerabilis
turba diversorumque densitas populorum, qui suo primo venere
pastori debitum reddere famulatum. Sed tamen non deest assiduns
famulancium sibi grex copiosus, qui pro cunctis, que promereri
desiderat, quasi auxilium misericordie recurrens, frequenciam ora-
tionis ingeminat. De cetero reliquis recedentibus per aliquot dies
meritis prestantiores remansere; qui sacratissimum corpus sancti
digno tractantes obsequio meruissent defferre. Unde suscepta sanc-
tissima gleba eins decenti vehiculo cum omni nostre ornatu ecclesie —
episcopi cum clero soUempniter obviam recinendo, reguläres Domini
cum monachili choro — defertur ad loculum pristine tumulacionis,
comitantibus undique multimoda cum processione civilibus turmis et
que advenisse quiverant ex plebeis. Ad quem videlicet locum sie
decenter multumve decentius, quam fari non possumus, advenientes
tantoque cum thesauro studiose ingredientes, data primum oracione
ant« altare Salvatoris domini, cum iubilo reposuerunt illum beni-
gnissimi patres in cariori, quam prius, honeste mausoleo. In quo
quidem operimento sie tegitur quam venusto, ut intereuntibus multa
Sit admiracio, dum suis aspectibus emicant nitidissimo preciosi lapi-
des intecti cum auro. Nobis autem, qui dulcissimo tanti patris
frequenter presidio refovemur, dum in conspectum * ipsius oraturi in- f. 103'
gredimur, tanta confestim alacritate replemur^) tantusque orandi
affectus^) augmentatur, ut nullus locus tam nobis carior vel delecta-
bilis habeatur, quam hie, in quo nostrum decus nostraque dyadema
tam honorificentissime retinetur. Ibi sacrate domumcule mirabilis
*) aversitatibus hs, •) cura? hs. ^) replentur hs. *) afectus ä«.
396
piilcritndo in precibus prolixitatem exposcit ; ibi meroris anxii 0 nubi-
lum alacritas infusa desiiper eminus depellit; ibi reaticum nexiis
miseratio propiciatrix dissolvit, et a tanto ministro pietatis recom-
pensatur ibi bravinm gemine salutis, snperni tarnen largiente gracia
Redemptoris. Qni bonorum omnium pius largitor sie utinam flagi-
tetur a nobis, ut subveniat suffragator detque a suo felicissimo 2) cor-
poraliter alnmpno Marciali insigni nos, quos alit assidue, se
opitulante iuvari. Quatinus quibus divine legis primus extitit eru-
ditor, ad snperna polorum efficacissimns etiam fiat ductor et ab ipso
Christo domino ascisci per eum mereamur in gloria sanctorum, ac
eins participes gloriari cnm ipsis per cuncta secula secalomm. Amen.
^) ancxü hs. *) felississimo hs.
* %t«"~'
1
Berichtigungen und Nachträge.
8. 53 n. 3. Vergl. auch Petri Damiani opnsc. XXXIII, c. 7, Opp.
III, 583.
8 58 n. 6. Vgl. De nnitate ecclesiae conservanda ed. Schwenken-
becher p. 139 f.
8. 71. Die in Note 2 angezogene Urkunde Gregors IV. (Arch. bist,
de la Gironde V, 159) ist unecht. Vgl. 8. 272 n. 2.
8. 80 n. 3. lieber die Reform von Sarlat vgl. Marmier, Le chartrier
du monast^re de 8arlat in Societc bist, et arcbeol. du Perigord,
Bull. XI (1884), p. 450 ff.
8. 83 n. 3. Hinzuzufügen: Miracula 8. Wulframmi c. 3, d'Achery,
8pic. II, 285.
8. 192. 193. Der Beweisführung Lot's, Une cbarte fausse d'Adalb^ron,
arcbeveque de Reims, in der Bibl. de l'^cole des chartes LII
(Paris 1891), 31 ff., dass Adalbero Weibnachten 971 nach
Rom gegangen sei und das Concil von Mont-Notre-Dame im
Mai 972 stattgefunden habe, kann Ich nicht beistimmen. Wenn
er letzteres daraus schliesst, dass die Papsturkunden, die auf
dem Concil verlesen wurden, v. 23 und 24. April 972 datiert
sind und die Hist. Mosom. die 8ynode in das auf die Refoim
von Mouzon (Nov. 971) folgende Jahr setzt, so kann man
eben mit Rücksicht auf die Thatsache, dass die Ende April
ausgestellten Urkunden schwerlich im Mai bereits der 8ynode
vorgelegen haben können, und aus der bestimmten Angabe
des sogen. Decretum Adalb., dass die Rirchenversammlung
973 stattgefunden habe, eher am Jahre 973 festhalten. Die
Differenzen zwischen Richer und der Hist. Mosom. wird man,
falls man bei der letzteren überhaupt in chronolog. Hinsicht
Exactheit veraussetzen darf, eher so ausgleichen dürfen, dass
971 natali domini celebrato Boten Adalberos nach Rom
gingen, welche die Bullen, die im April 972 ausgestellt
wurden, veranlassten, und dass der Erzbischof erst im Dec.
972 nach Rom reiste, um sie zu holen resp. neue Privile-
gierungen, etwa in dem 8inne, wie das von Richer erwähnte,
aber nicht erhaltene Diplom andeutet, zu fordern.
398
S. 209 n. 3. Eine Episode aus der gemeinschaftlichen AmtsfÜhrnng
des Aymard und Majolns in Petri Dam. opnsc. XXXIII, c. 7,
Opp. m, 583.
8. 241 Z. 3 V. u. lies *988' statt *978' und 8. 242 Z. 10 v. o. sta'eiche
„von Anjou"; vgl. U. Chevalier, Paray-le-Monial et son
fondateur, Lyon 1890, p. 9 f.
S. 266 n. 4. Die älteren ürk. v. Vignory sind registi'iert bei J. d'Arbau-
mont, Gart, du prieure de Saint - fltienne de Viguory, Langres
1882, p, 170 ff.
Verzeichnis der wichtigeren Druckfehler.
S. 14 n. 1 lies: * Condom.' statt *Codom.\
S. 46 Z. 13 lies: 'Dialectik' statt 'Dialekt*.
S. 58 n. 6 lies: secxmdum statt secandnm.
S. 69 n. 3 lies: 'S. S. 68 n. 4' statt 'Note 3'.
8. 69 Z. 18 lies: 'sein' statt 'seiner'.
8. 80. 81 lies: Pdrigneux, L^zat.
S. 88 Z. 3 u. a. St. lies : St.-Benott-snr-Loire.
S. 95 Z. 6 V. u. lies: 'Pescara'.
S. 104 n. 1 lies: Ordinaiit
S. 115 n. 3 lies den Schlnss des Citats: mererentnr rieinari.
S. 162 n. 1 Ues
S. 169 n. 4 lies
8. 169 n. 7 lies
S. 171 n. 2 lies
S. 205 n. 1 lies
8. 233 n. 1 lies
more statt mora.
audeat statt andeat.
casum statt carum.
consunimavit statt consummovit.
contatione.
'228' statt '281'.
S. 247 Z. 19 und S. 251 Z. 1 lies: 'St.-Manr-des-Fossds'.
S. 274 letzte Zeile lies: 'Rhetorik' statt 'Rethorik'.
8. 280 Z. 19 lies: 'Galater' statt 'Galather'.
8. 301 n. 4 u. ff. lies: 'Chevalier' statt 'Chevallier'.
8. 305 n. 1 Z. 6 lies: '993' statt '933'.
Druck von Ehrhardt Karraa in Halle a. S,
DIE CLUNIACENSER
IN IHRER
nBOHUOHEN UND ALLGEMEINGESOHIOHTLIOHEN
WIBESAHEEIT
BIS ZUR MITTE DES ELFTEN JAHRHUNDERTS
VON
ERNST SACKUR.
ZWEITER BAND.
HALLE A. S.
MAX NIEMEYSR.
1894.
Vorwort
Der vorliegende Band bedarf in noch höherem Grade als
der erste der Nachsieht der Leser: waren die Schwierigkeiten,
die für die Forschung und Darstellung zu überwinden waren,
doch ungleich grössere. Namentlich die Anordnung erfordert
ein Wort der Begründung. Da die allgemeine chronologische
Entwicklung den leitenden Faden abgeben musste, war von
vornherein geboten, diejenigen Abschnitte, die nur eine geo-
graphische oder sachliche Anordnung vertrugen, an geeigneten
Stellen in den chronologischen Zusammenhang einzuordnen.
Ich habe vielleicht nicht immer das Richtige getroffen; aber
überall war die Gruppierung des disparaten Stoffes das Be-
sultat sorgfältiger Ueberlegung. Es kam darauf an, zeitlich
Früheres früher zu erzählen und auf jeden Fall Wiederholungen
zu vermeiden. Dass ich über Litteratur, Kunst und Wirtschaft;
nur im Zusammenhange handeln konnte, wird jedem ein-
leuchten.
Meine Auffassung des Gluniacensertums und seiner Ein-
wirkung auf Deutschland weicht von der herrschenden ab.
Ich verstehe darunter im engeren Sinne die Mönche von
Cluni und lasse eine Begriffserweiterung nur bezüglich der
Personen und Fälle zu, wo die unmittelbare Beziehung zu
dem Stammkloster ausser Frage steht. Die Bedeutung Clunis
flir das Reich ist für unsere Zeit bedeutend überschätzt wor-
den: die Schuld daran trägt Gfrörer, dessen Vorstellungen
IV
durch Giesebrecht, so sehr dieser die UebertreibuDgen des
phantasiereiehen Geschichtschreibers anerkaDnte , allgemeine
Verbreitang fanden. Ich habe dabei Polemiken vermieden, da
es zwecklos ist, von prinzipiell verschiedenem Standpunkte ttber
Einzelheiten zu streiten. Die weitere Forschung wird zu ent-
scheiden haben, auf welcher Seite die richtigere Auffassung
vertreten wird. Ueber Abbo von Fleury bin ich im Gegensatz
zum ersten Bande zu einer etwas anderen Anschauung ge-
langt; man findet das Nähere noch unter den Nachträgen.
Die culturhistorischen Gapitel sollten mehr eine zusammen-
hängende Entwicklung als einzelne Thatsachen geben, weshalb
auf die Anführung gleichgültiger Daten, die ohnedies z.T. aus
dem Buche selbst zu ersehen sind, verzichtet wurde. Für
diese Abschnitte erbitte ich ganz besonders die Nachsicht der
Kenner: ich mochte auf ein eigenes Urteil in keinem Falle
verzichten, selbst auf die Gefahr hin, hier und da irre zu
gehen.
Die freundliche Aufnahme, die dem ersten Bande zu teil
wurde, gestattet mir zu sagen, dass ich zuerst von Herrn
Prof. Caro in Breslau zu einer Geschichte der cluniacensischen
Reformen angeregt wurde. Wertvolle Winke verdanke ich
Herrn Prof. Schäfer, jetzt in Tübingen, und die persönliche
Aussprache mit Herrn Prof. Bresslau in Strassburg gab mir,
seit ich hier lebe, jederzeit Gelegenheit, meine Auffassung zu
vertiefen und meine Kenntnisse zu bereichem.
Strassburg i. E., im October 1893.
£. Sackur.
Inhalt des zweiten Bandes.
Seite
Erstes Capitel. Die Glaniacenser und die National-
Parteien in Italien and Burgnnd.
(S. 1—24.)
1. Ardnin und die Grflndnng Ton Frnttnaria 1—16
I. Arduin und Wilhelm von Dijon 1. Gründung von Frut-
tnaria 3. — II. Odilo und Heinrich II. 6. Odilo in Pavia 7.
In Nenburg 8. 1014 in Italien 9. — UI. Aufstand der
Lombarden 1014 12. Eutwicklung von Fruttuaria 14.
2. Die Erhebung Burgnnds 16—24
I. Stellung Otto Wilhelms 17. Feldzug des Königs von
1003 und 1005 18. Feldzug von 1016 19.— II. Robert II.
1015 und 1016 vor Dijon und Sens 20.
Zweites Capitel. Die französischen Reformen
unter König Robert
(S. 24-71.)
1. Kirchliche Zustände 24—32
Besetzung der Bistümer 24. Simonie 25. Verarmung der
Kirchen 27. Zusammenleben mit Frauen 27. Auflehnung
der Laien 29. Absolutionsrecht des Papstes 29. Ketze-
reien 30. Der König 31. Sieg der geistlichen Demo-
cratie 32.
2. Die Klosterreformeu im elften Jahrhundert 32—71
Francien 32—36. St. Denis 32. St. Germain 33. St.
Faro 34. Touraine und Maine 34. — Herzogtum Bur-
gund 36—41. Otto Wilhelm und Cluni 36. St Salvator
in Vanx 36. Diöcese Autun: Mesvres 37. Flavigny 38.
Vezelay 38. Diöcese Chalon s.S.: St. Marcel 39. Paray-
le-Monial 40. Diöcese Nevers: St. Salvator 41. — Nor-
man die 41—54. Mainard von Gent: St. Wandrille 42.
Mont-St-||ichel 43. St. Ouen 44. Verhältnisse in F^camp
VI
SeiU
44. Richard III. und Wilhelm von Dijon 45. Bernai 47.
Mont-St.-Michel 48. St. Ouen 50. Jnmieges 50. Weitere
Entwicklung von F^camp 51. Richard vonStVannes in
der Normandie 53. Wilhelm II. und die Klöster 53. —
Bretagne 54—57. Schule von Fleury 55. Weitere Ent-
wicklung 56. — Auvergne 57—59. Souvigny und Sauxil-
langes 57. St. Gönes de Thiers 58. La Vodte-pr^s-Chil-
hac 58. — Aquitanien 59—71. Wilhelm V. 59. Seine
Stellung zur Kirche 60. Diöcese Limoges 62. Cahors 68.
Grafschaft Poitou: Maillezais 63. Burgeuil 64. Odilo und
Wilhelm V. 67. St. Cyprian 67. St. Jean d'Angely 68.
Molgone 69. Spätere Entwicklung 70.
Drittes Capitel. Die Cluniacenser im
Königreich Bnrgnnd.
(S. 72—83.)
Lyon und Vienne 72—77. Rudolf III. und Cluni 72.
Die Erzbischöfe von Lyon und Cluni 78. Savigny 74.
Taloire 75. St. Andr^ de Vienne 76. — Juraburgund
77—79. St Victor in Genf 77. Nantua und St. Claude 78.
Bevaix 79. — Savoyen und Provence 79—83. Malau-
c^ne 80. Le Bourget 80. Südliche Diöcesen 81. L^rins
81. Gap 81. Valensolle 82. Sarrians 88.
Viertes Capitel. Wachsende Bedeutung des
französischen Mönchtums.
(S. 84—100.)
1. Der römische Stuhl und der nordfrauEÖsische Episcopat 84—89
Stellung des Mönchtums 84. Fleury und Fulco von Or-
leans 85. Sergius IV. und Hugo von Tours 87. Gauz-
lin, Erzbischof von Bourges 88. Benedict VIII. 88. Ri-
chard IL von der Normandie und die Bischöfe 89.
2. (luni und die Opposition 89-100
Ansehen Odilos und Chinis 90. Opposition unter den
Mönchen 91. Bildung einer Congregation durch Odilo 91.
Satire Adalberos von Laon 94. Tendenz der Satire 97.
Fünftes Capitel Die Cluniacenser in Spanien.
(S. 101—113.)
Allgemeine Verhältnisse 101. Sancho der Alte von Na-
varra 102. Aragon 108^108. Patemus 104. S.Juan
de la Petifa 104. Verbreitung der Reform von S.Juan
aus 106. — Navarra 108—109. Leyre 108. Verbreitung
vn
Seite
der Reform von Leyre ans 108. — Castilien 109—113.
0«ia 109. Verbreitung der Reform von Of^a 110. Wei-
tere Entwicklang in Spanien 111.
Sechstes Capitel. Die Clnniaoeiiser
in Lothringen.
(S. 114— 164.)
J. Die oberlotliringischen Kirchen am Ende des zehnten
Jahrhunderts . .' 114—126
I. Politische Stellung der Bischöfe 114. Theoderich I.
von Metz 116. Verdun während der Minderjährigkeit
Ottos III. 117. — II. Materielle Lage der Bistümer 119.
Geistliche und äussere Verwaltung 120. Frömmigkeit
^ 121. Klostergründungen 122. Lage der Klöster 12S.
Begünstigung der Schottenmönche 124.
2. Die Schule Wilhelms von Dijon 126—138
Diöcese Metz 126—128. S. Arnulf 126. Gorze 127.—
Diöcese Toul 128—183. St. Evre 128.
8. Die Schule Richards von St. Vannes 133—154
Richard in Reims und St. Vannes 183—185. — Im
Bistum Cambrai 135—140. St. Vaast 136. - Leduin
von St. Vaast 140—144. Marchiennes 142. Haspres
143. — Eilbert von St. Thierri 144—186. Maroilles
144. St. Andr6 du Cateau 145. — Flandern 146—152.
Balduin IV. 146. StAmand 147. St. Peter 147. StBavo
I4J. St Bertin 149. Bergh St Winnoc 150. — Verdun
152—154. St Vannes 152. StMihiel 153. Vasloges 153.
Poppo wird Abt von Stablo 154.
Siebentes Capitel. Die Cluniacenser und die
Kaiser Heinrich und Konrad.
(S. 155—206.)
1. Ueinrich 11 155-183
I. Heinrich II. und Richard 155.. Heinrichs Klosterpoli-
tik 156. Heinrichs Reformmassregeln 158. Benedict VIH.
159. Streit Aribos mit der Curie 161. Synode von Se-
ligenstadt 161. Otto von Hammerstem 162. Stellung
der Cluniacenser zur Kirchenreform 165. — IL Friedens-
oinigungen in Burgund 165. Synode von Verdun (Cha-
Ion) 166. Synode von H^ry 167. Versammlung in Com-
piegne 168. Gerhard von Cambrai 170. — IIL Tod Hein-
richs IL und Benedicts VIII. 171. Johann XIX. und
Wilhelm von Dijon 172. — IV. Richard von St. Vannes
im LUtticher Sprengel 174. Lobbes 174. St Jacob 175.
VITI
Seite
St. Lorenz 1 75. Raginars Vorhalten in Lobbes, St. Lo-
renz, St. Trond 175. — V. Poppo in St. Vincenz von
Motz 177. Hohorst 179. St. Maximin 179. StEucharins
181. Busendorf 181. Echternach 181. Brauweiler 183.
2. Koiirad II 184—196
L Konrada Wahl und die Stellung der Lothringer 184.
Die Cluniacenser und die Ehe Konrada IL 188. — IL Sy-
node von Anse 1025 189. Gluni und die Bischöfe von
Mücon 190. Odilo im Frühjahr 1027 mit Konrad IL in
Korn 192. Odilo in Monte Cassino 195.
3. Itallonische Reformwirknngen 196—200
L Farfa 196. Casauria 198. La Cava 198. Novalese 200.
— II. Die Klostergründungen der lombardischen Mark-
grafen 203. S. Giusto 200. Caramagna 205. Gavour 206.
Corsica 206.
Achtes Gapitel. Frankreich nach dem
Tode Roberts II.
(S. 207—234.)
1. Robert und Wilhelm Yon Dijon 207—218
I. Krünung Hugos 1017 in Compiegne 207. Tod Hugos
208. Krönung Heinrichs 209. Aufstand der Sühne gegen
Robert U. 209. Tod Wilhelms von Dijon 210. — IL Wil-
helms Persönlichkeit 211. Tod Roberts 213.
2. Allgemeine Zeitstrdmnngen 213—234
Misstände und Friedens versammlungen 213—222.
Hungersnot 213. Friedenssynode in Limoges 217. Frie-
denseinigungen in Aquitanien 219. Fortpflanzung der
Friedens Versammlungen 220. Gerhard von Gambrai 222.
-- Erhöhte Sorge um das Seelenheil 223—234.
l. Prophezeiung des Weltuntergangs 223. Abbo 224.
Adso 224. Das Jahr 1000 226. — IL Das 1000. Jahr der
Passion 227. Gluniacensische Messen 228. Legenden
229. Einführung des Allerseelentages 231. — lU. WaU-
lalirten nach dem hl. Lande 231. Reise Richards von
•St Vannes 233.
Neuntes Capitel. Deutsch -französische
Beziehungen.
(S. 235—276.)
1. Odo von Champagne im Kampfe mit Heinrich I. und
Konrad U 235—244
Odo und Heinrich I. im Kampfe um Sens 235. Tod Ru-
dolfs III. von Burgund 236. Feldzug Kourads gegen
\
IX
SeUo
Bargund 236. Stellung Odilos dazu 237. Streit um das
Bistum Lyon 238. Bündnis Heinrichs I. und Konrads II.
239. Zweiter Angriff Konrads 242. Konrad II. und Hein-
rich III. 1038 in Burgund 242.
2. Yordiingen der popponischen Sohnle 244— 2G1
I. St Maximin 244. Limburg 244. Hersfeld 245. St.
Ghislain246. Weissenburg 247. Waulsort 248. St Gallen
249. Kkkehard IV. 252. — II. Regierungsantritt Hein-
richs in. 255. Heinrich 1040 in Stablo 256. Sigfried
von Gorze 257. Heirat mit Agnes von Poitou 261.
8. Die Clnniacenser unter Heinrich I.Ton Frankreioli . 261—270
L Heinrich L 261. Richard von St Vannes 262. St Peter
in Ch&lons s. M. 262. St Urban 263. Mouzon 263. Bre-
teuil 263. Homblieres 264. Mont-St.-Quentin 264. St.
Josse 264. St. Riquier 264. Richard und Odo IL von
Chartres 265. — IL Treuga Det 267. Kriege in Francien
270. Odilos Verdienste um den Gottesfrieden 272. —
III. Halinards Jugend 273. Halinard Erzbischof von Lyon
274. Halinard und Heinrich lil. 275.
Zehntes Capitel. Die Kirchenreform
Heinrichs III.
(S. 277-326.)
1. Die Reformpai-teien und der römische Stuhl .... 76—290
I. Benedict IX. 277. Italienische Zustände 278. Guido
von S. Maria di Pomposa 279. Petrus Damiani 279. Die
drei PÜpste 281. Gregor VI. 281. Der Process Wiggers
von Ravenna 284. Rümerzug Heinrichs IIL 286. —
IL Odilos Stellung zur Reform Heinrichs 286. Odilo in
Rom 288. Odilo und Clemens II. 289.
2. Tod Ricliards, Poppos und Odilos 290—302
I. Tod Richards 291. Seine Persönlichkeit 291. — II. Pop-
pos Character 293. Seine Wirksamkeit 294. Letzte Thä-
tigkeit 295. Tod und Beisetzung 296. — IIL Odilos
letzte Zeit und Tod 297. Seine Persönlichkeit 29S.
3. Der Sieg der Beform 302—326
Die Opposition gegen Heinrichs Kirchenpolitik
302—308. Erhebung Brunos von Toul 302. Einwände
Wazos von Lüttich und des sog. Anctor Gallicus 305. —
Papst Leo IX. 309>-32fi. Hildebrand 309. Bruno und
Hildebrand 311. Leo IX. und Clnni 312. Massregeln
Seite
Leos gegen die Simonie 319. Italienische Synoden 314.
Creirung von Cardinälen 315. Reimser Concil 816. Leo
im Elsass und Lothringen 822. Halinard von Lyon 323.
Halinards Tod 825. Schluss 325.
Elftes Capitel.
Schulen, Bibliotheken und Litteratur in den
Hanptcentren der Clnniacenserreform.
(S. 327-368.)
Cluni 828—345. Schulen und Bibliotheken 328. Die
classischen Dichter 330. Odo von Cluni 881. Littera-
rische Producte aus Tours 331. Die CoUationen 882.
Die Vita Geraldi 333. Predigten Odos 334. Musicalische
Schriften 335. V. Odonis des Johannes 337. Spätere
Bearbeitungen 337. Majolus 338. Die Biographieen des
Majolus 838. Die Miracula S. Maioli 341. Das Epi-
taphium der Adelheid 341. Briefe Odilos 842. V. Odi-
lonis des Jotsald 342. — St. Benoit-sur-Loire 345 —
351. Bibliothek und Schule 845. Abbos Schriften 345.
Aimoin 347. Die V. Abbonis 348. Litteratur über den
hl. Benedict 349. Helgauds Königsbiographie 851. An-
dreas von Fleury 351.— StBönigne 327-358. Studien \
in St. Benigne 351. Volksschulen Wilhelms 353. Schrif-
ten Wilhelms 353. Rodulfus Glaber 354. V. Wilhelmi
355. Die Chronik von St. Benigne 356. Allgemeines
urteil 357. — Metz, Toul, Verdun 858—367. Gorze
858. Die Miracula S. Gorgonii 359. St. Arnulf 360. Die
V. Johannis Gorz. 860. Vita Kaddroe 361. St. Evre 362.
Adso 362. V. Gerardi 865. Chronik von Moyenmoutier
366. Translatio S. Firmini 366. V. Rodingi 366. Chron.
S. Michaelis 867. Gesta episc. Virdun. 367. Allgemeiner
Character der Litteratur 867.
Zwölftes Capitel. Die Kunst in Cluni und
den verwandten Abteien.
(S. 369—405.)
Architectur 369—400. Character der neuen Archi-
tectur 369. — Cluni 372. Bauten in Cluni 372. Bau-
thätigkeit Odilos 375. Romainmoutier 376. Peterlingen
377. Souvigny 380. — Fleury 381. Bauten in Fleury
881. Architectonischer Schmuck 384.— Dijon 386. St.
Benigne 386. Andere Bauten 890. Vignory 890. Mon-
tierender 891. Normannische Kirchen 391. — Lothrin-
XI
Seite
gische Reformbewegung 392. St. Vannes 392. Ri-
chards Schüler 894. Poppo von Stablo 894. Hersfeld,
Limburg und Echternach 395. — Kleinkunst 400—405.
Allgemeines 400. Webkunst 401. Metallguss und Mar-
morsculpturen 401. Getriebene Bronce und Emailtechnik
in Lothringen 408. Heiligengräber 104.
Dreizehntes Capitel.
Wirtschaft und Klosterreform.
(S. 406—486.)
L Besitzerwerb und Landcultur 406—413. Mög-
lichkeit des Besitzerwerbes 406. Verhältnis der beding-
ten zu den unbedingten Schenkungen in Gluni 407. Ab-
nahme der Schenkungen seit dem ersten Viertel des
elften Jahrhunderts 408. Die vergütigte Schenkung 409.
Kauf und Tausch 409. Erwerbsobjecte 410. Cultur des
Landes und Landwirtschaft 411. Anlage von Üörfern
411. Die Dorf kirche 412. Präcarie und Teilbau 413. —
IL Verwaltungsorganismus 413—428. Allgemeiner
Character des Grundbesitzes 413. Stellung der Hinter-
sassen 414. Ergebung in den Dienst des Klosters 415.
Gerichtsbarkeit des Abtes 416. Ding- und Schirm vOgte
417. Der Meier 418. Villication durch Mönche 422. Die
Pröpste 423. Centralverwaltung 424. Verhältnisse in
Clunl 427. — m. A'nteil am Verkehr 428—436. Häu-
ser in Städten 429. Zollbefreiungen 429. Markteinnah-
men 430. Marktverkehr an Klöstern 431. Bildung von
Abteistä^ten 432. — Allgemeine wirtschaftliche Bedeu-
tung der Klosterreform 435.
Vierzehntes Capitel. Ergebnisse.
(S. 437—465.)
L Entwicklung der Klosterreform 437. Organisation 439.
Umschreibung" des Cluniacensertums 439. — U. Rom und
Cluni 441.— III. Stellung zur Simonie 446. Zur Priester-
ehe 447. Zu den Verwandtenehen 448. Zur allgemeinen
Kirchenreform 449.' — IV. Beziehungen zum deutschen
Reiche 449. Peterlingen 450. Beziehungen zu Italien
450. Pavia 451. Romreisen 452. Persönliches Verhält-
nis zum Kaiserhause 453. Verhältnis zur Reichskirchen-
politik 453. Reichsabteien und Bistümer 454. Lothringen
456. Artjdes Regiments 45S. — V. Bedeutung für die
Reichsgeschichte in den letzten Zeiten Heinrichs II. und
den ersten Konrads IL 460. Heinrich IIL 463. - VI. All- U
gemeine Bedeutung des Mönchtums 464.
XII
Seite
Excnrse 467 — 476
Erster Excurs. Die Abstammung der Gerbcrga, der
Mutter Otto Wilhelms von Burgund 469—471
Zweiter Excurs. Die Anfänge von La Cava . . . 472—474
Dritter Excurs. Die Einflibning des Allerseelen tages 475 — 476
Beilage« Aus ungedruckten Predigten des Ademar von Cha*
bannes 477—487
Nachträge und Berichtigungen 488
Register cum ersten und aweiten Bande 489—530
-.'^ ../. r;>.
Erstes Capitel.
Die Cliiniacenser und die Nationalparteien in
Italien und Burgimd.
1. Arduin und die Gründung von Fruttuaria.
I.
i5ald nach dem Tode Kaiser Ottos III. erhob sieh in
Italien Markgraf Arduia von Ivrea, der Sohn Dados, und liess
sieh am 18. Febr. 1002, noeh bevor die Wahl des deutschen
Herrschers entschieden war, zum Könige krönen. Unter seinen
Anhängern befand sich yermutlioh schon damals die Familie
Wilhelms von Volpiano, des Abtes von St.-Bänigne in Dijon,
der durch seine Mutter mit dem Hanse Arduins verwandt 'ge-
wesen zu sein scheint^) Wenigstens wissen wir von Wilhelms
Verwandtschaft mit Otto Wilhelm von Burgund, dem Sohne
Adalberts und Vetter Arduins von Ivrea.^) Wir wissen auch,
dass der Graf Grundbesitz in Volpiano, dem Stammgut der
Familie des Abtes, besass,^) und haben so allen Grund zu der
0 Allerdings war sie nicht die Schwester Arduins, wie Prov&na,
Studi critiche sovra la storia d' Italia p. 54 auf Grund älterer Fabeleien
meinte. Vgl. Garatti, Della contessa Adelaide e delle origine Umbertine
im Archivio storico ItaL ser. IV, 10 (1882), p. 201. Dass sie eine vornehme
Langobardin war, wissen wir aus der V. Wilhelmi c. 2; vielleicht gehörte
sie dem Hause der Aledramiden an, das durch eine Tochter Berengars II.,
also eine Tante Otto Wilhelms, mit dem Hause desselben verschwägert
war (vgl. Bresslau, Konrad IL I, 393), da gerade in dieser Familie der
sonst in Italien ziemlich seltene Name Wilhelm Öfter begegnet.
^) Vgl. Papst, £xcurs IV: Ueber Arduins Geschlecht und Familien-
Verbindungen bei Hirsch, Jahrb. Heinrichs II. II, 458; vgl. Archivio stör.
Ital. a.a.O. p. 191.
») ürk. Otto Wilhelms v. 28. Oct. 1019, HPM I, 428, nr. 249. In dem
Druck bei Guichenon- de Levis fehlt der betreffende Passus.
Sa^ekiir, CUmlacenscr. II. \
Annahme, dass beider Besitz aus derselben Erbmasse stammte.
Für die Beziehungen Wilhelms zu Arduin sind ttbrigens aus-
reichende Belege vorhanden. Wenn der Abt bei König Hein-
rich der Begünstigung des Empörers angeschuldigt wurde, so
dass er schliesslich zu ihm eilte, um sieh zu rechtfertigen, i)
so liegt allerdings der Verdacht sehr nahe, dass diese An-
klagen nicht ganz unbegründet waren.
Schon als Jtfönch war Wilhelm mit Bischof Peter von Ver-
celli in Streit geraten, demselben, auf den sich noch bei Leb-
zeiten Ottos IIL Arduin warf, um ihn schliesslich töten und
verbrennen zu lassen/^) Wenn der Kaiser für diese Frevel-
that die Güter des Markgrafen einziehen Hess und unter andern
Benefizien an Petera zweiten Nachfolger Leo verlieh,^) wenn
Arduin wieder einen Teil derselben an das von Wilhelm ge-
stiftete Kloster Fruttuaria schenkte und so den Bischof un-
zweifelhaft erzürnte, so ward auch dadurch der Abt dieses
Klosters in das Interesse Arduins und in die Feindschaft gegen
Leo gezogen. Dass der italienische König nach seiner Nieder-
lage sich wieder auf Vercelli warf und es nahm,^) konnte zum
mindesten Abt Wilhelm nicht unerwünscht kommen. So stand
er beständig im feindseligsten Verhältnis zu Bischof Leo, dem
eifrigsten Verteidiger der deutschen Herrschaft, von dem Wil-
helm zu sagen pflegte^): „Dieser grausame Leo ist ganz von
Oott verlassen, weil er, wenn Gott mit ihm wäre, das, was
Gottes ist, um seinetwillen lieben würde.** Wilhelm versicherte
auch nach Leos Tode, dieser sei ewiglich verdammt.
Einen deutlichen Beweis ftkr das nahe Verhältnis zu Arduin
und den Kreisen der italienischen Nationalpaiiei bietet die
Gründungsgeschichte von Fruttuaria. Es war eine Stiftung,
*) V. Wilb. c. 20: Henrico »iquidefH imperatori de eo suggestum ftterat,
qnod Uli derogans illumque contemnendum adiudicans Arduini qiMqtte
partif qui sibi Italiae regnum praeripueratf faveret illumque j^yo posse
defensitaret ; vgl. LOwenfeld, Leo v. Vercelli S. 27.
*) Provana p. 60.
«) Provana app. nr. 3, Urk. Ottos III. v. 999; St. 1190.
4) Anialfi Gesta Mediol. I, c. 16: Siquidem postea Verceüensem w-bem
cepit etc. Ueber die Behandlung der Parteigänger Leos vgl. jetzt Bnin.
V. quinque fratrum c. 10, SS. XV, 2, 726.
*) V. Wilh. C.23: Simili invidia quoque Leo Ve^'ceüensis episcopus
ad actus universoa istius patris extiterat infestus.
an der neben der Familie des Abtes von Dijon Otto Wilhelm,
Ardnin mit seiner Gemahlin und vornehme lombardische Adels-
geschleehter beteiligt waren. Sie fiel in eine Zeit, in der
Arduin das Uebergewicht über die deatsehen Waffen behaup-
tet hatte.O
Wohl bald im Anfang des neuen Jahrtausends kam Wil-
helm nach Italien, betete in Rom und empfing den Segen des
Papstes. Vielleicht war es damals, als er gemeinsam mit Odilo
die Reform von Farfa bewirkte. Auf der Heimreise erkrankte
er im Kloster der hl. Christina am Oglio, das Oerbald, ein
Schüler des Majolus, leitete. In Yereelli, wohin er sich nach
seiner Genesung begab, verfiel er in eine schwerere Krankheit,
in der er vier bis fUnf Stunden bewusstlos lag. Damals suchten
ihn seine drei Brüder, Niethard, der den Grafentitel führte,
Gotfried und Robert, auf und nahmen ihn zur Erholung mit
auf die väterlichen Güter bei Ivrea.^)
Wilhelm hatte die Abtei des hl Benignus zu einer weit
berühmten erhoben; kein Wunder, dass jetzt bei den Seinen
der Gedanke auftauchte, ein ähnliches Kloster auf dem Erb-
gut des Hauses zu errichten. Vornehme Herren aus den be-
nachbarten Städten liehen dem Unternehmen ihre Unterstützung,
ebenso vne Otto Wilhelm mit dem Abte und seinen Brüdern
in geheime Unterhandlungen trat Auch Arduin erkannte den
Vorteil, den die Errichtung einer ihm nahe stehenden Abtei
Vercelli, der Hochburg der deutschen Partei, gegenüber, seinen
Bestrebungen bieten mnsste.^)
Zwei seiner Brüder, Niethard und Gotfried, versprachen Wil-
helm schon damals mit dem burgundischen Vetter im geheimen.
0 Bezüglich der GrUndnngsgeschichte ist manches zweifelhaft und
dunkel. Es scheint, dass es hier zu Schiebungen des Besitzes gekommen
ist und dass man später ein Interesse hatte, den ursprünglichen Rechts-
zustand zu verdunkeln. (Vgl. Gingins-la-Sarra, Recherches sur la dona-
tion faite an monastere de Fruttuaria etc., M^moires et documents de la
Snisse Romande XX, 489.) Ich glaube aber nicht, dass man bei der
schlechten Ueberliefernng der meisten Urkunden und unserer jetzigen
Kenntnis der Dinge zu ganz gesicherten Resultaten kommen kann.
«) V. Wilh. 0.17.
') Vgl. die Urk. Ardnins bei Provana app. nr. 31, p. 377: Dignamque
non parvipendentes dikcHonem ac praedicti ahbatis aupplicationem nostri-
que atahis et totitui Italiae nationis salutem.
1*
und alle ihre Habe Gott zu weihen.^) Gottfried kam Id der sich
That nach Dijon in der Absicht, allen seinen Besitz aufzugeben
und auf eigenem Grund und Boden ein Kloster zu errichten.
Er machte aber zunächst keine legale, d. h. urkundlich beglau-
bigte, Schenkung an das burgundische Kloster, denn Niethard
trat vor der Hand als Erbe in den Besitz ein.^) Als aber
dieser bald darauf dem Bruder nach Dijon folgte, wurden der
Abtei Si Benigne doch italienische Güter überwiesen.^) Am
23. Febr. 1003 soll der Bau der neuen Stiftung zwischen Ama-
lone und Orco begonnen worden sein;^) indes spricht Arduin
in der am 28. Januar 1004 für Fruttuaria ausgestellten Urkunde
nur von der Absicht Wilhelms, das Kloster zu errichten,^) und
noch zwei Jahre später befand man sich in den Anfängen des
Baues.<^) Arduin bestätigte in jenem Diplom unter Abwehr jeder
fremden Vergewaltigung die Sicherheit des Grundstücks mit allen
Besitzungen, verbriefte seine Schenkungen an die zu gründende
Abtei und sprach namentlich den Wunsch aus, dass die Simonie
von derselben stets fern bleibe. Wichtig aber, weil der clunia-
>) V.Wilh. C.17.
«) ürk. Wühelms von Dijon bei Levis, Opp. Wilhelmi praef. p. XXI,
HPM I, 414, nr. 244: Verwm omnes fratres eiusdem lod, qui presentes fue-
runt et oculis hoc viderunty hü sciimt et scire possunt^ quoniam idem
dominus Gothefredus in predicto loco nuUam fecit legalem don^iticnem ex
propriOj quod relinquebaty patrimoniOj quia in eo sticcesserat fratci' eins
Nitardiis iure hereditario, qui non muUo post secutus est fratrem suum in
2>retitulato Divionensi nwnastefno. Vgl. die Urk. Bischof Lamberts v. Lan-
gres V. 11. Jan. 1017 (Levis p. XXXII): Quidam eriim suiis camali pro-
pagine germanus nomine Qodefredus ad sanctam veniens conversionetyi
tot um quodcumqite hdbuit secum Deo devote conttdit . . .
») Vgl. die Urk. d. Grafen Gerard v. 3. Febr. 1 020, Metz (Levis p. XLVIII):
Insuper etiam omne praedium ditorum fratrum Nitardi et Godefredij quod
ipsi Divionensi monastei-io tradiderunt in toto regno Italiae, quando mo-
nachi effecti sunt. . . . Das Chron. S. Benigni ed. Bougaud p. 155 sagt ge-
radezu: Venientes ergo uterque ad hoc Divio7iense coenohium exceptis
rebus aliis dederunt sancto profectori nostro Benigno quoddam iuHs sui
predium Vidpianum vocatum etc.
*) Vgl. die oft gedruckten Verse, zuletzt beiProvana p. 217 n. 4. Sie
stammen aus der späten und fabelhaften Chronik von Fruttuaria, die Delia
Chiesa benützte, und sind deshalb zweifelhafter Natur.
*) Provana p. 377: quam abbas W. venerabilitei' aedificare desiderat,
®) Urk. Johanns (de Levis p. XXVIII): construere ... coepisti; ...
constrtiere niteris , . .
censische Einflnss deutlich hervortritt, ist die Be^timmuDg, dass
znm Abte der ordiniert werde, den der Vorgänger noch vor
seinem Tode designiert nnd die Brüder gewählt hätten, und
dass die Weihe von einem beliebigen Bischöfe an beliebigem
Orte erfolge. Damit nun aber ans der Thatsache, dass zwei
Brüder Wilhelms nach Dijon kamen, wo dieser Abt war, nicht
die Abhängigkeit Frnttuarias von St. Benigne geschlossen würde,
Hessen Niethard und Robert, der allein auf dem väterlichen
Erbe als Laie zurückblieb, die autonome Freiheit von Frut-
tuaria, das in einer Wüstung entstand, aus der nie ein Bischof
Zehnten empfing, durch einen notariellen Act seitens des Tu-
riner Archidiacons Oontard feststellen, als der Besitz aus
dem Eigentum der Brüder in das Gottes überging, d. h. als in
Fruttuaria das Kloster sieh erhob.*) Der Weihe der neuen
Abtei zu Ehren der hl. Jungfrau und des hl. Benignus,^) die,
ungewiss wann 5), durch den Bischof Oetavianus von Ivrea vor-
genommen wurde,*) wohnte Arduin bei. Er und seine Ge-
mahlin Hessen es auch sonst an Unterstützung nicht fehlen.^)
Selbst das Mutterkloster erhielt kostbare Gewänder und Ge-
webe.«)
0 Es geschah das zwischen 1004 und 1006; denn während in der
Urk. Arduins dieses Actes nicht gedacht ist, wird er von 1006 an fast in
Jeder Urk. erwähnt. Vgl. Urk. Johanns XVIII. v. 2.Dec. 1006 (Levis p.XXlX;
J.-L. 8950); Urk. Heinrichs IL v. 1014 (Levis p.XXXVII; St. 1621) u.s. w.
Namentlich die Urk. Wilhelms a. a. 0. : Denique BobertuSf qui solus ex
fratribus suis remansit laicus inter cetera possessionis sue dona ipse et
predictus frater eins Nitardus, quae Domini contuUerunt ad constnien-
dum monasteniim speciaXitcr locum Fructuaria dictum, ita tU possi-
debant quietum et solidumf Gontardo venerabili viro Taurinensi archi-
diacono tradiderunt, ut inde faceret legale testantentum, quod appellatur
iudicatiiSf quod et factum est eo rationis tenore, ut postquam a prefatorum
fraJtrum possessione transiret in Domini j^ossessionem nuUo modo primam
et antiquam perderet libertatis dignitatein,
*) Chron. S. Ben. a. a. 0. p. 155.
') Im Jahre 1006 war das Kloster erst begonnen; vgl. S. 4 n. 6.
*) Verse bei Provana a.a.O.: Praesul Ottobianus, quod iure dicando
sacravit
*) Vgl. die Urk. Arduins a. a. 0.
•) Vgl. die Urk. Lamberts v. 1017 a.a.O.; Urk. Wilhelms. Die Art
und Weise, wie das mit der RechtssteUung von Fruttuaria in Verbindung
gebracht wird, deutet darauf hin, dass diese Schenkungen das Kloster
St. Benigne entschädigen sollten.
6
Hatten auch die Stifter durch das erwähnte Judicat Gon-
tarda Schlttsse gegen die souveräne Freiheit des Klosters ab-
zuwenden gesucht, so glaubte der Abt nur durch sichere
Freiheitsbriefe eine Gewähr gegen andere Auffassungen und
Anfechtungen der selbständigen Stellung zu gewinnen. So
wandte er sich zuerst im August 1006 an König Heinrich
— dessen Gunst er vielleicht gerade damals wiederznerwerben
gewusst hatte — und erhielt von ihm am 31. mit dem könig-
lichen Schutze völlige Immunität und Bestätigung des Judi-
cats.O Wenig später intervenierte der Bischof Walter von
Autun fär ihn bei Papst Johann XVIII; am 2. December 1006
nahm der Papst die Abtei in seinen Schutz und bestätigte
die freie Abtwahl, sowie das Schriftstück, das der Turiner
Archidiacon aufgesetzt hatte.^)
IL
Die Gesinnungsgenossen Wilhelms in Cluni hatten kaum
ein Interesse, sich der Herrschaft Heinrichs IL entgegenzu-
setzen. Für sie war höchstens die Frage von Bedeutung, wie
der neue Fürst sich zu Peterlingen, der burgnndisch-ottonischen
Familienstiftung, stellen würde. Seit den Tagen Ottos I. war
das burgundische Königreich in thatsächlicher Abhängigkeit
vom Reiche;^) aus ihrem Besitz hatte Adelheid Peterlingen
ausgestattet und die Ottonen hatten sämmtlich nicht nur die
Besitzungen auf deutschem Reichsboden, sondern auch den
allgemeinen Bestand der Stiftung bestätigt.^) Jetzt nahte
Odilo im October 1003 mit den alten Privilegien dem Könige
und erhielt einen neuen Sicherheitsbrief über die elsässischen
Güter des burgundischen Klosters.^) Vom Hof lager zu St. Hippo-
lyth im Elsass kehrte Odilo unmittelbar zurück. Im November
übte er bereits seine Amtspflichten wieder in der Heimat.<^)
^) Urk. Heinrichs bei Provana app. iir.32, p.SSO; HPM I, nr. 211,
p.362; St. 1430.
«) J.-L. 3950.
s) Blümcke, Bargund unter Rudolf III, Greifswald 1869, S.28if.
*) Hirsch, Jahrb. Heinrichs H. I, 389.
B) Grandidier, Hist d'Alsace I, titd58; St. 1367.
•) CHOL III, nr. 2575.
Nicht lange daraof zog Heinrich nach Italien, am Ardiiin
zu bekämpfen. Damals eilte auch Odilo über die Alpen. ^
In Pavia , wohl in der Celle des hl. Majolus, schlug der Abt
sein Lager auf. Er mischte sich mit unter die Gäste, welche
die Wahl und die Krönung Heinrichs am 14. und 15. Mai in
der lombardischen Krönnngsstadt feierten. Da erfolgte am
Abend jener nationale Aufstand. Während die Flammen der
Deutschen die unglückliche Stadt verheerten, sass König Hein-
reich in Ciel d'oro, jenem einst von Majolus reformierten
Kloster, fttr das auch Odilo bereits einmal bei Otto IIL inter-
veniert hatte. Hier baten ihn die Pavesen um Gnade; hier
fand sich jedenfalls der Abt von Cluni ein, um seine Fürbitte
für die Bewohner der Stadt einzulegen,^) deren Gastfreund-
schaft er und seine Vorgänger so oft genossen.^) Wie lange
*) Jotsaldi V. Odil. II, c. 6: Ea tanpeatatej qua regnum Italiae qui-
dam fwhilis Arduinus arripuerat et ille fnagnus Henricus inter cctcros
clarissimus regni tnonarchiam consentientibus Italiae principibiui iam in
codetn solo Italico positus affectabaty supradictm pater transiens per Ita-
linm devenit ad quandam aquam, quae moenia Papiac pratterßuens ab
amtrali parte mutiiato a se rwfninc dat vocari Ticinum,
*) Jots. V. Odil. I, c. 7: Gaudehai Italia^ cum Odihnis aderat prae-
scntia, et praecipue familiaris sibi Papia^ cuiue prece et industria tenipo-
ribiis Henrici et Conradi imperatorum liberata est ab excidio gladii et
periciüo i^icendii. Ein Grund, diese Nachricht mit Hirsch, Jahrb. Hein-
richs II. I, 809 anzuzweifeln, ist ganz und gar nicht vorhanden.
3) Im BuUar. Glun. p. 8 findet sich eine Bulle, angeblich Johanns XIX,
mit: ob interventum donini invictissimi et pii Henrici . . . Imperatoris
aiigusti. Der LUcke im Druck nach zu urteUen, stand wohl im Original ein
Wort hier, das ausgefallen ist. Jedenfalls handelt es sich um Heinrich II.
In der neuen Ausgabe der Jaff^schen Regesten nr. 4065 wird diese Urk.
1024 gesetzt und Johann XIX. zugeschrieben, zugleich aber bemerkt, dass
jene oben citierten Worte dieselbe verdüchtig machten. Anders wäre es,
wenn man sie auf Johann XVIII. beziehen könnte; vgl. Alberich von Trois-
fontaines (SS. XXIII, 779) zu 1005: Item adpetitionem imperatoris Henrici
summtts pontifex lohannes XIX, (so bezeichnet er auch sonst Johann XVIII.)
Privilegium mirabile dedit abbati Cluniacensi Odiloni. Bedenklich ist aber
das imperatoris augusti, was schwerlich nur eine unrichtige Conjoctur in
dem anscheinend schwer lesbaren Diplom ist Eine andere Erklärung
yersucht Bruel (CHOL IV, p. 8 n. 1). Es giebt nämlich von Johann XIX.
eine ganz gleiche Urkunde für Glnni, in der an Stelle Heinrichs Konrad
genannt ist. Nach Bruel wäre die Urkunde von Johann XIX. kurz vor
Heinrichs II. Tode mit Auslassung des kaiserlichen Namens vorbereitet,
8
Odilo in Italien blieb, lässt sich nur annähernd ermitteln; am
22. Angnst 1004 nrknndete er bereits wieder zu Hanse.^)
Im April 1007 finden wir den Abt wiederum in der Um-
gebung Heinrichs auf einem Hoffcage zu Neuburg an der Donau,
auf dem sich mehrere italienische Bischöfe und Aebte, «owie
weltliche Grosse der Halbinsel versammelt hatten.^) Was Odilo
in diesen Kreis fährte, war doch sicherlich, dass der König
damals ernstlich entschlossen war, nach Italien zu ziehen. Es
waren wohl die Deutschgesinnten der Halbinsel, die Heinrich
an der Donau umgaben. Auch der Abt Hugo von Farfa er-
schien, um sich bitter über die Crescentier zu beklagen, die
auch die Feinde der deutschen Hen'schaft waren. Heimlich
arbeitete Johannes Crescentius, die Ankunft des Königs zu
hintertreiben. Der arme geplagte Abt des kaiserlichen Klostera
legte im Privatgespräch seine Würde in die Hände des Herrn.
Aber Heinrich bat ihn zu warten; er komme noch im selben
Jahre nach Italien.^) An der Erhaltung der Abtei Farfa lag
Odilo so viel als dem Könige: so sehen wir beider Interessen
in Bezug auf die italienische Frage eng verknüpft. Aus dem
italienischen Zuge vnirde zunächst nichts ; die flandrischen und
polnischen Wirren zogen die deutschen Heerscharen auf einen
andern Kriegsschauplatz.
Wahrscheinlich ist, dass Odilo im August 1012 in Mainz war,
obgleich die Urkunde für Ciel d'oro, in der seiner Intervention
dann in den verschiedenen Exemplaren 1024 und 1027—1033 der Name
Heinrichs oder Konrads eingesetzt worden. Da die Urkunde dem Inhalte
nach besser in diese Zeit passt, glaube ich, dass Alberich eine andere
Urkunde im Sinne hat Vgl. darüber mehr im vierten Gap.
») CHOL m, nr. 2594.
'^) Phkcitum v. 2. April 1006 bei Ughelli, Italia sacra III, 622; Über die
Datierung s. Jahrb. Heinr. IL II, 5 n. 2. Ueber die Echtheit des von Live-
rani angefochtenen ActenstÜckes vgl. Bresslau, Eonrad IL II, 447.
^) Hugos Anwesenheit bezeugt die Urkunde bei Ughelli a. a. 0. —
Dazu vgl. Hugonis Hist. Farf. XI, 541 : Interea contentio alia oria est nobis
in Marchia, pro qua me oportuit ire ultra montem ad Heinricum regem;
ubi cooperante Deo rege omnino placatOj occuUe iUi refutavi istam abba-
tiam pro peccatOy quod omnes acitis. Qui multum rogavit me, uf usque
ad 8uvm huc adventum illum praestolarer, quem ipso dicebat anno esse,
Expectavi autem iüo et altero et usque in tertium a^mum: quo minime
veniente, dimisi iüam. Dann ward Guido gewählt; in der That begegnet
An. Farf. 1009: Guido abbas.
gedacht ist,^) stark angezweifelt wird. Indes wäre seine An-
wesenheit am kaiserlichen Hoflager am so begreiflicher, als
der Papstwechsel und der Umschwung der Verhältnisse infolge
des Ablebens Johanns des Crescentiers, das der Tyrannei die-
ses Geschlechts ein Ende machte und den Römerzng erleich-
terte, Odilo an den Rhein geführt haben könnte. Wie sehr
ihm an dem neuen Zuge Heinrichs gelegen war, zeigt der
Umstand, dass er sich zu Weihnachten 1013 wieder bei Hein-
rich in Pavia einfand.^) Diesmal sollten unter anderm wirk-
lich die Angelegenheiten von Farfa entschieden werden, nach-
dem Hugo, der zwei Jahre vergeblich auf den deutschen
Herrscher gewartet, auf seine Abtwttrde zu Gunsten Widos,
der jedoch auf die cluniacensischen Einrichtungen verpflichtet
wurde,3) verzichtet hatte. Auch Hugo erschien in Pavia,*)
aber der König verschob die Angelegenheit auf die Synode
von Bavenna, wohin ihm die Aebte von Cluni und Farfa folg-
ten. Man drängte Hugo allgemein, sein Amt wieder aufzu-
nehmen, besonders Odilo schien viel daran zu liegen, den
reformeifrigen Mann an der Spitze des Klosters zu erhalten.
In Ravenna trafen Heinrich und Papst Benedict YIII. zu-
sammen. Odilo mag also hier den Tusculaner kennen gelernt
haben; aber er folgte, wie es scheint, König und Papst nicht
nach Rom.^) Vielleicht hatte der Abt an den Massregeln, die
') Robolini, Notizie appartenenti alla storia della sua patria II, 296 :
interventu et petitione domini Odelonis venerabilis abhatis, St. 1561. Es
liegt jedoch eine echte Urkunde zu gründe.
*) Jots. Vit. Odil. II, 4: Eo tempore quo HeinrictiS rex ad arcem Ro-
mani imperii festinabat^ %tt de regno ad imperium pronwvereturj comita-
batur cum eo beatissimus Odilo et gloriosissimae virginis adorandtim par-
tum utrique celebravenint ap^id Papiam, ditissimum Italiae oppidu^ft^;
Petr. Dam. Vit. Odil. (Bibl. Clun. col.319): Fraeterea cum vir Dei cum Hein-
rico rege, qui postmodum factus est imperator, in Tidnemi simul urbe
comistcret et dominicae natalitatis gloriam cdebrarct, contigit etc.
>) MabiUon, Ann. Bened. IV, 191.
*) Hist. Farf. SS. XI, 542 : In hoc stetimüs tisque dum imperator venit
et coronatus est. Ctii obviam fui Papiam; cumque venissemus RavennaCj
imperator cum omnibus cogere me coepit, et maxime prae cunctis dominus
Odilo abbas, ut reciperem abbatiam.
B) Giesebrecht, Kaiserzeit II, 124 meint zwar, er wäre fortan der un-
zertrennliche Begleiter des Königs auf dem ganzen Zuge geblieben. Doch
iat das nicht nur nicht nachzuweisen, sondern sogar unwahrscheinlich, da
10
HeiDrich traf, um dem vielfach zerrütteten Lande wieder auf-
zuhelfen, namentlich den von einem schrankenlosen Adel hart
bedrängten Kirchen- und Klosterländereien grössere Sicherheit
zu verschaffen, einen nicht geringen Anteil. Denn noch von
Ravenna, wo Odilo in seiner Umgebung war, erliess der Herr-
scher Verordnungen an alle Kirchen und Abteien, ihre Verluste,
den Zeitpunkt derselben, den Umfang, die näheren Umstände,
die jetzigen Besitzer der Güter aufzuzeichnen.^) Auch Hugo von
Farfa feiiigte auf Verlangen des Königs, der den Besitzstand
des Klosters nicht nur bestätigte, sondern auch durch einige
Schenkungen vermehrte,^) eine Liste der geraubten Besitzungen
an und noch länger beschäftigten Heinrieh, wie Benedict VIIL
die Verhältnisse der Farfeser zu den Crescentiern, namentlich
die Streitigkeiten über die Castelle Tribuccum und Buccinia-
num, vor deren ersterem der Papst sogar mit Heeresmacht
erschien. Am Ende mussten es die crescentischen Brttder doch
übergeben, am 2. August 1014 wurde Hugo vom Papst noch das
andere Castell zugesprochen.^)
Als Heinrich H. damals Italien betrat, hatte sich Ardnin
hinter die festen Burgen seines Landes zurückgezogen und
nur den allerdings vergeblichen Versuch gemacht, mit dem
deutschen Könige in friedliche Unterhandlungen zu treten.
Den Zug nach Rom und die Kaiserkrönung hatte er nicht zu
stören versucht 4) Wenn sich auch Odilo damals in der Um-
gebung Heinrichs nicht mehr befand, so muss seine Persön-
lichkeit und das Mass seiner Einwirkung auf die Erlasse von
Kaiser Ueinrich den Reichsapfel doch wohl nicht nach Cluni geschickt,
sondern Odilo selbst Übergeben hätte. Ringholz 3. 80 lässt irrig Odilo der
römischen Synode beiwohnen, indem er Jots. V. Odil. II, c. 9— It auf die-
sen römischen Aufenthalt bezieht. Indes zeigt die Nachricht, dass Odilo
damals Wein verlangte, quod atiue imbecillitati acconwdum ford, dass wir
es mit einem späteren Aufenthalt zu thun haben; denn leidend war der
Abt erst in den letzten flinf Jahren seines Lebens; vgl. Jots. V. Odii. I, c. 14.
*) Hist. Farf. SS. XI, 542: Praedicttis auteni imperator, ex quo Baven-
nam venitf praecepit cunctis abbatihus et episcopisj ut scriberent res per-
ditas suarum aecclesiarum, qualiter et qwindo perdiderint vel a qwUfiis
detinerentur ; vgl. Hefele, Gonziliengesch. IV, 689.
») St. 1602.
') Placitum v. 2. Aug. 1014 bei Mabillon, Ann. Bened. IV, app. p. 646;
vgl. Hist. Farf. SS. XI, 542. 544^ vgl. J.-L. 4006.
*) Thietmari Chron. VII, c. 33, ed. Kurze p. 187.
11
Ravenna doch in hohem Grade in der EnDnerang des Herr-
schers geblieben sein. Als nämlich der Papst dem Kaiser
einen mit dem Kreuze geschmückten Reichsapfel übergab,
zweifellos um anzndenten,^) dass der römische Stuhl die Herr-
schaft über die Welt zu verleihen habe, lehnte der feinsinnige
Fürst die beabsichtigte Deutung ab, indem er das Geschenk
dem Kloster Cluni übersandte, dessen Mönche ihm als die
würdigsten Nachahmer Christi erschienen, von dessen Symbol
die Weltkugel überragt war.^) Es lag darin seinerseits die
Anerkennung, dass das französische Kloster als der Mittel-
punkt der auf Wiederbelebung und Vertiefung christlicher
Tugenden gerichteten Bewegung anzusehen sei. Einstimmig
wird uns von dem engen Verkehr des Kaisers und des Abtes
von Cluni berichtet,^) dessen Rat jener schätzte, und jedenfalls
zeugten die reichen Geschenke Heinrichs, die die französische
Abtei bewahrte, nicht minder als der Codex mit dem augusti-
nischen Commentar zu den pauliuischen Briefen, den Odilo sei-
nem kaiserlichen Freunde überreichte und der sich noch heute
in der Bamberger Bibliothek befindet,^) dafür, dass beide Män-
ner einander herzlieh nahe standen und dass das Verhältnis
nicht nur auf einem conventioneilen, durch die Geschäfte be-
dingten Verkehr beruhte, sondern dass eine tiefere seelische
Harmonie auf Grund gemeinsamer kirchlicher Bestrebungen
zwischen ihnen entstanden war.
^) Rod. Glab. Hist. I, c. 5, § 23 : foret ei docwnentum non aliter debere
imperare vel militare in mundOf quam tit dignus Juiberetur vivificc criicis
tiicri vexiUo. Das ist natürlich die mönchische Interpretation, die Hein-
rich II. klug genug hineinlegte.
*) a.a.O.: NtUliSj inquit, melius hoc presens donum possidere ac ce»*-
nere congruit quam Ulis qui pompis mufidi calcatis, crucem expeditius
sequuntur Salvatoris. Qui protimts müit illud ad Cluniefise monaste-
rium Gaüiarum, quod etiam twic temporis Iwbebatur religxosissimu/in cete-
rorum, cui et alia dona plurima contukrat omamentorum. Vgl. Papst,
Jahrb. Heinr. IL II, 425.
^) Jots. V. Odil. II, c. 12: Snpra modum enim eum diligehat iüiusque
comiliis humiliter adherehat; Adern. Hist. III, c. 37: et cum Odilone abbate
eiusdem loci crebrius coüoquium familiäre exercebat et in aula palatii
8ui eum prae omnibus diligebat.
*) Hirsch, Jahrb. Heinrichs II. II, 110; Ringbolz, Der hl. Abt Odilo
p. XLVI flf.
12
IIL
Znnäcbst erlitt der R5merzag Heinrichs eine unliebsame
Unterbrechung durch das drohende Gewitter, das sich im
römischen Gebiet wie im Norden, wo Arduin und sein Anhang
lauerten, zusammenzog. So schlau waren die Grossen und
Kleinen in der Lombardei, der Markgraf Otbert und seine
Söhne und der ganze kleine Lehnsadel, dem neuen lombar-
dischen Könige und römischen Kaiser Heinrich die Hnldigungs-
eide zu leisten.^ Aber als er in Rom sich befand, da brach
daselbst der Aufstand unter der Führung dreier Lombarden
aus, der Söhne desselben Otbei-t,^) und wenn die Empörung
auch am andern Tage niedergeschlagen wurde, so hatten die
Leute doch bereits Arduin und seinem Anhang die Hand ge-
reicht. Heinrich hatte gerade Zeit genug, mit einigen Geiseln
sich über Pavia, wo er Ostern feierte, Verona und den Brenner
nach Deutschland zurückzuziehen,^) als die Scharen des Na-
tionalkönigs sich auf die Kirchen und Güter der der deutschen
Herrschaft günstigen Bischöfe warfen. Der Paveser Kirchen-
besitz wurde verheert; der Bischof Peter von Novara floh unter
unsäglichen Leiden über Eis und Schnee der Alpen mit nackten
Füssen vor den Verfolgern, während die Feinde seine Burgen
brachen, Häuser niederrissen, Weinpflanzungen ausrotteten und
Bäume entrindeten.^) Vercelli, Como und andere Orte fielen
0 Das wird in den Urk. Heinrichs II. bei Provana app. nr. 36 u. 37
liervorgehoben.
3) £s ist das allgemein anerkannt, von Provana p. 281 ; Giesebrecht
II, 125; Bresslau, Konrad II. I, 416. Vgl. Thietmari Chron. VIII, c. 1;
IX, c. 1.
^) Hier ist die Darstellung Giesebrechts II, 126 nicht ganz correct,
wenn er meint, Arduin habe sich indessen nicht zu regen gewagt und
auch Otbert habe sich ruhig verhalten. Aber Thietmar VIII, c. 3 sagt aus-
drücklich, nachdem er von dem Aufenthalt des Kaisers in Oberitalien ge-
sprochen: dehinc sedatia ttimultibus universis reversus est ab Italia;
somit muss es schon während seiner Anwesenheit zu Unruhen gekommen
sein. Wenn ferner die Sühne Otberts von Este von ihm mit nach Deutsch-
land genommen wurden, so muss das, was in der Urk. gegen Otbert, seine
Sühne u. a. (Provana nr. 37) bemerkt wird: ipsos contra nos non solum cogi-
tasse aut consiliatos fuisse, sed etiam atisus nefarios et conatua im/puros
opere exercuisse et publice bella contra no8 preparassCj was dann durch
die Verwüstung von Paveser KirchengUtem erläutert wird, noch während
seiner Anwesenheit erfolgt oder vorbereitet worden sein.
*) Vgl. die Urk. v. Novara bei Provana app. nr. 3$.
13
in ihre Hände. Abt Wilhelm von Dijon blieb diesmal dem
Kaiser wahrscheinlich treu; denn gerade im Mai 1014 gewährte
ihm Heinrich ein umfangreiches Privileg über sämmtliche Gttter
der Abtei, anch die, welche ans dem Erbe Roberts von Vol-
piano stammten.^) Vermntlich geschah es damals, wenn nicht
bei früherer Gelegenheit, dass Wilhelm seinen Schttler Johannes
in Heinrichs Gegenwart zum Abt weihen Hess nnd den Kaiser
in die Brüderschaft von Fruttnaria aufnahm.^) Dagegen stand
der Familienbesitz seiner Neffen, der Söhne seines Bruders
Robert, auf der Proscriptionsliste; sie werden unter den Re-
bellen aufgezählt, die dem Kaiser die Treue brachen; 3) ihre
Güter wurden jetzt dem wackeren Leo von Vercelli zugewiesen.
Allenthalben zog Heinrich den Grundbesitz der Friedensstörer
ein; er kam den Kirchen von Pavia, Vercelli, Novara und
Como zu Gute.^) Das energische Vorgehen des Kaisers und
die noch immer beträchtliche Macht der deutschen Partei
brachten auch diesen letzten Versuch zum Scheitern; es war
gewiss natürlich, dass Arduin nach Aufgabe seiner Pläne ge-
») St. 1621.
*) Urk. Eonrads II. v. 1027 für Fruttuaria bei Levis praef. p.XXVI
(St 1943): No8 noiftrosqtie in perpetuum successores, prout divae memoriae
praedecessorefn nostrum Henricum suo ac fratrwn contiibemio sociaveritf
omnium benefactoruni siiorum participem habere cupienSy primum eiusdem
coenohii abbatem nomine lohannem eius in praesefitia consecrari fecit et
tarn ipsum quam toUim ewndem locum stuie imperiali tutelae commisitj ea
ntaxime pro catiaa, ut eandem iUi in omnibus libertatem conaervet, quam
CUmiacense montLsteritim obtinere diffnoscitur. In der Utk. Heinrichs IL
wird Johannes allerdings noch nicht erwähnt, ebenso wenig gerade auf
die Freiheit Clunis Bezug genommen. Levis p. XXVII setzt die Erhebung
Johannes' ins Jahr 1005 in der Meinung, Heinrich sei damals in Italien
gewesen; indes war zur Zeit des ersten ROmerzuges Heinrichs der Kloster-
bau kaum begonnen worden.
») Urk. Heinrichs v. 1014 bei Provana nr.ST, p.889; HPM 1,406:
Dedimu8 praedia Girardi et fratrum eius^ filiorum Boberti de Vulpiano.
Ich halte diesen Robert v. Vulpiano fllr den Bruder, nicht für den Vater
WUhelms, wie Provana. Denn erstens hatte Wilhelm keinen Bruder namens
Girard, ferner aber waren die Brüder des Abtes bis auf Robert bereits
Mönche, also weder im Besitze von Grundbesitz, noch auch schwerlich
bei dem Aufstande beteiligt. Dass Heinrich aber geradezu den Besitz von
Fruttuaria confisciert habe, wie Gingins-la-Sarra a. a. 0. p. 484 meint, halte
ich angesichts der gleichzeitig ausgestellten Urkunde für Fr. für undenkbar.
*) Provana nr. 36. 37. 38. 89. 40.
14
brochen und gedemtttigt za seinen trenesten Anhängern sieh
zurückzog, in das Kloster seines Verwandten Wilhelm, das so
recht ein Monument des nationalgesinnten lombardischen Adels
geworden war. Hier besehloss er am 14. Mai 1015 als Mönch
sein ruhe- und glttckloses LfCben.i)
Wilhelm war yielleieht in diesen letzten Monaten noch
um den König bemttht Es ist möglich, dass jene grosse
Lateransynode bereits im Januar 1015 abgehalten wurde, auf
der er unter einer Menge von Gläubigen , Achten u. s. w., ttber
vierzig italienischen Bischöfen und römischen Gardinälen er-
schien , um die Freiheit des lombardischen Klosters von Bene^
dict YIII. bestätigen zu lassen. Der Papst vollzog den Act am
3. Januar 2) und sämmtliche anwesenden Prälaten gaben ihre
Unterschrift, nachdem schon vorher Bischof Warmund vonivrea,
in dessen Sprengel Fruttuaria lag, feierlich die Freiheit von
bischöflicher Oberhoheit ausgesprochen hatte. Auch an Bruno
von Langres hatte Wilhelm sich deshalb gewandt; doch ver-
hinderte sein Tod die Ausstellung der Urkunde. Erst Lambert
erfüllte den Wunsch des Abtes am 11. Januar 1017, indem er
erklärte, dass Fruttuaria von seinem Bistum vollständig unab-
hängig sei.')
>) Hirsch, Jahrb. Heinrichs IL II, 438; Necrol S.Benigni: XVIIIKaL
lun. Obiit Hardninua rex et monach}i8,
>) Ughelli, Italia sacra IV, 1066; Mansi XIX, 861 ; Levis praef. p.XXIX;
J.-L. 4007. Es ist eine sog. Notitia, keine Papstbulle. AnnOf qui com-
putatur ab incamatione Domini MXV. indictione XII, residente in synodo
doniino et glorioso papa Benedicto iuxta banlicam Laieranenaem adfuit
quidam abbas Wilhelmi nomine; vgl. das Privileg Wilhelms a a.0.: In-
super atUem siibnianim scriptu apostolico a summis pontificibus univer-
salis ecclesiae prius a d, papa loJiannCf deinde ah eius siuicessore d. papa
Benedicto, ubi in Lateranensi basilica sedeibat undiqxie circumfidtus plena
synodo, in qua . . . quadraginta adfuerunt episcopi cum 8, Petri cardinali-
bus, . . . Die Datierung bietet Schwierigkeiten. Setzt man die Synode 1015,
so stimmt zn diesem Jahre weder die Indiction XII, noch die Anwesen-
heit Bischof Lamberts, der erst 1016 Bischof wird und vor 1017 Januar
nicht einer römischen Synode beigewohnt haben kann. Wahrscheinlich
aber ist die Unterschrift Lamberts, der mitten unter italienischen Bischöfen
unterzeichnet, im Text aber nicht als Intervenient genannt wird, erst
nachträglich hinzugefügt worden.
>) Urk. Lamberts v. 11. Jan. 1017 bei Guichenon, Bibl. Sebns. cent.
II, 79; Levis p. XXXIL
15
Der materielle Besitz der Abtei wuchs zusehends. Ein
Teil des volpianischen Haasbesitzes, der Erbgüter Otto Wil-
helms in Italien, die Schenkungen Arduins bildeten den Grund-
stock des Abteigutes. ^) Otbert, ein Enkel des Grafen Otbert
wahrscheinlich von Asti, schenkte Güter und Castelle in den
Grafschaften Asti, Acqui, Alba und Bredulium — letztere
zwischen Tanaro und Stura^) — ; die Familie der Markgrafen
von Turin, Olderich Manfred U, als er und sein Vater Gerard
in Fruttuaria die Kutte genommen hatten, seine Brüder, den
Bischof Odelrich von Asti und Oddo II, sowie ihren Vetter
Arduin V. finden wir unter den Gönnern der oberitalischen
Abtei.3) Nicht minder Hessen Mitglieder des Hauses der Ale-
dramiden, ein Cleriker Hugo und seine Brüder Otbert I. und
Anselm II, Söhne des Markgrafen Anselm, sowie Wilhelm 11.
und Riprand, ihre Vettern, ihr Schenkungen zu Teil werden.^)
Aber es scheint, dass durch die Confiscationen, die Heinrich 11.
zu Gunsten der lombardischen Bischöfe vornahm und die den
Grundbesitz der Herren von Volpiano trafen, auch die Be-
sitzuDgen von Fruttuaria, soweit sie aus dieser Erbmasse stamm-
ten, gefährdet waren. Die Verhältnisse lagen hier um so ver-
wickelter, als durch die widersprechenden Regierungsmassregeln
Arduins und Heinrichs IL überhaupt ein höchst unsicherer
Rechtszustand geschaffen wurde und infolge der Schenkungen
der Herren von Volpiano an Dijon und ihren Eintritt in Saint-
Bänigne das Verhältnis der Abtei Fruttuaria zu dem Mutter-
kloster von vornherein sehr zweifelhaft sein konnte. Diese
Umstände bestimmten anscheinend Abt Wilhelm, die von dem
burgundischen Vetter geschenkten Güter im Jahre 1019 noch-
mals urkundlich verbriefen zu lassen,^) und den an Dijon
überwiesenen Grundbesitz^ ftir Fruttuaria durch ein Schein-
manöver zu retten, indem man ihn gegen lothringische Güter
>) ürk. V. 28. Oet. 1019, HPM I, p. 428 nr. 249; Levis praef p. XLIV.
>) BresBlau, Jahrb. Konrads IL I, 868.
s) Vgl. Bresslau a. a. 0. S. 361.
«) Bresslau S. H93.
^) Ueber diese Urk. vgl. Giogiogs-la-Sarra a.a.O., der den Nach-
weis flihrte, dass sie anmöglich sich mit den andern Urk. in Einklang
bringen Hesse. Man kann in ihr nur eine nachträgliche Bestätigung er-
bUcken.
16
an den Grafen Gerard von Metz abgab, der ihn seinerseits an
Fruttnaria schenkte.*) Im Jahre 1014 besass Frnttnaria Guter
in den Grafschaften und Episcopaten Ivrea, Turin, Yereelli,
Novara, Mailand, Pavia, Asti, Aqui, Alba, Albenga, Savona
nnd Tortona;^) später kamen Grundstücke in den Comitaten
Ferrara und Aosta hinzu.^)
Mit dem materiellen Wohlstande wuchsen die Kirchen -
und Reliquienschätze. Natürlich waren Mönche aus St. Benigne
nach Fruttnaria geführt worden; sie brachten Bücher, Märtyrer-
gebeine und kirchlichen Schmuck mit.^) Neben zahlreichen
andern Reliquien rühmte die Abtei sich derer der Heiligen
Tibuiiaus, Agapit, Alexander und Julian.^) Die eifrige Pflege
der cluniaccnsischen Gewohnheiten, die Wilhelm hierher ver-
pflanzte, führte zahlreiche Mönche nach dem neuen Kloster.
Im Jahre 1014 besass die Abtei fünf Zellen oder Obödienzen
in Asti, Navigena, Quaranta, Cavalliaca und Pademo.^) In
der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts stieg ihre Zahl auf
etwa dreissig, während bereits zu Wilhelms Lebzeiten in Frnt-
tnaria selbst angeblich hundert Mönche Gott und den Heiligen
dienten.'^)
2. Die Erhebung Burgunds.
I.
Genau zur selben Zeit, als König Heinrich in Gefahr
schwebte, durch die Erhebung Arduins einen wichtigen Teil
des Reiches zu verlieren, hatte auch Robert von Frankreich,
der seinem Vater 996 als alleiniger Herrscher gefolgt war, den
Verlust eines Herzogtums zu befürchten, das sich seit längerer
>) Urk. bei Giiichenon, Bibl. Scbus. II, 81 ; Levis p. XLVII u. XLVIU.
Beide Urkunden vom selben Tage Metis ptiblice HL Non. Febr.
«) Urk. Heinrichs 11. v. 1014, St. 1621.
8) Urk. Heinrichs III. v. 18. April 1055 bei Guichenon II, 74; St. 2470.
*) Chron. S. Ben. p. 155.
'^) Urk. Otto Wilhelms und seines Sohnes Rainald vor 1023 (Levis
praef. p. XLVI) : ubi inter phirimas 8anctorum coüectas reliquiaa beatorum
JHbtirtiif Agapitij Älexmidri atque Inliani venerantur patrocinia.
«) Urk. Heinrichs II. v. 1014.
') Chron. S.Ben, p. 155.
17
Zeit im Besitz seines Hauses befand. Als nämlich am 15. Octo-
ber 1002 Herzog Heinrich von Burgnnd, der Oheim des Königs,
das Zeitliche gesegnet hatte, machte Otto Wilhelm, der Adoptiv-
sohn i) Heinrichs, Ansprüche auf die Erbschaft. In beiden
Fällen, in Italien wie in Bargnnd, war es also dasselbe dy-
nastische Interesse, das sich gegen die Centralgewalt erhob.
Fanden wir den Abt Wilhelm von Dijon dort auf Seiten seines
Verwandten Ardnin, so lieh er hier dessen Vetter seinen Bei-
stand. Indem wir den bargnndisehen Grafen für die Gründung
von Fruttnaria eintreten, den italienischen König dem Mntter-
kloster St.-Bänigne Gutes erweisen sehen, malt sich leicht
das Bild eines gewissen Znsammenhangs beider Kämpfe: denn
es ist dieselbe Partei, die gleichzeitig dem deutschen Könige
Italien, dem französischen Burgnnd streitig macht
Wie ein Mann war der ganze burgnndisehe Adel bei
Otto Wilhelm.^) Die Städte und Burgen Heinrichs schlössen
sieh dem Könige.^) Der Gegner hatte es verstanden, seine
Stellung durch verwandtschaftliche Verbindungen zu stärken.
Dass er Ermentrud, die Witwe des letzten Grafen von Mäoon,
Alberichs II, heiratete, gab ihm die Gewalt über diese Graf-
schaft und die Grafschaft Burgund.^) Antun und Auxerre, die
Comitate Heinrichs, verteidigte er jetzt gegen Robert^) Nevers
besass er ebenfalls; er stattete seinen Schwiegersohn Landrich,
einen wilden und kühnen Ritter, damit aus. Er und Bischof
Bruno von Langres, der Schwager Otto Wilhelms, der Bru-
der Ermentruds, waren seine festesten Stützen.^)) Nur über
^) Gbron. S. Ben. ed. Bong&ud p. 134: succesaor Hinrici ducis et heres;
p. 163: qui eum hco ßii adoptavit Eine ausführliche gut geschriebene,
aber nicht immer kritische Schüderung dieser Kriege giebt E. Petit, Bist,
des dncs de Boorgogne de la race cap^tienne I (Paris 1885), p. 67—87.
') Rod. Glab. II, c. 8: habens (rex) secum Hugonem eitisdem urbis
pontificem solum ex omni Burgundia parti regis faventem.
') a.a.O.: nolentes eum suscipere in civitatibus et caatris, quae fue-
rant ducis Menrici.
*) Vgl. Excurs I.
^ Pfister, Etndes p. 256.
*) Bod. Glaber II , c.8. Jedenfalls ist Landrich vor 990 oder 991
Graf y. Nevers geworden; vgl. Ann. Nivem. 991: Hoc anno fuit magnum
beüum inter Landricwin comitem et Archibaldum 2. Idus Augustiy die Martis;
der 12. August indes nicht 991, sondern 990 ein Dienstag.
Saekar, Gluniacenaer. II. 2
18
Chalon verfligte er niebt, auf das er als Enkel des letzten
Grafen gegen dessen Sohn Ansprüche erhob, den Bischof
Hugo von Auxerre, der trotz seiner geistlichen Würde vom
Könige mit der väterlichen Grafschaft belehnt worden war.^)
Namentlich Bruno, dessen hartnäckige Thatkraft in der Ver-
folgung der Feinde auch urkundlich gerühmt wird, 3) galt als
der Hort der Freiheit Burgunds. So lange er lebte, sagt der
Chronist, vermochte Robert nichts auszurichten , so oft er durch
Raub und Brand die burgundischen Gefilde verheerte.^) Mit
diesen Männern stand Wilhelm in Verbindung; er galt sogar
ganz besonders als Ratgeber Brunos in dessen königsfeind-
lichen Unternehmungen. Natürlich richtete sich Roberts und
seiner Gemahlin Constanze ganzer Zorn auf ihn. Sie drohten
seine Klöster zu brandschatzen. In der That entriss ihm der
König, der Bruno gegenüber machtlos war, später die Abtei
Montier- Saint -Jean.^) So weit war es gekommen, dass der
mönchsfreundliche Robert gegen französische Reformklöster mit
Gewalt vorgehen musste.
Das erste Mal kam er im Bunde mit den Normannen
Ende 1008 nach Burgund und lagerte Anfang November vor
Auxerre, dessen Bischof allein von der Sache des heimischen
Adels sich getrennt hatte und sich jetzt beim Könige einfand.^)
») Vgl. Excurs I.
') Vgl. die Urk. des Abtes Dudo v. Montierender (Coli. Moreau XX,
fol. 226): Bruno preaid egregius Dei iustitiam faciendam paratiasimus et
ad debeUandos superbos opinatissimtis . . . quam omni vite aue tempore ah
omni direptione et hoatium pervasione immunem servavit.
') Ghron. S. Ben. a. a. 0. p. 173 : Quamdiu vixitf ita Burgundiam patro-
cinando protexit atque defendit, etc. . . . nihil in ea retinere potuit, quam-
dit* Bruno epiacopus viant.
*) Rod. V. Wilh. c. 10; Chron. S.Ben, p. 173.
^) Das Chron. Autissiod. hat zu 1005: Anno MV. Bobertua rex dvi-
totem Autiaaiodonmi obaedit in vigilia aancti Martini IV. Id Novembris,
So hat Hirsch, Heinrich IL I, 386 diese Jahreszahl angenommen. Indes
setzen sowohl die Hist Franc. Senon., SS. IX, 869, als Odorann in der
Chronik von Sens (HF X, 165) die Belagerang von Auxerre ins Jahr 1003
und dasselbe geht aach ans Rod. Glab. U, c. 8 hervor, wo dieses Ereignis
an den Tod Heinrichs mit den Worten: SequenH denique anno ange-
schlossen wird. Femer aber stimmen sftmmtiiche Quellen darin überein,
dass Auxerre früher als Avalen belagert wurde. Vor dem letzteren Orte
war aber der König im August 1005 (vgl. unten S. 19, n. 2), wlihrend er
19
Hoeh oben auf dem Castell des hl. Germanns, in dessen
Mauern sieh das Kloster befand, leitete Landrich die Verteidi-
gung. Abt Heldrieh, dessen wir früher gedachten, musste auf
Verlangen des Königs die Burg verlassen, auf der nur acht
Mönche zur Bewachung des Heiligen zurttckblieben. Es ge-
schah das auf den Rat Odilos von Glnni, der herbeigekommen
war, um die Eintracht der Fürsten und den Frieden wiederher-
zustellen, sowie um dem Könige Anerkennung zu verschaffen.
Es gelang ihm jedoch nicht, die Verbündeten vom Sturm auf
das Gasten abzuhalten, obgleich er den König und die Fürsten
tadelte; erst der hartnäckige Widerstand der Belagerten, die
unter der Gunst des Himmels fochten ,i) nötigte den König
zum Rückzüge, der unter grossen Verwüstungen erfolgte.
Günstiger lief der zweite Feldzng ab, den er im Sommer
1005 unternahm. Drei Monate belagerte er Avalen und end-
lich zwang die Belagerten der Hunger ihn aufzunehmen. Am
25. August finden wir Graf Otto Wilhelm und den Bischof
Walter ^on Autun im königlichen Lager vor der Festung;^)
sie intervenierten für Wilhelm von St.-Bänigne und es scheint,
nach der Chronik von Auxerre diese Stadt erst am 10. November 1005 be-
lagerte. Die Urk. v. 25. Aug. 1005 (HF X, 515) beweist nan aber, dass da-
mals der Friede schon abgeschlossen war oder eben wurde. Pfister,
Etudes p. 259 nimmt zwei Belagerungen von Auxerre an, eine 1003 und
eine 1005, kommt aber zu künstlichen Annahmen. Willkürlich datiert
Wagner, Das Geschlecht der Grafen Yon Bnrgund S. 19 die Belagerung
von Auxerre auf 1004. Wie aber, wenn die Zahl im Ghron. Autiss. apo-
kryph w'äre? Das Ghron. Autiss. geht nämlich auf eine Annalenreihe zu-
rück, die am Bande einer Ostertafel ^im God. Paris, lat 5253 steht Dort
liest man f. 62' oben am Bande: Retro anno V, Boibertua rex civitaU AtUis-
siodero ohsedit vigilia mncti Martini IUI. Idus Novembris. An der Seite
steht von jüngerer Hand in arabischen Ziffern: 1005. Nun fftngt die Seite,
auf der das Galendarium beginnt, mit MVU an; wenn man von dieser
2jahl, über der die obige Notiz sich findet, fünf Jahre zurückreohnet, kommt
man auf 1003. In dieses Jahr ist also auch nach dem Ghron. Autiss. die
Belagerung zu setzen.
1) Bod. Glab. Ü, c. 8; Gesta abb. S. Germani o. 1 ; Gesta poni Autiss.
wohl aus Bod. Glab.; vgl. N. Arch. XIY, 408; Bist Franc. Senon. SS. IX, 369.
*) Urk. bei HF X, 515; P^rard, Becueil de plusieurs piöces curieuses
servant & l'hist de Bourgogne, Paris 1619, p. 171: Actum apud Ävaionem
coitnun in obMiane, F&lschlich bezieht Petit S.80 die von Bod. Glaber
II, c. 8 bezüglich St Germain erzählte Geschichte, nach der gleichzeitig
mit dem Siege des Königs ein Münch die Messe celebrierte, auf Avalou.
20
dass damals der Friede dem Abschlags nahe war. Vielleicht
hatte ihn der Abt vermittelt. Der Krieg hörte auf und Wil-
helm von St.-Bänigne blieb weiter in der Gunst des Königs.
So bestätigte im nächsten Jahre Robert auf Bitten des «sehr
tenern und getreuen Grafen Otto'' gelegentlich der Zusammen-
kunft mit Heinrich II. an der Maas die Schenkung eines Dienst-
mannen Letbald an St-B^nigne i), und am 80. Mai 1006 ge-
dachte er Wilhelms mit Bewunderung in einer Urkunde fttr
F6camp in der Normandie, wo Robert sich zur Zeit aufhielt^)
n.
Wie die italienische Adelsbewegung im Jahre 1014 noch
einmal in Fluss kam, so folgte der burgundischen Erhebung
am Anfange des Jahrtausends im Jahre 1014 ein letzter Auf-
stand gegen den französischen König. Leider entziehen sich
die Zusammenhänge unserer Kenntnis; wir vermögen nur an-
zugeben, dass, so lange Bischof Bruno von Langres lebte,
die Grafschaft Dijon im Widerstände gegen den König geblie-
ben war. Die Burg Dijon, unter Lothar karolingisches Königs-
gut,^) dann im Besitz der Bischöfe von Langres, war schliess-
lich als Lehen an den Grafen Hugo von Beaumont gelangt,
der ihre Verteidigung und die Verwaltung des Gebietes einem
vornehmen Edelmann Humbert Mailly wiederum zu Lehen
gab. Er und sein Verwandter, der Vicegraf Wido, genannt der
Reiche, von Dijon, wehrten sich aufs hartnäckigste gegen den
König, ^) der in ohnmächtiger Wut die Umgegend verheerte.
Wilhelm aber hatte seine Mönche in benachbarte Klöster ver-
teilt, einige mit den Büchern und dem Klosterschmuck in der
Burg und der St. Vincenzkirche untergebracht. Nur wenige
waren zum Schutze der Abtei mit Odilo von Gluni, von dem
man Einfiuss auf den König erhoffte, zurückgeblieben. Endlich
der zerstreuten Mönche wegen soll der fromme Fürst unverrich-
1) HF X, 589; vgl. Bd. I, S. 265.
*) HF X, 587: et divina Providentia repertwn domnum Chuiüelmvm
abbatem.
') Vgl. Witte, Lothringen in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
S. 19; Lot, Les demiers Carolingiens, Paris 1891, p. 33 n. 2 und p. 331.
«) V. Gamerii bei P^rard p. 126.
21
teter Sache nach Franeien heimgekehrt sein^): eine Legende,
die zu seinem sonstigen Verhalten den Klöstern gegenüber im
Kriege wenig passi
Die Bnrg, in der der König nichts ansrichtete, so lange
Brano lebte, kam schliesslich doch in seine Gewalt. Bis zu
seinem letzten Atemzuge war jener der erbittertste Gegner
Roberts geblieben. Als er aber am 30. oder 31. Janaar, wahr-
scheinlich 1016, starb, trat sein Nachfolger Lambert dem
Könige die Herrschaft ab; man erzählte sich, als Preis ftlr
seine Erhebung zum Bischöfe.^) Es war jedenfalls nach der
Ordnung aller dieser Angelegenheiten, als König Robert in
Dijon auf Bitten Hugos von Ghalon die Rechte der Abtei
St-Bönigne mit deutlicher Anspielung an den eben beendeten
Krieg bestätigte und vermehrte.^)
In der nächsten Zeit gelang es Robert, der offenbar nicht
*) Ghron. S. Ben. p. 173; Petit p. 82 setzt die Belagerang von Dijon
irrtümlich ins Jahr 1005 und verbindet sie mit dem ersten Feldzuge.
>) V. Garnerii a. a. 0. Der Tod Brunos wird im Ghron. S. Ben. ge-
setzt: MXYI aecundo Februarii peractis in epiacopatu annis XXXV und
in dasselbe Jahr der Belagerung von Dijon. Ebenfalls ins Jahr 1016 setzen
die Annales S. Ben., die von der Chronik abhängen, den Tod. Das Necrol.
S. Ben. bei Montfancon, Bibl. Mss. n, 1166 ff. giebt den IIL Kai Febr.,
also den 30. Januar. Diesem Todesjahr scheint einiges zu widersprechen.
Entgegen steht eine Urk. Roberts IL v. 25. Jan. 1015 oder 1016 in Dijon
(also nach der Einnahme), auf Intervention Lamberts ausgestellt, die aller-
dings stark verdächtig ist und von Pfister, Regestes de Robert nr. 49 für
unecht erklärt wird. Ich halte indes für möglich, dass die Unterschriften
teilweise erst nachträglich hinzugefügt wurden. Da das angebliche Ori-
ginal noch vorhanden ist, käme es vor allem auf diplomatisch-paläogra-
phische Prüfung desselben an. Wenn Pfister aber die Urk. auch deswegen
anzweifelt, weil Graf Hugo von Ghalon im Text c%uto8 oder provisor von
St. Benigne heisst, so verweise ich auf Ghron. S.Ben, p. 181, wo er pro-
tector et advocatus huiua loci genannt wird. Dasselbe Privileg mit einigen
Abweichungen ist bereits in dem um 1052 verfassten Ghron. S.Ben, p.180
benutzt Da also in unserer Urk. die Möglichkeit einer späteren Verfäl-
schung immerhin vorliegt, muss sie bis zu genauerer Prüfung zurückge-
stellt werden. Lambert kommt ausserdem bereits in einer Urk. Bened. VIII.
für Fruttuaria v. 3. Jan. 1015 unter den subscribierenden Bischöfen vor,
J.-L. nr. 4007. (Vgl. oben S. 14.) Da aber auch eine von Pfister S. 263, n. 1
angeführte Urk. v. Mai 1018 anno ... ^iscopatus domini Lamberti IIL
datiert ist, halte ich am Jahre 1016 fest
3) Petit I, p. 346, Pieces justif. nr. 6.
Zweites Capitel.
Die französischen Reformen unter König
Robert.
1. Kirchliche Zustände.
Die Regierung König Roberts ist ein beständiges Ringen
mit den aufrührerischen Adelsgewalten um Herrschaftsrechte.
Wie sie danach trachteten, ihre Selbständigkeit dem Sohne
Hugo Capets gegenüber zu wahren und zu erhöhen, so hatte
dieser keine grössere Aufgabe, als die königliche Herrschaft
nicht nur nominell, sondern auch thatsächlich zur Anerkennung
zu bringen. Es war doch ohne grosse Bedeutung, dass die Her-
zöge von Aquitanien und der Normandie ihm bereitwillig die
königlichen Ehren erwiesen und dem Könige als ihrem Lehns-
herrn huldigten, wenn sie in ihren Ländern so gut wie selb-
ständig herrschten. Die Wahl und Investitur der Bischöfe hatte
das Königtum schon im zehnten Jahrliuudert nicht nur in die-
sen Gebieten 9 völlig an die localen Gewalten verloren, son-
dern auch in der Bretagne und in der Touraine machten die
angesessenen hohen Geschlechter Robert die erheblichste Con-
currenz.2) Nur in Bourges gelang es ihm schliesslich, aber
auch nicht ohne Widerstand, durch die Erhebung seines Halb-
bruders Gauzlin das Investiturrecht zu behaupten und so einen
0 Vgl. Imbart de la Tour, Les ^lections ^piscopales dans T^iise de
France du IX« au Xlle siecle, Paris 1891, p. 247 ff. 250 ff. üeber die Ver-
hältnisse der Gascogne, der Grafschaft Toulouse und Gothiens, sowie der
spanischen Mark vgl. de la Tour p. 253 — 259. Ueberall hatte hier das
Königtum seinen Einfluss auf die Bischofswahlen verloren.
'^) Vgl. Pfister p. 179 ff.; Imbart de la Tour p.248.
25
gewisBen Einfluss bis nach Aqaitanien zu wahren.^) Während
die eanonigeh vorgeschriebene Wahl durch Cleras und Volk
von nur untergeordneter Bedeutung war, hatten die Laien-
gewalten in den meisten Fällen die Entscheidung. Ihre Herr-
schaft äusserte sich in der Vergebung der geistlichen Aemter
nach Gunst und auf Grund materieller Vorteile. Fiscalische
Gesichtspunkte vertraten die rein kirchlichen Interessen; nicht
die Person, sondern die Zahlungsfähigkeit des Bewerbers gab
den Ausschlag. Vom Könige 2) bis zum niedrigsten Geistlichen
wurde die Eröffnung neuer Einnahmequellen von massgeben-
der Wichtigkeit.^) Der Bischof, der sein Amt kaufte, trachtete
darnach , durch Verkauf der niederen Weihen und Aemter den
Verlust und die Ausgabe zu decken.^) Es war nur eine Sophi-
sterei, wenn man dieses uncanonische Verfahren durch die
Theorie zu verteidigen suchte, dass nur der Altar dem Heiligen,
die Kirche irgend einem Herrn gehöre, und somit, wie jedes
andere Object, den Bedingungen des Erwerbslebens unterliegen
könne. Aber je mehr der Verkauf der geistlichen Aemter
um sich griff, sobald er einmal eingerissen war, desto stärker
regte sich der Widerspruch derjenigen, deren Kritik überall
an den wunden Stellen des öffentlichen und kirchlichen Lebens
einsetzte.^)
Konnte sich Odo von Gluni diesem Vergehen gegenttber
noch mit einigen gelegentlichen abfälligen Aensserungen be-
gnügen ,<^) so war der Missbrauch, der mit dem Verkauf geist-
1) Falberti epist. 71 (Migpie 141, 236). Im 10. Jahrhundert wird des könig-
lichen Einflusses bei den Wahlen der £rzbischöfe von Bourges nirgend
Erwähnung gethan. Dagegen machte sich der des robertinischen Hauses
in dieser Zeit bemerkbar; vgl. Imbart de la Tour p. 246.
^) Vgl. Rod. Gl. II, c. 7; Luchaire, Institutions monarch. II, 72.
3) Vgl. Acta Cenom. HF X, 886 n. 6; Chron. S. Petri b. Dum, Bibl.
de TYonne II, 508.
*) Vgl. Rod. Gl. II, c. 7.
*) Vgl Rod. Gl. II, c. 7; vgl. Adem. III, c. 57: Post mortevn deniq^ie
supradicti epiacopi Criraldi decertahant prindpes Lemovicenses pro episco-
patu cum simonidca heresi pontificatum vindicare conati.
^ Coli. II, c. 29; III, c. 2. 3. Ebenso unergiebig sind in Bezug auf
diesen Punkt die Cluniacenserviten. Nur ganz gelegentliche Andeutungen
über dieses Uebel in loh. Y. Od. I, c. 37: ne ... videatw ex iÜis esse^ qui
donwn sancti spiritua emere aut vendere non verentur; Syri V. Maioli HI,
c.8 und V.Abb. clO. 11,
26
licher Aemter und Amtshandliingen getrieben wurde, gegen
Ende des zehnten Jahrhunderts so gestiegen, dass die einen
schon kein Vergehen mehr darin erblickten, 0 die andern nur
mit Schrecken den simonistischen Aassatz alle Kreise erfassen
sahen. Wie um dieselbe Zeit, vielleicht durch Gerbert, eine
ältere Schrift des Ambrosins über diesen Gegenstand eine Neu-
bearbeitung erfuhr,^) so erhob sich damals Abbo von Fleury in
seiner an die Könige gerichteten Denkschrift in eingehender
Ausführung gegen das Uebel. Zwei falsche Voraussetzungen,
meinte er, hätten zu jener unheilvollen Praxis geführt, einmal
die Annahme, dass eine bestimmte Kirche überhaupt jemandem
zustehe ausser Gott, woraus das Recht des Verkaufes herge-
leitet werden könnte, sodann die Theorie, dass der Altar dem
Bischöfe, die Kirche irgend einem Herrn gehöre, während der
geweihte Baum und der Altar eine Einheit bilde, wie Leib
und Seele.^) Jede Kirche aber stelle die allgemeine Kirche
dar, die Niemandes sei, denn Gottes. Denn Christus habe zu
Petrus gesagt: „Auf diesem Fels werde ich meine Kirche er-
bauen': so sei dieselbe auch nicht die Kirche Petri, und ebenso
wenig hätten seine Nachfolger das Becht, sie fllr sich in An-
spruch zu nehmen. Abbo war unter den Führern des franzö-
sischen Mönchtums der einzige, der die Simonie literarisch an-
griff. Mag man sich öfter in Mönchskreisen ^) und auch in dem
engeren Kreise der Cluniacenser heftig dagegen ausgesprochen
haben, so waren diese doch viel zu sehr durch Bücksichten
gebunden , um sich an die practische Bekämpfung eines Uebels
zu machen, dessen Wurzeln gerade an den Höfen lagen.
Auch abgesehen von der herrschenden Simonie finden
wir in dieser Zeit in Frankreich Zustände, die den italieni-
schen in mancher Hinsicht sich nähern. Wir begegnen auch
hier mehrfach verheirateten Bischöfen,^) die ihre Kinder mit
0 Abb. Apologeticus, Migne 141, 466: de qwi re adeo conauetudo in-
olevitf tU hoc iam credatur sine peccato fieri; ganz ähnlich später in der
V. Petri Damiani c. 16, Migne 144, 133.
>) S. J. Harttang, N. Arch. I, 593.
3) Dasselbe ftthrt er in dem Briefe XIV ad G. aus.
*) So Rodulfus Glaber, dessen Aeosserungen H. Kuypers, Stadien
über Rudolf den Kahlen, MUnst Diss. 1891, S. 62 f. zosammenstellt.
*) Acta archiep. Rothomag. bei Mabiilon, Vetera Anal. U, p. 438 von
27
Kirehengpat ausstatteten und mitunter auch so in Verlegenheit
gerieten, dass sie das Pfrttndengnt der Chorherren einzogen
und diese vertrieben. In andern Fällen sogen Scharen von
ttberfittssigen Bedienten ^ die mit dem Verlust von Leibeigenen
wie in Italien an Zahl wuchsen, das Kirchenvermögen in einer
Weise aus, dass es selbst einem Manne wie Fulbert von
Chartres schwer wurde, seinen Verpflichtungen in Bezug auf
Armen- und Krankenpflege nachzukommen.^) Der niedere
Clerus, der moralisch auf sehr niedriger Stufe stand,^) war
durchweg verheiratet: es war ein stillschweigend gebilligter
Zustand.') Aber auch im höheren war das Znsammenleben
mit Frauen so sehr eingewurzelt,^) dass das Concil von Bourges
im Jahre 1031 eine Beihe älterer Canones wieder auffrischte,
indem man den in Franengemeinschafl; lebenden Glerikem bei
Strafe der Absetzung die Entlassung der Frauen gebot und
die Beförderung zum Archidiacon von dem Versprechen, nie
eine Gattin oder Concnbine zu halten, abhängig machte. Man
schloss Clerikersöhne von jeder geistlichen Würde aus und
Robert von Rouen: quamplurimos filios procreavit; vor seinem Tode
erst: Feminam enim rdiquit. Ueber die Verheiratung Barchards III. von
Lyon vgl. Gisi im Anz. f. Schweiz. Gesch. 1883, S. 809 ff. Aach Enbischof
Amalf von Tours war wohl verheiratet Wenigstens findet sich unter
einer Urk. im Liber de servis nr. 44 (Pablications de la soci^t^ arch. de
Touraine XVI, 43) die Unterschrift: Bainaldua gener archüpiscopi.
») Fulberti epist. 57.
>) Beispiele von Diebstahl seitens der Hofgeistlichkeit bei Helgaud
c 4. 9. 16.
') Vgl. Abbonis Apoiogeticas.
*) Belege: Acta conc. Lemov. bei Labbe IX, 906; Migne 142, 1396:
et (üii qui dua» uxores ante diaconatum hahuerant Ein sehr lehrreiches
Zeagnis bietet eine Urk. im Liber de servis nr. 49 a. a. 0., in der der Abt
Albert von Marmoutier einem Hörigen die Freiheit giebt und ihn znm
Cleriker weiht: Praeterea ut caate se agat et ptidicitiam tiAeatwr; et si ad
ordines ecclesiasticos promotus fueritj nunquam ausu illicito mulieri aocietw,
turpi cupidine iüectMa et nefaria temeritatey skwt nonnuüif deceptuSf qui
püblicis fronte perdita nuptiis contra ins fasque uxoribus sacrüegia immo
$ceie8tioribu8 aduUeris copuUmtwr ( 1 032 — 1 064) ; vgl. nr. 7 1 . Sodann : Chartes
poit. de l'abbaye de Saint-Fleurent nr. 51 (Arch. bist, de Poitou II): annuente
non solurn coniuge presbiteri Qirberga nomine etc. ; Marchegay, Archives
d'Anjoa II, p. 28: Äirardi qtwndam praepositi filiam. Die Verheiratung
burgundischer Cleriker weist nach Gisi im Anz. für Schweiz. Gesch. 1885,
Heft 3, S. 401.
28
versagte denen, die sie bereits hatten, jede höhere Weihe.
Man bestimmte endlieh, dass niemand seine Tochter einem
Priester znr Frau gäbe oder dem Sohne eines solchen, und
untersagte, dass jemand die Tochter eines Clerikers heirate.0
So suchte man die Familien der Geistlichkeit vollständig zu
isolieren.
Die tiefe Zerrüttung, in der die Weltgeistlichkeit sich be-
fand, nahm ihr die Fähigkeit, kräftig und geschlossen der
Laienbevölkerung zu begegnen, die an den morschen Pfosten
der kirchlichen Hierarchie rüttelte. Während die Bischöfe die
Hilfe des Grafen 2) oder des Königs oft vergeblich anriefen
und genötigt waren, in eigener Person gegen den Adel zu
Felde zu ziehen ^) oder mit Söldnerheeren ihren Besitz zu ver-
teidigen,^) begannen die Burgherren wie die Bauern auf dem
Lande sich gegen die bischöfliche Jurisdiction und die sacralen
Rechte des Episcopats aufzulehnen. Zum grössten Verdruss
des Bischofs zog der excommunicierte Edelmann nach Rom,^)
0 Acta concil Bituric. c. 3. 5. 6. 8. 10. 19. 20.
') Fulb. epist. 32: necesaario mihi conveniendus estprimitus Odo comes,
^) Beispiele für diese Zeit Ademar III, 42; Hermann. Aug. a. 1036;
Hugonis archiep. Türen, epist. an Hubert von Angers, HF X, 499. Von
Arnulf von Orleans heisst es Mirac. S. Bened. II, c. 19: quia eidem viro
viribtus 'armatorum ohdti difficile eratj cum ipse muUis saeculari potetitia
praeditis regibus quoque persaepe restitisse comprobetur.
*) Fulb. epist. 1 12 an Hildegarius: Tyrannos potitts appeUabo^ qui belli-
eis occupati negotiiSy tnuUo stipati latus milite, solidarios pretio conducu7it;
epist. 113: Atulivi enim de quibusdam episcopis .. . quia saeciäaria arma
awplectuntur et niilitares copias pretio conducunt; cf. Pfister, De Fulberti
vita p. 56. Diese Stellen sind Spannagel, Zur Geschiebte des deutschen
Söldnerwesens, Leipziger Diss. 1885, entgangen; ebenso ist das Vorkom-
men italienischer SOldner in Venetien Ende des zehnten Jahrhunderts
nicht nur durch Petrus Damiani, sondern durch das zuverlässigere Chron.
Venet. SS. VII, 25 gewährleistet
») Fulb. epist. 84. Ein Graf Rodulf hatte die Kirche Chartres ge-
schädigt und war vor den König gerufen, nicht erschienen. Daher hatte
ihn Fulbert excommuniciert: Nunc vero ad liniina sancti Petri contefidity
tanquam ibi possit accipere de peccatis absoluiioneffij unde venire non vuU
ad eniendationem. Acta concil. Lemov. a. a 0.: Rursum in concilio con-
quiaitum est de excommunicatis Aquitagenis, qui ignorantibus episcopis
suis a lUntiatio papa poenitentiam et absoUUionem accipiunt. Als Beispiel
wird erzählt: Stephanus Arvemensis praesul ante kos annos Pontium comi-
tem Arvemenseni excommunicatio^ie obstrinxit pro uxore legitima, quam
29
wo der Papst, über die Grttnde der Kirehenstrafe nicht unter-
richtet, um 80 mehr geneigt war, den Schuldbeladenen vom
Banne loszusprechen, als er sich hüten musste, die Sache irgend
einer Person zn vernachlässigen <) und seine Autorität im Aus-
lande aufs Spiel zu setzen. Nicht als ob es sich hier um
einen prinzipiellen Gegensatz zwischen der universalen Binde-
und Lösegewalt gegen die bischöfliche Jurisdiction gehandelt
hätte: die Bischöfe erkannten vollkommen an, dass der Papst
die höchste richterliche Gewalt in Kirchensachen habe,^) nur
sollte der richtige Instanzenweg inne gehalten werden, nur
sollte der römische Bischof nicht ohne Wissen der Bischöfe
und ohne Kenntnis der Grttnde der Kirchenstrafe diese auf-
heben.3) Das Recht dazu bestritt ihm zwar niemand: aber
wohin sollte es führen, wenn der Spruch des Papstes das ein-
zig wirksame Strafmittel der Bischöfe einfach illusorisch machte?
Und dieser Gesichtspunkt wurde von der Curie so sehr aner-
kannt, dass der Papst selbst — wir wissen leider nicht, ob
Benedict VIII. oder Johann XIX. — - die Bischöfe aufforderte,
ihn in jedem Falle von der Verschuldung des Excommunicierten
zu unterrichten.^)
Geht daraus deutlich hervor, dass es sich damals keineswegs
um einen prinzipiellen Streit zwischen dem Episcopat und dem
römischen Stuhl gehandelt hat — in der Sache war man voll-
kommen einig — , so ist doch nicht zn leugnen, dass der Laien-
adel thatsächlich mit Vorliebe die Wege einschlug, auf denen
er sich am bequemsten der lästigen Aufsicht der Bischöfe ent-
dimiserat et aliam duxercU. Quem cum nidla ratione veüet absolvere nisi
emendatum, comes Bamae a domno papa absolutionem acc^it, ignorante
papa eum excommunieatum. Ein von Roho v. Angouldme Excommanicierter
pflgert ebenfallB nach Rom.
0 Acta coneU. Lemov. bei Migne 142, 1598.
*) Acta concil. Lemov.: ludicivm enim totius ecclesiae maasime in
apostolica Bomcma sede canatat. Bei einer andern Gelegenheit erklärte
der Enbischof von Bonrges aaf demselben Concil: Borna testificatur ecck'
noy cui oantradicere nefaa est. Auch Folbert von Chartres sagt in seinem
Briefe: Proinde totus mwndus ad te convertit oculos teque unum omnes
beatisnmwn praedicant .., cui toHua ecclesiae cwra commissa est,
*) Acta conciL Lemov. a. a. 0. : Nam inconsuUo episcopo suo ab apo'
stolico poenitentiam et absolutionem nemini acdpere licet, Aehnlich das
Concil von Seligenstadt, Über das ich weiter anten gehandelt habe.
*) Vgl. Acta concil. Lemov. a.a.O.; ein Beispiel Fulberti epist. 84.
30
zog. Die strengen Ehegesetze, die eine Verheiratung inner-
halb des sechsten und siebenteli Verwandtschaftsgrades unter-
sagten,') die Unmöglichkeit einer Scheidang, wenn nicht auf
Grundlage des Ehebrnchs,^) forderten leicht die Kritik und den
Unwillen der Vornehmen heraus, während die Zehntenforde-
rungen, die ungünstige sociale Lage, die Fortwirkung der alten
antikirchlichen Gesinnung und dogmatische Einwirkungen ita-
lienischer Secten die landsässige Bevölkerung zum Aufruhr
reizten. Lebte die Kirche in einem beständigen Kampfe mit
dem Burgadel und dem weltlichen Grossgrundbesitz, so gährte
es fortwährend unter den Bauern einzelner französischer Pro-
vinzen, namentlich in Burgund. Die manichäischen Lehren
machten rasende Fortschritte. Die Gültigkeit der Ehen wurde
bestritten, die überirdische Begnadung des Priesterstandes ge-
leugnet, die Kreuzesverehrung, Altar- und Bilderdienst in den
Staub gezogen, die Lehren über Trinität, Taufe und Abendmahl
für unsinnig und überilüssig erklärt, der Heilswert der christ-
lichen Liebeswerke und kirchlicher Busse verworfen, die Ewig-
keit der Materie behauptet, die Zehntenzahlung verweigert^):
genug, es handelte sich um eine halb aufklärerische, halb
sociale Bewegung, die den Episcopat in grossen Schrecken
versetzte und zu einer radikalen Bekämpfung aufforderte. Je
fester die Verbreiter dieser Lehren an ihren Sieg, an die Be-
kehrung des ganzen Volkes glaubten,^) desto erklärlicher ist
ihre grausame Verfolgung durch die Kirche.
Während die Aufinerksamkeit der Bischöfe durch diese
Schwierigkeiten mehr und mehr auf das kirchliche Leben der
Laien gelenkt wurde,^) hob sich die Stellung der Mönche, die
^) Vgl. Concil. Biturio. c. 17; Abbonis Apolog. bei Migne 189, 463:
inter eo8 gut necdwn transierunt septimam generis lineam,
^ Vgl. Fulberti epist. 41. 42; Concü. Bituric. c. 16.
*) Vgl. Rod. Glaber II, c. 11 and III, c. 8; V. WazonU episc Leod.
e. 24; Acta synodi Atrebat. c. 25, Migne 142, 1269 £; Odoranni Opusc. X,
Migne 142, 819; Gesta synodi AureL, HF X, 636 f.; loh. Floriac. epist ad
Olibam abb., ib. p.498.
*) Bod. Gl II, c. 1 1 : in brevi ad se traasit partem nan modicam
vidgi; V. Wazonis c. 24: modico fermento nisi exterminentur, totam nuu-
8am posse carrumpi; Rod. Gl. III, c. 8: Dicebant nempe fort in proxvmum
in iüorvm scilicet dogma cadere populum Universum.
») Rod. Gl. UI, c. 3.
31
mitten in einer ländlichen Bevölkernng ganz anders geeignet
waren, im Volke zu wirken, als der Weltclerns der Bischofs-
städte. Sie drängten sich in alle Lebenskreise ein, sie fessel-
ten doreh ihre sociale Wirksamkeit zahllose Interessen an
sich, sie lernten an den Barghöfen verkehren und boten dem
gemeinen Mann Unterhalt für Leib und Seele. In ihnen lebte
das Höchste von religiöser Kraft; sie repräsentierten das
christliche Ideal am reinsten, das auf der einen Seite von der
religiösen Begeisterung so eifrig gesucht, als es auf der andern
vom nüchternen Materialismus mit Fassen getreten wurde. Im
Reiche der Ideen wirken stets die äussersten Gegensätze auf-
einander; es konnte gar nicht anders sein, als dass das Mönch-
tum die Führung der conservativen Interessen ttbernahm.
So ist es zu begreifen, dass der König ganz und gar von
ihm gewonnen wurde. Ein bigotter, durchaus beschränkter Fttrst
mit den Allttren eines Betbruders — im südwestlichen Frank-
reich nannte man ihn den Theosophen^) — , ein Mann, der
weder seiner Frau, noch den Vasallen^) Achtung abgewinnen
konnte, war er der geistlichen Democratie und ihrer biblischen
Beredsamkeit unrettbar verfallen. Schwärme von Mönchen
und Clerikem umgaben den König auf seinen Wanderzttgen
und bildeten seinen Hofstaat in den Pfalzen, hunderte von
Annen wurden an den hohen Festtagen gespeist und beschenkt^)
In allen Königssitzen erhoben sich Mönchsklöster oder Col-
*) Urk. y. Sept. 999 bei Besly, Bist des comtes de Poitou p. 268 :
regnante Botberto rege theoaopho,
') Falb, epist 95 an Fulco von Anjou: Tom horrendo facinore prae-
sentiam domini regis tui dedecoravere sateUitea .. .; epist lliqui etiam
vaide contristatue est de ma vüit^xte, qwxm tbi »criptam invenit (an
Wilhelm von Aquitanien). Ferner Chron. Vindocin. (Ghroniques des
öglises d'Anjoa ed. Marchegay et Salmon p. 163) 966: simid cum Boherto
ßio 9W>, qium vidimu8 ipse inertissime regnanUm, a cuiu% ignavia
neque praesens Henricus regidus, filius eius, degenerat. Ueber seine Stel-
lung im Süden Frankreichs vgl Y. Abbonis c. 20, wo Abbo in La R^oUe
äussert: FoientioTy inquiens^ frnnc swn domvno nastro rege Framcorum
intra hos fineSf ubi nüUus eius veretur dominium^ tätem possidens domum.
GHesebrecht, Kaiserzeit II, 866 übersetzt anzutreffend: «Hier zu Lande bin
ich mit meinem Kloster mi&chtiger als der König, dem niemand ge-
horcht* Es ist nur von Aquitanien die Rede.
>) Helgaudi Y. Bob. c. 21. 25.
32
legiatstifter, verfalleDe wurden wiederhergestellt, zahlreiche
Kirchen wachsen auf seinen Befehl förmlich aus der Erde.
Dnrch ihn kam das Mönchtum anf die Bischofssitze, Männer
von niederer Gebart, deren Emporkommen der aristocratisehe
Episcopat mit instinctivem Widerwillen bemerkte.^) Es ge-
hörte in diesen Kreisen fast zum guten Ton, die Mönche zu
hassen; man wollte durchaus nicht für mönchsfreundlich gelten'):
so scharf hatten die Gegensätze in Frankreich sich zugespitzt
Das Mönchtum hatte dem Weltclerus überall den Bang abge-
laufen, am Königshofe wie an den Fttrstenhöfen, und in den
Herzen der Bevölkerung. Man kann die unvergleichlichen
Fortschritte des reformatorischen Mönchtums nicht besser er-
fassen, als indem man den weiteren Wegen der Klosterreform
nachgeht.
2. Die Klosterreformen im elften Jahrhundert.
Francien.
Schon im Jahre 994 war Majolus von Cluni nach Saint-
Denis berufen worden, um die alte berühmte Abtei zu refor-
mieren. Da er aber auf der Reise vom Tode weggerafft
wurde, unterblieb die Wiederherstellung des Klosters fQr die
nächste Zeit Seiner Güter beraubt und mannigfach bedrängt
lag der Ort brach ,^) bis König Hugo dem Nachfolger des
Majolus, Abt Odilo, die Ausführung des lange gehegten Planes
übertrug.*) Erst im Jahre 1008 aber,*) wohl auf der Synode
von Chelles,«) wurde der Prior von Cluni, Vivian, zum Abte
^ *) Rod. 61. III, c. 2 : Qiui de caum etiam primates regni sensit pluri-
mum contumaceSf qui despectis hwnilibus sui simües digebant superbos.
') Fulb. epist 35 : Comperi autem ex liiteris tuis tibi molestum esse,
qmd te monasticae vitae dixvmus amatorem.
3) Urk. für St-Denifi von 1008, HF X, 591.
*) Adern. III, c. 30 : Beati Dionisii coenobiumf quod iam pristinam
monasticam carruperat normam, rex Hugo regulari honestate restauravit
per tnanus venerabilis Odilonis abbatis,
<») Chron. S. Dionysü, Bibl. de Pecoie des chartes XL (1879), 275:
1008, Ordinatio donmi Viviani abbatis; Urk. v. 1008, HF X, 591: veneror
bilem virum dominum Vivianum iam superius sancto hco abbatem prae-
fecimus.
«) lieber die Synode von Cbeiles vgl. Pfister p. 66 ff.
33
von St -Denis erhoben. Aber er starb bereits nach seehs
Jahren.^) Odilo Übernahm von neuem die Leitung der Abtei,
gab sie Aher unter dem Druck des Alters und dem Wachsen
der Geschäfte wieder auf und ersuchte den König, einen Mönch
Albert, der von vornehmem Geschlecht, gelehrt und fromm war,
an seine Stelle zu setzen.^) Er ttberlebte Odilo nicht lange
und starb im Jahre 1049.')
Die grossen königlichen Abteien hatten nun sämtlich die
Einwirkung der Cluniacenserreform erfahren, bis auf die eine,
die in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt und der königlichen
Besidenz lag. Es ist bezeichnend und gewiss nicht zufällig,
dass St.-Denis und St-Germain erst verhältnismässig spät ihre
Thore den Beformmönchen öffneten. Die letztere Abtei, fllr
die König Robert eine ganz besondere Zuneigung hatte/) war,
nachdem die Normannen sie dreimal eingeäschert hatten, von
Abt Morand wieder aufgerichtet worden.^) Ihm folgte 1006
ein vornehmer Herr Ingo,<^) der seit 1002 in St-Martin von
Massay,^) seit 1015 auch in St-Peter in Sens^) die Abtwürde
bekleidete. Etwa zwanzig Jahre herrschten während seiner
Amtsführung weltliche Lust und weltliches Leben in den gott-
>) Ghron. S. Dien. 1014 a. a. 0.
>) Ein verstümmeltes Wahldiplom Roberts für Albert HF XI, 87g,
in dem bemerkt wird, dass Odilo wegen zu grosser Geschäfte die Abtei
abgäbe und dass der König mit Odilos WUlen erwählt habe quendam
numachum nomine Albertum, ipsim hei alumnum, regukuris institutionihus
apprime et fructuosis aetibiiSj nobilissimis ortum natalibus et tarn novi
quam veteria instrumenti detritum eruditiaribM.
') Ghron. S. Dion. 1049.
*) Vgl. die ürk. Heinrichs 1. v. 1058, HF XI, 697: Nostri enim patris
et praedecessorum auctoritcts erga praedictum locwm tanta condescentione
in quibwcunque necesse fuit annuit^ ut nihil paene foret, quod a noatra
m4ignificentia et nwnificentia impetrare non poaaet.
<») Vgl. Schnaase, Gesch. der bild. Künste IV, 565.
<) Ann. S. Germani minores a. 1006 (SS. IV, 4). Morands Todestag
ist der I.April, NecroL S. Germani bei Boaillart, Hist. de Tabbaye royale
de Saint-Germaln des Pr^s, Paris 1724, pr.CXI.
^) Ghron. S. Hart. Massiac. (Labbe U, 738) a. 1002.
^) Ghron. S. Petri Vivi bei Dom, Bibl. hist de TYonne ü, p. 500;
Helgaudi Vita Boberti (Migne 141, 911).
Sackur, Clnniacenier. ü. 3
34
geweihten RänmeD. Endlich, als er tot war,i) gingen Robert
nnd Constanze, seine Gemahlin, den Abt Wilhelm Yon Dijon
mit der Bitte an, hier Wandel zu schaffen.^) Höchstens filnf
Jahre, während deren der König gegen die adeligen Bedrttcker
des Stiftes vorging,») von 1026—1030*) leitete Wilhelm die
Abtei, die auch unter seinem Nachfolger Adrald hinsichtlich
der Disciplin auf der Höhe sich erhielt.^)
Auch in dem benachbarten Sprengel von Meaux fasste
Wilhelm von Dijon festen Fuss. Hier unterwarf Odo II. von
Champagne, der seit 1019 in dem Besitz der Grafschaft Meaux
war,<') dem Abte das Kloster des hl. Faro.*^)
In der Touraine hatte gegen Ende des zehnten Jahrhun-
derts die unter Odo von Cluni reformierte Abtei St- Julien die
Ftthrung. Ihrem Leiter, Abt Gosbert, gelang es noch mehrere
andere Abteien seiner Herrschaft zu unterwerfen, die er sehr
zum Aerger der Turoner auf Kosten des Juliansklosters be-
reicherte.®) Er war zweifellos der Abt G. des der Abtei Mar-
montier benachbarten Klosters, den Abbo von Fleury coabhas
nennt und auffordert, in den Zwistigkeiten, die in Marmou-
tier zwischen Abt Berner und den Mönchen ausgebrochen
^) Ingo starb am 29. Jan. 1 025, GhroD. S. Petri Vivi a. a. 0. p. 503 ;
Necrol. S. Germani bei Bouillart pr. CIX.
>) Ghron. S. Benigni p. 159.
>) Urk. Roberts bei Bouillart pr. XXIII.
*) In einer Urk. Roberts bei Bouillart pr. XXIV. XXV von 1030,
39. Jahr Roberts, erscheint bereits Adraudus. Pfister p. XL und LXXXV
datiert aber nicht richtig: 1031^ avant l«r mors, wozu die Regierungsjahre
nicht stimmen. Da Wilhelm auch sonst vor seinem Tode Aebte einge-
setzt hat, ist dies auch in St. Germain durchaus wahrscheinlich. Es fehlen
ausreichende Gründe zu den Interpretationen auf p. XL. Die Regierungs-
epoche ist hier der 29. März 991. Adralds Todesjahr 1061 geben die
Ann. S. Germani min. ; der Todestag XVIU. Eal. Sept. im NecroL S. Ger-
mani pr. CXVL
») Urk. Heinrichs L v. 1058, HF XI, 697.
«) Blümcke, Burgund unter Rudolf III. S. 88.
^ Chron. S. Ben. ed. Bougaud p. 159: Necnon et Odo comes pari de-
votione locum sancti Faronis in urbe Meldorum eidem commisit venerabili
patri; wenn Alberich von Troisfontaines (SS. XXIII, 777) diese Notiz zu
998 bringt, hat das natürlich gar keine Bedeutung.
^) Brevis bist. S. Juliani Turon. ad a. 984 bei Salmon, Ohroniqnes de
Touraine p. 228.
85
waren, wirksam einzagreifecJ) Sieht man, wie Abbq ihm
gegenüber Odilo von Glnni als den Bannerträger der ganzen
Religion bezeichnet, wie er ihn auffordert, die Brüder des
Nachbarstifts zu belehren, wie er ihn als CoUegen anredet, so
erkennt man die Solidarität jener drei Vertreter der cluniacen-
sisehen Beform. Kurz vor Abbos Tode ist Gosbert von Saint-
Julien wahrscheinlich Abt von Marmoutier geworden, als Ber-
ner den Angriffen seiner Mönche weichen musste.^)
In der Grafschaft Maine war es die Abtei La Conture,
die durch Gosbert neues Leben empfing. Von den Normannen
arg geschädigt, lag das Kloster unbewohnt, bis Graf Hugo,
ein der Mönchsreform geneigter Herr, an eine Wiederherstellung
und Ergänzung der Ruinen ging. Die Einrichtung übernahm
der Abt von St.-Julien, der auch hier um das Gedeihen des
materiellen Wohlstandes, um die Pflege benedictinischer Kloster-
zucht grosse Verdienste erwarb.^) Sein Nachfolger Ingelbald
hatte bereits den Abtstuhl bestiegen, als ein Vasall jenes Gra-
fen Hugo in Tuffiac im Einverständnis mit Ingelbald und seiner
Gongregation ein Kloster gründete, dem er mit Bewilligung
seines Lehnsherrn und des Diöcesanbischofs Avesgaud den
Mönch Hermenteus, der wahrscheinlich aus La Couture stammte,
zum Abt gab.^)
0 Abbonis epist VIII. ad G. abbatem.
') £r ist in Marmoatier 1004 and 1007 nachzuweisen; vgl. Gallia
Christ. XIV, col. 200. Nach dem Gartal. Toarangeau ed. Nobilleau, Toars
1879, einem Sammelwerk des 16. Jahrhunderts, das Analysen der Urk. mit
kurzen Angaben Über die Aebte und deren Siegel enthält, war Gausbert
von 1000—1007 Abt von Marmoutier. Offenbar unrichtig datiert ist eine
Urk. von angeblich 998, in der Gausbert als Abt erscheint (p. 9). In einem
Diplom von 1007 ist bereits Sichardus Abt von Marmoutier (p. 11). Im
Gartul. de Marmoutier pour le Dnnois ed. Mabille (Ghateaudun 1874) nr. 3,
p. 4 kommt Gausbert in einer Urk. v. 1004 vor.
>) Gallia Ohrist XIV, 458 ff.; Mabillon, Ann. Bened. IV, 128; Brevis
bist, 'furon. S. Jol. bei Salmon p. 228. Die Beform erfolgte gegen das
Jahr 990, denn in dem Gartul. des abbayes de Saint-Pierre de la Oouture
et de Saint-Pierre de Solesmes, Le Maus 1881, beginnen nach langer Pause
die Urkunden erst wieder in diesem Jahre. Graf Hugo erscheint hier
wiederholt als Wohltlülter der Abtei; vgl. nr. 5 und 6, p. 7 und 8. Bischof
Avesgaud ebenfalls am 19. Juni 1009 (nr. 7, p.9). Dafür bedingt er sich
aus: »i qui noster canonicu8 mortem obierity idem orationum et elemosi-
narwn pro eius anima reddere studeant ac 8% monachus fuerü.
*) Gallia Christ XIY, instr. col. 130. 136.
8*
36
Aach eine andere von Clani einst ausgegangene iKichtnng
katii im Gebiete von Le Mans zur Geltung: durch Wilhelm von
BelSme gelangte nämlich Lonlai an Fleury, das damals unter
Gauzlin stand. Es wurde von floriacensischen Mönchen be-
siedelt und erhielt einen Abt namens Wilhelm.^)
Herzogtum Burgund.
Die mächtigste Persönlichkeit im burgundischen Herzog-
tum war Otto Wilhelm, der Stiefsohn Herzog Heinrichs, Graf
Ton Burgund, Mäcon und Nevers. Als Graf von Mäcon hatte
er öfter Gelegenheit für die Bechte Clunis einzutreten ,2) nicht
minder seine Söhne Rainald und Wido und sein Enkel, Graf
Otto von Burgund.^) War Otto Wilhelm einst mit den Achten
zweier Besitzungen in den Diöcesen Belley und Chalon, Ambä-
rieu und JuUi wegen, in Streit geraten,^) so gab er doch später
nach, und auch Graf Rainald fand sich bereit, bei einer an-
deren Gelegenheit den cluniacensischen Besitz zu schützen.^)
Nicht weniger mönchsfreundlich zeigte sich der Vicegraf Archem-
bald von Mäcon, indem er im Jahre 1035 vor einer Reise nach
dem hL Lande den Gluniacensern eine Kirche des hl. Laurentius
schenkte,<^) an der einem später geäusserten Wunsche gemäss
Mönche angesiedelt werden sollten.'')
Obgleich die Förderung, welche die Grafen von Burgund
dem Klosterwesen zu Teil werden Hessen, wesentlich ihrem
Verwandten, dem Abte Wilhelm von Dijon, zu gute kam, so
findet sich doch unter den von Cluni aus besiedelten Klöstern
wenigstens eines, das Otto Wilhelm seine Entstehung ver-
dankte: St. Salvator zu Vaux bei Poligny in der Diöcese Be-
sannen. Im Anfange selbständig und von ihrem Gründer Otto
Wilhelm und dessen Sohn Rainald eifrig gefördert, kam die
0 y. Oftazlini I, c. 22; Roberti de Monte Chron., HF XIV, 887; vgl.
Gallia Christ. XIV, 498.
«) CHOL m, nr.2406 (997—1007); 2552 (März 1002).
>) Mabillon, Acta SS. VI, p. 1 : Elogium Odil c. 36. 38. 42. 48. Schen-
kungen Ottos an Clani CHCL HI, nr.2694. 2712. 2718.
*) CHCL m, nr. 2736; vgl. IV, nr. 2949.
») HF XI, 608.
•) CHCL IV, nr. 2922.
0 ib. nr.2982 (1089). Urk. seiner Witwe Beatrix ib. nr. 2939.
37
Abtei auf des letzteren Antrag durch Badolf IIL mit allem
Zubehör 1029 an Odilo. Er sollte hier Mönche ansiedeln, an
deren Gebete man grosse Hoffnungen knüpfte. 0 Wie der Erz-
bischof Hugo von Besanfon wenige Jahre darauf durch Schen-
kungen von Kirchen und Zehnten dem Kloster sein Wohlwollen
bewies,^) so hat auch die Familie des Stifters weit später nicht
jener Gründong vergessen.^)
In den andern Sprengein des burgundischen Herzogtums
hatte bereits Majolus eine so rege Thätigkeit entfaltet, so
warme Verehrung sich erworben, dass ein Fortbestand der
engen Beziehungen der Bischöfe zu Cluni auch nach seinem
Tode zu erwarten war.
Hatte Bischof Walter von Autun der Abtei- an der Grosne
schon zu Zeiten des Majolus mehrere Male Kirchen nebst den
dazu gehörigen Zehnten verliehen,^) hatte er bereits diesem Abte
seine Verehrung ausgedrückt und mit Cluni eine Gebetsver-
brüderung geschlossen,^) so wandte er sich jetzt an Odilo und
seine Mönche mit der Bitte, in Mesvres, einem Kloster seiner
Diöcese, reguläre Klosterzucht einftlhrep zu wollen. Das Ab-
kommen, das der Bischof mit den Gluniacensern traf, hielt sich
im Rahmen der alten Verträge: zwischen beiden Kirchen soll der
alte Bund bewahrt bleiben und in jeder derselben fbr das Seelen-
heil der andern gebetet werden. Um dem Vorwurf vorzubeugen,
er habe den Besitz der Kirche Autun geschmälert, übertrug
der Bischof die Abtei Mesvres dem Abte von Cluni zwar zu
0 Die Urkunde bei MabiUon, Acta SS. VI, 1, p. 575; Origin. Guelf. II,
169, nr. 79, HF XI, 552; P^rard, Becaeü de plasieurs piöces cnrieuses ser-
Tant k l'histoire de Bourgogne, Paris 1619, p. 177; Chevalier, M6moire8
hiat de Pollgny (1767) I, 814; CHOL IV, nr. 2817: ad habitandum Un Clu-
niacenaea monachos, gut tarn pro nostra quam omnium sahäe Deo assidue
precea et vota persolvant. — In Heinrichs III. Urk. für Hugo vom 4. Dec.
1049 findet man: ceüam vero in archiepiscopatxi Bisuntinensi quaevoeaUur
Vaüü in honore 8. Dei genetrida subtus castrum Foloniacum; Dunod,
Hist de Bourgogne II, 128 lässt Otto Wilhelm irrtttmlich Vaux an St.*B6-
nigne verleihen.
>) CHOL IV, nr. 2890 (Juni 1032); Chevalier, M^moires hist de Po-
ligny 1, 815.
>) Chevalier I, 316, Urk. Wilhelms v. 1069.
*) CHCL II, nr. 1668; III, nr. 1947.
«) ib. III, nr. 1947: quia Cluniacensis cenobii congregaiio apeciali prt
ceteris amore nobia caniti/ncta est.
38
Becht and Eigentam, behielt jedoch seinen Nachfolgern nnd
dem Domcapitel VerfUgungsrechte in Gemeinschaft mit den
cluniacensischen Aebten vor, wobei aasdrttcklich bei der Abt-
wahl die Einwilligung der letzteren fttr nnnmgänglich erklärt
wurde. ^) Der Bischof begünstigte übrigens nicht einseitig die
Bichtung Odilos. Auch Wilhelm von Dijon erfreute sich seiner
Förderung; mehrere Male intervenierte Walter für ihn behufs
Beschaffung von Privilegien.^)
Den Mittelpunkt der Beformbestrebungen in der Autuner
Diöcese bildete auch unter Walters Nachfolger die Abtei Fla-
vigny, die einst Helderich, der Schüler des Majolus, reformiert
hatte. Unter Helmoin kam St Georg, eine Abtei, die gänzlich
verödet war und die schon Bischof Walter wiederzubeleben
beabsichtigt hatte, mit Hilfe des Grafen Hugo von Ghalon an
Flavigny zu dauerndem Eigentum^) und ebenso gelangte Cor-
bigny, wo mit der Lockerung der Zucht drückende Armut ein-
getreten war, an den Abt Amadeus, dem das Kloster recht-
mässig zukamt) und der seine Gongregation ausserdem um
einige Zellen erweiterte.^) Die weiteren Unternehmungen der
Gluniacenser im Sprengel Autun führten Odilo und Wilhelm zu
gemeinsamer Thätigkeit zusammen. Der Schwiegersohn Otto
Wilhelms von Burgund, Graf Landrich von Nevers, hatte näm-
lich im Jahre 1026 oder 1027 aus Vezelay, der alten Stiftung
Gerards von Boussillon, die Mönche mit ihrem Abte heraus-
geworfen und die Uebernahme der Abtei durch Odilo und
Wilhelm, aber ohne Befragen des Bischofs Helmoin von Autun,
veranlasst Aufs heftigste erglimmt drohte dieser sämtliche
») CHCL III, nr. 2276 (994—1000): ea raJtione, ut societas viostri loci
et Climiacensis coenobiiy sicut tempore domni Maioli ahbatis caritatis vin-
culo colligata permansitj sie etiam cuncto in tempore inconviUsa pertnanere
possit etc.
8) S. Bd. I, S. 264 f.
>) Urk. Helmoins v. 1026 bei Mabillon, Ann. Bened. IV, app. p. 652;
Ann. Flavin. bei Labbe I, 272.
0 Mabillon a.a.O. p.669 (1034); vgl. Grignard, Notitia chronologica
de exordiis veteris abbatiae S. Petri Flaviniac, Studien und Mitteilungen
aus dem Benedictiner- und Cisterzienserorden I (1881), p. 258 ff.
*) Necrol. Flavin. (SS. Vm, 286): 14. Kai ApHl Amaäeiis abbas Fla-
viniacensis obiitj gut Senemurensemf Colckensem, BeUHocenaem ceüaa ad-
quisivit et Corhiniacum recuperavit; Grignard a. a. 0. p. 263.
39
Kireben, die Dijon and Clani in der Diöeese hatten, mit dem
Interdiet za belegen und Odiles Abtei Mesvres einzuziehen.
Geistliche und Laien hetzte er nach Kräften gegen die Ein-
dringlinge. Er bannte sie, verbot das Kloster Vezelay zu be-
wohnen und religiöse Pflichten auszuüben. Vergeblich beriefen
sich die neuen Mönche von Vezelay auf die Freiheitsprivilegieu
des Ortes.^) Die Antworten des Bischofs traten die Brttder
mit Füssen, so dass selbst ihre Freunde meinten, sie seien zu
weit gegangen; auch fand der Satz weit und breit Anerken-
nung, dass kein Abt ohne eanonische Untersuchung und bischöf-
liches Urteil seines Amtes entsetzt werden dürfe. In der That
blieb Helmoin Sieger. Bei seiner hartnäckigen Weigerung, die
Mönche von Vezelay vom Bann zu befreien, bevor sie die Abtei
verliessen, gab Wilhelm von Dijon im Namen Odiles, wenn
auch schweren Herzens, nach.^)
In Chalon s. S. herrschte zur Zeit Odiles Graf Hugo, der,
wie wir wissen, als er im Jahre 999 den bischöflichen Stuhl
von Auxerre bestieg, durch die königliche Gnade die väterliche
Grafschaft hatte behalten dürfen. In der burgundischen Geistlich-^
keit nahm er den ersten Bang ein; war er doch hochangesehen
beim Könige und dessen gleichnamigem Sohne, dem Herzoge von
Bargund.3) Als einziger ergriff er in den burgundischen Un-
abhängigkeitskämpfen die Partei Boberts. In seiner Grafschaft
hatten die Gluniacenser ausser einer abhängigen Gelle ^) bereits
ein Kloster in ihrem Besitz, St. Marcel, das aber erst unter
Odilo anscheinend zu höherer Blüte gelangte. Wir finden unter
ihm einen Prior Siegfried^) und einige Mal ist hier der Abt
selbst nachzuweisen.^^) In seiner Gegenwart fanden mehrere
*) Vgl. die Urk. im Chron. Vezellac. bei d'Achery, Spicil. II, 498 flf.
«) Brief Wilhelms von Dijon an Odilo, HF X, 505. Die Zeit ergiebt
sich daraus, dass in dem Schreiben von dem eben erfolgten Ableben
Richards von der Normandie und des Grafen Otto Wilhelm die Rede ist.
^ Vgl. die Urkunden bei £. Petit, Bist, des ducs de Bourgogno
nr. 17. 18. 27.
*) Urk. Gregors V. f. Cluni v. 998-999.
>) CartuL de St Marcel, Bibl. nat. 1. 12824, f. 85. 97. 109.
•) ib. f. 97. Schenk, v. Kl lun, anno X regnante Boberto rege: in
praesentia domni OdUonis abbatis et domini Siefredi; f. 121: in praesmtia
domni Odilonis ohne Datum.
40
Sehenkuogen statt, and wie hoch man ihn schätzte, beweist
ein Schenknngsinstrnment, in dem noch im Jahre 1050 nach
dem Hingange des frommen Abtes Odilo seligen Angedenkens
datiert ist^) Zahlreiche Schenkungen, Kauf- und Tauschver-
träge, von denen mr aus dieser Zeit Kenntnis haben, lassen
auf eine gedeihliche wirtschaftliche Entwickelung des Priorats
schliessen.
Was aber Graf Hugo betrifft, so wendete er sein Interesse
mehr Gluni selbst und einer Stiftung seines Vaters, Taray-le -
Monial, als dem Kloster des hl. Marcellus zu. So unterstellte
er die kleine Abtei St. Gosmas und Damianns dem Abte von
Cluni: ein Act, den König Robert und sein Sohn Hugo, als
Odilo persönlich am königlichen Hofe erschienen war, bestä-
tigten.^) Wichtiger war es, dass Graf Hugo die schon unter
Majolus gegründete, aber seither unter einem selbständigen
Leiter befindliche, Abtei Paray-le- Monial im Mai 999 im
Kloster des hl. Marcellus vor dem Könige auf dessen und
Herzog Heinrichs Rat an Odilo überwies: er verzichtete dabei
ausdrücklich ftlr sich und seine Familie auf alle Herrschafts-
rechte mit dem allgemeinen Verbot, dass der Ort überhaupt
einem weltlichen Herrn unterstehe.^) König Robert bestätigte
seinerseits diese Verfügung.^) Paray wurde von nun an durch
Prioren geleitet, deren erster unter Odilo Adraldus ^) war. Hugo
entzog aber der Stiftung seines Vaters nicht seine Gunst; er
^) Gart, de St.-Marcel a. a. 0. f. 117: regnante Henrico imperatore post
tramitum heate recordatianis pii Odilonis abbatis IL anno; vgl auch
f. 107: in quo domnua et reverendissimus Odüo abbas magis prodesse quam
praeesse videtur,
«) CHHLin, iir.2711.
>) Die Urkunde Hugos im Auszuge bei Mabillon, Act. SS. VI, 1, 573;
Ann. Ben. IV, 123. Vollständig bei Chifflet, Lettre tonchant Beatrix pr. 194;
P6rard, Recueil p. 167; CHOL HI, nr. 2484: considerans supradietum hcum
in eodem statUf quo pater suus decreverat, omnino per se stare non posse.
Placuit etiam huic testamento inseri^ ui ah hoc die nee nostro nee paren-
tum nostrorunif nee cuiuslibet terrenae potestatid iugo subiciaiur idem
locus; Jota. Vit. Odil. II, c. 3 : Degehai aliqtumdo S. Odilo in quodam suo
coenobiOf quod nuncupatur Aurea vaüis, loco acilicet religioso et fratrum
iUic cofnmanentium sanctitate famoso.
*) CHOL m, nr. 2485.
B) Cartul. de Paray-le-Monial, Bd. I, Beilage.
41
nrkundete später mehrere Male fbr sie and bedachte sie mit
Landbesitz, Marktrechten und Kirchen.^)
In Nevers neigten sowohl Graf als Bischof den von Clnni
aasgehenden Reformtendenzen zu. Graf Landrich, der Schwie-
gersohn Otto Wilhelms, förderte, wie wir wissen, die Ansied-
long claniacensischer Mönche in Vezelay,^) sein Sohn Rainald
schenkte später zum Seelenheil seiner ganzen Familie nmfang-
reiehen Grandbesitz an Clani.^) Aaf dem bischöflichen Stahle
sass damals Hago, ein reformfreandlicher Mann, der im Jnli
1015 oder 1016 den Mönchen von Paray-le-Monial ein Grund-
stück an der Loire zugestand , das im Besitze der Chorherren
des hl. Cyriacus von Nevers gewesen war.^) Dieselben Welt-
geistlichen beherrschten auch die Abtei St Salvator zu Nevers,
die, einst in hoher Bltlte, wie viele andere zu Grunde gegangen
und dem benedictinischen Klosterleben entfremdet worden war.
Auf den Rat des bisherigen Leiters des Stifts, des Abtes Ada-
lelm, und der Geistlichkeit von Nevers stellte es der Bischof
unter Odilo zu freiester Verfllgung bei Wiederherstellung der
Benedictinerregel, geleitet durch die Hoffnung auf die Gebete
der Gluniacenser.^)
Normandie.
In dem Landesteile Frankreichs, in dem die Normannen
dauernd ihre Sitze aufschlugen und dem sie ihren Namen
gaben, war der Wechsel aller Verhältnisse, die Veränderung,
die sich vollzog, natargemäss noch einschneidender als in den
andern westfränkischen Gebieten. Ein eben erst dem Christen-
tum gewonnener, in den weiteren Schichten sicher noch fast
heidnischer, halbbarbarischer Volksstamm hatte sich da nieder-
^) Gartul. de Paray a.a.O.; Petit, Hist.desducsdeBoargogneiur.il.
25; letztere Urk. auch CHOL IV, nr. 2924. Urkunden Hugos fUr Paray
auch ColL Moreau Bd. XIV. XVUI. XIX (Bibl. nat.).
') S. oben S. 38.
8) Urk. bei Petit a. a. 0. nr. 26, p. 866 und CHOL IV, nr. 2811.
«) GaUia Christ. XII, instr. col. 322.
*) GaUia Christ. XII, instr. col. 824; CHCL IV, nr. 2961; Urk. v. 6. Nov.
1045. Die Gallia Christ hat einen wichtigen, wahrscheinlich erst später
gemachten Zusatz, wonach die Abtei immer der Kirche und den Bischöfen
von Nevers unterworfen bleiben solle. Der Satz widerspricht aber dem
Vorangehenden.
42
gelassen, während Kirchen und Abteien zumeist in Trüm-
mern lagen nnd wohl nur zum kleinsten Teile die Schicksals-
schläge der vergangenen Zeit überdauert hatten. Mag es auch
wahr sein, dass Rollo mit dem Eifer eines Neubekehrten an
die Wiederherstellung der christlichen Gotteshäuser ging, dass
er bereits in den ersten Tagen nach seiner Taufe den nor-
mannischen Kirchen ausgedehnten Grundbesitz zuwies,^) so ist
mit dem Bestreben die noch vorhandene Geistlichkeit zu ge-
winnen ein Erfolg auf reformatorischem Gebiet doch schwer-
lich verbunden gewesen: erzählte man doch noch am Ende
des Jahrhunderts von der Barbarei der normannischen Her-
zöge, die nur zerstörten und nicht bauten, mönchische Nieder-
lassungen auseinanderjagten, statt sie zu fördern und zu unter-
halten.2) Eine umfassendere Reform und Wiederherstellung
der Klöster setzte doch wohl eine tiefere und längere Chri-
stianisierung der Bevölkerung und die Vollendung anderer,
noch dringenderer Einrichtungen voraus, als in den ersten
Jahrzehnten möglich war; wenigstens blieb der erste Reform-
versuch, der mit aquitanischen Mönchen unter Wilhelm L in
Jumi^ges gemacht wurde,'*^) ohne erkennbare Folgen. Erst
Richard I, dessen Frömmigkeit, Freigebigkeit, Gutmütigkeit
und Gerechtigkeit grosses Lob seitens der Kirche ernteten,^)
konnte eine Erneuerung des klösteriichen Lebens in den alten
Abteien des Landes in Aussicht nehmen.
Hier fasste zuerst die Schule von Brogne festen Fuss.
Ein Genter Mönch, Mainard, regte beim Herzoge die Wieder-
herstellung der Abtei Saint -Wandrille an, von der nur elende,
^) Chronique de Robert de Torigni ed. Delisle 1, 12 f.; De immut
ordin. monach. a.a.O. II, 191; Introductio monachonim et Mirae. S. Mich,
in M6moires de la 8oci^t6 des antiqu. de la Normandie XXIX (1877),
p. 866.
>) Liber de revelatione, aedificatione et auctoritate monasterii Ffscam-
nensu c. 21 bei Mabillon, Acta SS. VI, 1, 313. Danach sagte Wilhelm von
Dijon: audivimus duces NormannicLC homineä barbaros et truculent08 sub-
vertere et 7ion aedifica/re tanta tempUij ädere et effugare, et non coüigere
atit nutrire spirittuiliwn hominum congregationes sanctas.
^) Chron. de Robert de Torigni z. J. 985 ed. Delisle 1, 16; De immut
monach. II, 192; vgl. Bd.I, S. 83.
*) Dudo de gestis Normann. III, Migne 1 141, 725; vgl. auch Licquet,
Hist. de Normandie, Bouen 1835, 1, 177 ff.; Gu^rard, CartuL de St.-P^re 1, 40.
43
von Gestrttpp durchwachsene und von Schlangen bewohnte
Manerreste vorhanden waren. Er soll um so mehr Erfolg ge-
habt haben, als ein vornehmer Normanne Torsting bei der
Hirsehjagd, wie es heisst, auf die verfallene Klosterruine geriet
und beobachtete, wie der verfolgte Hirsch am verlassenen Altar
vor den bellenden Hunden Schutz fand — eine legendenhafte
Erzählung, die um so weniger Glauben verdient, als sie in
ähnlicher Form auch anderwärts vorkommt. Im Jahre 961
wurde Mainard mit der Beform beauftragt. Mit Eifer ging
man ans Bauen und Einrichten; in Stein erhoben sieh präch-
tige Gebäude; Bücher, Urkunden, Kirchenschätze und Heiligen-
reliquien wurden aus Gent gespendet; in dem reich ausgestat-
teten und privilegierten Kloster walteten fortan fromme Mönche.
Aber nicht lange bltthte die Abtei.^) Seit Mainard >) ftlnf Jahre
später auf Verlangen des Herzogs die Leitung von Mont-Saint-
Michel übernommen hatte, ward Saint -Wandrille mehr und
mehr in den Hintergrund gedrängt,^) bis zur Zeit Bichards U.
Abt Gerard von Grespy, ein ausgezeichneter Mann, der mit
König Bobert und Fulbert von Ghartres zu Füssen Gerberts
gesessen hatte,^) die Herrschaft über das Kloster gewann.^^)
Mont-Saint-Michel , wohin Mainard berufen wurde, war in
Abhängigkeit von einigen Grossen geraten, die in der Abtei
Gleriker ansässig gemacht hatten, welche jährlich wechselten
und, wie unsere allerdings parteiische Quelle berichtet, sich
die Zeit mit Zechgelagen, Jagdfreuden und andern Vergnü-
gungen veiirieben. Als sie trotz wiederholter Mahnungen ihr
lockeres Leben nicht aufgaben, beschloss der Herzog im Ein-
verständnis mit dem Erzbischof Hugo von Bouen und seinem
Bruder, dem Grafen Budolf, die Gleriker durch Mönche zu er-
setzen. Nachdem man sich mit dem Papste ins Einvernehmen
gesetzt und Mönche von verschiedenen Seiten herangezogen
hatte, mussten die Weltgeistlichen , die sich nicht zum Profess
0 Mirac. S. Widframmi c. 4, d'Achery, Spicilegiiim II, 285 ff.
") Von Mainard in St. Wandrille heisst es De immut. ord. mon. a. a. 0.
II, 194: qui tempore primi Ricardi coeperat ewndein locum pro posse siio
emendare.
») Mirac. S. Wulfir. o. 6, col. 286.
*) ib. c. 7, col. 289.
») ib. col. 287.
44
auf die Benedietinerregel bequemten, den Klosterbrüdern wei-
chen, deren Leitong Mainard anvertraut wurde. Der Herzog
beschenkte das Kloster reichlich mit Kirchen, Dörfern und
Ländereien, es wurde gebaut und fllr kirchlichen Schmuck und
Zierrat gesorgt i)
Nun hatte offenbar schon Richard L die Absicht, alle be-
deutenderen normannischen Klöster in einer Hand zu yer-
/ einigen: derselbe Mainard wurde nämlich auch Abt von Saint-
Ouen in Rouen.^)
Während in diesen Abteien wieder frisches religiöses Leben
einzog, lebten in Fieamp Canoniker in Schwelgerei und Ueppig-
keit, ähnlich wie in Mont-Saint-Michel. Ihr regelloses Treiben
veranlasste den Herzog eine Benedictinerreform ins Auge zu
fassen. Er mochte bereits seit längerer Zeit den Neubau der
Kirche und der Abtei begonnen haben: während das Kloster
jedoch zunächst noch unvollendet blieb, empfing die prächtige
Kirche im Jahre 989 die Weihe.^) Mainard war vermutlich
nicht mehr am Leben, als Richard L sich an Majolus von
Gluni behufs Einführung regulärer Mönche wendete. Der Abt
kam auch nach F^camp, erklärte aber nur unter der Be-
dingung die Reform übernehmen zu wollen, wenn der Herzog
auf die Weidegelder, die er in seinem Lande für das Weide-
recht auf den fiscalischen Gütern bezog, zu Gunsten der Kirche
verzichte und dies als Gesetz für seine Nachfolger verbindlich
mache. Als Richard nun darauf nicht einging, kehrte Majolus
') Introductio monach. a.a.O.; Johann XII. bestätigte angeblich die
ürkande des Herzogs (p. 872; Gallia Christ. X, instr. 105); das päpstliche
Privileg, das angeführt wird (J.-L. nr. 3757), ist jedoch sicher ezfunden,
wie schon aus der Tendenz der ganzen Schrift deutlich hervorgeht. —
Ueber die Beform von St.-Michel, die 966 stattfand, vgl. Chron. S. Mich.
966 (Labbe I, 347); De abbatibus monast. S. Mich, (ebenda I, 351) 966;
Chron. de Robert de Torigni 966 ed. Delisle I, 26; Ordericus Vitalis ed.
Prevost II, 9. 366 n. 2.
*) Chron. Armoric. sen Andegav. 981; Order. Vit. II, 9.
>) Chron. S. Stephani Codom. 989 bei Dachesne, Hist. Nortmann. SS.
p. 1017; Wilhelmus Gemmet. IV, c. 19 bei Dachesne p. 248. Vgl. Mabillon,
Ann. Ben. IV, 57; Chron. S. Benigni ed. Bougaud p. 156; Rudolfi V.Wil-
helmi c. 15; De immut ord. monach. a.a.O. p. 192. Dass das Kloster anter
Richard I. nicht vollendet wurde, lehrt Wilh. Malmesber. II, c 178: coeno-
hium Fiscamfienae, quod pater (seil. Rieh. L) inc?u>aver(U,
45
tinvemchteter Sache znrttck, and die Reform unterblieb fttr
die nächste Zeit.^)
Inzwischen starb der Herzog am 20. November 996 zn
Fäcamp. Sein Nachfolger Biehard II. zeigte dieselbe kirchliche
Frömmigkeit, die wir bei den meisten Fürsten am Anfange des
elften Jahrhunderts finden.^) Aehnlich wie bei Wilhelm dem
Grossen von Aquitanien ging bei ihm kraftvolles Wirken mit
einer besonderen Vorliebe für die Männer der Kirche Hand in
Hand, die er mit Geschenken überhäufte. Bischöfe und Cleri-
ker, Aebte und Mönche warteten ihm auf am Hofe von Bouen ;
aus dem Orient selbst erschienen Klosterbrüder alljährlich, um
die bewilligten Tribute von ihm einzuziehen;') während er
andererseits die Pilger, die nach dem heiligen Lande zogen,
mit Mitteln unterstützte. Er nahm den Gedanken des Vaters
wieder auf und beschloss jetzt ernstlich, dem uncanonischen
Leben der Cleriker zu Föcamp ein Ende zu bereiten.
Da war es der grosse Buf, den Wilhelm, der Abt von
St-B^nigne, sich bereits erworben, der den Herzog zu einer
Anfrage bei diesem Schüler des Majolus veranlasste. Obgleich
der Abt von Dijon die Boheit und Barbarei der Normannen
fürchtete^) — vielleicht hatte die Absage des Majolus keinen
andern Grund ^) — und zur Entschuldigung vorgab, sie hätten
keine Bosse und Saumtiere zur Beise, so musste er doch nach-
geben, als Biehard das Fehlende sandte.*) Im Jahre 1001'')
machte sich Wilhelm auf und nach wenigen Tagen empfing
ihn der Herzog mit seinen Mönchen. Die Cleriker mussten
auch hier weichen, während eine dreimal so grosse Zahl regu-
^) Liber de reveL c. 15.
>) WUh. Gemmet. V, c 1; WUh. Malmesber. II, c. 178; Hugo Flavin.
Chron. II, c. 27.
*) Mirac. S. Wulfr. c.6, col.286; Fulberti Garnot epist 23; Rod. da-
her I, c. 5.
*) Liber de reveL c. 21.
^) Wenigstens sagte er bereits dem Grafen Burchard von Gorbeil,
der ihn zur Beform von St.-Maar des Fossös aafTorderte: Valde mim kibo'
rionan nobi8 est exteras atgue incognitas adire regiones, nostraque relin-
quere et vestra appetere (Y. Burch. c. 8).
•) Liber de revel. c. 21; Rod. V. Wilh. c. 15.
0 Ghron. Fiscamn. (Labbe I, 824) 1001; Ghron. Rothomag. (ib. p. 866)
1001; Ord. Vital. II, 248.
46
larer Klosterbruder sich nm Wilhelm seharte. Richard liess es
an GUterverleihuDgen und Schenkungen nicht fehlen; er ent-
schädigte den Abt für die der Kirche entzogenen Besitzuogeu >)
und sprach ihm im Verein mit seinen Bischöfen die Gewalt
über den Ort zu.^) Er erklärte sogar Föcamp für frei von
jeder bischöflichen Herrschaft den Anfeindungen der Geistlich-
keit zum Trotz, welche die Freigebigkeit des Herzogs gegen
das Kloster mit Neid und Unwillen ansah, und veranlasste
den Erzbischof von Ronen auf seine Rechte zu verzichten und
sich der Gewalt über zwölf andere Kirchen zu Gunsten Fi-
camps zu begeben. Bischöfe und Edle unterzeichneten der
Reihe nach das Documenta) Auch König Robert musste am
Himmelfahrtstage 1006, als er zu Ficamp weilte, die Be-
sitzungen der Abtei und ihre Souveränität bestätigen. Er
fUgte hinzu, dass er dem Kloster alle diejenigen Garantien
der Sicherheit gewähre, die nur irgend eines von seinen Vor-
fahren empfangen habe, und bemerkte auBdrttcklich, dass man
in der Wahl, Ordination und Weihe des Abtes dem Brauch
zu folgen habe, der in dem berlihmtesteA aller Klöster, dem
Quell alles mönchischen Lebens, in Cluni, bewahrt und beob-
achtet werde.^) Endlich schickte Herzog Richard, der von dem
hohen Glerus des Landes seiner mönchisichen Neigungen und
jseiner Übermässigen Begünstigung F^camps wegen nicht nur
angegriffen, sondern sogar mit dem Bann bedroht wurde, den
Abt von Ficamp mit Geschenken nach Rom. Doch muss der
Herzog durch seinen Boten etwas verlangt haben, was der
Papst augenblicklich nicht erfüllen konnte: vielleicht ein offe-
nes Vorgehen gegen den rebellischen Clerus, das Benedict VUL
aus Politik ablehnen musste. Einstweilen durfte sich Richard IL
..damit begnügen, dass der Papst den Schutz des römischen
>) Liber de revel. c. 22.
«) V.Wüh. c. 15.
») Liber de revel. c. 25.
*) Urk. V. 30. Mai 1006 (HF X, 587): In abbatis autem dectione, ordi-
natione Hve consuettidine iüa apud ipsos consuetudo seqtuäur, quae hae-
tenua in Cluniaco coenobionan aervata est iUustriasimo, unde fons sanctae
monaaticae religionis per tntdta iam longe lateque derivatua hca, ad hunc
usque Deo profluxit propitio. — Die Freiheit von weltlicher Gewalt wird
besondere betont in einer undatierten Urk. Herzog Wilhelms 11, Monast
Angl. II, 97 1 . Vgl. Liber de revel. c. 25.
47
Stuhles über ihn and die Stiftang seines Vaters aassprach und
streng verbot, dass ein Bisehof den Kirchenbann über ihn ver-
hänge, bevor die Sache vor der römischen Curie zar Verhand-
lung gekommen sei : sonst solle jede derartige Strafe wirkungs-
los bleiben. Wilhelm von Dijon kehrte mit den Privilegien an
den normannischen Hof zurück und berichtete, was ihm Bene-
dict mündlich zu seiner Entschuldigung anvertraut hatte: aus-
drücklich stellte aber der Papst die Freiheit Clunis als Muster
hin für die rechtliche Stellung der nordfranzösischen Abtei, i)
Unter der Wirksamkeit Wilhelms wuchs der Buf des
Klosters in ungeahntem Masse. Der Herzog selbst stellte die
von seiner Oemahlin Judith 2) gegründete Abtei Bemai unter
die Herrschaft des Abtes von F6camp.') Männer vornehmen
Standes, Gleriker und Laien, beugten sich unter dem Krumm-
stab desselben. Ein Bischof Osmund^) nahm hier die Kutte,^)
zwei französische Hofgeistliche Tecelin und Berengar fanden
in Fäcamp eine Zuflucht, ebenso ein vornehmer Angelsachse
von königlichem Blute, namens Clemens, der schliesslich nach
Dijon übersiedelte, um den häufigen Besuchen seiner Lands-
leute in Föcamp zu entgehen.^)
*) Liber de revel. c. 25 und in Verbindung damit eine Urk. Bene-
dicts yill. V. 25. Dec. 1016 fttr Riebard IL bei Pflugk-Harttung, Acta pont.
Born. ined. 1, 10 nr. 18 (J.-L. 4015), wo der Name Wilhelms nicht genannt
ist, aber aus den Worten: quia carus est tarn tibi qwim noki» et fidelis
nuntiuSf quem direocisti unschwer zu ermitteln. Eine Urkunde für F^camp
aus dieser Zeit ist nicht erhalten.
>) Order. Vit II, 9; Cbron. de Robert de Torigni zu 1017, ed. Delisle
I, 82; Monast Angl. U, 949.
*) Seit dem August 1025 ist Wilhelm hier nachzuweisen, Mabillon,
Ann. Ben. IV, 286.
*) Ghron. S. Benigni ed. Bougaud p. 156. 157; Necrol. S. Benign! bei
Mottt^Btacon, Bibl. manuscr. 11, 1160 IT.: IL Non. ItU. obiit Osmimdus epi-
9Copu8; Necrol. S. Germani Paris.: IL Non, Itd. Ob. Oamundus episcapw
piae memoriae, aanetae Trinitatis monachus; vgl. A. Longnon, Notice snr
le plus ancien obituaire de Fabbaye de Samt-Germain des Pr^s in Notices
et docum. publ. pour la soci^t^ de France, Paris 1884, p. 80. Osmund ward
auch in F6camp begraben, Turner, Account of a tonr in Normandy I
(London 1820), p. 65.
*) Man dachte an 0. v. Salesbury, mit Unrecht, da dieser erst 1078
bis 1099 regiert, also zu einer Zeit, als die Chronik von St-B^nigne schon
längst geschrieben war.
^) Ghron. S. Benigni p. 157.
48
Von Fäcamp aus rttekte aber anob die Scbnle Wilbelms
von Dijon in alle andern normänniseben Klöster ein. Ein neuer
Zug sebien mit Wilhelm in die Reformbewegang dieser (rebiete
gekommen zu sein.
In Mont-Saint-Micbel batte bis zam 16. April 991 Mainard
seines Amtes segensreich gewaltet; i) ibm folgte sein gleich-
namiger Neffe mit neaen Mönchen ,2) um sich mit Erfolg dem
Wiedererwerb der früher dem Kloster gehörigen Güter zn
widmen.^) Auf Richards II. Rat wählte er vor seinem Tode
1009 *) Hildebert zum Abt, unter dessen Amtsführung die Auf-
findung des hL Autbert erfolgte.^) Als er am 7. Januar 1017^)
das Zeitliche segnete, folgte ein zweiter Hildebert, der die
Abtei bis zum 30. September 1028 ^) leitete. Spätestens in die-
sem Jahre, wenn nicht yielleicht viel früher, trat der Einflnss
Wilhelms ein. Jetzt erhielt nämlich der Mönch Suppo von
Fruttnaria die Abtei St-Michel,^) sicherlich auf Veranlassung
Wilhelms, während der Herzog kurz vor seinem Tode die Be-
sitzungen und Rechte des Klosters von neuem bestätigte und
erweiterte, indem er dem Abte ausser zwei abhängigen Stif-
tern Stadtrechte in dem Flecken des hl. Michael und für die
Weihe Freiheit in der Wahl des Bischofs gewährte.^) Aber
*) De abb. S. Mich. 991 ; der Todestag im Obituarium S. Mich., HF
XXIII, 577.
') Introd. monach. a. a. 0. p. 879.
>) Vgl BibL uat, Coli. Moreau XVI, 64.
*) HF XXm, 579.
') Introductio monach. a. a. 0. p. 884 ff.
^) Obit. S. Mich. a.a.O.; Indiculus abbatum S. Mich, ebenda p. 575:
VIIL Id, lan,
7) Indic abb. a. a. 0. : IL Kai Oct.
*) Ghron. S. Ben. p. 158: Commisit et alia loca memarattis comea Ri-
chardu8 sepefato abbati WUhelmo . . . Montem 8, Michaelia etc. Da von
Wilhelms Thätigkeit sonst nichts zu erkennen ist, so ist anzunehmen, dass
er seinen Schüler Suppo nach Mont-Saint-Michel schickte. De abb. S. Mich.
1026 heisst es: Eodem anno Suppo ahbas Fructuatiensis atisctpit donum
abhatiae S. Michaelis; ebenso Bobert de Torigni SS. VI, 515 und Delisle
I, 358 zu 1 165: Praedictcts reliquias ... Suppo abbas Montis a monasterio
sancti Benigni Fntctuarienais, ttbi priua fuerat abbaa, et prece et precio
ad monasterium S, Michaelis adportavit. Abt von Fruttuaria wurde er
jedoch erst später.
^) Die Urkunde, ohne Datum bei Mabillon, Ann. Ben, IV, app. p.651
49
offenbar gelang es Suppo nieht, festen Fuss zu fassen.^) Der
Gegensatz nnd Hass, der zwischen Normannen nnd Italienern
zar Zeit bestand,^) nicht minder aber der Umstand überhaupt,
dass den Mönchen, die anf ihr freies Wahlrecht- stolz waren,
ein fremder Abt anfgedmngen ward, erregten den Widerstand
der Mönche gegen Snppo, der abgewiesen wurde. An seiner
Stelle walteten nun zwei Aebte, Almodus^), der später Abt von
Görisy wurde, und Theoderich von Jumiöges. Endlich fand im
Jahre 1033 auf Veranlassung Johanns von F^camp doch die
Ordination Suppos statt; aber trotz seiner Freigebigkeit gegen
das Kloster vermochte er den Widerwillen der Brttder nicht
zu brechen^) und kehrte 1048^) nach seiner Heimat zurück,
verüffentlicht Die Unterschriften ftthrenjedoch auf 1026; Br^uigny, Table
chronol. I, 547 setzt sie c. 1023.
^) De abb. S. Mich. 1023: Et dum laboraret (seil. Suppo) in renuiv-
ciatione Fructuarensis monasterii et in adeptione integra Montis duo abba-
tes rexerunt abhatiam S. MichadiSj videlicet Älmodua abbas Caesarii, alter
Theodericus abbas Oemeticensis. Danach scheint Suppo gar nicht nach
Mont-Saint- Michel gekommen zu sein; auch das Ghron. S. Ben. weiss von
einem ersten Versuche nichts. In der Abtliste bei Detisle, Robert de
Torigni II, 198 n.4 ist Suppo hinter Almodua und Theodericus genannt.
Die gleichzeitige Leitung zweier Aebte bestätigt auch der Indic. abb. in
HF XXin, 575, wo zu Älmodus nnd Theodericus bemerkt ist: XVI. Kai
lun. Üebrigens war Almodus damals noch nicht Abt von C^risy. Ann.
S. Mich, zu 1028: Eodem anno abbas Suppo suscepit hanc abbatiam. Nach
Delisle's Angabe steht Suppo im Original auf Rasur.
*) Vgl darüber den Brief Johannes' von F^camp an l^o IX. bei Ma-
billon, Ann. Ben. IV, 477.
') Er begegnet als Abt in einer Urkunde des Herzogs Alanus von
Bretagne von 1082, MabÜlon, Ann. Ben. IV, app. p. 669. In den Ann.
S. Mich, ist sein Name zu 1030, der Theoderichs zu 1031 nachträglich zu-
gefügt worden.
*) Ann. S.Mich. 1083: Ordinatus est abbas septimus Suppo huius loci;
De abb. 1038: Ordinatus fuit Suppo abbas j muUa bona contulit abbatiae et
propter odium monaehorum recessit et reversus est ad solum proprium;
Ghron. S. Ben. p. 159.
B) Ann. S. Mich. 1048; De abbat. 1048; Ghron. S. Ben. a.a.O. Sein
Todestag war der 4. November nach dem Necrol. S. Benign! bei Mont-
&ucon a. a. 0. Für sein Verhältnis zu den Mönchen ist bezeichnend eine
Urkunde Herzog Wilhelms n. im Gart, de Mont-Saint-Michel (God. Paris,
lat 5430^, p. 10): Suppo abbas istius loci contra ius fasque mokndinum
dedit Bamnutfo monetario, monachis id contradicentibus una-
nimi consilio.
Sftokur, Cluniaoenaar. II. 4
50
wo er Frnttnaria noch Jahre lang leitete. Unter ihm kam
jedoch 1039 das Kloster des hLVicturius bei Le Mans durch
einen Kriegsmann Reginald und seine Gemahlin Hersinde an
die normannische Abtei mit der Bestimmung, dass dort Mönche
angesiedelt werden sollten. >)
Wie Mont- Saint- Michel ging St.-Oaen von der Richtung
Gerards von Brogne zur Schule Wilhelms von Dijon über:
jedenfalls ein Schaler desselben war jener Hildebert, der aus-
drücklich als Bestaurator des Klosters bezeichnet wird und
1006 das Zeitliche segnete.^) Um dieselbe Zeit bestätigte
/ Bichard II, der sich auch sonst freigebig zeigtc/O die Be-
sitzungen des Stiftes.^) Von St-Ouen drangen die duniacen-
sischen Einrichtungen in andere normannische Abteien. So
ward ein deutscher Mönch von St-Ouen, Isembert, Abt von
St-Triniti de Ronen, einem Kloster, das Graf Goscelin und seine
Gemahlin Emmeline 1030 gegründet hatten;^) und zwei Jahre
später wurde durch den Mönch Durandus die Abtei Cirisy im
Sprengel von Bayeux wiederhergestellt. Herzog Bobert sprach
das Kloster von weltlicher und geistlicher Herrschaft frei, nicht
ohne reiche Schenkungen zu spenden,*) die sein Nachfolger
noch vermehrte.'') Zu Herzog Wilhelms Zeit erfolgte schliess-
j lieh die Beform von La Croix St -Laufroy ebenfalls durch
Mönche von St-Ouen.^)
In Jumiöges, dem alten Kloster in der Nähe der Sdne-
mttndung, setzte Wilhelm ebenfalls einen seiner SehOler, den
Prior von Fäeamp, Theoderich, zum Abt*) Er kam aus Dijon
>) Oallia Christ. X, instr. coL 106.
*) Ann. S. Mich. 1006; De immut. ord. monach. a.&.0. p. 198; Chron.
Rothomag. 1006. Das Chron. S. Ben. p. 158 führt unter don von Richard
zur Reform ttborgebenen Klöstern das obengenannte auf,
») Coli. Moreau XVI, 51; XYIU, 29.
*) Br^quigny, Table chronol. I, 515.
*) Oallia Christ. X, instr. col. 9. lieber die Gründe, welche uns be-
stimmen die Angaben Hugos von Flavigny zu übergehen, s. Sackur,
Richard, Abt von St.-Vannes, Bresl. Diss. 1886, Excurs.
«) Urk. V. 12. Nov. 1032 im Monast. Anglic. II, 958; vgl. p.949; Mab.,
Ann. Ben. IV, 331. Ueber C^risy vgl P. de Farcy, Abbayes de Pevech^
de Bayeux I, l.fasc. (1887), p. 1. 77.
7) Urk. V. 20. April 1 042, Br^quigny II, 26.
^) De immut ord. monach. p. 197.
^) J. Loth, Bist, de Tabbaye royale de St -Pierre de Jumieges I
51
und leitete zu einer Zeit die drei Abteien Jumiöges, Bernai
und Mont-St.-Miehel.i) In dem zuerst genannten Kloster ward
er 1017 Abt.*) Wir wissen sonst über ihn nicht viel*): mit
Abt Lednin von St.-Vaast in der Diöeese Cambrai trat er 1024
in Verbindung, als er ihm zu Ronen gegen Anglieourt die Gelle
Hasprä abtrat^) und mit dem Abte Albert von St.-Mesmin bei
Orleans unterhielt er Beziehungen.^) Unsicher ist das Jahr
seines Ablebens. Während in einem Placitum vom Sommer
1027 ein Abt Wilhelm von Jumiöges begegnet,<') ist Theoderich
wiederum im Jahre 1030 urkundlich nachweisbar,'') so dass
man zweifeln kann, ob Fehler in den Daten vorliegen, oder
ob der Abt Wilhelm etwa der Abt von Dijon ist^) oder ob die
Urkunde von 1030 zwar zu Theoderiehs Licbzeiten aufgesetzt,
aber erst später vollzogen wurde.^)
Als Abt Wilhelm etwa Anfang 1029 sich nach seinem
Heimatlande zurückzog, wählte er auf Ansuchen des Herzogs
Bobert den bish^gen Prior Johannes von Föcamp zum Abt
dieses Klosters. Er war ein Landsmann Wilhelms, ein Ra-
vennate, literarisch wie medicinisch gebildet, letzteres auf Ver-
anlassung Wilhelms selbst, der ihn mit besonderer Liebe in
Dijon erzogen und gefördert hatte.^^) Der reiche Kranz von
Tugenden, der ihn schmückte, forderte die Achtung seiner
(Ronen 1882), 142 set^t Wilhelms Reform bereits an den Anfang des Jahr-
hunderts unter Abt Bobert Dessen Tod und Theoderichs Auftreten wird
p. 145 auf nach 1014 verlegt.
1) Chron. Gemmet. in HF X, 322. .
>) Chron. Normann., HF X, 322.
') Wenn Loth p. 146 sagt, dass er aus Perche stammte und zwar
aus dem Hause Montgommery, so ist das nirgend belegt.
*) Urk. y. 13. Jan. 1024 bei Miraeus, Opp. dipl. I, 265; Gesta episc.
Camerac. U, c. 29, SS. VII, 461.
^) Vgl. die Urkunde bei Migne 1 139, 585.
") Es ist zwischen 14. Mai und 6. August 1027 abgefasst, Mabillon,
Ann. S. Ben. IV, 332; HF X, 614.
7) Gallia Christ. X, instr. 10.
") Was das Wahrscheinlichere wäre.
•) Wie Loth p.154 will.
^^) Chron. S.Ben, p. 157. 158. Die letzten Notizen aus einem Briefe
des Abtes Warinus von St. Arnulf an Johannes von F6camp bei MabiUou,
Vetera Annal. 1723, p.452: Wühelmus ... vos unica caritate inter ceteros
nutrivitf dilexitf promovitf honoravit,
4*
52
Zeitgenossen am so mehr henror, je mehr sie geneigt waren,
über seine kleine Figar, die ihm nach italienischer Art den
Namen Johannelinas einbrachte, za spotten. <) Unter ihm machte
die Congregation von F^eamp weitere Fortschritte. So refor-
mierte er die verfallene Abtei Blangy im Sprengel von Th6-
ronanne auf Veranlassung des Grafen Roger von St-Paal und
seiner Gemahlin Hadvis, indem er einen seiner Mönche als
Abt einsetzte und seiner Abtei anch flir die Zukunft dieses
Recht sicherte.^) Nur wenige Jahre später, 1035, kam das
Kloster des hl. Taurinus zu Evreux an F^camp, welches daftlr
Yilliers abgab, das dem Herzoge fttr eine Nonnenabtei geeig-
net schien. Mit vieler Mühe hatte er Johannes zu dem Tausch
bewogen,') wie dieser überhaupt mit Zähigkeit die alten Rechte
seines Klosters verteidigte. So gab er auch nur ungern und
sicher aus Furcht vor Wilhelm dem Eroberer nach, als dieser
ohne Befragen des Leiters von F^camp den Abt von Bemai,
Vitalls, nach Westminster in die gleiche Stellung berief und
dessen leiblichen Bruder Osbern in dem normannischen Kloster
nachrücken liess.^) Aus einer angesehenen und segensreichen
Stellung riss den Schttler und Nachfolger Wilhelms von Dijon
der Tod am 22. Februar 1078.^)
^) lieber diesen Johannes haben wir ein satirisches Gedicht, angeb-
lich Fulberts von Chartres, bei Du M6ril, Po^sies lat ant^r. au XII. siede
p. 189 ff. und Jaff(§, Die Cambridger Lieder, Berlin 1869, p. 21, nr. XI. Dass
er gemeint ist, sieht man aus verschiedenen Anspielungen. So heisst es:
lohanneSj abba parvulus staturüy non virtutibuSf sagt einem Genossen,
qtu>cum erat in heremo (Joh. v. F6c. war Ravennate!), er wolle wie ein
Engel in der Wüste leben etc. Dann: Miraiwr codi cardinea, ultra non
curat ho min 68. Joh. v. F6c. war mediciniseh gebildet 1
>) Die Urkunde bei Mabillon, Ann. S. Ben. IV, 350, wo die Reform
ins Jahr 1032 gesetzt wird; Miraeus, Opp. dipl. II, 1130 und Waaters, Table
chronol. I, 471 setzten sie 1031.
') Hist civile et 6ccles. du comt^ d'Evreux, Paris 1722, pr. 1. Die
Aebte, welche der Abtei später vorstanden, waren sämtlich MOnche von
F6camp; vgl. De immut. ord. mon. p. 105.
*) S. den darauf bezüglichen Briefwechsel bei Mabillon, Veten Anal
p. 450. 451.
^) Chron. Fiscamn. 1078; Necrol. S. Germani bei Bouillart, Hist. de
l'abbaye de St-Germain-des-Pr^ pr. CX: VIII. KaL Mart,, ebenso Necrol.
S. Benigni bei Montfaucon. Ein Verzeichnis der unter ihm in F6camp
vorgenommenen Weihen bei Mabillon, Ann. S. Ben. IV, app. p. 668. lieber
53
Um dieselbe Zeit oder wenig später, als Johanses seine
selbständige Wirksamkeit in F^camp begann , gelang es einem
lothringischen Reformator, ttber den wir an anderer Stelle aus*
ftthrlicher zu berichten haben, in der Normandie einigen Ein-
finss zu gewinnen. Es war Riehard, der Abt von St.-Vannes
bei Verdun. Zu jeder Zeit bestrebt, im Interesse des Friedens
zu wirken, stets bemttht, zwischen den in endlosen Fehden
verwickelten Grossen zu y ermitteln, i) griff er anch in Gemein-
schaft mit dem Verdaner Chorherm Ermenfried in die nor-
mannischen Verhältnisse ein zu einer Zeit, als unter Robert
dem Teufel ein heftiger Kampf zwischen dem Herzoge und
dem normannischen Adel das Land schwer schädigte. Seine
Bemühungen waren — wie es heisst^) — auch von Erfolg
begleitet; und da mit seiner Hilfe der Haupträdelsftlhrer wenig-
stens zeitweise unschädlich gemacht wurde, so blieb ihm der
Herzog dankbar und anhänglich gesinnt. Sein Rat soll darum
am Fttrstenhofe massgebend gewesen und unter Wilhelm H.
auch der Kirche von Ronen fruchtbar geworden sein, wo er
im Auftrage des Herzogs kirchliche Ordnungsgeschäfte ttber-
nahm. Noch Hugo von Flavigny hatte augenscheinlich Be-
weise dafür und erwähnt namentlich ein Buch, das seine
Institutionen enthielt und hinter dem Hauptaltar zu Ronen
in Ketten aufbewahrt wurde.^) Indes sehe ich nicht, dass
Richard in der Reform normannischer Klöster thätig gewesen
wäre. Nur in einem Falle ist eine Verbindung seiner Schule
mit der von Dijon hier nachzuweisen.^)
Und doch erhob sich unter Herzog Wilhelm Kloster auf
Kloster. Er selbst grttndete mit seiner Gemahlin zwei Klöster
in Gaen, während die normannischen Barone sich beeiferten,
ihre Fürsten nachzuahmen, und in religiösen Bestrebungen
sich gegenseitig ttberboten. Man setzte sich dem Spott der Ge-
den Aufenthalt des späteren Erzbischofs von Rouen Maurilius in Föoamp
vgl. Ord. Vital. II, 871j Chron. S. Stephan! Codom. 1067.
1) Vgl. Richard von St.-Vannes S. 60 ff.
*) Der einzige Gewährsmann ist Hngo von Flavigny, und das nOtigt
uns, das Folgende mit allem Vorbehalt wiederzugeben.
«) Hugo Flav. II, c. 30.
*) Der erste Abt von St.-£yroal, Theoderich, ist auch sein Schüler
gewesen, Ordericns Vitalis ed. Provost II, 68.
54
nossen aas, wenn man nicht Cleriker oder Mönehe auf eigenem
Grund und Boden unterhielt. i) In der Absehiedsrede, die er
im Jahre 1087 seinen Getreuen hielt, zog der König von Eng-
land die Summe der auf Hebung des Klosterwesens gerich-
teten Thätigkeit der normannischen Herzöge. Wir erfahren
hier, dass bis auf ihn neun Mönchs- und ein Frauenkloster
der herzoglichen Familie ihre Entstehung verdankten, unter
seiner Herrschaft aber nicht weniger als siebzehn Mönohsstifter
und sechs Nonnenabteien errichtet wurden.^) Namentlich der
Adel hatte sich in ungeahnter Weise in diese mönchischen
Ideen eingelebt und in seinen Städten und Burgen in zahl-
losen Fällen aus den von Di Jon aus reformierten Klöstern, ja
selbst aus Gluni und Fleury, Mönche angesiedelt Bedenkt
man, wie gerade diese Verschlingung kriegerischer und geist-
licher Elemente das Rittertum der Normannen kennzeichnete,
zu grossen Unternehmungen, wie der Eroberung Englands,
und zu Zügen gegen die Ungläubigen anfeuerte, so wird man
den Aufschwung dieser religiösen Begeisterung auf die Männer
zurückzuführen haben, die das Feuer kirchlichen Eifers zuerst
in die Kreise des seiner Roheit wegen gefürchteten Normannen-
adels hineintrugen.
Bretagne.
In der Bretagne hatte sich im zehnten Jahrhundert Conan I,
der Graf von Rennes, zum Landesherm über die übrigen Grafen
emporgeschwungen; er hinterüess bei seinem Tode die Herr-
schaft gesichert seinem Sohne Gaufred, der die Stellung, [die
sein Vater erworben hatte, in seinem Hause durch ein kräf-
tiges und kriegerisches Regiment befestigte.^) Seine Regie-
rung war auch ft[r die brötagnischen Abteien eine Zeit der
Wiederbelebung; so wie alle andern TerritorialftLrsten um die
Wende des elften Jahrhunderts konnten sich auch die Grafen
und Herzöge der nordwestlichen Gebiete Frankreichs den For-
derungen der kirchlichen Kreise nicht länger entziehen. Von
den Mönchen hatten sich einige vor den Dänen in sicherer
») Order. Vit. II, 12.
«) Order. Vit III, 241 .
3) Villeneuve, Cartul. de l'abbaye de St.-Georges de Rennes, Mem.
de la sociale arch^ol. du d^part dllle et Vilaine IX (1875), p. 144.
55
gelegene Landesteile geflüchtet, wie die Brüder von Loch-
menech^) nnd Si-Gildas, die unter ihren Achten Taneth nnd
Dajocus nach dem Sprengel Bonrges ühersiedelt waren, wo,
wie wir bereits sahen , kirchlicher Sinn zuerst sich wieder her-
vorgewagt und wo Ebbe von D^ols, der Gründer einer der
ersten Beformabteien, ihnen eine Zuflucht eröffnet hatte. Sie
kehrten später^) in die Heimat zurück, die sie sich unter
Kämpfen zurückerobern mussten. Endlich versuchte man auch
hier an die duniacensische Bewegung anzuknüpfen. Herzog
Gaufred selbst sandte im Jahre 1008 zum Abte von Fleury
und bat um einen Mönch, der die genannten Klöster wieder-
herstelle und reformiere. Es war Felix, der sich nach der
Bretagne begab. Aber ehe man noch ans Werk gehen konnte,
starb der Herzog auf der Rückreise von einer Bomfahrt^)
Zwar hatte er den Mönch von Fleury seiner Gemahlin und
besonders seinem Bruder, dem Bischöfe Judicael von Vannes,
in dessen Diöcese die Klöster lagen, empfohlen. Felix wäre
jedoch heimgekehrt, wenn nicht Hadwidis und ihr Schwager ihn
durch dringende Bitten zurückgehalten hätten. So ging die
Wiederherstellung der verlassenen und verödeten Stifter vor
sich; man erneuerte Kirchen und Schulgebäude, pflanzte Wein
an und Obstbäume. Da verleideten die Unruhen, die nach
Gaufreds Tode ausgebrochen waren ,^) Felix den Aufenthalt;
er sehnte sich nach der Heimat In der That rief ihn Gauzlin
zurück, aber er zwang ihn das übernommene Amt weiter
durchzufahren, weihte ihn am 4. Juli zum Abt und empfahl
ihn den Baronen der Bretagne und dem Diöcesanbischofe.
Seinen Wohnsitz schlug Felix auf den Rat des Herzogs Alanus
und des Bischofs in dem durch Alter, Fruchtbarkeit der Län-
dereien ausgezeichneten, an Getreide, Wein, Obst und Fischen
reicheren Kloster St.-Gildas auf. Er starb am 4. März lOSS.*^)
») Für das Folgende vgl. V. S. Gildae c.32— 38j Chron. Ryenso, HF
X, 320; V. Gauzlini I, c. 24.
*) Sie Schemen 938 nicht mehr in D^ols gewesen zu sein, vgl. J.-L.
nr. 3603, N. Arch. XI, 380.
') Cartul. de Redon ed. Courson nr. 296.
*) Vgl. Urkunde Alanus III. für St.-M6en von 1008 bei A. de la Bro-
derie, Kecueil d'actes inödits des ducs de Bretagne, Bennes 1888, nr. 1,
p. 3; Villeneuve a.a.O. p. 147; H. Martin, Hist. de France III, 72.
«) Gallia Chr. XIV, 060.
56 .
Damit war die Einwirkung der Reformmönehe auf die
Klöster der Bretagne nicht erschöpft. So erblühte ia der
Abtei Redon in den neunziger Jahren des zehnten Jahrhun-
derts, wie es seheint, neues Lieben mit den Achten Mainard und
Catwallo, von denen der zweite ein Bruder des Grafen Gau-
fred war.i) Beteiligt war auch hier ein floriacensischer Mönch,
Teudo, an der Reform.^) Gründungen folgten auf Gründungen.
Ist auch cluniacensischer Einfluss nicht immer erkennbar, so
schufen und erwarben doch die Abteien Mont-Saint-Michel 3),
St-Fleurent de Saumur^), Marmoutier^) und St- Julien <^) von
Tours mehrfach Priorate und Kirchen seitens des reformfreund-
lichen Herzogs, der auch normannische Klöster, wie Mont-
Saint-MicheP), neben Marmoutier gern unterstützte. Von den
verschiedensten Seiten drang das Cluniacensertum in das Land
und wirkte zweifellos nicht unbeträchtlich auf die Hebung
religiösen Sinnes. Durch unsichtbare Leitungen pflanzte sich eine
Bewegung fort, die auch in zahlreichen, anscheinend selbständi-
gen Stiftungen erkenntlich wurde. So erhoben sich ausser den
schon genannten Dependenzen Turoner Abteien Klosteranlagen
des Herzogs und des hohen Adels, wie: Saint-M^en 9), Cellier**)),
Saint-Gildas-des-Bois 1*»), Quiberon^i), Quimperl^'^), St-Georges
0 Vgl. Cartul. de Kodon ed. Coiirsou.
') V. Gauzlini I, c. 24. Abt ist aber Teudo anscheinend nicht ge-
wesen, wie aus dem Cartul. de Redon nr. 296 hervorgeht, wo auf Mainard
sogleich CatwaUo folgt, der nach proL GCCXCIII noch ca. 1050 nachweis-
bar ist
°) Diese schon z. Z. Conans I. 990 unter Abt Mainard nach dem
Cartul. de St.-Michel, Bibl. nat. 5430 a, p.47.
*) De la Broderie nr. 2, p. 6. Es ist das Priorat Livr6.
^) Morice, M6moires pour servir de preuves a Thist. de Bretagne I
(Paris 1742), col.360; de la Broderie nr. 3, p. 10: St.-£xup^re de Gahard,
eine Niederlassung, die öfter beschenkt wurde; femer Marcill6 (Morice
1,386 f.; de la Broderie nr. 6, p. 14); P61erie und Chateauceaux (Morice
I, 383. 384).
«) So St.-Cyr de Rennes, das 1037 gegründet wurde, Morice I, 374.
') Morice I, 372; Coli. Moreau XXI, f. 70. 76. 207. 212 (Urk. von
1030—1032).
") Morice I, 358; de la Broderie nr. 1, p. 3.
•) Morice I, 355.
") ib. col. 363.
") ib. col. 368.
") ib. col. 365.
57
de Rennest), Si-Cyr de Nantes 2) a. a. Sieherlich waren auch
hier die elaniaeensisehen Klöster der Tonraine oder der Nor-
mandie in vielen Fällen nieht unbeteiligt gewesen.
Anvergne.
Am zahlreichsten waren, nachdem Odilo sein Amt ange-
treten hatte, die Niederlassungen Clanis in der Anvergne.
Hier besass es drei Klöster, Sonvigny, Rivis nnd Sanxillanges
neben sieben kleineren Filialen.^) Noch enger wnrden natür-
lich die Beziehungen zu diesem Landesteil unter Odilo selbst,
dessen Familie bei Brioude ansässig war. Dass sein Ge-
schlecht, noch ehe er Mönch wurde, dem burgundischen Klo-
ster gegenüber sich freigebig und anhänglich zeigte, wurde
bereits bemerkt; natürlich konnten Einwirkungen nach dieser
Richtung auch auf die andern angesessenen Landwirte und
Grundbesitzer dieser Gegenden nicht ausbleiben.^) Neben Sou-
vigny, wo die Wunder, die am Grabe des Majolus geschahen,
Scharen von Wallfahrern anzogen, blühte Sanxillanges in
überraschender Weise auf Während man unter Aymard im
ganzen 23 Schenkungen fttr dieses Stift zählt, wuchs ihre Zahl
unter Majolus, so viel wir wissen, etwa um das zehnfache,
und für die Zeit Odilos sind heut noch gegen 260 Schenkungs-
acte nachzuweisen.^) Bischof Stephan IV. von Glermont selbst
und seine Familie überwies dem erwähnten Stift drei Kirchen,
die eine, Chauriac, mit der Bestimmung, dass daselbst ein
Kloster errichtet werde.«)
Unter den auvergnatischen Adelsgeschlechtem nahm das
1) Morice I, col. 368; VUlenouve, Cartul. de l'abbaye de Saint-Georges
de Rennes a.a.O.
«) Morice I, 375.
3) La Fertö, Scuriolae, Boscus S. Petri, S. Maria ad Montes, S. Florus,
Brioude und RUiacus (J.L. 3896). Die Kirche S. Florus kam durch den
Cleriker Eustorgius an Cluni nnd wird in der Urk. Gregors V. von 998
—999 bereits angeführt Irrig datiert Bniel also die Schenkungsurkunde
(CHOL III, nr. 2790) auf ca. 1025. Ebenso willkttriich ist seine Bemer-
kung: Cet Eustorge paratt dana un acte pr^cidant nr, 2788 en qualiti de
frhre d^Odilon.
*) CBGL m, nr. 2100. 2135. 2271. 2274. 2805 etc.
^) Vgl. das Cartul. de Sauxillanges ed. DonioL
•) GaUia ohrist II, 75.
58
der Vicegrafen von Thiers eine ansehnliche Stelle ein. Im
Anfange des elften Jahrhunderts war Wido das Haupt der
Familie. Er machte einst eine Schenkung an Clnni, damit die
Mönche seiner gedächten in ihren täglichen Gebeten.^) Im
Jahre 1016 stiftete er die Kirche St-G^nes de Thiers und liess
sie in Rom bestätigen ,2) nachdem er bereits ftlnf Jahre vorhier
in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin Riklendis und seinen
Söhnen Theodart, Wilhelm und Stephan an die Reform des
kleinen Benedictinerklosters Thiers, das er ererbt hatte, ge-
gangen war.3) Abt Peter, dem man persönlich Sittenstrenge
nachrühmte, hatte vergeblich versucht, der Benedictinerregel
hier Geltung zu verschaffen. Da er nun nicht durchdrang und
den Ungehorsam der Brüder, die von verschiedenen Seiten
sich zusammengefunden hatten, nicht zu zügeln vermochte,
kam er auf den Gedanken, sich bei Odilo eine Stütze zu suchen.
Wido gab seine Zustimmung mit der Bedingung, dass die
Aebte von Cluni nach dem Tode des Petrus, dem er für Lebens-
zeit sein Amt sicherte, das Kloster in derselben Weise wie
Sauxillanges, Souviguy u. a. einrichteten und leiteten, während
er selbst für sich und seine Erben auf jegliche Leistungen und
Abgaben verzichtete.
In der engeren Heimat setzte auch die Familie Mercoeur
sich durch die Neugründung des Klosters La Vofite-pr^s-Chilhac
ein dauerndes Denkmal. Odilos Brüder, der Propst Berald
von Puy, Bertrann, Stephan und Ebo hatten zuerst den Plan
einer Klostergründung gefasst, unglückliche Ereignisse jedoch
seine Ausftihrung verzögert. Erst nach ihrem Tode gingen
ihre Söhne und andere Verwandte Abt Odilo in der Ab-
sicht an, den Gedanken der Väter wiederaufzunehmen. Da
Odilo ihnen zuredete und seinerseits die Sache in die Hand
nahm, blieb diesmal der Erfolg nicht aus. Nachdem er auf
einem Hügel La Voüte eine Kirche errichtet, Hess er sie
am 14. September 1025 durch Bischof Stephan von Clermont
weihen und stellte am selben Tage im Kreise des ganzen
') GHGL III, nr. 2006. Dass es derselbe Wido ist, ersieht man darens,
dass unter dem Diplom sich die Namen der Sühne Widos von Thiers:
Stephan, Theodart, Wilhelm finden.
^) Baluze, Hist g6n^al. de la maison d'Auvergne I, pr. p. 30.
») Die Urk. v. Sept 1011 bei Baluze II, pr. 29 und CHCL III, nr. 2682.
59
Geschleehts, seiner Neffen and Schwestern und anderer Edlen,
die Dotationsarkunde aas: zam Seelenheil aller lebenden and
gestorbenen Mitglieder des bedeutenden Haases. Das neue
Kloster warde einzig and allein anter den Schatz des römischen
Stahles and anter die Leitnng der Aebte and Mönche von
Clani gestellt. 0
Aqaitanien.
Wilhelm V. von Aqaitanien hat es in dieser Zeit wie kein
zweiter verstanden, grosse Herrehertugenden, energisches kraft-
volles Wirken in politischer Beziehung mit dem engsten An-
schluss an die religiösen Ideen der Zeit zu vereinen. Während
seine äusseren Verbindungen ttber die Pyrenäen zu König Sancho
von Navarra, Alfons von Spanien und über den Canal zu Knut
von England und Dänemark reichten, während er mit den
italienischen Grossen gegen Konrad II. intriguierte, warf er im
Innern seine Vasallen nieder, so dass niemand mehr die Hand
gegen ihn zu erheben wagte, machte er den höchsten Adel
des Landes, die Grafen Gaufred und Fulco von Anjou^), Wil-
helm von AngoulSme^), die Vieegrafen von Limoges^) und
Grafen von P^rigord ^) zu ergebenen Lehnsträgern und fesselte
er die Unterworfenen an sich, indem er ihnen ganze Graf-
schaften und Burgen zu Lehen gab.
Von Jagend auf pilgerte Wilhelm V. fast Jahr aus Jahr ein
nach Rom und wenn nichts so besuchte er den hl. Jacob in
>) Mabillon, Acta SS. VI, 1, 556; OHCL III, nr. 2788; Chassaing, Spi-
cile^um Brivat, 1886, nr. 2, p. 2.
*) Adern. III, c. 30. 41. 56: a Fulcone comitCf qui tunc in servitio
ducis Fictavis erat.
^) Adera. III, c. 41 : Habebat secuni magni cotmlii virumj comitenh
Engolismac Willelmumj cuius maxinie consilio petidebat; c. 57: diix pru-
defUissunus cum consiliario 8uo Wülelmo comite Engolismensi; c. 60 holt
WUhelm von AngouiSme den Herzog gegen eine Burg herbei; c. 62 mit
ihm 1024 in Italien; dann intercedente Wiüelmo comite EgolismenH setzt
er Ademar an Stelle seines verstorbenen Vaters, des Vieegrafen von
Limoges.
*) ib. III, c. 62 : praefecit Let)iovicae vicecomiteni Ademarum in loco
defuncti pcUria 8uL
^) ib. c. 45: ttUor filiorum eiua et nepotis fuit ideni dux.
60
Compostella. Wenige Laien mochten in ihrer Barg eine reiche
Bibliothek gehalten haben, wie er; wenige ihre Masse einer
eifrigen Leetüre gewidmet haben, wie er sie die langen Nächte
hindareh trieb, bis ihn der Schlaf ttbermannte. Weisheit and
Wissen galten bei ihm viel. Mit dem gelehrten Fnlbert von
Ghartres stand er in engen Beziehangen; bei ihm Hess er flir
seine Bibliothek Bücher abschreiben.^)
Auf den Cleras des Landes übte er einen starken Ein-
flass. Alduin von Limoges kam lediglich dareh Wilhelm
auf den bischöflichen StahP), nnd ebenso ward sein Nach-
folger, der Propst von St-Leonard, Jordanas, darch den unter
Vorsitz des Herzogs abgehaltenen Convent za Limoges erhoben
nnd ohne Zuziehung des Metropolitans von Bourges consecrieri^)
Und als der Erzbischof Acios von Bordeaux gestorben war,
reichte sein Einfluss hin, um in Gemeinschaft mit dem Her-
zoge Sancho von Gascogne einen Franken Gotfried auf den
Metropolitansitz zu bringen.^) In Synoden und Kirchenver-
sammlungen ftihi*te er oder sein Sohn den Vorsitz; selten fand
man ihn ohne einen Bischof zur Seite.^) Selbst religiöse und
kirchliche Anordnungen traf er, da er in den Bischöfen nur
Werkzeuge seines Willens erblickte.^) Diese Stellung der
Landeskirehe gegenüber vererbte sich auf seinen Sohn. Be-
zeichnend ist der Brief des Glerus von Limoges nach Jordans
Tode, in dem Herzog Wilhelm VL ersucht wird, ohne simo-
nistische Missbräuche einen neuen Bischof zu ernennen: «Ganz
0 Fulberti epiat. 125.
') Nomina et gesta Lemovic. episc. c. 8 (Labbe, Nova bibl. manuscr.
II, 268): Alduinits per manum dticis Ghiiüermi in episcopatum stwcesait
^) Nom. et gesta Lemov. c. 9 ; Ademar III, c. 67 : degit in episcopatus
honorem lordanum etc.; vgl. Pfister, Etudes sur le r^gue de Robert le
Pieux p. 180.
♦) Adern, m, c. 69; vgl. Pfister p. 191.
^ Adern. III, c. 4 1 : Aliquando vix inveniebatur sine aliquo episco-
porum,
*) Adern. III, c.65: Itaque dux fortissinnw Wilhdmns niandat vhi-
qiie per episcopoSf ut suaderent plebeni Doniini amcilium cum ieiuniis et
letaniis implorare. In einem Briefe an Fulbert von Ghartres (Migne 141,
830) spricht er von episcopis noatris. Pfister p. 191 vermutet wohl mit
Becht, dass der Herzog auch Herr über die Sitze von Poitiers, Sidntes,
AngoulSme und P6rigueaz war.
61
Aqaitanien gehört Dir*, rnfen die Capitelherren, ,, alles unsere
ist Dein; Da bist unser Schtttzerl* ')
Neben dem Herzoge waren freilieh zeitweise die loealen
Laiengewalten nicht ohne Einflnss aaf die Besetzung der
Bischofstuhle. Mitunter scheinen sie dieselben geradezu be-
herrscht zu haben, und selbst wenn Wilhelm schliesslich ttber
sie Tcrftigte, kann es schwerlich ohne Einverständnis der
grossen Vasallen geschehen sein. So hatte seit Jahrzehnten
das Haus der Vieegrafen von Limoges, an dessen Spitze unter
Wilhelm dem Grossen Wide stand, den Stuhl von Limoges
inne, wo erst zwei Brüder Widos, Aldegar und Alduin, dann
deren Neffe, wohl Widos Sohn Gerald, folgten ,2) während wir
auf den Sitzen von Angoul6me und Salutes wieder zwei Brü-
der, Grimoard und Islo aus P^rigord, finden.^)
Die Bischöfe waren von den weltlichen Gewalten mitunter
schwer bedrückt und man darf sich nicht wundern, dass sie
hier, wie auch sonst, das Streben verrieten, von dem Laien-
adel sich möglichst unabhängig zu machen und ihre Herrschaft
über die geisflichen Institute ihrer Besidenzen auszubreiten.
So wusste Grimoard von AngoulSme das Hauptkloster St-Eparch
von den bisherigen Patronen, den Grafen der Stadt, in seine
Gewalt zu bringen;^) und von dem Vieegrafen von Limoges
erkaufte Bischof Alduin St-Martialis.^) Der Reform ward da-
durch kein Dienst geleistet; denn den Bischöfen stand ihre
Herrschaft und die unabhängige Benutzung des Klostereigentums
höher als das reguläre Klosterleben, und so kam es, dass unter
Grimoard St.-Eparch viele Jahre überhaupt keinen Abt hatte <^),
und Alduins Nachfolger, Gerald von Limoges, die Weihe des
Abtes Hugo von St-Martialis verzögerte, aus Aerger, dass er
nicht, wie sein Vorgänger, die unbedingte Herrschaft über die
Abtei zu erwerben vermochte.'') Während der Episcopat auch
0 Gallia Christ. II, instr. col. 178: tota Aquitania est tua ... omnia
nostra 9unt tua^ tu custoa noatri es.
*) Adern. III, 0. 35.
») ib. C.86. 61. *)lb. C.36. *) ib. c.49.
^ ib. c.36: a Wiüdmo comite sancti Eparchii manasterium expeciit
et sibi vindicavit et per muUos annos sine aJbhate manere fecit.
'') ib. c. 49: prohibens ei dare consecrationen^ causa zeli, quia non
poterat vindicare sibi abbatiam.
62
sonst der klösterlicben Reform gegenüber sieh durehans gleieh-
gilltig verhielt,^) fehlten doeh einzelnen Refomimännem Ge-
legenheiten nicht, an verschiedenen Orten wirksam einzu-
greifen.
In der Diöcese Limoges hatte ein Schiller Abbos von
Fleury, Bernard, der Sohn des Vicomte Hugo von Gomborn,
festen Fuss gefasst. In dem Benedictskloster an der Loire
von Abbo, der znr Zeit Schulmeister war, erzogen, erhielt der
Mönch von seinem Vater die Abteien Solignac und Beaulieu;^)
letzteres Kloster, ein Lehen des Grafen von Toulouse, war von
dem Grafen von P6rigord auf Hugo von Comborn übergegangen.
Bernard wurde sogar etwa 1005 als der zweite dieses Namens
Bischof von Gabors,') nachdem er schon vorher ein simonistisches
Anerbieten des Grafen Wilhelm von Toulouse im Einverständnis
mit Abbo zurückgewiesen hatte. In seinen Klöstern hatte er
tnit widerspenstigen Mönchen zu kämpfen, die ihm zeitweise
sein Amt bitter verleideten; trotzdem behielt er die Abteien
auch als Bischof Ton Gabors. Während aber Solignac noch
nach seinem Tode als reguläres Kloster erwähnt wird ,4)
geriet Beaulieu in arge Zerrüttung, da Bemards Vater der
Abtei einen Laien, einen Verwandten Hugo von Gastelnau,
vorsetzte, gegen den die Brüder sich erhoben. Sie klagten
vor den aquitanischen Bischöfen, die ihrem Amtsbruder von
Limoges aufgaben, bis über sechs Wochen zu Weihnachten
einen regulären Mönch zum Abte von Beaulieu zu machen.^) Es
scheint dies Bernard gewesen zu sein, der vielleicht schon nach
Bernard II. einige Jahre die Abtei geleitet hatte und 1037
ebenfalls den Stuhl von Gabors bestieg.®) Doch blieb das
Kloster noch später lange Zeit ohne Zucht und Regel, be-
^) Bischof Alduin zerstörte die Abtei St. -Stephan von Emoatiers und
restituierte daselbst Ganoniker. Dafür siedelte er die Mönche in Limoges
an, natürlich nur um sie besser zu beherrschen (Adem. III, c. 35). Ein
der Abtei St Eparchius zu Angouldme gehöriges Kloster entfremdete er
derselben vollständig (c. 36).
>) Vgl. für das Folgende Y. Abbonis c. 10.
') Garns, Series episc. p. 525; Deloche, Cartul. de Beaulieu en Li-
mousin; Notes et ^claircissements XIV.
*) Concil. Lemoyic, Labbe, Nova bibl. II, 790.
ß) Concil. LemoY. a. a. 0. p. 788 ff.
•) Deloche, Introd. p. CCLXVII.
63
lästigt nnd in seinem inneren Frieden dnreh weltliehe Grosse
gestörtO
Denselben Bischof Ton Cahors, Bemard UI, sehen wir in
der Folgezeit in Verbindung mit Odilo. Er schenkte in Ge-
meinschaft mit seinem Bruder Robert an Clnni eine Kirche
des hl. Satamin in der Ortschaft Carenniacas oder Garenti-
niacus.^) Als nan Odilo im Jahre 1047 von dem Bischof da-
hin besehieden wurde,^) drängten ihn zahlreiche vornehme
Herren, das alte einst bertthmte Kloster Moissac, das den un-
günstigen Zeitverhältnissen zum Opfer gefallen war, unter seine
Obhut zu nehmen und zu reformieren. Nach anfänglicher
Weigerung willigte der Abt ein, liess einige Brüder zurück
und gab ihnen mit Zustimmung des Grafen Pontius von Tou-
louse, der für Cluni schon öfter geurkundet hatte,^) und der
übrigen einfiussreichen Personen der NachbarschafI; einen Mönch
Durandns zum Leiter. Durandus bewährte den Ruf seiner
Schule, indem er die Kirche wiederherstellen und weihen liess.
Mehrere Kirchen und Abteien, darunter L6zat, brachte er unter
seine Herrschaft.^)
In der Grafschaft Poitou knüpfen gegen Ende des zehnten
Jahrhunderts die Reformeinwirkungen sich zunächst an den
Namen des Abtes Gosbert von Si-Julien in Tours. . Gosbert
war blutsverwandt^) mit der Familie des Grafen Theobald von
Chartres, dessen Tochter Emma dem Herzoge Wilhelm IV. von
Aquitanien die Hand gereicht hatte.'') Von ihr ging der Ge-
danke aus, die Abtei Maillezais wiederherzustellen. Sie wandte
>) Urk. Urbans II. v. 23. Mai ohne Jahr (Bibl. Clun. col.525): BeUi-
loci monasterium tonffia iam tempcmhus sine monasticae regulae disciplina
fuit, et sicut rervm secularium detrimentiSj ita etiam animarum per-
ditionibua patuii etc.; vgl. Deloche p. XXII— XXVIII.
>} CHOL IV, nr.2856. Brael datiert aber falsch auf ungefähr 1031.
') Chron. Moissiac. (Bibl. nat. lat 4991 \ f. 157'): ad inmcendum locum
CarenfMcum vocatttm,
♦) CHOL IV, nr.2947. 2948. 2961.
^) Alles aus der ungedruckten Chronik des Aimericus von Peirac. Vgl.
Marion, L'abbaye de Moissac, Bibl. de P6cole des chartes ser. III, 1 , S9 ff«
*) Petri Malleac. monachi de coenobio Malleac. I, § 2 (Migne 146, 1254):
Abba8 quoqtief quoniam Mi et aanguinitate et mtdto erat munere obnoxius,
^) Vgl. Blümcke, Burgund unter Rudolph III, Beilage.
64
sich an den Abt toh St. Jalien mit der Bitte, dreizehn Mönche,
von denen einer Propst werden sollte, anszasenden, in der Ab-
sicht, die neue Abtei yorläufig von dem Tnroner Kloster ab-
hängig ZQ machen.^) Ende der achtziger Jahre des zehnten
Jahrhunderts erfolgte die Weihe durch den Erzbischof Gnm-
bald von Bordeaux. Die Entwicklung der Jungen Stiftung
wurde aber bald jäh unterbrochen.
Um dieselbe Zeit veranlasste nämlich ein ehelicher Zwist,
der kaum eine Wiederversöhnung hoffen Hess, die Herzogin,
sich zu ihrer Familie zu fittchten, während ihr Gemahl, vom
Alter gebrochen, sich zu den Mönchen von St-Cyprian zu Poi-
tiers zurttckzog.2) Aus Hass gegen seine Frau vertrieb er jetzt
die Turoner Mönche aus Maillezais und überwies das Kloster
dem hl. Cyprian. Vielleicht war es eine Folge dieser That,
dass Emma jetzt in Burgeuil, einem ihr zur Mitgift ttber-
gebenen Gute, mit Zustimmung ihres Bruders Odo I.^) und
mit Unterstützung des Abtes Gosbert eine neue Klostergrttn-
dung vornahm.^) Odo gewährte der Abtei freie Abtwahl,
bei der Simonie vor allen Dingen ausgeschlossen sein sollte,
und suchte durch strenge Verbote jeglicher Eingriffe in Be-
sitzungen und Rechte dem Kloster Sicherheit zu schaffen. Die
Stifterin selbst stattete Burgeuil mit Grundbesitz aus, legte
den Mönchen aber einen Zins an die Chorherren von St Hi-
larius in Poitiers auf. Sie bat Papst Johann XV. um Bestäti-
gung der Gründung und Excommunication der Frevler.^) Nach
Odos I. Tode, 994, bestätigten die Könige Hugo und Robert
auf Ansuchen seiner Witwe Berta und Gosberts die neue Stif-
tung: bei der Abtwahl soll auf die Gräfin und ihre Söhne
Rücksicht genommen werden.<^)
Inzwischen war Wilhelm IV. auch mit dem Abte von
St. Cyprian in Streit geraten und hatte dieses Kloster mit dem
^) Petrus Malleac. I, § 2.
>) ib. § 5.
») Gallia Christ. XIV, instr. col. 148; Besly, Bist, des comtes de Poi-
ton p. 288. Vgl. die Urkunden bei Morice, M^moires p. servir de preuves
k rhist de Bretagne I, col. 350.
«) Adern. III, c. 41 ; Petrus Malleac. I, § 5.
B) BaUetin de la soctöt6 hist. de Touraine IV, 360 ff.
«) HF X, 563; Besly p. 278.
65
des hl. Maxentins vertauscht. Als ihn nach fünfjähriger Tren-
nung von seiner Gemahlin schwere Krankheit darniederwarf,
suchte er die Versöhnung mit ihr und verzichtete zu ihren und
ihres Sohnes Gunsten auf die Herrschaft^) Wohl kurze Zeit
darauf segnete er das Zeitliche.
Jetzt ging auch Wilhelm V. daran, die vertriebenen Mönche
von St-Julien nach Maillezais zurttckzurnfen und sie in ihren
Besitz wieder einzusetzen. Das Amt des Propstes übernahm
Theodelin , ein Mann jüdischer Abkunft,^) wie es hiess, dessen
mönchische und geistige Vorzüge lebhaft gerühmt wurden. Er
wusste sich einen hervorragenden Platz im Rate des Herzogs
zu erwerben.3) Wilhelm V. schien bestrebt, gut zu machen, was
sein Vater gegen die Gründungen seiner Gemahlin gesündigt
hatte. Er beschenkte Burgeuil mit Kirchen und Waldland ^)
und räumte den Mönchen der andern Abtei die ganze Insel,
auf der Maillezais lag, nebst dem Castell, das sein Vater hatte
errichten lassen, ein.^) Es war im Juli 1003, als der Herzog
letzteres Kloster unter päpstlichen Schutz stellte bei einem jähr-
lichen Zins von 20 Solidi, dem Klosterbesitz Immunität ge-
währte und die Zinsbauern vor Fronden schützte.^) Bald
darauf wurde der Grund zum Neubau des Stiftes gelegt. Sowohl
für das eine wie fttr das andere Kloster suchte man die Bestä-
tigung der Curie nach. Verbriefte Silvester IL im Jahre 1003
im Einverständnis mit Bischof Bainald von Angers, dass kein
Bischof gegen den Willen des Abtes und der Mönche in Bur-
0 Petrus Malleac. I, § 5.
>) ib. § 7 : Fmt quippe, ut fertw, genere HebraenSj natione GaUus.
>) II, Praef. (a.a.O. col. 1262).
*) Besly p. 217. 353. 355. 356.
^) Petras Malleac. II, § 2: Et quidem tum ab incamatione Domini
nostri redemptoris miÜesimua tertiits anniM volvebaiur, cum haec mense
ItUio Fictavis agebantur ac regnare Francis rex Eohertus ferd)aitwr. Schon
vorher bemerkte der Autor: nomenque matris (seil. Emmae) inter testor
torea acsi viveret, pro eo quod eius anniversarius dies mortis agehatur,
conscribere fecit In der Zeit stimmt Uberein das Chron. S. Mazentii
(Marchegay et Mabille, Chroniques des ^glisea d'Anjon p. 387): 1003. Anno
mülesimo tertio primum donum fuit Maliaco coenobium constntendi a
Wiüelmo comite,
*) Die Urk. bei Lacurie, Hist de Pabbaye de Maillezais, Fontenay-le-
Comte 1852, p. 197 mit dem &l8chen Datum: mense ItUii anno miü^mo
centesimo tertio.
Sftokur, ClanlMenMr. II. 5
66
genil Synoden abzuhalten befugt sei und dass der Herzog und
seine Erben den von der Congregation gewählten Abt ohne
Widerspruch zu bestätigen haben, >) so erlangte Theodelin, der
im Jahre 1007 nach Gosberts Tode selbständiger Abt von
Maillezais geworden war,^) von Papst Sergius IV. auf persön-
liches Ansuchen die Bestätigung der von Herzog Wilhelm ge-
währten Yergiinstigungen.^) Der Ruf und die Wirksamkeit
Theodelins brachten es dahin, dass ihm mehrfach Klöster unter-
geben wurden.^) In erster Reihe Burgenil, dessen Mönche
nach dem Tode Bemos, der auf Gosbert gefolgt war, sich
Theodelin zum Abt erbaten/*^) Um Maillezais machte er sich
dadurch noch besonders verdient, dass er die Gebeine des
hL Rigomer aus dem Gau von Le Maus nach dem aquitanischen
Kloster übertragen liess.<^) Mit Odilo von Cluni verband ihn,
wie seinen Nachfolger Humbert, ein Societätsverhältnis, das
später rühmend anerkannt wurde '^) und nach Humberts Ab-
leben die Wahl eines Gluniacensers zum Abt von Maillezais,
Goderanns, erleichterte. Am 1 . Januar 1045 hat Theodelin sein
Leben beschlossen.^)
^) J.-L. 3940; gedr. bei Oll^ris, (Euvres de Gerbert nr.Xm, p. 172.
>) Nach Petras Malleac. II, § 4 (Migne 146, col. 1271) starb TheodeÜD
am 1. Jan. 1045 im 37. Jahre seiner Amtsführung. Das Chron. S. Maxentii
Pictav. a. a. 0. p. 387 berichtet zu 1010, dass Wilhelm V. Bonute praeaidente
Sergio papa et Botberto Francorum rege regnante Maillezais grUndete und
ausstattete, und dass er Theodelin zum Abte machte. Bei der Unge-
nauigkeit der chronologiBchen Angaben dieser Quelle ist iUr den Amts-
antritt Theodelins nichts zu gewinnen.
') ib. § 2. 3. Bei Jafif6 nicht verzeichnet.
*) ib. § 3, coL 1 265 : Multa denique ea tenipestate eidem patri exceptis
his duobuSf licet invito commissa sunt coenobia, quorum quidem (dia per
se regebat f alia vero probis ac religiosia fratribus iniungdxU disponenda.
') ib. § 3, col 1265; Ademar III, c. 41. Demnach ist die Abtreihe
von Burgeuil im Chron. S. Maxentii a. a. 0. p. 385, wo nach Bemo gleich
Bainaadus genannt wird, entweder unrichtig oder so zu interpretieren,
dass BaifUMiduB der Stellvertreter Theodelins in Borgeuü war. Bezüg-
lich eines andern Klosters vgl. Besly p. 307 und Lacurie p. 203.
^) Petrus Malleac. II, § 4; Transl. Rigomeri, Mabillon, Acta SS. VI,
1, 120; Chron. S. Maxentii a.a. 0. p.388 zu 1014.
') Lacurie p. 209, Wahlurk. Goderanns: cariUUivae fratemitcUis socie-
tate sicut fuit qtwndam cum suo predecessare aanctisaimo videlicet Odüane
et patribtis nostria Temdone et Hwmberto ingressis viam universae camis.
») Petrus Malleac. II, § 4; Chron. S. Maxentii p. 395.
67
Die UntersttttzuDg und Förderung der Stiftangen seiner
Mutter entspricht darchans dem, was wir sonst ttber Wilhelms
Stellang zum reformatorischen Mönehtum wissen. Er stand,
wie schon sein Verhältnis zn Theodelin lehrt, den strengen
Achten nahe nnd gestattete ihnen Einfluss auf seine Regierung.
An der Erneuerung der Disciplin in den alten Klöstern Saint-
MartiaP) und Charroux-), wo zuletzt ein simonistischer Abt
war, der durch Gunbald von St.-Savin ersetzt wurde, hatte er
hervorragenden Aateil. In enge Beziehungen trat er zu Odilo
von Gluni. Dieses Kloster und St.-Michael bei Chiusi unter-
stützte er mit Vorliebe.^) Einmal kam er sogar nach Gluni,
wo er ehrenvoll empfangen wurde;^) mehr als einmal urkun-
dete er zu Gunsten des burgundischen Klosters.^) Auch seine
Gemahlin Agnes, die Tochter Otto Wilhelms von Burgund,
erwies sich Odilo noch nach dem Tode des Herzogs günstig.*)
Wie sehr sie den Tendenzen der Zeit huldigte, zeigen ihre
Klostergrttndungen. Sie stiftete Vendöme im Sprengel von Cbar-
tres,^) ein Nonnenkloster in Saintogne und erbaute die Chor- .
herrencoUegiate St. Nicolas^) und St. Hilarius in Poitiers.*)
Jedenfalls durch den Herzog kam die Abtei St Cyprian
^) Ademar III, c. 43 : in praesentia WiUelmi ducia monastica ibi est
ordinata disciplina,
^) ib. c. 58 : Duac quoque WiUdmun . . . regulärem disciplinam restau-
ravU in Carrofo. Vgl. Pfister, De Fulberti Carnotensis episcopi vita et
operibus p. 87.
') ib. c. 41: Coenobio Cluniacensi et coenobio aancti Michadia ad Clu-
sam in Itcdia et midtis aliis per Bwrgundiam et Aquitaniam monasteriis
Dei iuxta oram maritimam plwra in redditihua dona terrarum ad copiam
aupplementi aervorum Chriati deUgavit.
*) CHOL m, nr. 2277 (991—1015): atque a aenioribua memorati lod
honorificentiaaime suaceptua.
*) ib.ni, iir.2709. 2716. 2737.
*) ib. IV. nr. 2855. Im Hinblick auf die Freundschaft ihres Vaters
gewährte ihr Odilo eine Bitte um Precarbesitz III, nr. 2742.
^) Die ausführliche Erzählung dieser Klostergrttndung in den Gesta
cons. Andeg. a. a. 0. Die 25 Münche kamen aus Marmoutier. Die Weihe
erfolgte am 31. Mal 1040. Chron. S. Albini Andegav. 1040, p.23; Chron.
S. Sergii Andegav. 1040, p. 1.35; Chron. Vindoc. 1040, p. 166; Chron.
S. Maxentii 1040, p. 393; Convent. episc. ad dedicat, HF XI, 506.
^ Das Cartulaire de St-Nicolas in den Archives bist de Poitou I,
p. 5 ff.
0) Hist. novi monast. Pictav., HF XI, 119.
6*
68
von Poitiers, in die sich Wilhelm lY. anfänglich znrttckgezogen
hatte, in Odilos Grewalt.^) Wahrscheinlich setzte dieser den Abt
Giselbert oder Gaubert 2) ein, den Abbo von Fleury im Novem-
ber 1004, als er auf dem Wege nach La B^ole sich in Poitiers
aufhielt, fm Kampfe mit seinen widerspenstigen Mönchen fand.
Abbo wandte sich damals brieflich an Odilo mit der Aufforderung,
energisch einzuschreiten.') In welcher Weise die Streitigkeiten
beigelegt wurden, wissen wir nicht. Indes nahm sich Wil-
helm V. wenigstens des äusseren Besitzes der Abtei an, indem
er alle Räubereien in der Ortschaft des hl. Cyprian, die unter
der Herrschaft des Abtes stand, streng untersagte.^)
Etwas sicherer sind wir von dem Einwirken Odilos in der
Abtei Si-Jean d'Ang^ly unterrichtet. Die Erhebung des Hauptes
Johannes des Täufers in der Basilica zu Ang^ly im Jahre
1010^) durch den Abt Alduin,<^) die glänzende Versammlung,
die sich damals zusammenfand, — aus Aquitanien, Frank-
reich, Italien und Spanien waren Könige, wie Robert von
Frankreich und seine Gemahlin, Sancho von Navarra, Fürsten
und Grafen, wie Odo von Champagne, Bischöfe, wie Landulf
von Turin,'') Aebte u. s. w. zusammengeströmt — legte Herzog
^) Vgl. Adern. III, c. 41 : coenobiaque suae ditionis nonnuUa eimdem
magisterio tradidit,
*) Cartul. de Saint-Gyprien, Archives hist de Poiton (1874) UI, nr. 17.
19. 314. 466. 513.
') Abbonis epist XII. ad Odilonem (Migne 139, 438): quem locumpost-
quam reperi vestrae auhditum ditioni nostrum credidu Vgl. Bd. I, S. 296.
*) Cartul. de St-Cyprien nr.l7.
») Nach der Gallia Christ. II, 1097. Qnellenmässige Belege in Petrus
Malleac. II, § 3 a. a. 0. col. 1265: Ea siquidem tempestcUe miüesimus deci-
mu8 fertur ah incamatione ScUvatoris emersisse annus . . . Abbas Ängiria-
censis eccleaiae iÜis didms caput sanctissimum praecursoris lohannis bap-
tistae Domini . . . levare aJtque omni populo . . . ostentare voluit Sodann
ein Citat ex veteri Chronico ms. bei Besly p. 325 : Anno Domini 1010
diebua Ch^iüelmi ducia Aquitaniae caput lohannis baptiste in basilica
Angeriacensi inventum ab Alduino abbate in mense Octobri.
*) Juli 990 bestätigt König Hugo auf Bitten Wilhelms von Aquitanien
die Abtei St. -Jean nunc a pristino penitus honore desolatam cuidam servo
Dei nomine Hüduino mit dem Datum mense lulio regnante Hugone annos
tres im Cartul. de Saint- Jean d'Ang% (Bibl. nat. lat nr. 9498) saec. XVII,
fol. 20.
*) Nach einer Aufzeichnung bei Besly p. 225.
69
Wilhelm den Gedanken nahe, das Fest zn krönen, indem er
den reformatorischen Bestrebungen in dem Kloster des hl. Jo-
hannes Eingang gewährte. ^ Er berief also Odilo, der die
religiöse Zneht erneuerte und nach dem Tode Aldnins seinen
Schfller Rainald zum Abt machte, und als dieser kurze Zeit
darauf aus dem Leben schied, nochmals zu Gunsten Aimerlchs
über den Abtstuhl verfbgte.^) Unter seiner Leitung^) wurde
die aquitanische Abtei durch mächtige weltliche Herren schwer
bedrängt, so dass, wie es scheint, Odilo sich an Papst Jo-
hann XIX. wandte, der den hohen Adel Aquitaniens auffor-
derte, die Besitzungen Johannes des Täufers gegen derartige
Anfälle zu schützend)
Im Jahre 1023, wie es scheint, war Odilo wieder in Poi-
tiers, vielleicht gelegentlich einer jener Friedenssynoden, die
in der Folgezeit in den aquitanischen Diöcesen mehr und mehr
ttblich wurden. Gleichzeitig mit ihm hatten sich nämlich auch
die Bischöfe von Limoges und AngoulSme und die Achte von
Poitou in der Residenz des Bischofs Isembert von Poitiers ein-
gefunden. Hier war es, wo der Vicegraf Kadolom von Aulnay'^)
in der Saintogne der Abtei Cluni das Kloster St. Johannes in
Molgone ttberwies,*) das in seinem Besitz war und das er ge-
>) Die Verehrung Wilhelms ftir Johannes den Täufer geht aus Ful-
berti epist. 64 hervor.
*) Adern. III, 0.56: Et gloriosw dux recogitans Dei honorem accito
Odilone mnctissimo Cluniacensi abbate in sancti lohannis monasterio re-
gtdarem renovavit distridionemf ubi Odilo äbbatem Bainaldum disposuit
defuncto Alduino abbate. Et Bainaldo 82)iritum reddente Aimiricum pro
eo domnus Odilo patrem praeposuit.
') 1018—1027 nach Gallia Christ. II, 1098. Im Jahre 1027 schliesst
er mit den Mönchen von St.*Maria und St.-Andrea8 von Quinciacas einen
Vertrag, Cartul. de St.-Jean d'Ang^ly f. 109.
*) Epist. Joh. XIX. in der Gallia Christ. II, instr. col. 466; Migne 141,
1154; J.-L. nr.4097.
') Er ist mit seinem Sohne Wilhelm in einer Urkunde vom Mttrz
1028 nachzuweisen bei Besly p. 365. Eine Kadelo vicecomes macht mehrere
Schenkungen an St.-Jean d'Ang^ly, Cartul. de St.-Jean d'Ang^ly f. 35.
•) Vgl. die Urk. Isemberts, Gallia Christ. II, instr. col. 330; CHCL IV,
nr. 2816, o. Jahr. Bruel datiert auf Mai 1029. Die Unterschriften der drei
Bischöfe weisen auf 1021 — 1029. Da nun in dieser Zeit nur eine Synode
von Poitiers von 1023 bekannt ist (Hefele, Conziliengesch. IV, 679), so
liegt die Annahme nahe, dass die Urkunde damals ausgestellt wurde.
70
meinsam mit seiner Gemahlin Amelia nnd ihrem Sohne Wil-
helm vorher mit einem AUod Trion im 6an von Poitiers ans-
gestattet hatte.*) Anf den Rat anderer stellte er die Abtei
nnter die Herrsehaft Odiles ihrer Sicherheit nnd ihres Be-
sitzes halber: er solle Mönche, die er wolle, dahin abord-
nen. Bischof Isembert bestätigte die Uebertragang der Kirche
nnd gewährleistete ihr Sicherheit nnd Unabhängigkeit^)
Nach Kadoloms Tode erschien der Abt von Clnni bei seinem
Sohne Wilhelm nnd liess sich den Besitz von nenem be-
stätigen.^)
So viel sich also erkennen lässt, erstreckte sich der Ein-
fluss Odiles nnr anf die Gebiete von Poitiers nnd Cahors. Die
Abteien des Sprengeis Limoges befanden sich nach den Be-
merkungen des Bischofs Jordan auf dem Concil zn Bonrges
in geordneten Verhältnissen. Er rühmte ihre Vorsteher und
gedachte besonders lobend der Klöster St. Martialis, Chambron,
Solignac, Userche, St. Martin nnd St Angustin und der Nonnen-
congregation bei der Basilica der hl. Jungfrau.^) Das Characte-
ristische war, dass der aqaitanische Episcopat durchweg die
Herrschaft ttber seine Abteien zn behaupten wusste. Er er-
schien auch um diese Zeit in einer wachsenden Fürsorge
für eine Reinigung nnd Besserung der aquitanischen Kirchen-
verhältnisse. Abgesehen von den Bemühungen um den Frieden
Anfang der dreissiger Jahre, von denen noch später zn reden
ist, ging man namentlich darauf aus, den Clerus von allen
unlauteren Elementen zn befreien, und sowohl Beweibte, als
Verbrecher von den clericalen Würden auszuschliessen, die
Disciplin den Laien gegenüber aufrecht zu erhalten. Als die
Frage nach dem Apostolat des hl. Maiüalis in allen aqui-
tanischen Diöcesen die Gemüter aufs höchste erregte, zeigte
sich zur Evidenz, mit welchem Interesse man wieder theo-
logische Fragen erörterte. Der klösterliche Aufschwung erlitt
freilich, wie es scheint, bald wieder einen Rückschlag, der von
0 Die Urkunde, deren Unterschriften ebenfalls auf 1021—1029 weisen,
bei MabUlon, Ann. Bened. IV, 328. Es soll in Trion eine Celle für Mönche
errichtet werden.
«) CHOL IV, nr. 2816.
») ib. m, nr. 2744.
*) Acta concil. Lemovic. bei Labbe, Nova bibl II, 791.
71
nenem Gelegenheit zu Eingriffen von oben gewährte. 0 Damals
erfolgte die systematisehe Einführung von Cluniaeensem^) in
die Abteien des Landes auf Veranlassung des Herzogs Wil-
helm Gotfried, der 1058 seinem Bruder in der Regierung ge-
folgt war.
Durch die geographische Lage und besondere Umstände
waren den einzelnen Ftthrern der Reformbewegung in Frank-
reich bestimmte Wirkungskreise zugewiesen worden. Die Nor-
mandie durfte Wilhelm von Dijon, so lange er lebte, als seine
Domäne betrachten, in Maine, Touraine und der benachbarten
Grafschaft Poitou wirkte Gosbert von St Julien , in der Bre-
tagne reichten sieb die Leiter normannischer und Turoner
Klöster die Hände. Odiles Thätigkeit umfasste Francien, das
burgundische Herzogtum, wo er mit Wilhelm von Dijon Ehren
und Leiden teilte, die Auvergne und die Diöcesen Poitou und
Gabors. Unbestritten war sein Einflass im Königreiche Bur-
gund, und hier hatte er auch die nachhaltigsten Erfolge.
*) Hist. monast. novi Pictav., HF XI, 119: Et quia omnia monasteria
per Aquitaniam regulafi erant ordinatione destitutaj — viec enim in (diquo
eorum rdigionU trames potuerai inveniri — coepit insistere, vt in eis
fmmasticum ordinem posaet reformare, unde, accersitis a Cluniaco viria
valde rdiffiosis, eisdem monasteriis eos praefecit.
>) Vgl. Chron. Gaafredi monachi S. Martialis a. 1063, HF XI, 288;
Chron. S. Hazentii a. 1070 a.a.O. p. 405.
Drittes Capitel.
Die Cluniacenser im Königreich Burgund.
Lyoa und Vienne.
Das burgnndische Königsgeschleclit hatte von jeher die
claniacensisehe Beform begünstigt In mehreren Urkunden
spricht Rndolf HI. ans, dass es für den König nichts ehren-
YoUeres und lobenswerteres gäbe, als die Kirchen Gottes zu
restaurieren und durch tägliche Schenkungen zu bereichern.^)
Dass er Odiles Wahl beiwohnte, dass er wahrscheinlich zur
selben Zeit die Abtei den Fürsten, Richtern und Grafen em-
pfahl, in deren Gebiet sie Besitz hatte, damit die Mönche „im
Vertrauen auf unsere und Eure Hilfe für uns und das Wohl
unseres gesamten Reiches zu Christus beten und bei den von
ihnen unternommenen guten Werken beständig verharren^ 2) —
ist nicht minder ein Beweis yoUer Würdigung ihrer Bestre-
bungen, als die materiellen Zuwendungen, die er dem Kloster
angedeihen liess. Im Jahre 998 bestätigte er einmal alle
Schenkungen burgundiscber Könige an das Kloster in den
Grafschaften Lyon, Frejus und Vienne, 3) in einem andern Di-
plom aus demselben Jahre überhaupt alle Grundrechte und
Privilegien Clunis im burgundischen Reiche^) auf Bitten seiner
Gemahlin Agiltrud und des Erzbischofs Burchard; und so sehr
dieser König durch die Grossen des Landes beschränkt war,
überwies er der Abtei doch die Kirche St.-Blaise-aux-Liens in
^) TrouUlat, Monuments de Phist. de r^v6ch6 de Bäle, Proventruy
1862 I, 139. 140.
•) CHOL ni, nr. 2270.
') ib. nr. 2465.
*) ib. nr. 2466. 30. October— 31. December 998,
73
der GrafBchaft Genf.^) Bedeutend freigebiger yerhielt er sieb
aber der Abtei Romainmontier, jener alten Familienstiftung,
gegenüber, der er in den Jabren 1009—1012 alljährlich Gttter
und Rechte überwieB oder ehemaligen Grundbesitz, der später
abhanden gekommen war, restituierte.^) Auf Rudolfs und seiner
zweiten Gemahlin Ermengardis^) Elostergrttndungen kommen
wir bald zu spreehen: noch nach dem Tode ihres Gemahls
wies die Königin Odilo aus ihrem Allodialgut Landbesitz zu.^)
Wie Rudolf die Sicherheit der cluniacensischen Gttter för-
dern half, bemtthten sich Bischöfe und Edle seines Landes um
die Ausbreitung der mönchischen Nonnen. Die Erzbisehöfe
von Lyon hatten seit lange sich den Mönchen von Cluni ge-
neigt erwiesen. Burchard L erliess ihnen im Februar 949
Leistungen, zu denen sie durch den Besitz zweier Kirchen
verpflichtet waren.^) Sein Nachfolger Amblard schätzte das
Stift vor allen andern in der Nachbarschaft und liess sich in
die Gebetsbrttderschaft der Mönche aufiiehmen.<^) Er vermachte
ihnen testamentarisch bedeutenden Grundbesitz und veranlasste
die Gründung einer abhängigen Celle.'') Burchard IL endlich,
der Bruder Rudolfs III, schloss mit den Brttdern der benach-
barten Abtei einen Vertrag, indem er sich gegen Abtretung
von Land auf Lebenszeit verpflichtete, ihnen allezeit als Schtttzer
und Verteidiger ihres Besitzes im Gau von Vienne zur Seite zu
») Urk. V. 14. Jan. 1029, Orig. Guelf. II, p. 163, nr. 74 und CHCL IV,
nr. 2812; Hidber, Schweiz. Urkandenregister nr. 1295.
') Vgl die Urk. Rudolfs fttr Romainmoutier im CartuL de Romain-
moutier, M^moires et documents de la Suisse Romande III, p. Uff. 426.
458; M6m. de la Suisse Romande XIX. Einige Urk. Rudolfs fUr dasselbe
Kloster auch bei Cibrario e Promis, Documenti, Sigilli e Monete, Torino
1833, p. 7. 18.
') Ueber ihre Herkunft vgl. Gisi im Anzeiger fttr schweizer. Gesch.
rv, 454. Er hält sie fttr eine Dame aus dem Hause Chambery.
*) Archivio storico ital. ser. IV, 11,243; Cibrario e Promis a.a.O.
p.102; CHCL IV, nr. 2892.
») CHCL I, nr. 734.
•) ib. II, nr. 1450: uf in vestris orationUms mereatur conscriM ac
vestris precibua particeps fieri, quoniam vos prae ceteris vestris vicinis
venerabiliter dileacit.
"*) ib.: quaHnus monachi Cltmiacensis loci in Nimsiaco ceüam Deo
dicatam tibi canstruerent.
74
stehen. I) Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts hatten die
Clnniacenser bereits sieben abhängige Mönchscellen im Erz-
bistum Lyon.^) Derselbe Erzbischof, der sieh in gntem Ein-
yernehmen mit Radolf befand ,3) wird als der Urheber der
Wahl eines cloniaeensisehen Mönches zum Abt yon Savigny
bezeichnet
Die Erzbischöfe von Lyon hatten es wie wenige verstan-
den , die bischöflichen Rechte hinsichtlich der in ihrer Diöcese
liegenden Klöster zu wahren. Doch hatte schon Amblard den
den Abt von Savigny vom Könige dahin privilegieren lassen,
dass es keinem Lyouer Erzbischofe erlaubt sein solle, die Be-
sitzungen der Abtei zu schmälern; die Obödienzrechte aber
blieben ihm vorbehalten, ebenso die Bestätigung der Abtwahl.^)
Schon im Jahre 1007 finden wir Odilo unter den Ratgebern
Bnrchards bei der Besetzung des Abtstuhles von Savigny, als
die schwerbedrückten Mönche den Durantus zu ihrem Leiter
erkoren. Im Einverständnis mit Odilo, Rainald von Ainay, Ber-
nard von Isle-Barbre und Wigo von St-Thenderius bestätigte
ihn der Erzbischof.^) Als nun Durantus etwa 1020 sein Leben
beschlossen hatte, kamen die Brüder seines Klosters, sogar auf
Verlangen des Erzbischofs Burchard, zu Odilo und erbaten einen
seiner Mönche zu ihrem Abte. Die Forderung wurde nicht ab-
geschlagen, und nun waltete der Gluniacenser Icterius, wahr-
scheinlich ein Verwandter Odilos, vierundzwanzig Jahre als Abt
zu Savigny ;<)) sein Todestag ist der 9. oder 10. Mai 1044. Nach
0 CHOL n, nr. 1 508 : noveritiSf quia sanct^ recordationis Burchardtts
Lugdu/nensis ecclesi^ presid f^dus voluit inire nobiscum et cum monachia
nostris Deo nobiscum militantibua et conventionem habuitj ut, 8% ei de
terra b. Petri apostoli cUiquid largiremur ad usum tantum vit^ eivia, nobis
adiuitor et defensor eooisteret suis omnibus diebtis et custos et advocatus
spesque fidissima ex omnihis rebus, quas in Viennensi pago habemus.
») Privileg Gregors V., J.-L. 2980; vgl. Ringliolz, D. hl. Abt Odilo
p. 23. Es sind die Gellen S. Hariae Taluzatis, welche durch eine März 999
datierte Urkunde von Blismodis an Clnni kam (CHOL III, nr. 2482), Po-
liacus, Artedunus, Ambierle, Savigneux, Gavariacus, Luiniacus.
0 Bresslau, Konrad II. II, 54.
*) Orig. Guelf. n, p. 138, nr. 50. Urk. Konrads v. 7.0ct. 976: quatenus
episcopus subiectionis sive obedientiae rtcepta reverentia dMta. Vgl. auch
die Urkunde fUr Isle-Barbre bei Lyon ebenda p. 135, nr. 48.
^) Gartulaire de Savigny I, nr. 581.
^) ib. I, nr. 632, Bestätigungsurkunde Burchards ohne Datum. Die
75
seiner Zeit scheint Unruhe nnd Verwiming in dem bnrgnn-
disehen Kloster ausgebrochen zu sein: seine beiden nächsten
Nachfolger wurden ihres Amtes entsetzt.^)
Icterins, der sich durch seine Tüchtigkeit besonders aus-
gezeichnet haben muss, blieb nicht auf.Sayigny beschränkt;
auch anderwärts hat man ihn sich zum Abte erbeten. Wenn
sich auch keine Beweise dafUr finden, dass er mit dem Abte
Iterius des von der Königin Ermengarde unterstützten Klosters
St-AndrMe-Bas zu Vienne identisch ist,^) so bediente dieselbe
Königin sich doch seiner, um die von ihr bei einer Kirche der
Jungfrau Maria angelegte Abtei Taloire bei Annecy mit Mönchen
zu besiedeln; mit Erlaubnis Rudolfs und nach Beratung mit den
Erzbischöfen Leodegar von Vienne und Emmo von Tarantaise,
den Bischöfen von Genf und Valence und anderen geistlichen
nnd weltlichen Grossen, die zur Weihe der Kirche zusammen-
gekommen waren, wurde Taloire dem Abte Icterius yon Savigny
unterworfen. Die Besitzungen, die sie schenkte, behielt Ermen-
gard noch für ihr Leben gegen einen Zins an die Mönche;
nach ihrem Tode gingen sie in deren freien Besitz ttber.^) Auch
Yon Rudolf wnsste die Königin, unterstützt durch die Erz-
bischöfe yon Lyon und Vienne, die Bestätigung ihrer Bestim-
mungen zu erlangen.^) Etwa um dieselbe Zeit, da diese Ueber-
Brüder kamen zn Odilo commtmi assensUf iussu domini Btjurchardi . . .
Dann weiter: tficut devotio praedicti domini Burchardi archipresidis postu-
laret. Wieder treten als Burchards Ratgeber Bemard von Isle-Barbre und
und Arnulf von Ainay auf. Breve Chron abb. Sav., HF XI, 199: Erat
Iterius iste Cluniaci sitb obedientia S. Odilonis. Es ist wohl nicht der-
selbe Iterins, der sich CHOL ni, nr. 2765 von 1022 findet: Data per
manua Iterii levite et monachi.
^) Breve Chron. Sav. a.a. 0. p. 120, wo sein Todestag auf den 9. Mai
1044 angegeben wird, sowie eine Regierungszeit von vierundzwanzig
Jahren. Der 10. Mai findet sich im Obituar. Lugdun. eccl. ed. Guigne,
Lyon 1867, p. 44.
') Mabillon, Ann. Ben. IV, 290 hat das zwar angenommen, doch finde
ich in dem Cartuhure de Tabbaye de St.-Andr6-le-Bas ed. Chevalier, Lyon
1869, keinen Beleg dafür.
3) Die Grtindungsurkunde steht HPM 1, 496 und Archivio storico ital.
ser. IV, II, 341. Die Regierungszeit der Bischöfe und der Umstand, dass
Rudolf noch lebte, nötigen die Urkunde 1030—1032 zu setzen.
*) ürk. Rudolfs, HF XI, 548. Hier werden bereits Brüder von Ta-
loire erwähnt: et utUitatem fratrum TcUveris monastice Deo famulantium.
76
tragnng erfolgte, im Jnni 1030, erhielt der Abt von Savigny
das Kloster St Paul de Boateville in der Saintogne zur Ordi-
nation and zn dauerndem Besitz, das Graf Gotfried yon
AngonlSme and seine Gemahlin Petronilla ans eigenen Mitteln
erbaut hatten.^) Zur Weihe erschienen der Erzbischof von Bor-
deaux und die Bischöfe von Saintes, P^rigueux und Angon-
ISme. Gerade der Graf und seine Frau regten auch ihre Ge-
treuen zum Bau von Kirchen an.^)
In der Diöcese Vienne besassen die Ciuniacenser gegen
Ende des zehnten Jahrhunderts eine abhängige Celle und ein
Kloster,') über deren Besiedelung wir nicht näher unterrichtet
sind. Reichlicher fliessen die Nachrichten ttber die Wieder-
herstellung des in Verfall geratenen Nonnenklosters Si-Andrö-
le-Haut. Begünstigt durch Karl den Grossen hatte sich das
im achten Jahrhundert durch die Sarrazenen zerstörte Gano-
nissinnenstift wieder gehoben, bis in der folgenden Zeit schwere
Stürme, zwei Belagerungen von Vienne, 870 durch Karl den
Kahlen, 882 durch Ludwig und Karlmann, ferner die Einfälle der
Araber und Ungarn, die Abtei von neuem in Verfall brachten.^)
König Rudolf, der sich an Odilo wandte, von ihm und dem
Bischof Malen yon Grenoble mit Rat unterstützt wurde, baute
sie aus eigenen Mitteln von grundaus wieder auf und liess sie
durch Nonnen von St-C6saire d'Arles einrichten. Am 25. August
1031 stellte der König in Peterlingen, dem Kloster Odilos, die
wichtige Urkunde aus, die seine Schenkungen aufzählte, die
Immunität aussprach und das Kloster allein unter den Schutz
Mithin kann dieses Actenstttck nicht mit Bouqnet ca. 1020, sondern nur
ca. 1031 gesetzt werden. Breve Chron. Sav., HF XI, 199. Ans einer Hand-
schrift des British Mnseum hat Bresslaa im Nenen Archiv XI, 102 ein
Necrologiam aus Taloire veröffentlicht, in welchem sich der Todestag der
£rmengard VIII. Kai. Sept. mit dem Zusatz fundatrix huius loci, der
Rudolfs Non. Sept. mit: qui fu/ndavit hunc locu/ni eingetragen findet
0 Breve Chron. Savin. a.a.O. p. 199; Hist. pont. et com. Engolism.
c. 31 bei Labbe II, 257. Die Urkunden bei Guichenon, Bibl. Lebus. cent
I, 58. 62; Cartul. de Savigny l, nr.633. 634.
>) Cartul. de Savigny I, nr.635.
') J.-L. 2980. Es ist das mona^teriwn Tademiacum und die cella
Clauseüa,
*) Charvet, M^moires de St.-Andr^-le-Haut de Vienne, Lyon 1868,
p. 41 ff.
77
des Vienner Erzbischofs stellte. 0 Selbstverständlich liess es auch
die Königin an Zuwendungen nicht fehlen; mit Kirchenschmnck
und Gerät aller Art ehrte sie die Nonnen, mit denen neues
Leben in die vernachlässigte Stätte einzog/')
Juraburgund.
Der bnrgundischen Königsfamilie blieb die Kaiserin Adel-
heid bis in die letzten Tage ihres Lebens eng verbunden. Auf
ihrer Rundreise durch die heiligen Orte von Burgund, welche
die Witwe Ottos L noch kurz vor ihrem Tode unternahm, er-
schien sie auch in St- Victor in Genf.') Sie fand das Kloster
so verfallen, dass sie dem Bischöfe riet, den Ort wieder neu
mit Mönchen zu bevölkern. Es war ein freudiges Ereignis,
das die Beform zweifellos sehr förderte, als nicht lange nach
dem Besuche der greisen Kaiserin Hugo von Genf die Gebeine
des Märtyrers auffand : der Festtag des hl. Victor versammelte
die geistlichen und weltlichen Grossen Burgunds in Genf, die
der Beisetzung der teueren Reliquien unter dem Altare in der
Basilica beiwohnten; König Rudolf selbst und seine Gemahlin
Agiltrud, des Königs Bruder Burchard von Lyon verliehen
durch ihre Anwesenheit dem Feste würdevollen Glanz. Um
den Ort zu ehren, beschloss jetzt auch der Bischof reguläre
Mönche nach St. Victor zu führen. Mit Erlaubnis des Königs
und seines Bruders, des Erzbischofs, wandte sich Hugo, da
das Kloster zu arm war, um selbständig zu existieren, an
Odilo von Cluni mit der Bitte die Abtei zu ttbemehmen. Selbst-
verständlich griff Odilo auf der Stelle zu: so ward bestimmt,
dass fortan St. Victor im Besitze Glunis bleiben und dessen
Aebte die Ordinationen in dem Genfer Kloster vornehmen sollten,
ein Zugeständnis, das Bischof Hugo gewiss nicht ganz aus
>) Die Urkunde Rudolfs v. 25. Aug. 1031, HF XI, 553 und Charvet
a.a.O. p. 201. Vgl. Viennae sanctae et senatoriae Antiquitates sacrae et
prophanae bei Dnbois, Bibl. Floriac., Lyon 1605, p. 67. Dazu sehe man die
Wahlarkunde der Aebtissin Aldegard von 1084 bei Charvet a. a. 0. p. 205:
ex regiis aumptibus a fundamentis renovavit ac sancH Cesarii Arelatensis
manachabus tempore domni Burchardi archiepiscopi ordinavit. Nach Char-
vet p. 46 nahmen sie zwar die Benedicünerregel, behielten aber doch ge-
wisse Einrichtungen der Canonissinnen bei.
>) Bibliotheca Floriac. p. 67.
<) Epitaph. Adelh. c. 17. Vgl. Bd. I, 344.
78
freien Sttteken Odile angeboten haben wird.^) Es verdient her-
vorgehoben zu werden, dass also anch hier Rudolf lU. und Bur-
ehard uns als Begünstiger der Reformbewegung entgegentreten,
lieber die Reformen zweier anderer burgundischer Klöster
sind wir bezüglich der näheren Thatsachen nicht unterrichtet.
Wir mUssen uns damit begnügen zu berichten, dass ein Graf
Giselbert, wohl der Bruder Brunos von Langres und der Ermen-
trud, Otto Wilhelms Gemahlin, Odilo beauftragte, das im Jura
gelegene Kloster Nantua wieder zur regulären Zucht zurück-
zuführen.^) Rechtlich untergeben war Cluni eine andere Abtei
im Schweizer Jura, die Gelle des hl. Engendus, als deren Abt
wir zu Odilos Zeit Gauzerannus finden, ohne mit Bestimmtheit
sagen zu können, ob er aus Cluni stammte oder nicht ^) Die
0 Die Urknnde ist oft gedruckt: Mabillon, Acta SS. VI, 1,571; Ann.
Bened. IV, app. 637; Origin. Gaelfic. IE, p. 146, nr. 57; Guichenon, Bibl. Seb.
Cent. I, nr. 13; zuletzt CHOL ÜI, nr. 2984. Sie ist aber auch sehr ver-
schieden datiert worden. Schon Mabillon hat die späte Datierung Gniche-
nons auf 1019 zurückgewiesen; ebenso wenig datiert aber Bruel, CHOL
m a. a. 0. richtig auf 993—999. Adelheid kam 999 nach S.- Victor. Non
tnuUo post fand die Auffindung der Reliquien statt; die Beisetzung dürfte
dann vielleicht am Victorstage, 10. October 1000, erfolgt sein und zwar
darum, weil, wie das honae nwnoriae Adalheid zeigt, die Kaiserin bereits
tot war, andrerseits kann sie noch nicht lange tot gewesen sein — sie
starb wohl zwischen der Auffindung und der Beisetzung des Märtyrers — ,
weil sie, wie ans einer Urkunde Heinrichs III. vom 4. Dec. 1049 bei Gran-
didier, Hist. d'Als. I, 408 hervorgeht, noch die Verblödung Hugos und
Odilos anordnete. Hier heisst es: corroboramus iüam conveniewtiam ad
honorem et utilitatem Genevensis ecclesiae, quae facta est inter bofuie me-
moriae Hugonem eiusdem civitatis episcopum et fdicis memoriae venerabilem
Ogdilonem Cluniacensem abb<Uemj dictante imperatrice Adeldda^ Rodülfo
rege laudante, faventibus in hoc fratre eius Burcardo archiepiscopo ceteris-
que regni principibus.
^) Jots. Vit. Odil. II, c. 16: In loeis Iiirensibtis Nantoatis est mono-
sterium sancto patri ad componendum regularis vitae statu/m a OisMerto
comite traditum. In demselben Kloster heilte Odilo nach c. 17 einsteinen
kranken Knaben, indem er ihn ex calice sancti Maioli trinken lässt.
*) Jots. Vit. Odil. II, c. 1 S : devenerunt ad quandam ceUam sancto
Eugendo ahbati iure subditanij ubi honorifice a fratribus HUc manentibus
suscepti post exhibitam humanitatem quieverunt. Natiürlich muss es heissen
ceUam sancti Eugendi abbati (sc. Odiloni) etc. Im weiteren Verlauf der
Erzählung wird Oauzerannus abbas S. Eugendi genannt Nach Dunod,
Hist. de Bourgogne I, 117 erscheint Gauzerannus 1015 and 1020. Die im
Catalog. abbat. S. Eugendi SS. XIII, 745 bei seinem Namen angeführten
79
Sorge für beide Abteien, sowie seine Befonnen in den ost-
bnrgundiscben Diöeesen Genf und Lausanne ftthrten Odilo öfter
in jene Gegenden^)
Nicht Clani selbst, seine Filiale Peterlingen hatte Anteil
an der Klostergrttndnng eines bnrgnndischen Edlen Rudolf,
der von der religiös aufgeregten Strömnng der Zeit fortgerissen,
zor Basse seiner Sünden ein Kloster zn erbauen beschloss. Er
wandte sich 998 nach Peterlingen; durch die dortigen Mönche
in seinem Vorhaben bestärkt, ging er an die Ausführung seines
Planes und errichtete dem hl. Petrus zu Bevaix im Waadt-
lande am See von Neufchatel ein Benedictinerstift, das er mit
Schenkungen bedachte und Odilo in Besitz und Ordination
ttbergab: zwei Solidi sollen die Mönche jährlich dafür nach
Rom zahlen. Aber Rudolf sicherte doch seiner Familie für
später noch einigen Einfiuss: einer seiner Erben, den er er-
nennen will, soll die Yogtei über das Kloster übernehmen und
immer soll einer seiner Nachkommen Advocat von Bevaix
sein. Der Bischof von Lausanne vollzog die Weihe der neuen
GrUndung.2)
Savoyen und Provence.
Unter den mächtigen Geschlechtem, die gegen Ende des
zehnten Jahrhunderts in Burgund neben dem Königshause her-
vortreten, ist das der Grafen von Savoyen.') Auch dieses
Haus, das unter Rudolf IIL schon eine bedeutende Stellung
einnahm, finden wir unter den Begünstigern unserer Abtei:
Urkunden reichen von ca. 1008 — ca. 1023. Sein Nachfolger Odericus (nach
Danod 1,117: 1025, 1032 und 1936) ist nach dem Catalog. 1023—1089
nachzuweisen. Die Abtei war ehemals nicht ohne Bedeutung. YgL Dunod
a.a.O. I: Preuves pour Phistoire de Tabbaye de S. Claude LXV ff.
^) JoU. Vit Odil. II, 7: in Peterlingen; II, 15: Peterlingen; II, 16: Nan-
tua; II, 17: Nantua; II, 18: Jura, St Eugenius; II, 21: ex partibus Ultra-
juianis und Nantoatis.
') MatUe, Monuments de l'histoire de Neufchatel, Neufchatel 1844,
I, p. 1 ; OHGL UI, 2453 vom 20. Febr. 998. Im Jahre 1005 ist Rudolf noch
am Leben, da er in diesem Jahre mit Odilo einen Tausch abschliesst
Matile I, p.3; CHOL III, 2607. lieber Bischof Heinrich vgl. Gesta ep.
Lausann. SS. XXIV, 197. Ueber den comitatus Waldensis Bresslau, Kon-
rad IL II, 66 ff. Heinrich III. bestätigt am 4. December 1049: cdlam etiam
Bethuatiam a BodtUfo qtiondam bona viro Cluniacensi monasterio traditam.
>) Bresslau, Konrad IL U, 60 ff.
80
beide Linien, die ältere von Sayoyen-Belley, wie die von Aosta,
machten sieh nm den Fortschritt der Reform verdient Darch
ihre Fördemng gewann Clnni an Boden im Bistnm Grenoble,
wo es bereits im Herbst 996 durch Bischof Hombert eine
Ortschaft nebst mehreren Kirchen erworben hatte,^) and, nn-
gewiss wann, in Domäne Mönche ansiedelte.^) Amadeas I,
Graf von Savoyen-Belley, verlieh nnn am 22. October 1030
dem Abte Odilo die Kirche des hl. Maaritias zu Malancöne
im Einverständnis mit dem Bischöfe Malenos von Grenoble,
einem Verwandten des Haases der Wigonen, und seinem
Domcapitel, nicht ohne sich Patronats- und Repräsentations-
reehte vorzubehalten. Die Urkunde ward am Hofe des Königs
ausgestellt und von diesem selbst unterzeichnet;^) derselbe
Graf schenkte bald darauf noch Landbesitz an die Kirche.^)
Nicht lange Zeit nachher finden wir in Malaucöne refor-
mierte Mönche. Auf jener Versammlung am Königshofe war
auch Graf Humbert Biancamano von Aosta, der das Docu-
ment als erster bekräftigte. Er mit seinen Söhnen Ama-
deus, Aimo und Oddo gaben an die Brüder eine Kirche des
hl. Germanus, einen Wald und drei Hufen in Savoyen, zwei
in Belley; er bemerkt ausdrücklich, dass sie zu seinem AUo-
dialgut gehören,^) andere Uebertragungen folgten auf Bitten
Odilos.*) Alles das bildete später die Gelle Le Bourget, die
im Besitze Clunis zum ersten Mal in der Bulle Stephans IX.
von 1058 aufgeführt wird.')
0 CHOL m, nr. 2307. Humbert von Grenoble giebt die Hälfte castri
de Visilia cwn domo mea et totum hwrgum cum eccUaia sanctf Mari^ u. a.,
ausserdem eine Kirche des hl. Martin.
*) Vgl. Cartul. de Domäne nr. 1 , p. 1 ; nr. 2, p. 4 ; nr. 22. 27 u. a. St
*) Guichenon, Hist de la royale maison de Savoie II, pr. 8; Archivio
stör. ital. ser. IV, II, 234 ; vgl. Carutti, II conte Umberto in Arch. stör. ital.
ser. IV, I, 468 ; HPM I, 490.
*) Guichenon 1, 189-, Arch. stör. ital. ser. IV, I, 467 und II, 235.
^) Guichenon II, pr. 5 und Arch. stör. ital. ser. IV, II, 239, wo aus-
drücklich steht: haec supra memorata doinus ad auetentcttionem fratrum
apud MaÜacenam degentivim,
«) Guichenon II, pr. 6; Arch. stör. I, 478. 479; II, 240. 241.
^) Arch. stör. 1, 470 : CeUam etiam quae vocatur Burgwn^ quam Arno-
deua comes dedit Deo, fratribus eius faventibua (so offenbar eu emen-
dieren fUr larentibu8) Burchardo videlicet aJtque Oddone, J.-L. 4386 vom
6. März 1058.
81
Verfolgen wir die Diöcesen des ehemaligen proven^alisehen
Reiches nach Süden, so stossen wir in mehreren derselben, in
Viviers*), Us^z*), Saint-Pol^), Orange*), bereits in den ersten
Jahren Odilos auf eluniacensische Ansiedelungen, die in Ab-
hängigkeit von dem Stammkloster geblieben waren. Es sind
meist kleine Gellen, deren Entstehung und Anfangsgeschichte
sich in der Regel unsern Blicken entzieht: kleine Colonien
clnniaeensiseher Mönche, die an irgend einer der Abtei ge-
hörigen Kirche angesiedelt wurden.
Unter Odilo machte der Einfinss der Cluniacenser in die-
sen Gegenden weitere Fortschrittte. In L^rins, das unter Ma-
jolus reformirt, aber, wie es scheint, unter selbständige Aebte
gestellt worden war, tauchte Odilo eine Reihe von Jahren als
Abt wieder auf.*)
In der Diöcese Gap besassen die Cluniacenser das Kloster
Ganagobie und die Celle St-Andrö-de-Rosans,^) die der Kle-
riker Richaudus im April 988 an Cluni zur Besiedelung mit
Mönchen gegeben hatte.') Im Jahre 1010 weihte nun Bischof
^) Hier vier Gellen Mizoscum, de Rumpono Monte, ad Fontes, Risus.
Nur über die zweite giebt die Urkunde CHOL II, nr. 976—977 Auskunft.
Silvius giebt sie an Cluni, ut domnus abba Mayolus vel sua congregatio
in ibidem locum monastetnum constriMnt et monachos in ipso mittant.
*) Das Kloster St. Peter und St. Satumin an der Rhone, wohin Wil-
helm von Dijon geschickt worden war. S. Bd. I, S. 260.
^ cella S. Amandi.
^) Die cella Podium Odolenum und das Kloster St. Pantaleon.
'^) Er erscheint in zwei undatierten Urkunden als Abt, Bibl. Cluniac.
col.333 und 334; Gartul. de L6rins I, 53 und 193. In der Coli. Moreau XX,
f. 248 trägt aber eine der Urkunden (vhi et Vodilo abbas Cluniacensis prcte-
esse videtur) das Datum : IV. Kai. Sept. a. incam. Dom. MXXVIII. In
der Series abbat. Lerin., Gart, de L^rins I, p. 358 ist Wernerius auf ca. 990,
Odilo 997—1020, Amalrich 1028—1046 angegeben. Mabülon, Acta SS. VI,
1, 573 entnimmt aus zwei handschriftlichen Chroniken von L^rins, dass
Odilo nur von 1022—1028 Abt war, und weist ausdrücklich die Meinung
zurück, dass er bald nach des Majolus Tode die Leitung übernommen.
Nach Alliez, Bist du monast. de L^rins, Paris 1862, II, 63 war Amalrich
schon von 1025—1046 Abt. Carraurais, L'abbaye de Montmajour, Marseille
1877, p. 29 meint irrig, erst Wilhelm von der Provence habe L^rins, das
unter Montmajour stand, Odilo übertragen.
•) J.-L. 3896.
^) CHOL n, nr. 1784; Roman, Tableau bist du d^part. des H&utes-
Alpes, Paris-Grenoble 1890, II, p. 2.
Saokar, Clnniaceoaer. U. Q
82
Feraldu8 eine andere Kirche des hl. Andreas bei Gap auf An-
suchen eines Bürgers Adalald und seiner Frau Frodina, welche
die Kirche zur Unterhaltung eines Priesters dotiert hatten.^)
Dieselbe Kirche unterwarf er am 27. März 1029 den Clunia-
censem, fbr die sich neben einem Canonicus von Gap der
Propst Petrus von Si-Andr^-de-Rosans verwendet hatte. ^)
Zahlreiche Schenkungen kamen in der Folge an die mit
Mönchen besiedelte Kirche.^)
Wir wissen, dass das proveufalische Grafenhaus durch die
Vertreibung der Sarrazenen und den Erwerb des von ihnen
occupierten Landes einen bedeutenden Machtzuwachs erhielt
Diesem Umstände verdankte die Reform neue Erfolge in den
proven^alischen Sprengein.
So war der Hof Valensolle, ein Erbgut des Majolus, das
dieser Wilhelm I. von der Provence und seinen Brüdern auf
Lebenszeit geschenkt hatte, an Cluni zurückgekommen.^) Nach-
dem Bischof Almerad von Riez in einem der nächsten Jahre
auf die Zehnten von St.-Maximin, die er lange bestritten, in-
dem er einmal in der Kirche erschien,^) verzichtet, sandte Odilo
den Prior Rainald mit der Bitte an den Bischof, ihm über
die Kirche von Valensolle freie Disposition zu gewähren, ein
Ansuchen, dem Almerad um so weniger widerstand, als er be-
reits 80 Solidi von den Mönchen erhalten hatte.^) Und gegen
eine nochmalige gleich hohe Gratification in Geld und anderen
Geschenken zeigte er sich nicht minder williUhrig, als sie ihn
um die Erlaubnis angingen, neben der altheiligen Kirche ein
Kloster errichten zu dürfen.'')
Ebenfalls auf ehemaligem Grundbesitz Wilhelms I, in Sa-
*) GartuL de St.-Andr6-de-Qap, Notice bist, et doouments in^dits sur
le prieur^ de Saint-Ändr6-de-Gap, im Bulletin d^ist. eccl68. et d'arch6ol.
relig. des dioceses de Valence, Gap, Grenoble et Viviers II, 257.
>) CHOL IV, nr.2813 und im Auszuge in Notice hist. etc. a.a.O.
') Notice hist. a.a.O.
*) CHOL III, nr. 1837; s. Bd.I, S. 232.
«) ib. nr. 1866.
^) ib. nr. 1990. Urk. Almerads: vi de ecclesia Valentiola et ältari eis
auctoritatefn concederemtis, sictU inter nos et iUos convenit , . . ut ipsam
ecclesiam cum altari liceat tenere^ ordinäre^ veX dare sine ullius conttxh
dictione,
») ib. nr. 1991.
83
rians im Erzbistum Arles, erbaute ein Möaeh von Clnni, Leo-
degar, eine Kirche, die der Erzbischof Regimbald den heiligen
Peter und Paul, Martellus und Saturnin weihte, und die Mönche
besiedeln sollten.^)
Die Restitution von Grundbesitz, der einst Majolus gehört
hatte, setzten Wilhelm IIL mit seiner Gemahlin Lucia und seine
Neffen Gausfred und Bertrann, die gleichzeitig in der Provence
herrschten, fort.^) Die ersten beiden hatten den Cluniacensern
schon vorher einen Mansus bei der Stadtmauer von Gap zum
Unterhalt der Mönche abgetreten.^)
1) Mabillon, Acta SS. VI, 1,574 nach einer handschriftlichen Notiz;
die Urkunde jetzt CHOL IV, nr. 2866. Eine andere Elostergrtindung, die
von St. Colnmba in der Diöcese Toulouse, die Mabillon, Acta SS. VI, 1, 576
anführt, wage ich nicht unter Odilos Gründungen zu rechnen, da in der Ur-
kunde nur die Schenkung einer Kirche seitens des Bischofs Petrus Roge-
rius enthalten, von München aber nicht die Rede ist. Die Urkunde ist
erhalten im Cod. Paris, lat. 1 1834. Das Datum ist: HeinHco regnante no-
billissinw rege Francoruniy also 1031—1048, da Odilo noch lebt.
*) CHOL IV, nr. 2916. 2917 : qiuindam terram sancti Maioli aliquando
hereditcUemj actenus vero possessam a nostris anteceasorihua, nomine Dilic^
dam et Septem fontes .. . in episcopatu Begenai. Die Urk. v. 1087. Die
erste, die der Grafen Gausfred und Bertrann, ist ap%id Serrianum viUamf
also im Sprengel von Arles ausgestellt, die zweite, die Wilhelms III, apud
Podii Odolinum tnonasterium, im Sprengel Orange, einem von Cluni ab-
hängigen Kloster.
>) Urk. V. VII. Id. Mai. 1030 im Cartul. de Saint-Andr^-de-Gap a. a. 0.
p. 258.
6^
Viertes Capitel.
Wachsende Bedeutung des französischen
Mönchtums.
1. Der römische Stuhl und der nordfranzösische
Episcopat.
Nach zwei Seiten sehen wir die mönchischen Anstalten zn
einem wesentlichen Teile ihre Stellung zn den Diöcesanbischöfen
nicht wenig verändern. Während die bedeutenderen gänzlich
oder doch in vieler Hinsicht dem Einflüsse des Episcopats ent-
zogen werden, finden zahlreiche andere und mit ihnen Kirchen
und Ländereien nicht mehr in den Bischöfen, sondern in grösse-
ren Klöstern und deren Achten ihren geistlichen und rechtlichen
Beziehungsort: es bilden sich Kreise und Gruppen, die mit der
Diöcesangliederung der kirchlichen Hierarchie wenig gemein
haben, welche die episcopalen Rechte der Diöcesanbischöfe
nach mehr als einer Seite hin zu durchbrechen drohen.
Je weniger diese Entwicklung die Begeisterung der Bischöfe
fUr sich in Anspruch nehmen durfte, die den wachsenden Ein-
fiuss des Mönchtums mit Misstrauen und Unwillen betrachteten,
desto mehr erfreute sich dieses der Gunst des römischen
Stuhles. Hatte schon Silvester 11.^) das Wohl der römischen
Kirche mit der Blttte Glunis in Beziehung gesetzt, so zeigt die
folgende Entwicklung ein immer stärkeres Verschmelzen der
Interessen des Mönchtums und der des Stuhles Petri. Die
Schutz- und Exemtionspriviliegien der Päpste traten in Wirk-
samkeit Der Mangel an juristischer Schärfe, der in den Ur-
kunden hervortritt, ftthrte notwendig zu streitigen Auffassungen.
») S. Bd. I, S. 853.
85
So wie das Mönchtum sich mehr nnd mehr daran gewöhnte,
die Schntzpflicht Roms anznrnfen, so wuchs das Selbstbewnsst-
sein der römischen Kirche. Anch sie konnte nicht unberührt
bleiben yon dem Machtgeftlhl, das die kirchlichen Kreise in
steigendem Masse empfanden: so nahmen auch die Päpste des
elften Jahrhunderts bald mehr bald weniger jede Gelegenheit
wahr, den Bischöfen gegenüber auf die universalen Ansprüche
der Kirche Petri zurückzugreifen. Es musste zu um so stär-
keren Conflicten mit dem Episcopat kommen, je mehr er sich
der römischen Oberherrschaft entwöhnt hatte.
Wieder trat die Verbindung Roms und der französischen
Mönche im Gegensatz zum Episcopat gelegentlich der Forde-
rung hervor, die der Bischof von Orleans hinsichtlich des
Obödienzeides des Abtes von Fleury erhob. Gauzlin wies« wie
sein Vorgänger Abbo das Ansinnen des Bischofs zurück; ja,
als Fulco am Benedictsfeste uneingeladen mit grossem Gefolge
nach Fleury kam, wurde er mit Schimpf und Schande davon
gejagt. Es kam zu turbulenten Scenen. Das Geschrei der
Bürger erfüllte die Strassen. Die Marktbesucher wurden aus-
einander getrieben, viele mit Knütteln getötet*) Im franzö-
sischen Episcopat machte dieses kurze Verfahren das grösste
Aufsehen. Der Abt verweigerte nicht nur den Eid, sondern
auch jede canonische Abhängigkeitserklärung. Mochte man
ihm als Benedictiner die Berechtigung, jenen abzulehnen, zuge-
stehen, so schrieb doch der gelehrte Fulbert von Chartres an Abt
Gauzlin: er könne kein Gesetz und keinen vernünftigen Grund
ausfindig machen, der ihn von dem Joch dieser Untergebenheit
befreie.^) Im Interesse des Friedens bat auf der andern Seite
Fulbert den Bischof von Orleans, nachzugeben und auf den Eid
und sonstige Leistungen weltlichen Rechtes zu verzichten, wenn
sich Gauzlin zu dem einfachen Versprechen der Untergeben-
») Vgl. V. Gauzlini I, c.l2.
*) Fulberti epist. 72: Ego enim neque legetn neque modwn ratiocina-
tionia invenire possum, qui vos ab iugo subiectionis huius absolvat . . . Ne
quis V08 sedticat inünibus verbis. Worin die Forderung Fulcos bestand,
erhellt aus epist 41 an Fulco: Igitur si abbas S. Benedicti de veatro con-
temptu cvXpam 8Mam recognoverit et illam deinceps stibiectionem promiseritj
quae vobis canonice debetur, hortor et stuideOj ut recipiatis; sacramenta
vero et caetera quae ad mundanam legem pertinent . . . missa faciatis.
86
heit verstehe. Sefaon war man damals in diesen Kreisen ge-
wiss, dass der König, dnreh seine Umgebung beeinflasst, die
Mönchspartei begünstige. Aber der Abt von Flenry wieh keinen
Schritt; er wurde von Falco exeommuniciert, der ergrimmt auch
seine Amtsgenossen zn gleicher Handlnngsweise aufforderte.
Der tiefe Gegensatz, der die beiden Parteien trennte, trat
augenblicklich hervor, als Gauzlin auf dem französischen Con-
zil, das die beiderseitigen Bechte prüfen sollte und dem auch
der König beiwohnte, ein päpstliches Privileg vorlegte, nach
welchem der Bischof das Kloster nur auf Einladung des Abtes
besuchen dürfe. Die Freunde des Erzbischofs Leotherich von
Sens und Fulcos von Orleans erhoben sofort ein wüstes 6e-
schrei: man wolle die Urkunde verbrennen, drohte man, wenn
man sie nur erst in die Hände bekäme. Fulco forderte den
Abt geradezu auf, das Privileg ins Feuer zu werfen. Ein
römischer Cardinal wohnte dem Auftritte bei und machte Jo-
hann XVIII. Mitteilung. Der Papst schrieb einen entrüsteten
Brief an den Könige): einige französische Bischöfe hätten die
Autoriiät des römischen Stuhles so sehr verhöhnt, dass sie ihm
jeden weiteren Gehorsam aufkündigten. Sein Gesandter sei
aufs empörendste beleidigt worden, indem man in seiner Gegen-
wart sich verächtlich über die römische Kirche ausgesprochen
habe. Johannes zog die Sache nach Bom. Bis zu den näch-
sten Ostern, sollten die Hauptübelthäter Leotherich^) und Fulco^)
bei Strafe des Bannes erscheinen; auch den Abt von Fleury^)
lud er vor; „Weil Du die Autorität der römischen Kirche ver-
teidigt und uns zur Ehre gehandelt hast, so gewähren wir und
der hl. Petrus Dir unser Vertrauen und unsern Segen' schrieb
ihm der Papst. Zwar entschied nicht mehr Johann XVIII. die
Sache <^); aber wenn späterhin dem Abte von Fleury gestattet
») V. Gauzlini I, c. 14; J.-L. nr. 3958.
>) ib. I, c. 15. Brief an Leotherich; J.-L. nr. 3959.
8) ib. I, c. 16. Brief an Fulco; J.-L. nr. 3960.
*) ib. I, c. 17. Brief an Gauzlin; J.-L. nr. 3961.
^) Hier herrscht in der Vita Gauzlini I, c. 18 Verwirrung^ wenn es
heisst : Qui apostolicis obaudiens praeceptis Romam tendit. Sed eum (Joh.)
quem cupieratf viventem non reperit. Suscipitur tarnen cum ingenti honore
a Benedicto. Da Benedict VIIL gar nicht auf Johann XVIIL folgte, ist
hier wahrscheinlich ein Capitel in der V. Gauzl. ausgefallen; denn das,
was folgt, steht in gar keinem Zusammenhange zum Vorangehenden. Von
87
wird, von einem beliebigen Bischöfe sich weihen zn lassen,
aasser von denen von Sens nnd Orleans, so beruhte das jeden-
falls auf einer päpstlichen Entscheidung, die den Bischof de-
finitiv von der Untergebenheit unter den Diöcesanbischof be-
freite.*)
Unter Johanns Nachfolger Sergins verschärfte sich der
Confiict zwischen dem römischen Stuhle und der nordfranzö-
sischen Geistlichkeit Der Graf Fulco Nerra von Anjou, ein
Kirchenränber ohne Gleichen, hatte bei seiner Burg Loches
im Gau von Tours ein Kloster errichtet, zu dessen Weihe er
den Erzbischof Hugo aufforderte. Als dieser die Einladung mit
dem Verlangen ablehnte, Fulco solle erst das geraubte Gut den
Besitzern ausliefern, bevor er sein eigenes Gott weihe, wandte
sich der Graf erzürnt, wie es heisst mit reichen Geschenken, an
Johann XVIII.^) und stellte die Stiftung unter seinen Schutz. Aber
erst Sergius IV.^) war es, der seinen Gardinallegaten Petrus mit
dem Auftrage, den Willen Fulcos zu erfüllen und die Abtei zu con-
secrieren, nach Frankreich sandte. Im französischen Episcopat
erregte diese Handlungsweise, die man der Bestechung zuschrieb,
den gewaltigsten Unwillen. Einstimmig hielt man es für un-
geziemend, dass der, welcher den römischen Stuhl inne habe,
die apostolischen und canonischen Vorschriften überschritte,
die dahin gingen, dass kein Bischof in der Diöcese eines
andern irgend eine Handlung ohne seine Erlaubnis verrichte.
Selbst die Mönche scheinen sich teilweise diesem Verfahren
Benedict, wird erzählt, erlangte Gauzlin die Excommunication des Vice-
grafen Gaufred von Bourges, der ihm den Zutritt zur Stadt verweigerte.
Davon ist vorher nichts gesagt; c. 11 wird nur kurz seine Erhebung zum
Erzbischof von Bonrges berichtet. Es ist anzunehmen, dass hier ein
Capitel ausgefallen ist, welches die Schwierigkeiten behandelte, die Gauz-
lin bei der Besitzergreifung des erzbischöflichen Stuhles erfuhr. Ueber
den Zeitpunkt des Streites mit Fulco ist deshalb vielleicht nichts zu
folgern.
*) Consuet. Veteres Floriac. bei Joh. a Bosco, Vetus bibl. Floriac,
1605, p.408; Pardiac, Hist. de St. Abbon p. 321 will diese Einführung auf
die Vorgänge der Synode von St. Denis beziehen; doch handelte es sich
hier nur um die Zehnten-, nicht um die Unterordnungsfrage.
») J.-L. nr. 8962.
3) Vgl. Rod. Glab. Hist. II, c. 4. Glaber nennt den Papst Johann,
aber ans den Urk. Sergius IV. (J.-L. nr. 3980 und 3987) geht hervor, dass
dieser es war.
88
entgegengesetzt zn haben, wenn Rodulfhs Glaber dem Papst
zwar eine grössere Ehrfurcht zugestand, aber Eingriffe in fremde
Diöcesen fiir aneanonisch erklärte. Die Weihe fand in der That
statt; es hatten sieh sogar eine Anzahl Bischöfe eingefunden,
die unter der Botmässigkeit des Grafen von Anjou standen.
Dass eine Klage des Erzbischofs gegen Fulco bei der römischen
Curie abgewiesen wurde, ist unter diesen Umständen begreiflich.
So musste denn mehr und mehr eine Entfremdung des
nordfranzösischen Episcopats und der Curie erfolgen. Man mag
sich deshalb vorstellen, was die Erhebung Gauzlins, der erst
vor kurzem den Bischöfen so schroff entgegengetreten war,
auf den Stuhl von Bourges zu bedeuten hatte. Er war ein
natürlicher Sohn Hugo Capets. Wieder rief man einstimmig:
Nicht zieme es, dass ein Bastard die Kirche beherrsche ^), und
der Vicomte Gausfred von Bourges verweigerte ihm hartnäckig
den Eintritt in die Metropole. Endlich im Frtthjahr 1016 finden
wir König Robert zugleich mit einer Gesandtschaft Odilos von
Cluni in Rom; und da uns von andrer Seite berichtet wird,
dass Odilo im Interesse Gauzlins thätig war 2), so darf man wohl
die Unterhandlung zwischen Benedict Vm. und dem Könige von
Frankreich zu Gunsten Gauzlins in dieses Jahr setzen, zumal
jetzt ein directer Befehl des Papstes an den Vicegrafen dem Abte
von Fleury die Thore von Bourges öffnete 3), wo er unter grosser
Teilnahme des Volkes am 1. Dezember 1017^) als Erzbischof
einzog. Sicherlich hatte sich der Abt von Cluni damals in
hohem Masse den Dank des Königs verdient; denn gerade
während dieses römischen Aufenthaltes erwirkte Robert für
ihn eine Bulle von Benedict YIII, die an die Bischöfe von
Burgund, Aquitanien und Provence gerichtet war^) und sie
^) Ademari Hist. III, c. 39 : Sed et ipsi quinquennio seditionem agen-
teSj noluerurU eum in civitatefH reciperCj dicetites una voce: Non decet
dominari ecceaiae filium scorti.
') Ademari Interpret.: sequtstro Odilone abbate.
8) V. Gauzlini I, c. 19; J.-L. nr. 3995; dort irrig ca. 1013 datiert.
*) Pfister, Etudes p. 191.
*) J.-L. nr. 4013 v. 1. Sept. 1616; Bull. Cluniac. p. 6: IgituVj quia in
eodem loco iuges orntiones et missaruni celebrationes et elemosinae fiunt pro
statu sanctae Dei ecclesiae et oninium fidelium vivorutn et defunctonmi
scdute et requie, ipsius dispendium commune omnium nostrum est detri-
mentum.
89
aufforderte, eine Beihe von Kircbenränbem, die den elnniacen-
sischen Besitz vielfach angegriffen nnd belästigt hatten, zu
excommunieieren. Er verlangte, dass die Frevler vom April
big Michaeli Busse nnd Genngthuung leisteten: dann solle ihnen
verziehen sein. Im Nichtfalle trifft sie der Kirchenbann und
ein furchtbarer Fluch. Das Wichtigste aber sind für uns die
Worte, mit denen der Papst seine Verteidigung Clunis begrün-
det: „Weil an derselben Stätte fortwährend Gebete, Messen
und Almosen geschehen fUr das Bestehen der hl. Kirche Gottes,
fttr die Rettung und Seelenruhe aller Gläubigen, der Lebenden
und Toten, so ist die Schädigung eben jener Abtei unser ge-
meinsamer Schaden.^
Nur wenig später suchte auch Richard II. von der Nor-
mandie durch Wilhelm von Dijon in Rom Schutz gegen die
Bischöfe seines Landes, von deren Seite ihm wegen einseitiger
Begünstigung des Mönchtums die Gefahr der Excommnication
drohte.^)
Die Kluft zwischen Rom und den Bischöfen des nörd-
lichen Frankreichs schien sich mehr und mehr zu erweitem.
2. Cliini und die Opposition.
Vor allem brach sich aber auf dem römischen Stuhle das
Bewusstsein mehr und mehr Bahn, dass das Heil der Kirche
auf dem Regularclerus beruhe, dass die Mönche die wahren
Vorkämpfer ftir die christlichen Ideale seien: ein Gesichtspunkt,
den, wie wir wissen, um dieselbe Zeit Heinrich II. zum Aus-
druck brachte, als er den Cluniacensern den ihm von Bene-
dict VIII. überreichten Reichsapfel zum Geschenk machte.^)
Wenn aber auch der nordfranzösische Episcopat zeitweise dem
wachsenden Einfluss des Mönchtums, dem Ansturm gegen die
diöcesanen Rechte sich entgegenstellte, so gab es doch sicher
genug Bischöfe, welche die Verdienste des Klosterwesens um
die Wiedererweckung des kirchlichen Geistes vollauf zu wür-
digen verstanden, wie Fulbert von Chartres, der erste Gelehrte
seiner Zeit, der ebenso sehr in medizinischen als juristischen
Kenntnissen seine Zeitgenossen überragte. So wenig er geneigt
0 8. oben 8. 46 f. ») 8. oben 8.11.
90
war, woblbegrttndete Rechte des Episcopats dem Mönchtnm
preiszugeben, so offenbarte er sich doch als warmer Freund der
Religionsbestrebungen der Clnniacenser. In der Wirksamkeit und
der Begünstigung des Mönchslebens sab er die wahre Religion
verkörpert*); in Odilo und seinen Anhängern verehrte er die
Heiligen und Weisen der Kirche^) und fUr den Abt von Clnni
im besondem beseelte ihn eine hingebende Begeisterung.') Er
nennt ihn einmal Erzengel der Mönche, mit dem er sich in
keiner Weise vergleichen könne, und dieser Ausdruck wird
bald geflügeltes Wort.'^)
Ueberhaupt wuchs das Ansehen Odiles und seines Klosters
seit dem Anfange des Jahrhunderts in ungeahntem Masse. Die
Freiheiten Clunis wurden zu einem ausgesprochenen Vorbild fbr
andere Abteien, wie Fruttnaria und F^camp. Selbst in der
formelhaften Sprache der Urkunden heisst Odilo der ruhm-
reiche^), der ehrwürdigste^), süsseste^) Vater, der mit wach-
samer Sorge in geziemendster Weise herrscht^), der nicht nur
in Clnni, sondern allen auf der Erde durch Wort, That und
Beispiel nützte), während die Abtei, der er vorstand, als hoch-
berühmt ^o) und hochgeheiligt 1*) bezeichnet wird, als ein Ort,
der mit allen köstlichen Tugenden geschmückt ist.*^)
^) Fulberti epist. 75. Er identifiziert hier amor monasticae vitae mit
amor religionis.
2) a. a. 0. : quod nunc cum sanctis virü ac sapientihis agis, patrem
nostrum Odilonem loquor et asseclas eius.
8) Vgl. die Briefe 104—107.
*) Fulberti epist. 104: exc^to iUo sancto nwnachorum archangdo Odi-
lone, cui me in nrdlo comparare praesumo. Diese Bezeichnung als von
Fulbert herrührend bei Jots. V. Odil. I, c. 11. Fulberti epist. 105: veniam
atUem aliquandOf 8% licuerit, ad eos, quos vere inJwMtcU Spiritus sancttis.
*) CHOL III, nr. 2042.
*) ib. IV, nr. 2815: reverentissimus Odilo.
') ib. nr. 2814: dulcissimus pater Odilo.
^) ib. nr. 2042 : qui ad presens regitwr decentissime sub gloriosi patris
Odilonis pervigili sollicittidine.
•) ib. nr. 2771: vM domnus ahha Odilo preesse et multo rnagis pro-
dessCj non solum ibi, sed cunctis in orbe verbo, opere et excmplo cemitur.
*o) ib. nr. 2049. 2379. 2765. 2867: famosissimo coenobio, ad famosissi-
mum coenobium.
m
") ib. nr. 2776: iam dicto sacratissimo Cluniacensi monasterio.
^^) ib. nr. 2465 : loco praefato omnibua virtutwn monilibus decenter
adomato.
91
König Robert war, wie bemerkt, in der Hand der geist-
lichen Demoeratie, die an den Hof nnd in die Bargen des
Adels drang, die anch die bischöflichen Sttthle mehr and mehr
in Besitz zn nehmen drohte. Politische Geschäfte nnd diplo-
matische Sendangen wnrden hänfig Mönchen ttbertragen. Aber
je mehr sie in der Oeffentlichkeit Einflnss gewannen, je mehr
sie in weltlichen Geschäften sich bewegten, desto weniger
konnte eine gewisse Entfremdung von ihrer eigentlichen Auf-
gabe ausbleiben. Es ist eine bemerkenswerte Thatsache, dass
das Mönchtum jedesmal seinen eigentlichen Zweck negiert und
damit die Keime des Verfalls aufnimmt, so oft es sich auf
einem Höhepunkte seiner Entwickelung befindet. Odilo er-
schien den Zeitgenossen wie ein Heerkönig, dem gewaltige
Scharen getreuer Mannen stets folgten. Aber eben jenes Ein-
greifen in die weltlichen Geschäfte, jener pretentiöse Aufwand,
das Eindringen in verschiedene Lebenssphären ist es, was
den Unwillen und den Spott der Gegner herausfordert; nicht
weniger mochten jener Pfaffendttnkel und Asketenstolz *), die
scharfe Zange voller Vorwürfe, welche die höchsten Kreise
nicht schonte, leicht den Hass derer hervorrufen, welche die
neue Zeit an der alten zu messen pflegen.
Eine heftige Opposition gegen das reformatorische Mönch-
tum erwuchs nicht nur unter den Bischöfen, sondern im Bene-
dictinerorden selbst. In einzelnen französischen Klöstern, wo
die cluniacensischen Institutionen schon vor längerer Zeit ein-
geführt waren, erhob sich um die Wende des zehnten Jahr-
hunderts eine Partei, deren Bestrebungen gegen die Centrali-
sationspläne, gegen den im Steigen begriffenen Absolutismus
der Gluniacenser gerichtet waren. Man sieht in der Regel die
Aebte der Stifter mit den grossen Führern der Bewegung in
Verbindung: wohl überall stand die Unterwerfung jener Klöster
unter die Herrschaft des Stammklosters in Frage. Aufs deat-
lichste hat wenigstens Odilo die Bildung einer Congregation
verfolgt: die meisten der Klöster, die er reformierte oder neu
errichtete, hat er verstanden, von sich abhängig zu machen.
Wir wissen, dass St. Marcel de Sauzet bereits unter Ma-
>) Vgl die Glosse Ekkehftrts von St. Gallen bei Hattemer, St. Galler
Sprachschätze II, 79, wo von Richard und Poppo gesagt wird : quorum
uterque dicit se sanctum Benedictum quidem esse.
92
jolns von Clnni ans besiedelt, als ein selbständiges Kloster
aber dem römischen Stuhl untergeben wurde ^); Odilo hat es
dann durchgesetzt, dass dasselbe durch den Grafen Ademar
von Valenee und seine Gemahlin Rothilde ^) in den dauernden
Besitz von Cluni kam. Paray, die Stiftung des Grafen Lam-
bert von Chalon, hatte Majolus mit einrichten helfen; aber das
Kloster war fbr souverän erklärt worden : unter Lamberts Sohn,
Hugo von Auxerre, gelangte es an Odilo.^) Peterlingen war
ursprünglich von jeder Herrschaft befreit and mit dem Rechte
der freien Abtwahl ausgestattet worden; unter Odilo ist es
ganz entschieden in der Gewalt Clunis.^) In St.-Maur-des-
Foss^s hatte Majolus einen cluniacensischen Mönch Teuto, und
zwar abhängig vom Mutterkloster zum Abt gemacht. Wie auf-
gebracht waren nun die Mönche desselben, sicherlich Odilo am
meisten, als König Robert jenen Teuto als selbständigen Lei-
ter einsetzte: man wollte, wie ausdrücklich überliefert wird,
St.-Maur zu einer untergeordneten Celle herabdrücken.^) Jene
Rebellion, die wir um die Wende des zehnten Jahrhunderts
gegen den Abt Berner in Marmoutier ausbrechen sehen, hing
mit einer Aenderung der rechtlichen Stellung des Klosters
zu Cluni zusammen; es hatte auch offenbar keinen andern
Sinn, als den Marmoutier in Abhängigkeit zu bringen, wenn
Odilo in dem Streit gegen die aufrührerischen Mönche dunia-
censische Klosterbrüder hinfbhrte, die indes mit Schimpf und
Schande verjagt wurden.^) Dass sich Odilo und Abbo von
0 Bd. I, S. 232.
«) CHCL IV, nr. 1921.
») Bd. I, S.391.
*) ib. S. 219.
») ib. S. 249.
^) Abbonis ep. VIII ad G. abbatem bei Migne 139, 431 : quoniam me-
cum nie totius religioriis signifer Odilo contenmitur et frcUres Cluniensis
coenobii, ut nobis relatwn est, de Maiore monasterio cum dedecore sunt
expulsi. Nun berichtet uns die Narratio de commendatione Turonicae
proYinciae im Recueil de Chroniqnes de Touraine von Salmon p. 312,
dass unter Berner durch König Robert und einen Papst Stephan die
Abtei Marmoutier von der Herrschaft Clunis losgesprochen worden sei;
Majolus wäre darauf hingeeilt — und zwar 1005 — , um sie wiederzge-
winnen. Nun herrscht zwar in der Chronologie die grösste Verwiming,
weder Robert, Stephan, Majolus, noch die Jahreszahl 1005 passen zu-
sammen. Da der Brief Abbos aber den Oonflict zwischen Odilo und Mar-
93
Flenry des Abtes Berner annahmen, zeigt doch, dass sie in
den rebellisehen Mönchen auch ihre Gegner sahen. Ebenfalls
in Schwierigkeiten geriet Odilo wohl bei dem Versnche, Saint-
Cyprian von Poitiers durch einen abhängigen Abt in fester
Zucht zu halten. Dass dieses Kloster dem Abte von Cluni
thatsächlieh unterstand, ist sicher; Abbo von Fleury, der auf
seiner Reise nach La R^ole 1004 daselbst einkehrte, forderte
Odilo auf, gegen die Empörer einzuschreiten.*) Wir beob-
achten ähnliche Vorgänge in Solignae und Beaulieu, wo der
Mönch Bernhard von Fleury Abt geworden war und vielleicht
darauf -ausging, jene Klöster der Mutterabtei ganz zu unter-
werfen: machte er sich doch in allen seinen Entschlüssen von
Abt Abbo abhängig.^) Es ist dann wieder wichtig für die
Beurteilung der ganzen Bewegung, dass die Brttder, die sich
in Micy im Sprengel von Orleans gegen ihren Abt erhoben,
zum grössten Leidwesen Abbos Bischof Fulco zu Hilfe riefen^),
der auch später die bischöflichen Rechte gegen die Bestrebungen
der Cluniacenser verfocht, die dahin gingen, den Klöstern eine
von dem Episcopat unabhängigere Stellung zu geben.
Bei air den Revolten, die wir hier beobachtet haben,
spielen Intriguen, Verleumdungen, Verrätereien, Pamphlete und
Spottschriften eine grosse Rolle. Oefter soll Odilo geklagt
haben, dass, wenn auch Gehässigkeit unter den übrigen Men-
schen auftrete, sie doch in einigen Mönchsklöstern sich geradezu
ihr Nest gebaut habe.^) Und in der That, bei diesen frommen
Klosterbrüdern war der Klatsch wie nirgend zu Hause. Miss-
gunst und Verfolgung trieb Mönche von einem Kloster zum
andern; wie man auf der einen Seite gute Freunde zu Heiligen
stempelte, hing man andern die schwersten Verbrechen an.
Wir finden Mönche um den Abt geschart, wie eine Kloster-
aristocratie, und gegen sie und den Abt stehen andere, die
den Mutterklöstern gegenüber ihre Selbständigkeit verfechten.
Es ist die Partei, die einmal im Bunde mit dem Bischöfe gegen
moutier völlig gewährleistet, so stehe ich nicht an, die Motive aus der
späten Narratio zu entnehmen.
^) Abbon. ep. ad Odilonem bei Migne 139, 438.
«) Vito Abbon. c. 10.
') Abbon. ep. ad mon. Miciae. bei Mifi^e 189, 437.
') Rod. Giaber, Bist. V, c. 1.
94
den Abt auftritt; wir würden bei reichlicheren Nachrichten das
Schauspiel noch öfter sich wiederholen sehen, wie jene Unruh-
stifter, die Abbo von Fleury so hasst, mit dem Episcopat gegen
den Abt in Verbindung stehen. Es lässt sich diese Beziehung
noch anderwärts nachweisen. Wir hören jetzt viel von Sati-
rikern, die ihren Spott und ihre Verleumdung gegen ihre regu-
lären cluniacensischen Brüder ergiessen, die Freunde Odilos
und Abbos. Namentlich wird ein elender Scribent Friedericus
genannt, der für seine erlogenen Schriften nach Jerusalem pil-
gern musste^); es wird erzählt, dass Odilo selbst einige dieser
sogenannten Historiographen durchprügeln und mit gehimpf
und Schande aus seinem Kloster jagen liess. Eine ganze Menge
solcher Leute wirkte im geheimen mit ihrem Klatsch auf die
Gemüter und versuchte die Disciplin, den Schild der Glunia-
censer, zu zerstören.^) Nun haben wir eine derartige Satire.
Sie hat den Bischof Adalbero von Laon^) zum Verfasser und
ist in ihrem wichtigeren Teil gegen Odilo und seine Mönche
gerichtet: es liegt also sehr nahe, sie mit den erwähnten Pam-
phleten in Verbindung zu bringen.
Sind auch die einzelnen Beziehungen und Anspielungen
in Adalberos Gedicht meist unklar, so lässt sich doch als all-
gemeiner Zag der Widerwille gegen das mönchische Leben er-
kennen, das alle Gesellschaftskreise durchdringt Der Bischof
fürchtet den Ruin der Kirche, wenn jene Gewohnheit und Sitte
*) Abbon. ep. ad mon. Miciac. bei Migne 139, 487: Verum eorum
innocentia ab huUismodi peste quam sit extranea^ testatur Fridericus igno-
bilis scribaf qui nunc JRierosolymis exsulat pro suorum mendaeiorum fa-
brateria, pro excogitationym de suis fratribus vitiorum inaudita hisioria.
In Bezug auf Marmoutier fragt Abbo (ep. ad G. abb. a. a. 0. 430): At for-
tassis ilk quondam noster Fredericus bonorum aefnuUUus fratrum, insidiator
pessimuSf huiustnodi apud vos scholas instituit?
') Abbon. ep. ad mon. Mic. a. a. 0.: Odilo Cluniacensium rector huius-
modi historiographos nuperrime detedos de suo monasterio flagris caesos
expulit et ferro abscisionis terribiliter inussit.
') Abbon. ep. ad mon. Mic. a. a. 0. : Frosequefidi quippe sunt a ehrt-
stianis saterrici^ quos persecuti sunt paganij quorum nunc muUitudo ex-
crevit; epist. ad Odilonem p. 438: qu^d im, qui dicuntwr monachi, effi-
ciantur satyHci criminatores fratrum, incentores vitiorum ac veperino
dente corrodunt viscera matris ecclesiae; epiat. ad 6. abb. a.a.O.: simpli-
ciores fratres falsis' circumventionibus soüicitant.
*) Vgl. über ihn Pfister, ^tudes p. 59.
95
Bestand habe, dass Männer niederer Geburt, ohne Bildung and
Lebensart, in die Staatsämter eindringen, dass die Herren von
Adel, die Hüter des Rechts, Grafen und Richter die Mönchs-
kutte nehmen, beten, sich neigen, schweigen und mit ernster
Miene einhergehen J) AlF die von Adalbero verspotteten Sitten
werden von ihm nicht ohne Witz als Inhalt einer Schrift an-
gegeben, welche, betitelt: „Uraltes Gesetz'^ die Crotoniaten,
die Pythagoräer gesandt haben sollen: offenbar eine Anspie-
lung auf die Neigung der Cluniacenser, ihre Einrichtungen als
alte Gewohnheiten nachzuweisen-^) Das Gegenstück zu jener
Democratisierung der Hofämter und Episcopate ist die Ver-
weltlichung des Mönchsordens. Der Adel nimmt mönchische
Tugenden und Gewohnheiten an — und Odilo befehligt die
Heereszüge seiner Mönche als König und Kriegsfürst.^) „Diese
Umbildung des richtigen Verhältnisses bedeutet den Umsturz
des Reiches'' sagt der Bischof von Laon. Er fordert König
Robert dringend auf — denn an ihn ist die Schrift gerichtet — ,
sich dem Einfluss der Mönche zu entziehen, ihn zu brechen;
er führt dem Könige Odilo und seine Mönche in ein paar
Farcen vor, aus denen gerade so viel historische Züge zu ent-
nehmen sind, als aus den Satiren moderner Witzblätter.
Der Verfasser fingiert, dass in einem Kloster eine Un-
sicherheit über entgegengesetzte Vorschriften eintrete. Er, der
Bischof, überlegt die Sache, und einer der Mönche geht Odilo
um Rat an.4) Auf schäumendem Rosse kommt er abends in
>) Adalberonis carmen ad R. regem ed. Valesius, HF X, 65 :
V. 37 : Iuris custodea cogunt portare cucullas^
Orentj inclinent, taceant, vultusque reponant
^) Adalb. Carmen v. 33 :
Scripta patent celebrea qicae mittunt Crotoniataej
Desuper est titulus „lex antiquissima^^ scriptus.
Auch die Gisterzienser erhoben den Vorwurf, dass die Cluniacenser ihre
Neuerungen für alte geheiligte Einrichtungen ausgäben. Vgl. Petri Venerab.
epist. IIb. I, 28 : Proprias namque leges ipsi vobiSy prout libuit, componentes
hos sacrosanctas didtis.
") Adalb. carm. v. 115: rex Oydelo Cluniacensis ; v. 147: signifer, eine
Bezeichnung, die ihm auch Abbe in seinem Briefe an Qosbert zu Teil
werden lässt; v. 156: militiae princeps; v. 157 wird gesprochen von mona-
chorttm beÜicus ordo,
*) Adalb. carm. y. 76^87. Das ist wohl der Sinn der Stelle. Man
hat übrigens praesul (v. 95), pontificem (v. 109) mit „Abt*' übersetzt (vgl.
96
den Hof des Klosters gesprengt, das er am Morgen verlassen.
Das Volk länfl; zusammen und stannt ihn an, der Bischof er-
kennt ihn nicht wieder. Auf dem Haupte trägt er eine Bären-
mtttze, sein Talar ist bis an die Schenkel verkürzt, vorn wie
hinten geteilt, natürlich nm freie Bewegung fbr das Reiten zu
gestatten. Er trägt einen gestickten Kriegsgurt und was hängt
da nicht alles herum! Bogen und Köcher, Zange, Hammer,
Schwert, ein Feuerstein mit dem Stück Stahl und eine Eichen-
keule; dazu trägt er weite Hosen. Weil ihn seine mächtigen
geschwänzten Sporen am Gehen hindern, hüpft er auf den
Zehen einher. «Bist Du mein Mönch, den ich aussandte?^ —
„Jetzt Ritter, sonst Mönch; jetzt leist' ich Kriegsdienst auf Be-
fehl des Königs: König Odilo von Cluni ist mein Herr.^ Es
scheint, dass Adalbero in diesem Bilde die Einziehung einer
Abtei in den Bereich der cluniacensischen Congregation zu
schildern beabsichtigte: wie der Mönch, der am Morgen vom
Bischöfe entsandt wird, am Abend in Odilo seinen streitbaren
Herren sieht, dessen Uniform er bereits angenommen hat, dass
hier dargestellt wird, wie ein Kloster nach dem andern, mit
welcher Geschwindigkeit es ans der Gewalt des Bischofs
eximiert wird, indem es unter die Herrschaft des freien Cluni
gelangt.
Weiterhin wird ein Römerzug des grossen Abtes geschil-
dert.^) Es heisst, im Sprengel von Tours seien wieder Räuber
über Kirchen und Klöster hergefallen; der hl. Martin vergoss
bittere Thränen. Odilo selbst ging es nicht besser, das Raub-
gesindel hauste auf seinen Besitzungen. Er beschliesst daher,
in Rom Hilfe gegen die Frevler zu suchen. Sobald die Mönche
davon Kunde erhalten, erheben sie grosses Geschrei. „Auf der
Stelle, Meister'S brüllen sie, „befiehl den Deinen Waffen anzu-
legen, und wie wir uns auszurüsten haben!'' — Nun sollen
sie die Halbmondschilde an den Hals hängen und darauf
den Brustharnisch befestigen; den Helm binden sie an den
des Valesius Note, die Uebersetzung bei Pignot, Hist. de Vordre de Cluny
I, S52). Da Adalbero selbst sich aber mit dem praeatU identifiziert, scheint
es mir notwendig, es mit „Bischof*' zu übersetzen. Wir haben es hier
wohl mit einer vom Bischöfe abhängigen Abtei zu thun, deren Abt nur
ignoriert wird, weU er keine Bedeutung hat.
1) Adalb. carm. vv. 120ff.
9?
wackelnden Lendengurt, das Hanpt schmücken sie durch den
mit Schnhriemen befestigten Dolch. Die Pfeile kommen auf den
Rücken, das Schwert fassen sie mit den Zähnen. Dann nOtigt
der Abt die schlafifen Jünglinge, die Wagen zn besteigen, nnd
die Schar der Greise, zu Rosse zu sitzen: je zwei finden auf
einem Esel Platz, je zehn auf einem Kamel, und reicht das
noch nicht aus, so können noch drei auf eine Gazelle. So
schreiten eine Million Mönche vor die Quinten >), ein dreitägiger
Kampf entspinnt sich. Die beiden ersten Schlachttage sind
glücklich, am dritten flieht Odilo mit seinen Mönchen auf und
davon. Das geschieht am 1. December. Nun schickt Odilo
Boten zu König Robert, vor dem nächsten März soll die Sache
noch einmal versucht werden, er möge mit einer gewaltigen
Schar zu Hilfe kommen. Dies will Adalbero hindern. Die
ganze Erzählung ist für uns ein Rätsel. Wir wissen nichts
von einer Romreise Odiles, die unglücklich ablief; denn von
einem wirklichen Kampfe kann ja selbstverständlich nicht die
Rede sein.
Es ist indes weniger von Wichtigkeit, welche historischen
Vorgänge hier zu Grunde liegen, als welche Misstände die
Satire zu geissein beabsichtigte. Wohl in erster Reihe jenen
unbedingten Gehorsam, der selbst den verkehrtesten Befehlen
des Oberabtes gezollt wurde, und der namentlich einem Teile
der Mönche selbst höchst zuwider war. Nicht minder werden
natürlich die mitgenommen, welche dem grossen Mönchskönige
unbedingt Folge leisten. Dann aber hatten sich mit der Welt-
stellung des französischen Mönchtums notwendig die Uebel-
stände eingeschlichen, die mit einer umsichgreifenden Verwelt-
lichung stets verbunden waren: in erster Reihe der grosse
Aufwand, das grosse Gefolge auf Reisen des Abtes. Während
im zehnten Jahrhundert, wie es scheint, nur wenige Mönche
und Pferde den Abt begleiteten, und man zufrieden war mit
dem Nachtquartier, das sich gerade bot, mag seit dem Anfange
des elften Jahrhunderts, vielleicht infolge der zahlreichen
Fehden, ein grösserer Bedarf an Begleitung und Ausrüstung
aufgekommen sein, nnd die Gefolge mögen schon die Ausdeh-
nung und den Umfang angenommen haben, der ihnen den An-
^) Adalb. cami. v. 145: MiUia mille viri procedunt ante Quiritea.
B»okar, ClaniaoenBer. II. 7
98
schein gerüsteter Heerhaufen geben konnte. Gerade von Odilo
wird ans erzählt, dass, wo er stand und ging, ihm eine solche
Menge Mönche folgten,. dass er schon nicht mehr einem Führer
and Fürsten der Mönche, sondern einem Erzengel glich i), and
noch weit später wurde den Cluniacensem ihr gewaltiges Ge-
folge, der grosse Tross, das viele Gerät, das sie mitschleppten,
zum Vorwurf gemacht.^) Dazu kommt ein anderes. Schon in
der Mannigfaltigkeit der Dinge, mit denen die Mönche aasge-
stattet werden, liegt ein Vorwurf gegen die zahlreichen Aende-
rungen, welche die Cluniacenser in Bezug auf die Tracht
gegenüber der Benedictinerregel sich erlaubt zu haben schie-
nen. Nicht als ob sie wirklich erheblich neues geschaffen
hätten; ihre Kleidung ist im wesentlichen, wie wir früher her-
vorhoben, den Institutionen Benedicts von Aniane entnommen,
der den Mönchen manches zugestand, wovon die alte Regel
nichts weiss. Aber wir wissen doch, dass die Aebte je nach
Bedarf die alten Vorschriften ergänzten, manches änderten und
den Bedürfnissen der Zeit immer wieder Rechnung trugen.^)
Mit den vielfach neuen Verpflichtungen, die das Mönchtum
übernahm, mit der Ausdehnung der Reisen war eine Vermeh-
rung und Umbildung der Gebrauchsgegenstände notwendig
verbunden. Ausserhalb Frankreichs stiess die cluniacensische
Tracht zuerst auf gewichtige Opposition: der St. Galler Mönch
Ekkehard wendet sich in seinen Glossen gegen die weiten
Gucullen, breiten Tonsuren und die zwei Röcke, die sie über
dem Hemde trugen, sowie gegen die tausend Dinge, mit denen
sie Gott reizten^), und ebenso sprechen die Mönche von Monte-
^) Jotsaldi y. Odil. I, c. 11: Qtiocunque exibat, quocunque praecede-
bat, tanta sequebatur eum frequentia fratrum, ut iam non dttcem ac prin-
cipem, sed revera putares eum esse archa7igelum motuichorum,
') Bemardi Clarevall. Apologia ad GuUlelmum abb. o. 1 1 bei MabUlon,
Opp. I, col. 544.
^) Vorrede des Peter Venerabilis zu seinen Statuten (Bibl. Ciun.
col. 1854): Hoc 8% nominare singillatim necessitas imperaret, ostenderem a
pHmo sancto Odone nsque ad 'idtimum sanctitatis titulo insignitum Hugo-
neni sanctum patrem universos de institutis consuetudinibus plurima suis
temporibuSf urgente tarnen necessitate, utili setnper causa mutasse. MuUa
enim priores utiliter institueruntj quae sequentes i7iterveniente causa uti-
liter mutaverunt.
*) Hattemcr, Sprachschätze II, p. 222, n. 5: id est ypocrisi preitero
Ö9
CassiDo in ihrem Gutachten ttber die Claniacenservorsehriften
ganz besonders ihre Unzufriedenheit ttber Tonsur und Kleidung
der französischen Mönche den Hersfeldern gegenttber aus, denen
sie anraten, einen Mönch zum Studium nach Monte- Cassino
zu senden.^)
Während nun Anfang des elften Jahrhunderts die Clunia-
censer in ihrer regelwidrigen, vielleicht schon ttppigen^) Klei-
dung Anstoss erregten, vollzog sich auch in den profanen
Sitten und Trachten insofern ein Umschwung, als mit der
provengalischen Grafentochter Constanze, der Gemahlin König
Roberts, sttdfranzösisches Volk, leichtfertige und frivole Ge-
sellen, die in Bewaffnung und Pferdeschmuck neue Moden
mitbrachten, in die nördlichen und östlichen Teile Frankreichs
eindrangen und ihren AnzUgen, den glattrasierten Gesichtern
und Köpfen, ihren kurzen und geteilten Röcken Eingang in
die Kreise des Volkes verschafften. Gerade die Cluniacenser
nun waren es, die sich dem Ueberhandnehmen dieser Gewohn-
heiten mit Macht widersetzten. Wilhelm von Dijou predigte
im Jahre 1018 gegen die unanständige Kleidung 3) der Fremden,
Rodulf Glaber findet nicht Worte genug, seinen Unwillen ttber
den Untergang der guten alten Sitte Luft zu machen, und giesst
seinen Aerger zuletzt noch in holprige Verse.**) Siegfried von
blattunf wttero chugelun et miüe aliiSj quilnts achimuxtici nostri irritave"
runt Deum in adventationibtis suis, maxime autem in duobus roccis, in
quih^us dicibolus crucem Domini per eos deUre conatur, ne ea, sicut Bern-
dictus instiiMit, monachi vestianttir; und II, p. 79, n. 4: Ane die (minna)
wären heretici, unde sint hiuto richarth popo, quorum uterque dicit, se
sanctum Benedictum quidem esse et ideo reguUxm mtUasse et tiMticam Do-
mini unam in dtMS roccos.
0 Brief der Casinaten an den Abt Hartwig von Hersfeld (1072—1085)
ans einer Handschrift des British Museum von Dümmler ed. im N. Archiv
III, 189. Teile des Schreibens edierte Mabilion, Acta SS. V, praef. XXX
aas einer Basler Handschrift Doch fehlte die Adresse, und das Schreiben
ist regelmässig, zuletzt noch von Ringholz p. 41 ans Ende des zehnten
Jahrhunderts gesetzt worden. Eine vortreffliche Bestätigung des Urteils
der Hersfelder gewährt die von einem Hersfelder Münch verfasste Schrift :
De unitate ecclesiae conservanda, Libelli de Ute II, p. 277 ff.
^) Vgl. Bemardns Cläre v. a.a.O. c. 10: Miles et monachns ex eodem
panno partiuntwr sibi cucuUam et chlamydem.
») Rod. GUb. V. Wüh. c. 25.
*) Hist. m, c. 9.
7*
100
Gorze, der Schüler Wilhelms, spricht seine Besorgnis Poppo
von Stablo gegenüber aus, dass jene schändlichen französischen
Possen und Nenernngen in Deutschland Eingang fänden <), —
zn einer Zeit, da Heinrich III. im Begriff stand, sich mit der
aqaitanischen Agnes zu vermählen.
Bei der Lectttre der Satire Adalberos gewinnt man den
Eindruck, als ob Eigentümlichkeiten jener narrenhaften Auf-
züge von dem Verfasser zur AusstafSerung der Mönche von
Cluni verwertet wurden — ich erinnere nur an den kurzen,
vorn und hinten geteilten Rock des erwähnten Cluniacenser-
mönchs; es war dann kein übler Gedanke, das ernste Glunia-
censertum in einem Aufeuge auftreten zu lassen, der ihm im
höchsten Grade widerlich war. Und es war dem Könige
gegenüber, an den die Satire gerichtet ist, umsomehr ange-
bracht, auf diese Weise das «alte Gesetz" der Gluniacenser
lächerlich zu macheu, als sie, z. B. Wilhelm von Dijon, gerade
Robert die Duldung jener fahrenden Leute, jene Neuerungen
als Vergehen angerechnet hatten.
So scheint allerdings in dieser Satire die Opposition, die
sich gegen das Mönchtum erhob, nach den verschiedensten
Seiten hin ihren Ausdruck gefunden zn haben. Das Eindringen
desselben in die höchsten Glassen, das herausfordernde Auf-
treten, die Verweltlichung, die Neuerungssucht, die nahe Be-
ziehung zu Rom, alles dies wird zur Zielscheibe des Witzes
der Gegner.
>) Gedr. bei Glesebrecht II, 714.
Fünftes Capitel.
Die Cluniacenser in Spanien.
Die Geschichte der christlichen Staaten im Norden der
iberischen Halbinsel ist durchzogen von endlosen Kriegen gegen
die Maaren, die seit ihrer Festsetzung in Spanien nnanfhörlich
bestrebt waren, ihre Herrschaft weiter nach Norden auszu-
dehnen; zum Glttck begünstigte die Natur des durch steile
Gebirgsketten befestigten Landes die Abwehr der von reli-
giösem Fanatismus begeisterten Moslem. In derselben Weise,
wie im Anfang des zehnten Jahrhunderts in der Provence, ver-
heerten die Sarrazenen Jahr aus Jahr ein bei ihren Nachbarn
Kirchen und Klöster, äscherten sie ganze Orte ein, und Plätze,
die heut einem der kleinen christlichen Potentaten gehorchten,
trugen morgen das Gewand arabischer Gultur. Zahllose Christen
kosteten die bittere Gefangenschaft der Cordovaner. Man sah
ganze Episcopate auf einmal erlöschen, weil der Bischof oder
seine Hauptstadt in maurische Hände fielen, und nicht selten
wechselten je nach dem Verhältnis zu dem Vordringen der
Mauren die Residenzen der Prälaten. Dazwischen wurde hier
und da restauriert, zerstörte Abteien wiederhergestellt, wie in
Asturien und Leon.^) Aber bei der Unsicherheit der Zustände,
den wechselnden Beziehungen der Klöster zu den Bischöfen,
die zunächst die Oberherrschaft über die in ihren Sprengein
liegenden Abteien behaupteten, diese aber bisweilen zu blossen
Dependenzen der Hauptkirche herabdrttokten , indem sie Welt-
geistliche hineinlegten, — da endlich die Mönche selbst gezwungen
0 Vgl. Florez, Espaua sagrada Bd. 36, p. XIX. XXIX; Bd. 16, app.
p.426. 433. 434. 441.
102
waren, die Waffen gegen die Ungläubigen zn führen ^), konnte
von einer gedeihlichen Entwicklang des Klosterwesens nicht
die Rede sein, so sehr die Könige mitunter nach glücklichen
Erfolgen gegen die Mauren, von Dank gegen Gott und die
Heiligen erfüllt, an die Restauration der wiedergewonnenen
Stifter gingen.^) So konnte es schliesslich dahin kommen,
dass in den cantabrischen Gebirgen kaum Spuren der Bene-
dictinerregel sich erhielten.^)
Zu einem Umschwung kam es erst im elften Jahrhundert.
Nur einmal in der Geschichte hat Navarra eine selbstän-
dige Bolle gespielt, als Sancho der Alte durch glückliche Kriegs-
erfolge und günstige dynastische Verbindungen seine Herrschaft
von Galizien im Westen bis zu den Pyrenäen, fast über das
gesamte christliche Spanien, ausbreitete.^) Mit kräftiger Hand
hielt er die Sarrazenen in Schranken und rang ihnen einen Er-
folg nach dem andern ab. Von den Pyrenäen bis zum Castrum
Najera gewann er alles dem christlichen Glauben zurück, auch
die Strasse nach Santiago, welche die Pilger aus Furcht vor
den Sarrazenen mieden, um auf dem unwegsameren, aber siche-
reren Gebiet von Alava zu pilgern.^) Während seit dem Untergang
der Karolinger die christlichen Staaten der Halbinsel in ihren un-
unterbrochenen Kämpfen um ihre Existenz ein von dem Cultur-
leben der übrigen römisch- christlichen Reiche unberührtes Da-
sein führten, tritt Sancho von Navarra, der Aragon und Gastilien
erworben, in den Kreis der germanisch-romanischen Interessen,
wie etwa Knut von England und Dänemark sich um den An-
schluss seiner Länder an die grosse mitteleuropäische Gemein-
schaft in jener Zeit bemühte. Mit König Bobert von Frank-
reich tauschte Sancho Geschenke, und von ihm erhielt er
^) Rod. Glaber II, c. 9 : Tunc etiam ob exercitus raritatem compulai
sunt regionis iüins monachi sumere arma bdlica.
*) Vgl. Florez, Espana sagrada Bd. 26, p. 425.
*) y. Eneconis o. S (Mabillon, Acta SS. VI, 1, 107): cuim ea tempe-
state vix tentie vestigium aptid Cantabros exstabat; Yepes, Chronica gene-
ral de la erden de S. Benito V (Yalladolid 16] 5), fol.467: Urk. Sanchos
für Offa: Nam ordo monaaticiia omnium ecclesiasticortmi ordinum tum tem-
poris omni nostrae patriae erat ignotus.
*) Schäfer, Geschichte von Spanien II, 313 ff.
^) Translatio b. Aemilii bei d'Aguirre, Coi). concU. Hispan. III, 216.
103
Sabsidien^), die er gegen die Ungläabigen branchte; dem Her-
zoge Wilhelm von Aquitanien stand er pereönlich nahe, nieht
nur dass Saneho der Beisetzung des Hauptes Johannes des
Täufers beiwohnte^): er richtete jährlich Gesandte mit statt-
lichen Gaben an den mächtigen Nachbar, der unter dem
Schutze des spanischen Königs nach Santiago de Compostela
pilgerte.^) So spannen sich mancherlei Fäden über die hohen
Wände der Pyrenäen. Es entspricht diesen nahen Beziehungen
zu Frankreich, dass der spanische König mit in den Strom
der geistlichen Tendenzen gezogen wurde, die damals in dem
Vaterlande Odilos überall die Herrschaft zu erringen begannen.
An Sanchos Namen knüpft sich eine umfassendere Reorgani-
sation des Klosterwesens in den drei von ihm beherrschten
Reichen Navarra, Aragon und Castilien. Berücksichtigt man,
dass der eigentliche Wert der damaligen Klosterreformen in
ihrer socialen Bedeutung liegt, so war es ein sehr naheliegen-
der Gedanke, vor allem Kirchen und Klöster in den dem
Islam abgenommenen Gebieten wieder herzustellen, letztere
mit regulären Benedietinern zu bevölkern.
Aragon.
Durch seine Beziehungen zu Aquitanien wird König Saneho
von den Reformen der Glnniacenser genauere Kenntnisse er-
langt haben; er selbst hat Odilo nie gesehen.'*) Als er den
Plan fasste, die klösterliche Zucht in den ihm untergebenen
Gebieten wieder zu erneuern^), sandte er einen Mann, namens
0 Bod. Glaber II, c. 9.
>) Ademari Bist. III, c. 56.
») ib. c. 41.
*) Jotfi. Vit. Odil. I, c. 7 : Quid etiam Stephaiuis rex Hungrorumy sivc
Sancitis rex Hesperidum populorwnj qui quamvis eum praesentialiter non
viderint, tarnen ad famam sanctitatis eins intercurrentibtis legaiis et reci-
procis litteris astrinxerunt iUum sibi beneficiis et copiosis tnuneribus,
cammendantes se humiliter orationibua iüius et suffragiis.
') An die Wiedereroberung gewisser Gebiete von den Mauren knüpft
Saneho selbst in der erwähnton Urk. für Ona die Reform. Vgl Urk.
Sanchos III. bei Bianca, Aragon, rer. commentarii, Gaosaraugostae 1792:
expiUsia I»mahelitarum gentibus a regni sui finibus . . . staivit regnum
8uum a 8ordibu8 et prophanationibus supradictas gentis penitus emundare
et eccleaias ffwnasteriaque olitn ab eisdem dinUa renovare, Christique ser-
104
Paternns, mit einigen Gefährten nach Cliini, damit er sieh in
die Vorschriften des klösterlichen Lebens vertiefe und sie nach
Spanien Qberfbhre.0 Seit der Zeit ruhte wohl nicht der Zu-
lauf spanischer Mönche nach Cluni^); ein spanischer Bischof
selbst, Sancho von Pamplona, der im Kloster Leyre erzogen
worden war, wo auch König Sancho Mayor seine Jugend ver-
bracht hatte 3), ein Mann von grossem Ansehen, der auch
unsem Abt mit reichen Gaben unterstützte, erschien jenseits
der Pyrenäen und leistete vor Odilo die Mönchsgelttbde ttber
der Regel Benedicts.^) Bald nach Sanehos des Grossen Tode
finden wir ihn in dem französischen Kloster, wo er mit seinen
Geldmitteln den Ausbau und den Schmuck der Kirche fördern
half ^) Aber er ging wohl später wieder nach Spanien zurttck:
denn kurz vor seinem Ableben beauftragte er noch zwei Brü-
der, Odilo seinen Tod anzuzeigen.«)
Paternus war inzwischen lange zurückgekehrt und dem
Kloster S. Juan de la Pena in Aragon wohl gegen 1020 vor-
gesetzt worden.^) Es war das erste Kloster des Königreichs;
seit alten Zeiten standen hier die Gräber der aragonischen
Herrscher. Die Privilegien, die es jetzt erhielt, waren den
vorum gregem et beati Benedicti nonnam per nwnasteria ordinäre. Ganz
ähnlich spricht sich Sancho IIl. in einer andern Urkande bei Florez,
Espaüa sagrada Bd. 46, p. 816 ans.
1) Vita Enecon. c.3. Vgl. die Urkunde Sanehos bei Mabillon, Ann.
Ben. IV, 276. Eine ausführliche Geschichte der Anfänge der Reform giebt
Sancho der Grosse selbst in der Urkunde für Ona bei Yepes a. a. 0. Irrig
stellt Ferrera, Historie von Spanien, übers, von Baumgarten, Halle 1755,
p. 221 und 225 die Sache so dar, als wäre Patemus mit seinen Gefährten
bereits in Cluni gewesen, als Sancho die Keform beschloss und sie zu-
rückrief.
*) Rod. Glab. III, c 8 : convenerunt iütu: ab Hispaniis qtiamplures
Iwnestae conversationis iam dudwn more viventes propriae regionis tnonachL
>) D'Aguirre, Collect, concil. Hisp. lU, p. 195.
*) Jotsaldi Vita Odil. I, c. 7.
») Odil. epist. ad Patemnm abb. bei D'Ach^ry, Spie. III, p.3Sl.
•) Jots. V. Odil. I, c. 7. Er starb am 26. März, Necr. Vill, Bd. I, 384.
') Vita Enecon. c. 8. Ueber den Zeitpunkt der Wiederherstellung
weichen die Ansichten ab. Ferrera a. a. 0. III, p. 225 setzt die Urkunde
1025, Gams, Kirchengesch. v. Spanien 11,2, p. 419 sagt, die Stiftnng sei
vor 1022 erfolgt. Vgl. auch Sackur, Studien über Rodulfus Glaber, N. Arch.
XIV, 402. 1021 wird schon Leyre in Navarra von S. Juan aus reformiert;
8. unten p. 108.
105
claniacensisehen nachgebildet; man wollte weder von einer
wettlichen noch von einer geistlichen Herrschaft etwas wissen :
die Bischöfe Mantins von Aragon und Sancho von Pamplona
sprachen es frei; zahlreiche Schenkungen der königlichen Fa-
milie folgten.^) Man stimmt darin überein, dass die Geschichte
von S. Juan die Geschichte Aragoniens ist: in keinem Lande
habe ein geistlicher Mittelpunkt die weltlichen Interessen und
Ideen in gleicher Weise beherrscht.^) Schon Sancho der Grosse
setzte mit den Landesbischöfen fest, dass die Bischöfe von
Aragon ans den Mönchen unserer Abtei gewählt würden, eine
Bestimmung, die sein Nachfolger Ramiro, der nach der Teilung
des Reiches beim Tode des Vaters Aragon erhielt, auf einem
Conzil zu S. Juan später anerkannte.') Ueberhaupt hat er
die Bereicherung und den Schutz der Abtei fttr seine schönste
Aufgabe gehalten; er empfahl sie der Gunst seines Sohnes
Sanchos III, der alle Besitzungen wieder verbriefte^), die Pri-
vilegien vom römischen Stuhle bestätigen und zugleich um
den päpstlichen Schutz Alexanders II. ftiü S. Juan bitten liess.^)
Dem Patemus blieb Odilo weiter verbunden; nach dem
Ableben Sanchos von Navarra 1035 drückte er ihm seine
heissesten Wünsche fttr die Befreiung des Landes von den
Einfällen der Ungläubigen und das Zustandekommen des Frie-
dens unter den Söhnen Sanchos, namentlich aber ftir Ramiro
0 Vgl. die Urk. Sanchos III. bei Bianca, Commentarii p. 163: decreta
sive libertates, qualia habet Cluniacetise nwtiasterium. Urk. Sanchos III.
ebenda p. 103: facto privilegio secundum privilegia Cluniacensis monasterii.
') Gerviniis, Gesch. Aragoniens, Ges. Schriften I, p. 234 ff.; vgl.
Schäfer, Gesch. v. Spanien II, p. SB2 f.
>) Bianca p. 99 ; D'Aguirre, Collect concil. III, 227 ; Notizia concil.
Hispan., Salamanca 1686, p. 208 ff.: Hoc vero est noatrae institutionis de-
ci-etwm: Ut episcopi Aragonenses ex monaehia praefati coenobii habeantur
et eligantur. Das Decret ist datiert: VII. Kai ItiL Era MLXII. Ueber
die Datierung sind sehr verschiedene Ansichten aufgestellt worden. Vgl.
Bianca a. a. 0., der die Zahl der Aera als Jahre nach Christi Geburt rech-
net, d'Agnirre a. a.O., der Era MLXXII also a. Chr. 1034 annimmt Pignot,
Hist. de Pordre de Clnny 1, 425 setzt das Conzil 1034; Garns, Kirchengesch.
y. Spanien II, 2, p. 420 sieht in der Urkunde nur eine schlechte Copie des
Beschlusses der Synode von Pamplona von 1028.
*) Urk. Sanchos UI. bei Bianca p. 63.
^) Urk. Sanchos III. bei Bianca p. 104: rogansy iam suprafatum mo-
nasterium nan dedignaretw apostolico patrocinio muntre.
106
aus, dessen Gttte nnd Rechtdehaifenheit — worin er der Abglanz
des Vaters sein solle — ihm Bischof Saneho geschildert, der dem
Fürsten in Glnni dadurch ein unvergängliches Andenken ge-
schaffen habe; für ihn würden daselbst täglich zu bestimmten
Stunden Psalmen gesungen. Paternns möge die Boten, die er
und der Bischof von Pamplona sende, nach S. Juan fbhren,
und dem Bisehofe alles, was er an Geld und Kirchengut dort
gelassen habe, übermitteln, da das Gold, das Saneho mit
nach Cluni gebracht, bereits fttr schadhaft gewordene Altar-
tafeln verwendet worden sei.^) Es ist merkwürdig, dass gerade
Ramiro der Sympathien der kirchlichen Kreise sich erfreute, er,
der wegen seines verräterischen Ueberfalls, den er auf Navarra,
trotz seines Verzichtes auf dieses Land, sofoii; nach Sanchos
Tode in Abwesenheit seines Bruders Garcias unternahm, den
Vorwurf der Wortbrüchigkeit auf sich geladen hat.^) Patemus
behielt nicht lange seine Abtwürde von S. Juan ; er wurde dann
Bischof von Saragossa, wo er allerdings, wie es scheint, der
Mauren wegen nie residiert hat; sein Tod erfolgte zwischen
1063 und 1077.3)
Von Peüa verbreitete sich nun die duniacensische Beform
weiter in den drei Beichen, welche der Name Sanchos zu-
sammenhielt.
Noch er tibergab Paternus die Abtei St. Jacob de Ayvar
in Aragon, die schon vor Alter verfallen war, mit all ihrem
Besitz: schon hatte man der Gebietsgrenzen gar nicht mehr
geachtet Sowohl Ramiro, als Saneho III. erkannten die Er-
neuerung des Klosterlebens, die Wiederherstellung des Besitzes
und der Rechte von neuem an. In den Kreis der durch den
grossen König von Navarra in Aragon bewirkten Klosterrefor-
men gehört auch die der einst hochberühmten Abtei S. Victo-
rian, aus der früher wohl treffliehe Erzbischöfe und Aebte her-
vorgingen, die aber von den Barbaren in Trümmer gelegt
worden war; hier residierten eine Zeit lang die Bischöfe von
Rota, in deren Sprengel das Kloster lag.*) Aber der König,
^) OdiL epist. ad Paternum a. a. 0., leider unvoUständig.
*) Schäfer, Gesch. v. Spanien II, 333.
3) Ferrera III, 247; Garns p.420: um 1040; der Todestag der 8. Nov.,
Necr. Vill. a.a.O.
*) So sagt der Bischof Salomon von Bota in einem Briefe an
107
der im Jahre 1026 den Anfang der BeformatioD gemacht, —
er hatte aaeh bereits begonnen, es wieder aufzubauen — kam
doch nicht zur Vollendung^); erst sein Sohn Ramiro verwirk-
lichte den Gedanken des Vaters. Ein hochgelehrter und kluger
Mann, ein Campaner Johannes^), nahm den Abtstuhl ein und
am 21. Mai 1044 verbriefte Ramiro die Souveränität des Klo-
sters, das eben so frei sein solle von jeder weltlichen wie
bischöflichen Autorität: es soll seine und seiner Nachfolger
Hofcapelle sein, er nimmt es in seinen königlichen Schutz.^)
Reichen Besitz an Ländereien und Kirchen schenkte er dem
Kloster und empfahl es seinem Sohne Sancho III. Dieser,
dem die grossen Freiheiten Clunis vor Augen schwebten, Hess
in jenem selben Jahre 1071, in dem auf seine Veranlassung
Papst Alexander II. das apostolische Proteetorat über S. Juan
de la Pena aussprach 4), durch den römischen Cardinalpriester
Hugo Candidus, der im März zu Jacca am Hoflager des Kö-
nigs weilte, und die Achte Aquelin von S. Juan und Grimald
von S. Vietorian ^) den Papst um die Ausdehnung des römi-
schen Schutzrechts über die letztere Abtei ersuchen, worauf
der König die Freiheiten des Klosters im Jahre 1076 bestätigte
und ihre Anerkennung seinen Söhnen und Neffen angelegent-
lichst empfahl.<^)
Von S. Victorian waren nun wieder einige andere kleinere
Klöster im Sprengel von Rota abhängig, die dann jedenfalls
von dort aus besiedelt und eingerichtet wurden: so die Abtei
der hl. hl. Justin und Pastor von Orma, S. Peter de Taberna
und S. Maria de Ovarra, von denen die beiden letztgenannten
unter Sancho III. mit S. Victorian vereinigt wurden.^)
Sancho III.: apad sanctum Victorianunij tiln primum aedi in cathedra et
uH primum crisma confeci bei Florez Bd. 46, p. 319.
0 Ramiro sagt in der Urkunde (Florez a. a. 0. p. 313): quod monaste-
riiim iam pater mens restaurare inceperat. Ebenso in der ürk. Sancbos III.
*) Ein Abt Johannes von S. Victorian begegnet im Necrol. del mo-
nasterio de San Victorian, Florez Bd. 47, p. 280 zum 10. Juli.
^) Urk. Ramiros a.a.O.
*) J.-L. nr.4691.
^) Grimaldus begegnet im Necrol. von San Victorian zum 29. Sept
*) Urk. Sancbos III. v. 1076 bei Florez Bd. 46, p. 316: talia praecepta
et privilegia et decreta et libertateSy qtuüia habet Cluni<icen8e monasterium.
^) Florez p. 319. Diese Abteien waren noch unter Bischof Salomon
108
Hier lebte auch in den siebziger Jahren ein Mönch Berna-
dinns, den der Bischof Dalmatias Raimund von Rota im Jahre
1078 nach der Abtei S. Maria de Alaone sandte, die bei der
Wiederherstellung des Bistnms frtther mit einigen anderen
Klöstern dnrch Saneho III. an die Gathedralkirehe von Rota
gekommen war. Ursprünglich für Mönche bestimmt, war sie
im Laufe der Zeit ihnen entgangen und in die Hände irreli-
giöser Weltgeistlichen geraten, bis der genannte Kirchenftirst,
dem die Vernachlässigung der kirchlichen und klösterlichen
Interessen durch seine Vorgänger schwer aufs Herz fiel, dem
unleidlichen Zustande durch die Berufung des Mönches von
S. Victorian ein Ende machte.^)
Navarra.
In Navarra erhob in jener Zeit wieder die Abtei Leyre
ihr Haupt, als König Saneho der Grosse sie dem gleichnamigen
Bischöfe von Pamplona zur Reform ttbergab; dieser ttbemahm
selbst ihre Leitung, um die duniacensischen Gebräuche von
S. Juan de la Peüa nach Navarra zu verpflanzen: die betreffende
Urkunde vom 21. October 1021 ist von der königlichen Familie,
Bischöfen und Achten unterzeichnet^) Die spanischen Klöster
sollten die Schulen der Bischöfe werden: wie die aragonesi-
sehen Bischöfe aus S. Juan, so sollten nach einem Beschluss
der Väter von Pamplona im Jahre 1028 die Bischöfe von Irun
stets aus der Abtei Leyre hervorgehen.^)
Sicherlieh war es wieder Patemns oder seine Schule, mit
deren Hilfe der König am 12. Mai 1080 die Reform von San
Millan de CogoUa bewerkstelligte. Zuerst erfolgte nach einem
dreitägigen Fasten die feierliche Translation des Heiligen von
seiner alten Grabstätte nach der neuen; dann ftihrte Saneho
im Einverständnis mit Clerus und Volk die Benedictinerregel
ein und liess den von der Congregation gewählten Mönch
Ferrutius zum Abt weihen; dabei stattete er das neue Bene-
dictinerstift aus und verbriefte seine Freiheit von jeder geist-
(1068—1075) der Kirche von Rota untergeben. Vgl. Epist. Salomon. bei
Florez p. 231.
0 Urk. des BischofB Dalmatius bei Florez p. 285.
>) Mabillon, Ann. Bened. IV, 273 ff.
3) Mabillon a. a. 0. p. 274.
109
liehen oder weltliehen Herrsehaft, was die Mönehe ihrerseits
bestätigten 0 und was aneh König Gareias von Navarra später
anerkannte/'^) Drei Jabre naeh S. Millan erlebte das Kloster
S. Maria de Yraehe dureh Sancho den Grossen die Wieder-
erweckung der klösterlichen Zucht.^) Unter dessen Nachfol-
ger bestanden in Navarra die klösterlichen Tendenzen fort. Mit
Odilo nnterhielt Garcias Beziehungen. Als er den König kurz
nach seines Vaters Tode in sehweren Zeiten um Unterstützung
anging, berief er sich auf die Freundschaft und die Verbindung,
die einst zwischen Cluni und Sancho bestanden hatte.^) König
Garcias selbst gründete nach Odiles Tode im Jahre 1052 die
Abtei S. Maria de Najera, deren Stiftungsurkunde des Königs
Brüder, die geistlichen und weltlichen Grossen des Landes
unterschrieben.^)
Castilien.
Als im Jahre 1017 der Graf Sancho von Castilien ge-
storben war, hätte ihm in der Regierung sein Sohn Garcias
folgen müssen ; aber er wurde bei der Feier seiner Vermählung,
als er eben die Kirche betreten wollte, ermordet. So nahm
Sancho von Navarra, der Schwager des jungen Fürsten, der
Schwiegersohn des verstorbenen Sancho, Castilien ftlr sich
in Anspruch.«) Nachdem der König von Navarra Graf von
Castilien geworden war, begann auch die Wirksamkeit der
Schule des Paternus, dessen Zucht sich in Aragon bewährt
hatte. Der Schwiegervater des Königs, Graf Sancho, hatte
einst zu Ona ein Doppelkloster gegründet, das sowohl von
Mönchen als von Nonnen bewohnt wurde.^) Als aber letztere
sich einem lockeren und üppigen Leben hingegeben hatten^),
^) Yepes, Ghroniqae g^n^rale de l'ordre de St. Benoit, 1648, p. 514;
Transl. S. Aemilii bei d'Aguirre UI, 216.
«) Yepes p. 515.
*) Fenrera III, 225; d'Aguirre, Notizia concil. Hispan. p. 191.
«) Brief OdUos an Garsias bei d'Ach6ry III, 8S1.
^) Yepes, Chronica general de la orden de San Benito VI, f. 464,
escrit XXI. Urk. v. 12. Dec. 1052.
«) Schäfer, Gesch. v. Spanien II, 948.
^) Garns, Kirchengesch. v. Spanien II, 2, 419.
") Vita Eneconis c. 3 : pulsis ex eo monialibua, qiMrum vita parwn
nwnasticae reffulae respondebat.
HO
worden sie Anfang der dreissiger Jahre von Patemns, der auf
das Ansaehen der Stände des Reiches nach Oila kam, entfernt,
und die Leitung und Ordination der Brüder vom Könige und
den Bisehöfen einem in Peua erzogenen, von den eingeführten
Brüdern gewählten Mönche Garsias übergeben; am 27. Juni 1033
erfolgte die Privilegierung des Klosters. Mit glänzenden Rech-
ten wurde das Stift ausgestattet: jeder weltliche wie geistliche
Eingriff wird abgewehrt; nie soll Excommunication über das-
selbe verhängt und der Abt nur auf Grund canonischer Ent-
scheidungen eines Generaleonzils abgesetzt werden. Die ganze
königliche Familie, die drei Bischöfe von Bnrgos, Palencia und
Alava unterzeichneten das wertvolle Documenta) Nach Garsias
Tode^) bemühte sich König Sancho, für das Weitergedeihen
der unter ihm reformierten Klöster aufs eifrigste bedacht, per-
sönlich einen würdigen Abt ausfindig zu machen: da hörte er
von einem Eremiten lüigo in Aragon; lange liess dieser sich
vergeblich bitten, seine Einsiedelei mit der glänzenden Stellung
eines Abtes von Ona zu vertauschen. Erst als Sancho sich
selbst zu ihm begab, Hess er den Widerstand fahren und lohnte
seinem königlichen Gönner durch ein treflfliches Regiment, das
Armen- und Krankenpflege, zahlreiche Wunder auszeichneten.')
In Oüa liegt König Sancho begraben.^) Lange Jahre überlebte
ihn lüigo; er ist wahrscheinlich am 1. Juni 1057 gestorben.^)
Oüa war später dem Orden von Gluni nicht unterworfen, son-
dern bildete selbst eine grosse Congregation, die nicht weniger
als dreiundsiebzig abhängige Klöster umfasste.*)
Nicht lange nach der Reform von Oüa siedelten dunia-
>) Yepes, Chronica general V, fol. 467, Escrit. XI^V; vgl V. Eneconis
c. S : Tandem episcopof^tm et regis procerutnque conseftsu omne coenobium
riris religione insignibuSj qui sub Paterno edocti erantj incolendum tradihir.
*) Er starb am 21. Man nach dem Necrol. Yül. Bd.I, 384.
') V. Eneconis c. 4.
*) Die Urkunde, in der der König den Wunsch ausspricht, in Oila
begraben zu werden, bei Yepes V, fol. 468, Escrit XL VI; Necrol. Rotense
bei Florez, Bd. 46, 344: Sep^dtus est Onie monasterio.
^) Ohron. Burgense: Era 1095. obiit 5. Ennecus abbas, Kap^gf^ gagr.
Bd. 23, 310; V. Eneconis c. 4. Garns, Kirchengesch. II, 2, 422 setzt seinen
Tod nach den abweichenden Nachrichten lt)57 — 106S. Nach Yepes V,
fol.33^ hat Inigo von 1038—1070 regiert
') Yepes V, fol.3:U— 334: Catalogo de los mnchos Mon&sterios etc.
111
censiHche Mönehe auf VeranlassuDg Sanchos des Grossen nach
Gerdana ttber^), einer Abtei, mit der nach dem Tode des Abtes
Recimnnd von S. Maria von Reymund das eben genannte
Kloster vereinigt wnrde.^) Als nnn nach Sanchos Ableben sein
zweiter Sohn Ferdinand in den Besitz von Castilien gelangt
war, ttbergab dieser im Jahre 1040 dem Abte Gomez von Cer-
dana das St. Vincenzkloster im Snbnrbium von Bargos, das
Kloster S. Mametis in Alfoz zwischen Alara nnd Evecia de
Campo, das der hL Engenia ebenfalls im Snburbiam der casti-
lischen Metropole, S. Martin in Triezo mit allen Besitzungen,
Zehnten u. s. w.; dafttr ttberliess Gomez dem Könige die Abtei
S. Lanrentins in Bnrgos, die doch jedenfalls auch von Reform-
mönchen bewohnt war und nnn zn einer selbständigen wnrde.^)
Wie es dazu kam, dass die Abtei S. Zoylns de Carrion in
Castilien von elnniacensischen Mönchen bewohnt wurde, ent-
zieht sich unserer Kenntnis; jedenfalls sind sie schon 1047
dort ansässig^); nicht ohne Grund hat man vermutet, dass
der erste Propst Alnardus war, dessen Signum sich unter einer
Urkunde des Grafen Gomez von Carrion vom 15. März 1047
findet.^) Nicht weniger als dreizehn von S. Zoylus abhängige
Klöster zählt man, deren ansehnlichsten wohl die Abteien
S. Faenndus, S. Romanus de Rupibus und S. Martin de Fro-
mestra waren.«)
So begann in dem christliehen Spanien mit den günsti-
geren politischen Verhältnissen durch Odiles Einwirkung ein
0 Ferrera III, 238.
«) ib. p. 247.
=) Yepes, Chronique g6n. de Tordre de S. Benoit (1648) p. 497, ürk.
Ferdinands 1.
*) Yepes, Chron. general de la orden VI, fol. 459, Escrit XIIII. ürk.
des Grafen Gomez de Carrion von Freitag dem 15. März 1047. £r unter-
wirft das Hospiz S. Facundus: ecclesiae sancti lohannis baptistae et sanc-
tonim Zoyli atque Faelicis et monachis ordinia Cluniacensis ibi Deo ser-
vientibuSf wt ipsi et posteri eam in perpetuum hubeant et possideant.
'^) Yepes VI, fol. 74 u. 88. Mabillon, Ann. Ben. IV, 449 spricht von
einem ersten Abte Arnulf, den Odilo gesandt haben soll. Das beruht
offenbar auf einem Irrtum, den Pignot 1, 424, der fast stets auf secundäre
Bearbeitungen zurückgebt, natürlich nachschreibt.
«) Yepes VI, fol. 83-87.
112
frischer Zog die weltlichcD nnd geistlieheD Kreise zu durch-
wehen. Die Könige sind überall das bewegende Element;
nirgend haben die Klöster so sehr im Mittelpunkte aller Inter-
essen gestanden, wie hier. Sie, nicht die Bischofsitze, warea
die Centren der Provinzen; um so wichtiger war die Unab-
hängigkeit ihrer Stellung, die überall garantiert wurde. Wie
sehr man den Einfluss Clunis zu schätzen wusste, beweist am
besten die Thatsache, dass bei den erneuten Kämpfen gegen die
Mauren man alle Beute an Gold und Silber dem hl. Petrus von
Cluni zu weihen gelobte, ein Gelübde, das in der That, als nach
einem glänzenden Siege kostbare Schätze der Sarrazenen in die
Hände der Christen fielen, erfüllt wurde.^) Unter Ferdinand I. und
seinem Sohne Alphons VI. von Castilien wurden die Beziehungen
zu Cluni noch enger. Ersterer wandelte, was die Begünstigung
der französischen Mönche betraf, in den Fusstapfen seines
Vaters: so bewilligte er auch der Abtei Cluni einen jähr-
lichen Zins von hundert Unzen Goldes. Alfons VI. verdoppelte
diese Leistung; er ist dem Abte Hugo von Cluni mit wahrhaft
kindlicher Liebe und Verehrung zugethan : er habe ein Testa-
ment gemacht, schreibt er ihm, dass sein Nachfolger den Zins,
den er dem Kloster zahle, weiter entrichte; wenn er dies nicht
wolle, soll er das Königreich selbst verlieren.^) Allerdings hatte
er Hugo viel zu verdanken; wie sein Vorgänger O^lo den
Bruderkämpfen nach Sanchos des Grossen Tode nicht gleich-
gültig zusah, so begleitete Hugo den von seinem Bruder Sancho
gefangenen Alfons mit Gebeten. Ihnen schrieb man in Cluni
dessen Befreiung zu 3); jedenfalls konnte man später die Freund-
schaft des Königs für die französische Abtei nicht genug rüh-
men ; er soll den fast erstorbenen klösterlichen Sinn in Spanien
wieder belebt haben, was jedenfalls übertrieben ist, aber zwei
') Rod. Glaber IV, c. 7. Ueber die Auslegung vgl. Studien über Ro-
dulfus Glaber, N. Arch. XIV, 405.
*) Alfonsi ep. ad Hngouem bei d'Ach6ry III, 407: Ad hoc Hcito, cen-
snntf quem pater m€U8 illo sanctissimo loco Cluniacefm solittis er<U darCf
egOf annuente DeOj in diebua vitae meae duplicabo . . . sin autetn nolucfit
. . . ipso regno careat.
8) Vgl. Hugonia Vita Hugonis, Bibl. Clun. col. 443; HUdeb. Vita Hug.
a a. 0. cd. 419; Miracul. S. Hug. a. a. 0. col. 452; Petri Venerab. Mir. lib. I,
c. 28 a a.O. col. 12%.
113
Klöster gründete er selbst, andere Stiftungen förderte er and
besiedelte er mit Claniaeensern.i) Seine Geschenke nnd sein
Wirken ftir das französische Kloster stellten ihn in den Augen
der Mönche über alle Fttrsten der älteren und neuen Zeit.^)
Psalmengesänge, Gebete und Almosen wurden für sein Seelen-
heil veranstaltet; noch bei seinen Lebzeiten wurde bestimmt,
dass sein Todestag in allem wie der Kaiser Heinrichs III, der
seiner Gemahlin wie der der Kaiserin Agnes gefeiert werde.
Wie sehr Sancho III. von Aragon die Privilegien von Cluni
zum Muster für seine Abteien nahm, ist erwähnt worden. Am
Ende war es doch das wichtigste, dass Hugo erst Spanien
enger an den römischen Stuhl und damit an die Gemeinschaft
der christlichen Staaten knüpfte: auf Hugos von Cluni Ver-
anlassung fand der römische Ritus in Spanien Aufnahme.^)
So wogten die Beziehungen und Einwirkungen herüber
und hinüber: der Orden von Cluni zählte später sechsund-
zwanzig abhängige Priorate, Decanate und Abteien jenseits der
Pyrenäen.^)
*) Petri Venerab. Mir. I, c. 28: Praeter haec duo monasteria in Mispa-
niis ex proprio construxitj alia a quibiisdam aliis personis construi per-
misitf et ubi construerentuTf adiuvit: in quibu8 Cluniacenses monachos
ponens, et unde omnipotenti Deo regulariter servire possent, regia libera-
litate affluenter largiens. Et pene mortuvm monastuMe religionis fervorem
ex parte in Hispaniis reparavit.
*) Statuta S. Hugon. abb. pro Alfonso rege bei d'AchSry III, 40S :
fideli amicOj qui tanta ac talia bona nobis fecit et adhuc indesinenter
facitj ut neminem regum vel principum sive priacis sive modemis tempo-
ribus ei camparare poaaimua.
>) Alfonsi epist a. a. 0.: De Romano autem officio^ quod tua iussione
accepimiis.
*) Bibl. Clun. col. 1746.
8»okar, Clmdaoenter. U. 8
Sechstes Capitel.
Die Cluniacenser in Lothringen.
1. Die oberlothringisohen Kirchen am Ende
des zehnten Jahrhunderts.
I.
In Lothringen folgte auf die Jahre der Uumhe und der
Empörung in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts eine
friedliche Zeit unter der geschickten und energischen Herr-
schaft des Erzbischofs Bruno von Cöln, die geeignet war, die
Schäden, die das vielgeprüfte Land erlitten hatte, zu beseitigen.
In einer Hand hielt der Kirchenfttrst die weltlichen und geist-
lichen Zttgel, und kaum je ist diese Vereinigung beider Ge-
walten einem Lande so sehr von Vorteil gewesen als diesmal.
Wie er in seiner Schule eine glänzende Schar tüchtiger Cle-
riker heranbildete 0^ so besetzte er mit ihnen die oberlothrin-
gischen Bischofssitze. Während Bruno die herzogliche Gewalt
in Lothringen inne hatte, wurden die Stühle von Metz, Toul
und Verdun je einmal erledigt Jedesmal sandte er dann einen
Geistlichen seiner Zucht in die verwaiste Bischofsstadt. So
verdankten Wigfried von Verdun, Gerhard von Toul und Theo-
derich I. von Metz ihm ihre Erhebung.^) Obgleich er Erz-
>) Dümmler, Otto der Grosse p. 399.
') Sigeberti Vita Deod. c. 7. Von Gerhard und Wigfried: collegae fue-
runt huius nostri Deodoricij ex discipUna scilicet BrufwniSf incliti, cuius
etiam iudicio ad gradum pontificatus meruerunt provehi. Ueber Gerhard
vgl. noch besonders Widrici Vita Gerardi c. 3 und Urk. Gerhards von 982
bei Calmet I, 389 : qtiod postqtiam . . . necnon et damni Brunonis glorioH
archiepiscopi et regia germanitate praeceüentis iussione dictante aiatodiam
aninia^mm et regimen smcepimtis ecclesiae Tullensium.
115
bisehof von Cöln war, verwaltete er doch als Reichsverweser
nach Adalberos L Tode den leeren Stahl von Metz, bis dessen
Nachfolger ihn erlangte.^)
Die Bischöfe, die in dieser Zeit eingesetzt wurden, ent-
stammten den ersten Familien des Landes: Gerhard war aus
Cöln gebürtig und von vornehmem Geschlecht^); sein Bruder
Azelin begegnet als Graf von Toul.^) Theoderich von Metz
war ein leiblicher Vetter Kaiser Ottos des Grossen, denn ihre
Mtltter waren Schwestern.^) Adalbero IL endlich, Theoderichs
Nachfolger, ging aus dem ersten Adelsgeschlecht Lothringens
hervor: sein Vater war der Herzog Friedrich vom Mosellande,
den sein Sohn Theoderich in dieser Würde beerbte.^) Man
musste dem hohen Adel die bischöflichen Stühle vorbehalten,
um ihn an das Interesse der Kirchen und damit an das otto-
nische Haus zu fesseln. Dann aber waren die Kirchen verarmt;
nur Männer von Vermögen und weitreichenden Verbindungen
schienen geeignet, ihnen aufzuhelfen.
>) Urk. Theod. fUr St. Arnulf bei Meurisse, Hist. des ^vdqnes de
r^glise de Metz (1684) p. 326: 4^od post obitum domni AdeUberonis pii
decessoris nostrij dum divae metno^'iae domnus Bruno archiepiscopuSf in
quo regni tunc procuratio incumbebatj sedem vacuam tempore aliq'uanto
disponeret,
«) Widrici Vita Gerardi e. 2.
") Nämlich 982 findet sich in zwei Urkunden Gerhards ein S. Azdini
comiix» TullensiSf frattis domni pontificis bei Calmet I, 389, 391. Zuletzt
begegnet 971 bei Calmet I, 385, Gallia Christ. XIII, 457: S. SindebaMi cmni-
tis Tuü, Derselbe in Adsonis Mir. S. Mansueti und Haupts Zs. f. d. Altert.
XVIU. — Vor ihm weise ich Graf Eberhard nach, einen Verwandten Hein-
richs I, DH I, ur. 16, Urk. Heinr. vom 28. Dec. 927: rogatu Eberhardi fidelis
et dilecti comitis atque propinqui nostri. Damals gewährt' aber Heinrich
dem Bischöfe die Ausübung der Grafenrechte, St 19. — Dann in St. 24,
DH I, nr. 21 vom 27. Dec. 929 erscheint wieder consanguineus noster comea
Rebarhardua.
*) Sigeb. Vita Deod. c. 1 .
*) Constant Vita Adalb. c. 1: paire FridericOj qui Gaüiae medianae
dux . . . matre BeatficCf quae Magni Hugonis filia fuit Wenn Witte,
Lothringen in der zweiten Hälfte des 10. Jahrh. p. 18 aus dem Oalliae
tnedianae dux den Scbluss zieht, dass er nur Herzog von Oberlothringen
war, so ist das kaum beweisend. Eher, dass Gesta abb. Trud. (SS. X, 378)
Friedrich dux Moseüanorum heisst. In Constant. Vita Adalb. c. 18 wird
Friedrichs Sohn Theoderich dann genauer bezeichnet als dux eorumy qui
eis citraque Mosam Mosellamque resident. Vgl. Waitz, D. Vg. V, 1 5G.
8*
116
In der That sehen wir diese Herren mit dem Königshanse
in steter Verbindung. Auf der Reiehsversammlang zu Köln
im Juni 965, auf der sich ein grosser Teil des deutschen
Episcopats eingefunden hatte, weilten wohl zuerst die drei
Bischöfe Oberlothringens zusammen am Hofe des Kaisers J)
Gerhard von Toni erhielt damals drei Privilegien, für Bouxiöres,
St Mansuy und St. fevre^). Wir sehen Bruno weiter sich für
ihn verwenden; nicht nur interveniert er beim Kaiser'), seine
Stimme wird bei der Ernennung des Abtes Adam von St Man-
suy besonders hervorgehoben.^) Leider starb der Erzbischof
nicht lange darauf in jungen Jahren^); aber noch kurz vor
seinem Tode hatte er seine getreuen Schttler Wigfried und
Theoderich um sich.«) Die erste Stelle vertrat seither bei Otto
sein Vetter, der Bischof von Metz. Kein Jahr vergeht, in dem
wir ihn nicht in seiner Begleitung finden. Von der Hofver-
sammlung in Aachen am 17. Januar 966 an, wo er mit Ger-
hard von Toul bei Otto weilte^), macht sich sein Einfluss auf
dem ganzen italienischen Zuge, der jetzt folgte, ftthlbar. Er
offenbarte sich in hervorragendem Masse, als die italienischen
Prälaten sich an seine Vermittelung wandten, um vom Kaiser
etwas zu erreichen.^) Alle Beichsgeschäfte sollen durch ihn
verhandelt worden sein.^) Aufs engste schlössen sich ihm Ger-
hard von Toul und Wigfried von Verdun an: er war der bedeu-
tendste von den oberlothringischen Bischöfen, ihm ordneten sich
die andern in ihren kirchlichen Angelegenheiten willig unter.^^)
>) Dümmler, Otto d. Gr. p. 873 ff.
") MG. DO I, nr. 289—290 vom 2. Juni 965, St. 366—368.
*) DO I, 288: una cum fratris nostri Brunania archiepiscopi subventu
fUr Bcuxi^res.
*) DO I, 289: cum consilio Brunonis archiepiscopi.
B) Am 10. October 965, Dümmler p. 396.
*) Ruotgeri Vita Brun. c. 43.
^) Dümmler p. 404.
») Sigeb. Vita Deod., SS. IV, 475: cum de causa sua cum apud impe-
ratorem sibi fieri intcrceasorem rogaret ... si pro causa sua imperatoriam
interpeUasset maiestatem. Sigeb. Translatio S. Luciae bei Meurisse, Bist,
des ^v^ques de Metz p. 320: Per hunc tractabantur cuncta imperii nego-
Ha ... per hunc quisquej quae obtinenda erant, optinebat,
») Auch die V. S. Kaddroe (Mab. A. SS. V, 499) sagt von ihm: licet
occupatus saecüli negotiis (neque enim aliter poterat tantae consulere wrbi).
»°) Sigeb. Tranfll. S. Luc. a.a.O. p.322: Qerardo TuUensi et VuinO'
117
Theoderich bewahrte seine StellaDg bei Otto IV) Dessen
griechische Braut hatte er in Benevent empfangen müssen, als
sie im Frühjahr 972 nach Italien kam, um mit dem jungen
Könige der Franken die Vermählung zu feiern.^) Später aller-
dings hasste er sie wie den Tod. Er begleitete Otto II. auf
seinem ROmerznge Anfang der achtziger Jahre; in Rossano
blieb er mit Theophano zurück, während der Kaiser jene
Niederlage gegen die Sarrazenen erlitt. Die giftigen Schmä-
hungen des unzarten Weibes gegen den Gemahl sollen ihn
dermassen entrüstet haben, dass er nach des Kaisers Tode
fast allein von dem gesamten lothringischen Adel sich auf die
Seite Heinrichs des Zänkers stellte und gegen den jungen Otto
Partei ergriff.^) Diese Handlungsweise von Seiten eines Mannes,
der seine ganze Stellung seinen Verwandten verdankte, auf
den auch der letzte Kaiser seine Gunstbezeugungen gehäuft —
noch am 20. Juni 983 erhielt er von ihm ein Privileg in Man-
tna ^) — , empörte die Lothringer so sehr, dass Theoderich, der
einst sich in dem Glänze der kaiserlichen Gnade sonnte, ver-
achtet und vergessen in die Grube sank. Damals zog Gerhard
von Toul über Pavia, wo er Adalbert, den späteren Märtyrer,
und Majolus von Cluni traf, nach Rom, als hier in der fremden
Erde der junge Kaiser ein frühes Grab gefundea hatte.^)
Bei weitem die wichtigste Rolle spielte in dieser Zeit aber
Verdnn. Obgleich König Lothar anfangs von Gerbert ftlr die
Sache des jungen Otto gewonnen worden war, so hatte er
doch bald die Vorteile erkannt, die er bezüglich seiner An-
sprüche auf Lothringen aus den deutschen Wirren ziehen
könne ^i), und ein Bündnis mit Heinrich von Baiem ge-
frido Virdunenaif qui olim in aula imperatoris famüiari contubemio sibi
adhaeserantj et modo in exeqtiendis ecclesiasticae religionia officiis una-
nimi devotione sibi invicem obtemperabant. Dazu vgl. Vita Deod. c. 7 :
Wicfridus usus est in omnibu» prompta opera praestdis Deoderici.
») St. 610; DO II, nr. 62, Urk. Ottos II. 973 für Toul auf Interventioii
der Kaiserin Adelheid : venerabilis quoque Metensium antiatitis Theoderici,
>) Dümmler, Otto d. Gr. p. 480.
») Alpert,Libellu8deep.Mett.SS.IV,699; vgLWitte, Lothringen p. 61.
*) DO I, nr.813; St. 859.
») Vita Gerardi c. 6 und 7.
•) Witte, Lothringen p. 56.
118
schlössen.*) Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die
trenlose Haltung der Bürgerschaft selbst den französischen
König veranlasste, gegen Verdnn zu rttcken.^) Hier war kurz
vorher, gegen Ende 984^), Adalbero, der Sohn des Grafen
Gotfried, von diesem und dem jungen Otto zum Bischöfe er-
hoben worden, nachdem eben nach Wigfrieds Tode ein Cle-
riker Hugo, der das Bischofsamt Übernehmen sollte, wieder
davon geritten war und ein anderer Adalbero, der Sohn der
Beatrix von Lothringen, den einträglichen Bischofssitz von
Metz dem ihm bestimmten der verarmten Verdnner Kirche
vorgezogen hatte.^) Aber obgleich Gotfrieds Sohn bereits die
Weihe erhalten hatte, so weigerte sich die französisch gesinnte
Bürgerschaft doch durchaus, ihn anzuerkennen.^) Um so leich-
ter wurde Lothar die Besitznahme der Stadt Aber während
der König nach Zurttcklassnng einer Besatzung abzog <^), ver-
suchte Graf Gotfried mit seinem Anhang die Stadt zu Über-
rumpeln, indem er auf dem andern Moselufer ein befestigtes
Warenhaus der Kaufleute besetzte. Vermutlich war es damals,
als Lothar den Abbruch der Ummauerung des Klosters St. Paul
verlangte^), damit die Gegner nicht daran einen Stützpunkt
gewännen. Als aber der König noch einmal gegen das Schanz-
werk der Feinde rückte, hatte er wieder entschiedenen Er-
folg. Denn gerade die Häupter der kaiserlichen Partei, Got-
fried, sein Sohn Friedrich, sein Oheim Siegfried u. a., gelangten
in Lothars Hände ^), der sie der Obhut der Grafen Odo und
Heribert übergab.^) Wie siegesgewiss der westfränkische König
war, beweist, dass er Gozilo und Siegfried gegen annehmbare
Bedingungen, wie es scheint, freiliess ^^), von Graf Gotfried
») Havet, Lettres de Gerbert, Introd. p.XV.
«) Vgl. Gerberti epist. 79.
») Havet p. 39, n. 3.
*) Gesta episc. Verdun. c. 4. 5. Hier wird ausdrücklich bemerkt, dass
die Bürger Adalbero, den späteren Bischof von Metz, sine regio doTw
aufnahmen. Gegen die Kritik von Wilmans vgl Schulthess, Papst Sil-
vester II. p. 11, § 22.
») Gerb, epist 79.
*) Epist. 63; Richeri Bist. III, c. 102.
^) Epist. 53.
«) Richer III, c.l07.
») Epist. 47. 48. 50. 51. »«) Epist 58.
119
aber die Aaslieferang von Mons mit dem üennegaa an Bainer
forderte, sowie den Verzicht auf die Grafschaft Verdnn, wäh-
rend sein Sohn das Bistum aufgeben sollte.^) Es geschah das
im Juni oder Juli 985. Aber erst zwei Jahre später, nach
Ludwigs y. Tode, erfolgte die Freilassung des Grafen 2) gegen
die Abtretung von Dörfern im Bistum Verdun und Gewährung
des Bechtes, darin Burgen zu bauen. Adalbero aber konnte
jetzt von seinem Bistum Besitz ergreifen.^)
n.
Alle drei oberlothringischen Bistümer waren gegen Ende
des Jahrhunderts beträchtlich verarmt.^) Trugen die Unfälle
der letzten Zeit, die unsicheren politischen Verhältnisse, die
Schicksale des Eirchengutes einen bedeutenden Teil der Schuld
an diesen Verhältnissen, so beförderten das Räuberunwesen
und die unaufhörlichen Grenzplänkeleien den kläglichen Zu-
stand. Namentlich der Sprengel von Toul war von Burgund
aus, wo es ganze Bäubernester in der Nähe ausgedehnter
Waldungen gab&), in steter Gefahr.^) Auf der andern Seite
war der Sprengel von Langres von Touler Raubrittern be-
droht^), die auch Adalbero von Metz veranlassten, gegen einige
ihrer Burgen zu ziehen.^)
0 Epist. 59.
>) A. 17. Juni 987, epist 103, p. 95. ^) Schulthess p. 85.
*) Für Verdun erhellt das aus Gesta episc. Vird. c. 4. — Für Metz
vgl. eine Urk. Theoderichs für St. Arnulf bei Meurisse p. 362: villam Ben-
nuiffum, quam ifi initio nostrae pronwtionis a lohanne qvondam venerando
abhaJte, terria ecclesiae nostrae attenitatis, in beneficium promerueramus. —
Für Toul verweise ich auf eine Urk. Ottos IL vom 18. März 975 (St. 646),
DO II, nr. 99: deplangentes paupertaiem . . . sanctae Tuüensis ecclesiae.
lieber die Armut der Touler Kirche in noch späterer Zeit vgl. Vita Leo-
nis IX, Watterich, Vitae pontif. I, 137.
>) Mirac. S. Bercharii c. 21, Mabillon, Acta SS. II, 819.
') V. Deoderici c. 12: et praedpue caJLamitom erat eis vicinitas ßtw-
gwndiontun,
7) Mirac. S. Berch. c.l8 a.a.O. p. 818.
") Constantii V. Adalberonis c. 20. Den hier erwähnten Berald von
VendoBuvre weise ich auf einer Synode in Toul vom Oct 971 bei Galmet
I, 385 nach. In einer Urk. Leos IX. von 1051 für das Kloster Portus-suavis
im Touler Sprengel (Gallia Christ XIII, instr. 467) erscheint: Vindiacordia
uxor Baraüi de Vendopera.
120
Ueberhaopt hatten die Bischöfe von dem nnbotmästiigen
Laienadel schwer za leiden. Gerhard von Toni sah sogar sein
Leben bedroht*), während Wigfried von Verdnn einmal in Ge-
fangenschaft des Grafen Sigebert gelangte.-) In Toul wie in
Metz begegneten die Kirehenfttrsten zeitweise heftiger Opposi-
tion nnter ihren Unterthanen. Noch ttber das Grab verfolgten
den reformfreundlichen Ganzlin die ttblen Nachreden der Lente^),
nnd nicht minder hatte sein Nachfolger Gerhard sich ttber Ge-
hässigkeiten nnd Klatschereien zu beklagen, Beleidigungen,
für welche noch Berthold von Toni Rache nehmen mnsste/)
Politisoh-sociale Streitpunkte^) mochten nicht weniger als die
einseitige Bevorzugung des Mönchtnms den Widerspruch ein-
zelner Parteien hervorrufen, wie etwa einem Ädalbero von Metz
die Unterthanen seine Vorliebe für die Mönche vorhielten und
seine Frömmigkeit als Dummheit und Stumpfsinn auslegten.*)
Die geistliche Leitnng der Diöcesen störten anscheinend
principielle Gegensätze noch wenig. Fehlten auch verheiratete
Cleriker nicht, deren Söhne wieder dem Priesterstande zu-
strebten, so merkt man doch nichts von den Unruhen, welche
diese Uebelstände in den romanischen Kirchen hervorriefen.
Wiesen die einen die Zumutung zurück, Priestersöhnen die
Weihen zu erteilen, so sahen andere ttber Person und Ge-
schlecht hinweg, wie Ädalbero IL von Metz, der während
seines bischöflichen Amtes ttber tausend Priester ordinierte.^)
Ganz gewiss waren die Bischöfe aber hinsichtlich der
äusseren Verwaltung der Kirchen am rechten Platze. Uner-
») Widrici V. Gerardi c. 20.
*) Gesta episc. Virdun. contin. c. 3; Gerb, epist. 102, p. 95.
') V. Gerardi c. 17: ut phmmi nosM temporis ad detrahendum potituf
quam laudandum ore patent promptiUo,
*) Gesta episc. lull. c. 36.
«0 Mirac. S. Apri c. 31 (SS. IV, 519).
^ Constant V. Adalb. c. 6. 20.
^ V. Adalb. c. 24: Episcopi sui temporis aliqui fastu superbiaef
aliqui simplicitate cordis^ filios secidarium sacerdotum ad 8acro8 ordines
admittere dedignabantuTj nee ad clericatwn eos recipere volentes etc. Vgl.
dasa eine Urk. Richards von St. Vannes (Qallia Christ XIII, 560): lecto
8fiOf tU sibi Visum estj coptUavit et coniunxit AmtUfus clericuSj frater 8ar-
vardi militiSf et quotannis advixit censum ipsitui mtUieris per viUicos abs-
que Ulla contradictione seu de sua femina S. Vitonua aceepit etc.
121
mttdlich ersehienen sie am kaiserlichen Hofe nnd sorgten für
die Sicherang ihres Kirchenbesitzes; unaufhörlich lag ihnen die
Erhöhung ihrer materiellen Mittel und die Abhilfe wirtschaft-
licher Mängel am Herzen. Sie sind eifrig bestrebt, die länd-
lichen Verhältnisse zu ordnen, die Zehnten den Kirchen zu
revindicieren , die Einkünfte des Bistums fest einzuteilen ^) und
zu sparen. So löste Bischof Adalbero fast jährlich den kaiser-
lichen Kriegsdienst ab, weil er sich am meisten über den kost-
spieligen Hofhalt ärgerte, dessen er unterwegs benötigte.^)
Persönlich waren die Kirchenflirsten von der Notwendig-
keit der Reform, von tiefem sittlichen Ernst durchdrungen.
Waren sie doch in den Reformideen bereits aufgewachsen,
und wenigstens einer von ihnen, Adalbero von Metz, war bei
den Mönchen von Gorze in die Schule gegangen.^) lieber
allen Zweifel war ihre Frömmigkeit und ihre Hingebung an
die Pflichten, die das Evangelium ihnen auferlegte. Ihre
Armenpflege macht ihrem Herzen alle Ehre; aber es erseheint
fast unklug und in hygienischer Hinsicht gewiss nicht zu
billigen, wenn der eine mehrere hundert hungernde Italiener
von einer italienischen Reise mit nach Toul brachte^), der
andere gewaltige Scharen bresthafter Burgunder, die eine
Poekenepidemie ergriffen hatte, in Metz nicht nur aufnahm,
sondern sogar eigenhändig wusch und verpflegte.^) Wie ihre
Art, Gastlichkeit zu üben, so hatte ihre Frömmigkeit mitunter
etwas Exaltiei-tes. Sie begnügten sieh nicht, in Gebeten, Fasten,
Wachen und andern religiösen Uebungen in weitester Aus-
dehnung^) ihren Pflichten nachzukommen: der Bischof von
Toul z. B. liess die Heiligenleben in kleine Bücher schreiben
und rings um sein Bett so aufstellen, dass sie bei jeder Be-
wegung, die er im Schlafe machte, sich ebenfalls bewegten:
denn darin sah er einen Schutz gegen jede böse Anfeindung.^)
^) Lamprecht, Der Character der klösterlichen Reformbewegung im
10. Jahrhundert, Picks Monatsschrift VlI, 224.
») V. Adalb. c. 25.
*) Y. Adalb. c. 2 : Scolaribus disdplinia apud Ovrgitenses castissime
detritus et instüutus.
*) V. Gerardi c. 8. 10. ») V. Adalb. c. 14. Vgl. Bd. I, S. 307.
*) Wie z. B. Adalbero II. alljährlich die grossen Fasten in härenem
Gewände bei den Brüdern von Gorze zubrachte. V. Adalb. c. 22.
') V. Gerardi c. 22,
122
Der ausgeprägteste ttbereinstimmende Zug sämtlicher obcr-
lothringiseher Prälaten ist ihre Vorliebe ftlr das reguläre Mönch-
tum und die unausgesetzte Fürsorge für die Klöster der Diö-
cesen.
War es auch ohne weitere Folgen, wenn Gerhard von
Toul ein Nonnenstift St. Gengulf im Süden der Stadt anlegte
— denn er machte mit den Damen üble Erfahrungen ^) — , so
war es bedeutsamer, dass unter ihm die Reform von St Man-
suy vollendet wurde.^) Von noch grösserer Wichtigkeit war
es, dass Wigfried von Verdun eine neue Kirche zu Ehren des
hl. Paulus errichtete, aus dessen Grabe in der alten Kirche
St Saturnin ausserhalb der Stadtmauern heilbringendes Oel
floss, das zahlreiche Kranke heranlockte. Auf Verlangen der
Bürger legte er bei St Paul eine Benedictinercongregation an^
für deren Unterhalt ausreichend gesorgt wurde.^) Aber die
glücklichsten Fortschritte machte doch die neue Richtung im
Sprengel von Metz. In Abwesenheit des Bischofs Theoderich,
der Otto den Grossen auf seinem Römerzuge begleitete, wurde
der Grund zu St. Vincenz gelegt; er hatte die Sorge fttr den
Bau seinem treuen Freunde Odilbert, dem Abte von Gorze,
übertragen^); sicherlieh doch auch in der Absicht, ihn mit der
Einrichtung des klösterlichen Lebens zu betrauen. Zahllose
Reliquien italienischer Heiligen wusste der Bischof, seine ein-
flussreiche Stellung bei Otto missbrauchend, den italienischen
Achten und Bischöfen abzuringen, um seine Stiftung damit zu
zieren.^) Die Päpste Johann XIII. und Benedict VII. bestätigten
*) V. Gerardi c. 5.
>) DO I, nr. 289. BeztigUch seiner Fürsorge für St. Mansuy vgl.
Galiia Christ. XIII, instr. 459. 400.
^) Gesta ep.Vird. cont. c. 3: Qumn mox a fujidanietitis erexü, et Deo
volente peregit, et ad peticioneni civium . . . monachos ibi posuit. Die Er-
hebung des hl. Paulus erfolgte am 28. August.
*) Vita Deud. c. 14: Cuiua constrtiendae curam conrnUaerat abbati
Gorziensi Odilberto, viro sibi amicissimo et divina atque humana scientia
in <minibu8 nonUnatissimo.
'^) Vita S. Eaddr. c.32: quare tmdecumque poterat sanctorum corpora
et reliquiM in suam dioeöesim transferebat; Vita Deod. c. 16. Vgl nament-
lich bezüglich der hl. hl. Protus und Jacintus ans Farfa, des hl. Leontins
aus Vincenza. Der Kaiser scheint ihn bei seinem Unternehmen, die ita-
lienischen Kirchen zu berauben, unterstützt zu haben. Wenigstens finden
123
sie nacheinander.*) Keiner soll die Freiheit haben, die Strenge
der Regel scheaend, hier und dorthin zu schweifen oder in
andre Klöster sich zu begeben. Wie die Tendenz des lothrin-
gischen Episcopats von jeher dahin ging, die Klöster möglichst
fest in seiner Gewalt za halten, so wird auch hier die Ab-
hängigkeit des Klosters vom Bischöfe ausdrücklich ausge-
sprochen, ebenso ist der Abt „in der Gewalt des Bischofs* zu
erwählen.^)
Offenbar erfolgten diese Vorbehalte der bischöflichen Herr-
schaft, um das Klosterleben strenger controlieren und das
Abteigut ihr nutzbar machen zu können. Gerade das aber
zog die Klöster in die weltlichen Interessen und Beziehungen
des Episcopats. Gorze freilich , das schon dadurch eine freiere
Stellung einnahm, dass es ausserhalb der Stadt lag, bltlhte
weiter 3), doch sicher auch nur in beschränktem Masse, da
Adalbero IL eine neue Reform durch Wilhelm von Dijon fttr
notwendig hielt, in St. Arnulf war aber mit der gedrückten
materiellen Lage ein Sinken der Klosterzucht und des religiösen
Lebens eingetreten^); desgleichen befand sich die St. Peters-
abtei in Metz Ende der siebziger Jahre in schlechten Verhält-
nissen.*) In Toul, wo die Stifter ebenfalls vom Bischöfe ab-
hängig, sind, ist der Besitz der Abteien selbst in dessen Hand
nicht einmal gesichert. So wurde Montierender vom Grafen
Heribert von Vitry einfach fortgenommen«) und Moyenmoutier
und St Die waren zuerst in Herzog Friedrichs Händen und
'kamen zeitweise wenigstens in die Gewalt der Beatrix von
Lothringen. Im Verduner Sprengel war überhaupt bis jetzt
wir öfter einen kaiserlichen Presbyter Heriward dabei, die Reliquien ab-
zuholen.
^) Vita Deod. c. 14 und 20. Die Bulle Johanns vom 29. Sept. 970,
die Benedicts vom April 981.
') Vita Deod. c. 14: Et iUnd monasterium sancti Vincentii respiciejis
Sit ad sedem episcopalem prothomartyris Christi Stephani iubemus, atque
abbas in potestate episcopi ipsius loci eligendtts sit.
•) Const. Vita Adalb. c. 22 : quia locus idem et sacrae religionis di-
strictio7ie insignis et divitiis opulentus et situ amoenit(Uequ,e gratissi'
mus etc.
*) Meurisse p. 840.
») ürk. Ottos II. vom 11. Mai 977, St. 708, DO II, nr. 169.
«) Vita Gcrardi c. 21.
124
nar St. VanneB von der Reform berührt worden , aber das
wJBsen wir, dass die Abtei gegen Ende des Jahrhunderts stark
herabkam. So welkte die erste lothringisehe Reform doch all-
mählich ab. Während die Bischöfe bei festliehen Weihen nnd
Translationen von Heiligen die Einmütigkeit nnd den Glanz
des oberlothringisehen Episcopats repräsentierten i), ki^nkelte
des klösterliche Leben doch überall an seiner Abhängigkeit
von der Kathedralkirche. Es kam dazu, dass die Ueberschweng-
lichkeit der asketischen Stimmung von vornherein keine geeig-
nete Grundlage steten Gedeihens bilden konnte.
Man hatte offenbar ein starkes Bewnsstsein von der Miss-
lichkeit der Zustände, aber indem man zu einseitig die Schuld
auf die Mönche schob, glaubte man nun in der Cultivie-
rnng der Schotten das richtige Mittel zur Hebung gefunden
zu haben. Gerhard hatte Air sie und griechische Mönche ein
besonderes Interesse und unterhielt von ihnen eine Anzahl an
seinem Hofe.^) Die ausgesprochenste Vorliebe für sie zeigte
aber Adalbero II. von Metz.^) Hier waren die Schotten ja
schon unter Adalbero L nach St. Clemens und Felix gedrungen
und Kaddroe ihr erster Abt geworden. Durch ein Wunder,
das bei der Translation des hl. Clemens sich ereignete, ver-
anlasst, soll Adalbero II. mit dem damaligen Abte Fingenius
und dem Primicer Wigericus an eine Restauration der Kloster-
räume und der Kirche gegangen sein.^) Wenn wir wenig-
stens das Datum des unechten Privilegs Ottos II I. beibehalten
können, so geschah wohl diese Reform im Frül\jahr 991.^)
Ein Jahr später ging der Bischof an die Wiederherstellung
>) Weihe zweier Altäre in St. Vincenz 6. Aug. 972: cooperatUibus
Wigfrido Virdwiensi, Gerhardo TiUlensi pontificUms; vgl. Transl. S. Luc.
bei Meurisse p. 322; Vita Gerardi c. 12. Gerhard lud Theoderich zur Ein-
weihung der Stefansbasilica.
•) Vita Gerardi c. 1 9 : Coetum quoqtAe Grecorum ac Scottorum agglo-
nierans non modiami propriia dUhat stipendiis commixtum diversae linguae
populum; vgl. c. 22: Quidam boni testimonii ex ScottiSj quos alebat etc.
^) Const. Vita Adalb. c. 26: nam Scotti et reliqui mncti peregrini
aemper sibi dtdcisaimi habebantur.
*) Chron. S. Clement. SS. XXIV, 499.
'^) Diese Urkunde, welche dem Fingenius die PrivUegien bestätigt,
die Kaddroe von Otto II. erhalten, bei Mabillon, De re dipl. p. 397; Hist.
de Metz III, 8t. -- Die chronologischen Daten passen nicht
125
des alten zerfallenen Klosters St. Symphorian.^) Auch hier
waren die Schotten wohl im Uebergewicht, denn Otto IIL
privilegierte am 25. Januar 992 das Kloster dahin, dass der
Abt Fingenins und sein Nachfolger Schottenmönche hätten, so
lange wie möglich; erst wenn sie fehlten, sollten aus belie-
bigen Nationen hier Mönche gehalten werden.^) In der That
konnte auch Adalbero sich nicht auf Schotten allein be-
schränken.^) Fingenius kam nun endlich nach St. Vannes, das
nach dem am 4. Dezember 973 erfolgten Tode Humberts durch
Laienhand vernachlässigt worden^) und in Armut geraten war.^)
So sehen wir am Ende des Jahrhundei*ts in allen drei Spren-
gein die Schottenmönche von den Bischöfen bevorzugt und auf
der Höhe der Situation.
Am Anfang des neuen Jahrtausends drangen indes die
Cluniacenser auf allen Wegen nach Oberlothringen. In den
drei Sprengein erfolgte ein gewaltiger Umschwung. Wir werden
dieser Bewegung jetzt im einzelnen nachzugehen haben.
>) Const. Vita Adalb. c. 10: qui licet antiquiiate nihil praeter ruinös
et casus praetenderet ; Chron. S. Clem. SS. XXIV, 499; Gesta ep. Mett. c.47,
SS. X, b42.
«) Urk. Ottos III. vom 25. Jan. 992 bei Mabillon, Acta SS. VI, 1, 25;
Gallia Christ. XIII, 398.
3) Vita Adalb. c. 1 1 : Monachorum copia pulcherrima, quos undecum-
que coüegercd; etc. Schon des Fingenius Nachfolger Siriaudus stammte aus
Gorze, ib. c 26.
*) Vgl. meine Dissert. p. 6; Bisch. Wigfr. v. Verd. für S. Vannes, Gallia
Christ. XIII, 554: sed competentium rerum facuUatibuSf quae ad custodien-
dum sanctitatis pertinent cuUunif minus idonee strudum fuisse perspeximus.
Die Abtreihe bei Hugo Flav. ist offenbar nicht ganz richtig. £r nennt
Adelmar an zweiter Stelle nach Humbert, dann Adelard; nun finden wir
in einer Urk. von 967, Gallia Christ. XIII, 556: abbatis nostri Adelardi
post virum videlicet sanctissimvm Humbertum religionis incentorem etc.
Andrerseits stirbt Humbert erst 973. Unter der Urkunde 8, Adelardi
abbatis und S. Humberti abbatis. In einer andern undatierten Urk. Wigfr.,
Gallia Christ. XIII, 554 begegnet Adelmarus,
*) Gesta episc. Virdun. c. 9; Vita S. Richardi c. 4; Richard, Abt von
St. Vannes p. 7.
126
2. Die Schule Wilhelms von Dijon.
Diöcese Metz.
Die Bekanntschaft Bischof Adalberos n. mit Wilhelm von
Dijon vermittelte ein Metzer Cleriker, Benedict mit Namen,
der in St. Benigne Mönch geworden war. Die Folge war, dass
der Metzer KirchenftlrBt den Abt zu sich beschied nnd mit der
Reform von St Arnulf betraute.^) Nachdem er eben jenen
Benedict zum Abt erhoben, schied Wilhelm nicht ohne reiche
Geschenke seitens des Bischofs und seines Schülers, Gaben,
die er nach Dijon und Fruttuaria verteilte.^) Als Benedict
nach einiger Zeit starb 3), Übernahm der Abt von St Benigne
noch einmal die Fürsorge ftlr das Stift, diesmal, um sie erst
mit dem Tode an seinen Nachfolger abzugeben. Mit Warin ^)
begann dann eine neue Epoche hinsichtlich der Bauthätigkeit;
von Leo IX. erhielt er am 11. October 1049, am Tage der
Kirchweih ^), ein wertvolles Privileg, derselbe Abt wurde auch
Herr über die Abtei St Felix nnd Clemens in Metz. Er erhielt
«) Beide Quellen, Bod. Vita Wilh. c. 16 und ChroD. S. Benig. p.l50,
sind offenbar ungenau. Nach Rodulf Glaber Übernimmt Wilhelm die Abtei
und giebt sie brevi tempore zurück. Tunc enim geht er nach Italien. Auf
dieser Reise erfolgten seine Krankheit und die Vorbereitungen zur Grün-
dung von Fruttuaria, so dass also die Reform von St. Arnulf kurz vor die
Gründung des italienischen Klosters zu setzen wäre. Nach der Chronik
setzt Wilhelm den Benedict ein, den Rodulf gar nicht erwähnt, und bei
der Abreise beschenkt ihn Adalbero, ne ... rediret vacuus a munere.
Auch Benedict schenkt ihm pro benedictione. Qtiae prefatns pater tarn
in hoc loco quam Fructtumensij a se noviter ceptOf divisitj ut 8ibi placuit.
Danach hätte die Reform nach der Grundlegung von Fruttuaria stattge-
funden. Indes Hesse sich der Widerspruch so lösen, dass die Geschenke
Benedicts erst zur Verteilung kamen, als Fruttuaria zu bauen begonnen
worden war. Jedenfalls wird Wilhelms Eingreifen in Lothringen in die
Zeit zwischen der italienischen Reise, welche die italienische Stiftung
vorbereitete und der Grundsteinlegung derselben gesetzt werden müssen.
>) Chron. S. Ben. p. 150.
3) 1 024 soll er gestorben sein nach der Gallia Christ. XIII, 902.
*) Epist. Warini ad Job. abb. Fiscamn., Mabillon, VeteraAnal. p. 451:
qui obitum patris nostri saepe dicendi domini abbatis Wilhelmi praesto-
UUtiS est et successoris etus, id est domni abbatis Oddonis, electioni et ordi-
nationi interfuitf nach dessen Tode Warinus folgte.
^) Dedicatio eccL S. Arnulfi, SS. XXIV, 545; Notae S. Aruulfi 1049,
ib. p.526; GestA episc. Mett. c.48, SS. X, 543.
127
sogar das Recht, beim dentschen Könige bei Anfechtungen
dieses Besitzes zu klagen, nicht beim Bischöfe, der geneigt
sein konnte, das Eigentum des Hauptklosters zu schädigen; in
jedem Falle erbot sich der römische Stuhl zur Verteidigung
seiner Interessen, i)
Nicht nur die Metzer Klöster, sondern auch Gorze erfuhr
jetzt die Einwirkung des Abtes von Dijon. Hier war auf
Johannes Abt Odilbert gefolgt, dann Immo von Bischof Theo-
derich I. erhoben worden.^) Er leitete zugleich das Kloster
Prüm3) und erfreute sich bei Adalbero IL grosser Wertschätzung.
Seine Strenge und tiefe Frömmigkeit gefiel auch Heinrich II,
der den Abt den Reichenauer Mönchen naoh dem Tode Wer-
ners aufdrängte; freilich nur ftlr zwei Jahre, da der Wider-
wille der oberdeutschen Klosterbrüder gegen den Lothringer
zu stark war.^)
Nach Immos Tode^) überwies Theoderich 11. von Metz
Gorze dem Abte • von Dijon. lieber sein Wirken wissen wir
nichts; er behielt die Abtei aber bis zum Tode, und da erst
folgte einer seiner Schüler, Sigfried mit Namen, der vorher
>) Gallia Christ. XIII, 394 ff.
') Nach Hirsch, Jahrb. Heinr. II. I, 410 wurde er etwa 978 Abt; Odil-
bert ist 977 zuerst nachzuweisen bei Cbampollion Figeac, Documents in-
6dit8 II, nr. 3S: Notice sur le cartnlaire de l*abbaye de Gorze nr. 114. Bei
Gu^rard, Polyptique dirmiuon II, app. 351, nr. 17 findet sich eine Urkunde
eines Abtes Ermenfried von Gorze vom 17. Aug. 984 (auch Cart. de Gorze,
Bibl. nat 5436, f. 58). Offenbar ist er mit Immo identisch, da Ermenfried
seine Vorgänger Algenald, Johannes und Oldebertus nennt.
«) Series abb. Prüm., SS. XIII, 302.
*) Vgl. Hermanni Contr. Chron. 1006 und 1008; Chron. Suev. 1006 und
1008. Pardiac, Hist. de S. Abbon p. 139 macht seinen Nachfolger in Rei-
chenau, Bemo, zu einem Schttler Abbos, woflir aber jeder Beleg fehlt
^) Chron. 8. Benig. p. 159. Wann Immo gestorben ist, l&sst sich
nicht sicher ermitteln. Sein Todestag ist der 22. August, Necr. S. Benigpai
bei Montfancon. Er ist nachzuweisen bei Champollion Figeac a. a. 0. nr. 122
im Jahre 1006, nr. 123 in einer undatierten Urkunde Constantins, Abtes
von St. Felix seit 1004 (Chron. S.Clement. 1003, doch Nachfolger Fingens,
der 1004 starb). Dann tritt in den Regesten eine Lttcke ein: Sigfried
begegnet zuerst nr. 126 im Jahre 1032. — Sicher ist, dass Immo noch um
1012 lebte, um welche Zeit der Abt Constantin von St. Symphorian seine
Vita Adalberonis II, die ihn als lebend erwühnt, schrieb. Vgl. Vita Adalb. II.
c. 26 und M. G. SS. IV, 658.
128
Weltgeistlicher in Metz gewesen war. Sigfried gehörte zu den
Vertretern des starren kanonischen Princips in diesen Gegen-
den. Unter ihm kamen Gorzer Mönche in die bereits 982
gegründete Gelle Amel im Sprengel Verdun^), und im Metzer
Sprengel sassen sie znr Zeit auch in Varang^ville.^)
So sehr uns die Quellen Über das Auftreten Wilhelms im
Metzer Sprengel im Stich lassen, soviel lässt sieh erkennen,
dass er die Klöster, in denen er wirkte, bis zu seinem Tode
behauptete. Das ist um so bemerkenswerter, als nicht alle
lothringischen Bischöfe diese fremden Aebte gern ertrugen,
und ein derartiges Zusammenwirken immer ein persönliches
Verhältnis zwischen dem Bischöfe und dem Reformator vor-
aussetzt Auch im Touler Sprengel schienen sich die Dinge
anfänglich ebenso günstig zu gestalten.
Diöcese Toni.
Vermittelte ein ehemals Metzer Gleriker die Bekanntschaft
Wilhelms mit Adalbero II, so bildete der Touler Domherr
Arnulf das Bindeglied zwischen dem französischen Abte und
Bischof Berthold. Ein gelehrter und in weltlichen Dingen be-
wanderter Mann, hatte er in St. Benigne die Aufmerksamkeit
Wilhelms auf sich gelenkt Kein Wunder, dass der Abt sich
nicht dazu verstehen konnte, den brauclf baren Mönch auszulie-
fern, als der Bischof den entlaufenen Gleriker zurückforderte.^)
Schliesslich fesselte die Festigkeit Wilhelms Berthold von Toni
derart, dass er ihm die Abtei St. fevre zur Reform überwies.
Nach wenigen Jahren war die Umwandlung beendet, und da
der Reformator im Kloster strebsame Männer fand, wählte er
>) Urk. Ramberts von Verdun vom 6. Sept. 1032, Bist, de Metz III,
pr. 87; Gallia Christ. XIII, 557; vgl. Clouet, Bist, de Verdun II, 35 flf.
3) Bestätigungsurk. Leos IX. vom 15. Jan. 1051, Eist, de Metz III,
pr. 88; v. Pflugk-Harttung, Acta I, 18, nr. 23; J.-L. nr. 4250.
*) Chron. S. Ben. p. 151. Dass das vor 1005 geschah, schliesse ich
daraus, dass in dieser Zeit Berthold und Wilhelm bereits in Verbindung
miteinander stehen, Mabillon, Ann. Bened. IV, 168. — Die Nachricht der
Chronik: ex quibm unum, Widricuin nominCf post non midtos annos in
eodem monasterio constituit pairem monachorwn ist nicht richtig, da, wie
wir weiter sehen werden, Widrich zunächst Propst wurde.
129
eineo, Widericb, zam Propst. Auch für Arnulf wurde ge-
sorgt. Als Bischof Berthold am 11. Juni 1005 auf Ftlrspraehe
Brunos von Langres und des Grafen Otto Wilhelm in Gegen-
wart des letzteren und des Abtes Wilhelm der Eirehe
St Bälin, die im Besitze des Klosters St. Benigne war, zwei
Pfarreien unter der Bedingung schenkte, dass Mönche ange-
siedelt würden und die Pfarreien mit Vicaren besetzten ^), über-
nahm Wilhehns Sehttler als Prior die Vorstandtschaft, in der
er sich durch den Bau einer neuen prächtigen Basilica und
bedeutender Klostergebäude verdient machte.^) Die Eingriffe
der fremden Macht und die Betonung ungewohnter Grund-
sätze, die Forderung von Zehnten und Patronatsrechten moch-
ten bei geistlichen und weltlichen Nachbarn in Stadt und
Land bereits eine starke Misstimmung erzeugt haben, als
Bischof Hermann, Bertholds Nachfolger, sich zum Organ die-
ser Opposition machte.^) Wenn unter ihm die Mönche von
St ^vre keine guten Tage hatten und der Propst angeb-
lich vor Schlägen nicht sicher war^), so mögen, wie auch
anderwärts, die Selbständigkeitsgelttste der Brüder, das an-
spruchsvolle Auftreten des Propstes, der nur seinem Abte Ge-
horsam schuldete, den Unmut des Bischofs und seiner Clique
hervorgerufen haben. Doch nahm sich der Bischof wieder der
Mönche an, die Wilhelm in St B^lin angesiedelt hatte, als
Touler Gleriker ihnen das Recht bestritten, in einer Parrochie
Priester einzusetzen, und dem Abte von St Urban und einem
Edelmanne, namens Stephan, die ihnen gewisse Zehnten miss-
gönnten, — letzterer hatte sogar ihre Arbeiter geprügelt und
verjagt — rief er zu: «Wir können nicht zugeben, dass die
>) Urk. Bertholds bei P6rard p. 169 and MabUloo, Ann. Bened. IV, 168.
. ') Chron. S. Ben. p. 160.
*) Notizia BrnnontB episc. Tüll, de instauratlone coenobü S. Apri bei
Mabülon, De re diplomatica IIb. VI, nr. 153: hia et aliift occaaionibus
coepit ordiri qwurimonia contra locum et cum di/famatione vituperationis
8cand(ütim . . . ünde factum est, ut a vicinis murmurantibtM et detrahen-
t%bu8, blasphemawtibus et accusantibus locus adversitatem diu suatineretf
quam a quibusdam excitabat nan tarn malitia, quam minus peccans igno-
rantia; Wiberti Vita Leonia I, o.6 (Watterieb, Vitae pont. Rom. 1, 133):
in quos procacissimae adiUatorum et invidorum Hnguae supra modum in-
stigabant animum praefati antistitis.
*) Bod. Vita Wilhelmi c. 22.
Saokar, OlmÜManaer. U. 9
130
Mönche gegen Recht and Billigkeit von Euch belästigt nnd
bedrängt werden/*)
Aber mochte Bischof Hermann den Anfordemngen der
claniacensischen Mönche nicht immer die Stütze gewähren,
die sie fttr wünschenswert hielten, mochte er sieh die Stim-
mung der Gegner zu eigen gemacht haben, einen desto
stärkeren Rückhalt fanden sie an seinem Nachfolger, Bruno
von Egisheim. Durch Generationen hatte seine Familie in
Elostergrttndungen ihre Hinneigung zu den neuen kirchlichen
Ideen bewiesen.^) Er selbst, seit 1007 von Bischof Berthold
erzogen 3) und an die Begünstigung des asketischen Mönch-
tums gewöhnt, empfand mit den Jüngern des hL Aper schwer
die Zeiten ihres Niedergangs und den Druck der bisehöflichen
Ungnade.^) Als dann Hermann fern von der Heimat gestor*
ben war — man sah darin eine Strafe fttr sein Verhalten
gegenüber den Mönchen — ^ war noch vor seiner Weihe und
der Krönung Konrads II. in Rom sein Erstes, dass er dem
Propste von St. ifevre die Abteien Moyenmoutier, dessen Abt
Almannus von Berthold übel behandelt worden war^), und
St Mansuy zur Reform empfahl, als Zucht und Seelsorge sei-
nen Ansprüchen nicht mehr genügten.*)
*) P6rard p. 174 ff.: idcirco ferre non possumtLS, ut contra ins a vobis
molestentwr aut fortitudinem patiantur; Mabillon, Ann. Bened. IV, 237 £
>) Vgl. Bd. I, S. 221 f.; die Gründungen sind Altorf, Hessen bei Saar-
barg, Lure-en-ComtS und Woffenheim im Elsass; vgl. Grandidier, Bist
d'Alsace I, 350 und 407 ; Rainart, Itor litterar. in Alsatia et Lotharingia,
Paris 1724, p. 450 führt aus dem Necrolof]:. Altorf 4.Sept an: EberharduB
comes, qw requiescit in summo chorOf item damina Berta comitisBa dus
uxoTj item Hugo comes et monachua huius loeif qui requiescU ante aUare
sancti Oregorii in capeüa, item HugOf comes frater praedicti HugoniSj qui
requiescit in hoc monasterio. Hi fuerunt fvndatores monasterii, Vgl.Wiberti
Vita Leonis 1, c. 1. 2; Riehen Eist. Senon. II, c. 14. Danach ist Chron.
Median. Mon. des Joh. de Bayon (1826) bei Cahnet, Hlst de Lorraine II,
pr. LXII zu berichtigen, der Hessen und Altorf für identisch ansieht Vgl.
Leos IX. Balle für das Nonnenkloster Woffenheim vom 18. Nov. 1049 bei
SchöpfUn 1, 163; J.-L. nr.4201.
') y. Leonis I, c. 2.
*) ib. I, c 6: Nunc pro eis murum semet quantum poterat opponebat,
nunc quod solum poterat cum flentibus flebat.
*) Libelli de primis Median! monast abbatibus, Grandidier, Bist.
d'Alsace II, p. XLVHI.
•) y. Leonis I, c. 11.
131
Vermntlieh damals, als er in Italien beim Kaiser weilte,
um die Erlanbnis der Weihe durch den Erzbisehof Poppo von
Trier einzuholen ^), traf Bmno mit Wilhelm von Dijon zusam-
men, der sich zur Zeit am Hof lager befand. Er, der bereits
den Plan gefasst haben mochte, die Leitung der ihm unter-
gebenen Klöster aufzugeben und jüngere Kräfte an seine Stelle
zu setzen, sprach dem Bischöfe den Wunsch aus, Widerich
zum Abt von St fevre zu erheben. Und in der That, als Bmno
von der am 9. September 1027 in Trier erfolgten Weihe heim-
kehrte, beförderte er den Propst und machte ihn ausserdem
zum Abt von Moyenmoutier und St. Mansny.^) Somit waren
die drei bedeutendsten Abteien des Touler Sprengeis unter
einem Schüler Wilhelms von Dijon vereinigt
Wie jede Klosterreform mit Neubauten verbunden war, so
beschloss man auch, die alte ein- oder zweimal bereits abge-
brannte Abtei des hl. Aper von Grund aiff neu zu errichten.
IJntersttttzt durch seinen Propst Lambert ging Widerich ans
Werk. Mit Freuden ergriffen die Bürger der Stadt, die unter
dem neuen Regime mit den fremden Mönchsinstitutionen sich
ausgesöhnt hatten, den Gedanken. Nicht nur gewaltige Fels-
stücke und Mauersteine schafften sie bereitwillig zur Stelle;
sie räumten auch die Manerreste des alten Klosters mit ihrer
Hände Arbeit hinweg. Geld floss reichlich zusammen. Selbst
weniger Bemittelte trugen ihr Scherflein bei zum Klosterban,
je nach dem, fünf, zehn oder fünfzehn Solidi, sechs oder zwölf
Heller. Bischof Bruno selbst spendete dreissig Pfund Goldes^),
Kaiser Konrad mehr als fünfzehn Pfund, die Kaiserin etwa
den dritten Teil. Auch andere Wohlthäter stehen auf der
Liste. Der Bischof von Metz ist mit zwei Pfund beteiligt, von
lothringischen Achten opferte Richard von St Vannes, der einige
^) Bresslaa, Jahrb. Konrads II. I, 224.
') V. Leonis I, c. 13: voluntate et petitu domm Guiüelmi ipaius loci
tunc temporis venerabilis patris. Da Wilhelm damals in Italien war, ist
es am wahrscheinlichsten, dass jene Besprechang hier erfolgte. Joh. de
Bayoo, Cbron. Med. Hon. (1326) c. 45: Änno miUesimo vigesimo octavo
Wülermua {ibbaa iwter cetera Medianense aanctorumque Manaueti et Apri
coenobia rexit. übt cum videret se minus posse sufficerCf pro veUe domni
Brunonis epiacopi guendam Widricum abbatem ddegU; Bod. Vita Wilb.
c. 22: Widricum nomine, qui post iUum eiusdem loci pater devotus extitit,
•) V. Leonis I, c. 13.
9*
132
Jahre vorher im Tonler Sprengel den Gmnd zn einem Klöster-
ehen gelegt hattet), ^n Pfand, während der Reiehsabt von
Stablo das vierfache aufwenden konnte.*)
So wnrde der Elosterban von St ilvre gldchflam zu einem
Denkmal der lothringiachen Beformwirknngen des elften Jahr-
hnnderts. Es ist das einzige Mal, dass wir die drei Hanpt-
Vertreter der französischen Beform in Lothringen, Wilhelm,
Richard and Poppe, bei einer Sehöpfong gemeinsehafUieh be-
teiligt sehen, der dnzige Fall, der die Solidaritilt jener Amtft-
briider ans hent noch offenbart Aber am wie viel häufiger
werden sie sich in ihren Bestrebnngen begegnet sein? Nur
ahnen können wir noch ans anseren dürftigen Nachrichten,
was ihr Wirken fttr manche Landesteile bedentete.
Im Jahre 1033 bestiltigte Eonrad IL den Besitz von
St i^vre^), fUr St Mansny spendete er Gold- and Silber-
geschenke.^) Ein Jahr daraaf, am 14. Jani 1034, verbriefte
Bischof Bruno die der Hanptabtei gehörigen Kirchen.^) Die
Schale Widerichs trat ebenbürtig neben die der anderen lo-
thringischen Aebte. Wird ans überliefert, dass er nioht we-
nigen Stiftern Leiter geben konnte*), so werden wir seine
Schüler vor allem in den kleineren Abteien des Toaler Sprengeis,
St Salvator, St Diä ''), Mansny, Moyenmoatier suchen. Es be-
zeichnet so recht den Fortschritt der Reform dieser Gegenden,
wenn wir am 8. October 1036, wenige Jahre nach dem Tode
Wilhelms von iMjon, die Aebte Halinard von St Benigne, Gre-
gor von St Bölin, Widerich von St ilvre, Hunold von St Mansny
und Norbert von Moyenmoutier in Toni versammelt fiuden.^}
1) Tnmslatio et MiracnU S. Firmini n, c 14. 15, SS. XV, 2, 809. 810.
Der erste Propst war Odo.
') NotizU Brunonis a.a.O.
*) Calmet, Eist de Lorraine I, pr. 408; Benoit, Eist eceles. et polit
de Toul, Totti 1707, pr.XXV.
0 Urk. Brunos v. 3. Sept 1037, Gallla Christ XIII, 464.
>) Urk. Brunos, Calmet I, 411.
*) Chron. S. Ben. p. 152: MüUoa denique ervdiena in ianeta eonver-
saHonef äUquantos cdiarum moncuteriorum patres monaeharum ex 8i*a pro-
Mit congregatione,
') Bioheri Bist. Senon. II, c. 16; Gesta episc. Tuli. c. 86; vgl. V. Leo-
nis I, c. 13.
**) P6rard p. 185; Mabillon, Ann. Ben. IV, 380. Urk. fttr St. B^Un.
133
Die Beziehungen des Klosters von D^on zu der benachbarten
Tonler Diöcese haben also trotz des selbständigen Fortgangs
der Reform anch anter Wilhelms Nachfolger fortgedanert Und
dass man später noch in St itvre sich des Znsammenhangs
mit Clnni bewnsst war, beweist der Umstand, dass nnter der
verhältnismässig kleinen Zahl von Heiligenleben, die sich am
Ende des elften Jahrhunderts in der Klosterbibliothek befan-
den, die Mönche vor allem die Biographien von Odo, Majolus
nnd Odilo bewahrten.^)
3. Die Schule RicliardB von St. Vannes.
Richard in Reims und St. Vannes.
Fttr die Verdnner Kirche war es nach den Vorfällen am
Ende des zehnten Jahrhunderts ein günstiges Geschick, dass
fast zu gleicher Zeit zwei Männer an ihre Spitze traten, die
geeignet waren, sie zu neuem Glänze zu erheben: Heimo, den
sein Geschlecht nicht minder als sein Character auszeichnete,
der vom Bischofstuhl aus auf seinen Clerus anregend wirkte,
und Richard, der in seinen klosterlichen Bestrebungen an Clnni
anknüpfte. Er wurde in dem Verduner Kloster St. Vannes
zum Haupte einer weit reichenden und weit verzweigten Be-
wegung.
Spross einer vornehmen fränkischen Familie 2), die bei
Montfaucon ansässig war, — seine Eltern werden Walther und
Theodrada') genannt — hatte Richard drei Brüder, Adalbert^),
Erembold^) und Walter^), die sich der Landwirtschaft oder
1) Catalog der Bibl. St. Aper in Toni mit der Ueberschrlft: Hi mnt
libri invmti in armario 8. Äpri temporUms abbatis Widonia (gest 1084),
Neuer Liter. Auseiger 1807, S. 65.
*) V. Riohardi c. 2: parenHbua nobüiasimia; Hngo Flav. 11, c.l: nobi-
liuima Francorum «tirpe progenüus, Ueber seinen Geburtsort vgl. Richard
von St. Vannes S. 4, n. 8.
*) Der Todestag seiner Matter ist der 28. Dec., Necrol. S. Vitoni,
N. Arch. XV, 182.
*) Necrol. S.Vit.: IL Kai, lun. AdaWertus frater damini abbatia
Bichardi.
») Necrol. S. Vit. : XL Kai, Dec. Eremboldua frater domini abbatia
Bichardi.
•) Necrol. S. Vit.: VIIL Kai Aug. Walterus mileay frater domini
abbatia Bichardi; vgl. die Urk. bei Mabillon, Ann. Ben. IV, 285.
134
dem KriegsdieoBt gewidmet zu haben seheinen. Er selbst ward
für das geistliehe Amt bestimmt und an der Marienkirche in
Reims erzogen, wo ihm hervorragende Geistesanlagen und tiefe
Religiosität hohe kirchliche und Verwaltnngsämter nachein-
ander einbrachten.^) Aber unbefriedigt und von Verlangen
nach voller Seelenruhe brennend, verliess er angeblieh ohne
Wissen des Erzbisehofs Aemter nnd Ehren und besehloss in
Gemeinschaft mit dem Grafen Friedrieh von Verdun, der eben
von einer Pilgerreise zurückgekehrt war>), in St Vannes die
Kutte zu nehmen, wo Fingenius mit sieben Schottenmönchen
ein ärmliches, wenigstens nach späteren Begriffen nicht eben
musterhaftes') Leben ftlhrte. Aber nach kurzem Aufenthalt
verliessen sie das Kloster, da sie sich mit den Gewohnheiten
der Mönche nicht befreunden konnten, und begaben sich nach
Gluni. War es ihre Absicht gewesen, hier zu bleiben, so
schickte sie Odilo nach Verdun zurück mit dem Auftrage,
dort zu reformieren. Als aber auch jetzt ihre Versuche schei-
terten, auf Fingen zu wirken, beschlossen sie endgültig, die
Schotten ihrem Schicksal zu überlassen und sieh an einen
andern Ort, angeblich in das von Bischof Wigfried gegründete,
damals unter Abt Hervin blühende Kloster St Paul zurück-
zuziehend) Aber es kam nicht dazu; dureh die Vision einer
alten Klausnerin bewogen, hielt Fingenius die beiden Eifrer
zurück und liess sie die Mönchsgelübde ablegen.^)
Drei Monate später, am 8. October 1004, starb Fingen.<^)
^) Vgl. Richard von St. Vannes S. 5. Wie weit man im einselnen auf
Hugo von Flavigny fassen darf, ist mir immer zweifelhafter geworden.
*) Richard von St. Vannes S. 6.
*) Gosta episc Vird. cont c. 9: rebus inop8f aedifieiis angusta, parum
laudabilis converscUione rdigiosa. Ueber die DarsteUang Hugos v. Flav.
vgl. Richard S. 7, n. 4.
*) V. Richard! c. 5; Hugo Flav. U, c. 4, der St Paul weniger religiös
darstellt, als St. Vannes; vgl. Richard S. S, n. 2. Die Gesta episc. Virdun.
cont. c. 9 wissen nichts von St. Paul und bemerken nur: iterwn migrandi
alias consÜium habttere. Die Nennung von St. Paul in der V. Rieh, und
bei Hugo beruht möglicherweise erst auf späterer Tradition.
^) Gesta episc. Virdun. cont. c. 9.
^) Das Datum Necrul. S.Vit: VIII. Id. Oct. Anno domini Mqtiarto
obiit domnus Fingenius abbas huius loci. Danach Hugo Flav. 11, c. 4;
Gesta episc. Vird. cont c. 9: Post trcs autem menses; danach V. Rieh. c. 6:
Post tres vir emensos menses. Ann. S.Vit. 100.5; Ann. S. Benign! lüOo.
135
Als er in der Kirche Si Felix ausserhalb der Mauern von Metz
bestattet, kam es zur Neuwahl. Nach lebhaften Auseinander-
setzungen zwischen den Mönchen entschied, wie es scheint,
Bischof Haimo durch sein Eingreifen den Streit zu Gunsten
Richards ^), der am 28. October die Weihe erhielt
Die Beziehungen zur Reimser Kirche wurden weiter auf-
recht erhalten. Nicht lange nach Antritt seines Amtes finden
wir Richard in der schon im zehnten Jahrhundert von Fleury
aus reformierten Abtei St. Thierri, wo er eine folgenreiche Be-
kanntschaft machte.^) In dem Reimser Kloster lebte damals
an der Seite des Pförtners Eilbert ein junger Novize, eifrig den
klösterlichen Pflichten hingegeben, der junge Poppe, der im
Jahre 978 zu Deynze im Listergau in tPlandem geboren war.^)
Er hatte sich ursprünglich dem ritterlichen Leben zugewandt
und dann, von Gewissensqualen verfolgt, zweimal Pilgerreisen
unternommen, einmal mit zwei Begleitern nach dem heiligen
Lande, das andere Mal im Jahre 1005 mit dem Grafen Theo-
derich von Holland nach Rom.^) Das hatte ihn zwar vor der
Hand beruhigt, so dass er sich sogar zu einer Heirat ent-
sehloss, aber als er des Nachts mit einigen Gefährten ausritt,
um seine Braut heimzuftlhren, schreckte ihn ein Himmelszeichen
so sehr, dass er der Welt entsagte und sich nach St.- Thierri
zurückzog.^) Hier traf ihn nun Richard, nahm ihn mit nach
Verdun*), und bald sollte Poppe an seiner Seite zu höheren
Pflichten und Würden emporsteigen.
Im Bistum Cambrai.
Nicht lange nach jenem Besuche in St Thierri berief
Graf Balduin von Flandern nnsern Abt nach Arras, um das
^) Gesta episc Vird. c 9; bezüglich der anderen Quellen vgl. ßi-
cbard S. 9.
') V. S. Popponis c. 9: Subsequenti tempore . . . virum abbatem Eichar-
dum ad sanctum contigit Theodencum vetiisse. Der Zeitpunkt ist zwischen
1006 und 1008, wahrscheinlich 1007 oder 1008.
s) Ladewig, Poppe von Stablo, Berlin 1883, S.24.
♦) Ladewig S. 26. 27.
ß) Ladewig S. 28 ff.
•) V. S. Popp. c. 9 : Virdunum cum praedicto venerabÜi Bickardo
abbate ire perrexit.
136
Kloster des hl. Vedastns wieder in geordneten Zustand zu
versetzen.
Hier wirtsebaftete Abt Fnlrad, ein Mann von gelehrtem
Wissen und dem Erzbisehofe Danstan von Canterbury einst
befreundet bei dessen Lebzeiten J) Aber in dem Bestreben,
seine Abtei der Herrschaft des Bischofs von Cambrai auf Grund
von Privilegien zu entziehen, die wenigstens der Chronist des
Bistums ftar falsch verstanden hielt^). geriet er mit den Bischöfen
in einen Conflict, der durch die Parteinahme Balduins von
Flandern zu Gunsten des Abtes und den politischen Gegen-
satz des Flanderers gegen den deutsehen König und dessen
Anhänger, Erluin von Cambrai, noch verschärft wurde. Und
nicht begnügte sich Folrad mit dem Schutze eines klöster-
lichen Dienstmannen, der das Kloster zu einer Art Festung
umwandelte und mit dem ganzen Tross einer vornehmen Hof-
haltung sich hier breit machte 3), sondern er ging sogar soweit,
im Einverständnis mit Balduin kirchliche Güter in der Gegend
von Arras anzugreifen.^) Es ist einleuchtend, dass der Bischof
sich danach sehnte, den gefährlichen Abt zu beseitigen. Aber
erst als Balduin mit Heinrich IL Frieden geschlossen hatte
und von Reichswegen mit Valenciennes belehnt worden war,
wurde Fulrad die Stütze des Grafen von Flandern entzogen^),
der, jetzt auch mit Bischof Erluin ausgesöhnt, seine Hand zur
Entfernung Fnlrads reichte. Dieser wurde festgenommen und
ein gewisser Heribert Abi Da dessen Kräfte jedoch nicht
ausreichten , um die zerrütteten Verhältnisse von St. Vaast zu
reformieren, wandte sich Balduin der Bärtige an den Abt von
St Vannes.
Im Jahre 1008 begann Richards Wirksamkeit Es machte
Schwierigkeiten, den klösterlichen Dienstmannen, die während
^) Vgl. den Brief Fulrads an Dunstan vom Sommer 988 bei Stubbs,
Memorials of Saint-Dunstan p. 383.
*) Gesta ep. Camerac. I, c. 107.
^) Hugo Flav. II, c. 1 1 . Mir scheint, dass sowohl Ladewig, Poppe
S. 31, als Cauchie, La quereile des investitures I (Louvain 1890), p. XLI
bei der Beurteilung Fulrads zu sehr den gehässigen Darstellungen der
Gesta episc. Camerac. und Hugos gefolgt sind,
0 Gesta episc. Camerac. I, c. 116,
p) Vgl. Richard S, I.U.
137
jener nnrahigen Jahre Abteibesitz zu Lehen empfangen hatten,
die Beute zu entreissen und die für das mhige Gedeihen des
Stiftes notwendige materielle Grundlage zu schaffen.^) Ver-
dnner Mönehe kamen naeh St Vaast, aber die alten Brüder
wehrten sieh nach Kräften gegen die Massregeln des fremden
Reformators und schreckten selbst vor einem Mordversuch
nicht zurtlck.2) Nicht nur der neue, ungewohnte Zwang, son-
dern überhaupt der principielle Widerwille gegen den ihnen
aufgezwungenen Abt reizte sie zu ftusserstem Widerstände.
In den nächsten Jahren war Richard abwechselnd in dem
Verduner Kloster und in St. Vaast thätig.') Nach St. Vannes
hatte er Leduin, jenen Mönch, der den Mordstahl gegen ihn
gezückt, mitgenommen, um ihn zu bessern und der bisherigen
Umgebung zu entziehen. Die schwerste Arbeit war aber sicher
gethan, als Richard der Abtei einen eigenen Propst in Poppe
vorsetzte.^) Nicht lange indes behauptete sich dieser in seiner
Stellung, in der er, von den Mönchen freudig empfangen, sich
der Wiedergewinnung des klösterlichen Besitzstandes widmete;
denn aus der fruchtbarsten Thätigkeit sandte ihn Abt Richard,
um seine Demut zu erproben — vermutlich traute er ihm ehr*
geizige Absichten zu — , nach dem weniger bedeutenden Vas-
loges^), während der treue, durch Demut und Unterwürfigkeit
ausgezeichnete Graf Friedrich, der bereits mit Richard nach
Si Vaast gekommen war, seine Stellung einnahm.^) Die nomi-
nelle Leitung behielt aber der Abt von St Vannes, ftlr den
auch Papst Benedict VUI. am 27. November 1021 urkundete.'')
Wenige Monate später, am 6. Januar 1022 % schloss Friedrich
0 V. Popp, eil; Gesta episc. Camerac. I, c. 116; vgl Richard S. 17;
Ladewig^S. 31 ; Cauchie p. XLI.
«) Hugo Flav. n, 0.11.
^ Vgl. Richard S. 18.
0 Ladewig S. 88.
») V. Popp. c. 13.
•) V. Rieh. c. 10; V. Popp. c. 11. Dass Friedrich schon vor Poppo
einmal Propst oder Prior von St. Vaast war, wie Ladewig S. 31. 33 annimmt,
ist wenig wahrscheinlich, da keine unserer Quellen derartiges erwähnt.
"*) J.-L. nr. 4038; vgl. Richard S. 19, n. 8, wo ich ausgeführt habe, dass
wahrscheinlich auf diese Urkunde von MXXI die Nachricht des Hugo von
Flavigny von Richards römischer Reise im Jahre MXI zurückgeht.
«) Necrol. S.Vit., N. Arch. XV, 127 und Mabillon, Ann. Ben. IV, 252.
138
als Prior von St Vaast sein wecbselreiches Leben zum tiefsten
Schmerze des alten Freundes. Es war wohl bald nach dem
Ableben des Grafen, als Richard die selbständige Leitung der
Abtei seinem Schüler Lednin tiberliess.
. Ein ganzes Jahrzehnt war vergangen, seit anf dem Bischof-
stahle von Cambrai ein folgenreicher Wechsel eintrat Nach
dem Tode Erluins war ein Mitglied der königlichen Hofcapelle,
Gerhard, ein Schnlgenosse Richards von St Vannes, wie die-
ser einst Reimser Cleriker, Bischof von Cambrai geworden.^)
Aach nach ihrer Trennung von Reims standen sieh beide nahe,
und wenn Richard nicht an der Ernennung Gerhards beteiligt
war, so gehorchte er sicher mit Freuden dem Befehle des
Königs, in Gemeinschaft mit Abt Berthold von luden und Graf
Hermann von Enham den alten Vertrauten nach seinem Bischof-
sitze zu führen, wo man unter den Gewaltthätigkeiten des
Gastellans Walter von Cambrai der Ankunft des neuen Bischofs
mit Ungeduld entgegensah.^)
Richard hatte allen Grund, Gerhards Erhebung lebhaft za
begrttssen; hatte doch das engere Verhältnis, das sich zwischen
beiden herausgebildet hatte, schon vorher Folgen im Sinne
der von Richard geförderten Mönchsreform gezeitigt Gerhards
Vater, Arnulf von Florennes, ein Sohn Gotfrieds und der Al-
paidis^), hatte, im Besitze von Reliquien des hl. Gengulfus, den
Sein Epitaph bei Mabillon, Vet. Anal. p. 877; HF X, 327. Ueber sein Todes-
jahr B. Bresslau, Jahrb. Heinr. 11. III, 243.
1) Vgl. Gesta episc. Camerao. I, c. 121. 122; III, c. 1; Mir. S. Gengnlfi
c 6, SS. XV, 792.
') Vgl. Ges^ episc. Gamerac. III, o. 1 ; Richard S. 21.
») Mir. S. Gengulfi c.3, SS. XV, 791. Vgl. die undatierte ürk. bei
Duvivier, Recherches aar le Hainant ancien 11,879: S, Älpaidis eituque
ßii Amulphi ,,, S. Wiricif frattis Amulphi, Ueber ihre Datierung s.
Richard S. 22, n. 3 und Lahaye, Etudes sur Tabbaye de Waulsort, Liege
1890, p. 28. Sehr interessant ist folgende Urk. v. 1015 bei Deviliers, De>
Bcription anal, de cart. et chart. du Hainant III, p. 258: Arnulphus,
frater domini Gerardi venerdbüis CameracenaU episcopi, parvo tempore
ante mortem stuim pergens Brnnam ttsque Franciam duxit aecuni quam
noviter acceperat Heluidem uxorem suam; sed priuaquam exiret de Lo-
tharietm provintia, antequam intraret sylvam qwie didtwr Theoretia, hae-
reditatem suam sub potestate fratris sui domni Gerardi in traditorum
manus misit . . ., quapropterea in beüo citiwf occiso et eius post quinque
139
Bau eines ^losten begonnen, dessen VoUendang bei seinem
Tode den Söhnen Gotfried und Gerhard znfiel. Als jedoch
letzterer, der zur Zeit als Chorherr in Reims lebte, von seinem
Freunde Richard Reliquien Johannes' des Täufers erhielt, eilte
er hocherfreut nach Florennes, um dort über ihnen eine Kirche
und in Verbindung damit ein Kloster zu stiften. Dank der
Unterstützung seines Bruders Gotfried konnte Gerhard schon
zu Weihnachten desselben Jahres, da man den Bau begonnen,
die Kirche weihen und Weltgeistliche ansiedeln.^) Aber schon
im Jahre 1010 oder 1011 wurden diese durch Mönche ersetzt,
die der Abt von St Vannes unter der Leitung eines gewissen
Wendrieus ansiedelte.^) Die neue Abtei, die im Ltttticher
Sprengel lag, ging im Jahre 1015 an den Bischof von Lttttich
ttber infolge eines Krieges zwischen Lambert von Löwen und
Gotfried von Lothringen, zu dessen Anhängern das Haus des
Bischofs von Cambrai gehörte.*) Noch war sie damals nicht
vollendet; erst im Jahte 1026 erfolgte die Weihe durch Bischof
Raginar von Lttttich.^) Noch eine andere Klosterstiftung der-
selben Familie wurde dem Einflüsse Richards unterworfen:
Haumont, eine alte, aber von Chorherren bewohnte Abtei im
Sprengel Cambrai. Sie befand sich im Lehensbesitz Gotfrieds
von Florennes, mit dessen Unterstützung sein Bruder Gerhard
dies WDore deftmcfüf pro animabw utrcrumque in ecclesia sancti lohannis
aepttUuram tradiderunt predictu8 episeopua Qerardus et frater eins
Godefridus eidem eccksiae haec suprascripta ... alodivm Qyvereum
cum partCf quam habebat soror eorwn Alpaidtis ..,, q%u>d Qyvereum
postea concambivit abbaa Wendrieus cwn abbate de AUo Monte Fulquino
. . . per manue amborum utrobique advocatorum^ Bagineri acilicet comitia
et Godefiridi et hoc per presentiam et manue Henrici imperatoria. Danach
stellt sich der Stammbaam dieses Hauses folgendermassen:
Alpaidis Gotefiridus
Widericus Amolfus
Gotefridns Gerardus Alpaidis Amulfus Helvidis.
Godefridua de Florines begegnet als Zeuge in einer Urk. Balderichs von
Lfittich von 1015, Duvivier II, 373.
0 Vgl. Richard S. 23 und 24.
') So wird er in der Urk. v. 1015 bei Devillers a. a.O. genannt. Aegi-
dius AureavaU., SS. XXIV, 68 nennt ihn Benedict
9) Richard S. 25. Offenbar in diesem Kampfe fiel Gerhards Bruder
Arnulf; vgl. die Urk. bei Devillers a. a. 0.
*) Vgl. Richard S. 25, n. 1.
140
Mönche ans Riobards Schule hineinlegte. Sie erhielt in Fnlcnin
einen tttchtigen Leiter.^)
Wie auf den Besitzungen geineg Hanses, so sorgte der
Bischof im Bereiche seiner Diöcese fttr Belebung der mönchi-
schen Institute. Die Abtei St Autbert in Cambrai hatte bereits
Bischof Erluin begonnen wiederherzustellen, aber erst Gerhard
konnte am 1. October 1015 die Weihe vornehmen.') Auch das
dortige Marienkloster erhob sich wieder seit dem Jahre 1023
aus tiefem Verfall unter Gerhard, der in Gemeinschaft mit dem
Verduner Abte am Tage der Weihe, am 18. October 1030, den
von Erluin wieder aufgefundenen Schutzheiligen Gaugericus')
in einem feierlichen Act auf den Bischofstuhl setzte.^) Somit
zeigen sich wenigstens Spuren einer Einwirkung Richards in
der Bischofstadt selbst. Die grösste Ausdehnung erreichte je-
doch die Schule von St Vannes erst in diesen Gegenden, als
Richard im Jahre 1022 oder 1023 die selbständige Leitung von
St Vaast seinem Schüler Leduin anvertraut hatte.
Leduin von St-Vaast
Wir wissen von Leduins Lebensgang nicht viel; er war
erst Laie, nach Hugo von Flavigny von vornehmer Abkunft
und mit der Bildung der Zeit vertraut^) Ursprünglich ein
Gegner der Reform, teilte er, einmal ftlr sie eingenommen, den
weltflttchtigen Sinn, die treue Gottesknechtschaft und die Milde
des Herzens der Gesinnungsgenossen.*) Bereits am 1. Mai
^) Gesta episc. Camenc II, c.85; in, c.6; Chron. S. Andr. I, c. 10;
Gaacbie p. XLII.
«) Fulberti V. Autberti, N. Arch. XV, 472.
«) V. Autb. a. a. 0.
0 Richard S. 27. 28.
») Hugo Flav. n, SS.Vni,S79: quia erat nobilibus ortus natalibus
et lUteris adprime erudUu8, Nach dem sehr späten (saec. XYIII) Necrol.
S.Vedasti ed. v. Drival, Arras 1878, p. 10: ex tractu Berclav. Dass er
Laie war V. Poppon. c. 11 ; Gesta episc. Camerac. HI, c. 59; vgl. III, c. 16.
*) Hago Flav. a.a.O. sagt: ita aiH ßiorum animos obligaveratj tU
immemor iniuriaef memor gratiae diceretiAr; Gesta episo. Camerac. III, c. 59:
per indoctam Dei sapientiam, stidtam ostendit grammaUcorum infUUam
doctrinanif dwm quid^id saecuU fuit cavity et quae Dei sunt fidelis Ope-
rator adimplevit
141
1023 ^) finden wir ihn als Abt von St. Vaast mit dem Grafen
von Flandern und Bisehof Gerhard in Compiögne, wo er mit
dem Bischöfe von Beauvais einen Verbrttdemngsvertrag ab-
sehloss.') Im Frtihling des nächsten Jahres zog Ledain sogar
nach Rom, wo Papst Benedict VIIL auf seine Bitten am
16. März die Erwerbungen der Abtei durch eine Urkande be-
stätigte.^) Ledain hat fttr sein Kloster manches Gate gestiftet;
im Jahre 1031 stellte er es von Grand aas her. Bei der Weihe
der Kirche, die Gerhard von Cambrai vornahm, erschienen Abt
and Mönche nach der Predigt des Bischofs and liessen sich
von diesem die Privilegien des Ortes bestätigen: wenn es er-
forderlich sei, dass der Bischof erseheine, so möge er auf die
Einladung des Abtes kommen.^) Dank der günstigen geo-
graphischen Lage entwickelte sich St Vaast unter Leduin zu
einem bedeutenden Handelsplatz, an dem Kaufleute verschie-
dener Länder zusammenkamen, deren Zölle und Marktgelder
der reichen Abtei zuflössen.^) Wann Leduin starb, ist unge-
wiss; seinen Nachfolger Johannes haben die Mönche unter
dem Einfluss Gerhards und Balduins gewählt.*)
>) Hogo Flav. II, 17 irrt sich »Iso in der Zahl, wenn er sagt: Eodem
anno, qui erat ab ine. dorn. 1024, iu89u et obedientia patria Bichardi Le-
duinus . . . praelatus est abbatiae aancti Vedasti. In eil: qui postmodum
iu88u et obedientia praedicti patria sub eo aancti Vedcuti annia mxdtia
rexit aeckaiam ist aub eo falsch. Gesta episc. Camerac. III, c. 16.
*) Miraeos, Opera diplom. 1, 149.
>) Bulle Benedicts Vm. für Leduin am 16. Mars gesehrieben, 22. da-
tiert bei Gnimann, Gartulaire de St. Vaast p.59: noverint omnea filii eccle-
aiae adisae noatram aedem venerabilem ahbatem . . . Leduinum .,, et hvmi-
liter petiiaae etc. J.-L. nr. 4056.
0 Gesta episc. Camerac. III, 50: A fundamento monaaterium reatau-
ravit et omnibua utilitatibiia ampliavit. Urkande Gerhards vom 18. März
1031 bei Guimann p.61 ff.: novum opua ecclesie aancti Vedaati, quod a Le-
dmno abbate venerabili conatructum est
*) Vgl. die Urk. Leduins von 1036 bei Duchesne, Bist de la maison
de B^thune, Paris 1639, pr. 4. Aus demselben Document ersehen wir die
Verteilung der Klosterämter zu Leduins Zeit Es war Decan: Albericus,
Propst: Hugo, Capellan: Adulfus, Cantor: Ricuinns, Scholasticus: Rober-
tus, Schatzmeister: Guido und Gunfridus.
') Gesta episc. Camerac. III, c. 59. Leduins Todestag ist IV. Non. lan.
nach dem NecroL S. Qermani de Pratis bei BouiUart, Eist de l'abbaye de
St. Germain p.CVUI; Necrol. S. Maximini bei Hontheim, Prodromus II, 966;
142
Bald naeh der Uebernahme von St. Vaast trat Leduin in
Gemeinsehaft mit dem Bisehofe als Reformator und Gründer
einiger Klöster im Sprengel Cambrai aaf. So erriehtete er ein
Kloster in Billi-Berelan, einem der Abtei St. Vaast gehörigen
Dorfe, das, in frachtbarem Sampfland gelegen, bei einer Be-
siedelnng die Möglichkeit gewährte, einige Mönche unterzu-
bringen und die benachbarten Güter zu schützen.^)
Bei den andern Abteien, in denen Lednin beschäftigt
war, handelte es sich um Reformen. In Marchiennes, der be-
deutendsten Frauenabtei im Gebiet Baldains des Bärtigen,
führten die Nonnen ein ausschweifendes Leben und waren
auf dem besten Wege, die materiellen Mittel, die zu ihrer
Unterhaltung dienten, zu vergeuden.^) In dem benachbarten
Franenkloster Hamage lebten noch späterhin nur einige we-
nige Canonici'^); ebenso hatten sich in Denain, das auch für
Nonnen bestimmt war, Cleriker eingenistet. Während hier
bald wieder reguläre Schwestern einzogen und Leduin in Ge-
meinschaft mit Bischof Gerhard eine Aebtissin einsetzte 4),
mussten die Nonnen von Marchiennes den von Leduin einge-
führten Mönchen weichen: es war im Jahre 1024^), als Graf
Baldnin und Gerhard die Reform durch Leduin bewirkten.<^)
Nocrol. S. Vit, N. Arch. XV, 127. Necrol. S. Ved. p. 10 hat CredUur obitiis
2. lanuarii,
■) Gesta episc. Camerac. II, c. 20.
>) Mirac. S. Rictrud. III, § 15, A. SS. Mai III, 93: Et quoniam vitam
feminarum dissolutam exoaam habebat, svbatantiamf qua Deo servientes
sustentari debuerant, eas totam disaiparef lU coeperant, non smtinuit.
Der Graf wandte sich an Leduin und sagte: Vides, inquit, venerande pater,
Flandriarum monasteria Normannica incursione destructa et quod aetas
nostra inops ait virorunif qui ad ea instauranda aliqfMm impendant aoüi-
citudinem etc.
^) Gesta episc. Camerac. II, c. 27.
*) Gesta episc Camerac. II, c. 28.
^) Ann. Marchian. 1024, wo es heisst: Hoc anno üe . . . abbaa S. Ve-
dasti abbatiam sandae Rictrudis Marchianensis. Natürlich ist die Lttcke
durch Leduinua zu ergänzen. In der Andr. March. bist. reg. Franc, SS.
XXVI, 207 wird die Zeit bestimmt durch Anno XXVIII. Boberti regia,
d.i. 1024; vgl. das von mir excerpierte Chron. Marcianense c. 18 und 20,
N. Arch. XV, 457. 460.
') Qesta episc. Camerac. II, c.26: Oerardo epiacopo et nutrchume Bai-
duino aatagentibtia; Mirac. S. Rictr. a.a.O.; Andreas March. a. a. 0.: de
143
Baldnin V. erkannte 1038 an, dass das Kloster seit seiner
OrOndnng von den Abgaben für die Schirmvogtei befreit sei.^)
Neun Jahre leitete Lednin Marehiennes. Im Jahre 1033 über*
nahm einer seiner Schüler den Stab von Marehiennes, Albe-
rieh>), fbr den Baldnin im Jahre 1046 anf einer grossen Ver-
sammlung arkandete.^) Wie überall, erhob sieh anch hier eine
neue Kirche, die 1029 darch Gerhard von Cambrai die Weihe
empfing.^) Im Jahre 1035 hören wir aber wieder von ihrem
Brande.^)
In dasselbe Jahr, wie die Einführung der Brttder iü Mar-
ehiennes, fällt die Uebernahme von Haspres durch Leduin. Das
Kloster stand unter dem Abte Theoderieh von Jumiäges, dem
Schüler Wilhelms von Dijon. Die grosse Entfernung Haspres
von Jumiöges hatte eine sorgfältige Beaufsichtigung der Kloster-
brüder durch ihren Abt erschwert, und so war die Zucht ver-
fallen: vergeblich hatte Gerhard Abt Theoderich zur Reform
aufgefordert. Als nun Ende 1023 Bischof Gerhard mit Leduin
auf einer Reise vorttberkam und das schamlose Treiben der
Mönche beobachtete, forderte er entrüstet den Abt von St. Vaast
auf, das Kloster gegen Güter seines Klosters von Theoderich
einzutauschen und dann religiöses Leben und strenge Zucht
wiederherzustellen. Nun wurde hin und her verhandelt. End-
lich kam es am 13. Januar 1024 zum Abschluss des Geschäftes
in Ronen am Hofe Richards II, wohin sich Leduin begeben
abbaiia 8. Bictrudia Marchianemü exptUsae sunt aanctimonidles quam per
trecentoa et triginta annoa possederanty et recolati sunt ibi monachi per
lAduinum abbatem 8, Vedasti et Balduinum camitem FUmdriarum; Epist.
Wüh. Andr. SS. XXIV, 690: procurantibus B, camite Flandrorum et L.
abbate S, Vedastif quod monasterio Marchianensi expulsia monialibus, in
quo trecentia et amplius annis resederant. . . .
0 Gu^rard, Polyptique dlrminon II, app. p. 356, nr. XXI; Wanters
I, p. 479.
>) Mir. S. Rictr. III, § 16; Ann. March. 103S. Seltsamerweise wird
Alberich hier als dritter Abt bezeichnet, ohne dass ein zweiter genannt
würde. Aus den Mir. S. Rictr. geht aber hervor, dass er unmittelbar auf
Lednin folgte. Es gab dann einen (Decan Alberieh von St Vaast, der
sich 1036 noch in St. Vaast befindet. Vgl. die Urkunde bei Duchesne,
Hist de la maison de B^thune pr.4.
') Gart, de Marchienne, Bibl. nat. 1. nr. 1204, p. 145.
^) Ann. March. 1029.
^) Ann. March. 1085; vgl. Mir. S. Rictr. III, § 19, a.a.O. p.94.
144
hatte. Der Herzog Belbst and seine Söhne Richard nnd Ro-
bert, Bischof Warin von Beanvais, wie der Erzbisehof Robert
von Ronen unterzeichneten die Urkunde, in der Leduin gegen
Abtretung der oben erwähnten Celle Anglicourt die Herrsehaft
über die Abtei Haspres zugesprochen wurdet; am 22. März be-
stätigte Papst Benedict VIIL den Tausch.^) Und nun ging er
an die Reform. Leduin entfaltete eine reiche Thätigkeit, indem
er namentlich die Baulichkeiten des Klosters erweiterte.
Eilbert von St-Thierri.
Neben Richard von St. Vannes und Leduin von St. Vaast
bediente der reformeifrige Bischof sich der Hilfe seines Bru-
ders Eilbert zur Vollendung seiner Zwecke. St. Andreas und
Maroilles sind die beiden Abteien, die mit seinem Namen eng
verknttpft sind. Was die letztere betrifft, so war sie durch
einen gewissen Humbert auf eigenem Grund und Boden zn
Ehren der Jungfrau Maria gegründet*"^), dann am 8. September
921 von Karl dem Einfältigen an den Bischof Stephan von
Cambrai verliehen worden.^) Auch sie war dann in die Hände
von Clerikern gekommen und in Zucht und Wohlstand ver-
fallen.^) Als Gerhard auch hier an die Ausweisung der ver-
weltlichten Chorherren ging, berief er seinen Bruder Eilbert
zur Einrichtung und Leitung der jetzt eingeführten Mönche.
Eilbert war zuerst Laie, dann Mönch von St Thierri bei Reims
^) Gesta episc. Camerac. II, c. 29. Das Diplom bei Miraeus , Opera
diplom. I, 365; bei Wauters I, 485 flUschlich 1044 datiert Vgl. M. G. SS.
VU, 462, nr. 25. Nach der Bistumschronik wären nach dem Tansch König
Robert, Balduin von Flandern und Richard von der Normandie zogegen
gewesen. Nach dem Papstprivileg' (Guimann, Gart de St Vaast p. 59;
J.-L. nr. 4056) geschah der Tausch: cum consensu eomitis Iformannorum
Richardi et archiepiscopi Bothomagensia Botbertif necnon et marehionU
Flandrorum Balduini, Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Chronist
Robert, den Sohn Richards II, der sich auf dem Diplom findet, mit dem
Künige verwechselte.
>) J.-L. nr.4056: 1022—1024 datiert, nach Obigem auf 1024 zu be-
stimmen.
') Gesta episc. Gamerac. II, c. 32.
*} Gesta episc. Gamerac. I, c. 68.
*) Ghron. S. Andr. I, c. 10; Brasseur, Origines etc. p. 28ff. Nach ihm
erfolgte die Reform 1020.
145
gewesen und hatte es bis zum Pförtner gebracht za der Zeit,
als der Jange Poppo in jenem Kloster weltmOde anpochte.^)
Da St Thierri bereits reformiert war, so sehen wir hier die
elnniaeensische Strömung wieder von einer andern Seite in
Niederlothringen einwirken.
Derselbe Eilbert ward dnrch seinen Brnder auch Abt von
St.-Andrö du Cateau. Auf dem AUod eines Eriegsmannes
Heriward erbaute Gerhard ein Bethaus des hl. Andreas, neben
dem er vierundzwanzig reguläre Mönche unter Eilberts Leitung
ansiedelte.^) Der Bischof wusste den Kaiser ftir die neue
Stiftung zu gewinnen, denn als er sich 1023 in desselben Um-
gebung befand — er war in diesem Jahre in einer kaiserlichen
Mission in Frankreich — , gewährte Heinrich IL reiche Ge-
schenke 3); Gerhard selbst liess es an Gttterverleihungen nicht
fehlen und bestätigte, nachdem am 22. September 1025 die
Weihe erfolgt war^), in einer Urkunde alle Schenkungen, die
fbr St Andreas gemacht worden waren.^) Es war wohl wäh-
rend seines Aufenthalts in Lothringen im Jahre 1033, als Kaiser
Konrad in einem Diplom die Gründung von St. Andreas und
die Reform von Maroilles bestätigtet^); er ernannte damals
Eilbert und seine Nachfolger für immer zu speciellen kaiser-
lichen Capellänen.'')
Eilbert starb am 11. Mai 1047. Sein Nachfolger, wohl in
beiden Klöstern, war Waldrich, der zuerst Cleriker, dann Mönch
') Vita S. Popp. c. 7: qui domni Gerardi Cameraceimuin episcopi
came et apiritu germanua extiiit . . . Coepit (sc. Poppo) interim a prae-
dicto Eilberto Marriliacensium postea abbate litteris strenue entdiri; c. 8:
Eilberto iunc temporia monasterii potiario . . .
') Ghron. S. Andr. I, c. 18: viginti quattuor monachos ibidem sub
Sacra rdigione et regviari norma servitwros delegavit fratremque suwn
domnum Eilbertutn vitae venerabilis vimm abbatem eis praefecit.
8) Chron. S. Andr. I, c. 17.
*) Chron. S. Andr. I, c. 19. 20.
<^) Urk. Gerards von 1026 bei Carpentier, Hist de Cambray 11, 491.
') Chron. S. Andr. U, c. 8 lässt den Kaiser 1086 auf dem Consii zu
Tribiir ein Diplom ausstellen; die vorhandene Urkunde ist von 1033, bei
Carpentier a. a. 0. IV, 6; Wauters I, 472; Stumpf 2050; vgl. Bresslau, Kon-
rad II. II, S9, n. 3; in der Cbpie, Coli. Moreau XXII, fol. 28 datiert: ind. IL
anno dorn. ine. MXXXIII, a. domni Conradi regia XI, imperii vero Y^,
0 Chron. 8. Andr. II, c. 3.
Sftokur, CluniaoenMr. II. 10
146
in Florennes gewesen war; eine Anzahl gottergebener, frommer
Brüder werden genannt >)
So hatten Riehard von St Vannes, sein Sehttler Ledain
von St Vaast und Gerhards Bruder Eilbert von St-Thierri etwa
innerhalb zwanzig Jahren unter der regen Beteiligung des
Bisehofs von Gambrai den klösterliehen und kirehlichen Ver-
hältnissen dieses Sprengeis ein neues Ansehen gegeben. Mit
Überraschender Schnelligkeit waren hier die Weltgeistiichen
oder irreguläre Klosterfrauen den Reformmönchen der Ver-
duner oder Reimser Schule gewichen. Welche Folgen roussten
sich für die allgemeine Hebung kirchlichen Geistes in diesen
Landesteilen ergeben I
Flandern.
Auch in Flandern war die Blüte der Reform des zehnten
Jahrhunderts abgewelkt Je mehr die Schule Clnnis in syste-
matischer Weise ein dichtes Netz über die westfränkisehen
Diöcesen ausbreitete, je mehr diese Richtung zu centralisieren-
den Tendenzen führte, desto schärfer musste der Gegensatz
zwischen der einst lediglich auf der Persönlichkeit Gerhards
von Brogne beruhenden, allmählich absterbenden Reformbewe-
gung und der stra£fer organisierten, agitatorisch auftretenden
cluniacensischen Richtung hervortreten. Auch fanden die Mönche
später nicht mehr den Rückhalt an dem Grafenhause, den
Gerhard einst an Arnulf dem Grossen gehabt hatte. Händel
und Kriege, politische Schwierigkeiten lenkten das Interesse
der Fürsten auf andere Dinge, persönliche Abneigung spielte
sicher keine minder wichtige Rolle. Die unerquicklichen
Streitigkeiten zwischen Flandern und den Bischöfen von Cam- «•
brai hatten, wie wir sahen, die Misstände in St Vaast ge-
fördert und die Reform verzögert. Aber auch nachher stand
Balduin IV. den Reformeiferern, wenn nicht feindselig, so
doch so kühl gegenüber, dass man in ihren Kreisen auf den
Grafen übel zu sprechen war. Im Jahre 1011 war man
überzeugt, dass er für seine Uebelthaten die Strafen der Hölle
leiden werde; man hielt sogar eine Warnung für aussichtslos,
>) Ghron. S. Andr. II, c. 9. 11.
147
da er nichts glaube, man sah in seinem Reichtum nur Schätze
des Teufels.^
Aber nur zwei Jahre später, im Jahre 1013, berief Balduin
doch Kichard von St. Vannes nach St. Amand, wo Abt Ratbod
eben gestorben war.^) Gab auch Richard diese Abtei nach
filnf Jahren wieder ab, so übernahmen doch mehrere seiner
Schüler die Fortpflanzung der cluniacensischen Normen in die-
sen Gebieten, deren Graf sich auch mehr und mehr den mön-
chischen Tendenzen anschloss. In St. Amand ergriff Malbod
den Abtstab *), den der Abt von St. Vannes niedergelegt hatte.
Auch St Peter auf dem blandinischen Berge bei Gent, dessen
Leitung Richard 1029*) übernahm, gab er nach etwa drei
Jahren») ab. Ihm folgte erst Rotbold«), dann 1034 ') der frü-
here Propst Wichard von Mont-Blandain, unter dem sowohl
Konrad 11.^), als Heinrich I.^) von Frankreich die in ihren
Reichen gelegenen Güter des Klosters bestätigten, während
Balduin V. von Flandern^®) umfassendere Restitutionen von
Klosterbesitz vornahm.
Die ausgedehnteste Reformthätigkeit entwickelte aber Le-
dnin von St. Vaast in diesen Gegenden, vor allem zu St. Bavo
in Gent Hatten die Ottonen auch im zehnten Jahrhundert
eine grössere Zahl von Gütern, die der Abtei einst gehörten.
0 Hugo Flavin. II, c. 1 1 ; Richard von St. Vannes S. 28.
>) Ann. Einen, mai. 1013', Catal. abb.*S. Amandi, SS. XIII, 887 zu 1013.
*) Ann. Elnon. mai. 1018; Catal. S. Amandi a.a.O. Nach 1055 kam
or nach Hasnon; vgl. Tomelli Eist. Hasnon. c. 5— 18, SS. XIV, 152 ff. und
De Ute Elnon. et Hasnon., SS. XIV, 158. Er starb am 9. Mai 1063.
*) Ann. Bland. 1029.
^) Ann. Bland. 1032. Richard erscheint bei v. Lokeren, Chartes et
docum. de St.-Pierre de Gand nr. 111 bei Lebzeiten König Roberts, also
von 1029—1031.
') Er ist in einer zwischen 1031 — 1034 ausgestellten Urk., v. Lokeren
nr. 112, nachweisbar.
') Als praepositus erscheint er v. Lokeren nr. 103 (1031—1034). Als
Abt in Urk. aus derselben Zeit, v. Lokeren nr. 104—110. 1037 wird sein
drittes (nr. 118), 1040 sein fünftes (nr. 123»), 1041 und 1042 sein achtes
Jabr(nr. 123»>. I23c), 1046 sein zwölftes Jahr (nr. 125) gerechnet, v. Lokeren
wirft Richard und Wichard permanent durcheinander.
«) Wauters I, p. 475; St. nr. 2077 a.
») Wauters I, p. 479.
*") Wauters I, p. 477. Drei Urk. v. 6. Januar, 5. Juli und 24. Juli 1037.
10*
148
zarttckerstattet ^), hatte anch Heinrich IL am 3. Februar 1003
nnter Verbriefung der Oblichen Freiheiten die ReBtitntionen
seiner Vorgänger bestätigt^), so konnte sie trotzdem materiell
nicht leicht wieder emporkommen. In einem Briefe an die
Gräfin Odgiva, Balduins IV. Gemahlin, in welchem Abt Othel-
bold zuerst auf ihre Bitten ein Verzeichnis der in St Bavo
befindlichen Heiligenreliquien aufstellt, will er der Fürstin zu
hören geben, wie bedeutend St Bavo einst gewesen und bis
zu welcher Armut es herabgesunken sei; er zählt die Be-
sitzungen des Klosters auf, die Arnulf von Flandern unter
seine Vasallen verteilt habe, merkt an, was später zurück-
erworben wurde, auch die Schenkungen Balduins des Bärtigen
aus seinen eignen Mitteln, und schliesst: „Indem wir dies
alles mit unseren Steuereinnehmern aufs sorgfältigste aus-
massen, können wir kaum zweihundert Hufen ftir den Unter-
halt der Brüder herausrechnen. Da haben wir auch, unsere
gnädigste Herrin, alles dargelegt, was wir früher besassen,
was später und was jetzt^ ^) In solcher Lage war das Kloster
St. Bavo, als es Leduin — es ist nicht ganz sicher, ob im
Jahre 1024 oder zehn Jahre später^) — unter seine Aufsicht
^) S. Bd. I, S. 188.
*) Urk. Heinrichs IL bei Bergb, Oorkondenbuek van Holland en Zee-
land I, nr. 75, p. 46; St. 1343. Ganz ähnlich ist wieder der entsprechende
Passus in der Urk. Heinrichs III. ▼. 28. Mai 1040, Bergh I, nr. 81, p. 50.
^ Epistola Othelbodi abbatis ad Otgivam Flandr. comitis. bei Miraeus,
Op. dipl. I, 849 ca. 1030 gesetzt; Wauters I, 470 datiert 1019—1030. Wenn
Leduin 1024 Abt wurde, ca. 1020 zu setzen. Ueber den Brief vgl. Warn-
künig, Flandr. Staats- und Rechtsgesch. I, 425, der für die Echtheit auf
Grund des im Archiv von Ostflandern befindlichen Originals gegen Diericx,
Memoires sur la ville de Gand I, p. 348 eintritt: Sed et comites provincia-
mm et episcopi singuli eorum optinuerunt partes suas, unusquisqiie in
locis suis, usque ad tempora piae memoriae predecessoris nostri, domini
videlicet abbatis Odwini, gin adiens piissimum imperatorem Ottoneni quas-
dam imperio suo contigtuis villas impetravit, quibusdam, lU erant ibi initiste
direptaCf morte ipsius interveniente remanentibus. Was durch Otto IL an
Odwin kam, war im Gau von Toumai: Waterlos, und in der Grafschaft
Antwerpen: Bouchout.
*) Smet, Recueil I, 446 liest in den nur in einer Handschrift aus dem
vierzehnten Jahrhundert vorhandenen Ann. S. Bav. 1034; in den M. G. SS.
II, 189 steht 1024. Doch schon der Verfasser des im fünfzehnten Jahr-
hundert aus den Annalen und andern Quellen compilierten Chron. S. Bav.
149
bekam, am es 1036 abzugeben; ttber seine Thätigkeit inner-
halb dieser Zeit sind wir nieht unterrichtet, ebenso wenig
über die seines Nachfolgers Ramold von Bergh, der 1088 ab-
gesetzt wurde. Sicher ist, dass man ftlr Ramold kein Anni-
versarium hielt und dass man später seine Begräbnisstätte
nicht kannte, was allerdings nichts ungewöhnliches warJ)
Seit Jahren hatte man sich in St Yaast ttber das regel-
widrige Treiben der Mönche von St. Bertin entrüstet^), als
Balduin der Bärtige von Flandern nach dem im Jahre 1021
eingetretenen Tode des Abtes Heimfried einen Mönch von
St. Yaast, Roderich, nach St. Bertin berief. Er hatte nun frei-
lieh mit dem Widerstände der hartnäckigen Brüder zu kämpfen:
aber wie er selbst allen mit vortrefflichem Beispiel voranging,
wie der Himmel ein schweres Strafgericht über die Ungetreuen
verbängte, siegte endlich die Reform.») Es war ein schwerer
Schlag, als im Jahre 1033 eine grosse Feaersbrnnst den gross-
ten Teil des Klosters fortrafipfce ^), aber sie hat sicher zum Er-
folge der reformatorischen Bestrebungen Roderichs beigetragen.^)
Wie in den übrigen flandrischen Klöstern war mit der religiösen
bei Smet I, 548 las 1034, so dass man vielleicht an dieser Zahl festhalten
muss. Femer aber ist Leduin 1024 in Ronen, in Rom, sodann in Haspres
und Marchiennes beschäftigt, so dass man zweifeln darf, ob er noch
St. Bavo im selben Jahre übernahm. In der Chronik des Joh. v. Thil-
rode wird zunächst Leduin gar nicht erwähnt; bei ihm herrscht Con-
fusion. Er benutzt SS. XXV, 568 die Urkunde Heinrichs IL an Erembold
und die Heinrichs IE. von 1040 für Rumold, so dass man anch hieraus
sieht, dass es keine andern gegeben hat. In der Abtreihe p. 570 steht
Lidwinus richtig zwischen Othelbold und Rumold.
*) Chron. S. Bav. 1038: causa forte est propter destructioneni niona-
steril vel propter nova aedifida sive, quia in regimine abhatiae non obie-
rtmtf sed destituti,
^) Vgl. die Vision des St. Vaaster Mönchs vom Sommer 1012 bei
Hugo Flav. n, c. 11.
3) Simonis Gesta abb. S. Bertini I, c. 1 bei Gu^rard, Cartul. de St. Bertin.
*) Lambert! S. Audomari Chron. 1038: Templum S. Äudomari concre-
matur; Simon. Gesta abb. 1, c. 2; Chron. Joh. Long. c. 36 irrtümlich: et
haec est qttarta huius hei destructio, qtie accidit in ayino 10. huius domini
Rodend abbatis. Vgl. über den Braod ein lat. Gedicht, das historisch
wichtige Nachrichten nicht enthält, herausgeg. von Dümmler im N. Arch.
II, p. 228.
*) Simon. Gesta I, c. 5 : Sicsic niminim nobis divini terroris virga
iuste attritis et a pcccatorum nostrorwn cenosa infedione penitus defecatis.
150
Umwandlang eine SicheruDg nnd Gonsolidiernng des Besitz-
standes verbunden. Der Abt sachte das Abteignt zu vermehren
und sorgte für die leiblichen Bedürfnisse der Mönche. Indem
er sich von Bischöfen und Fttrsten Bestätigungsurknnden aus-
wirkte, schuf er Ordnung und Sicherheit fttr die Besitzungen
von St. Bertin.^) Der Bisehof Balduin von Thörouanne, der ihn
auch geweiht hatte, urkundete 1026 fttr Roderich.^) So hoffte
dieser die Laien, welche KlostergOter in Händen hatten und her-
auszugeben sich weigerten^), zu bekämpfen. Aus einer eifrigen
Wirksamkeit riss ihn der Tod am 9. Juli 1042.^) Sein Nach-
folger Bovo trat in seine Fusstapfen; das Hauptverdienst des-
selben bestand aber darin, dass er die durch den Brand zer-
störte Kirche von Grund aus wieder aufbaute, ohne sie indes
zur Vollendung zu bringen. 1050 fand man unter dem Haupt-
altar die Gebeine des Klosterheiligen und übertrug sie zwei
Jahre später in die neue Grabstätte. Als nun noch Papst
Victor IL eine Urkunde ausstellte über die kirchliche Freiheit
des Ortes und die freie Abtwahl, konnte man die selbständige
Entwicklung von St Bertin fttr gesichert ansehen. Am 10. De-
eember 1065 beschloss auch Bovo sein Leben.*)
Von St. Bertin ging die Reform eines andern nicht unbe-
deutenden flandrischen Klosters aus. Nicht besser wie ander-
wärts trieben es die Cleriker von Bergh St. Winnoe. Man
erzählte, Graf Balduin IV. habe ihre religiöse Gewissenhaftig-
keit auf die Probe stellen wollen, als er unerkannt in der
Kirche zu bleiben und den Matutinen beizuwohnen wttnschte.
Wie man ihn nun bedeutet habe, dass die Herren Canonici
nicht gewöhnt seien, zu den Frttbübungen sich zu erheben,
habe er den Entschluss, der lange in ihm reifen mochte, ge-
fasst, sie zu vertreiben.«) Ein Jahr war erst Roderich Abt von
' ^) Simon. Gesta I, c. 5.
«) Wauters I, 465; Chron. Job. Longi, SS. XXV, p. 7Sü: Carte aeupri-
vilegia huiits domni abba4:i8 sunt duo,
^) Simon. Gesta I, c. 6.
*) Simon. Gesta I, c. 10. Sein Epitaph bei Drival, Necrologe de
St. Vaast (1S7S) p. 11.
^) Simon. Gesta I, c. 11.
^) Chron. S.Bavon. 1023 bei Smet, Recueil 1,543. Wie weit dieser
etwas legendarischen Erzählung echte Tradition zu Grunde liegen mag,'
ist freilich nicht zu entscheiden.
151
St. Bertiii, als Baldnin ihm nnd seinen Mönchen St. Winnoe
unterwarft) Anch hier wird man an den Ansbaa nnd die
Erweiterang der Kiosterränme gegangen sein. Die Zahl der
Mönche war in erfreulichem Steigen begriffen, als Roderich
1028 bereits einen der Brttder von St Bertin, Germanus, zum
Abt machte; indes schon vorher scheint dieser die Abtei unter
der Aufsicht Boderichs geleitet zu haben.^) Nach vier Jahren
starb Germanus aber und wieder folgte ein Mönch von St. Ber-
tin, Rumold, der wohl mit dem gleichnamigen Abte von St. Bavo
identisch ist') In St Winnoe ward die Tradition der Refor-
matoren weniger gut bewahrt, als in St Bertin; jene Abtei kam
in den siebziger Jahren durch einen adeligen Laien Ingelbert
sehr herunter, hob sich aber wahrscheinlich wieder, als ein in
St Bertin erzogener Mönch Ermes, der sich zur Zeit gerade
in Cluni aufhielt, 1078 den Krummstab ergriff.^)
Wieder ist es, wie einst im zehnten Jahrhundert, der Graf
von Flandern, von dem die Initiative ausgeht, die grossen
Klöster des Landes den neuen Reformbestrebnngen zu unter-
werfen. In Balduins IV. Hand befanden sich diese Abteien
genau so wie früher in der Arnulfs des Alten. Noch weniger
als das erste Mal hatte der Episcopat sich dazwischen zu
schieben vermocht Auch Balduin V. hielt diese Verbindung
aufrecht; wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt finden
wir einmal in der Benedictscapelle auf dem öffentlichen Hofe zu
Arras die Blüte der flandrischen Reformäbte, die von St Vaast,
*) Simon. Gesta I, c. 9 : praeficiena eisdeni venerdbilem Eodericum . . .
suMciens hoc modo tarn dictum coenobiwn Sithiensibtts m^onacis. — Ganz
seltsame Dinge berichtet Chron. Job. Longi c. 36, SS. XXV, p. 780: Nunc
vero huiu8 domini Boderici abbatis anno aecundo Flandriae comes BaU
duinus Barbatvs apud Bergas in arce castellum edificare inceperat, sed
mutato consilio monasterium edificavit in honore S, Winnoci. Bergh ist
ein altes Kloster und nicht erst damals gebaut worden. Lamb. Audom.
Chr. 1028: Canonici a Bergis expulsi sunt ist richtig bis auf die Zahl.
*) Dass Roderich nur sieben Jahre Abt war, melden die Simon. Gesta
I, c. 9 und Joh. Long. c. 86 einstimmig. Indes ist in einer Urkunde Bal-
duins von Th^rouanne bei Gu^rard, Cartul. de St. Bertin p. 176 von 1026
bereits Germanua als Abt von St. Winnoe unterschrieben. Wenn das
Signum nicht erst später hinzukam, wird man vielleicht annehmen können,
dass Boderich zuletzt nur noch eine Oberaufsicht führte.
*) Simon. Gesta I, c. 9; Joh. Longus c. 36.
*) Simon. Gesta I, c. 11.
152
St Bertin, St Amand, Si Peter auf dem blandiniseheii Berge«
Marchiennes, FoDtenelles in seiner Umgebang.') Von St Vaist
aas hatte die Sehnle Biebards von St Vannes ihren Siegeszng
gemacht Aber aaeh diesmal handelte es sich nur am eine
karze Blttte, die kaam eine Generation ttberdanerte. Gegen
Ende des Jahrhunderts trat wieder eine Periode der Erschlaf-
fang ein. Es war zn der Zeit, als Clnni längst seine Einrieh-
tnngen fixiert hatte und ihre Fortpflanzung systematiseh be-
trieb. Sowohl in St Bertin, wie in Bergh, in Arras and andern
flandrischen Klöstern zogen zn Anfang des folgenden Jahrhan-
derts Mönche ans Glani ein.^)
Verdan.
Die grossen Erfolge, die Richard und seine Schale in die-
sen Gegenden davontrug, wirkten notwendig auf seine Stellung
als Abt von St Vannes und das Ansehen dieses Klosters selbst
zurück. Dazu kam es, dass er es verstand, sowohl den deut-
schen König, als den lothringischen Adel zur Förderung seines
Stiftes zu gewinnen. Es kam ihm zu gute, dass Graf Friedrich,
der dem Hause der Ardennergrafen angehörte, durch seine
Person das Verduner Kloster mit dem hohen Adel des Landes
in Verbindung brachte. Seine ganze Familie, namentlich Her-
mann von Enham, schloss sich mit Eifer den Bestrebungen
des rührigen Abtes an und häufte Schenkungen auf die Abtei,
die zu einem Asyl der weltmüden Mitglieder oder doch znr
Begräbnisstätte des Hauses wurde.^) Eine grosse Zahl anderer
vornehmer Herren, wie die Grafen Theodor^), Ludwig*), Hilderat^),
*) Urk. Balduins für M&rchiennes von 1038 bei Gu^rard, Polyptique
d'lrminon II, app. p.356.
') Sim. II, C.62. 60. 71. 77. Vgl. die Urkunde Roberts von Flandeni
für St. Bertin von 1106, BibL Cluniac. col.589.
3) Vgl. Richard S. 1 0.
*) Gest. I.Jan., Necrol. S. Vit., N. Arch. XV, 126. Urk. bei Mabillon,
Acta SS. VI, 1, 454; Gallia Christ. XIII, 561.
») Todestag: XVL Kai. Febr. nach dem Necrol. S. Vit. Er fiel durch
Meuchelmord; seine Gemahlin war Adelheid nach einer Urk. des Gart de
St Vannes, Bibl. nat 1. 5435, fol. 25'. Vgl Mabillon, Vet Anal. p. 380.
*) Gest. HL Id. D«c., Necrol. S. Vit. ; Hilderadus cognamento Heace-
linus Cornea nobilissimua in einer Urk. Haimos fUr St Vannes von 1020,
Cart. de St Vannes f. 14; vgl. f. 20.
153
Manasse'), Liethard von Marcey'), folgten dem Vorgange des
Ardennerhanses und erwarben, znm Teil erst in der Todes-
stande, darch Geschenke oder durch Anlegung des Mönchs-
kleides, einen Anspruch auf ein Begräbnis in St. Vannes. Ein
anderer Graf hat es später dort zu hohen Ehren gebracht,
Walerann von Breteuil, Richards Nachfolger in der Abt-
würde*); auch sein Vater Gelduin schloss hochbetagt in der
Mönchskutte sein Leben.^) Nicht nur der Adel fand hier eine
Zaflucht aus dem Getümmel des Lebenskampfes: in Scharen ka-
men friedensbedttrfkige Seelen aus jenen deutsch -französischen
Grenzgebieten, um unter Richard Gott und den Heiligen zu
dienen.^) Unter der Gunst des Adels wuchs der Besitz an
Hufen in wenigen Jahren um das vierfache.*)
Wie hob sich nun gar das Ansehen seiner Schule! Im
eigenen Sprengel bediente sieh Bisehof Haimo seiner, um an
der Kirche Si Johannes und Maurus, die er wiederhergestellt
hatte, reguläre Nonnen anzusiedeln^), und aus Si Mihiel an
der Maas erbat sich Abt Nanther, dem der Herzog Theodor
von Niederlothringen zu seiner Würde verhelfen, Mönche aus
Richards Schule, wie er seinerseits Klosterbrüder nach St Vannes
schickte, um das herabgekommene Stift zu neuen Ehren zu
bringen.^)
Von grösseren Folgen war die Wiederherstellung der klei-
nen Abtei St Mauritius und Rodingas in Vasloges^), wo der
») Gest. XIV. Kai. Iwn., Necrol. S.Vit.; vgl. Hugo Flav. II, c. 29;
V. Richardi c. 11.
*) Hugo Flav. II, c. 9; V. Rieh. c. 9; vgl. Über sein Anniversarium
N. Arch. XV, 126.
3) V. Rieh. 0. U; Hugo Flav. II, e. 29 und SS. VIII, 406; Laurentii
Gesta abb. Vird. e. 1; V. Theoderici e. 14.
*) Der Todestag nach dem Necrol. S.Vit: Z7. Kai. lun.; sein Epi-
taph bei Mabillon, Vet. Anal p. 380.
») Hugo FUiv. II, c. 9.
^) Richard S. 12.
7) S. Richard S. 32 f. Bestätigungsurk. B. Ramberts bei Clouet, Hist
de Verdun II, 11; Leos IX. vom 24. Oct. 1049 bei Calmet, Hist. de Lor-
raine I, pr. 424; undatierte Urk. B. Theoderichs nach 1049 bei Calmet
I, pr. 420.
") Ghron. S. Michaelis c. 11 ; Richard S. 34.
*) S. Richard S. 31. Richard leitete diese Abtei bis zu seinem Tode;
vgl. Hugo Flav. II, c. 10; in einer undatierten Urk. im Gart, de St. Vannes
154
junge Poppo einige Jahre Gelegenheit hatte, die ersten Sporen
zu verdienen.^) Der Kaiser kannte ihn bereits''^), als er ihn
im Jahre 1020 nach dem Tode des Abtes Bertram heimlich
znm Reiehsabt von Stablo erhob, wo es galt, den verschlen-
derten and verliehenen Grundbesitz den Präcaristen und Bene-
fizianten wieder abzunehmen: eine Aufgabe, fbr die Poppo die
Befähigung in Si Vaast und Beaulien zu erweisen Gelegenheit
hatte. Es entsprach nicht den Tendenzen Richards, er sträubte
sich lange; entliess er doch Poppo damit aus seiner Abhängig-
keit. Zeigt sich bei Richard auch sonst das Bestreben, seine
Schüler ^Is Pröpste untergebener Klöster zu verwenden '), so
konnte es ihm nicht erwünscht sein, wenn die tüchtigsten sich
ohne sein Wissen zu Zwecken brauchen Hessen, die nicht im
Bereiche seiner Absichten lagen. Aber fUr Heinrich II, fbr den
die Consolidierung des Grundbesitzes der Reichsklöster in erster
Linie stand und der rücksichtslos seine Mittel und Hilfskräfte
danach wählte, konnten die centralisierenden Prinzipien Richards
nicht in Betracht kommen.^)
(Bibl. nat. 1. 5435, f. 19) sagt Bicbard: Ego igitwr . . . dum essem BeUoloco
apud aanctiwn Moridum , . . utrasque namquß gfterriaham abbatiaa.
*) Er soll hier den Namen Vasloges in Beaulieu umgewandelt haben;
vgl. Richard S. 31, n. 7.
^^) Er besuchte, vielleicht 1016, das kaiserliche Hoflager in Strass-
burg; vgl. Ladewig S. 37. Von einer Anwesenheit der Clunlacenser in
der Umgebung des Königs von Burgund, die Ladewig annimmt, ist aber
nichts bekannt.
^) Darüber später.
*) Vgl. Ladewig S. 38, dem ich in der Motivierung der ablehnenden
Haltung Richards zustimme. Ich halte es aber nicht für unglaubhaft, dass
R. anfangs die Pläne des Kaisers nicht gekannt hat. Dieser hatte von
vornherein den heftigsten Widerstand zu fürchten.
Siebentes Capitel.
Die Cluniacenser
lind die Kaiser Heinrich und Konrad.
1. Heinrich n.
I.
Richards hierarchiflche Bestrebangen hinderten trotzdem
nicht, dass der Kaiser ihn in seinem Bemühen unterstützte,
den Glanz und das Ansehen von St. Vannes zu erhöhen. Er
wies ihm beträchtliche Geldmittel zu, verbriefte die Schen-
kungen, die Herzog Gotfried, Graf Hermann und Graf Liethard
der Abtei gemacht hatten, und gewährte die bisher von Graf
Hermann von Enham als Lehen genossenen Erträge der Münze
von Mouzon.^) Er willfahrte auch Riehard, als Bischof Haimo
den Plan fasste, Verdun zu ummauern und das St. Vitonus-
kloster in den Mauerring einzuschliessen. Denn da alle Pro-
teste des Abtes, der auf die Unruhe hinwies, die der Strassen-
lärm in das stille gottgeweihte Leben der Mönche bringen
würde, an der Halsstarrigkeit des Bischofs scheiterten, wandte
sich Richard an den Kaiser, der in der That Haimo zur Nach-
giebigkeit zu bewegen wusste.^) Bedenkt man, dass die Wei-
gerung Richards sicher keinem andern Motiv entsprang, als
weil er fürchtete, das Kloster werde in noch grössere Ab-
hängigkeit vom Bischöfe geraten, so muss man hier Heinrichs
Unterstützung um so mehr beachten, als seine sonstige Kloster-
0 S. Richard von St. Vannes S. 13.
*) Vgl. ebenda p. 39. 40.
156
Politik dahin ging, die Bischöfe durch die Unterwerfang and
Schwächung der Stifter zu stärken.^) In der That war auch
sein ganzes Bestreben dahin gerichtet, die reichen Einkünfte
der Abteien and ihre Besitzungen, die sich zum Teil grosser
Freiheiten erfreuten, dem Reichsdienst nutzbar zu machen. Er
erreichte dies teils, indem er das Pfrllndengut nach Vertreibung
der Mönche zum Abtgut sehlug, mit Vasallen besetzte und so
zum königlichen Dienst zog, teils indem er freie Stifter Bischöfen
unterwarf, um ihre Leistungsfähigkeit zu stärken.^) Mit scho-
nungsloser Hand griff er eigenmächtig in die alten (Gerecht-
same der Klöster, und mehr als ein Mönch Hess seinen Grimm
über die unerhörte Vergewaltigung in seine Feder fliessen;
scheute er sich doch nicht, alte Privilegien umzustossen, wie
das bezüglich Echtemachs und Corveys nicht in Frage stehen
kann. Vom Anfang seiner Regierung an verfolgte er consequent
die Absieht, das freie Wahlrecht der Congregationen zu unter-
drücken.3) Freilich war mit diesen Eingriffen meist eine geist-
' >) Vgl. Matthaei, Elosterpolitik Heinrichs IL p.80; Odile Ringholz,
Des Benedictinerstiftes fiinsiedeln Thätigkeit ftlr die Reform deutscher
Klöster vor dem Abte Wilhelm von Hirschan, Stirdien u. Mitth. aus dem
Benedictinerorden (1886) I. u. II. Heft, p. 10 ff.
>) Matthaei p. 68. 71. 73. 83; Giesebrecht, D. Kaiserzeit II *, 84—90;
vgl. Lesser, Erzbischof Poppo von Trier, Leipzig 1888» S. 4.
*) Bezüglich Echtemachs vgl Matthaei p. 78, wo er in ein Wahl-
privileg Ottos II. die Worte equo regia conaensu dazwischenschob. — Was
Corvey betrifft, so ist dieser Fall besonders einleuchtend. Meine Be-
hauptung stutzt sich auf folgende Thatsachen. Sämtliche Kaiserurkunden
für Corvey bestätigen mit derselben Formel die freie Abtwahl. Nur die
Urk. Heinr. lU. vom 24. Aug. 1002 übergeht sie. Nun erfolgte zwar der
Eingriff in die Wahlrechte Corveys erst 1015 (Ann. Quedlinburg.). Hirsch,
Jahrb. Heinrichs IL III, 9 meint jedoch mit Recht, Heinrich hätte bereits
1002 ein solches Einschreiten durch seine Urkunde vorbereitet. Möglich
wurde dies, indem man unter den Vorurkunden von Corvey sich eine
solche Ludwigs des Frommen (MUhlbacher nr. 755) aussuchte, in der das
Wahlrecht der Congregation ebenfalls übergangen war. Die Urkunde
Heinrichs, deren Original erhalten ist, ist sicher im Jahre 1002 ausgestellt,
und alle Bedenken dagegen, dass der König schon bei Antritt seiner
Regierung Handlungen vorbereitete, die viele Jahre später zur AusfÜh-
rung kamen, dass er die Rechte sächsischer Stifter in dem Augenblick,
in dem er besonderen Grund hatte, die Sachsen zu schonen, verletzte,
werden angesichts des Umstandes belanglos, dass er auch hinsichtlich
Paderborns (St. 1353) den auf die freie Bischofswahl bezüglichen Passus
157
liehe Reform verbunden, und es wäre nicht richtig, wenn man
behaupten wollte, sie wäre nur Schein gewesen, um seine
Politik zu verbergen^); wie wenig diese Reform aber mit ein-
niaeensischen Grundsätzen gemein hatte, geht daraus hervor,
dass mit ihr eine Schwächung der Selbständigkeit und Frei-
heit der Klöster verbunden war, während man von Cluni aus
gerade das Gegenteil zu erreichen suchte.^) Wenn Heinrich IL
mit Odilo befreundet war oder Richard von St Vannes durch
Gaben ehrte, so waren das eigentlich nur persönliche Bezie-
hungen und beweisen die Anerkennung der humanitären oder
disciplinarischen Wirksamkeit beider Aebte. Auch der Kaiser
war ein Freund strenger Klosterzucht, weil er wnsste, dass die
Befolgung der Regel der beste Schutz gegen die Vergeudung
des Abteigutes sei, dass reguläre Klöster leistungsfähiger, als
irreguläre. Dennoch wäre es undenkbar gewesen, dass damals
Colonieen französischer Cluniacenser nach dem inneren Deutsch-
land geführt wurden.^) Der Geist, der ihr Klosterleben durch-
aas der Vorarkande im Jahre 1008 nicht mit übernahm •— Thatsachen,
auf die mich Hr. Dr. H. Bloch freundlichst aufmerksam machte. Das
Diplom Heinrichs bei Wilmans, Kaiserurk. d. Prov. Westfalen H, 1, 141. —
Ueber die Reform von Corvey vgl. noch Vita Meinwerci c. 145; Thiet-
mar VIII, 13.
^) GfrOrer, Eirchengesch. IV, 144; auch Matthaei p. 66 urteilt wohl
ähnlich; Schnürer, Pilgriin von Cöln p. 43 stellt dagegen die politischen
Zwecke erst an zweite Stelle. Den richtigen Standpunkt scheint Lesser
p.4 einzunehmen.
') Giesebrecht 11% 86 bemerkt richtig: „Und doch waren diese Re-
formen keineswegs im Geist und Sinn der Cluniacenser."
") Die Vita Meinwerci c. 28 berichtet zwar: Ibi (seil, in Cluni) impe-
ratore favente . . . episcopus Meinwercus ab dbbate et congregatione 13 frcL-
trea ad canstruendum monasticae vüae cefwbium petiit, indes ist der ganze
vorangehende Satz: Cluniacum — delegavit der späten V. Heinrici c. 28
entnommen und die Notiz an sich unglaubhaft. Die Namen der Mönche,
soweit sie überliefert sind : Sigehard, Wino, Wolfgang, Egilbert sind sämt-
lich deutsch, der heftige Widerstand des Abtes von Abdinghof gegen
tierisches Fett ist ganz nnduniacensisch (s. Bd. I, S. 61). Die späten
Ann. Magdeb. 1031 berichten zwar auch: manachicum ordinem 02«ntacen-
sem instihiit, indes zeigt einmal der Ausdruck, dass der Schreiber von
späten Vorstellungen ausgeht, andrerseits ist damit nicht gesagt, dass
die Münche gerade aus Cluni kamen. Möglich ist nur, dass Meinwerk
die MOnche aus einem rheinischen Kloster entnahm. Jedenfalls hat sein
Vorgehen mit Cluni selbst nichts zu thun.
158
wehte, war viel zu sehr im romanischen Volkstum begründet,
als dass er jenseits des Rheines hätte Sympathieen erwecken,
nnd die rechtliche Stellang der Bischöfe in den deutschen
Diöcesen zn stark befestigt, zn sehr verwachsen mit ihren
Pflichten als Reichsfttrsten, als dass die ideale Forderong
klösterlicher Autonomie, die das Cluniacensertum erhob, hier
hätte Anklang finden können.
Die Schritte, die Heinrich während seiner Regierung in
Deutschland in kirchlicher Beziehung unternahm und die ihn
als Anhänger der neuen kirchlichen Richtung zu zeigen schei-
nen, hatten ebenfalls in erster Reihe einen practisch politischen
Zweck. Dass er auf einer von lothringischen Bischöfen zahl-
reich besuchten, wohl in den rheinischen Gegenden abgehal-
tenen Synode gegen die uncanonischen Ehen vorging, erhielt
sofort eine deutliche Erläuterung dadurch, dass dieser Schritt
sich gegen seinen Gegner, den Herzog Eonrad von Kämthen,
richtete 1), nnd wenn er gegen die in unerlaubter Ehe lebenden
Otto und Irmgard von Hammerstein energische Massregeln
anwandte, so erkennt man schon aus der Thatsache, dass er
sich hier mit dem auf einem schroff diöcesankirchlichen Boden
befindlichen und der römischen Universalgewalt, die Irmgard
angerufen hatte, feindlich gegenüberstehenden Erzbischof Aribo
von Mainz im Einverständnis befand, dass dieses Vorgehen von
practischen Rücksichten eingegeben war. Wean endlich im
0 lieber diese Synode vgl. Gonst&nt. Vita Adalb. c. 15 und llifetm.
VI, 28: Sinodali iiulicio iniustcu fieri nuptias j chrisiianos gentüibus venun-
darif praesens ipse canonica et auctoritate apostolica prokibuitf Deiqw
iusticiam spementes spirittuili mucrone interfici praecepit Hirsch I, 244,
n. 5 und Usioger an derselben SteUe halten beide Synoden auseinander.
U. mit dem Bemerken, dass die Synode l'hietmars eine sächsische war.
£benso Giesebrecht II ^, 605. Indes folgt das nicht unbedingt ans Thiet-
mar. Allerdings bringt er sie allgemein ohne nähere Zeitbestimmung zu
den Ereignissen Yon 1005, und schon Hirsch a. a. 0. wies darauf hin, dass
Herzog Otto und Adalbero von Metz 100$ nicht mehr lebten. Da man
sich aber jetzt p. 244, n. 5 (Anmerk. von Usinger) dafür entscheidet, die
lothringische Synode der Vita 1004 zu setzen, und Thietmar sehr wohl
erst später Nachricht von ihr erhalten haben kann, so dass er sie an nicht
ganz richtiger Stelle einreihte, ganz entsprechend seiner auch sonstigen
Arbeitsweise, so wäre immerhin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
beide Synoden miteinander zu identifizieren, im andern Falle würde man
am ehesten an die Ehen mit slawischen Frauen zu denken haben.
159
Jahre 1019 eine Synode zn Goslar gegen die Befreiung der
von einer freien Matter geborenen Clerikersöhne eiferte, aber
das Verbot der Priesterehe überhaupt nieht berührte^), so be-
merkt man auch hier, dass es einzig und allein practisehe Be-
weggründe sind, die Heinrieh hier leiten, da es sieh dämm
handelte, die Kirehen vor Verlosten an Leibeigenen und an
Kirehengat zn schützen.
Erst infolge seines dritten italienischen Zages nehmen wir
bei Heinrieh umfassendere Pläne einer Kirchenreform wahr, die
der Kaiser im Einvernehmen mit Papst Benedict VIII. fasste;
ob indes auf der Grundlage der cluniacensischen Tendenzen
oder überhaupt in Verbindung mit den französischen Mönchen^),
erscheint um so zweifelhafter, als nicht nur bei den Schritten
des Papstes, der eine Synode zu Pavia in Gegenwart des
Kaisers abhielt-^), keinerlei engere Beziehung zu den Clunia-
censem bemerkt wird, sondern die Cluniacenser selbst in Bene-
dict nicht einmal einen der ihrigen sahen, wie ganz deutlich
aus dem über ihn gefällten Urteil hervorgeht Er wird von ihnen
ausdrücklich bezeichnet als: hervorragend im römischen Adel,
sehr klug durch seinen scharfen Verstand und, soviel die welt-
liche Seite seiner Macht angeht, fUr die Angelegenheiten der
Stadt sehr geeignet^), d. h. es wird also nicht nur kein ein-
ziger religiöser Zug ihm zugesehrieben, sondern die ganz osten-
^) Jahrb. Heinrichs U. UI, 221.
') Wie Bresslau und Giesebrecht annehmen.
^ Ueber die Datierung s. S. 161.
*) Jots. Vita Odilen. II, c. 14: in Bomana nobilitate praecijnms, pru-
derUi ingenio prudentissimuSf et quantvm ad mundanum culmen attinet,
tiirbanü cauna aptissimus, Gregore vius IV, 31 nennt ihn einen der ersten
Reformatoren im Sinne Leos IX. und Nicolaus' II, ebenfalls auf das Gonzil
von Pavia gestützt Es verdient heryorgehoben zu werden, dass, während
wir Odilo sonst auf allen italienischen Zügen Heinrichs II. und Konrads II.
anwesend finden, gerade auf demjenigen, auf welchem die Synode von
Pavia stattfand, der Abt von Gluni nirgend bemerkt wird. Denn dass er
damals nicht in Monte-Gassino war, wie man annimmt, werden wir weiter
unten beweisen. Auch Müller, Aribo p. 19 meint, die Synode von Pavia
1022 mit dem unbedingten Verbote der Priesterehe sei das erste sicht-
bare Zeichen der Einigung beider Gewalten in den Hauptgedanken der
Cluniacenser. Nach ihm p. 24 ist der Papst „der strengen cluniacensischen
Sichtung ergeben*'. Doch das sind Phrasen.
160
tative Hervorhebmig seiner weltliehen and politischen Eigen-
schaften beweist aufs klarste, dass wir nicht daran denken
können, ihn mit den Clnniacensern in irgendwelche engere Ver-
bindong zu bringen. Es widerspricht dem nicht, dass er Odilo
besonders hochhielt: trat dieser doch auch für die universalen
Rechte Roms ein, im Gegensatz zum französischen Episcopat
Aber die Massregeln, die Benedict auf Grund episcopaler Be-
strebungen unternahm, betrafen doch nur die Sicherung des
Vermögens lombardischer Kirchen, Tendenzen, wie sie im
oberitalienischen Episcopat schon längst mit Unterstützung der
deutschen Kaiser gepflegt worden waren.
Zwar ist es ein Schritt von hoher reformatorischer Be-
deutung, wenn er auf das eifrigste dafür eintritt^), dass die
Kinder unfreier Cleriker aus ihrer Ehe mit freien Frauen dem
Vater folgen, um nicht nur der Kirche ihre Leibeigenen, son-
dern auch die vielfach dadurch verlorenen Güter zu erhalten;
und von noch grösserer Bedeutung, namentlich im Gegensatz
zu der deutschen Synode von Goslar, ist es, dass er die
Priesterehe überhaupt verbietet.^) Aber wir haben auf der
andern Seite Grund genug anzunehmen, dass die Fülle von
theologischer und kirchenrechtlicher Gelehrsamkeit, die in der
Einleitung zu den Beschlüssen entwickelt wird, nicht der Feder
des politisch klugen und streitbaren Grafen von Tusculum ent-
stammte, der mit Waffengewalt gegen die Crescentier zu Felde
zog und die Ungläubigen in Unteritalien in eigener Person
bekämpfte, sondern dass kein anderer, als der ProtocoUfÜhrer
der Synode, der, wie wir wissen, selbst das grösste Interesse
an diesen Beschlüssen hatte, ihr Urheber war. Wenn man die
Ansicht ausgesprochen hat, dass Leo von Vercelli die ganze
Begründung der Acten verfasste^), so kann man noch einen
Schritt weiter gehen, mit der Annahme, dass er und ähnlich-
gesinnte italienische Bischöfe die Paveser Beschlüsse veran-
^) Die GonzUsacten bei Mansi, CoUect Oonc. XIX, 343 ff.
>) Hirsch, Jahrb. Heinrichs IL UI, 221.
') Löwenfeld, Leo von Vercelli p. 50. Wenn er ihn aber au den
Männern zählt, die von den Bestrebungen Giunis das Heil der Kirche
erwarteten, so ist das nur im allgemeinsten Sinne richtig. Denn, wie
auch L. bemerkt, findet sich nicht der geringste Beweis, dass er mit dem
französischen Kloster in Beziehungen gestanden.
161
lassten.!) Brachte er doch in seiner Diöcese, wo die gerügten
Misstände längst bemerkt worden waren 2), die Bestimmungen
nach der Synode in einem fast wörtlich übereinstimmenden
Decret zur Geltung.^) Der Papst beabsichtigte übrigens, ihnen
weitere Gesetzeskraft zu geben. Auf seinen Wunsch sanctio-
nierte sie Heinrich IL und begründete sie vom Standpunkte
des weltlichen Rechts ans.^)
Bei air diesen Schritten vermögen wir die Mitwirkung des
französischen Mönchtums nicht nachzuweisen. Benedict befand
sich offenbar im Schlepptau der lombardischen Bischöfe, in
deren Interesse auch die Garantie der weltlichen Macht lag.
Aber er wirkte anregend auf den Kaiser, der nach dem dritten
Römerzuge, wohl auf Grund von Verabredungen, die er mit
dem Papste getroffen, eine allgemeinere Eirchenreform ein-
leitete.*)
Zur Zeit, als Heinrich mit dem französischen Hofe in
Unterhandlungen trat, brach merkwürdigerweise ein Conflict
zwischen Aribo von Mainz, dem Primas des deutschen Reiches,
und der Curie aus. Aribo, eine energische, reformeifrige Natur,
war sich von Anfang an der Pflicht bewusst, in seiner Provinz
im Sinne kirchlicher Ordnung und Zucht zu wirken, und hatte
beschlossen, nach Vorschrift der Canones Jahr aus Jahr ein
die Suffraganbischöfe zur Beratung zu berufen.<^) Die erste der-
artige Synode trat wohl zu Seligenstadt im August 1022 zusam-
men. Der Kaiser befand sich damals noch in Italien, und damit
würde sieh auch am besten erklären, dass nur ein verhältnis-
^) Dass Pilgrim von Cöln, wie Schnürer, PUgrim S.86ff. ausführt,
besonderen AnteU daran hatte, ist eine haltlose Annahme.
>) Bd. I, S. 316. 821.
3) Gedruckt bei Ughelli IV, 783; Provana nr. 14; zuletzt Jahrbücher
Heinrichs II. IE, Excurs VII, § 2, wo auch über die Datierung gehandelt ist.
*) Ich schliesse mich in der Datierung Bresslau gegen Giesebrecht
an. Die Schlussworte der Goslarer Beschlüsse vermag ich freilich nicht
anders als Giesebrecht auszulegen. Man muss demnach für wahrschein-
lich halten, dass die Ansicht des Papstes, auf die in den Goslarer Acten
Bezug genommen wird, bereits früher zur Geltung gekommen ist.
») Vgl. S. 169, n. 1.
') Er betont diese Pflicht in dem Briefe an Meginhard von WUrz-
burz (Giesebrecht II, 706) und an Godehard von Hildesheim (ib. II, 711).
Saokar, OlimlMenMr. II. X\
162
massig kleiner Teil der Mainzer Snffra^ne nnd Aebte dem
Kufe Aribos folgen konnte.*) Unter den Beschlttssen, die hier
gefasst Würden, interessieren uns nar die, welebe das Verhält-
nis zu Rom unmittelbar berührten.
Als Aribo im Herbst 1021 den erzbisehöflichen Stahl ein-
nahm, war kaum ein Jahr verflossen, seit der Graf Otto von
Hammerstein mit seiner Gemahlin Irmgard nicht nur den Vor-
gänger Aribos, Erkanbold, schmählich behandelt, sondern auch
dem Kaiser in seiner Burg getrotzt hatte. Die nncanonische
Ehe beider hatte die schwersten Strafen der geistliehen und
weltlichen Macht herausgefordert Aber es scheint, dass, als
Otto die Burg gegen freien Abzug den Belagerern ttbergeben
hatte, zwar Heinrieh dem Frevler nicht verzieh, aber der Papst
den Kirchenbann löste, der auf dem Ehepaar ruhte, ohne auf
die Trennung zu dringen, oder doch die Entscheidung sich
noch vorbehielt Aber Aribo, ein starrer Verfechter der kirch-
lichen Canones, nahm den Kampf wieder auf.
Er begann damit, dass er alle Romfahrten behufs Abso-
lution ohne Wissen des Bischofs verbot und die Gültigkeit des
päpstlichen Freispruches von der vorherigen Erfüllung der den
Frevlern auferlegten Busse abhängig machte.^) Er bewegte
^) Bresslau setzt die Synode, deren Acten Daten tragen, die nicht
miteinander übereinstimmen , Jahrb. Heinr. n. in, 359 auf Grnnd guter,
aber nicht zwingender Gründe in das Jahr 1023. Auffällig ist das
Fehlen der Bischöfe von Constanz, Ghur, Eicbstädt, Hildesheim, Speier,
Verden, des Abtes von St. GaUen. Nun sind von diesen Walter von
Eicbstädt, Rudhard von Constanz und Burchard von St. Gallen sicher auf
dem Römerzuge Heinricbs gewesen; die Wahrscheinlichkeit ist dafUr, dass
auch andere der fehlenden Bischöfe dadurch abgehalten wurden. Der
Grund, den Bresslau für den triftigsten hält, der des historischen Zu-
sammenhangs, fsült femer für mich fort, da ich mich zu einer andern Ver-
bindung der Ereignisse bekenne, freilich in dem Bewusstsein, in dieser
schwierigen Frage noch nicht das letzte Wort gesprochen zu haben.
^) Vgl. die vielcitierten c. 16 und 18 der Seligenstädter Acten, Jahrb.
Heinr. IL III, 352. Was Ladewig, Poppo S. 15 folgert aus der Bemerkung
de quibusdam atuUissimis presbyteriSf die die geweihte Hostie (nicht Mess-
tuch!) ins Feuer werfen, um es zu löschen (c. 6), wird schwerlich Bei-
fall finden. Weil nSmüch nach Rod. Glab. V, c. 1 bei einem Brande des
Klosters Moutier-St.-Jean sich ein solcher Fall ereignet hat, soll sich die
Synode von S. gegen den von Cluni ausgegangenen Brauch gewandt
haben und dadurch die Stellung des Ck>nzil8 zu Climi und dem Papst
X
163
flieh damit in den Bahnen, die nach ihm die französischen
Bischöfe auf dem Conzil von Limoges einschlagen. Neu waren
waren sie auch damals nicht, aber sie bezeichneten doch sehr
entschieden den Standpunkt des Erzbischofs, der, wie der west-
fränkische Episcopat, jeden Uebergriff der römischen Bischofs-
gewalt in rein diöcesane Fragen zurückzuweisen entschlossen
war. Der Kampf zwischen den damals erneuten universalen
Ansprüchen des Papsttums und den Landesepiscopaten drohte
also auch hier auszubrechen. Gleichwohl scheint die Curie
nicht gerade die Forderungen der Synode zum Anlass von
Disciplinarmassregeln gemacht zu haben. Dass Eirchenstrafen
erst nach Erfüllung der Busse oder Besserung der Verurteilten
aufgehoben werden sollten, hätte wenigstens ganz allgemein
auch von der Curie nicht bestritten werden können, und dass
die Laien, die nach Rom pilgerten, um Sündenvergebung zu
erlangen, mit einem Briefe ihres Bischofs versehen sein sollten,
war eine so wohlberechtigte Forderung, dass, wie wir wissen,
bei einer andern Gelegenheit der römische Stuhl selbst dem
französischen Episcopat diesen Weg vorschlug.
Aber Aribo scheute auch vor den Consequenzen seiner
Decrete nicht zurück. Auf der Pfingstsynode, die in Mainz in
Gegenwart des Kaisers gefeiert wurde, wiederholte er den Ver-
such, Otto von Hammerstein und Irmgard zu trennen. Wich
Otto jetzt den Drohungen Heinrichs und d^m Zureden der
Bischöfe, so erwies sich sein Weib als der standhaftere Teil
und scheute selbst die Folgen der Reiehsacht nicht.^ Von der
Synode verflucht, pilgerte Irmgard, um zu klagen, nach Rom.
Die standhafte Weigerung der Gräfin, sowie die schroffe
Sentenz, mit der Benedict VlII. gegen den Erzbischof ein-
schritt, macht es wahrscheinlich, dass der Papst schon vorher in
dieser Sache entschieden oder die Entscheidung sich noch vor-
hin das sicherste Licht'' gestellt sein! Aber einmal werden die betreffenden
Dummköpfe auf der Synode als „Priester** bezeichnet. Dann aber war es
ein aitheidnischer Brauch, zu LOschzwecken ein Brot, Ei u. dgl. Dinge
ins Feuer zu werfen (vgl. Otto Jahn, Die abwehrenden und die Stthnopfer
der Deutschen, Breslauer Diss. 1884). Es handelt sich also jedenfalls um
öfters wiederkehrende heidnische Gebräuche, die, wie so häufig, ins
Christliche übersetzt wurden, und nicht um Erfindungen der Oluniacenser.
») V. Godehardi post. c. 19, SS, XI, 206.
11*
164
behalten hatte.^) So läBst sich am leichtesten erklären, dass
er dem Erzbisehofe den Gebrauch des Palliums nntersagte. Die
Ungnade Benedicts wurde aber fttr Aribo um so fühlbarer, als
gleichzeitig Pilgrim von Cöln sich in Rom der höchsten Aus-
zeichnung erfreute.^) Der Erzbischof von Mainz konnte zu-
nächst nichts anderes thun, als die Bischöfe seiner Provinz,
die Erzbischöfe von Cöln und Trier, zu einem Conzil nach
Höchst einzuladen^) und eine Bittschrift an den römischen
Stuhl zu veranlassen. Wie sich die Sache weiter entwickelt
hätte, wenn nicht Benedict VIII. und Kaiser Heinrich, der
eine vorsichtige Neutralität bewahrt hatte, nach wenigen Mo-
naten gestorben wären, ist nicht zu ermessen, noch weniger wie
weit die Spannung zwischen dem ersten deutschen Kirchen-
fbrsten und der Curie auf die von Heinrich geplante allge-
meine Reform eingewirkt hätte. Es ist unwahrscheinlich, dass
Aribo der Zusammenkunft Heinrichs IL und Roberts zu Ivois
beiwohnte. Es wäre nur zu begreiflich, wenn der Erzbischof
in dem Augenblick, in dem er sich in gespanntem Verhältnis
zu Rom befand, einer Politik fernblieb, die im Bunde mit der
^) Es nnterliegt für mich keinem Zweifel, dass das Vorgehen des
Papstes gegen Aribo lediglich durch die Bannung der Irmgard, bezw.
durch irgend welche Uebergriffe bei dieser, nicht die Seligenstädter Be-
schlüsse hervorgerufen wurde. Es geht das vor allem aus dem Schreiben
der Snffraganbischöfe an Benedict VIII. (Giesebrecht ü, 708) hervor.
Ueberall ist nur von der Verfluchung Irmgards die Rede: Nam si metro-
politamis noster domnus Aribo propter anathematizatflm dignitatis suae
aliquantulum perderet Femer rechtfertigen sich in dem Schreiben alle
oder nahezu alle Suffragane der Mainzer Kirchenprovinz und stellen sich
als Mitschuldige dar, während auf der Seligenstädter Synode nur ein
kleiner Teil derselben sich schuldig gemacht hatte. Ist aber die Ban-
nung Irmgards der Anlass zu dem Vorgehen des Papstes gewesen, so
wird am wahrscheinlichsten ein vorher erfolgter Entscheid der Curie, gegen
den die Mainzer Synode sich richtete, angenommen werden. Dieser
würde nun auch die Seligenstädter Beschlüsse gut motivieren, während
diese wieder die Mainzer erneute Excommunication vorbereiteten. Ich
setze demnach Seligenstadt in den Anfang der Ereignisse, weil einmal
der Zusammenhang dadurch am verständlichsten und femer die geringe
Teilnehmerzahl am besten dadurch erklärt wird, dass ein Teil der Bischüfe
sich eben auf dem Bömerzuge befand. Jedoch bekenne ich, dass es sich
hier nur um eine neue Combination handelt.
>) S. Schnürer, Pilgrim S. 45 f.
^) Vgl. die citierten Briefe bei Giesebrecht.
165
Carie eine iotemationale Regelung kirchlicher Fragen be-
zweckte.
Wie weit die Clnniacenser dabei beteiligt waren, ist gar
nicht za sagen. Dürfen wir ans früheren Schritten Heinrichs
und des römischen Stahles Schlüsse ziehen, so scheinen beider
Bestrebungen sich vornehmlich auf eine Bekämpfung der
Priesterehe, Sicherung des kirchlichen Besitzstandes, auf den
Rechtszustand der hörigen Gleriker und den Frieden der Kirche
erstreckt zu haben: Bestrebungen, die zwar stets im Sinne der
reformatorisch angelegten Weltgeistlichkeit, aber, vom Land-
frieden abgesehen, nicht gerade^) im besonderen Interesse der
Mönche lagen. Gleichwohl hätten diese mit grösster Befrie-
digung eine internationale Reform begrttssen können: zu be-
zweifeln ist nur, dass die vornehmlich zum Schutze kirch-
licher Disciplin und bischöflicher Jurisdictionsgewalt von deut-
scher Seite geplanten Massregeln das Resultat cluniacensischer
Agitation gewesen sind.
Während zunächst in den einzelnen Teilen des Reiches, in
Deutschland und Italien, die Bischöfe sich zu synodalen Zu-
sammenkünften vereinigten und kirchliche Fragen local ent-
schieden, war auch die französische Geistlichkeit nicht müssig
geblieben und in Gemeinschaft mit dem Könige zu Massregeln
geschritten, die hauptsächlich darauf gerichtet waren, den Land-
frieden zu sichern, dem schrankenlosen Fehdewesen zu steuern
und die Laien zur Ruhe und zum kirchlichen Gehorsam zu-
rückzuführen. Es waren fast noch elementarere Forderungen,
die an die französische Kirche herantraten.
n.
So nehmen wir seit dem Anfange der zwanziger Jahre
des elften Jahrhunderts im Herzogtum Burgund eine auf Er-
haltung des Landfriedens gerichtete Bewegung wahr, die sich
bei genauerer Beobachtung als die Fortsetzung und Weiter-
entwicklung jener Bestrebungen darstellt, die wir im Jahre 994
in der Erzdiöcese Lyon verlassen haben. Aber der Character
^) Wenn sich in Abbos Canonsammlung Canones über das Leben
der Weltgeistlichkeit finden, so hing das mit dem ausgesprochenen Zweck
des Autors zusammen, das MOnchtum zu schützen.
166
der UntemebinnDg war doch verändert. Hatte man sich, soviel
wir wissen, im Anfange begnügt, eine Anzahl von Verboten
über Raub und Diebstahl zn erlassen, und die Frevler,
wenn sie nieht Genngthnnng leisteten, mit dem Bann bedroht,
so Ind man jetzt die gesamte Ritterschaft zn den Gonzilien
und liess die Kriegsleute über den herbeigeschafffcen Heiligen-
reliquien einen Eid schwören, in dem sie sich verpflichteten,
in die Kirchen nicht einzudringen, Gleriker und Mönche, die
nicht bewaffnet seien, nicht anzufallen und nicht zu berauben ;
nicht Beute zu machen durch WegfÜhrung von Rindern, Kühen,
Schweinen und andern Haustieren; Landleute, Hörige, Kanf-
leute, vornehme Frauen weder wegzufangen noch zu berauben;
auf den Weiden Vieh nicht wegzunehmen ; Wohnhäuser, Mühlen
und Weinpflanzungen nicht zu beschädigen; Transporte von
Wein- und Fruchterträgen auf Karren, Wagen oder Schiffen
nicht anzugreifen; den Landfriedensbrecher nicht zu bergen
und zu unterstützen. Aber während die vorgeschrittenen aqui-
tanischen Friedensbeschlüsse jedwede Selbsthilfe untersagen
und jede Rechtsstreitigkeit vor das Forum des eompetenten
Gaugerichts verweisen, wird in den burgundischen Friedens-
eiden ausdrücklich der Fall der Privatfehde ausgenommen.
Das Recht, auf eigene Faust regelrechten Krieg zn führen,
Gastelle zu bauen und zu belagern, wird dem Territorialherrn
keineswegs bestritten. Auf seinem AUod, seinen Lehen kann
er machen, was er will. Der Kampf der ritterlichen Ge-
schlechter wird durch die Friedenseide keineswegs gestört
Nur das Raubrittertum soll unterdrückt werden.^
Die erste derartige Versammlung, von der wir wissen, be-
rief Bischof Hugo von Auxerre, die rechte Hand des Königs
Robert in allen kirchliehen Dingen, im Einverständnis mit dem
Herrscher um das Jahr 1020 nach Verdun, einem kleinen Orte
^) Die Kenntnis dieser Thatsachen ziehen wir aus den fragmen-
tarisch erhaltenen Acten der Synode von Verdun bei Chifüet, Lettre tou-
chant Beatrix pr. 187, die bisher allen, die sich mit dem Gottesfrieden
beschäjftigten, unbekannt geblieben sind, auch Huberti, Studien zur Rechts-
geschichte der Gottes- und Landfrieden, Ansbach 1892, der Überhaupt mit
dürftigen Kenntnissen arbeitet. Ferner haben wir eine analoge, fast völlig
gleichlautende Eidformel von einer Synode des Bischofs Warin von Beau-
vais, zuletzt bei Pfister, Etudes p. LX, aber längst gedruckt bei Würdt-
wein, Nova subsidia XU, 18 ff., was Huberti ebenfalls entging.
167
in der Grafschaft Chalon.^ Erzbischof Burchard von Lyon
führte den Vorsitz; zu den Teilnehmern gehörten manche be-
dentende Kirchenfbrsten der Zeit Um den Ernst und die
Feierlichkeit der Situation zu erhöhen, waren ans verschiede-
nen Gegenden Heiligenleiber herbeigeschafft worden, über denen
der Erzbischof die waffentragenden Ritter — denn nur solche
betraf der Eid — jene Eidesformel beschwören Hess, deren
Inhalt wir oben angegeben haben. Eine ähnliche Versamm-
lung, auf der der Erzbischof Leotherich von Sens den Vorsitz
führte, fand etwas später in Höry im Gau von Auxerre statt
Sie erhielt eine besondere Weihe durch die Anwesenheit des
Königs und zahlreiche Heiligenleiber, die man wieder zu-
sammengebracht hatte. Die ersten Vertreter des französischen
Elosterwesens, Odile von Gluni, Wilhelm von Dijon, Gosbert
von St Julien u. a. hatten sich, wie es scheint, eingefunden. Un-
ermessliche Volksmassen waren zusammengeströmt.^) Schwere
Klagen ttber Räubereien und Flurschaden, namentlich über die
EinfUUe des Grafen Landrich von Nevers in das Besitztum des
hl. Bercharius waren an das Ohr des Monarchen gedrungen.
Noch andere Dinge wurden hier verhandelt, denn der Abt von
Fruttuaria benutzte wohl diese Gelegenheit, die Freiheit des
italienischen Klosters noch einmal festzustellen und von allen
Anwesenden bestätigen zu lassen.
Diese Friedensversammlungen, welche die Sicherung des
Landfriedens bezweckten, die namentlich gegen den gemeinen
Strassenraub sich richteten, fanden bald Nachahmung im Osten
des Landes. Auf die Synode von Häry folgten ähnliche Con-
vente in den Gebieten von Dijon, Beaune und Lyon zu wieder-
0 lieber die Synode von Verdun unterrichten die Gesta episc. Autis-
siod., Dura I, 388 und die Acten. Die Namen der anwesenden Bischöfe
weisen auf ca. 1020. Das Ck)nzil .ging nach den Gesta episc. Autiss. der
Synode von H6ry voraas, was S^michon übersah. Gingins, La tr6ve de
Dieu dans la Transjurane, M^moires et docnments de la Suisse Romane
XX, 499 setzt sie irrig 1030, Petit, Hist des ducs de Bourgogne p. 129
gegen 1033.
>) Diese Synode fällt ca. 1022. Im Chron. S. Petri Vi vi bei Dum
II, 502 wird sie mit In 'tempore iüo an die bekannte Manichäersynode
vom 25. December 1022 angeschlossen. In der That spricht das Itinerar
des Königs dafür, dass er von Orleans unmittelbar nach H^ry zog. Am
1. Mai ist er nämlich in Compi^gne; auch fdr die folgende Zeit ver-
168
holten MaloD.^ Während in den erstgenannten Bezirken ver-
mutlich Wilhelm von St. Benigne nicht anbeteiligt war, scheint
Odilo im Gau von Lyon den Friedensbestrebangen seine Mit-
wirkung geliehen zn haben. So nahm er an einem von vielen
Bischöfen besuchten Friedensconcil zu Anse in der Lyoner
Diöcese Teil: eine gewaltige Menschenmenge drängte sich auch
hier um die herbeigeschafften Heiligenleiber.^) Eine andere
ähnliche Versammlung fand am 22. Mai* 1023 bei St Privat
auf dem Gebiet der Burg von Sarrian statt, wo sich Bischöfe
und vornehme Laien beiderlei Geschlechts eingefunden hatten.^)
Noch vorher, am 1. Mai 1023, umgab den König eine glän-
zende Versammlung zu Compiögne in der Diöcese Beauvais.^)
bleibt Robert in der Reimser Eirchenprovinz, im nordöstlichen Frank-
reich. Nun ist vermutlich diq Urkunde Wilhelms von Dijon für Frut-
tuaria, die 1022 — 10^(3 ausgestellt wurde (HPM I, 414), auf derselben
Synode ausgestellt worden. Der Erzbischof Leotherich Yon Sens, wel-
cher dieser präsidiert, unterschreibt als erster die Urkunde. Ebenso
wissen wir, dass König Robert und Gauzlin von Bourges, die beide
die Urkunde unterschreiben, der Synode von Höry beiwohnten. Eine
grosse Menge von Bischöfen und Aebten, allein dreihundert Mönche
erscheinen als Zeugen aiif der Urkunde. Die grosse Teilnahme an der
Synode rühmen auch die Gesta episc. Autiss., Dum II, 388 und Mirac.
S. Veroli, HF X, 375; es ist auch keine andere vom Könige besuchte so
grosse Versammlung bekannt, auf der das Diplom hätte vollzogen sein
können. Dazu kommt ein anderes. In der Urkunde Roberts für Fruttuaria
(Avalon 1023) heisst es: interveniente et stibscribente Gosfrido Cabüonenai
episcopo cum reliquis episcopis, qui interfuerunt cQfidlio nuper Airiaci
hcMto. D. h. die Angelegenheit von Fruttuaria hatte bereits die gesamte
Geistlichkeit in H6ry beschäftigt; dort hatte sie bei Robert interveniert,
der offenbar unmittelbar von da nach Avalon gezogen war. Ich stehe
somit nicht an, die mit zahllosen Zengenunterschriften versehene Urkunde
für die Schilderung der Synode zu verwerten.
^) Gesta episc. Autiss. a.a.O.: similiter et per universa loca ut in
pagis Divionense et Belnense et Lugdunense concilia ceUhrari fecit
») Transl. S. Hugonis c. 28 (Mabillon, Acta SS. V, 1045). Diese Synode
ist vielleicht identisch mit dem Concil von 1025, auf welchem Gauzlin von
Mäcou sich über die Weihen Burchards von Vienne in Gluni beschwerte
(Ragut, Gart, de S. Vincent nr. 518, p. 304).
*) CHOL III, nr. 2779: Facta et hec carta . . . in conciliOf quod fuit
apud Sanctum Brivatum in territorio Sanianensis castrif ubi fuit diver-
sorium episcoporum ceterorumque nobilium utriusque sexus religiosa con-
gregatio, regnante piis9imo rege Bodulfo.
*) Vgl. die Urk. Warins von Beauvais vom 1. Mai 1023 bei Miraeus,
169
•
Sein Sohn Heinrich, Baldnin der Bärtige von Flandern, Herzog
Bichard U. von der Nonnandie and sein Bruder, der Erzbisehof
von Bouen, eine Anzahl Grafen nnd Bisehöfe, aneh mehrere
Aebte waren erschienen. Mit dem Flandrer hatte Abt Lednin
von St Vaast sich eingefunden, der mit dem Bisehof Warin
von Beauvais einen Verbrttderungsvertrag absehloss. Auf diesem
Hoftage erschienen die deutschen Gesandten Heinrichs, um die
geplante Zusammenkunft mit dem französischen Herrscher zu
verabreden: es waren Bischof Gerhard von Cambrai und Abt
Richard von Si Vannes. Die Wahl geschah sicher nicht ohne
bestimmte Absicht: waren die Boten des deutschen Hofes doch
beide aus dem Clerus von Keims hervorgegangen. Bei der
Schwäche des westfränkischen Königs durfte Heinrich auf ihre
Verbindungen unter der französischen Geistlichkeit rechnen.
Auf der Zusammenkunft beider Herrscher zu Ivois, die
noch im selben Jahre zu stände kam, wo weltliche und geist-
liche Grosse beider Nationen in dem Gefolge ihrer Fürsten
waren, ward nun vornehmlich über den Land- und Kirchen-
frieden verhandelt; man beschloss, in Gemeinschaft mit dem
Papste zu Pavia eine feste Ordnung der Dinge herbeizuführen.^)
Ein Gedankenaustausch des Clerus beider Länder fand zweifel-
los hier statt; die Bewegung, die zur Zeit in Burgund die all-
gemeine Unsicherheit bekämpfte, konnte auf den Osten, nament-
lich die Kirchenprovinz Reims und das mittlere Lothringen
nicht ohne Einfluss bleiben.
Vielleicht war es bereits auf jenem Hoftage in Gompiögne,
als der Bischof Warinus von Beauvais in Anwesenheit des
Königs eine Eidformel beschwören liess, welche die Beteiligten
bis zum nächsten 29. Juni und von da auf weitere sechs Jahre
Opp. dipl. 1, 149, im Ausznge HF X, 609, n. a; Mabilloi], Ann. Bened. IV, 278;
A. SS. VI, 1, 455. Vgl. Pfister, De Fulberti vita p. 97flf.; Der»., Etudes sur le
regne de Bobert le Pieux p. 241. 369; Richard, Abt von St.- Vannes S. 37.
^) Gesta epiac. Camerac. III, c. 37: ibi quoque diligentissime de pace
sanctae Dei ecclesiae maxime tractatum est et qiLomodo christianitatij quae
tot lapsibus patet^ melitis subvenire deberent; Sigeb. Gembl. Chron. 1023:
de statu eccUsiae, regni et itnperii tractari; et condicto super his confir-
mandis etiam papam Bomanum simul'ambo Fapiae oportune convenirent.
Dass Wilhelm von Dijon zugegen war, hat schon Bresslau, Heinrich II.
III, 261, n. 1 vermutet; er erhält kurz darauf von Heinrich eine Urkunde
zu Brumpt, St. 1810.
170
band. Die Absage von Strassenranb, Landfriedensbrneh , Sach-
besehädignng und Hegung von Ränbern nnd Friedensbrechern
wird in ähnlicher Form wie auf der Synode von Verdnn darch
den Eid gewährleistet.^) Warin nnd der Bisehof Berold von
Soissons, der bereits der Friedenssynode von Verdnn bei-
wohnte, beabsichtigten sogar nm diese Zeit einen Verein der
nordostfranzösischen Bischöfe im Interesse eines gemeinsamen
Vorgehens zn Gnnsten des Landfriedens zu bilden.^) Aach
Gerhard von Cambrai ward anfgefordet, ihm beizutreten, aber
da vielleicht die Sache bereits von staatswegen in die Hand
genommen war, scheute er sich als reichstreuer Eirchenflirst, mit
den westlichen Nachbarn auf eigene Faust in die Bechtssphäre
der weltlichen Macht einzugreifen. Mit dem Hinweis auf die
Incompetenz des Glerus, rein weltliche Angelegenheiten, wie
Sicherung des Landfriedens — in Frankreich galt das als
wesentlich kirchliche Aufgabe — zu beti*eiben, wies er den
Antrag zurttck: bis ihn der Lärm, der sich unter dem Glerus
gegen ihn erhob, zur Nachgiebigkeit nötigte. Auf die eigent-
lichen Agitatoren zu Gunsten des kirchlichen Friedens werkes
im nordöstlichen Frankreich und in Lothringen lässt sich ein
Schluss ziehen: es heisst, dass Gerhard namentlich durch die
Aebte Leduin von St Vaast und Roderich von St Bertin yer-
1) Gedruckt bei Würdtwein, Nova subsidia XII, 18 ff., wo jedoch die
Worte : qui hoc iuraverint — contra iUos fehlen, und Pfister, Etndes p. LX.
Dass der KUnig zugegen war, geht aus dem Schluss hervor: hoc audiaSy
tu, rex Boberte; es ist deshalb möglich, dass diese Vereidung zu Com-
piegne erfolgte, das im Sprengel von Beauvais liegt.
>) Gesta episc. Gamerac. III, c. 27. Was zunächst die Zeit betrifft,
so kann der Bund kaum vor 1023 gesetzt werden, da die dabei beteiligten
Persönlichkeiten Warinus von Beauvais von 1022—1030, Berold von Sois-
sons von 1021—1052 regieren, Leduin 1023 und Roderich 1021 Aebte
werden. Es heisst von Warin und Berold: mültwn reipublicae succurrere
arbitrati sunt, 8% Burgundiae episcoporum sententiam sequereniur. £s ist
begreiflich, dass dieser Hinweis auf Burgund ohne die Kenntnis der eben
behandelten Synoden unverstanden blieb. Giesebrecht, Kaiserzeit IP, 147
dachte an eine Landfriedenaufrichtung der Bischöfe im Königpreich Bur-
gund um 1020. Wenn es in der Chronik von Cambrai weiter heisst: Hit
nimirum totius aiLctoritatis expertea commune decretum fecerunt, ut tarn
sese quam omnes sub aacramento constringerent, pacem videlicet et iwtüiam
servitwros, so ist das die Form der Friedenseinigungen, wie sie seit der
Synode von Verdun auftreten, wie auch Huberti erkannte.
171
anlasst wurde *), seinen Widerstand gegen das selbständige Vor-
gehen der Saffragane von Reims fallen zu lassen: das heisst
durch zwei Schüler Richards Ton St Vannes, durch Mitglieder
der neuen reformatorischen Richtung. So zeigt sieb, dass das
Mönchtum im Gegensatz zum westdeutschen Episcopate durch-
aus nach Frankreich und zu den Absiebten der französischen
Kirche hin gravitierte, auf die der Plan einer staatlichen inter-
nationalen Regelung dieser Angelegenheit jedenfalls keinen
Eindruck gemacht hatte.
ni.
Man weiss, dass die erhoffte Reform der Kirche, die Hein-
rich, Robert und Benedict im Sinne hatten, überhaupt nicht zu
Stande kam, und zwar darum, weil bereits das nächste Jahr
der Tod den Kaiser und den Papst hinwegraffte.
Von den Vertretern der französisch-lothringischen Kloster-
reform erfreuten sich noch Ende 1023 Wilhelm von Dijon
und Richard von St Vannes der Gunstbezeugungen des deut-
schen Herrschers. Für ersteren, der vielleicht der Zusammen-
kunft am Chiers beiwohnte, verbriefte er am 2. December zu
Brumpt von neuem die Freiheit von Fruttuaria, indem er be-
sonders die Bestimmungen der Urkunde Benedicts VHI. be-
stätigte.^) Ob Abt Riebard bei der Begegnung der ost- und
westfränkischen Könige anwesend war, wissen wir nicht; wahr-
scheinlich ist es immerhin, da wir den Kaiser gleich darauf,
vermutlich am 15. August, in Verdun finden. Es wird uns aus-
drücklich berichtet, dass er es an kostbaren Schenkungen für
die Klöster der Stadt, namentlich das Hauptkloster St Vannes,
nicht fehlen Hess. Gewiss an jenen Besuch knüpfte sich die
Legende von dem Entschluss Heinrichs, hier die Mönchskutte
zu nehmen.^)
Der 13. Juli 1024 raubte den Mönchen von Clnni ihren
ergebenen Gönner: sie schrieben dankbar seinen Namen in
ihr Missalbuch; noch Jahre später verordnete Odilo in seinem
0 Gesta epise. Camerac. III, c. 27: Postea vero suorum crebro horta-
mine circumventua, sed maxinie abbatwn, Leduini videlicet et Botrici, pre-
catu coactu8 adquievit invitvs.
>) Gaichenon, Bibl. Sebus. cent. II, 78; St 1810.
») Vgl. Richard S. 37 f.
172
Decret ttber die Allerseelenfeier: „Dass das Gedächtnis anseres
teuren Kaisers Heinrieh besonders gefeiert werde: wie wir es
ihm nach seinen Verdiensten schuldig sind, von ihm selbst be-
schenkt durch reiche Gaben.'' i)
Wohl etwas frtther als Heinrich, im Frühjahr desselben
Jahres, war Benedict den Weg alles Fleisches gegangen.^)
Sein Nachfolger Romanus, der sich Consul, Herzog und Se-
nator aller Römer nannte, gelaugte durch Geld zur Tiara.^)
Während Benedict in Gemeinschaft mit Heinrich IL die Griechen
in Unteritalien bekämpft hatte, scheint Romanus eine entgegen-
gesetzte Politik schon bei Lebzeiten des Bruders verfolgt zu
haben. Der Umstand, dass weder Melus, noch der deutsche
Kaiser ihre Herrschaft gebrochen, legte dem mächtigen Herrn
vielleicht die Notwendigkeit eines Parteiwechsels auf. Jeden-
falls hatte er kaum den päpstlichen Stuhl bestiegen, als man
von Verhandlungen der Griechen mit dem Papste hörte, welche
die Anerkennung des Titels Universalis fUr den byzantinischen
Patriarchen im Osten bezweckten.^)
Ein wahrer Sturm der Entrüstung ging durch die refor-
matorischen Kreise, Italien erhob sich ; Adressen über Adressen
flogen aus Frankreich nach Rom. Denn es bedeutete nichts
anderes als die Aufgabe des ersten Vorrechts der römischen
Kirche. Bischöfe und Aebte eilten herbei, um die Schmach zu
verhindern. Unter den Gegnern des Papstes war vornehmlich
Wilhelm von Dijon.^) Und in der That, wie musste nicht ge-
rade diese Partei sich entsetzen bei dem Gedanken, die Uni-
0 Statutum S. Odilonis de defunctis bei Migno, Patrol. lat. 142, 105S:
Necnon ut memoria cari fwstri imperatoris Heinrici cum eiadem prae-
cipue agatur, constituimtis, ut merito debemus, muUis ah ipso ditati opibus,
') Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom IV, 31.
») Vgl. Gregorovius IV, 32; Bresslau, Konrad IL II, 141; Gfrörer,
Gregor VII. VI, 215 flf. — Rod. Glaber, Bist. IV, 1: Ac licet pro tempore
phUargyi-ia mundi regina queat appeUari^ in Bomanis tarnen inexplicabile
cubile locavit
*) Rod. Glaber IV, c. 1 : quatenus cum consensu Romani pontificis
liceret ecclesiam Constantinopolitanam in «tto orbe^ siaU Romana in uni-
verso, universalem dici et haheri; ähnlich Bugo Flav. II, c. 17.
^) Bugo Flav. nennt auch Richard. Aber ihm, der in Anlehnung an
Rod. Glaber schreibt, ist gar nicht zu trauen. Er hat bei diesem von der
Entrüstung der kirchlichen Kreise gelesen und denkt natürlich, dass auch
Richard dabei gewesen sein müsse.
173
versalansprüche der römischen Kirche von ihrem Oberhaupt
selbst aufgeben zn sehen P) Wilhelm schrieb damals dem
Papste: ,Da kam ein Gerücht jüngst zu uns: wer sich darüber
nicht entsetzt, soll wissen, dass er von der Liebe des Höchsten
weit entfernt ist Denn wenn auch das römische Reich, das
einst die ganze Welt beherrschte, jetzt in den verschiedenen
Ländern durch unzählige Fürsten regiert wird, so ruht doch
die Gewalt, im Himmel und auf Erden zn lösen und zu binden,
kraft unverletzlichen Gnadengeschenks, auf der Herrschaft
Petri. ... Im übrigen wünschen wir auch, dass Ihr, wie es
dem universalen Papste ziemt, mit der Reform und Ordnung
der heiligen und apostolischen Kirche Euch lebhafter abgebt/ 2)
Den Gedanken der universalen Herrschaft;, auf dem das ganze
Gebäude beruht, darf die römische Kirche nicht aufgeben. Straffe
Führung der hierarchischen Zügel fordert er von dem Senator -
Papste, aber er verlängt auch eine Abstellung der simonistischen
Missbräuche, die diese Heiligkeit sich zu gestatten geruhte.
Wie bitter ist der Brief, in dem er die Geldgier des Tuscu-
laners angreift. „Haltet ein, haltet ein'S ruft er ihm zu, „die
Ihr heisset das Salz der Erde und das Licht der Weltl" Und
wie treffend heisst es dann mit Bezug auf die Zustände an der
Curie: «Wenn der Bach an der Quelle lau ist, so stinkt er
weithin in die Ferne." ^) Richard von St. Vannes soll unter
denen gewesen sein, die selbst nach Rom eilten, um dem
Papste Vorstellungen zu machen: es wird erzählt; dass seine
Bemühungen von dem besten Erfolge begleitet waren ^), aber
die Quelle dieser Nachricht ist wenig glaubwürdig. Besser be-
zeugt ist, dass Wilhelm den Dank Johanns für seine Er-
mahnungen empfangen habe.^)
Das Interesse, das das Mönchtnm an der Erhaltung und
Stärkung der römischen Universalgewalt hatte, kam also auch
hier zum Ausdruck.
^) Gfrörer, Eirchengesch. IV, 237 ff., wie immer zu den seltsamsten
Combinationen geneigt, sieht in jenen beiden Cluniacensem Werkzeuge
der deutschen Begierong.
«) Bod.Glaber IV, c. 1.
>) Budolfi y. Wilhelm! c. 10.
*) Hugo Flav. II, c. 17.
*) V.Wilhelmi c.l9.
174
IV.
Inzwischen hatte Abt Richard Gelegenheit gefanden, in
die klösterlichen Verhältnisse des Lütticher Bistums wirksam
einzugreifen. Es scheint, dass anch hier die Beziehungen Ger-
hards von Cambrai die Wege ebneten. Denn in Lobbes, einem
hart an der Grenze beider Sprengel gelegenen Stifte, dessen
Abtei Gerhard von Cambrai unterstand i), erschien Richard zu-
erst im September 1020, während der letzte Abt Ingobrand
seines Amtes entsetzt wurde ^) und bei Poppo von Stablo eine
Zuflucht für seine letzten Tage suchen musste.^) Es war Bischof
Wolbod von Lüttich, der in Gemeinschaft mit Gerhard von
Cambrai der Abtei Lobbes unter Richard eine neue, glänzende
Zukunft bereitete.^)
Derselbe Bischof bewies in seinen letzten Lebensjahren
seine Zuneigung ftlr die Verduner Schule noch bei anderer
Gelegenheit In Lüttich lag die St. Jacobsabtei unvollendet^),
deren Bau Bisehof Balderich im April 1015 oder 1016 be-
gonnen hatte und deren Crypta am 6. September 1016 ge-
weiht worden war.®) Erst die Anregung Heinrichs IL brachte
Wölbod zu weiterer Fürsorge fttr das angefangene Stift. Er
betraute Olbert von Gembloux, einen Geistlichen französi-
scher Bildung^), in dessen Kloster Mönche aus der Schule
Richards nicht fehlten^), mit der Einrichtung und Leitung der
Abtei. Und Olbert entledigte sich seines Auftrags, indem er
^) Vgl Richard von StVannes S. 51, n.2.
') Ann. Laub. 1020; die andern Quellen Richard S. 51, n. 3.
') Er starb hier 1030 nach den Ann. Laub.
*) Vgl. Richard S. 52.
^) V. Baldricl c. 31 : iUe parum huic loco constduit.
") Die Ann. S. Jacobi haben zu 1015: Baldericus epiacopus coenobivm
S. lacobi in insida VII. Kai Mali inchoatf cuius et criptam in hono^f
sancH Ändreae VIII. Idus Septembris dedicat. Die Grttndungsurk. vom
C. Sept. 10] 6, also vom Tage der Weihe bei Martene, Coli. ampl. I, 377;
Wanters I, 454. Hirsch, Jahrb. Heinrichs II. II, 197 setzt danach auch
den Beginn des Baues 1016. Indes sind die Ann. S. Jacobi vielleicht da-
hin zu verstehen, dass das Jahr 1015 sich nur auf den Beginn erstreckt^
die Weihe aber 1016 stattfand.
^) Vgl. Gesta abb. Gemblac. c. 26.
®) So war der Prior von Gembloux, Mysach, ein Schüler Richards;
vgl. Gesta abb. Gemblac. c. 47.
175
namentlich Mönche, die dem Abte von St. Vannes ihre Aus-
bildnng verdankten, hier ansiedelte. 9 Auch Wolbod gründete,
wie sein Vorgänger, in den letzten Lebensjahren ein Kloster,
St Lorenz. Konnte er seine Stiftung, so wenig wie Balderich
die seine, zum Abschluss bringen, so wandte er sich doch noch
kurz vor seinem am 21. April 1021 erfolgten Tode an den Abt
Poppe von Stablo mit der Bitte, die Fürsorge für die Abtei zu
ttbemehmen.^) Da diese aber weder vollendet, noch Mönche
angesiedelt waren, hatte Poppo zunächst keine Gelegenheit
einzugreifen 3), zumal Wolbods Nachfolger, Durand, die Stiftung
des Vorgängers mit noch geringerer Pietät behandelte, als
Wolbod die Balderichs. Bei Baginars Amtsantritt, auf dem
der Vorwurf der Simonie lastete, fühlte sich Poppo endgültig
veranlasst, auf das Kloster zu verzichten.
Die Stellung dieses Kirchenfürsten zur Klosterreform wird
ganz klar, wenn man sein Verhalten St Lorenz und Lobbes
gegenüber betrachtet Gegen die Klosterzucht an sich oder
die neuen Gewohnheiten hätte gewiss kein Bischof etwas ein-
zuwenden gehabt Was aber die Bedenken und den Wider-
stand mancher von ihnen hervorrief, war das Streben nach
Autonomie, das die cluniacensisch-lothringische Richtung aus-
zeichnete. In Deutschland waren bisher die Klöster der Juris-
diction der Bisehöfe in allen Punkten unterworfen gewesen,
während die Klosterreformatoren mit der Forderung möglichst
grosser Freiheit auftraten und durch die Vereinigung mehrerer
Klöster verschiedener Sprengel unter einem Abte die Ge-
schlossenheit der Diöcesanrechte durchbrachen. Es war das
einer der Gründe, weshalb im inneren Deutsehland die Ein-
wirkung der lothringischen Richtung einfach unmöglich wurde.
Auch Raginar sah es offenbar nicht gern, dass ein Abt,
wie Richard, über Klöster seiner Diöcese herrsche. Als daher
auf Andrängen des Grafen Hermann von Enham ein Verduner
Mönch, Stephan, als Untergebener Ricl^ards von St Vannes
0 Gesta abb. Gemblac. c. 35: ex disciplina abbatis Richardi; nach
den LUtticher Quellen beruft Balderich den Abt; vgl. Hirsch, Jahrb. Hein-
richs U. II, 198, n. 1.
*) Ladewig, Poppo von Stablo S. 58.
') Er war nur vorläufig mit der FUrsorge betraut worden; vgl. die
Stellen: Richard von St Vannes S. 56, n. 2.
176
mit seehs Mönchen angekommen war and die Leitung von
St Lorenz ttbemommen hatte, benatzte Raginar die Abwesen-
heit des Verdoner Abtes, der sieh auf der Pilgerfahrt befand,
am ihn am 1. November 1026 zam Abt weihen za lassen.^)
Was half der Zorn Richards über den anbotmässigen Schttler!
St. Lorenz blieb verloren, and die Spannang zwischen ihm and
dem Bischöfe von Lüttich vergrösserte sich derartig, dass er
im Jahre 1032 sogar ^) die Leitang von Lobbes, dem er zwölf
Jahre vorgestanden hatte, aafgeben masste.
Aber Raginar war nichts weniger als eine religiös indiflfe-
rente, den Reformwirkangen feindliche Natar. Er bereute sein
Simonistisches Vergehen aufrichtig. In Lobbes machte er, ge-
naa wie in St. Lorenz, den bisherigen Propst Hugo zum Abt,
von dem er in erster Reihe erwarten durfte, dass er in den
Fasstapfen Richards wandle.^) St. Jacob weihte er am 25. Juli
1030.^) Und das Lorenzkloster hatte keinen wärmeren Freund
als ihn. Er förderte den Bau mit Hilfe Olberts von St Jacob so
eifrig, dass er im November 1034 an die Weihe gehen konnte,
die er in Anwesenheit des päpstlichen Legaten Johann von
Porto ^), des Erzbischofs Pilgrim von Köln, der Mitglieder des
Ardennerhauses, der Grafen von Looz und des Abtes Poppo von
Stablo mit grossem Pompe vollzog. Dass Poppo zugegen war, der
jenes Kloster gerade bei Raginars Regierungsantritt aufgegeben
hatte, dass dieser in väterlicher Fürsorge sein ganzes Leben
lang dem Abte Stephan in religiösen und wirtschaftlichen
Pflichten zur Seite stand, beweist zur Genüge, dass der Bischof
nur die rechtlichen Consequenzen und die fremden Ein-
mischungen ablehnte, zu denen das Auftreten eines Mannes
wie Richard führte.
0 Die Begründang dieser Darstellung Richard von St. Vannes S. 56 ff.;
von Ladewig S. 55 ff. missverstanden.
>) y. S.Theoderici Andag. c. 10; Ann. Laub. 1032; vgl. Richard S. 52,
n. 5, was ich gegen Bittner, Wazo und die Schulen von LUttich S. 36 vor-
gebracht
») V. S. Theoderici c. 10.
*) Lamberti Parvi Ann. 1030.
^) Vermutlich hat seine Anwesenheit, die in allen Urkunden vom
Tage der Weihe erwähnt wird, die Erzählung von Raginars rOmischer
Reise hervorgerufen. Dass sie wahrscheinlich nie stattfand, vgl. bei Bress-
lau, Jahrb. Eonrads IL II, 2S1, n. 6.
177
Aehnliche Motive scheinen für das Verhalten Raginars
bezüglich der Reform von St. Trond massgebend gewesen zu
sein. Schon vor Jahren war Foppo von Stablo von dem Bischöfe
von Metz nach diesem Kloster bemfen worden, das zwar in
der Ltttticher Diöcese lag, aber der Metzer Kirche gehörte.
Während der bisherige Abt von St Trond in der GefaDgenschaft
des Bischofs Theoderich schmachtete, hatte der Abt von Stablo
die verwaiste Abtei im Auftrage des Metzer Bischofs durch
Pröpste regieren lassen.^) Man begreift, dass Ragiuar von
Lüttich eine derartige Einmischung hier so wenig wie in
Lobbes und St. Lorenz ertrug und nicht eher ruhte, als bis
Abt Adelhard freigelassen, in seine alten Ehren eingesetzt
und noch reichlich entschädigt worden war. Erst im Jahre
1034, in demselben Jahre, in dem Poppe der Weihe von
St Lorenz beiwohnte, angeblich nach Adelhards Tode 2), wurde
Guntram, ein ehemaliger Mönch des hl. Trudo, den Poppe
nach Hersfeld geschickt hatte, auf Anregung der Kaiserin dem
Kloster St Trond vorgesetzt und in Lüttich geweiht.^) Die
Sache lag jetzt anders als früher; nicht der Reichsabt von
Stablo, sondern ein selbständiger, dem Ltttticher Bischöfe un-
mittelbar unterstehender Abt leitete nunmehr das Trudoskloster.
V.
Poppe hatte kaum die Leitung von Stablo übernommen,
als der Bischof von Metz auf ihn aufmerksam wurde. Wir
kennen die Entstehungsgeschichte dieses von Theoderich L ge-
*) Gesta abb. Trudon. c.5, SS. X, 230 ff.; vgl. Ladewig S.57— 61;
Bresslau, Konrad II. II, 280. Sehr zweifelhaft ist die Identifiziening des
V. Popp. c. 19 genannten Klosters Villarium, dem Foppo angeblich den
Tbeoderich vorsetzte, mit St. Trond, wie Ladewig will. Der Ort, an dem
St. Trond erbaut war, hiess Sarchinium.
>) Merkwürdigerweise wird in demselben Jahre ein Adelhard von
St Trond Abt von St. Hubert; vgl. Chron. S. Huberti, SS. Vm, 571: «mc-
cessit (1034) ei domntis Adelardus a Ragina/rdo episcopo ecclesiae aancti
Huberti abbcis ordinatWf qui fuerat monasterii sancti Trudonia scholasti-
CU8 et thesaurariua. Die Uebereinstimmung im Namen nnd in der Zeit
ist so auffallend, dass trotz der entgegenstehenden Bedenken die Ver-
mutung erlaubt ist, dass beide Adelhard identisch sind.
*) Gesta abb. Trudon. c. 7. Ein S. Guntramni findet sich in einer Urk.
von St Trond vom 8. Dec, Sonntag, die freilich ins Jahr 1000, 1017 oder
1023 gehören kann.
S»cknr» Clnniaoenier. n. 12
178
gründeten Klosters, das beim Tode des Stifters unvollendet
zurttekblieb and ohne die erforderlichen Hilfsmittel, nm es in
den folgenden stürmischen Zeiten zn vollenden.^) Indes mit
dem Jahre 1018, in dem wir Theoderich IL nach langem Zwiste
wieder am Hofe des Kaisers finden '), hörte dieser unerträgliche
Zustand auf, und mit dem Frieden zog auch wieder eine gott-
erfülltere Stimmung in die Seele des Kirchen fttrsten. Wie und
wo sich der Bischof an Poppo wandte, ist unbekannt^), ebenso
wenig in welchem Zustande die Congregation sieh befand, noeh
ob überhaupt zur Zeit eine existierte. Wahrscheinlich ist, dass
damals überhaupt erst Mönche nach St. Vincenz gelegt wurden,
welche einen festen Besitzstand zugewiesen erhielten, wie der
Gründer der Abtei ihn zusammengebracht hatte. Eine l^olge
der reformatorischen Thätigkeit Heribrands — denn so hiess
Poppos Schüler — war es nun auch, dass der Ausbau des
Stiftes wieder in Angriflf genommen und dieses am 14. Mai 1030
geweiht werden konnte.^) Wohl Anfang der vierziger Jahre
starb der Abt. Auch sein Nachfolger Folcnin entstammte Poppos
Schule. Er war mit seinem Bruder Mysach von Kind auf in
Gembloux unter Olbert erzogen worden. Folcuin hatte Poppo
dann seiner gelehrten Kenntnisse halber zum Leiter der Schule
nach Stablo berufen^), während Mysach nach St Vannes zog,
um dort von Abt Richard in den klösterlichen Disciplinen sich
unterrichten zu lassen.*) Beiden Brüdern war eine erfolgreiche
Zukunft bestimmt. Ersah Poppo Folcuin, dessen Fähigkeiten
er schätzen gelernt hatte, zum Abte von St Vincenz ^), einem
Amte, das er bis zu seinem Tode getreulich ftlhrte, so über-
nahm Mysach nach Olberts Tode die Leitung von Gembloux,
so dass wir nun die Vertreter der Richtung Richards in dem
Kloster an der Maas erblicken.
») S. S. 122.
*) Hirsch, Jahrb. Heinrichs U. lU, S. 64, n. 1.
') Vgl. jedoch Ladewig, Poppo S. 90.
«) Sigeberti V. Deod. c.23; Ann. Mett breves 1080, SS. HI, 155; Ann.
S. Vincentii 1030. Die Grossartigkeit der Bauten und die zahlreichen Re-
liquien rühmt auch Alpertus de episc. Mett, SS. IV, 699.
<^) Gesta abb. Gemblao. c 47, SS. VIII, p. 542.
<) S. oben S. 174, n. 8.
^) Besondere Privilegien verlieh am 2. Nov. 1050 Leo IX. dem Abte
von St Vincenz; J.-L. 4242.
179
Wohl wenig später, als der von Metz wandte der Bisehof
Adalbold von Utrecht, der in seinen letzten Lebensjahren mehr
und mehr von mönchischen Anschauungen erfttUt wnrde, sich
an den Abt von Stablo mit dem Ersuchen, die Leitung des
Klosters Hohorst zu ttbemehmen.^) Poppo aber behielt das
Kloster nicht, sondern übertrug den Abtstab einem seiner
Mönche, Heriger. Nach seinem Tode gab er der Abtei zwei
Aebte, die abwechselnd die Herrschaft führten. Nicht lange
nach Poppos Eingreifen zog sogar der gelehrte Bischof selbst
auf Zureden desselben Abtes das Möncbskleid an, indem er ihm
die Verwaltung des Bistums übertrug. Aber vermutlich geschah
das zu einer Zeit, als Poppo sowohl in politischen, wie klöster-
lichen Geschäften sich viel bewegte; denn obgleich Adalbold
die Klostergelübde abgelegt und das Mönchskleid genommen
hatte, so musste er doch das bischöfliche Amt auf Poppos
Forderung wieder übernehmen, und er führte es auch bis zu
seinem am 27. November 1026 erfolgten Ende ^) in der Kutte
weiter. Man hat vermutet, dass er vielleicht während seiner
mönchischen Zurückgezogenheit seinen Commentar zu Boethius
verfasste.')
In den drei lothringischen Bistümern Lüttich, Metz und
Utrecht wirkte also der Abt von Stablo zuerst disponierend
und reformierend. Einen ungeahnten Aufschwung erlebte seine
Thätigkeit aber erst durch die engen Beziehungen, in die er
zum Hofe trat. Von besonderer Bedeutung nach dieser Rich-
tung war die Uebernahme des Reichsklosters St. Maximin bei
Trier, die noch in die letzte Zeit Heinrichs IL fälli^)
Im Anfange des zehnten Jahrhunderts einer Reform unter-
worfen^), hatte die Abtei mit Hilfe der Ottonen und durch
>) y. Popponis c. 10. lieber die Lage des Klosters vgl. Ladewig
p.66, n. 3. Moll, Kerkgeschiedenis van Nederland II, 1, 57 nennt das
Kloster, in das Adalbold sich zurückzog: HeUigenberg bij Amersfoort.
Eine Lebensbeschreibung des Bischofs giebt Moll, Bisschop Adelbolds
Commentar op een metmm van Boethius in Kerkhistorisch Archief ver-
zameld door N. C. Kist en W. Moll III, Amsterdam 1862.
') Bresslau, Konrad II. I, 204, n. 5.
') Moll in Kerkhistorisch Archief a.a.O. p. 177.
0 Sie erfolgte wahrscheinlich 1028; vgl. Ladewig S.76.
*) Necrol. S. Maxim., Hontheim, Prodromus II, 966: VII. Kai. Febr.
Ogo abbaa huitu loci, postea Tungreims episcopua, qui hoc monaaterium
12*
180
ihren Reiehtum sich wieder zu einer glänzenden Stellung em-
porgeschwungen. Sehr oft finden wir die Aebte an den Höfen
der sächsischen Kaiser, wo sie mit Erfolg gegen die Landes-
gewalten ihre unmittelbare Stellung und die Reichsfreiheit ihres
Besitzes verteidigten.^) Unter Heinrich IL war endlich das Abt-
gut — den Besitz, welcher lediglich fttr den Unterhalt der
Brttder bestimmt war, also abgerechnet — ins ungemessene ge-
stiegen. Da erfolgte ein Schlag. Heinrich II, in seiner ganzen
Klosterpolitik darauf bedacht, die Stiftsgüter dem Reichsfiscus
dienstbar zu machen, bewilligte zwar der Abtei die Freiheit
von jedem Kriegszuge und königlichen Dienste, aber er nahm
gegen Ende 1023 dem alten Abt Haricho, der nicht im stände
war, die Reichspflichten im Kriege und Frieden voll zu er-
füllen, alles weg, was nicht dazu diente, die Mönche zu er-
halten, und gab es dem Herzog Heinrich, Pfalzgraf Ezzo und
Graf Otto zu Lehen, die für den Abt die Heerespflicht über-
nahmen.^) Als nun gar Haricho aus dem Leben schied, erhielt
der Abt von Stablo die Abtei zur Reform. Mit Widerwillen
wurde er natürlich von den Mönchen aufgenommen, die sogar
vor einem Mordversuch nicht zurückschreckten.^) Aber er hielt
sich, wusste durch Konrad II. eine Bestätigung der gebliebenen
Besitzungen und Rechte zu erlangen^), und wenn auch dieser
Kaiser^), sowie sein Nachfolger®), noch später die Hand nach
dem verlockenden Klostergut ausstreckte, so waren es doch
nur unbedeutende Einbussen, welche der Abtei auferlegt wur-
den und endlich zu einem gänzlichen Verbot Heinrichs III.^)
a fundamentis reparavit et locwm pene peasumdatum renovavit et numervm
fratrvm ad LX et rdigionem ampUavit; Necrol. Eptem., N. Archiv XV,
138. Das Verzeichnis der Mönche SS. XIII, 302.
0 St. nr. 27. 185. 229. 240. 354. 392. 393. 393 «. Die Urk. von 962
(St. 800; DO I, nr. 442) ist unecht
») ürk. V. 30. Nov. 1023, Beyer, Mittelrh. ürkb. I, 300. Unecht, aber
wohl zum 7eü auf echter Vorl^^e beruhend. Die Hufenzahl 6656 von
Lamprecht, D. Wirthschaftsleben I, 703 bestritten.
■) V. Popp. c. 16: Biennium iam effiuxercUj Hierichonique Treviren-
sium abbati apud sanctvm Maximinwn, praefato iubente imperatore,
succesHt.
*) Am 11. Jan. 1026, Beyer I, 801.
«^) Vgl. Ladewig, Poppo S. 78.
<) Ebenda S. 85.
^) Beyer I, 888. Urk. Heinrichs vom 21. Jan. 1051 ; St. 2396.
181
und Leos IX.^) führten, das PfründeDgat der Mönche anza-
greifen.
Dass Poppe bald den grOssten Teil der Mönche fttr sieh
gewann — seine Widersacher starben angeblich innerhalb
eines Jahres 2) — , vermag man daraas zn ersehen, das er als-
bald von St Maximin ans die neuen Satzungen in andere
Stifter zu übertragen vermochte. So war in dem Trierer
Kloster St Encharias und St. Mathias am 22. October 1023
Abt Richard gestorben, was Poppe veranlasste, einen seiner
Mönche, Bertnlf, hinzusenden 3), unter dessen Amtsftihrang das
Stift sich^der Gunst des Markgrafen Adalbert und seiner Frau
Jutta erfreute. Beide schenkten Landbesitz und Zehnten mit
dem ausgesprochenen Wunsche, dass ihr Andenken und das
der Verwandten in Ewigkeit gefeiert wtlrde.*)
Um dieselbe Zeit bezeigten Adalbert und Jutta noch in
anderer Weise ihre Neigung fttr die durch Poppe eingeführte
Reform. Während der Graf nach Jerusalem zog, um sich vom
Patriarchen die nötigen Reliquien zu verschaffen, wurde auf
seinem Grund und Boden zu Busendorf in der Metzer Diö-
eese ein Kloster angelegt^), dessen Bau unter der Leitung
seiner Gemahlin fleissig gefördert und endlich am 31. Januar
1033*) — wenigstens zum Teil — durch Bischof Theoderich II.
geweiht wurde. Auch hier ernannte Poppe einen Abt, namens
Cono^), der den Grafen am Tage der Consecration zu einer
Dotationsurkunde fttr die Abtei bestimmte.*)
Aus St Maximin stammte jener Humbert, der 1027 oder
1028 Abt von Echternaeh, einem in unmittelbarer Nähe von
») Beyer 1,386; J.-L. nr.4251.
*) V. Popp. c. 17.
') Ann. S. Eacharii, SS. V, 10; V. Popp. c. 19; Lesser, Poppe von
Trier, Leipzig 1888, S. 64.
*) Beyer I, 355; über die anechten Schenkungen des Adalbero von
St. Panlinns vgl. Lesser S. 74 ff.
^) Notitia fundationis monasterii Bosonis-Villae I, SS. XV, 2, 977.
«) Notitia IL HL a. a. 0. p. 979.
') V. Popp, c. 19; nach der Not I. setzte Adalberts Sohn, Graf Ger-
hard, der 1034 dem Vater folgte, den genannten Abt ein. Vgl. indes be-
züglich der Unzaverlässigkeit der chronologischen Angaben die Noten
Holder-Eggers.
•) Not. n. III. a. a. 0.
182
Trier liegenden reichsfreien Kloster, wurde. Das Stift, welches
das zehnte Jahrhundert hindurch unter der Herrschaft der
Grafen von Luxemburg gestanden hatte, erfuhr zuerst 973 die
Benedictinerreform, als auf den Antrag des Grafen Sigfried Kai-
ser Otto die Einführung von Mönchen befahl. Ihr Abt wurde
Bavanger.^) Auch Otto III. machte der Abtei Zuwendungen,
indem er ihr das Münzrecht und verschiedene Schenkungen zu
Theil werden liess. Indes war sowohl das geistliche Leben,
wie der materielle Wohlstand nicht gut gediehen. Denn wenn
auch Abt Arnold 1016 einen neuen Klosterbau begann, so er-
regte sein unsittlicher Lebenswandel doch so viel Aergemis,
dass er von Konrad IL abgesetzt wurde und an sSne Stelle
eben jener popponische Mönch von St Maximin trat.^) Aber
Humbert hatte schwer mit der Unzulänglichkeit der Mittel im
Kloster des hl. Willibrord zu kämpfen, die in ihrer Gesamt-
heit kaum für den Unterhalt genügten, geschweige nach ihrer
Zerstückelung durch den benachbarten Adel. Es ist bezeich-
nend, dass der Abt sich nicht an den Kaiser um Abhilfe
wandte, sondern an Gisela, die immer barmherzige Kaiserin,
indem er bat, ihn bei der Wiedererlangung der entrissenen
Hufen zu unterstützen.^) Die begonnene Abtei führte Humbert
zu glücklichem Ende, liess sie am 19. October 1031 durch den
Erzbischof von Trier weihen und schmückte sie mit Bildern
und Malereien; das Analogium aber zierte er mit Silber.^)
Dass die Klöster des engeren Trierer Sprengeis von
St. Maximin ihre Aebte erhielten, ist fast selbstverständlich.
Aber auch in die Kölner Diöcese zog jetzt ein Mönch der ge-
*) ürk. V. 1 5. März, DO I, nr. 427; St. 524 : prefieientes ei venerabileni
virum Eavengerum abbatetn. Er starb am 14. August, Necrol Eptemac,
N. Arch. XV, 135.
^) Catal. Eptemac., SS. XIII, 739 : tandeniqtie propter incontinentiuni
corporis est depositua locumque regiminis suscepit abbas Humbertus, ex
monasterio sancti Maocimini assumptua; vgl. Necrol. Eptemac., N. Arch.
XV, 135; 11. Id. Aug. domnus Humbertus predicand^ memoria presbiter
et abbcis et constructor sanct^ religionis huius loci.
B) Brief Humberts an die Kaiserin Gisela bei Mone, Anzeiger fUr
Kunde D. Vorzeit 1838, S. 205; N. Arch. III, 324. lieber die Datierong vgl
Ladewig S. 87.
*) Catal. Eptemac. a. a. 0.; Ladewig S. 87; Lesser S. 34.
183
nannten Abtei, EIlo, der die neu gegründete Stiftang Brauweiler
übernahm. Das Kloster war 1024 oder 1025 dnreh den Pfalz-
grafen Ezzo, den wir unter den Lehnsträgern des Abtes von
St Maximin gefunden hatten, einen Verwandten des Kaiser-
hauses, und seine Gemahlin Mathilde gestiftet worden. Der
Erzbischof Pilgrim unterstützte das Unternehmen des Paares
und wies dasselbe an Poppo von St. Maximin, der sieben ver-
trauenswürdige, geeignete Männer abordnete. ^ Nach fünf Jah-
ren — Mathilde erlebte die Vollendung ihrer Schöpfung nicht
mehr — ward das Werk zu Ende geführt. Poppo liess nach
der am 8. November, vermutlich im Jahre 1030 2), erfolgten
Weihe einen Maximiner Mönch EUo zurück 3), der durch den
Erzbischof Aribo ordiniert wurde; schon war die Zahl der
Mönche auf sechzehn gestiegen. Auch Ezzo überlebte den
Festtag nur um vier Jahre. ^) Indes übernahm die Familie der
Gründer weiter die Förderung der Abtei, und als im Jahre
1048 ein neuer Klosterbau durch EUo unternommen wurdet),
da bestritt eine Tochter des Pfalzgrafen, die Königin Richiza
von Polen, die Kosten.») Das Kloster blieb in der Herrschaft
des Erzbischofs von Köln, ein Bechtsverhältnis, das sowohl
Leo IX, als Heinrich III. bestätigte.^)
Während Poppo von St. Maximin aus die umliegenden
Klöster neu einrichtete, war im deutschen Reiche ein Thron-
wechsel erfolgt, der fttr die Fortschritte seiner Bestrebungen
von der grössten Bedeutung war. Der Reichsabt von Stablo
und St Maximin wurde eine wichtige politische Persönlichkeit;
die Dienste, die er dem Kaiser leistete, nötigten diesen, den Re-
formtendenzen, die bisher auf die westlichen Marken beschränkt
waren, auch das innere und obere Deutschland zu eröflfnen.
0 Brunwilarensis monast. fundat actus c. 14, SS. XIV, 138.
8) Ib. c. 17, p.l35; Ann. Brunwilar. 1028, SS. XVI, 725: Aedificatio
aecclesiae in BrumoiUre. Damit wird jedoch nicht, wie Waitz wohl irrig
annimmt, das Jahr der Weihe gemeint sein.
*) Ann. Branwil. 1030: Ordinatio abbatis EllonU.
♦) ib. 1034.
») ib. 1048.
«) Brunwil. fundatio c. 28, p. 130.
') ib. c. 30.
184
2. Konrad IL
L
Worden mit der Erhebong des RomanoB auf den römischen
Stahl mit einem Male die Hofihnngen zerstört, die man an die
reformatorische Wirksamkeit Benedicts VIIL knüpfen konnte,
so schien der ganze Beformplan in nichts zn zerfallen, als
anch der Kaiser, der letzte seines Geschlechtes, dahin ging
nnd die Sorge nm das verwaiste Reich alle andern Interessen
in den Hintergmnd driingte. Der Ehrgeiz manches Fürsten
erhielt nenen Ansporn«*) Aber ernstlich kamen doch von vorn-
herein nnr die beiden fränkischen Vettern in Frage, Nach-
kommen einer Tochter Ottos des Grossen, nnd deswegen ge-
eignet, das nene Königtum an die alte Dynastie anzuknüpfen.
Wenn nnn die Grossen des Reiches sich für den älteren von
ihnen entschieden^), so hat ausser den höheren Jahren, der
anerkannten Tagend und Gerechtigkeit des Mannes vielleicht
anch der Grund sie geleitet, dass er im Gegensatz zu dem
reich begüterten und gefttrchteten Vetter die geringere Haas-
macht sein eigen nannte.') Nur die uncanonisehe Ehe Kon-
rads erregte Anstoss bei den Bischöfen *\ und Aribo von Mainz
mnss seiner ganzen Vergangenheit nach zuerst an der Spitze
der Opposition gestanden haben.
Schliesslich waren doch nur die oberlothringischen Herzöge
auf Seiten des Rivalen, ihres Verwandten, des jüngeren Konrad.
Gozelo von Niederlothringen hat oflfenbar eigensüchtige Pläne ver-
folgt, wie später beim Antritt Heinrichs III,^) und scheint dem
Wahlfelde ferngeblieben zu sein. Jedenfalls verband er sich nun
^) Bresslan, Konrad IL 1, 11.
*) Die Person des zu Wählenden stand natürlich fest, bevor Aribo
seine Stimme abgab (vgl Wipo c. 2 : ufide iam nutum Dei principwn
cordibuB inspirari percepit).
>) Vgl. Wipo c. 2.
*) Rod. Gl. IV, c. 1.
^) Ich vermag weder einen principiellen Gegensatz zwischen Pilgrim
und Aribo, noch eine Verbindung zwischen Pilgrim nnd den Lothringern
auf der einen, den Cluniacensem auf der andern Seite zu erblicken. Dass
Gozelo bei Konrads Tode anfangs wieder Heinrich III. die Huldigung
verweigern wollte, beweist, dass ihn, unabhängig von der Person des ge-
wählten Königs, ganz bestimmte politische Pläne leiteten.
185
mit Herzog Theoderich, sowie Bainer von Hennegaa und Bal-
dain Ton Flandern und verpflichtete die ihm untergebenen Bischöfe
eidlich, nur mit seinem Willen zu Konrad zu gehen oder ihm zu
huldigen: eine Agitation, die wohl schon vor der endgültigen Ent-
scheidung begonnen hatte.O Die lothringischen Bischöfe befan-
den sich unter dem Zwange ihres waffengewaltigen Herrn und
konnten sich dem Druck um so schwerer entziehen, als die
Verbindung mit Frankreich, in die der lothringische Adel
wieder einmal trat, immer bereit, die Trennung vom Beiche zu
vollziehen oder im Trüben zu fischen, sie in erster Beihe den
Belästigungen westfränkischer Heere auszusetzen drohte.^) Dass
den Bischöfen bezüglich der Politik der Lothringer keinerlei
Führung zukam und kirchliche Gesichtspunkte somit nirgend
in Frage standen, wird einfach dadurch bewiesen, dass sie die
ersten waren, die bei guter Gelegenheit sich von der Sache
ihrer Fürsten trennten und froh, einer bedenklichen Zwangs-
lage entronnen zu sein, dem neuen Könige huldigten.^)
Inzwischen hatten aber die Italiener, sicher bald nach dem
Tode Kaiser Heinrichs, den Abfall der Lombardei ins Werk
gesetzt, und zuerst Bobert von Frankreich, dann Wilhelm von
Aquitanien durch das Angebot der lombardischen Krone für
^) Gesta episc. Camerac. III, c.50. Ich beziehe die Stelle auf die
Bischöfe von Cöln, Verdun, Utrecht, LUttich und Noyon. Letzterer ist
identisch mit dem Bischöfe von Toumai. Tonmai steht unter Flandern,
dessen Graf eben damals mit den Lothringern sich verschwor. Es liegt
hart an der Grenze des niederlothringischen Herzog^ms und ist gerade
um diese Zeit ans den Gesta Camerac. in Beziehungen zu Gozelo und
Cambrai nachzuweisen. Wenn der Bischof auch nicht mit Balduin auf
dem Wahlfelde zu erscheinen hatte, so musste doch Gozelo und Balduin
daran liegen, den Kreis der Verschwörer zu schliessen und einen etwaigen
Verrat von rückwärts zu verhindern. Vermutlich fand eine Zusammen-
kunft dieser Herren statt (in Toumai?), nachdem der Erzbischof von
Köln, Herzog Friedrich und andere Lothringer unzufrieden das Wahl-
feld verlassen hatten. Der Erzbischof von Köln gehörte zu denen, die
nach den Gesta Camerac. durch den Eid abgehalten wurden, Konrad zu
huldigen. Auf der andern Seite ist er der erste gewesen, der zu ihm*
überging, da er vierzehn Tage nach der Wahl bereits die Königin Gisela
krönte. Dass Gozelo erst nach der Wahl bei allen herumreiste, erscheint
mir demnach schwer glaublich.
') Das geht ganz klar aus den Gesta episc. Camerac. III, c. 50 hervor.
') Gesta episc. Camerac. III, c. 50.
186
sich zu gewinnen gesucht.*) Während dieser in Oberitalien
intriguierte, boten sich ihm die. Lothringer von selbst als
Bandesgenossen dar. Die nahe Verwandtschaft, die König
Robert mit Theoderich von Oberlothringen verband, erleich-
terte jedenfalls die Verbindung der Gegner Konrads, eine
Coalition, so weitreichend und gefährlich, wie sie selten einem
deutschen Könige sich entgegenstellte.^)
Nirgend ist ersichtlich, dass andere als politische Com-
binationen diesmal, wie in anderen Fällen, dem Abfall der
Lothringer zu Grunde lagen und dass der Gegensatz gegen
die Partei Konrads IL durch kirchliche oder religiöse Motive
bedingt war: wissen wir doch, dass selbst ein Mann wie der
Reichsabt von Stablo und St. Maximin über den neuen Herr-
scher noch keine Meinung gefasst hatte.^) Auch Odilo von
Gluni, der der Krönung in Mainz, wahrscheinlich bereits der
Wahlberatung in Kamba beigewohnt hattet), zögerte nicht, den
0 BreBslau I, 7S.
>) Vgl. den Brief Fulcos von Anjou an König Robert, HF X, 500:
Nunc ergo mandat (Wilhelm) vobis, postidans suppliciter gratiam vestramf
ut detineatia homines de Lotharingia et Fredericum ducemj cAque alioSj
q\u>8 poteritiSy ne concordent cum rege ConOf infUctendo eo8 quantum qui-
veritis ad auxilium eius. Die Verbindung mit Frankreich geht aach aus
Gesta episc. Camer. III, c. 50 und Chron. S. Michael, c. 1 1 hervor, wo erzählt
wird, dass Herzog Theoderich von Oberiothringen den Münch Nanther
ad quoscumque regni principes dirigebat legatuMy et maxime ad consobri-
num suum regem Francorum, quoniam noverat eum in reaponsis acutissi-
mum et linguae Gaüicae peritia facundüsimum, Waitz setzt die Abtwahl
Nanthers wahrscheinlich zu früh, auf ca. 1020, an.
') y. Popponifl C.30: Sed et ipse animum regia nuper ordinati, de
quo nihil adhuc certum statuerat, prudentia et aanctitate ad amo-
rem sui comparavit etc.
^) Vgl. Bresslau, Konrad II. I, 34. Man wirft übrigens die Frage auf,
ob Odilo ein Recht hatte, bei der Wahl seine Stimme abzugeben oder
nicht Die Frage ist darum unerheblich, weil der Hauptact der mittel-
alterlichen Wahl in der Vorberatung liegt, zu der angesehene Personen
jeder Art und Nationalität herangezogen werden konnten. Ich möchte
AUS der Thatsache, dass Aribo von Mainz schliesslich für Konrad IL
stimmt, nicht einmal den Schluss ziehen, dass er auch bei der Wahl-
beratung von vornherein (vgl. S. 184) für ihn eingetreten ist, und um so
weniger die Folgerungen annehmen, die an die Rivalität Aribos und
Pilgrims geknüpft werden, als letzterer vielleicht nur unter dem Drucke
der lothringischen Herzöge handelte. Es ist übrigens wichtig, dass auch
187
nenen König nm die BestätigiiDg der elsässischen Besitzangeii
von Peterlingen zu ersnchen, und somit für seine Person den
Gandidaten Aribos anzuerkennen: ein Beweis fttr die völlige
Gleichgültigkeit der kirchlichen Gegensätze, die Aribo und
Odilo sonst trennten, in dieser Sache. Er hatte es eilig gehabt
mit seinem Erscheinen am deutschen Hofe, aber auch nach
Heinrichs IL Wahl liess er ein Jahr nur verstreichen, bis er
dem Könige die Privilegien von Peterlingen vorlegte. Es ist
begreif lieh, dass Odilo bei der Wichtigkeit des Thronwechsels,
besonders für die Geschicke des burgundischen Königreichs, es
für erwünscht hielt, die Dinge in der Nähe anzusehen, dass er
von den französisch-italienischen Umtrieben bereits unterrichtet,
die Notwendigkeit erkannte, sich den Schutz des Königs für
sein Stift zu sichern: seine Anwesenheit kann aber bei dem
Mangel an Nachrichten zu weiteren Folgerungen betreffs der
Parteiconstellation kaum Anlass geben.
Die Goalition der Feinde Konrads zerfiel, nicht aus Rück-
sicht auf Odilo oder weil er den Frieden vermittelte, sondern
vermutlich deshalb, weil Robert H. vor dem geplanten Angriff
zurückschreckte und nach der Befestigung der königlichen Herr-
schaft die lothringischen Fürsten die Bischöfe nicht länger von
dem Uebergang auf die Seite des Siegers zurückhalten konnten.
Pilgrim von Köln unterwarf sich als einer der ersten und lief
jetzt, schlau genug, durch die Krönung der Gisela dem Rivalen
Aribo den Rang ab. Nur der Druck der Herzöge und die
Furcht vor Frankreich hatten den grössten Teil des Episco-
pats zum Anschluss an die Gegner Konrads gezwungen. Aber
Gerhard von Gambrai, jener reichstreue Kirchenfürst, und Poppo
von Stablo hatten es verstanden, eine neutrale Haltung zu
bewahren. Sie erschienen jetzt besonders geeignet, zwischen
den Fürsten und Konrad die Versöhnung her beiz uflihren^), die
zu Weihnachten des Jahres 1025 die letzten Verstimmten dem
Salier näherte.^)
Zeigen die Gegensätze, die bei der Erhebung Konrads
hervortraten , keineswegs eine entscheidende Beeinflussung
bei der Erhebung Heinrichs IL der Kölner Erzbischof auf Seiten der
Gegner steht.
0 V. Popp. c. 30; Gesta episc. Camerac. III, c 50.
>) Bresslau, Konrad II. 1, 112.
188
dnreh fraozÖBisch-lothringische Reformideen, so tritt das da-
niacensische Element in der Opposition gegen die nncanonische
Ehe Konrads noch viel weniger hervor.^) In Frankreich war
zwar die Bewegung gegen Verwandtenehen, fttr die König
Robert selbst das Beispiel gegeben hatte, fast noch allgemeiner
als im Reiche. Es lässt sich weder verkennen; dass Abbo von
Flenry, freilich im Dienste der Curie, den Sohn Hngo Capets
einst heftig angegriffen hatte, noch dass Rodnlfus Glaber sich
in der Beschimpfung der uncanonischen Ehe Konrads gar nicht
genug thun kann. Aber der beschränkte Klosterbruder kann
den Kaiser, der mit des Teufels Hilfe in kurzer Zeit ganz
Deutschland und Italien unterworfen hat^), überhaupt nicht
leiden. Die Züchtigung der lombardischen Markgrafen, die
dem Abte von Dijon so nahe standen, hat offenbar eine feind-
selige Stimmung in den Klöstern Wilhelms gegen Konrad her-
vorgerufen, und Rodulf Olaber hat mit der ganzen Beschränkt-
heit seines Verstandes diesem Hass jeden Augenblick den
crassesten Ausdruck gegeben. Er weiss von der Opposition der
Bischöfe gegen die Krönung Giselas: selbstverständlich wirft er
sich erst recht in die Brust und glaubt nach Art dummer Leute,
die keine eigenen Oedanken haben, das, was andere gesagt
haben, in dem Tone sittlicher Entrüstung durch ein paar
Schimpireden überbieten zu müssen. Bezüglich dieser Ange-
legenheit des kirchlichen Eherechts handelt es sich aber über-
haupt wie bei allen andern um eine Frage, die die Bischöfe
vielmehr interessierte als die Mönche. Denn es ist eine Frage
der episcopalen Disciplinargewalt Keine andere Rechtsbefug-
nis gab dem Bischöfe solche Gelegenheit, in die persönlichen
Verhältnisse der Laien einzugreifen, als die Gewalt über die
Eheschliessung. In keinem Punkte erfuhr der Episcopat solche
Anfeindung seitens der Untergebenen, als in diesem. Diese
Frage bringt die niederen Volksschichten zu der Ueberzeugung,
dass die Ehen abgeschafft werden müssen ; sie trägt dazu bei,
die absolute Dispensationsgewalt des Papstes praktisch zu be-
gründen. Weder in Frankreich noch in Deutschland haben
wir in dem Vorgehen der Bischöfe gegen unerlaubte Ehe-
*) Ich stimme darin Bresslau yollkommen zu.
«) Rod. Glaber IV, c. 2, § 5.
189
schliesBiiDgeii ein Element zu suchen, das mit mönchischen
Reformtendenzen zusammenhinge. Sowie das Vorgehen Hein-
richs II. gegen Konrad von Kärnthen, Otto von Hammerstein
und Konrad von Franken selbst nur eine Beteiligung des
deutschen Episcopats, keine Spur monachaler Einwirkung ver-
rät, so fehlt auch für die Angelegenheit der Gisela jeder Be-
leg ftlr ein actives Eingreifen dieser Kreise. Vermittelte doch
Poppe von Stablo noch 1032 das deutsch-französische Bündnis
auf Grund eines uncanonischen Ehevertrags, und bei der Ver-
mählung Heinrichs lU. mit Agnes von Poiton bleiben die lei-
tenden Personen am Hofe stumm, um das Räsonnieren wieder
den kleinen, der Politik fernstehenden Geistern zu überlassen.
Mag aber auch später das Mönchtum bereits von einer strenge-
ren canonistischen Richtung beeinflusst sein: zu Konrads Zeit
kann weder von einem Einfluss cluniacensischer Mönche noch
duniacensisch gesinnter Bischöfe geredet werden, aus dem
einfachen Grunde, weil es, zumal in Deutschland, derartige
Existenzen im Sinne einer Partei mit bestimmtem kirchen-
rechtlichen Programm überhaupt nicht gegeben hat
n.
Odilo wandte sich von Mainz, wo er die Urkunde für
Peterlingen hatte ausfertigen lassen, vermutlich der Heimat zu,
in der er am 1. December 1024 zuerst wieder nachweisbar ist^)
Das nächste Jahr verbrachte er in inneren Angelegenheiten;
er war 1025 gerade durch die Stiftung des Familienklosters
La Vofite in Anspruch genommen.^) Ebenso erschien er da-
mals auf einer Synode zu Anse im Gau von Lyon 3), wo er
sich zum ersten Mal auf die Angriffe der französischen Bischöfe
gegen die Freiheiten seines Klosters zu verantworten hatte.
Bisher hatte die Opposition des Episcopats, die, wie wir
0 Cartul. d'Ainay nr. 188. Er schliesst am 1. Dec. 1024 mit dem
Abte Gerald von Ainay einen Tausch ab.
>) CHCL III, nr.2788. Dass er 1025 bei Richard von St.Vannes war,
wage ich jetzt dem nnglaubhaften Hugo Fiavln. II, c. 18 nicht mehr nach-
zuerzählen.
') Die Synodalacten bei Mansi XIX, col.423; vgl. Hefele, Concilien-
gesch. IV, 680. — Auf derselben Synode, wie es scheint, verzichteten
mehrere Personen auf Ansprüche in Valensolle, CHCL III, nr. 2066. Vgl.
auch oben S. 168.
190
sahen, gegen die Exemtionen der Klöster und die mit der Re-
form Yerbnndene Ablehnung der bischöflichen Jaridiction ge-
richtet war, sich gerade an den Abt von Glnni nicht heran-
gewagt: jetzt erhob Bischof Gauzlin von Mäcon gegen Odilo
Klage, weil er Ordinationen nicht Yon ihm, sondern dem Erz-
bischof Burchard von Vienne habe vornehmen lassen.
Gerade mit den Bischöfen von Mäcon hatten die Clunia-
censer sieh bis jetzt im allgemeinen vortrefflich vertragen.
Denn waren auch bald in den Anfängen der Abtei Zwistig-
keiten mit Bischof Gerald über Kirchenzehnten ausgebrochen,
so Uberliess doch Geralds Nachfolger, Bemo, den Mönchen
nicht nur die bestrittenen Zehnten, sondern rühmte auch die
ganz besondere Freundschaft, die Cluni mit dem Diöcesansitze
verband: er schloss sogar eine Gebets verbrttdernng mit dem
Nachbarkloster. <) Derselbe Bischof gestattete weiter den Bau
einer Capelle des hl. Julian auf einem von König Rudolf von
Frankreich geschenkten Grundstück und bewilligte neue Zehn-
ten.2) Noch enger wurde die Freundschaft unter Bischof Maim-
bod, der schon als Mitglied des Mäconer Domclerus alle Acte
Bernos ftlr Cluni mitunterzeichnete und seiner frommen Ge-
sinnung bereits im Jahre 929 Ausdruck gab, indem er mit
zweien seiner Brüder zum Seelenheil der Eltern Cluni be-
schenkte.^) Als im Jahre 937 infolge des Ungarneinfalles ein-
zelne Kirchen, die Cluni im Mäconer Sprengel besass, zu Grunde
gingen, gewährte der Bisehof teilweise Erleichterungen^); auch
in den vierziger Jahren Hess er es an Freundschaftsbezeugungen
nicht fehlen.^) Am 15. Mai 956 ersuchten üildebrand und Ma-
jolus im Namen des Abtes Aymard um die Zehnten zweier
Kirchen <^); und kaum war der Besitz angetreten, als im No-
vember 962 oder 963 Maimbods Nachfolger Odo im Gau von
Mäcon sechs Kirchen und Capellen mit Landbesitz und Zehn-
ten dem Kloster zuwies.^) Das freundschaftliche Verhältnis
») ürk. V.Jan. 939, CHOL I, nr.373; Ragut, Cartul. de Saint- Vincent
p. 587; vgl. J.-L. nr. 3584.
*) Urk. Bernos v. 932—933, CHCL I, nr. 408.
») Jan. 929, CHCL I, nr. 374. *) ib. I, nr. 484, Febr. 938.
») ib. I, nr. 534.
•) ib. n, nr. 1000.
*) ib. II, nr. 1139.
191
dauerte fort^), aiieh als Milo^) und Letbald^) den Bischofs-
stahl eingenommen hatten: der eine wie der andere schenkte
Kirchen and Zehnten an die aufblühende Abtei.
Es scheint nicht einmal, dass die Cluniacenser die Em-
pfindlichkeit der Bischöfe von Mäcon geschont hätten und
priesterliche Handlungen von ihnen vornehmen Hessen: der
Erzbischof von Besanfon und der Bischof von Chalon teilten
sich vielmehr, wenn wir recht unterrichtet sind, in die Ehre
der Consecration des Abtes. Man wird also annehmen dürfen,
dass Bischof Gauzlin, wenn er Odilo zur Rede stellte, von der
allgemeinen im Weltclerus verbreiteten Strömung fortgerissen
wurde, die sich gegen den mit Macht umsichgreifenden Ein-
flass des Mönchswesens nicht ohne Grund auflehnte.
Vergebens berief sich Odilo auf die Privilegien seiner
Abtei ^): er hat damit offenbar vor allem die Urkunde Jo-
hanns XIX, die aber wahrscheinlich schon unter Benedict VIII.
bestellt wurde, gemeint, in der die engen Beziehungen Roms
zu Cluni und das alte Verbot, dass irgend ein Bischof oder
Weltgeistlicher ohne Einladung des Abtes sacrale Handlungen
vornehme, besonders zum Ausdruck kommt. Wenn die Abtei
ausdrücklich von jedem Interdict oder jeder Bannung frei ge-
sprochen wird und alle Klagen gegen das Kloster nach Rom
verwiesen werden, so seheinen schon längere Differenzen mit
dem Diöcesanbischof Odilo veranlasst zu haben, sich nach
allen Seiten hin zu sichern.^) Die Bischöfe erkannten jedoch
auf der Synode die Beschlüsse des Conzils von Chalcedon von
451 <^) als bindend an, welches die Leute schalt, die den Mönchs-
*) Mit Ado (968 — 971) schloss Majolus einen Tausch ab, Ragut,
CartuL nr.267, p. 160.
') CHOL II, nr. 1553. Uebertragung zweier Kirchen mit Zehnten und
Zubehör am 29. Mai 981.
») CHOL III, nr. 2636, Urk. v. Aug. 1006.
0 Vgl. Hefele, Gonciliengesch. lY, 680; Bresslau, Eonrad II. 1, 147;
Ringholz, Der hl. Abt Odilo S. 32.
*) Es ist das die Urkunde, über die oben S. 7, n. 3 schon gesprochen
wurde. Sehr wahrscheinlich wurde die Urkunde mit der Intervention
Kaiser Heinrichs schon unter Benedict VIII. gefordert, aber infolge irgend
welcher Schwierigkeiten oder des Todes des Papstes erst unter Johann XIX.
ausgestellt, eine Erklärung, auf die mich Herr Prof. Bresslau freundlichst
aufmerksam macht
•) Vgl. Hefele II, 489 flf.
192
stand nur zum Vorwand nähmen, die kirchlichen und bürger-
lichen Angelegenheiten verwirrten, in den Städten amherliefen
und eigene Klöster fttr sich gründen wollten, ohne den Bischof
zu befragen: mit den Vätern von Chalcedon verboten sie die
Errichtung irgend eines Klosters oder Bethauses ohne Zu-
stimmung des Bischofs, forderten sie die unbedingte Ergeben-
heit der Mönche und untersagten denselben das Befassen mit
weltlichen Geschäften.
Odilo musste zunächst auf sein Hecht verzichten: mehr
als ein Jahr verging, bis er in Rom klagend vor Johann XIX.
erschien.^) Er hatte sich vermutlich im December 1026 dem
in Ivrea lagernden Könige 2) angeschlossen, bei dem sich auch
Wilhelm von D^on eingefunden hatte, um das Schutzprivileg
Heinrichs IL fttr Fruttuaria bestätigen zu lassen.^) Vielleicht
war Odilo auch direct nach Pavia gezogen, wo er die von
dem deutschen Herrscher wegen der Zerstörung der könig-
lichen Pfalz hart bedrängten Paveser, wie man erzählte, durch
seine Fürsprache vom Untergange rettete.*) Von Pavia zog er
Anfang 1027 mit Konrad nach Rom, der hier die Kaiserkrone
empfing. Alsbald lieh der Salier dem Abte seine wertvolle
Intervention beim Papst Odilo scheint den Oberhirten zunächst
um erneute Bestätigung der früher ausgestellten Urkunde ge-
beten zu haben.^) Am 28. März erneuerte Johann XIX. ans-
1) Die Urk. Roberts HF X, 611 und CHOL IV, nr. 2800, welche den
Besitz von Cluni bestätigt nnd verbietet^ dass jemand in confinio mona-
sterii ein Castell erriclite, ist wohl erst eine Folge des vom Papste an
den König gerichteten Briefes.
*) Bresslau, Eonrad IL I, 138.
^) Die genaue Zeitbestimmung erhellt aus dem jetzt erst von Cipolla,
Nuovi studi suU' itinerario di Gonrado IL nel 1026, Atti della K. academia
delle scienze di Torino XXVI (1891), 892 mit dem Datum edierten Privi-
leg Konrads IL fUr Fruttuaria.
^) Jots. V. Odil. I, c. 7; vgl. oben S. 7, n. 2. Die Annahme Bresslaus
und Giesebrechts, dass dies Anfang 1027 geschah, wird noch dadurch ge-
stutzt, dass Odilo bereits im Mai 1027 wieder in Reims war (vgl. die Urk.
f. Montierender HF X, 613). Liesse man Wipo c. 12, dessen Nachricht
ohnedies erst einer künstlichen Interpretation bedarf, fallen, so möchte
man fragen, ob nicht der plötzliche Wegzug Konrads von Pavia, das er
bis dahin hart bedrängte, im Febr. 1027 Odilo verdankt werden mUsste.
^) Das ist wohl die Urkunde, die der Papst in dem Briefe an
König Robert erwähnt. Vgl. S. 7, n. 3. Dagegen scheint mir die Fpistola
198
drttcklieh in einem offenen Schreiben an alle Gläubigen — wenn
das betreffende Schriftstück wirklich authentisch ist — das
Verbot, das Kloster zn excommnnicieren. Aber er ging vor allem
scharf gegen die französischen Bischöfe vor, welche die univer-
sale Gewalt der römischen Päpste nicht anerkennen wollten.
Bedenkt man, dass Johann X^. noch vor kurzem im Begriff
war, die allgemeinen Ansprüche des römischen Stuhles gegen
Geld aufzugeben, so kann man nicht bezweifeln, dass Odilo
deoi päpstlichen Schreiber die Briefe, die diese so sehr betonen,
in die Feder dictierte. Die erwähnte Urkunde begleitete ein Brief
an König Robert, den der Papst aufforderte, das Document
zu bestätigen und ihm in seinen Landen Anerkennung zu ver-
schaffen. Da an vielen Orten der Zustand der Kirche sogar
durch die Söhne derselben verwirrt und die heilige hierarchische
Ordnung untergraben würde, Frömmigkeit und Gerechtigkeit
in Unehre kämen und die apostolischen und königlichen Pri-
vilegien mit Füssen getreten würden, hält er dem Könige als
eine Pflicht vor, gegen die Feinde der Wahrheit, Heiligkeit
und Religion den frommen Brauch früherer Väter zu vertei-
digen. Einigen Bischöfen genüge es nicht, unrechten Erwerb
Joh. XIX. ad universos ecclesiae fideles, J.-L. nr. 4079, Bull. Glun. p. 9 mit
dem Datum: Y. Kai. April, anno papae III. ind. X. und der Bemerkung:
in conventu Romae congregato in praesentia damini Conradi regia d. augusti
nuper a Deo et nobia in imperiwn Rontani orbia eUcti, ein Document, das
Bresfllau, Kunrad II. 1, 148 fUr die Hauptbulle hält, nicht unmittelbar zn
den andern Schreiben zu gehören, da der Brief im wesentlichen nur be-
tont, dass Cluni von bischöflicher Ezcommunication ausgeschlossen ist,
welcher Punkt in jenen Briefen gar nicht hervortritt. Bemerkenswert ist
die Stelle: a praedeceaaoribtta quoque noatria apoatolicae aedia praeauJibu8j
Formoao, lohanne, BenedictOf item BenedictOj Chregorio, Süveatro, meo non
modo apirituali patre, aed et camdli fratre Benedicto . . . corrohoratum et
confirmatum. Muss diese genaue Aufzählung an sich befremden, so kommt
noch hinzu, dass sie zu. Bedenken Anlass giebt. Als Formosus Papst
war, existierte Cluni noch gar nicht, mithin kann von einer Bestätigung
seiner Rechte durch ihn nicht die Rede sein. Ferner fehlen die BestÜti-
gungsbullen Leos VII. und Agapits IL gänzlich. Unter Benedicto, item
Benedicto können nur Benedict Y, VI. oder VII. gemeint sein, von denen
Privilegien fUr Cluni nicht existieren und bei dem ungünstigen Urteil der
Cluniacenser über sie und der Stellung Clunis zu Rom in Jener Zeit sehr
unwahrscheinlich sind. Endlich existiert auch von Silvester IL fttr Cluni
keine Urkunde. Ist der Brief etwa 1063 gefälscht oder interpoliert wor-
den, als Cluni wirklich excommuniciert worden war?
Sackur, CIiiniAceiiaer. II. 13
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gegen alle Religion in sehwelgerischer Lebensweise zn ver-
geuden, sondern sie wollten aneh Besitzungen der römischen
Kirche in ihre Gewalt bringen. In ihren Bestrebungen, das
Haupt zu zerpflttcken, vergässen die Elenden, dass die Decrete
des heiligen römischen Stuhles mit dem gleichen Glauben und
der gleichen Verehrung hinzunehmen seien von den Söhnen
der Kirche, wie die Canones, ohne Serupeln, ohne dass jemand
daran zu mäkeln wage. Kritik dulde die Aensserung nicht,
die durch das Siegel des hl. Petrus bekräftigt werde, und, wie
Papst Leo sage, sei es ein Wahnsinn, gegen den zu murren,
dessen Schirm und Schutz der Pförtner des himmlischen Reiches
sei.^) Zugleich richtete der Papst ein Schreiben an Gauzlin
von Mäcon. Er hält es für unbegreiflich, wie jener, der stets
fttr einen echten Sohn und Schüler der römischen Kirche ge-
golten, dieser seiner Mutter entgegentreten könne, wie er sich
erlauben dürfe, die Freiheitsprivilegien der Abtei Cluni, die
an Heiligkeit in keinem Lande ihres gleichen habe, fttr un-
gültig zu erklären. Er wolle wohl die Glieder der römischen
Kirche gierig zerreissen: das solle er bleiben lassen, denn ihn
treffe der Umsturz mit Ein Präjudiz ttber Cluni werde er in
keinem Falle dulden.^) In einem dritten Briefe beklagte sich
Johann ttber den Bischof von Mäcon bei seinem Metropolitan,
dem Erzbischof Burchard von Lyon, und sprach die Bitte aus,
dieser möge, wie er sich bisher als Gönner jener einzigen Abtei
gezeigt habe, ihre fnteressen beständig fördern helfen. Er solle
auch seinerseits, wie er, der Papst, schon durch sein Schreiben
gethan, dem Suffragan Weihen und Ordinationen in Cluni ver-
bieten.^)
Den Bund, den Odilo mit dem Papste geschlossen hatte,
I) BuUuium Clun. p. 7; J.-L. nr. 4081. Die Worte: hoc privikgium
apostolica auctoritate ßio nostro cariasimo OdUoni et sibi succedentibus
in perpetuum facere voluimus; quod vestrae nobilitati idcirco cum his
litteris mittimus zeigen, dass die Urkunde dem Könige mit dem Schreiben
zugesandt wurde.
*) Bull. Clun. p.8; J.-L. nr.4082: Quod ita (iccipimus, qtiemadmodum
81 ipsa membra nostra avide discerpere quaereres; et quod 9%ne ruina tua
esse nequit.
>) Bull. Clun. p. 9; J.-L. nr. 4083. Aus den Worten: sicui nos litteris
nostris fecimus ergiebt sich, dass dieser Brief wieder bald auf die vor-
hergehenden folgte.
195
besiegelte Johann gleichsam, indem er dem Abte ein dem
hl. Petrus gehöriges Stück Land, das der ältere Wigo, der
Grossvater des Bisehofs Hnmbert von Valence, einst dem
römischen Stahl geschenkt hatte, zu dauerndem Eigentum
gegen einen Zins überwies. <)
Der Aufenthalt Odiles an der Seite des Kaisers in Rom
macht sieh nun sonst auch in unsem Quellen bemerklich; so
wohnte er einer römischen Synode bei, die in oberitalienischen
Angelegenheiten abgehalten wurde.^) Wenn Konrad IL jetzt
das alte Privileg flir Peterlingen von vor drei Jahren einfach
wiederholte'), so seheint das mit dem neuen Stadium zu-
sammenzuhängen, in welches die burgundische Frage durch
die Annäherung Rudolfs IIL an den Salier seit Ende 1026 ge-
raten war. Jedenfalls muss Odilo doch die Notwendigkeit ge-
fühlt haben, sich nun auch vom Kaiser bestätigen zu lassen,
was der König bewilligt hatte. Man empfindet den gemein-
samen Einfluss der bedeutendsten Cluniacenser, Odiles und
Wilhelms von St. Benigne, auf den Kaiser, wenn dieser in Ivrea
der Abtei Fruttuaria dieselben Freiheiten zuerkannte, die Gluni
genoss^) und sich und seine Nachfolger in die Societät auf-
nehmen Hess.
Inzwischen hatte der Abt von Cluni von Rom aus einen Ab-
stecher nach Monte Cassino gemacht, da er wahrscheinlich auf
dieser Reise das Benedictsfest, den 21. März, in der berühmten
Abtei feierte.^) Abt Theobald nahm ihn mit allen Ehren auf;
^) CHCL IV, nr. 2708 datiert: anno primo consecrationia domni Con-
radi imperatoris. £s unterschrieben : Himü>erttt8 episcoptts Valent. — Wigo
frater ipaius.
') Vgl. Bresslau, Eonrad 11 I, 138.
>) St. 1941; Schöpflin I, nr. 156.
*) Urk. y. 20. Dec. 1026 ed. Cipolla a. a. 0.: tU eandetn Uli in omnibus
liberttUem conservaretj quam Cluniacense monasterium ohtinere dinosciUw,
^) Bresslau, Jahrb. Heinrichs- II. III, 210 meinte, der Besuch Odilos
habe wohl noch unter Heinrich II. stattgefunden. Es lässt sich jedoch
zeigen, dass Odilos Aufenthalt in Monte Cassino zwischen 1024 und
1028 fällt Leon. Chron. Gas. II, c. 54 berichtet, dass Odilo unter Abt
Theobald (1022—1035) nach M. C. kam, und erzählt, dass er sieben Jahre
später durch cluniacensische Manche Reliquien des hl. Maurus dorthin
sandte, die zu einer Zeit ankamen, als der genannte Abt, verfolgt von
den Fürsten von Capua, sich nach der Mark zurückgezogen hatte. Nun
lebte Theobald nach c. 58 per quinque circiter annos uaq'ue ad ohitum in
18*
196
am Festtage selbst konnte Odilo nicht dazn gebracht werden,
die Messe öffentlich zu lesen und den Krnmmstab zn führen, den
der Abt ihm Ehren halber anbot. Ein freundliches Verhältnis
zwischen den Claniacensem und den Brttdern von Monte Gas-
sino ward angeknüpft, nnd sieben Jahre nach diesem Aufent-
halt überbrachten Mönche Odilos die erbetenen Reliquien des
hl. Maurus, die in feierlicher Procession eingeholt wurden.
3. Italienische Reformwirkungen.
I.
Die Lage der reichsunmittelbaren Abteien Mittelitaliens,
wie Farfa und Pescara, war immer noch eine ganz klägliche.
Die Landbarone hörten nicht auf, den ausgedehnten Grund-
besitz der Klöster zu belästigen, und alle Massnahmen der
Kaiser erwiesen sich als eitel und nutzlos. Die Unfähigkeit
einzelner Aebte, die, von dem Landadel abhängig, in unver-
antwortlicher Weise Güter und Einkünfte zu Grunde richteten,
kam der Ländergier der Burgherren und der Adelsgeschlech-
ter entgegen, die wie Geier sich auf die halb aufgelösten
geistlichen Institute stürzten. In Farfa konnte man immer und
immer keine Ruhe vor den Crescentiern und ihren Quälereien
finden, und Casauria ging seit dem Ende des zehnten Jahr-
hunderts seiner Auflösung entgegen. Seit Otto IL hatte sich
kein Kaiser mehr um die Abtei gekümmert, so viel wir wissen.
Auch Heinrich II. liess die Aebte gewähren, bis vielleicht wäh-
rend seines letzten Aufenthalts in Mittelitalien die Lage des
Klosters seine Aufmerksamkeit erregte.
Der Kaiser soll in der Nähe von Farfa geweilt haben, als
ihn die Nachricht von dem Ableben der Abtes Adam erreichte^):
der Mark, also von etwa 1031 — 1035, mithin trafen in dieser Zeit die Re-
liquien ein. Da nun Odilo sieben Jahre früher in H. C. war, muss sein
Aufenthalt 1024—1028 gesetzt werden; und weil 1027 ein längerer Auf-
enthalt in Italien bezeugt ist, und zwar im Frühjahr, so stehe ich nicht
an, seinen Aufenthalt in M. C. hierherzusetzen. Auf einem Rechenfehler
beruht jedenfalls die irrige Angabe Ringholz', Der hl. Odilo S. 53, dass
Odilo 1023 direct nach M. C. gestiegen sei. Er und Giesebrecht, Kaiser-
zeit II, 185 nehmen ttbrigens Reformen an, die nirgend gewährleistet sind.
>) Chron. Casaur., d'Ach^iy, Spicil. II, 948. Die Chronologie ist je-
197
eine UeberlieferoDg, die Bich mit andern chronologiBcben An-
gaben unserer Quelle nicht verträgt. Das wichtigste ist, dass
dem Abte Hngo von Farfa die Frage der Neubesetzung des Amtes
vorgelegt wurde; aufs wärmste empfahl man einen Farfeser
Mönch, namens Guido, der auch mit Energie am 1. Mai 1024
die neue Würde antrat Er hatte viel zu bauen und zu re-
staurieren, da die Wände eingefallen und das Kloster zerstört
war: * es mangelte an Brot und an Kleidung. Der Tod des
Kaisers, der wenige Monate später erfolgte, hinderte den Abt,
zunächst die Neubestätigung der Privilegien durchzusetzen.
Die ängstliche Politik, die Konrad II. gerade dem italie-
nischen Adel gegenüber einschlug, lähmte seine Energie zu
Gunsten der regulären Stifter entschieden. In Farfa gestaltete
sich die Lage so verzweiflungsvoll, dass Hugo den Abtstab
jetzt wirklich niederlegte, um so bedauerlicher, als sein Nach-
folger Guido der Last der Geschäfte keineswegs gewachsen
war. Die fortwährenden Schwierigkeiten, mit denen der Abt
zu kämpfen hatte, machten das lästige Amt so wenig begeh-
renswert, dass einer der Mönche es mit Hohn zurückwies, und
der vielgeprüfte Hugo sich am 9. Juni 1036 noch einmal zur
Uebemahme bequemen musste.^) Zwar hatte schon Guido von
Konrad U. ein Privileg zu Gunsten seines Besitzes erhalten,
aber von einer activen Thätigkeit des Kaisers gegen die ge
doch sehr bedenklich. Nach der Chronik wftre Adam 1023 gestorben,
einige andere Aebte gefolgt und 1024 der neue Abt vom Kaiser in Farfa
ernannt worden. Auch p. 953 wird erzählt, Guido sei am 23. Nov. 1045
gestorben, nachdem er 21 Jahre, 6 Monate, 23 Tage regiert habe, was auf
den 1. Mai 1024 als Amtsantritt führt. Gerade die letzte Angabe stammt
sicher aus der verlorenen V. Guidonis, die der Chronist p. 048 (Liber, qui
de eiu8 vita acriptus habetur in monasterio) erwähnt. Vermutlich ist die-
ser Vita auch die Geschichte der Erhebung zum Abt entnommen, die mit
den Thatsachen nicht zu vereinbaren ist Nachdem Guido nach Pescara
gegangen, paucis diebua Un commoranSj aimiptis privilegiis et chartis re-
vertebatw ad imperatorem, dessen Tod er schon nnterwegs erfuhr: was
auch nicht zu Heinrichs Aufenthalt in Italien von 1022 stimmt. Aber die
Verwirrung geht noch weiter. Nach der Chronik haben die Mönche Kaiser
Heinrich H. eine Schrift Überreicht, in der sie die Not der Abtei schildern.
Ein Blick auf die Adresse des Briefes lehrt aber, dass er an Heinrich m.
gerichtet ist. Somit dürfte alles, was von Heinrich II. erzählt ist, nur auf
falscher Combination der V. Guidonis oder des Chron. Casaur. beruhen.
1) Ann. Farf. 1036; Bresslau 1, 165 ff.
198
fährlichen sabiniBchen Brttder oder während der letzten unan-
genehmen Wirren betreffs der Abtwilrde findet sich gar nichts.
Oefter vernahm man zwar in Casanria damals den Namen
des deutschen Kaisers dank der Unermttdlichkeit des regsamen
Abtes Guido. Konrad bestätigte auf seinem Römerznge im
April 1027 Besitz und Rechte^), beauftragte den Herzog Hugo
von Camerino, in des Kaisers Namen die Abtei wieder in den
Besitz ihrer Dörfer und Castelle zu setzen, was nach geschick-
ten UnterhandluDgen bis zu einem gewissen Grade gelangt),
und wandte sich nochmals zehn Jahre später von Capua in
einem Schreiben an einige Herren, denen er mit Krieg drohte,
wenn sie die Abtei nicht in Ruhe liessen.^) Das wahre Ver-
dienst einer regenerierenden Wirksamkeit auf geistlichem und
materiellem Gebiete durfte aber der Abt in Anspruch nehmen:
er starb am 23. November 1045.^)
Nach Unteritalien, nach Benevent und Salerno, waren be-
reits unter Abt Odo Keime der cluniacensischen Reformbestre-
bungen gekommen. In einem salernitanischen Kloster war sein
treuer Schiller Johannes Abt geworden.^) Diese Tendeuzen
mochten dann im stillen fortgewirkt haben; denn gerade in
Salerno fanden spätere Anregungen wieder einen geeigneten
Boden.
Mit Entschlossenheit und Energie hatte Heinrich IL bei
den kleinen, der griechischen Herrschaft geneigten Ftlrsten
das Recht des Reiches geltend gemacht. Die Fürsten von
Capua, Neapel und Salerno hatten die deutsche Oberhoheit
anerkennen mttssen; Pandulf von Capua wurde sogar nach
Deutschland in die Verbannung geschickt. Seine Freiheit zu
1) Chron. Casaur. p.949; St. 1942.
') Chron. Casaur. p. 950.
') Chron. Casaur. p. 952 : quod si non feceritis, scitote me in proocime
ad V08 pro certo venturum, et vos et vostra bona, in quantwn potero, per
omnia dissipaiurum; St 2108.
«) Chron. Casaur. p.953. Am 13. März 1047 bestätigte Heinrich III.
in ausführlicher Urkunde den gesamten, sehr ausgedehnten Besitz der
Abtei, Stumpf, Reichskanzler III, nr. 461; Reg. nr. 2325. Unter Guido
wurde von Casauria aus die Nicolausabtei in Civitella mit Mönchen be-
siedelt; vgl. Chron. Casaur. p. 951.
») Bd. I, S. 112.
199
erwirken, ging wohl gegen Ende 1023 eine salemitaniBehe
Gesandtschafl an den kaiserlichen Hof ab, war Pandnlf IV.
doch der Bruder der Fürstin Gaitelgrimma von Salerno. Viel-
leicht dieser Gesandtsehajft schloss sich als diplomatischer
Unterhändler der Salernitaper Alfer an^), eine am Hofe Wai-
mars IH. angesehene Persönlichkeit^) Eine schwere Krank-
heit jedoch, in die Alfer in dem vielbesnchten Klosterhospiz
St Michael von Chinsi am Abhänge des Mont-Cenis verfiel,
nötigte ihn, die Gesandtschaft aufzugeben, und bestimmte ihn
zu dem Entschluss, sein Leben Gott zu weihen. Odilo befand
sich angeblich zur Zeit in dem Fremdenhospiz. Ist das rich-
tig, so mag er an dem Plane nicht unbeteiligt gewesen sein,
da er, wie es heisst, den salemitanischen Gesandten mit nach
Cluni nahm. Unsere Quelle erzählt weiter, dass der Fürst
Alf er zurückberufen und über alle Klöster von Salerno gesetzt
habe. Aber nicht lange litt es den asketisch aufgeregten Mönch
in der Stadt; auf einem Bergabhang, genannt Fenestra, siedelte
er sieh an und erbaute auf eigene Kosten zu Cava die Kirche
der heiligen Dreieinigkeit, um die sich bald Mönche zu scharen
begannen.^) Endlich im März 1025 bestätigten Waimar, seine
^) In der Vita Alferii ist die Gesandtschaft Alfers nicht näher be-
zeichnet. Doch wissen wir, dass kurz vor Heinrichs Tode eine Gesandt-
schaft Waimars nach Deutschland kam, die den angegebenen Zweck hatte.
Wann sie abging, ist zweifelhaft. Ich nehme mit Bresslau, Konrad II.
I, 1 7 1 an, dass die Freilassung Pandulfs erst nach Heinrichs Tode erfolgte.
Aber aus dem Zusatz tandem solutus bei Leo Ost. U, c 56 ist sn schliessen,
dass Heinrich wohl lange darum gebeten wurde.
«) V. Alferii c.8, Mabillon, Acta SS. VI, 1, 640; Muratori SS. VI, 205.
Leider ist die Vita ein bedenkliches Opus; vgl. ExcursU. Die Krankheit
und der Aufenthalt Odilos in St. Michael wird dadurch verdächtig, dass
wir von einer italienischen Reise Odilos 1028—1024 nichts wissen. Auf
der andern Seite wissen wir nur von dieser salemitanischen Gesandtschaft,
die sonst ganz gut passen würde. Aber von irgend welcher Sicherheit
ist keine Rede.
*) Vita Alfer. c. 5 heisst es: Qui cum plurimum temporis in secre-
tiari claustri conversatione perageret . . . tarnen memorato Salemi principe
obtinente remittitur etc. Alfer verliess dann nach seiner Heimberufung
wieder Salerno et longe in excelsi montis latere, cui Fenestra vocabulum
est, quietis stuie locum subiitf primusque prae omnibus Metteliani Cavam
monacKorum mansionem fecit. Angesichts der Thatsache, dass der Bio-
graph positive Nachrichten fast gar nicht mehr bringt und von seinem
Helden offenbar nur eine ganz unklare Kenntnis hat, kann auf die unbe-
200
Gemahlin and ihr Sohn die NeagrttndnngJ) Wenn der Fürst
es ansdrttcklich gestattet, dass der Abt von La Cava noch bei
Lebzeiten einen Nachfolger designiere, so denken wir nnwill-
kttrlich an clnniacensische Einriehtangen. Natürlich ist Immu-
nität Ton staatlicher Seite anerkannt. Was die Rechtspflege
anbetrifft, so haben weder weltliche Richter im Bereiche des
Klosterbesitzes etwas zu schaffen, noch dürfen Achte und
Mönche zu der durch die Benedictinerregel verbotenen Eides-
leistung gezwungen werden. Bald wuchs die Zahl der Mönche
um den reformatorischen Abt: der Ruhm seiner klösterlichen
Thätigkeit und seine Wunderthaten trugen seinen Namen in
weitere Gebiete. Zu seinen Schülern gehörten Leo von Luoca,
der ihm folgte, und Desiderius von Benevent, der erst Abt von
Monte CassinOy dann Papst wurde. ^) Kurz vor seinem Tode
ernannte Alfer seinen Nachfolger, jenen Tuscer, der in Salemo,
von dem Ruf des Abtes angelockt, sich zu diesem begeben
hatte.^) Erst nach Alfers Tode, der am 12. April 1050 ein-
trat^), gelangte das Kloster auf den Höhepunkt seiner Bedeu-
tung, wurde es zur ersten Abtei des südlichen Italiens.^)
Heinrich IT. hatte für die Fortschritte der Gluniacenser
in Italien gar nichts gethan, sei es, dass die Gelegenheit
fehlte, sei es, dass ihre Tendenzen seiner wohlerwogenen
Kirchenpolitik zuwiderliefen. Für das ziellose Vorgehen Kon-
stimmte Bemerkung, dass er plurimum temporis in Cluni verbracht, kein
Wert gelegt werden. Denn einmal ist das ein relativer Begriff, femer
aber wäre eine Reclamation Waimars kaum verständlich, wenn man an-
nähme, dass Jahre seit seinem Eintritt ins Kloster vergangen gewesen
seien. Endlich aber soll doch der Ausdruck nur für Alfer sprechen, der
lange Zeit OdUos Schüler gewesen sei.
^) Die Urkunde ist gedruckt bei Muratori SS. VI, 201, Codex Cav.
V, 98, sowie bei P. Gnillaume, Essai bist, sur l'abbaye de Cava app. nr. I.
') Vita Alf. c. 6; Leon. Chron. Casin. III, c. 4; vgl. GuUlaume, Essai
bist. p. 22.
^) Vita Alf. c. 15; Vita S. Leonis c. 1; vgl. P. Guiilaume, Un monaco,
ed un principe del secolo decimo primo ossia San Leo da Lncca etc. 1876.
*) Annal. Cavens. 1050 (SS. III, 189) und Mabillon, A. SS. VI, 1, 639.
Ueber sein angebliches Alter vgl. Excurs II.
^) Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert sollen nicht weniger als
840 Kirchen, mehr als 90 Priorate, wenigstens 29 Abteien von La Cava
abhängig gewesen sein. Guiilaume, Essai bist. p. 26.
201
rads II. gab es derartige Bedenken nicht, wie das Bei-
spiel von Novalese zeigt Die Abtei war infolge der Sarra-
zenengefahr durch den Markgrafen Adalbert von Turin nach
Breme verlegt und auf seine und Kaiser Heinrichs II. Inter-
vention im Jahre 1014 von Benedict VIII. mit der Freiheit
von jeder weltlichen und geistlichen Gewalt privilegiert wor-
den.i) Als nun Konrad nach dem Ableben des Abtes Ootfried,
der möglicherweise der Bruder Wilhelms von Dijon war 2), im
Frühjahr 1027 nach Rom kam, muss der Einflnss Odilos auf
ihn so stark gewirkt haben, dass er dem Abte von Cluni das
piemontesische Kloster Überwies.^) Odilo setzte hier einen
gleichnamigen Neffen als Abt ein. Dieser, ein junger Mann,
der eben erst der schwersten Lehrzeit entronnen war, begann
aber zum Aerger der Mönche gleich den gestrengen Herrn zu
spielen und die ganze Wirtschaft umzudrehen, und beging offen-
bar in jugendlichem Uebermut auch Ungeschicklichkeiten dem
Kaiser gegenüber.^) Dieser nahm das zum Vorwand und ttber-
liess, ungeachtet der von ihm selbst erst im Jahre 1026 bestä-
tigten Freiheitsprivilegien^), die Abtei Breme gegen Geldentschä-
digung dem ihm nahestehenden Bischof Alberich von Como.
>) HPM I, 399.
') Er starb Dach dem Necrol. Noval. am XVIII. Kai. Febr., nach
dem Necrol. S. Andr. Taur. : XVIL Kai, Febr. Levis, S. Wilhelmi Opera
praef. p. 4 spricht, ohne einen Beleg zu geben: de 8, Gottofredo Novali-
ciensi abbate, fratre S. WUhdmL Dasselbe behauptet Bethmann. Einen
Anhaltspunkt für die Annahme, dass Gotfried der Bruder Wilhelms war,
könnte man im Necrol. Novalic. (SS. VII, 130) finden, wo Wilhelms Name
unter der Rubrik: Nostrae congregationia verzeichnet steht.
') Jots. V. Odil. 11, C.12: cum aciret, iüam primum ah imperatore
Conrado traditam esse praedicti patris Odilonis ordinationi. Dass der
pater Odilo nur 0. von Cluni sein kann, bemerkt bereits Bresslau, Kon-
rad II. I, 164, n.4.
*) Chron. Novalic. app. c. 5 : Qui iuvenis tunc rudis a claustralibus
exiens disdplinis conspicit se tanti honoris SiAblimato cepit turbam mili-
tarem sibi adherere nonnullis prediis terrarum, unde sumptus veniebat
fnonachis, iUis vassis in beneficium tradidit; contra monachos vero et
maxime in maioribus inpudenter inswrgens ac contra eos sedule vexans.
Quid muUa ? dum pueriliter cuncta agitur ac nimium iocis praeoccupatur
curtemque domini sui imperatoris parvi pendenSy cogitanSf ne quis posset
ei extymplo obsistere: dat predictam abbatiam in beneficia cuidam AWe-
rico Chumano episcopo.
^) Stumpf, Reichskanzler III, nr. 284.
202
Nicht weil man Odilo fttr nntanglich hielt, setzte man ihn fest:
als er dem Bischöfe den Eid der Treue geleistet, erhielt er
seine Rechte wieder. >) Nur das ging Eonrad gegen den Sinn,
dass Odilo in clnniacensischer Tendenz, die er übertrieb, aaeh
ihm gegenüber den souveränen Abt hervorkehrte, und da er
Alberich eine Gunst erweisen wollte, scheute er sich nicht,
seine eigenen Massregeln zu verleugnen. Etwas später starb
Bischof Alberich plötzlich, nicht ohne dass der Verdacht eines
Mordes auf die Mönche fiel. Aber durch alle diese Vorgänge
war die cluniaeensische Elosterzucht keineswegs discreditiert
worden. Unter Odilo erhielten die Novaleser eine neugegrün-
dete Abtei der hl. Jungfrau im Thale Coyse in Savoyen zur
Besiedelung.2) Und wenn auch der neue Bischof von Gomo,
Liudger, Odilo absetzte, so wurde später doch wieder ein un-
mittelbarer Schüler des Abtes von Gluni, Eidrad, sein Nach-
folger, der das Kloster zu grosser Zufriedenheit der Mönche
leitete.»)
Die Abneigung gegen die Selbständigkeitsgelüste der Cln-
niacenser hatte Konrad dazu geftthrt, das Kloster dem Bischöfe
von Como zu unterwerfen. Sehr bezeichnend ist deshalb wie-
der der völlige Umschwung der Tendenz unter Heinrich III.
Denn wenn von Abt Oddo gesagt wird, er habe sein Amt
vom Bischöfe durch Simonie erworben^), so ist es sehr be-
merkenswert, dass er sich von der Herrschaft des Bischofs
emanzipierte und bald nach Amtsantritt vom Kaiser die Be-
stätigung der Freiheit von jeder bisehöflichen und weltlichen
Herrschaft, die Sicherung der Reiehsunmittelbarkeit zu er-
langen wusste.^) Kaum ein anderer Fall ist für Konrads
Kirchenpolitik so bezeichnend, als der des piemontesischen
Klosters. Die Einführung der clnniacensisehen Regel beför-
derte er mehr als einer seiner Vorgänger, sowohl in Italien als
im inneren Deutsehland; welche Regel im Inneren der Klöster
herrsche, war ihm zum mindesten gleichgültig. Aber er war
0 ChroiL Noval. app. c. 6.
*) Urk. V. 1036, Nov., Archivio storico, ser. IV, 2, 245.
3) Dass er Odflos Schüler war, s.Petri Damiani Vita c. 2; vgl. Ghrono-
logia abb. Novalic., SS. VII, 133.
*) Chron. Noval. app. c. 9.
*) HPM 1,567; St 2398.
203
völlig unberechenbar and in jedem Falle geneigt, nnbekttm-
mert am Recht and Herkommen oder am etwaige Verbriefangen,
beliebig in die Gerechtsame der Congregationen einzagreifen,
in einer principienlosen Politik von Tag zu Tage neae Wege
einzaschlagen.
IL
Wirksamer waren die Anregungen, die Wilhelm von St Be-
nigne, der italienische Edelmann, den grossen oberitalischen
Familien gegeben hat. Zwar sind die Fäden, die den ener-
gischen Abt mit der kirchlichen Thätigkeit der Markgrafen
von Tarin — denn dieses mächtige Haas steht an geistlicher
Gesinnung obenan — verbinden, nur wenig sichtbar, aber ein-
mal hatten wir die Familie der Abtei Fruttuaria ihre Gunst
zuwenden sehen, und andrerseits war die Gegend von Turin
und Ivrea ja die Stätte, an der die Keime der französi-
schen Beform von Wilhelm bereits ausgestreut worden waren.
In dieser Zeit stand an der Spitze der Familie der Markgraf
Olderich Manfred II, der eine Dame aus dem benachbarten
Hause der Otbertiner geheiratet hatte, ein Mann, der ebenso
klug als reich begütert war, und dem in seinen Bemühungen
fttr die Kirche sein Bruder Airich, der Bischof von Asti, zur
Seite stand. 1) In die antideutsche Politik des hohen lombar-
schen Adels wohl durch seine Verbindungen hineingezogen,
hatte er doch bei Gelegenheit des ersten Römerznges mit Kon-
rad sich ausgesöhnt.^) Um diese Zeit erfreuten sich die Kirchen
Turins der höchsten Freigebigkeit des Geschlechts 3), bekämpfte
er im Verein mit den benachbarten Markgrafen und Bischöfen
die ketzerischen Bewohner eines Castells in der Diöcese seines
Bruders^) und damals geschah es auch, dass er in Susa und
Caramagna zwei neue Klöster zu bauen begann. In dem alten
1) Ueber ihn vgl. Bresslau, Konrad IL I, 69. 70. 373 fif. Rod. Gl&ber
IV, c. 2 nennt ihn marchionvm pntdentissimuSj IV, c. 3, § 7: marchionuin
düisHmus.
*) Bresslau a. a. 0. p. 376.
>) Urk. v. 1. Juli 1028 fttr die Canoniker d.Ba8U. v. St. Salvator, St Ma-
ria und St. Johann in Tarin, 1. Juli 1028 fttr St. Salvator, 12. Mai 1029 für
St. Salvator, HPM I, 469. 472 und 477.
*) Rod. GUb. IV, c 2.
204
Alpencastell erhob sieb zunäebst eine Kirehe der bl. Jnngfran,
der er als rentables Capital die aneehten Gebeine des Märtyrers
Jnstas mitgab, die er, wie uns Bodulfas Glaber versiebert, von
einem französiscben Betrüger erstanden, der unter wechseln-
dem Namen die provenfalischen Diöcesen schon mit falschen
Reliquien unsicher gemacht hatte, nicht ohne Unterstützung
der Bischöfe, die sich das gute Geschäft, das die Ausbeutung des
wunderglänbigen Volkes versprach, ungern entgehen liessen.^)
Obgleich der Mönch, der mit Abt Wilhelm nach Snsa gekom-
men war^), Anhänger seiner Meinung fand, die er offen aus-
sprach, so wurde dem Betrüge durch die Weihe der Kirche
auf den Namen des hl Justus und zwar gerade am Tage der
Passion des Märtyrers das Sigel aufgedrückt. Es geschah viel-
leicht am 17. October 1028, als Wilhelm auf der Reise nach
seinem Kloster Fruttuaria sich befand, als er Frankreich ver-
liess, um in seinem Vaterlande zu sterben.^) Im nächsten
Jahre beschlossen nun Manfred und seine Gemahlin Berta mit
dem Bischof von Asti ein Benedictinerkloster zu errichten,
dem sie die Basilica San Giusto zuwiesen und mit ihr den
dritten Teil des Thaies von Susa, im ganzen 15000 Joch Land,
mit Ausnahme alles, was kirchlichen Rechtes. Die Stiftungs-
urkhnde wurde am 9. Juli 1029 ausgestellt.^) Noch vorher,
^) Rod. Glab. IV, c. 3, § 6 sagt: Nee tarnen Morianne, vd ützeticae,
seu Gh-atinonae vrbium presules, in qtiorum diocesibw talia profanabantutj
diligentiam huiiM inqiiirendae rei adhibuere; quin potitis conciliahtda eta-
tuenteSf in quibus nihil aliud nisi inepti lucri questum a plebey simul et
favorem faüaciae exigebant.
^) Rod. Glab. IV, c. 3 : cum quihus etiam sepe nominatus abba WiUd-
mu8, nonnullique abbates adfuenmt . . . nam et egomet cum aepius nomifiato
abbate iUuc deveniens interera^n. Das deveniens scheint dafür zu sprechen,
dass man von den Alpen herunterkam und also auf einer Reise von
Frankreich nach Italien. Havet, Reyue hist. XIV, 44 denkt an 1025, weil
in diesem Jahre der 17. October ein Sonntag war.
*) Rod. Vita Wilh. c. 29; Chron. S. Benign! p. 157. Nach Rodulf Gla-
ber lebte Wilhelm biennio vor seinem Tode in Italien, nach dem Ghroni-
con machte er vor seiner Abreise Johannes in F6camp zum Abt, was
nach dem Chron. Fiscamn. 1028 geschah. Der Catal. Fiscamn. (Labbe
I, 328) berichtet: Wilhelmus abbas monasterium rexit per annos 29. Wir
würden also auf etwa 1028 — 1029 kommen. Dagegen ist die Angabe
Chevaliers p. 195 Frühjahr 1030 sicher zu spat.
*) Die Urk. f. Susa vom 9. Juli 1029 ist gedruckt bei Augustinus ab
205
am 28. Mai 1028, hatten Olderich Manfred nnd Berta sich zur
Stiftung einer Nonnenabtei in der Burg Caramagna bereit er-
klärt.i) Beide Grttndnngen tragen den Stempel der Familien-
stiftnngen, die gleichsam ein einigendes Band des ganzen
Hanses, ein Familienmonament sein sollten. Denn nicht nnr
nrknndeten die Stifter ftlr das Seelenheil aller ihrer Verwandten,
sondern ihren Enkelkindern und Urenkeln bis ins ftlnfte Glied
wurden Präsentations- und Patronatsrechte zugestanden, die
in den Urkunden bis auf den speziellsten Fall der Erbfolge
bestimmt werden. Das Ordinationsreeht sowohl des Abtes als
der Aebtissin bleibt bis zur angegebenen Frist in der Familie,
dann erst wird die Wahl der Congregation überlassen. Beide
Abteien werden aus der Gewalt des Diöcesanbischofs eximiert^),
und bezüglich San Giustos ausdrücklich ein Privileg des Papstes
erwähnt, laut dem es dem gewählten Abte freistehen sollte,
die Gonsecration einem beliebigen Bischöfe zu übertragen. Ist
uns auch über die Herkunft der zuerst eingesetzten Leiter
Dominions und Richilde nichts bekannt, — wir wissen nur,
dass beide von kindauf im Elosterleben erzogen waren ^) —
so liegt die Vermutung nahe, dass sie beide aus der Schule
des Abtes von Fruttuaria stammten, von dem wir auch wissen,
dass er ein Nonnenkloster in Italien eingerichtet hat^) Auf
Ecclesia, S. R. £. Cardinalium , Archiepisc, Episc. et abbatum Pedemon-
taoae regionis cbroDologica historia, Turin 1645, p. 238; HPM I, 479. Im
Auszuf^e MabilloD, An. Bod. IV, 311: Et est ipsa res per mensuram itistam
iugera quindecim niilicL Es wird das alles gewährt: Exc^tis omnibuSj
que pertinent ad ecclesiastica iura. Wie aus der Urkunde heryorgeht, be-
stand Juli 1029 die Basilica des hl. Justas schon, deren Weihe Rod. Glab.
IV, c. 3, § 8 auf den 17. October setzt. Man wird dieselbe also wohl knrz
vor die Datierung der Urkunde verlegen dürfen.
1) Diese Urkunde bei Ughelli IV, 1038 und HPM 1,463.
') S. Ginsto: monasterium in regimine ullius episcopi vel alius mo-
nasterii nee uüarum personarum aut per donum imperatoris vel regis
neque uüius personae etc. Caramagna: ut nuUo modo permaneat ipsum
monasterium in regimine ullius episcopi^ in cuius episcopio est situmj
nee aUerius personae.
■) Es wird von beiden in den Urkunden hervorgehoben.
*) Chron. S. Benig. p. 150: Sanctimonalium etiam instituit monaste-
rium. Ich vermute, dass es Caramagna war. Dagegen sieht mir die An-
nahme, dass es Baranum war, das Emericus de Barbania gründete, dessen
Tochter Libania vom Abte von Fruttuaria gebildet sein soll (ihr Epi-
206
die Schwestern der Congregation nimmt Wilhelm in seinem
Decret über die Totenoffizien, das er für Fmttaaria erliess,
besonders Rücksicht.^)
Damit ist übrigens die Reihe der Elosterstiffcungen inner-
halb der Tariner Diöcese nicht erschöpft. Im Jahre 1027, also
kurz vor Caramagna and San Giusto, entstand die Abtei Sa-
yilliano, die Stiftung eines gewissen Abellonius and seiner
Fran Amaltrad, zu Ehren St Peters^), and zehn Jahre später
setzte der Bischof Landulf von Tarin, der innerhalb seiner Diö-
cese kräftig restaarierend and ansbessemd vorgegangen war,
seiner geistlichen Thätigkeit die Krone aaf, indem er ein Bene-
dictinerkloster zu Cavoar gründete.^)
So war denn der Anstoss, den Wilhelms Wirksamkeit in
Oberitalien gab, von den weitesten Wirkungen. Im Osten
wurde das Ravennater Gebiet vielfach durch ihn beeinflusst,
in Hailand fasste seine Regel zu S. Ambrogio festen Fuss,
in ganz Piemont erhob sich Kloster auf Kloster — schon
drangen die Wirkungen über das Meer nach Corsica, als Mark-
graf Adalbert, Otberts Sohn, aus dem Hause der Aledramiden
und seine Gemahlin Adelheid ftlr das Seelenheil des Grafen
Angeldus von Corsica der Abtei Fruttuaria das auf der Insel
gelegene Marienkloster von Travo mit mehreren Besitzungen
Übergaben.^)
taphium bei Levis, S. Wilh. Op. praef. LI gedruckt, vgl. auch Chevalier, Le
ven^rable GuilL p. 129), späteren Fabeln so ähnlich, dass ich mich nicht
zu ihr entschliessen kann, zumal authentische Documente fehlen.
0 Decretum de defunctis bei Levis p. 136.
>) Ughelli, Italia sacra IV, 1032.
3) 1037, HPM 1,514. Bestätigungurk. Widos von 1041, HPM 1,540.
Abt wird Johannes.
*) Augustin. ab Eccl. a. a. 0. p. 2()3. Der Verfasser begeht nur den
Irrtum, unsem Wilhelm zum Nachfolger des Johannes zu machen und so
zwei Wilhelme anzunehmen.
Achtes Capitel.
Frankreich nach dem Tode Roberts !!•
1. Robert und Wilhelm von Dijon.
I.
Während die deutschen Kaiser Heinrich und Eonrad dnrch
ihre Stellung gezwungen waren, eine weitaussehende Welt-
politik zu treiben, ist die Fürstengeschichte unter Robert II.
mit Familienangelegenheiten erfüllt. So waren auch die Be-
ziehungen der hervorragendsten Reformäbte zum Hofe regel-
mässig durch Familienverhältnisse hervorgerufen.
Trotz des aniUnglichen Widerspruchs der Grossen bewirkte
König Robert namentlich auf Antrieb seiner Gemahlin Con-
stanze die Krönung seines ältesten Sohnes Hugo zu Pfingsten
1017 im Palast von Compiögne, seiner gewöhnlichen Resi-
denz. Aber wie nun in der Folge der junge Prinz um jeden
Einfluss auf die Regierung sieh betrogen sah^), kam es zum
Familienzwist: Hugo verliess den Hof, schweifte erst unstät
umher ^) und überfiel schliesslich mit einer kleinen Schar gleich-
altriger junger Leute die Besitzungen seines Vaters.^) Nach
diesem Landfriedensbruche führte Fulbert von Ghartres eine
0 Rod. Glaber, Hist. III, c. 9.
>) Fulberti epist 33.
3) Rod. Glaber, Hist III, c.9; vgl. Fulb. epist. 32. 84. 31. 33 (so ist
die chronologische Reihenfolge); Mir. S. Bened. VI, c. 14 ed. Certain p.240:
Boberto serentssimo rege cum Hugone filioy streniie iuventutis viro, felicU
bu8 aiiapiciis Francorum sceptra tenente. . . . Pfister, Etudes p. 74 setzt
den Conflict erst 1025, indes muss man sich eine längere Regierangszeit
Hugos denken.
208
Versöhnang herbei und sicherte Hugo fortan wieder die Gnade
des Königs nnd grösseren Einflnss anf die Staatsangelegenheiten.
In dieser Zeit erwarb der Prinz darch seine Begünstigung der
kirchlichen Parteien, denen er seine Intervention bei dem
Vater widmete, die besondere Zuneigung der Reformkreise,
die seinen frühzeitigen Tod — er starb im Alter von achtzehn
Jahren am 17. September 1025 *) — tief betrauerten.^) Beide
Eltern waren untröstlich. Damals kam der Abt von Dijon an
den Hof, vielleicht bei den Exeqnien, und beruhigte den König
und die Königin derartig durch Worte des Trostes, dass man
sagte, Gott habe sie durch den heiligen Mann aufgesucht^)
Als es sich nun darum handelte, einen von den andern
Söhnen zum Nachfolger wählen und krönen zu lassen, standen
Robert und seine Gemahlin wieder auf verschiedenen Seiten.^)
Diesmal setzte der König seinen Willen durch, indem er dem
von ihm begünstigten zweiten Sohne Heinrich, der bis dahin
das Herzogtum Burgund verwaltet hatte, die Anerkennung der
Grossen und die Königskrone verschaffte. Robert stand damals
mit den Cluniacensern auf dem besten Fusse; nach der Synode
von Anse hatte sich der König energisch zum Schützer des
Klosters gegen schlechte Machenschaften aufgeworfen und die
Freiheiten Clunis bestätigt.^) Er hatte auch jetzt die kirch-
lichen Kreise für sich, als er ftlr den kriegstttchtigen<^) Hein-
>) Pfister p. 75.
*) Rod. Glaber III, c.9; Helgaudi V.Rob. c. IG; Mir. S. Beoed. VI, c.14.
>) Rod. V.Wilh. C.2I.
<) Rod. Glaber III, c. 9.
•») HF X, 61 1 ; CHOL IV, 2800.
•) Mir. S. Bened. VI, c. 14; Rod. Glaber V, c. 1, § 6, p. 118: mm «c-
quenti anno filius regia Rotbertij Heinricua, qui post illiim regnavitf Oil
eundem castrum ira permotus veniena cum ingenti exercitu, mtUta ibidefn
hominum cedes ab uiraque parte patrata est. Die Burg ist Tonnerre,
d^part. de rYonne. Prou setzt dies 1015 mit RQcksicht darauf, dass im
vorhergehenden Jahre noch Bruno von Langres gelebt haben soll und
1015 die Eroberung Burgunds durch Robert vollendet [wurde. Da aber
Hugo etwa 1007 geboren ist, so kaun Heinrich frühestens 1008 das Licht
der Welt erblickt haben; er wäre 1015 also erst sieben Jahre und 1017
(da Bruno 1016 starb) höchstens neun Jahre alt gewesen. In diesem
Alter pflegt man aber nicht ira permotus ... cum ingenti exercitu vor
Burgen zu marschieren.
209 i
rieh gegen Robert, den Günstling der vielgehassten Constanze >),
in die Schranken trat
Zu Pfingsten 1027 erfolgte za Reims die feierliche Salbung,
nachdem ein Jahr früher anf einer Fttrstenversammlung dar-
über beraten worden war. Neben den bedeatendsten weltlichen
Fürsten, wie Odo von Chartres, Wilhelm von Aquitanien und
dem normannischen Herzoge, hatten sich zahlreiche, der Kloster-
reform günstige Bischöfe eingefunden.^) Von Italien, wo er
sich im Frühjahr in der Umgebung des Kaisers befand, eilte
Odilo über die Alpen, um mit den Achten Airard von St. Remi,
Richard von St. M^dard, Dado von Montierender der Krönung
beizuwohnen.') Auch allgemeine Regierungshandlungen wurden
auf dem Hoftage vorgenommen. Die Nachfolge Heinrichs und
eine friedliche Zukunft schien gesichert: zwei Jahre später
konnte der Abt von Cluni wieder unter den Teilnehmern einer
grossen Festlichkeit am französischen Hofe erscheinen. Die Erz-
bischöfe von Bourges, Sens und Tours, die Bischöfe von Orleans,
Chartres, Beauvais und Senlis umstanden den Herrscherthron
Roberts zu Orleans am 14. Juni 1029, als die Translation des
hl. Anianus nach der neuerbauten Kirche erfolgte und die neun-
zehn Altäre derselben die feierliche Weihe empfingen.^)
Inzwischen hatte jedoch die Königin nicht geruht, die beiden
Söhne zu versöhnen und gegen den Vater aufzuhetzen. Wäh-
rend der ältere sich auf -Francien warf und Robert das Castell
Dreux entriss, fiel der jüngere in Burgund ein und nahm Avalen
und Beaune. Man wollte den schwachen Monarchen auf sein
^) Ueber sie vgl. Rod. Glaber III, c. 9; Mir. S. Bened. p. 241; das
ürteU Fulberts bei Pfister p. 77.
*) Pfister p. 77. 78.
^ Vgl. die Urk. für Montierender vom 14. Mai 1027, die Odilo mit-
nnterzeichnete, HF X, 618 ff.; jetzt vollständig im Gart, de Montierender
nr. 20 : qui ad benedictionem mee prolis Henrici futuram in die sancto
Pentecosten convenerant,
*) Für diesen Abschnitt der Biographie Helgauds hat L. Auvray die
Quelle (Cod. Vat. reg. 585) ediert in M^langes d^arch^ol. et d'hist. 1887,
p. 466 ff. ; aus derselben Quelle schöpfte die Hist. transl. reliqaiarum S. £u-
spicii abbatis c. 2, HF X, 370; Mabillon, Acta SS. VI, 1, 278. Das Datum
ist nach Cod. Vat. Christ, reg. 585: XVIIL KdUndaa lulii, nach der Trans-
latio: XYL Kai. luL Sie bezeugt auch die Anwesenheit des Abtes Albert
von Saint-Mesmin.
Saoknr, ClouiAoenser. II. 14
210
Altersteil setzen.O Aber Robert rückte mit einem Heere nach
Bnrgund. Es war Ende 1030, als Wilhelm von Saint-B6nigne,
der die letzten beiden Jahre in seinem Vaterlande zugebracht
hatte, heraufzog, um die Klöster, die unter ihm standen, zn
visitieren, die Befolgung seiner Lehren und der Regel zn prü-
fen. Er zog von Kloster zu Kloster; auch die Reise nach
Lothringen scheute er nicht, um die Brüder wiederzusehen,
die in Gorze Gott dienten.^) Damals kam er auch nach Dijon;
er traf hier zum letzten Male mit König Robert zusammen,
der eben mit seinen Söhnen im Kampfe lag. Der König bat
den klugen Abt um seinen Rat und flehte ihn an, fttr ihn und
die Söhne zu beten. Aber Wilhelm erinnerte ihn an die Krän-
kungen, die er selbst in der Jugend seinen Eltern zugefügt
habe — er dachte vermutlich an die unkirchliche Ehe — , an
die Bekümmernisse, deren Vergeltung der Undank der Söhne
sei. Robert hörte auf zu klagen und trug sein Geschick mit
Ruhe; er hatte schliesslich doch noch die Freude, die Söhne
zum Frieden zurückkehren zu sehen.^)
Von Todesahnungen getrieben, war Wilhelm von Dijon
Ende 1080 durch Frankreich nach der Normandie geeilt, um
die dortigen Schüler wiederzusehen. Als er kurz vor Weih-
nachten zu Föcamp von heftigen Leiden befallen wurde, er-
kannte er bald, dass es zu Ende gehe. Er sprach noeh viel
mit den Brüdern, ermahnte sie and traf Anordnungen, segnete
sie und empfing die Sterbesacramente. Ein Schlaganfall, wie
es scheint, beraubte ihn dann der Spraehe. So lag er schwei-
gend, den Blick nach oben gerichtet, bis ihn am I.Januar
1031 früh bei Morgengrauen der Tod erlöste. Sein Leib ward
einbalsamiert und in Föcamp vor dem Altar des bL Taurinus
in der Dreieinigkeitskirche an einer Stelle beigesetzt, wo die
kommenden und gehenden Brüder sein Grabmal täglich vor
Augen hatten.^)
1) Rod. Gl. III, c. 9 § 35; Mirac. S. Bened. VI, c. 15, p. 241.
«) Rod. Gl. Bist. IV, c. 3.
») ib. UI, c. 9.
*) V. Wilh. C.29; Chron. S. Ben. p. 178; Ann. S. Germani 1030, SS.
III, 168. Das Datum wird tiberliefert im Epit S. Wilh., Gallia Christ. (1656)
IV, 483; Necrol. S. Ben. a.a.O.; Necrol. S. Germani bei Boaillari, Bist, de
211
IL
Wilhelm war vielleicht die markanteste Ergeheinnng unter
den Fuhrern des Mönchtnms. Er hatte etwas rauhes, stache-
liges in seinem Auftreten. Er schonte weder König noch Volk,
und seine Predigten müssen, soweit wir noch urteilen können,
mitunter einen polternden Ton angeschlagen haben. Er konnte
hassen mit der Leidenschaftlichkeit eines Italieners, und er
gehörte zu den am meisten gehassten Männern der Kirche
seiner Zeit.^) Durch seine politische Thätigkeit auf der Seite
der Nationalparteien stiess er an den Höfen an, und das hab-
süchtige und egoistische Regiment Johanns XIX. fand in ihm
den schärfsten Gegner.
Dabei lebte in ihm ein Schatz von Liebe und Milde. Vor-
würfe und Hass verstummten, wenn die Gegner vor sein
Angesicht kamen. Unablässig predigte er die Tugend der
Caritas^); der Jugend empfahl er durch Samariterwerke
Sündenvergebung zu suchen und bei eigener Dürftigkeit der
Lebensweise Arme und Fremde liebreich zu unterstützen —
die Hand der Armen sei Christi Schatzkammer.^) Von den
Pröpsten seiner Abteien forderte er Milde gegen die Mittel-
losen beim Einziehen des Zinses, und auf seinen Reisen durch
Städte und Dörfer erwarteten ihn auf den Wegen zahllose
Scharen von Armen und Kranken.^) Der harten Strafrechts-
pflege der Zeit, die mit der Todesstrafe gleich bei der Hand
war und die Verfügung über Leben und Tod der geringeren
Bevölkerung und der Hörigen in die Hände eines rohen und
gefühllosen Adels legte, trat er oftmals entgegen, indem er
durch seinen Einfluss oder gegen klingende Münze Uebelthäter
von Beil und Galgen errettete.^) Er zuerst von den Zeitge-
l'abbaye de Saint-Germam des Pres pr. CVIU; Obituarium Gemmet., HF
XXIII,417; Necrol. S. Sabinae Piacent. B (ed. Bresslan, N. Arch. V, 440);
Necrol. Novallc., SS. VII, 130; Necrol. S. Andreae Taurin., SS. VII, 131;
Necrol. S. Salvat. Taurin., HPM III, 214.
») V. Wüh. c. 12.
«) Vgl. Sermo II, UI, VI.
") Epist. 7 ad adolescentnlos. Levis p. SOff.
*) V. Wüh. c. 27.
^) ib. c. 26 : MvUos nempe ab huittsmodi patilnili suspendio ac nece
per diversas provincias tarn interi)entu quam redemptionis pi'etio liberavit
14*
212
noBBCD fasBte den Gedanken, das gemeine rohe und ungebil-
dete Volk sittlieh und geistig durch Errichtung wahrer Volks-
schulen zu heben. 1)
Und wie waltete er im Innern seiner Klöster! Mit ernster
Strenge hielt er auf Tötung fleischlicher Begierden und auf
äusserste Kargheit in Kleidung und Nahrung.^) Geringe Körper-
pflege ist ihm der vornehmste Schmuck der Heiligkeit'), Ge-
horsam die erste Tugend der Mönche.^) So wenig er selbst
frei war von einer gewissen Ueberhebung^), so hielt er doch
Hochmut bei Mönchen fttr viel schlimmer als irgend ein ande-
res Vergehen, ja selbst als die Ehe.®) Wenn man ihm den
Beinamen Supra-Regula beilegte ^), so wollte man damit sagen,
dass er in seinen harten Forderungen noch über die Regel
hinausging, lieber die litterarischen und künstlerischen Be-
strebungen in seinen Klöstern ist an anderer Stelle zu handeln.
Mit dem internationalen Verkehr in seinen Abteien, in denen
sich Italiener, Griechen, Engländer, Franzosen und Deutsche
begegneten, dürften wir den Punkt berührt haben, der als der
characteristischste seiner ganzen Erscheinung hervorgehoben
zu werden verdient Welch* reiche Gelegenheit zum Austausch
geistiger und künstlerischer Anregungen!
Die fruchtbare Thätigkeit des Abtes von St.-Bänigne fand
die höchste Anerkennung bei seinen Gesinnungs- und Arbeits-
genossen. Nicht nur Rodulfus Glaber, sein Biograph und
Schüler, rühmte, dass er mehr als alle andern für die von
ihm vertretene Sache gewirkt und geerntet habe^), sondern
0 Vgl. unten.
*) V. WUh. c. 24 : Mortificatio nempe camia et abiectio corporis ac
vilitas vestium ciborumque extremitas vel parcimonia in auorum universis
acsi naturaliter viguit; vgl. epist. 7.
>) Epist. 7 (Levis p. 85) : Vilis sit corporis cuUuSf sed ipse praecipuus
est sanctitatis ornatus,
*) Epist. 8.
*) V. Wilh. c. 12. In einem Gesprikh sagte der Bischof von Langres
dem Grafen Otto Wilhelm ins Ohr: tut a^bati, utpote propinqiio scüicet
suOf leniter suggereretf ut dationemf ne forte pro virtuttim gratia vel rerum
copia surriperetj caveret.
^) Epist. 8: Monachus si superbtis est, mülto melius ei erat, si tixo-
rem duocisset,
') Hugo Flav. SS. VIU, .391.
*) Rod. Glaber Hiat. III, c. 5 § 18: prae omnibus exinde precedentibuß
213
Odilo gelbst widmete ihm nach seinem Tode den karzen, aber
ehrenvollen Nachruf: «Einer strahlte ganz vornehmlich hervor,
der vor karzem aus dem Leben schied und der mehr als wir
alle gearbeitet hat: der Herr and Abt WilhelmasI'^O
König Robert lag gerade mit einem starken Heere vor
Mirabean, einem Räubemest bei Dijon, als die Todesnachricht
ihn ereilte.^) Er sollte Wilhelm nicht lange überleben. Am
20. Jali desselben Jahres raffte ihn der Tod in Melnn hinweg;
in St. Denis fand er seine letzte Ruhestätte.^)
2. Allgemeine Zeitströmungen.
Misstände and Friedensversammlangen.
Während der letzten Jahre Roberts zeigten sich die Vor-
läufer einer Hangersnoi Die furchtbaren Regengüsse im Winter
1028 mochten zuerst grössere Befürchtungen und schwerere
Folgen hervorrufen; seit der Zeit wuchs der Notstand in ein-
zelnen französischen Gebieten. Der Osten ^) scheint verhältnis-
mässig früh in Leidenschaft gezogen worden zu sein; wenig-
stens sah sich Wilhelm von Dijon, voll Mitleid mit dem Elend ^),
am ehesten genötigt, den prächtigen Schmuck des Märtyrer-
grabes von St.-B6nigne hinzugeben und alles Gold und Silber,
Tafeln, Kreuze, Weihrauchkessel, zu verkaufen, um fttr die
Armen Brot zu schaffen.®)
Viel bedenklicher wurde die Lage seit dem Tode des
Königs. Eine Mondfinsternis rief bereits die gewöhnlichen Be-
prescriptae institutionia laboriosior ac spertnologiw frucHfUxUior est re-
pertw,
") y. Maioli, Bibl. Clan. col. 286: unus praecipue reftUsitj qui nuper
rebus humanis excessit, et qui plus omnibus nohis laboravit, domnus vide-
licet et abba Wilhelmw,
*) Chron. BesueDse ed. Garnier p. 316.
>) Rod. Glaber a.a.O. § 36; Mirac. S. Boned.YI, c. 15, p. 241.
«) Miracnla S. Adalhardi I, c. 4, SS. XV, 2, 861 : fernes Septem annis . . .
maxime partes vexabat Ambianensivm,
») Hugo Flav. II, c. 27.
') Cbron. S. Ben. ed. Bougaud p. 147.
214
sorgnisse hervor; endlich, am 9. März, erschien ein Komet, der
drei Tage lang sichtbar blieb« Zahllose Heuschreckenschwärme
zerstörten BaamfrQchte, Ernten and Wiesenpflanzungen voll-
ständig. ^ Das war eine böse Vorbedentang fttr das kommende
Jahr. Da goss es im Juli 1032 so entsetzlich vom Himmel
hemnter, dass Saaten nnd Weinpflanzungen vernichtet und
Bäume umgebrochen wurden. Zur Zeit der Ernte bedeckten
die Aecker statt üppigen Getreides nur wildes Kraut und
elender Schwindelhafer. Das Unwetter, das mit aller Gewalt
losbrach, zerstörte jede Hoffnung, die Ernte zu retten. Die
Flttsse traten aus; die Loire riss Häuser, Ställe und Menschen
fort 2), bei Tours die Brücke.^) Drei Jahre lang war in einigen
Gegenden die Bestellung der Aecker unmöglich. Volkreiche
Städte verödeten, Dörfer und Weiler auf dem flachen Lande
wurden ihrer Ansiedler entblösst^) Die Getreide- und Salz-
preise erreichten eine unerschwingliche Höhe, unter der nicht
nur das mittellose Volk, sondern auch die Reichen litten.^)
Laub, Baumrinde, Baumwurzeln und Flusskräuter dienten neben
Mäusen schliesslich als Nahrung. In ganzen Trupps stürzten
sich die Hungrigen, bleich wie der Tod, auf ihre Beute, wenn
sie etwas geniessbares aufgespürt hatten. In nächtlichen
Streifzügen tötete man die Haushunde und das Vieh in den
Ställen.<^) Man schreckte vor Mord nicht zurück und lebte von
Menschenfleisch.'^) Auf den Strassen lagen die Verhungerten
in grossen Haufen, da bei der Menge der Sterbenden die Toten-
versorgung fast völlig stockte. Hunderte wirtschaftlich herunter-
gekommene Leute verliessen Haus und Hof und überfluteten
1) Mirac. S. Bened. III, c. 9 ed. Certain p. 233 ff.
*) Ex vetere Chron. excerpta, HF X, 216.
3) Mabülon, Ann. Bened. IV, 396.
*) Gesta FontaDell. app., HF XI, 16.
^) Rod. Glaber IV, c. 4, § 10: Nam in plerisque locis fuit modii pre-
cium sexaginta solidorutnf alias quoque sextarim Bolidonim qtUndecim;
das Chron. Autissiod. Labbe I, 292 hat zum Jahre 1031 die Notiz: Fefidt-
tue est sextarius salis solidis XXIII et tritici soliditt IV,
«) Mirac. S. Bened. a. a. 0.; Rod. Glaber IV, c.4, § 10. Dazu vgl.
Falconis Gbron. Trenorch. bei Mabiilon, SS. VI, 2, 102; Mirac. S. Gerardi
c. 5; Ex Chron. vet. excerpta, HF X, 216; Ann. Laus. SS. XXIV, 780; Gesta
Fontanell. a. a. 0.
^) Gesta Fontanell. a.a.O.; Rod. Glaber IV, c.4, § 10. 11.
215
bettelnd mit Weib nnd Kind die nachbarliehen GebieteJ) Er-
greifend ist die Sehilderang einer unserer Quellen: , Damals
verstummte Cither und Leyer, und jede Musik hatte ein Ende.
Vorbei wars mit der Freude; nirgends ein Jubellaut! Niemand
stritt um Spiel und Vergnttgungen, um den Erfolg des Glückes:
überall war die Niedergeschlagenheit, der Schmerz und die
Furcht vor dem Unheil gewaltig; weit und breit nichts als
Trauer und Oede.*^)
Das Elend pochte natürlich zuerst an die Pforten der
Kirchen und Klöster. Hier lagen scheinbar grosse Beichtümer
aufgespeichert. Aber die Stifter, deren Hauptreichtum in ihrem
Grund und Boden bestand, wurden durch die Unergiebigkeit
des Land- und Weinbaus nicht minder schwer getroffen. Ausser
den Mönchen hatte der Abt für die abhängigen Leute, Leib-
eigene, Zinsbauem und Pächter, zu sorgen. In den Klöstern
fanden denn die Klagen den allgemeinsten Widerhall; hier
wurden alle Mittel in Bewegung gesetzt, um Brot zu schaffen.
Man kaufte nach Möglichkeit die entwerteten Grundstücke zu-
sammen, um den erhöhten Ansprüchen genügen zu können^),
nahm Leute, die sich selbst nicht ernähren konnten, in Pension
und unterstützte zahlreiche Arme. Dabei schonte man nicht
nur das vorhandene Barvermögen nicht — jetzt war die Zeit
gekommen, wo auch in den Augen der strengsten Kirchen-
männer erlaubt war, was sonst verpönt, die Kirchenschätze
und den kostbaren Schmuck der Gotteshäuser zum besten der
Notleidenden zu veräussern; denn die Zahl der Armen über-
stieg in jeder Weise die vorhandenen Mittel.^)
Wie Wilhelm von Dijon, so waren auch Odilo und Richard
>) Anselmi Gesta Leod. c. 87. Wenn von denen, die nach Lüttich
kamen, der Bischof aUein dreihundert unterhielt, so kann man sich eine
VorsteUung von dem Umfang der Auswanderung machen, da die Aus-
wandrer sicher auch andere Orte aufgesucht haben.
') Gesta Fontanell. a. a. 0.: Eo tempore periit cithara et lyra, et
omne genua musicorum interiit: sublatum est enim gaudium; vox laetitiae
nusquam audiehatur; nemo de ludis et voluptatibus, de secwidorum suc-
cessu ntUluB disputäbat: ubique tristitiaj dolor et metm malonmh ingens
erat; luctrts et vastitas cwncta late tenebat.
3) Vgl. Gesta abb. Gemblac. c. 23. 37. 62; Gart, de Saintes nr. 20, p. 27.
*) Rod. Glaber a. a. 0. : excessit nimietas egenorum in pleriaque loda
thesauroa ecckaiarum.
216
von Saint-Vannes aufs eifrigste bestrebt, der Not zn stenern.
Der Abt von Clani beklagte, wie er selbst einmal sagt, nicht
nur den Verlust des Vermögens, sondern auch das unerhörte
Elend, den jammervollen Ruin des ganzen Landes.^) Zum
Nutzen der Notleidenden schmolz er zahlreiche Kirchengefässe
und Gerätschafken, u. a. die Krone Heinrichs II, ein. Und als
dies alles nicht genügte, um dem Hunger der Armen abzu-
helfen, zog er von Dorf zu Dorf und von Kirche zu Kirche,
um die hohen Herren, die Reichen und den Mittelstand zu
Spenden anzufeuern. Mit erhobener Stimme versprach er in
seinen Predigten ihnen vollste Absolution von ihren Sünden.^)
Bis nach Spanien drangen die Bittbriefe, durch die er den
Untergang Tausender abzuwehren suchte.^) Auch Richard
hatte nicht nur Kirchenschätze der Kirche Reims verkaufen,
sondern sogar Abteien, wie die von St Amantius in Aquitanien,
an den Grafen von Rodez verpfänden müssen, mit dem dann
das Kloster St. Vannes noch lange processierte. Auch seine
Boten und Briefe eilten zu weltlichen und geistlichen Grossen.^)
Naturereignisse, wie die eben geschilderten, wurden in
jener Zeit um so furchtbarer, je mehr die socialen Verhält-
nisse die entsetzlichen Wirkungen förderten und erhöhten.
Seit dem Ende des zehnten Jahrhundeils war die Kirche be.-
strebt, der wachsenden Unsicherheit des Besitzes und jedes
Gewerbes ein Ende zu machen. Sie hatte zuerst versucht, an
Stelle des Gewaltprincips, das jedem ermöglichte, mit dem
Schwert sein Recht zu suchen, das der gesetzlichen Entschei-
dung zu befestigen, sie hatte dann in den burgundischen Frie-
denseinignngen die Laien über den Reliquien der Heiligen
schwören lassen, von jedem gewaltsamen Raube abzustehen.
Damals waren Fälle der Notwehr oder des Wiedererwerbs ge-
^) Praef. ad V. Maioli: Eram tum temporis lugens et deflens non modo
damnum rei famüiariSf sed et insolitae cälamitatis et inauditae miscriae
ingem periculiMn, [et quod magia urgebat, totius patriae et omnium paur-
perum grande lamenta^ileq^ie dispendiitm.
*) Jotsaldi y . Odilonis I, c. 9 : Erat enim eo tempore fames valida,
quae sui magnitudine pene totas Qalliarum sive Aquitaniae oppresserai
provincias.
>) Odil. epist. 8 ad Garseam, d'Ach^ry, Spicilegium 111,381.
*) Hugo Flav. II, c. 27; vgl. Sackur, Richard, Abt von St.-Vannes S.60.
217
raubten EigentnmB aasdrtlcklich ansgenommen. Sei es nnn,
dass wir in den aqnitanisehen Friedenssynoden, die seit dem
Jahre 1028 sich verfolgen lassen, die Fortsetzung der bnrgun-
disehen Bewegung zu erblicken haben, wie es scheint, sei es,
dass es sich um ein erneutes selbständiges Vorgehen der aqui-
tanischen Kirche handelt, jedenfalls traten die Bemühungen
für den Landfrieden in ein neues Stadium. In Limoges wur-
den wenigstens seit dem November 1028 Versammlungen ab-
gehalten, an denen die aquitanischen Bischöfe, die Aebte der
verschiedenen Klöster mit ihren Heiligen und eine grosse
Menge Volkes und vornehmer Laien teilnahmen. Seit am
19. November 1028 gelegentlich der Weihe der Kirche St. Sal-
vator eine Translation und Ausstellung des hl. Martialis und
anderer Beliquien^) stattgefunden, und bei dieser Gelegenheit
die Bischöfe zum Frieden ermahnt, der Rechtlosigkeit gewehrt
und die Friedensbrecher excommunieiert hatten 2), wurden diese
Versammlungen um so öfter wiederholt, je schwerere Zeiten
jetzt ttber die Bevölkerung hereinbrachen.') Nachdem es den
ganzen folgenden Winter geregnet und gestürmt hatte ^), zog
der Bischof von Limoges bereits im März 1029^) durch die
Ausstellung von Heiligenreliquien wiederum zahlreiche Men-
sehenmassen heran, die schwören mussten, Friede und Recht
zu wahren.«) Die grossen Synoden, die am 1. und 18. November
1031 zu Bourges und Limoges') abgehalten wurden, verfolgten
^) Chron. Lemovic. 102S, Labbe I, 334; Ghron. Gaufredi Vosiensis,
HF X, 268; Sermo I. des Ademar von Chabannes von 1031, Cod. lat. Paris.
2469 f. 89'. 90; II, f. 90; III, f. 91'.
') Sermo IX. des Ademar a. a. 0. f. 96 : ubi ipsi plures adfuerunt epi-
scopi adnuntiantea pacemj prohibentes initisticianif vioUttores pacis excom-
municantes, . . .
•) Vgl. Sermo IH. und IX.
*) Sermo HI, f. 91: Sed mirum dictu peracta templi dedicatione per-
turbatio elementorwn gravis subsectUa est, ut per contirhxws qwtttxMr menses
venti et pluviae totam infestarent terram.
*) ib.: per mensem Martium.
•) ib.: pacetn iterum et ivsticiam confirmare omnibus iussit
*) Sermo I, f. 89: Sancta quippe sinoduSj quae ante hos dies videlicet
in huius mensis capite apud sedem habita est Bituricamf unanimi pnur
denter tractavit consultu conciliwn apud hanc vrbem Leniovicam in hoc
hodiema die dehere iterare ; Goncil. Lemovic, Labbe, Novabibl. II, p.779:
ante kos quindecitn dies in concilio Bituricensi . . . recitare fecimtts.
218
neben anderen Absichten auch den Zweck, namentlich die vor-
nehmen Laien fttr eine Wiederherstellang des Friedenszustandes
zu gewinnen, der Rechtlosigkeit ein Ende zu machen. Ademar
von Chabannes predigte damals, wie bei andern Gelegenheiten,
in Limoges nnd ermahnte zum Frieden ^), während Bischof Jor-
dan den Anwesenden verbot, sich heimlich vom Concil zu ent-
fernen, und alle Fürsten und Edlen zusammenberief, um sie
zum Frieden zu einigen. Die Geistlichkeit forderte vor allen
Dingen fttr die Besucher der Versammlung Frieden, sowohl fttr
den Heimgang als noch wenigstens acht Tage später.^) Den
Gehorsamen wird Absolution versprochen, die, welche den
Frieden nicht annehmen, werden mit der Excommunication be-
droht, wie es bereits auf dem Concil zu Bourges geschehen
war.3) Um dieselbe Zeit wurde unter dem Vorsitz Wilhelms
von Aqnitanien von den Bischöfen Isembert von Poitiers, Jordan
von Limoges und Arnald von P^rigneux über den Landfrieden
zu Poitiers verhandelt und vornehmlich die Rückerstattung jeg-
lichen Kirchenraubes beschlossen.^)
») Sermo I.
>) Concil. Lemovic, Labbe II, p. 781. 782.
') ib.; Quenuidmodum auteni inter BitiiriccfiseSj Deo dotiantCj pax
firtiiata est, ita inter Leniovicenses paceni fieri optamus.
0 Chron. S. Maxentü a.a.O. 1032: Eo tempore fmt concilium factum
Fictavis de flde catholicaj rege Roberto concedentej ut per onmes civitcttes
fierent concilia. Der Cbronist scböpft hier wahrscheinlich aus einer Auf-
zeichnung, die unter dem Titel Noticia concilii Pictav. bei Martene, Thes.
IV, 79 und Gallia Christ. II, instr. col. 331 gedruckt ist: ... rege videlicet
Roberto Francorwn regna iuste disponetite .,, tU concilia per singulas ctt?i-
tates celebrarentur ac innumera mxdtitudo plebium coadunata . . . Inter
cetera» vero diversas partes acdditj ut Fictavae urbis concilium ageretur,
duce videlicet nobilissimo Willelmo svh Isemberto ipsius urbis episcopo et
lordano Lemovicensium praesule atque Armildo Petragoricae regionis et
diversorum ordinum christianorum abbatibuSj videlicet tnonachis et clericis
necnon et fidelibus popuiis . . . statueruntj ut, si quis hominum res sanctae
Dei ecclesia^e frauduknter aut violenter possederat aut iniuste rapuerat,
cum summo studio restitueret ety ut terras monasteriorum integras liberas-
que persolverent. Quod et ita omties decreverunt fteri et sub excommuni-
catione et iuramento firmaverunt. Die Erwähnung Roberts II. würde auf
vor 1031 weisen, indes geht aus der Noticia nicht hervor, dass z. Z. des
Concils von Poitiers Robert noch gelebt hat Aus Sermo IX (s. unten)
ersehen wir aber, dass kurz vor 1033 in Poitiers Friedensversammlungen
abgehalten wurden. Man wird also dem Chron. S. Maxentü folgen können.
219
Aber alle diese Versache, dea weltlichen Adel dem allge-
meiaen Interesse dienstbar zu machen, waren erfolglos. Die
angedrohten Strafen machten auf die meisten so wenig Ein-
draek, dass einige Bischöfe, wie die von Poitiers und Angou-
leme, sich genötigt sahen, das Interdict ttber ihre Diöeesen za
verhängen. Seitdem rnhte der (Gottesdienst vollständig; die
Glocken schwiegen, die Kirchenthtiren blieben gesehlossen und
warden von Gestrüpp umwachsen, da kein Laie mehr in die
Gotteshäuser gelassen wurde. ^) Die Verachtung, welcher die
kirchlichen Strafen allgemein unter den Vornehmen begegneten,
brach^ die Bischöfe zu dem Entschlüsse, die Excommunication
nicht frtther aufzuheben, als bis sämtliche Fürsten sich gegen-
seitig und in die Hände der Bischöfe die Friedenseide ge-
leistet hätten.2)
Erst im Jahre 1033 oder 1034^) begannen wieder bessere
Zeiten. Unter den wärmenden und trocknenden Strahlen der
Sonne entwickelte sich ein solcher Beichtum an Früchten und
Weinbergen, dass die Herzen sich dankerfüllt einer milderen
und sanfteren Stimmung öffiieten. Während in Limoges, wo
das Fest der Weihe von St. Salvator alljährlich durch grossen
Zulauf begangen wurde und wohl auch anderwärts die Kirche
ihre Bemühungen, friedliche Zustände herbeizufllhren, fortsetzte,
kam es — wenn wir recht unterrichtet sind — nach jenen
schrecklichen Notstandsjahren und vergeblichen Anstrengungen
der Geistlichkeit im Interesse des Friedens in Aquitanien und
später in Burgund zu allgemeiner und begeisterter Annahme
der von den Häuptern der Kirche vorgeschriebenen Forde-
rungen.4) Das in einzelnen Paragraphen abgefasste Instru-
>) Sermo IX. a.a.O.
*) Sermo IX: Consultu episcoporum tatndiu vero ista perdurabit ex-
canimunicatio, donec cuncti principes eorum inter se invicem imticiam et
pacem foederent in manibua episcoporum,
') Der hl. Martialis sagt (Sermo IX) 1028: usque ad quinque annos
Aquitaniam non visitabOy worauf der Notstand folgte, d.h. also bis ca.
1033; dazu vgl. Rod. Glaber IV, c. 5: Anno a passione Domini milesimo
memorate cladis penvHcia subsequentej also 1034.
*) Rod. Glaber IV, c. 5. Dass 1 033 in Limoges ein grösseres Concil
statt&nd, lehrt Sermo IX, der 1033 gehalten wurde: Certe ntmc Picta-
venaes et Engolismenses eccksiae omnes ab episcopis suis, qui huic con*
ciUo interswnt etc.
220
menti), das die eidlich zu beschwörenden Punkte enthält,
unterscheidet sieh nicht unbeträchtlich von der Eidesformel, die
auf den bnrgundischen Synoden der zwanziger Jahre vorgelegt
wurde.^) Vor allen Dingen ist man von einem bedingten Frie-
den, welcher Notwehr und berechtigte Vergeltung nicht am-
fasst, zu einem unbeschränkten Frieden') vorgeschritten, indem
nämlich einmal alle bis dahin verübten Verbrechen straflos
bleiben, Räuber der gesetzlichen Bestrafung übergeben werden
und die Friedensbrecher des Asylrechts der heiligen Orte ver-
lustig gehen sollen.^) Sodann legte die Kirche in den späteren
Versammlungen den Schwörenden Freitag und Sonnabend ge-
wisse Entbehrungen auf. Schliesslich glaubte man dem Frie-
denswerk grössere Dauer zu sichern, indem man sich ver-
pflichtete, den Bund alle fünf Jahre zu erneuern. Es ist aber
schwer zu sagen, wann derartige Bedingungen zuerst aufge-
stellt wurden: soviel scheint sicher zu sein, dass es sich in
Aquitanien um Jahre lange Bestrebungen handelt und dass es
ganz falsch wäre ^), mit Rodulfus Glaber anzunehmen, dass man
erst im Jahre der Passion Christi begonnen hätte, die Friedens-
saehe zu betreiben.
Aber nicht nur in Aquitanien, wo die Friedensbewegung
auch flirder nicht ruhte — 1036 fand noch ein Friedensconcil
zu Poitiers statt — , sondern auch in andern Teilen des west-
fränkischen Reiches hatte die Geistlichkeit das Werk in die
Hand genommen. Von den Kirchenprovinzen Arles und Lyon
aus pflanzte sich die Bewegung durch Burgund bis in die
änssersten Teile des Reiches fort.^) Ueberall müssen wir uns
schon im Anfang der dreissiger Jahre die massgebenden Kreise
in eifriger Thätigkeit denken. Die Nachrichten sind freilich
meist spärlich. Was das Herzogtum Burgund anbetrifift, so
^) Rod. Glaber a.a.O.: Erat quippc descriptio capitatim digesta etc.
•) Vgl. oben S. 166.
■) De inviolabili pace conservanda etc.
*) Predo namque aiU Invasor aUerius facuUaiis legwn disirictione
artatvs vel donis facuUatum seu penia corporis acerrime muUaretur.
^) Vgl. z.B. Kluckhohn, Gesch. des Gottesfriedens S.29.
•) Rod. Glaber: Dehinc per Arelatensem provintiam ac Lugdunensem
sicque per universam Burgundiam usque in tdtinuu Franciae partes per
universos episcopatus indictum est etc.
221
wissen wir nur von einem Friedensconcil in Auxerre im Jahre
1033.1) Bessere Zeugnisse stehen uns für die Bewegung zu
Gebote, soweit sie uaeh Nordosten vordrang.
So kam in der Diöeese Noyon bereits im Jahre 1030^)
unter dem Vorsitz des Bischofs Hugo eine Friedenseinigung zu
Stande, auf der das gesamte flandrische Klosterwesen mit den
Heiligen St Bavo, St. Wandregisil, St Amandus, St Bertinus
und St Winocus, der Markgraf und die Vornehmen des Reiches
erschienen waren. Einige Jahre ^) später kamen unter dem
Drucke der Hungersnot die Geistlichkeit der Diöeese Amiens
mit ihren Reliquien, vor allem die Insassen der Abtei Corbie
mit dem hl. Adalhard und natürlich die Laien des Sprengeis
an einem Orte zusammen, wo über den Reliquien ein unver-
letzlicher Friede aufgerichtet ward.^) Man setzte fest, dass
Streitfälle, die bisher durch Raub und Brand unter den Be-
teiligten entschieden wurden, fortan vor dem Gericht des
Bischofs und des Grafen erledigt werden sollten.^) Auch hier
wurde die Institution zu einer dauernden erhoben, indem man
sieh darüber verständigte, alljährlich am Tage des hl. Firminus
den Bund zu Amiens zu erneuern.®) Man kam da eine Zeit-
^) ChroQ. Autissiodor. 1033.
•) Sigeberti Auct. Affligh. SS. VI, 399 zu 1030: Cornea Balduinus ...
congregatü totius regni aui primatibua apud Aldenardum pacem cum
omni poptdo coniv/ratam firmari fecit. Danach Ann. S. Bavonis 1030. De-
Bcriptio de origine conventas postea abbatiae Tranchin. 1030, Smet, Re-
cueil 1,544; Ann. Formosel. 1030: Bdiquiae congregatae svt/iit Oldenardi,
Von S^michon and Klackhohn völlig übersehen.
>) Miracala S. Adalhardi I, c.4, SS. XV, 2, p.861: cum iUo famea
Septem annis regnasset cUrociter . . . Qtia comptUsi necessitate . . . Diese
Worte zeigen, dass es sich um die grosse Hungersnot handelte. Dass
dabei König Bobert als regierend genannt wird, kann bei dieser in chrono-
logischen Angaben ungenauen Quelle nicht ins Gewicht fallen. Kluckhohn
S. 24 setzt das Ereignis 1021, wie Holder-Egger bereits SS. XV, 2, 861 n. 4
richtig bemerkte, ohne jeden Grund.
*) Mirac. S. Adalh. I c.4: ibique pcicis inviolabiU pactum confirma-
tur ,. . integram pacem, id est tocius ebdomadäe decemunt
^) ib. I, c.4: Fuit aiUetn haec rq>romis8%o, ut si qui disceptarent
inter se aliquo disddio^ non se vindicarent praeda aut incendiOj donec
statuta die ante aecclesiam coram pontifice et comite fieret pacificaiis de-
clamatio,
^) \\}.: et %U per singulos annos ad id confirmandum Ambianis in die
festivitatis 8. Firmini redeant, unanimiter Deo repromittunt ; ib. I, c. 8:
222
lang regelmässig zasammen, entschied Proeesse und führte die
Streitenden zur Einigkeit.^)
So verbreitete sieh die Bewegung von Diöeese zu Diöeese.
Die Bischöfe zeigten sich im allgemeinen bereit, sieh den Frie-
densbestrebangen anzusehliessen nnd die Bevölkerung fttr den
Frieden zu gewinnen. Um die Ehrfurcht und Ergebenheit der
Laien zu fördern, verkündete wohl auch der eine oder andere,
die Friedensbotschaft sei vom Himmel gefallen. Nur einer, so
viel wir wissen, war auch diesmal durchaus abgeneigt, der
Aufforderung der westfränkischen Bischöfe Folge zu leisten. Es
war Gerhard von Gambrai, der das selbständige und radicale
Vorgehen der französischen Geistlichkeit mit seinen Pflichten
eines Reichsftlrsten nicht in Einklang bringen konnte. Forderte
man jetzt von den Laien Aufgabe jeder Selbsthilfe und Blutrache
und gewisse Entbehrungen am Freitag und Sonnabend bei An-
drohung der Excommunication 2), so fand Gerhard Bibelverse
genug, um zu beweisen, dass die erstere Forderung ungerecht
und undurchführbar sei und dass bei der Schwäche des mensch-
lichen Geschlechts so harte Strafen nicht angebracht' wären.^)
Ihm schien der Gedanke, den die Kirche jetzt beständig ver-
focht, so ktthn und unausführbar, dass es des Druckes und
des Drängens der Bevölkerung, sowie des Grafen Balduin von
Flandern 4) bedurfte, um ihn zur Nachgiebigkeit zu bringen.
Um so lebhafter war sicher die Beteiligung des Mönch-
tnms, das sich mit den Klosterheiligen überall einfand, an
dieser Bewegung.
Adoleverat inter AmbianeiMes et Corbeienses nova qtuiedam religio et ex
rdigione pulhdaverat consuetudo, qua etiam reciprocabatwr omni anno etc.
>) Mirao. S. Adalh. I, c. 8.
*) Gesta episc. Camerac. III, c. 52, SS. VII^ 485: Arma quisquam non
ferretf direpta non repeteret; 8ui sanguinis vel cuiuslibet proximi ultor
minime existens percussorUms cogeretur indulgere; ieiunium in pane et
aqua omni sexta feria observarent et in sabbato a came et pinguamine . . .
Et haec sacramento se servare firmarent; quod qui noüet christianitate
privaretwr et exeuntem de saeculo ntiUus visitaret nee sepulturae traderet
') ib. c. 52. 53 : Causa post haec fuit, qua Duacum petiit. übi con^
ventus populi vocibus de statuenda pace falsa . . .
*) ib. c. 54 : His ita gestis Balduinus tunc temporis Flandrensium
comes hortari coepit episcopum, ut populo favens pacem sacramento fir-
mare htberet . . . Tandem taedio victus .. . ad locum designatum venu.
^ 223
Erhöhte Sorge nm das Seelenheil.
I.
Der Umsturz aller socialen. Verhältnisse im nennten Jahr-
hundert hatte auf die Gemüter den gewaltigsten Eindruck ge-
macht Ein tiefes Sündenbewnsstsein hatte weite Kreise er-
griffen. Die Herzen zerriss nicht nur der Kummer um die
Existenz, sondern vornehmlich die Sorge um die ewige Rettung.
Man bezeichnet es als eine grosse Gnade des Herrn, dass er
den Menschen den Trost gelassen habe, durch Schenkungen
und Vergabung ihres Besitzes an die Kirche das Seelenheil zu
erwerben. Salomos Wort: „Die Erlösung des Mannes sind
seine Reichtümer" ¥rird zu einem Fundamentalsatz irdischen
Lebens. Man überhäufte die neu erstehenden Abteien mit
Schenkungen; vornehme und vermögende Personen vertausch-
ten den weltlichen Kriegsdienst mit der Gefolgschaft Christi.
Das Schicksal der Seele nach dem Tode wird Gegenstand
tieferen Nachdenkens; man kommt auf den Gedanken, dass
das Ende der Welt nicht mehr fern ist ^), deren Schlechtigkeit
die Höhe erreicht zu haben schien, welche die Propheten und
die Offenbarung Johannis mit grellen Farben ausmalten. Eine
tief pessimistische Weltanschauung gewinnt namentlich in den
ersten Jahrzehnten des zehnten Jahrhunderts an Boden. Glaub-
ten einzelne Leute bereits in den Ungarn Gog und Magog, die
Vorläufer des Antichrist, zu erblicken 2), so predigte Odo von
Cluni, dass die Zeit des Antichrist nahe sei^), und deutete alle
Zeichen der Zeit auf die nahe Ankunft des bösen Feindes.
*) Vgl. darüber Raoul Rosi^res, La legende de Tan mil m der Revue
politique et litt^raire 1878, dann wieder abgedruckt in seinen Recherches
crit. sur l'hist. relig. de la France, Paris 1879, p. 135 ff.; ▼. Eicken, Die
Legende von der Erwartung des Weltunterganges und der Wiederkehr
im Jahre 1000, Forsch, z. D. Gesch. XXIII, 302—818; Pardiac, Hist de
S. Abbon, Paris 1872, p. 416 ff. (der Vf. führt zwei Fabeln ans Tritheim
auf!); Plaine, Les pr^tendues terrenrs de i'an mille, Revue bist. 1878;
Roy, L'an mUle, Paris 1885; Pietro Orsi, L'anno mille, Rivista storica ita-
liana, Torino 1887; Anber, De Tan mille et de son inflnence pr6tendu sur
Tarchitecturo religieuse in der Revue de Tart chretien V (Paris 1861), 48 ff. _
>) Brief an Dado von Verdun (881—923) bei Martene et Durand,
Coli. ampl. I, 260; d'Achery, Spicil. III, 368.
») S. Bd. I, S. 118.
224
Etwa gegen Ende der fünfziger Jahre hörte der junge
Mönch Abbo von Fleury zu Paris eine Predigt über das Welt-
ende, in der es hiess, dass sogleich nach dem Ende der tau-
send Jahre der Antichrist kommen und bald darauf das Welt-
gericht eintrefifen werdeJ) Widersprach Abbo auch dieser
Prophetie nach Kräften auf Grund der Evangelien, der Apo-
kalypse und des Daniel, so wird sich immerhin genug Publicum
eingefunden haben, welches die Worte des Predigers gläubig
aufnahm und weiter verbreitete. Nur wenige Jahre später,
wird uns berichtet, erfüllte fast die ganze Welt das Gerücht,
dass das Ende der Welt sicher eintreten würde, wenn die Ver-
kündigung Maria auf den Charfreitag fiele. Im Fleury empfing
man darüber Briefe aus Lothringen. Abbo wurde damals be-
auftragt, sie zu beantworten und zu widerlegen. Man mag
ungefähr erraten, was er geschrieben hat: dass das erwartete
Zusammentreffen im Jahre 970 und 992 bevorstehe und dass
man sich damit im Widerspruch mit den Weissagungen der
Apokalypse befände.
Die Abweisung der besprochenen Ansichten, die um die
Mitte des zehnten Jahrhunderts auftauchten, bezweckte auch
der Tractat, den der Abt Adso von Montierender zwischen 949
und 954 über den Antichrist an die Königin Gerberga von
Frankreich sandte.^) Bezüglich des Zeitpunktes der Ankunft
des Antichrißts hatte man sich meist auf die apokalyptische
Weissagung vom tausendjährigen Reich Christi gestützt Die
^) Abbonis Apologeticus, Migne 139, 471 if.: fama pene totxim mun-
dum impleveratf quodj quando annunciatio Dominica in pctrasceve con-
tigissetj abaque uüo scruptdo finis saeculi esset.
') Er wurde früher bald Rab&nus Maurus, bald Augustin, bald Alcnin
zugeschrieben und findet sich deshalb in der COlner Ausgabe der Opp.
Rabani von 1626; Augustini Opp. (Paris 1685) VI, 243 ff.; Alcuini Opp.
ed. A. Quercetanus, Paris 1617 und danach bei Migne, Patrol. hi. 101,
1291 ff. Die gedruckten Ausgaben sind interpoliert und unbrauchbar. Ich
hoffe den reinen Text später auf Grundlage der ältesten Hss. edieren zu
können. Inzwischen verwerte ich hier meine Vorarbeiten. — Vgl über
den Tractat Hist. litt^r. de la France VI, 477; Riezler in der Hist. Ztschr.
Bd. 32, 63 — 75; Düllinger, Weissagungsglaube und Prophetentum im Mittel-
alter, Histor. Taschenbuch V, 304; Ders., Christentum und Kirche zur Zeit
ihrer Grundlegung S. 432; Corrodi, Gesch. des Ghiliasmus II, 364; v. Zezsch-
witz, Vom römischen Kaisertum, Leipzig 1877; Häussner, Die deutsche
Eaisersage, Bruchsal 1882.
225
Discessio, deren Eintritt 2. Thessaler 2, 3 als Anfang der Kata-
strophe bezeichnet war, hatte Odo anf die allgemeine Apo-
stasie vom kirchlichen Leben gedeutet Die Auslegung, die
Adso auf der Grundlage alter Exegeten versucht <), bezieht
sich auf die Discessio vom römischen Reiche, indem er der
allgemeinen Annahme folgt, dass das römische Reich das letzte
der Danielischen Weltreiche sei. Danach kommt er zu folgen-
den Schlüssen: die Zeit des Antichrist ist noch nicht da; denn
wenn das Römerreich auch zum grössten Teil zersplittert ist,
so wird doch die Würde desselben nicht gänzlich zu Grunde
gehen, so lange es besteht in seinen Königen.^)
Lässt sich also auch aus dieser Schrift der Schluss ziehen,
dass um die Mitte des Jahrhunderts die Erwartung des Welt-
endes weitere Kreise ergriffen hatte — in England scheinen
ähnliche Anschauungen noch gegen Ende desselben Anhänger
gefunden zu habend) — , so zeigen auch die Urkunden, dass
um die angegebene Zeit und später in einzelnen Teilen Frank-
reichs wenigstens hier und da die Verzweiflung an einer Besse-
rung der Zustände zu unbestimmten Befürchtungen über das
Ende der Welt geführt hat.*) Aber die Belege sind so ver-
einzelt, dass von einer allgemeinen Weltuntergangsfurcht nicht
geredet werden kann. Es sind augenblickliche Misstimmungen,
die gelegentlich im Norden Frankreichs zum Ausdruck kamen.
^) Vgl. Döllinger, Christentum und Kirche, BeiUge I.
') Der Passus über den letzten König ist aus der Tiburtinischen
Sibylle entnommen und erst später in den Tractat interpoliert.
') Vgl. Dietrich, Abt Aelfrik in lUgens Ztschr. für histor. Theologie
1856, S. 587 flf.; Pardiac, Eist, de St. Abbon p. 200.
*) FreUich ist die Formel: appropinqtuinte mundi termino nur eine
Kanzleiformel, die sich bereits in den Formulae Marculfi, LL V, 74 und
den Formulae Turon. ebenda p. 185 findet. Sie ist besonders gebräuch-
lich gewesen im 9. Jahrhundert (vgl. Orsi a. a. 0. p. 85), nimmt aber dann
ab. Im 10. Jahrhundert ist sie in dieser oder ähnlicher Form nachzuweisen
fast nur in cluniacensischen Urkunden: CHOL I, nr. 391 (April 031). 430
(Febr. 935). 440 (Oct. 935). 519 (ca. 940). 621. 747. 783.807.864; II, nr. 1250
(968—978). 1845 (973-974). 1474 (979). 1701 (984). In Band III von 987
bis 1000 finden sich keine directen Hinweise. Beziehungen auf das Welt-
ende finden sich dann bei Baluze, Hist. d'Auvergne II, pr. 23 (958); Gallia
Christ. II, 468 (961, Limoges); Gu^rard, Gart, de St.-Päre I, p. 77, nr. 18;
Gallia Christ. XYI, instr. col. 16 und zwar z. T. in selbständigeren Fas-
sungen.
Sftckur, Cinniacenter. II. ]5
226
Das nordöstliche Frankreich scheint, wie Adsos Tractat nnd
die Briefe Abbos andenten, zeitweise anter pessimistischen Ein-
drücken gestanden za haben, während im Süden sich nur ge-
ringe Sparen 1) irgendwelcher Befttrchtangen finden. Je mehr
die Verhältnisse sich besserten, desto weniger durften ähnliche
Prophezeiungen auf Anhang rechnen, und nur wenige phan-
tastische Köpfe mochten wenigstens auf Wunder gefasst sein,
als das Jahr 1000, auf welches die apokalyptischen Weis-
sagungen am ehesten zu passen schienen, heranrückte. Natür-
lich trafen die Wunder auch ein^), und namentlich ein Erd-
beben — „bei dem es nicht zuging wie gewöhnlich, indem der
Sturm in die Erdgänge fährt und die hohlen Eingeweide der
Erde zum Erzittern bringt, bei dem vielmehr in einem allge-
meinen und wüsten Beben hier und da die ganze Erde re-
voltierte* — , setzte am Gharfreitage, den 29. März 1000, die
niederlothringischen und ostfranzösischen Abteien in gewal-
tigen Schrecken.3) Hier und da veranstaltete man angesichts
schrecklicher Himmelszeichen BVssprocessionen und Volk^ver-
sammlnngen und erwartete bangen Herzens das plötzliche
Ende.*)
II.
Das zehnte Jahrhundert ging vorüber, ohne dass die Be-
fürchtungen sich verwirklichten. Aber die unruhigen Zeiten,
>) Die Cartulftre von St. Victor in MarseiUe bieten z. B. keinerlei
Aasbeate, ebenso wenig die von Ainay und Savigny in der DiOcese Lyon.
Ein Beispiel fUr Nimes bei Eicken a. a. 0. Für Vienne die erwähnte Ur-
kunde Gallia Christ. XVI, instr. col. 1 6.
^) Vgl. Rod. Glaber Hist. IV : Post multiplicia prodigiarum signa,
quae tarn ante quam post, circa tarnen annvm Christi domini miüesimi
in orbe terrarum contigere; vgl. Rod. Gl. II, c. 12; Ann. Rem. et Colon.
1000: Hoc anno prodigia muUa visa fuerunt; Chron. S. Medardi Suess.
1000, HF X, 291; Miracula S. Agili Resbac. I, c. 8, Mab., Acta SS. II, 312.
*) Vgl. Ann. Elnon. majores 1000: ut cunctis fieret manifestum^ quod
ore x^eritatis fuerat ante promissum. His namque et aliis signiSj quae
praenuntiata fuerunt, opere compktis, hine iam fit nostra spes certior
omni visu de his quae restant ordine complendis; Ann. Blandin. 1000;
Ann. Floreff. 998; Ann. S. Jacob! Leod. 1000; Chron. S. Medardi Sues-
sion. 1000.
*) Mirac. S. Agili I, c. 3. 4 : Cumque nox atra media die ... diffudis-
set tenebras omnesqu^ velut subito irruituram praestolarentur mortem.
227 ,
die folgten, waren nicht geeignet, alle bangen Gedanken plötz-
lich zum Schweigen zn bringen: voransschauende Männer ver-
kündeten neue Zeichen für das kommende tausendste Jahr
der Passion Christi.^) Es gab Gemüter, in deren Seelenleben
der gefürchtete Zeitpunkt einen hervorragenden Platz einnahm:
Rodnlfns Glaber fügte seinen drei Büchern Geschichte ein
viertes an, in dem das tausendste Jahr der Kreuzigung im
Mittelpunkte der Betrachtung steht. Auch sonst nehmen die
auf das Jenseits gerichteten Gedanken einen höheren Flug.
Diesmal scheinen sich gewisse Befürchtungen vornehmlich
im Königreich Burgund^) verbreitet zu haben, wo sogar der
Hof nicht unbeeinflusst blieb. Im Jahre 1031 heisst es in einer
Urkunde Rudolfs IIL für St. Andr6 de Vienne^): „Indem wir
den Untergang dieser sinkenden Welt vor uns sehen, erwarten
wir mit Furcht das Ende alles Fleisches." Und um dieselbe
Zeit spricht seine Gemahlin Ermengarde von den sicheren
Zeichen des nahen Weitendes.^) Damals begannen jene furcht-
baren Notstände. Das Reich Rudolfs hatte bereits aufgehört
zu existieren, als das Jahr 1033 herannahte. Eine schreckliche
Sonnenfinsternis, die am 29. Juni, am Tage Peter und Paul, be-
gleitet von wunderbaren Himmelserseheinungen, eintrat, erregte
furchtbare Angst ^), denn man sah in ihr eine trübe Vorbedeu-
tung für das kommende Verderben des Menschengeschlechtes.
Die Unterstützung der Kirche und ihrer populärsten Or-
gane, der Klöster, gewährte der Bevölkerung in ihrem Gefühle
der Sündhaftigkeit um so mehr Trost und Hoffnung, je mehr
>) Rod. Glaber Bist. IV.
*) Vgl. Cart. d'Ainay nr. 15 (l'»23); Cart. de Savigny nr. 633 (ca. 1030).
641 (1025). 643 (ca. 1030); Urk. des Erzb. Hugo I. von Besan^on (1033):
Cum cosmi decidentis Variante procella etc. in den M^moires de Poligny
I (1767), p. 315.
3) HF XI, 553.
*) HF XI, 655 ; Archivio stör. ital. IV, 2,341; Cart. de Sav. nr. 639
fälschlich hier 1037 gesetzt; doch zeigen die Worte: ex permissione se-
nioris n%ei BodtUfij dass R. noch lebt
^) Ann. Besuenses 1033: ita ut horribiliua nunquam dinoscatur con-
tigisse . . . Tunc revera terror insolitw invasit humanuni genus; Rod. Gl.
IV, c. 9. Die Sonnenfinsternis wird sogar erwähnt am Schliiss einer Urk.
des Cart. de Sav. nr. 358: Ipso anno fuit natalia sancti Petri in fei'ia
sexta, et magnum Signum apparuit in sole.
15*
228
man ihrer Fttrbitte bei Gott and den Heiligen Kraft nnd Wir-
kung beimass. Gewährte schon die einfache Schenkung zum
Seelenheil des Gebers und seiner Familie die Aussicht auf
Sündenvergebung, so hatten die Mönche durch ihre Gebete,
Seelenmessen und guten Werke noch wirksamere Mittel zur
Verfügung, den Himmel und den Weltrichter günstig zu stimmen.
Aus dem Gedanken an die Gemeinschaft der Heiligen und an
den überreichen Schatz der Kirche an frommen Werken, deren
Ueberfluss auch solchen zu gute kommen könne, die ihrer-
seits derselben Wohlthaten erwiesen, erwuchs das Bestreben,
die Fürbitte der kirchlichen Kreise zu erwerben. Die Seelen-
messen, das Messopfer, bei dem die im Messbuch eingetra-
genen Namen der Wohlthäter verlesen zu werden pflegten,
wuchsen beständig in der Wertschätzung der Zeitgenossen.
Kamen aber die Mönche dem christlichen Ideal in der Er-
füllung ihrer Pflichten am nächsten, so durfte ihre Fürsprache
als die wirksamste angesehen werden, unter ihnen vor allem
aber die derjenigen, die ftlr die vornehmsten Vertreter mön-
chischer Bestrebungen angesehen wurden. So kam es, dass
man gerade auf die Gebete und Messen der Mönche von Cluni
und ihrer Aebte ausserordentlichen Wert legte. Schon 1016
pries Benedict VIII. in einer Urkunde die fortwährenden Ge-
bete und Messen der cluniacensischen Mönche zum Seelenheil
der Toten und Lebendigen^), und Johann XIX. weihte das
Kloster zu einem Asyl aller Schuldbeladenen, zu einer Zuflucht
göttlichen Erbarmens.^) Man war überzeugt, dass zahllose
Sünder nur durch die Heilswerke der dortigen Mönche aus
dem Fegefeuer erlöst würden. Das Ansehen Odilos erreichte
eine übermenschliche Höhe. Hervorragende Frauen, wie die
Kaiserin Adelheid') und die Herzogin von Aquitanien^), Könige,
wie Sancho von Navarra und Stephan von Ungarn^), em-
pfahlen sich ihren Gebeten. Seit der Mitte des zehnten Jahr-
hunderts Hessen sich zahlreiche Personen, unter ihnen vermut-
lich auch Heinrich II, in die Gebetsbrüderschaft der Abtei auf-
nehmen.^) Vom ersten Morgengrauen bis zum Frühstück wurde
1) S. oben S. 89. >) J.-L. nr. 4065.
«) Epit. Adelh. c. 19. *) CHOL IV, nr. 2961. *) Jots. I, c. 7.
^) Vgl. Sackur, Beiträge zur Wirtschaftsgesch. französ. n. lothring.
KlöBter im 10. u. 11. Jahrh., Ztschr. f. Social- u. Wirtschaftsgesch. I, S. 160.
229
in Clani in feierlichster Art anunterbrochen das Hochamt cele-
briert^), und Odilo Hess, als er auf dem letzten Krankenlager
lag, darch einen Mönch anf der Rechentafel berechnen, wie
viel Messen er während seiner sechsundfttnfzigjährigen Amts-
zeit gelesen habe.^)
Das hingebende Vertrauen, das in die Bitten nnd Messen
der Clnniacenser gelegt wurde, kam in einer Reihe von Le-
genden, die in jener Zeit entstanden, znm Ausdrack. So wie
man in Glnni die Geschichte von dem frommen Herzog Ense-
bius erzählte, dem die Seelen der Abgeschiedenen, die er ans
dem Fegefeuer befreite, im Kampfe gegen den gottlosen Her-
zog Ostorgius von Sicilien zur Seite standen^), so erschien
Papst Benedict VIII. nach seinem Tode dem Bischof Johann
von Porto und meldete ihm, dass er aus den Qualen der Hölle
nur durch Odilos Ftlrbitte erlöst werden könne. Sogleich er-
hoben auf des Abtes Veranlassung, dem die Vision des Bischofs
mitgeteilt worden war, die Mönche in Gluni und in den ab-
hängigen Abteien und Obödienzen ihre Stimmen in öffentlichem
und stillem Gebet und reichten mit vollen Händen Almosen
für die päpstliche Seele. Das nützte; denn bald darauf sah
ein Mönch, wie eine prächtig geschmückte Gestalt, der dank-
bare Benedict, mit einer grossen Schar Weissgekleideter sich
dem im Capital thronenden Odilo zu Füssen warf.^)
») Rod. Glaber V, c. 1,
*) Petri Damiani V. OdU. c. 2.
>) Vgl. Alberici Chron. SS. XXIII, 770: Maiolus abbaa Cluniacensis
sanctitatt et reUgione claret. Huius fertur esse narratio de duce Sardinie
Eusebio et duce Sicilie Ostorgio. Es braucht nicht erwähnt zu werden,
dass diese Personen nirgend vorkommen. Bemerkenswert ist der Schluss-
satz: Sequitur id, quod praedictus sanctus abbas Maiolus in contentione
horum duorum prindpum^ dum circa abbatiaSf quas in iüis curahat fini-
buSy disponendas esset occupatuSf captivus fuit abductuSj antequam candi-
datorum venisset excercitus. Alberich schöpft also aus einer legenden-
haften Aufzeichnung, in der die Gefangennahme des Abtes durch die
Sarrazenen in der erwähnten Form verarbeitet wurde. Eine ähnliche Ge-
schichte berichtet Rod. Gl. V, c. 2 aus dem Kampfe Gotfrieds von Anjou
mit den Söhnen Odos von Chartres.
*) So erzählt Jotsald, Vita Odil. II, c. 14 die Legende. Der Bischof
von Porto kann nur Johann IV. sein, von 1033—1046 (Gams, Ser. ep. VIII);
aber hier herrscht schon Verwirrung, denn Johann sass erst zur Zeit
Benedicts IX. auf dem bischöflichen Stuhle. Jenseits der Alpen ist Jo-
230
Eine andere dieser legendarischen Erzählungen war sehr
beliebt; an sie sehloss man in der Regel die Einführung des
Allerseelentages. Sie findet sieh in mehrfacher FassnngJ)
Bald ist es ein Mönch ans Rodez oder La Voüte, der von
Jernsalem heimkehrt, bald ein Bürger von Marseille, eine Art
Forschnngs- nnd Vergnügnngsreisender, der aaf einer einsamen
valkanischen Felseninsel mit einem Eremiten zasammentrifft
and von ihm belehrt wird, dass in den Fenerschlttnden die
Seelen der Stlnder fUr ihre Vergehen von Dämonen gepeinigt
und viele darch die Gebete and Almosen Odiles und seiner
Mönche gerettet würden.^) Nach anderer Version werden die
Seelen nur fUr Montag und Dienstag aus den Höllenqualen
befreit 3): aber die Tendenz der Erzählung ergiebt sich wohl
aus der Aufforderung des Einsiedlers, Odilo von dem Gehörten
zu benachrichtigen, zu immer neuen Gebeten und Wohlthaten
anzuregen und der Bevölkerung den Ruhm seines Klosters zu
verkünden.*)
hann IV. von Porto 1034, da er am 3. November der Weihe des St. Lorenz-
klosters in Lüttich beiwohnte (Martene et Durand, Collect, ampl. IV, 11 64 ff.).
In ganz anderer Gestalt, in der von den Gebeten Odilos gar nicht die
Rede ist und die Befreiung des Papstes durch Almosen aus seinen Reich-
tümern bewerkstelligt werden soll, erscheint die Legende bei Petr. Dam.
Opusc. XIX, c. 3 (Opera t. III, 426) und in derselben Gestalt später bei
Martinus Polonns, SS. XXII, 433 und Flores temporum, SS. XXIV, 245.
Sigebert bringt die Erzählung nach Jotsald zum Jahre 1025 und bezieht sie
auf einen Papst Stephan. Wenn Bresslan , Jahrb. Heinrichs IL III, 223
meint, der Sinn der Legende sei doch der, dass man in Cluni glaubte,
Benedict habe nur durch seine Freundschaft mit Odilo und für die Gunst,
die er dem Abte bewiesen, Vergebung seiner Sünden erlangt, so hat man
in jener Zeit nicht im mindesten bezweifelt, dass das Gebet der MOnche
wirklich die Seelen aus dem Fegefeuer zu befreien vermöge.
») Jots. V. Odil. II, c. 13; Rod. Gl. Eist. V, c. 1 ; Burchardi epist ad
Cluniac. bei Mabillon, Acta SS. VI, 1 im Elogium S. Odil. c. 112.
') Rod. Gl. a. a. 0. : homuntio quidam civis MarsHiensiSf unus ex iUis
circuitoribm regionum, qui nunqiuim saturantur et experientia et novita^
tibus locorum,
') Burchardi epist. a.a.O.
*) Ein Rotulus saec. XVI, der die von Cluni abhängigen Rlüster
verzeichnet, enthält neben anderen Bildern zwei, welche die Legende
illustrieren. Auf einem sieht man die Meerosklippen, auf denen die Seelen
der Sünder im Fegefeuer brennen, mit der Inschrift: Non valet iüe locus
quia destruit Cluniacus. Auf der zweiten Zeichnung ist Odilo mit den
231
Die grossen Anforderangen, die damit an Clani gestellt
warden, führten schliesslich zur Einfährung des Allerseelen-
tages. Odilo erliess nämlich ein Decret^), worin er fttr alle
von ihm abhängigen* Klöster anordnete, dass am 2. Novem-
ber, am Tage nach Allerheiligen, das Gedächtnis aller ver-
storbenen Gläubigen durch Messen, Psalmen und Almosen
gefeiert werde. Zur Frtthmette und zur Vesper sollen sämt-
liche Glocken geläutet werden; jeder Bruder hat an diesem
Tage privatim und öffentlich Messe zu lesen, zwölf Arme sollen
gespeist und alle Ueberreste an den Almosenier gegeben wer-
den. Des Kaisers Heinrich wird besonders gedacht Hatte
Odilo diese Einrichtung auch nur fttr die ihm untergebenen
Stifter getroffen, so bemerkte er doch bereits in seinem Er-
lass, dass, wenn irgend ein anderer sie sich zum Beispiel
nähme, er aller guten Wttnsche teilhaftig werden solle. So
verbreitete sich die Institution wahrscheinlich mehr und mehr
über den Kreis seiner Klöster hinaus, bis Leo IX, wie es heisst,
den neuen Festtag in die gesamte Kirche einführte.^)
III.
Die Sorge um das Seelenheil und das tiefe Schuldbewusst-
sein ersah endlich ein neues Heilmittel in Pilgerungen nach dem
heiligen Lande. Der Gedanke, dass es ein Glück sei, im heiligen
Lande zu sterben, und dass ein solcher Tod erstrebenswert sei,
fand weite Verbreitung. Seit dem Ende des zehnten Jahr-
hunderts mehrten sieh derartige Reisen, offenbar mit der Ver-
minderung der Gefahren^), die den Wallfahrern drohten. Da-
mals trug die Bekehrung des Ungarnkönigs, der die Reisenden
unterstützte und freundlich aufnahm^), wesentlich zur Hebung
Brüdern im Capital dargestellt, vor ihnen der Pilger, der das Schreiben
des Einsiedlers überbringt In der Mitte des Saales erblickt man die
Seelen der Abgeschiedenen. Vgl. Rotulas societatis eccl. et monast. im
BuUariam Cluniac. p. 219.
>) Gedruckt Bibl. Clan. col. 338. Ueber die Zeit der Einführung vgl.
Excurs ni.
«) V. S. Bertulfi c. 34.
') Ueber diese vgl. Bernhardi Mirac. S. Fidis c. 13; V. Abbonis c. 10.
') Rod. Glaber UI, c. 1 ; Brief OdUos an Stephan bei Pfister, De Ful-
berti Camot. episc. vita et operibus, Nancy 1885, p. 53 n. 2; Ringholz,
OdUo p. XXXV.
232
des Orientverkehrs bei. Nachdem die Zerstörung der hl. Grabes-
kirche durch Hakem Biamrillach und Streitigkeiten der Nor-
mannen mit den Griechen den Verkehr eine Zeitlang gehemmt
hatten 0) kam er nach dem Wiederaufbau der Kirche von neuem
in Fluss.^) Allmählich wuchsen die Scharen an, die nach dem
Grabe des Erlösers zogen ; zuerst ergriffen die niederen Klassen
der Bevölkerung den Pilgerstab, vielleicht unter dem Druck
der Notstände und des Elends, dann kamen die mittleren und
schliesslich die mächtigsten weltlichen und geistlichen Herren
und sogar vornehme Frauen neben ärmeren und niederen.')
In Aquitanien namentlich, im Südwesten Frankreichs bis
zur Loire folgten vornehme weltliche und geistliche Herren
dem Zuge der Zeit^) Ein Ereignis, das offenbar Aufsehen er-
regte und weitere Folgen hatte, war, dass ein Mann, wie Wil-
helm von Angoulgme, der Ratgeber und Freund des Herzogs
von Aquitanien, mit einem grösseren Gefolge am 1. October
1025 eine Reise nach dem heiligen Lande antrat.^) Als er
heimgekehrt war, gab er vielen Grossen Aquitaniens einen An-
sporn. Die Bischöfe von Poitiers und Limoges, Graf Fulco von
Anjou betrieben die Fahrt nach Jerusalem.<^)
Der Norden Frankreichs beteiligte sich bis zu dieser Zeit
noch wenig an diesen Unternehmungen.^) Herzog Richard IL
von der Normandie begnügte sich mit der Unterstützung von
Reiselustigen.^) So soll er auch der grossen Pilgerschar, die
siebenhundert Mann stark im Gefolge des Abtes Richard von
St. Vannes war und in der sich, soviel wir vrissen, nur zwei
Normannen aus Bayeux befanden^), die Mittel gewährt haben.
>) Vgl. Pfister, Etudes p. 847.
») Rod. Glaber III, c. 7.
8) ib. IV, c. 6.
*) Beispiele bei Ademar III, c. 48. 65. 68*, Acta conc. Leinovic. 1031,
Labbe, Coli, concil. IX, 871.
^) Adern. lU, c. 65.
«) ib. c. 68.
^) Rod. Glaber IV, c. 6 nennt Bischof Odolricus von Orleans und Let-
bald von Aatan. 1033—1036 zog der Archidiacon Herivens von Orleans
nach Jerasalem, Urk. in der Bibl. de P^cole des chartes 1890, S. 205.
*) S. meine Dissertation S. 42.
*) Zwei andere, Ansfred and Wido, als Jerusalemfahrer Coli. Moreau
XXI, 26. 247.
233
Die Expedition Richards war eine der ersten, die von
Lothringen nach dem Orient aaf brach. Vorher wissen wir nur
von einigen Laien, die später der Reformbewegung sich an-
schlössen, von Poppo, dem späteren Abt von Stablo i),^ den
Robert und Lansns begleiteten, und Graf Friedrich von Verdon^),
dass sie das Morgenland mit eigenen Angen gesehen. Jahr-
zehnte später, im Jahre 1025, fasste auch Richard, der eben
erst mit Bisehof Haimo von Verdun einen Strauss anszufechten
hatte, infolge dessen- er sich sogar genötigt sah, sich zeitweilig
von Verdun fernzuhalten, den Plan, an das Grab des Erlösers
zu pilgern.') Die Pilger, unter denen von Lothringern sich
Abt Eberwin von St Martin und der Mönch Gerwin von
St. Vannes befanden , brachen wohl einige Wochen nach der
aquitanischen Expedition Wilhelms von AngoulSme auf und
zogen durch Baiem, Ungarn und Serbien, über Constantinopel
und Antiochien nach Jerusalem, wo Ostern gefeiert wurde. Auf
demselben Wege kehrte Richard unter Mitnahme der griechi-
schen Mönche Simeon und Cosmas, die man in Antiochien ge-
troffen hatte, nach Hause zurttck.
Anfang November zog Richard, mit Jubel von der gesamten
Bevölkerung empfangen, in seinem Kloster ein, während Simeon
und Cosmas nach mancherlei Fährnissen im Juni 1027 den
Grafen von AngoulSme, von dem Clerus der Stadt, Adel und
Volk begrttsst, in seiner Hauptstadt einziehen sahen. Simeon
aber ging, nachdem er seinen Geführten durch den Tod ver-
loren und auch den Herzog von der Normandie nicht mehr
am Leben angetroffen hatte, nach Lothringen, erst nach
St. Vannes, dann nach St Martin, von wo ihn Erzbisehof Poppo
vermutlich 1028 wieder nach dem heiligen Lande mitnahm.^)
Besondere Grttnde hatten den Abt von St Vannes zu der
Pilgerfahrt veranlasst Sonst war man in diesen Kreisen fUr
derartige Unternehmungen nicht besonders eingenommen. Zu
0 Ladewig, Poppo S. 26.
') S. Richard, Abt von St. Vannes S. 6.
^) S. meine Dissertation S. 41. Dass er vorher Odilo nach St. Vannes
geholt und ihm in seiner Abwesenheit sein Kloster unterstellt habe, wie
Hugo Flav. II, c. 18 berichtet, wage ich heut nicht mehr nachzuerzählen.
Das Factum ist zu unwahrscheinlich und wird durch nichts gestützt
*) S. 48—50.
234
einer Zeit zwar, als Adso von Montierender^), Gansmar von
Savigny^) and andere die heiligen Orte anfsnehten, waren
diese Wallfahrten noch vereinzelt nnd gaben wohl kanm Ver-
anlassung zu schweren Bedenken.') Später aber, namentlich
in den dreissiger Jahren des elften Jahrhunderts, nahmen sie
eine Ausdehnung an, dass sie nach verschiedenen Seiten hin
gefährlich zu werden drohten. Abgesehen davon, dass Bene-
dictinermönche strengster Observanz bei den Zufällen nnd Ge-
fahren der Reise kaum die regulären Vorschriften genau zu
beobachten vermochten, mussten die Sitten der Laienbevölke-
rung bei einer Zunahme der Abenteuerlust, die conservativ-
kirchliche Gesinnung der Laien bei dem Mangel an Aufsicht
und plötzlicher Freiheit in der Begegnung mit der orientalischen
Cultur leiden. In manchen kirchlichen Kreisen war man über
diese Pilgerfahrten beunruhigt So wenig man die gute Ab-
sicht vieler verkannte, so durfte man sich nicht verhehlen, dass
ein grosser Teil nur aus Eitelkeit sich auf die Reise begab.
Man brachte den ungewöhnlichen Zug nach dem Osten mit
der nahen Ankunft des Antichrist zusammen, dem alle Völker
entgegeneilen und bei dessen Auftreten auch die Erwählten in
Versuchung fallen würden.^) So ward man auch hier wieder
an das nahe Weltende erinnert, dessen bange Erwartung ge-
rade in den dreissiger Jahren die selische Unruhe beflügelte
und viele veranlasste, das Grab des Heilands zu besuchen.
Mochte aber das französische Mönchtum jeden Ausdruck
der religiösen Ueberschwenglichkeit billigen oder nicht: so viel
unterliegt keinem Zweifel, dass es die Mönche waren, welche
die geschilderte Stimmung immer wieder nährten, um ihrerseits
aus ihr unerschöpfliche Kraft und Förderung zu ziehen.
>) Bd. I, S. 1 78.
*) Cart de Savigny I, 87 : dettdit ab Hiertiatdem.
^) Abbe von Fleury hat allerdings seinem Schiller Bemard unter-
sagt, nach dem heiligen Lande zu gehen.
*) Vgl. Rod. Glaber IV, c. 6. Ueber analoge Ansichten bei Gregor
von Nyssa, Chrysostomus, Hieronymus, Augustin bei Augusti, Denkwür-
digkeiten der christl. Kirche X, 113 ff.
Neuntes Capitel.
Deutsch-französische Beziehungen. -
L Odo von Champagne
im Kampfe mit Heinrich L und Konrad IL
Nach dem Tode König Roberts hatte seine Gemahlin die
Versnche wieder aufgenommen, den bereits gekrönten und als
Nachfolger anerkannten Heinrich zu Gunsten des jüngeren
Bruders zu verdrängen. Sie hatte eine Anzahl königlicher
Pfalzen in ihre Gewalt zu bringen gewusst, dazu mehrere
Städte, darunter das starke und wichtige Sens ^), das seit dem
Jahre 1015 im Besitze des Grafen Rainald sich befand. Jetzt
musste er offenbar weichen, da Graf Odo von Chartres die
Hälfte von der Königin erhielt.^) Ein Jahr später folgte Con-
stanze dem Gemahl ins Jenseits.'^) Während Heinrich sich
ohne Schwierigkeiten in den Besitz der meisten zurttckbehal-
tenen Orte setzte, bemächtigte sich Odo, wie es scheint, nach
dem Tode des Erzbischofs Leotherich von Sens der ganzen
Landschaft.^) Er durfte es wagen, sich mit dem Domthesaurar
Mainardus der Einftlhrung des neuen Erzbischofs, der am
18. October 1032 zu Paris die Weihe erhalten hatte, der Auf-
nahme des königlichen Gandidaten zu widersetzen.^) Der König
») Hugo Floriac. c. 10, SS. IX, 387.
') Hugo Floriac. a. a. 0. Vgl. Landsberger, Odo von Champagne S.44.
») Rod. Glaber Bist. IH, c. 8.
*) Nur so ist die Nachricht bei Rod. Gl. III, c. 8 zu verstehen : post
mortem eim coniugi et filiis illiua Senonicam siUnipuit urbem, quam etiam
tunc adversus illoa infamis possesaor vcdlaverat.
*) Rod. Gl. a. a. O.j Chron. S. Petri bei Duru, Bibl. de l'Yonne U, 503.
236
rückte noch im selben Jahre gegen Seng, in Gemeinschaft mit
Fuleo von Anjon, dem alten Feinde Odos, aber ohne einen
Angriff gegen die Stadt zn nntemehmen. Man begnügte sieh,
die Mönche von St Peter, die fttr Mainard gegen Gelduin, Hein-
richs vornehmen Günstling, Partei ergriffen hatten, in Schrecken
zu versetzen. Ebenso erfolglos verlief ein zweiter Einfall Hein-
richs im nächsten Jahre; nach einigen Ven^üstnngen and der
Berennung zweier Forts zog sich das königliche Heer nach
einer Woche zurückJ)
Inzwischen wnrde der bnrgnndische Thron erledigt Noch
bei Lebzeiten Rudolfs IIL hatte Graf Odo seine reichen Geld-
mittel unter den transjnranischen Baronen spielen lassen, um
sich ihren Anhang in dem Kampfe zu sichern^), der ihm mit
dem deutschen Kaiser bevorstand. Durfte er auf nähere ver-
wandtschaftliche Beziehungen zu der letzten Dynastie hin-
weisen, so stützte sich Konrad auf die staatsrechtliche Geltung
der Verträge, die sein Vorgänger mit dem Könige von Burgund
geschlossen hatte. So stand in dem Augenblick, als Rudolf
starb, am 16. September 1032, Graf Odo sowohl dem Kaiser
als König Heinrich feindlich gegenüber.
Während der französische Herrscher den Widerstand der
Bewohner von Sens vergeblich zu brechen suchte, hatte Odo
bereits einen Teil Burgunds besetzt, und zwar namentlich die
Castelle Murten und Neuenbürg.^) Noch in demselben Jahre
brach Konrad, nachdem er das Weihnachtsfest in Strassburg
gefeiert, über Solothurn in Burgund ein. Er rückte bis Peter-
lingen vor, dem uns bekannten cluniacensischen Kloster, Hess
sich am Tage Maria Reinigung, am 2. Februar, von den ver-
sammelten burgundischen Grossen und dem kleineren Adel
>) Chron. S. Petri a. a. 0., daraus Rob. Mon. S. Mariani Autissiod. HF
XI, 308, den also Ladewig, Poppe S. 105 nicht citieren durfte. Er begeht
aber auch den Fehler, den erst im Jahre 1034 erfolgten Friedenschluss
mit Heinrichs Feldzuge von 1033 in Verbindang zu bringen, was, wie aus
dem Chron. S. Petri erhellt, unrichtig ist. Ebenso unrichtig ist, wenn er
Heinrich „eine Anzahl Klöster*' zerstören lässt: es war nur eins, S. Remi-
gius; S. Leo und S. Heraclius waren Bollwerke.
«) Rod. Glaber III, c. 8.
') Wiponis Gesta Ouonradi c. 29; Hermannus Aug. 1032.
237
zum Könige wählen und, im Besitze der Reiehskleinodien, die
dnreh einen gewissen Seliger ttberbraeht worden waren, noeh
an eben dem Tage krönen. ^ Es war offenbar der letzte freie
Ort, den der Kaiser auf seinem Zuge fand, denn nach der
vergebliehen Belagerung von Murten und Neuenburg zog er
gegen Osten, naeh Zürich, wo er mit mehreren burgundischen
und italienischen Anhängern zusammentraft)
Wo war nun Odilo von Gluni in dieser Zeit? Im Juni
1032 weilte er, wie es scheint, bei dem Erzbischof Hugo in
BesauQon^), im Juli dürfte er sich in Cluni aufgehalten haben.^)
Seitdem vermissen wir seine Spur. Mit Konrad, über den man
in den französischen Klöstern kaum vorteilhaft urteilte, traf er,
wie sicher anzunehmen ist, weder in Peterlingen noch sonst
wo zusammen: denn während die Aebte dieses Stiftes die
deutschen Besitzungen des Klosters sonst bei jeder Gelegen-
heit neu bestätigen Hessen, fehlt jetzt jede derartige Ounst-
bezeugung. Schliesslich wissen wir, dass Odilo erst gegen
Ende seines Lebens sich bemühte, dem Kloster Peterlingen die
Gunst Heinrichs III, die es verloren hatte, wiederzugewinnen^),
und dürfen um so mehr annehmen, dass das damalige Ver-
halten der Insassen die Ungnade der Herrscher heraufbe-
schworen hatte, als man vielleicht auch in Romainmoutier, wo
Odilo wohl wenige Wochen nach dem Festact in trüber Stim-
mung weilte <^), keineswegs geneigt war, den neuen König von
Burgund anzuerkennen.'')
0 Wipo c 80. Wenn Hüffer, Das Verhältnis des Königreichs Bur-
gund KU Kaiser und Reich, Paderborn 1873, S. 10 die Krönung in Peter-
lingen mit dem Hinweis leugnet, dass dieser Act im früheren Mittehilter
stets in einer Metropole von einem Erzbischof vorgenommen wnrde, so
lässt er ausser acht, dass Konrad über die Hauptsitze Lyon, Vienne, Arles
gar nicht Herr und ein rasches Handeln durchaus geboten war.
*) Wipo c. 80; Hermann von Keichenau 1030; Ann. Sangall. 1033.
3) CHOL IV, nr.2890, Urk. v. 1032, Juni 24 des Erzb. Hugo von B.:
intercedente Cluniacensium monachorum Odilone abbate precipuo.
*) CHCL IV, nr. 2883 : EvohUia aiUem tribtu mensibtu (d. h. nach dem
April 1032) . . . qu^dam nobil%8 femina . . . venu in preaentiam domni
Odilonü,
B) S. unten.
') Vgl. V. Maioli proL und N. Arch. XH, 514.
"*) In mehreren Urkunden wird anscheinend noch nach dem Tode Ru-
dolfs nach dessen Eegiemngsjahren datiert; es sind die Urk. nr. 24. 26. 26
238
Aber auch in den eisjnranischen Gebieten trat man der
deutschen Invasion feindlich gegenttber. Zumal der Stuhl von
Lyon war im Besitz einer den deutschen Interessen wenig ge-
neigten Persönlichkeit
Der Tod Burchards IL am 10. Juni 1031 hatte einen mehr-
jährigen Streit um diese wichtige Würde hervorgerufen, indem
ein Neffe des verstorbenen Erzbischofs, Burchard, ein Sohn des
Grafen Humbert von Savoyen- Belley, der bei Lebzeiten des
Oheims neben ihm, als dem Abt von St Maurice, als Propst
fungiert hattet), sein Bistum Aosta verliess und gegen den
Willen von Glerus und Volk den Lyoner Stuhl gewaltsam
usurpierte. Dagegen erhob Graf Gerald von Lyon, der Sohn
des Grafen Artald und seiner Gemahlin Thedberga, Ansprüche
für seinen noch sehr jugendlichen Sohn.^) Die legalen Factoren
jedoch und namentlich die Suffraganbischöfe der Provinz wähl-
ten Odilo und wandten sich bei seiner Weigerung, Erzbischof
bei Hidber, Schweizer Urkundenreg. 11,32—85; Regestennummer 1291. 1292.
1301. Die erste ist datiert: die sahb.VIII. kljun. annoXXXVIIII regnante
Rodulf 0 rege f elidier. Der 25. Mai fiel nun 1034 auf einen Sonnabend,
womit das Regierungsjahr übereinstimmt, da in der burgundischen Kanzlei
eine Epoche 995 angenommen wurde ; desgl. nr. 25 : feria terda VI. Nonas
IiUii regnante Rodulf o rege^ anno XKXVIIII. Auch hier fällt der 2. Juli
1034 auf einen Dienstag. Die dritte Urk. v. die lovis VI. Kal.Mad. annos
XXX et Villi regnante rege Rudolfo feUciterj womit das Regierungsjahr
ziemlich übereinstimmt, jedenfalls auch nach Rudolfs Tode. Hidber nimmt
deshalb bei nr. 25 und 26 Verschreibung an. Indes sind sämtliche drei
Urkunden Originale des Lausanner Staatsarchivs. Sollte, da in den ersten
beiden die Daten und Regierungsjahre übereinstimmen, die Vermutung zu
gewagt sein, dass mau bei der Unentschiedenheit der Erfolge 1033 und
1034 einfach die alten Eönigsjahre fortzählte?
*) Hidber nr. 1257 (1018—1031). 1263 (1022). 1279 (1026). Dass er
der Sohn des Grafen Humbert, Hidber nr. 1262. Er ist jedenfalls der
Burchard, der neben dem Bischof Odo von Belley, dem Bruder, und Hum-
bert, dem Vater Burchards III. 1000 und 1003 in Urkunden begegnet,
Chevalier, Documents in^dits des 9., 10. et 11. si^cles relatifs a T^glise de
Lyon, Lyon 1867.
•) Vgl. Cart. de Savigny nr.602 (ca. 1017). Artaids Eltern, Gerhard
und Gimbergia, in nr. 237 (ca. 960). 437 (994). — Teutberga im Cartnl.
d'Ainay nr. 147. 191; CHCL III, nr. 2673. Ihr Todestag V. Id. lun. im
Obit. eccl. Lugd. ed. Guigue p. 51. — Gerald nachzuweisen im Cart. de
Sav. nr.645. 739; Cart. d'Ainay nr. 191; CÜCL III, nr.267S. Vgl. Bress-
lan II, 490 ff.
239
zu werden, schliesslich an den Papst, am den Abt znr An-
nahme der Wahl zn nötigen. Obgleich aber Johann XIX.
diesem sofort Ring und Stab nebst dem Pallium ttbersandte,
blieb Odilo allen Bitten gegenüber taub, auch als der Papst
ihn in einem sehr heftigen Briefe an seine Gehorsamspflicht
erinnerte und sogar Drohungen verlauten liess.^) Der baldige
Tod Johanns verhinderte vermutlich ein entschiedeneres Vor-
gehen des römischen Stuhles. So kam es, dass zwar der junge
Spross des gräflichen Hauses sich bald zurückzogt), der Bischof
von Aosta, ein sittenloser und tyrannischer Mann ^), jedoch die
erzbischöfliche Würde behauptete, ohne, wie es scheint, mit
ihren Insignien, die Odilo zurückbehielt, investiert zu werden.
Zunächst hatte der Kaiser kaum Veranlassung, sich mit
der Lyoner Angelegenheit zu beschäftigen. Ein Angriff Odos
auf Toni, durch den er offenbar bezweckte, den Salier von
Burgund abzuziehen, hatte den gewünschten Erfolg. Konrad
brach in der That mit seinem Heere im Sommer 1033 durch
Lothringen in die Champagne ein.^)
Die Gefahr, die sowohl dem westfränkischen Herrscher,
als dem deutschen Kaiser von Seiten Odos drohte, legte den
Gedanken einer beiderseitigen Verständigung gegen den ge-
^) d'Achery, Spicil. III, 381. Bresslau meint, wir besässen das Schrei-
ben, in welchem Johann XIX. Odilo das Amt antrug. Was wir jedoch
haben, ist ein Brief, den der Papst erst nach der Weigerung des Abtes
absandte. Der Unterhändler war Bischof Gauzfred, wohl von Chalon.
Man mnss annehmen, dass die Verhandlungen mit Odilo sich längere Zeit
hinzogen. In Bezug auf die Auslegung der Hauptstelle Rod. Gl. V, c. 4
schliesse ich mich im wesentlichen Bresslau, Konrad II. II, 56 an. Dass
sie eine wörtlich genaue Interpretation und grosse Wertschätzung gar
nicht verdient, ergiebt sich aus meinem Nachweis, dass diese Teile der
Chronik gar nicht in Gluni geschrieben sind, wo der Autor allerdings mehr
hätte erfahren können. Für verfehlt muss ich den Yersnch Meyers von
Knonau, Anz. f. Schweiz. Gesch. 1868, p. 97 ansehen, eine doppelte Postn-
lation Odilos zu erweisen. Ihm schliesst sich Ringholz an. Näher kommt
Gingins, Les trois Bouchard, M6m. et docum. de la Suisse Rom« XX, 344
unserer Auffassung.
') Dass er nur vorübergehend auftrat, ergiebt sich aus der Bischofs-
liste Hugo Flav. I, SS. VIII, 322, wo auf Borchardus aeneXj Borchardus
iuvenis und Sanctus Odelricus folgt
>) Rod. Glaber IV, c 4; Hermannus Aug. 1084. 1036.
*) Wipo c. 31; Herm. 1088; Ann. Sangall. 1033.
240
meinsamen Feind nahe. Seit der Wahl KonradB and den In-
triguen Frankreichs bestand eine Spannung zwischen beiden
Mächten ; jetzt begann man von deutscher Seite eine Annähe-
rang zu suchen, weniger, um die Hilfe Heinrichs gegen den
Grafen zu gewinnen, als um den König von einer Fortführung
der bisherigen französischen Politik und einem Bunde mit Odo
abzuhalten. Die politischen Unterhandlungen wurden dem Abte
Poppo von Stablo ttbertragen, der sich der kaiserlichen Gunst
voll und ganz erfreute und den Konrad erst vor wenigen Jah-
ren nach dem Tode Werners von Strassburg zum Bischöfe
dieser Kirche ausersehen hatte.^) Unter dem Vorwande, der
Sohn eines Clerikers zu sein, hatte Poppo eine Würde ausge-
schlagen, die er nur auf Grund eines dem Kaiser geleisteten,
den Benedictinern strenger Observanz verbotenen Treueides in
Besitz nehmen konnte. Aber so sehr ihm Konrad die falsche
Ausrede verdachte, aufgeklärt über seine wirkliche Abstam-
mung, so nehmen wir doch gerade seit dieser Zeit den wach-
senden Einflnss Poppos am Hofe wahr. Es ist wohl sicher,
dass er selbst an den Hof des französischen Königs ging, wenn
es auch zweifelhaft ist, ob er gleichzeitig mit Bruno von Toni,
der ebenfalls mit einer Gesandtschaft betraut wurde, seine diplo-
matische Mission erfüllte^) Das neue Bündnis, das schliess-
lich zu einer persönlichen Zusammenkunft der Herrscher führte,
wurde durch eine Verlobung Heinrichs mit Konrads Tochter
Mathilde besiegelt^) Man darf annehmen, dass Poppo selbst
diese Heirat, so sehr sie den Kirchengesetzen widersprach, wie
») V. Popp. c. 19; Bresslau, Konrad IL I, 275.
*) V. Popp. c. 30, wo aller Erfolg Poppo zugeschrieben wird, heiast
es Dur: Conradv/mque atqtie Henricum reges in conBenaum revocavU. Ihre
Feindschaft ipso mediante in nihilum redacta est. Dagegen sagt die Vita
Leonis IX. (Watterich, Vitae pontif. I, 1 45) von Bruno : est directus legatus
pro pacis concordia inter suprafatum Conradum . . . Quam legationem
quam honeste compleverit, est testis Francia. BlUmcke, Burgund unter
Rudolf III. S. 62 nimmt bald nach Rudolfs Tode eine Unterhandlung an,
die Poppo einleitete, indem er sich darauf beschränkte, «die vorhandenen
Hindemisse hinwegzuräumen und den Boden zu bereiten*', der eigentliche
beglaubigte Unterhändler sei aber Bruno von Toul gewesen. Bresslau,
Konrad II. II, 77 vermutet wohl mit Recht, dass nach Analogie von 1023
Poppo und Bruno gemeinschaftlich nach Frankreich gingen.
') Bresslau a. a. 0. S. 78.
241
viele andere in der Ueberzeugnng begünstigte, dass sie zu
dauerndem Frieden oder gar zu einer Vereinigung der beiden
Reiche führen werde. ^ Vielleicht fand die Fürstenbegegnung
zu Deville vor dem Feldzuge gegen Odo statt 2); jedenfalls
*) Vgl. den Brief Sigfrieds von Gorze an Poppo bei Giesebrecht,
Kaiserzeit II (5. Aufl.), 717: multos fuissej qui imperatoris maieatati placere
volentes tales nuptias bene et utiliter fieri posae persuadere contenderent,
eo quod per ipscia duo regna in magnam pacem confoederari vd in unum
redigi sperarent. Dass Poppo mit dem Heiratsproject einverstanden war,
geht daraus hervor, dass er die Unterhandlungen führte. Bedeutungsvoll
erscheint auch folgende Stelle der V. Popp. c. 30 : ünde et invidendi sibi
occasionem quibuadam tribuit, quia solxis id efficere valuit, quod ut fieretf
in multis effectus iam olim pertentatus defecit. Leicht möglich, dass die
Anfeindungen von Leuten wie Sigfried von Gorze herrührten. Als 1043
die aqnitanische Verlobung Heinrichs III. in Aussicht stand, wandte sich
Sigiried gerade an Poppo und Bruno, um auf den Kaiser in entgegen-
gesetztem Sinne zu wirken. An Bruno schreibt er, er habe gehört: hos
illicitaSf quas rex tmlt facere nuptias vestra legatione et ordinatione esse
procuratas, was sich freilich als unrichtig erwies. Vgl. Giesebrecht S. 719.
') Wie Bresslau, Konrad II. II, 484 vermutet Indes vermag ich ihm
in der Verwertung der Aufzeichnung über den von ihm besprochenen
Tausch, gedruckt bei Martene-Durand, Coli. ampl. II, 56, nicht ganz zu
folgen. Da wir es hier mit keiner Urkunde zu thun haben, so vermisse
ich den Beweis dafUr, dass der Tausch, der allerdings kaum vor 103S
zu setzen ist, bei der Zusammenkunft in Deville erfolgte. Denn die Be-
zeichnung: facta est autem haec commutatio apud Duullam, ubicoüoquium
fuit etc. kann sehr wohl nur eine nähere Bestimmung des Ortes sein, wo
die Zusammenkunft vorher oder nachher — das erstere ist wahrschein-
licher — stattgefunden hat. Aber die bisherige Annahme zugegeben, so
ist aus der Bemerkung, dass der Tausch abgeschlossen sei, ducatum Hlo-
tariensis regni tenente duce Gozelone, eodem super bono sancti Martini ad-
vocato, super abbatiam sancti Maximini comite Heinrico, super bono sancti
Remacli fratre Hus comite Friderico etc., noch nicht zu folgern, dass diese
lothringischen Fürsten der Zusammenkunft beiwohnten. Und was nun
schliesslich die lothringischen Herren, die Bresslau S. 77 noch erwähnt,
betrifft, so werden diese erst als Zeugen bei einem zweiten Tausch genannt,
von dem es doch sehr fraglich erscheint, ob er noch zur selben Zeit, wie
der erste, abgeschlossen wurde, da es heisst: Flacuit postea abbati Nanthero
a praedicto abbate Foppofie etc. Vielleicht haben wir es mit einer Aufzeich-
nung über zwei verschiedene Acte zu ganz verschiedener Zeit zu thun. Giese-
brecht II, 639 hält es mit Recht mit dem Hinweis auf die späte Aufzeichnung
des Berichtes ftir fi-aglich, ob damals wirklich erst der Abschluss des Bünd-
nisses erfolgt sei. Wenigstens ist das nicht unbedingt zu folgern und sehr
wohl kann 1032 nach den Ann. Laub, der Vertrag perfect geworden sein,
während die Begegnung der beiden Herrscher erst im nächsten Jahre folgte.
Saoknr, Glauiftoenser. II. \Q
242
hatte der deutsche Aogriff den Erfolg, dass der mächtige Vasall
nm Schonung bat und Genugthunng versprach. Indes kaum
seines Bedrängers ledig, dachte der Graf nicht mehr an die
Ausführung seiner Zusagen und hielt den von ihm occupierten
Teil Burgunds weiter besetzt.
Von Regensburg aus, wo er Ostern gefeiert hatte, rttstete
Eonrad im Frtthjahr 1034 einen Doppelangriff auf Burgund:
von Süden her rttekten die Italiener unter Führung des Grafen
Humbert und Heriberts von Mailand heran. Jetzt endlieh glückte
es ihm, nach der Unterwerfung Genfs, Burchards von Lyon
und anderer Grossen auf dem Rückzuge das starke Murten
einzunehmen und so die Besiegnng des Landes zu vollenden. ^
Unter dem Eindruck des verschärften kaiserlichen Angriffs
schloss Odo auch seinen Frieden mit Heinrich: er verzichtete
auf die Hälfte von Sens und den Widerstand gegen Gelduin,
der nunmehr als Erzbischof in die Stadt einzog.^)
Aber in Burgund war die Ruhe noch immer nicht zurück-
gekehrt. Erzbischof Burchard erhob noch einmal die Waffen
gegen Udalrich, den Sohn Seligers, welcher der deutschen
Herrschaft den wesentlichsten Dienst geleistet hatte; er wurde
indes ergriffen , vor den Kaiser geführt und Jahre lang in Ge-
fangenschaft gehalten.^) Erst die Anerkennung Heinrichs, der
mit seinem Vater Konrad 1038 in Burgund erschienen war,
um sich auf dem Tage zu Solothum huldigen zu lassen — der
lieber das spätere freundschaftliche Verhältnis vgl. die ins Jahr 1052
(Steindorff, Jahrb. Heinrichs III. II, 184) gehörige Rede des französischen
Gesandten im Liber de detectione corp. SS. Dionys., HF XI, 471, c. 5:
Ad praesens a te nobis iniunctis verbis germanam amicitiam erga noatrum
regem in omnibus te servatumm esse poüiceris . . . gut verbo tenus fatearis
asserere, in amicitia nostri regis gemianae te esse connexum vinctdo
caritatis.
1) Wipo c. 34; Herrn, v. Reich. 1034; Ann. Sangall. 1034.
>) Glarii Cbron. S. Petri bei Duru II, 503. Die Urk. Heinrichs aus
seinem 5. Jahre, die Bouquet XI, 566 u. a. ins Jahr 1032 setzen, gehört
besser ins Jahr 1035, wie auch Quantin datiert. In dem Augenblick, in
dem Graf Fulco, der Kriegsgenosse des Königs, das Kloster Pierre -le- Vif
brandschatzt, werden die Mönche sich schwerlich an Heinrich mit Klagen
gegen den Grafen Rainald von Sens gewendet haben, der damals gar
nicht in Sens gewesen zu sein scheint, da er nirgend erwiUint wird.
>) Herrn. ▼. Reich. 1086.
243
Kaiser griff damals thatkräftig auch za Gunsten einer geord-
neten Rechtspflege und der alten Gesetze ein^) — , brachte
dem gefangenen Erzbischof, wie es seheint, Amnestie. Wenig-
stens führte Bnrchard III. seither wieder den Titel eines Erz-
bischofs 2); wir hören auch nicht, dass Eonrad über den Lyoner
Stuhl anderweitig verfügt hätte.
0 Bresslau, Eonrad II. II, 323 ff.
«) Er erscheint 1038 oder 1039 bei Hidber nr. 1310: Tercio Id. Oct
luna XI. Henrico rege regnante in Burgundia a. II; 1042 bei MarioD,
Cart. de Grenoble p. 29: S. Brochardi archiepiscopo ; p. SO: 8. Brochardi
archiepiscopo, Gingins a. a. 0. S. 349 n. 1 citiert noch eine Urk. v. 22. Juni
1042, von ihm unterzeichnet, aus Guichenon, Hist. de Savoie U, 7. £r
setzt seinen Tod auf den 10. Juni 1046 und beruft sich anfeine Stelle
im handschriftlichen Necrol. v. St. Jean, wo es nach seinem Citat heisst:
An. 1046j lunii 4. Idus, obierunt Odolricus Lugdwnensis Archiepiscopus . . .
et Burchardtts Archiepiscopus. Dasselbe bis auf die Jahreszahl findet sich
im Obit. Lugd. ed. Guigne, Lyon 1867. Dieser Burchard ist aber Bur-
chard IL und der starb sicher nicht 1046, so dass man deutlich erkennt,
dass die Jahreszahl sich nur auf Odolrich beziehen kann. Für Burchard III.
ist also hier nichts zu gewinnen. Nun ist es meines Erachtens nicht
zweifelhaft, dass Burchard III, der von 1038/39 bis Juni 1042 wieder als
Erzbischof durchweg nachweisbar ist, nicht nur Propst von St. Maurice in
seinen letzten Lebensjahren, wie Gingins u. a. wollen, sondern wirklich
Erzbischof von Lyon war, sicherlich bis zu seinem Tode, der um die Mitte
des Jahres 1042 erfolgt sein wird. Steindorff 1, 184 meint dagegen, dass
der Stuhl von Lyon Anfang 1042, in welche Zeit er Heinrichs III. Ein-
schreiten setzt, bereits im sechsten Jahre eines neuen Oberhauptes be-
durfte. Aber es bleibt absolut unerklärlich, warum Konrad II, als er mit
Heinrich 1038 in Burgund war, nicht über den Stuhl verfügte, wenn, wie
es wahrscheinlich, Burchard freigelassen wurde, ohne ihn zugleich zum
Erzbischof zu machen, und ferner bleibt es unerklärlich, wie er durchweg
weiter als archiepiscopus unterzeichnen kann. Finden wir ihn bis Juni
1042 als solchen und um diese Zeit erst Odolrich, so liegt doch nichts
näher, als die Annahme, dass er bis zu seinem Tode sein Amt führte.
Der Antritt Odolrichs ist ohnedies im höchsten Grade zweifelhaft. Gin-
gins p. 349 erzählt, dass Heinrich III, als er 1041 in Besangon war, was
gar nicht richtig ist, Odolrich einsetzte. Steindorff I, 136 reiht die Rod.
Glaber V, c. 4 erwähnte Versammlang zu Besan^on Anfang 1042 zwischen
19. Januar und 2t. Februar ein. Wer beweist aber, dass wir es nicht mit
dem im November 1043 sicher erfolgten und mehrfach bezeugten Aufent-
halt des Königs in Besangon zu thun haben? So viel ich sehe, erwähnt
nicht eine einzige Quelle einen Aufenthalt Heinrichs 1042 zu Besan^on.
Auch Prou in seiner n. 2 p. 131 nimmt 1043 an (verdruckt dafür 1034).
Sowohl die chronologische Folge bei Rod. Glaber würde dafür sprechen,
16*
244
2. Vordringen der popponischen SchiQe.
L
Während Odilo von Glnni and Peterlingen in dieser Zeit
sich auch nicht einer Gnnstbezengnng Eonrads rühmen durfte,
förderte dieser in anifälliger Weise die Beformbestrebungen des
politisch verdienten Abtes von St Maximin. Es kann keinem
Zweifel unterliegen, dass sein Einfluss am Hofe den Kaiser zu
diesen Massregeln hinriss. Fast sämtliche Reichsabteien, die
unter Konrad II. dem Einflüsse Poppos unterworfen wurden,
kamen Anfang der dreissiger Jahre in die Hände seiner Schiller,
und jedenfalls um dieselbe Zeit urknndet der Kaiser in nicht
wenigen Fällen zu Gunsten der popponischen Stifter. Es ist
aber zu beachten, dass fast überall St. Maximin als der Herd
der Beform erscheint, dasselbe Kloster, das bereits im zehnten
Jahrhundert den eigentlichen Ausgangspunkt des deutschen
Klosterlebens gebildet hatte ^); es war also nur die Wiederauf-
nahme der alten Tradition der Ottonen, wenn Konrad Maxi-
miner Mönche nach deutschen Klöstern berief.
Mag auch der Bau der von Konrad und Gisela gegrün-
deten Abtei Limburg a. H. einige Jahre früher begonnen 2) wor-
die Versammlung später zu setzen, als aach die Thatsache, dass bei der
Verlobung Heinrichs mit Agnes November 1043 eine sehr zahlreiche Ver-
sammlung und namentlich viele Bischöfe sich eingefunden hatten. Ent-
gegenstehen künnte nur die Bemerkung der Chron. S. Ben. p. 187, dass
Odulrich fünf Jahre Erzbischof gewesen sei, aber die Zahlenangaben die-
ser Chronik sind auch sonst mitunter ungenaue und deshalb schwerlich
beweiskräftig.
0 Vgl. Hauck, Kirchengesch. III, 1 (1898), 371. 376. 380. 382. 383.
') V. Popp. c. 19. Ekkehard von Aura berichtet SS. VI, 195 zu 1025:
In proprio quippe casteUo Linthwirg diclo ad alias itöua qiMndam sibi grata
monasterimn construxitj prediarumque copia iüud ditans, monachoi'utn con-
gregationem sub abbatis pravisiane iUuc introduxit Ich möchte annehmen,
dass der Autor hier die Urk. v. 17. Jan. 1035 im Sinne hat und sich bezüg-
lich der Zahl nur in leicht erklärlichem Irrtum befindet. Wenn im Sommer
1035 erst die Weihe der Crypta erfolgt, so kann der Bau der Kirche nn-
müglich lange vorher begonnen haben. Auf die Zahl Ekkehards ist bei
der geringen Bedeutung seiner Nachrichten aus dieser Zeit (Bachholz,
Ekkehard von Aura, Leipzig 1888, S. 2S) gar kein Gewicht zu legen.
Dass Gisela besonders beteiligt war, hebt ein Brief der Mönche von
Limburg aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts hervor: MabiUon, Ann. Ben.
IV, 372 ; Sigeberti Transl. S. Luoiae bei Meurisse, Bist de Metz p. 323.
245
t
den sein, so lässt sieh die besondere Vorliebe des Kaisers
fttr diese Familienstiftong doch erst in den dreissiger Jahren
nachweisen, und ebenso dürften die Mönche ans Poppos Schule
kaum früher das neue Kloster besiedelt haben. Der Herrscher
weilte nun öfter in Limburg <) und nahm sich der Abtei inso-
fern an, als er dem Bischöfe von Speyer ihre Verteidigung zur
besonderen Pflicht machte.^) Er selbst gewährte gelegentlich
der Weihe der Grypta und einiger Altäre^) im Sommer 1035
im Verein mit Gisela verschiedene Güter und bestimmte die
Leistungen und Pflichten der Ministerialen. Zur selben Zeit
erfolgte, wie es scheint, die Abgabe von Limburg und St Maxi-
min an Poppos Schüler Johannes, der bisher in Stablo und
dem Trierer Kloster das Kleid Benedicts getragen hatte.^)
Konrads Nachfolger, Heinrich HI, betrieb die Vollendung der
Bauten und die Herbeischaffung von Reliquien, unter denen
dem Arme der hl. Lucia besondere Verehrung zu teil wurde.^)
Ein ganz wesentlicher Erfolg war es, dass im Jahre 1031
ein Mönch von St. Maximin <^), wie es scheint, der zuletzt Propst
in Stablo^) gewesen war, auf den Abtstuhl des reichsfreien
Hersfeld gelangte. Hier hatte Bardo, der frühere Abt von
Werden, den Krummstab geführt, ein milder und gerechter
Mann, der aber in dem halben Jahre, während dessen er dem
Kloster vorstand, nicht vermocht hatte, die unter Abt Arnold
eingerissenen Schäden zu heilen. Als er nun auf den erz-
bischöflichen Stuhl von Mainz berufen ward^), wurde Rudolf,
») Ladewig S.81.
') RemliDg, Urkb. zur Gesch. der Bischöfe von Speyer I, 21). Urk.
vom 21. Febr. 1032; St. 2030. Damals war das Kloster schon erbaut; vgl.
Ladewig S. 81. Wie weit, ist indes sehr fraglich.
^) Brief der Limburger a. a. 0.
*) Vgl. Ladewig S. 133 f.
») Sigeb. Transl. a.a.O.; Ann. Spir. SS. XVII, 82; Brief der Lim-
burger a. a. 0. Vgl. Dümmler, Sigeberts von Gembloux Passio S. Luciae,
Abhdl. d. Berl. Acad. 1893, p. 15. 43.
*) Necrol. S. Max.: VIIL Id. Nov» Ruoht nostrae congregaJtionis epi-
8copu8 Paderbomensis,
') Ann. Hildesh. 1031: Bopponis monachnSy coenobii Stabulon prae-
positus.
«) Vgl.WolfheriV.Godehardic.36; V.Godehardi post. c.24; V.Mein-
werci c. 210; Bresslau, Konrad IL 1,310. 311.
246
der Schüler Poppos, ein geborener Italiener Oi Abi Mit ihm
zogen auf kaiserlieben Befehl die Gewohnheiten der lothrin-
gischen Mönche in Hersfeld ein 2), aber sowie er bereits nach
fttnf Jahren die bischöfliche Würde von Paderborn annahm,
so blieb es anch bezüglich der Klostereinrichtungen in Hers-
feld beim Alten.')
Zwei Jahre vorher hatten mehrere hervorragende Mönche
Hersfeld verlassen, um höhere Aufgaben zu eiittllen. Indes
ist es durchaus unwahrscheinlich, dass die Beförderung des
Propstes und gelehrten Scholastikers Albuin auf den Abtstuhl
zu Nienburg 4) und die Berufung des Sidaec nach Magdeburg^)
für die Verbreitung der cluniacensischen Institutionen irgend-
welche Bedeutung haben.
Im Jahre 1034 erfolgte ein bedeutsamer Act des Kai-
sers bezüglich der Reform des Reichsklosters St. Ghislain in
der Diöcese Cambrai. Diese Abtei hatte bereits seit dem Tode
des Abtes Wenrich, der 1026 aus dem Leben schied, Graf
Raginar von Mons in seine Gewalt zu bringen versucht; er
setzte widerrechtlich zwei Aebte ein, die der Bischof zwar
verwarf, die aber trotzdem lange genug wirtschafteten, um
Klosterzucht und Besitz zu zerrütten.<^) Auch als Poppe auf
Vorschlag Gerhards von Cambrai und auf Befehl Konrads
einen Mönch Heribrand dem Stifte vorsetzte, Hess Raginar
von seinen Belästigungen nicht ab. Der Abt suchte schliess-
lich mit den Brüdern, unfähig die Verwüstung des Ortes zu
ertragen, bei dem Kaiser seine Zuflucht. Im Frühjahr 1034
verwandten sich zu Regensburg neben dem Erzbisehofe Pil-
grim von Göln, Gerhard von Cambrai und Herzog Gozelo von
>) Ann. Hildesh. 1031; Lambert! Liber de instit. SS. V, 140; V.
Popp. c. 19.
') Ann. HUdesh. 1031: a quo imperatoris decreto inibi mtUata est
monachica consuetudo.
^) Vgl. den Brief der Hersfelder an die Mönche von Monte Cassino,
N. Arch. m, 189.
«) Lambert! Ann. 1084; Ann. Hildesh. 1034. 1035; Gesta archiep.
Magdeburg. SS. XIV, 399; Ekkehardi Chr. SS. VI, 196; Wattenbach H,
23. 25. 88.
>) Ann. HUdesh. 1034; Gesta archiep. Magdeb. SS. XIV, 399.
«) Gesta abb. Camerac. II, c.21, SS. VU, 492; V. Popp. c. 19.
247
Lothringen die Kaiserin Gisela nnd Poppo von Stablo für
die Freiheit des Klosters, das Konrad am 3. Mai wieder in
seinen Schatz nahm.^) Das Diplom war von günstigem Er-
folge begleitet; wenigstens hören wir weiterhin nichts von
Klagen. Auch wachs die Zahl der Mönche and der Besitz-
stand unter Heribrand. Bischof Gerhard and Poppo zogen
aach fbr die Zukunft ihre Hände nicht von der Abtei ab.
Denn als Heinrich III. am 27. Mai 1040 derselben die Grafen-
rechte über das Dorf Bassäcles verlieh 2), verdankte man das
ihrer Intervention.
Aus welchem Kloster Heribrand stammte, wissen wir nicht,
aber Poppo begünstigte so ansschliesslich St. Maximiner
Mönche, wenn niciit, wie in St. Trond, bestimmte Gründe da-
gegen sprachen, dass man den Abt von St Ghislain vielleicht
auch demselben Kreise von Schülern wird zurechnen dürfen.
Jedenfalls waren es wieder Mönche des Trierer Klosters, die
etwa 1032 in Weissenburg und 1035 in Waulsort befördert
wurden.
Die Geschichte von Weissenburg im Sprengel von Speyer
ist überaus dunkel. Erst im Jahre 978 erhielt die Abtei das
Recht der freien Abtwahl, und die Rechte der Aebte wurden
nach den für Fulda, Reichenau und Prüm geltenden Normen
geregelt.^) Im Jahre 1002 ward Liuthard Abt*), unter dem
1004^) das Kloster niederbrannte. Wir hören dann zunächst
nicht, dass der Klosterbau vollendet worden wäre; wohl aber
wendet der Abt sich 1080 an Konrad II. behufs Bestätigung
der alten Rechte und Güter.<^) Erst im Jahre 1033 erhielt das
Oratorium S. Petri durch Bischof Reginbald die Weihe.'') Wann
Folmar, den Poppo von Stablo aus St. Maximin nach Weissen-
0 St. 2059; Mirac. S. Gisloni c. 13, SS. XV, 585. lieber die Add.
S. Gisleni und ihren Wert siehe, was ich in der neuen Ausgabe der Ann.
Hannöniac des Jacques de Guise 1. XIV, c. 54, SS. XXX, 187 zu der von
Ladewig herangezogenen Stelle bemerkt habe.
«) St 2182.
•) DO II, nr.93; St. 591.
«) Ann. Weissenburg. SS. III, 70.
») ib. a. 1004.
«) St 200s.
') Ann. Weissenburg. 1038.
248
barg schickte 1), Bein Amt antrat^), ist ebenso unbekannt, als
wie es überhaupt zu einem Eingreifen des Abtes von Stablo
kam. Auch über Folmar wissen wir nicht mehr, als dass
unter ihm die Bücher von Weissenburg catalogisiert wurden^)
und Heinrich III. im Jahre 1040 für ihn urkundete.^) Er starb
bereits am 14. Mai 1043.^)
Dieselbe Unklarheit hinsichtlich der näheren Umstände
herrscht bezüglich der Eingriffe Poppos in die inneren Ange-
legenheiten der Abtei Waulsort im Lütticher Sprengel. Seit
969 im Besitze des Bischofs von Metz, der das Stift mit einem
kleinen herabgekommenen Kloster zu Uastiöre vereinigt hatte,
war Waulsort zuletzt in die Hände des Propstes Rudolf von
Hastiöre gelangt^) Zwistigkeiten rechtlicher Natur, die nach
seinem 1035 erfolgten Tode zwischen beiden Stiftern aus-
brachen, veranlassten den Bischof von Metz sich einzumischen
und im Einvernehmen mit dem Kaiser die Leitung des Doppel-
klosters Poppe von Stablo zu übertragen, von dem man an-
nahm, dass er die Rechte jeder Kirche wahren würde. Aber
Poppe, der um diese Zeit bereits so sehr mit Pflichten über-
laden war, dass er in Limburg und St. Maximin seinen Neffen
Johannes an seine Stelle setzte, berief Lambert von St. Maxi-
min nach Waulsort, freilich nicht ohne eine Garantie für
dessen Vorgehen zu übernehmen.'') Lambert führte gewiss die
inneren Klosterangelegenheiten im Sinne Poppos: der ibm
feindliche Gesehichtschreiber der Abtei wirft ihm freilich vor.
*) Vgl. V. Popp. c. 19; Necrol. S. Maximin.: II. Id. Mail. Folmarus
preab. nostrae congregationis et abbas Wizenburgefisis.
') Liiithard soll nach der Gallia christ. V, 743 1032 gestorben sein
und Folmar damals sein Amt angetreten haben, indes fehlt ein Quellen-
beleg. Man kann nur sagen, dass es nach 1030 geschah. Sehr leicht
möglich ist allerdings, dass die Weihe des Oratoriums erfolgte, kurz nach-
dem Foimar Abt von Weissenburg wurde.
B) Vgl. Becker, Catalogi biblioth. antiqui nr.48, p. 13.S: Isti Codices
inventi sunt in armario S. Petri in Wizzunburg sub Folmaro abbaJte.
*) St. 2191.
*) Ann. Weissenburg. 1043; Necrol. S.Maxim. a.a.O.; Necrol. Epter-
nac., N. Arch. XV, 184.
^) Sackur, Der Rechtsstreit der Klöster Waulsort und Hastiere,
D. Zeit«chr. f. Geschichtswissenschaft II (1889), 345 if.
•) Hist. Walciod. c.49; vgl. D. Zs. a.a.O. S. 348.
249
die Gerechtsame derselben zu Gunsten der Hasterienser ver-
nachlässigt zn haben, und berichtet, dass die Mönche schliess-
lich gegen ihn bei Poppe Klage führten. Vielleicht ist das
alles aber ebenso wenig wahr, als die gehässige Mitteilung,
dass Lambert bei der Kunde von Poppos Tode seine Freude
über die nunmehrige Freiheit nur schlecht verhehlt habe.^)
Abgesehen von der vorübergehenden Einwirkung auf Hers-
feld, die wir zu erwähnen hatten, war das Arbeitsfeld Poppos
auf die Gegenden des oberen und niederen Rheins beschränkt
geblieben, ohne dass dieser selbst erreicht worden wäre. Jetzt,
in eben der Zeit, in der der Ei^flnss des Abtes auf den Kaiser
seine Höhe erlangte, im Jahre 1034, kommen zum ersten Male
Mönche seiner Richtung nach der alten reichsfreien Abtei
St. Gallen. Der Widerwille, mit dem sie hier, wie fast aller
Orten, empfangen wurden, nötigt uns, die Stellung, die das
Mönchtum des ostfränkischen Reiches der neuen Schule gegen-
über bisher eingenommen hatte, kurz zu betrachten.
Auch das obere Deutschland hatte im zehnten Jahrhundert
eine Reform gehabt. Namentlich in Baiern, das besonders reich
an Klöstern war, hatten die Stifter durch die Verheerungen
der Ungarn, Säcularisationen weltlicher Fürsten und die gänz-
liche Unterwerfung unter den Episcopat den Todesstoss er-
halten.2) Aber trotz des Verfalls der Benedictinerregel^) hatte
doch die Sittenlosigkeit und Verschwendung der Laienäbte
nicht annähernd so gräuliche Misstände herbeigeführt, als in
Frankreich. So trug auch die Reform einen weniger gewalt-
samen, weniger allgemeinen Character; als ihr Herd tritt
wesentlich St Maximin hervor. Dass Ende des Jahres 972
ein Mönch von Einsiedeln, das schon um die Mitte des
Jahrhunderts wieder kräftig blühte und nach aussen nicht
unbedeutende Wirkungen ausübte, der Schwabe Wolfgang,
auf den bischöflichen Stuhl von Regensburg gelangte und
0 Ladewig S. 63.
«) Vgl. Hirsch, Jahrb. Heinrichs II. I, 93—105.
') Vgl. betreffs St. Emmeram Hirsch S. 111; Ringholz, Des Bene-
dictinerstiftes Einsiedeln Thätigkeit für die Reform deutscher Klöster vor
dem Abte Wilhelm von Hirschau in Studien und Mitteilungen aus dem
Benedictiner- und Cistercienserorden 1886 (Separatabdruck S. 6); Hauck,
Kirchengescb. HI (1893), 1, 375 ff.
250
die Gewohnheiten seines Klosters naeh St Emmeram über-
trug, muss als das wichtigste Ereignis in der Entwicke-
lung der oberdeatsehen Reform betrachtet werdend) Denn
neabelebende Wirkungen gingen von St. Emmeram aus; hoch-
angesehene Kirchenfttrsten, wie Tageno von Magdeburg, Poppo
von Trier, Balderieh von Lttttich, nahmen hier ihren An-
fang. Von Einsiedeln aber kamen seit der Wende des Jahr-
hunderts Mönche nach schweizerischen und schwäbischen
Klöstern das ganze elfte Jahrhundert hindurch. In andern
Abteien aber hatte man die Stürme der Anarchie ohne grosse
Erschütterungen überstanden. Waren manche altberühmte Stifter,
wie St Gallen und Corvey, nicht eben Klöster strenger Obser-
vanz, so hatte sich doch in ihnen ein gemütliches, den Musen,
der Wirtschaft und den göttlichen Pflichten geweihtes Zu-
sammensein herausgebildet, bei dem die Mönche auch mit dem
benachbarten Laienadel in vertraulichen Beziehungen standen.
In vielen deutschen Stiftern lebte man so und man begreift
vollkommen, dass Sachsen, wie Widukind und Thietmar von
Merseburg sich mit der „schweren Verfolgung'', die über das
alte Mönchtum hereingebrochen war, nicht befreunden konnten.
Die allgemeine Meinung war doch die, dass es besser sei, wenn
viele, wenn auch weniger strenge Mönche in einem Kloster
lebten, als wenige der strengsten Observanz. Widukind erinnert
an das Gleichnis vom Hausherrn, der seinen Slaven verbietet,
das Unkraut vor der Ernte auszujäten'^); es ist nicht nach
seinem Sinn, dass Mönche, die ihrer Schwäche sich bewusst
seien, die Kutte ablegten und die Klöster verliessen. Auch
Thietmar^) erscheint die zur Schau getragene Strenge in Klei-
dung und Lebensweise mitunter als eitel Heuchelei.
*) Vgl. Hauck a. a. 0. Diese Consuetudines hat Ringholz a. a. 0. aus
dem cod. Einsiedl. 235 ediert. Leider sind die Gewohnheiten nicht voll-
ständig erhalten. Bemerkenswert ist, dass hier zum ersten Male barbati
vel converai laici erwähnt werden, so dass ausser Frage ist, dass diese
Einrichtung von Einsiedeln nach Hirschau kam, wo sie noch vor der
Cluniacenserreform bemerkt wird. Vgl. auch Helmsdörfer, Forsch, z. Gesch.
d. Abtes WUhelm von Hirschau S. 90 ff.
*) Widukind H, c. 37.
3) Thietmar VI, c. 21 (ed. Kurze p. 145): Verum est, quod hii, qwrum
nova conver8atio et in habitu et in victu Uwdabili3 extat, vero non sunt
sepe, quod aimulant.
251
Nicht minder hatten schon im zehnten Jahrhundert die
St Galler Gelegenheit, den Gegensatz gegen die lothringischen
Neuerer zu betonen, als Otto I. vermutlich nach einer ungün-
stig ausgefallenen Revision in St Gallen, eine Reform durch
einen Lothringer, Sandrart, anbahnte.^) Damals scheiterte der
Plan an dem hartnäckigen Widerstand der Mönche, und die
alte Art, die keine Gewissenspein und seelische Kämpfe kannte,
behielt auch weiter im Stift die Oberhand. Ebenso rief ein
Versuch, den Heinrich IL in Reichenau machte, dem Abte Immo
von Gorze und Prüm eine neue Wirkungsstätte zu eröffnen,
eine so entschiedene Weigerung und solche Gegenwehr der
Mönche hervor^), dass der König zwei Jahre später von der
Unmöglichkeit überzeugt war, seine Absicht darchzuführen.^)
Es liess sich deshalb voraussehen, mit welchem Erfolge Kon-
rad IL in St. Gallen zu Gunsten der Schule Poppos eingreifen
würde. Die deutschen Herrscher hatten dem Kloster des
hl. Gallus ihre Gunst nicht entzogen. Bestätigte Konrad II.
am 19. April 1025 das freie Wahlrecht der Mönche und den
Schutz der Krone^), so kam Gisela zwei Jahre später selbst
nach St. Gallen und liess sich den von Notker Labeo ins
Deutsche übersetzten Psalter und das Buch Hiob abschreiben
und sich mit ihrem Sohne Heinrich in die Brüderschaft auf-
nehmen.^) Man hatte anscheinend keinen Grund, mit Thiet-
bald, der damals Abt war, unzufrieden zu sein. Da starb er
im Jahre lOSl«)
Poppe war auf der Höhe seines Einflusses. Nach Hers-
feld, St. Trond, St. Ghislain, Weissenbnrg und Waulsort kamen
um diese Zeit die Zöglinge seiner Schule, stets im Einver-
ständnis mit dem Kaiser oder der Kaiserin. Als er nun An-
fang Mai 1034 in Regensburg erschien, wo er für St. Ghis-
lain intervenierte'^, mochte er den Kaiser dazu bestimmt
0 Vgl. DUmmier, Otto der Gr. S. 490; Ileidemann, Ekkehard IV. von
St. Gallen, Forsch, z. D. Gesch. VIII, 102 ff.
') Hermanni Contr. Chron. 1006; Chron. Suev. 1006; Catal. abb. Aug.,
SS. XIII, 3S2.
«) Hennanni Contr. Chron. 1008; Chron. Suev. 1008.
*) Wartmann, Urknndenbuch von St Gallen III, nr. 278; St. 1877.
<^) Ann. San^L majores (SS. I, 83) 1027.
«) ib. 1034.
'') S. oben S. 246.
252
haben, die Leitang von St Gallen in die Hände eines seiner
Schüler zu legen. Es war Norbert, ein Stabloer Mönch, der
von unbefangenen Beurteilern auch in St. Gallen Lob erntete,
der als ein Nachahmer Thietbalds, als Förderer der Abtei, als
wohlwollender Abt hingestellt wird, der die Pfründen der
Brüder vergrösserte. Er machte auch eine Stiftung fttr seine
Jahrzeitfeier. I) Ein silbernes, zum Teil vergoldetes Kreuz liess
er an einer silbernen Säule befestigen und auf einen Altar
setzen.^) Zur grossen Freude der Mönche betrieb er die längst
beabsichtigte Canonisation der hl. Wiborada.^) Er führte auch
den Festtag des hl. Remaclus, des Patrons von Stablo, in
St Gallen ein.«)
Aber sein Auftreten und das der von ihm mitgebrachten
popponischen Mönche rief den Widerspruch und den Unmut
der älteren Insassen des Stiftes hervor. Der Wortführer jener
Partei war Ekkehard IV, der die Geschichte von St Gallen
fortsetzte, die Ratpert angefangen hatte, der auch allein von
der Episode Sandrarts berichtet und dem sein Aerger über
die lothringischen Eindringlinge giftige Worte in die Feder
dictierte und die schwärzesten Farben an die Hand gab, wo
es sich darum handelte, den ersten verunglückten Beformver-
such zu schildern.
Anfangs scheint er den Bestrebungen der lothringischen
Reformatoren keineswegs feindselig gegenüber gestanden zu
haben. Er selbst trägt den Beisetzungstag des hl. Remaclus
in das Martyrologium ein — doch wohl nachdem der neue
Festtag in St Gallen eingeführt worden war — und lobt bei
dieser Gelegenheit die Jünger des Heiligen, die Mönche von
Stablo.^) Er war auch mit Poppos Neffen, Johannes von
St Maximin, wenigstens vor Norberts Auftreten innig befreun-
0 Burchardi S. Galli Contin., SS. II, 155; vgl. Ladewig S. 98; Wart-
mann 111,812. 820. 821. 828.
a) Ekkeh. Casus S. Galli, SS. II, 81.
») ib. p. 107.
*) ib. p. 156; vgl Dttmmler, Ekkehart IV. von St. GaUeo, Ztschr. f.
D. Alterthum XIV, 5.
') DUmmler a. a. 0. S. 5 teilt aus Cod. S. Galli 454 f. 241 mit: qiialia
autem inibi Dei cuUor extiterit et in ipso et in eins diacipulis postmodum
patuitf cum Deus omnipotens tarn per ipsum^ quam per eius diaciptdos
cottidie müUa insignia facere non destitit.
258
det>) Aber seine StimmaDg scheint ins Gegenteil amgesehlagen
zu sein, als Norbert, mit Umgehung des Wahlrechts intradiert,
seine Nenemngen in Kleidung und Lebensweise auch auf die
alten Mönche auszudehnen versuchte. Dagegen sträubten sie
sich nicht ohne Erfolg. Sie lebten, wie Ekkehard einmal sagt^),
nicht wie er oder wie sie wollten, sondern so gut sie konnten.
Es fand sich augenscheinlich ein Modus, der den St Gallem
gestattete, unbekümmert um die Satzungen der Stabloer, wenig-
stens im allgemeinen ihren alten Gewohnheiten, besonders in
der Kleidung, nachzugehen. Hin und wieder läuft dem Mönch
aber bei der Abfassung der Klostergeschichte die Galle Über
und bei der ersten besten Gelegenheit setzt es einen Hieb
gegen die Neuerungen, mit denen die Eindringlinge Gott reiz-
ten^), gegen ihre superstitiöse Ketzerei, ihre Kleidung, ihr
Franzosentum. Er stellt ihrem pfäffischen DUnkel die gute
alte Zeit entgegen, in der die adeligen Laien an den Proces-
sionen im Mönchsgewande teilnahmen, in der sie mit Abt und
Decan im Kloster zu Tisch sassen, auch wohl einmal gegen
die Regel fehlten und zu Heiterkeit Anlass gaben.^) Der dich-
tende und schriftstellemde Mönch zog sich schmollend und
grollend zu seinen Studien zurück. Bei der Leetüre fiel ihm
mitunter an einer anzüglichen Stelle das ganze Elend der
Gegenwart ein; dann konnte er nicht umhin, in Randbemer-
kungen seinem Aerger über die Neuerungen Poppos ^) oder den
erbärmlichen Character der Franzosen^) Luft zu machen. Na-
mentlich aber fand er manches in Notkers Psalmenübersetzung,
das ihm zu einem Seitenhiebe gegen die Lothringer Anlass
gab. Ueberall beherrscht ihn der Ingrimm darüber, dass die
*) DQmmler S. 4ff. Ihm widmete er den Liber benedictionnm.
') Casus S. Galli prol.: NorpertuSf cuiua hodie sub regimine quidem
non prout ipse et noSf ut inquiuntj volumuSj sedf prout poasumuSf vivimua.
') Casus S. Galli c.lO: quod tarnen pace novitatis fnonachorum qui
irritare ntmc Deum aoknt in adinventionibia suis . . .
*) ib. p. 142.
^) In einer Randglosse zu den Excerpten Augustins (Cod. 1 76) setzt
er hinzu: Nota quod huiuscemodi et in aliia rebus perturbatio graasatur,
sicut novitaa Popponis S. Gaüi cellam in plerisque nobilita' sanam vulne-
rabat scismatis sui vulnere s^vo et dolendo; Diimmler S. 6.
^ So in einer Glosse zu Orosius, Heidemann a. a. 0.
254
Stabloer im Kloster regieren'); er schilt ihre zwei Köeke, die
weiten Gewänder und grossen Tonsaren and tausend andere
Neuerungen.^) Sie sind ihm Schismatiker und Häretiker, na-
mentlich aber Richard von St. Vannes und Poppo, von denen
sich jeder für den hl. Benedict halte und deshalb die Regel
umstosse.3) Neben dem Zorn über das pharisäerhafte, dünkel-
hafte Auftreten der beiden Führer leitet ihn ein lebhafter natio-
naler Widerwille gegen die Gallier.*)
So giflng seine Ausfälle gegen die Fremdlinge gelegent-
lich sind, gegen seinen Abt hat Ekkehard doch nirgend ein
hässliches Wort fallen lassen. Wo er ihn in der Kloster-
geschichte nennt, geschieht es sogar, um seine Verdienste zu
berichten, freilich auch ohne anerkennende und rühmende Zu-
sätze. Persönlich sicher unanfechtbar, hat Norbert ein durch-
aus günstiges Andenken bei den dankbaren Mönchen hinter-
lassen^), und dass er mit dem kaiserlichen Hause, mit Hein-
rich III, in guten Beziehungen stand, zeigt die Thatsache, dass
der König 1040 St. Gallen mit seinem Besuche beehrte«) und
Norbert an seiner Seite sechs Jahre später mit nach Ita-
lien zog.')
Dass diesmal ein Stabloer Mönch ausgeschickt wurde,
keiner von St. Maximin, hatte seinen Grund vielleicht darin,
*) So glossiert er die Worte: Posuisti tribulationes in dorso nostrOj
imposuisti homines super capita nostra mit: Viuinnan chamen die? Daz
du fh^niscen säztost über unseriu hoübet. Zu sdztost bemerkt er: uwäaha
de stabuloVf und zu hoübet: Poponiscos scismaticos itUer monachoSj maxitne
inter sanctigaüensea. Hattemer, Denkmahle des Mittelalters 11,221, n. 4.
*) Hattemer II, 221, n. 5: id est mit ypocrisi prettero bldttün uuitero
chügelün et miüe aliis quibtts scistnatici nostri irritaverunt deum in ad-
inventionibtis suis, maxiine autem in dtiobtis roccis.
') Hattemer II, 79, n. 4 : Ane die (seil, minna) uuären heretici unde
sint huito richarth popo. quorum uterque dicit se sanctum Benedictum
quidem esse, et ideo regulam mvtasse. et tunicam domini unam in duos
rokkos.
*) Hattemer II, 221, n. 5: nam a crapula Gallis ingenita incJwantes;
Casus S. Galli p. 142: Vidi egomet ante tempora, quae a Gallis patimur,
monachorum schismaticis.
ß) Vgl. Hepidauni V. Wiboradae, SS. IV, 446, n. 15.
^) Ann. Sangall. maiores j040.
7) Ladewig S. 99.
255
dass Poppo das letztgenannte Kloster bereits nicht mehr lei-
tete. Aber auch als er wenige Jahre später, etwa 1038, nach
dem kurzen Regiment des Johannes und des Nachfolgers des-
selben, Bernhard, wiederum den Krummstab Übernahm^), war
es doch mit der Begünstigung der Reform durch den deutschen
Hof aus. Konrad II. kam nicht mehr auf ihn zurtlek, ebenso
wenig Heinrich UI, sein Sohn. Ostfränkischen Klöstern clunia-
censisch-lothringische Normen aufzudrängen, hatte sich als ein
ganz vergebliches Bemühen herausgestellt. Weder in Hersfeld
kann von einer Einpflanzung derselben die Rede gewesen sein
— der beste Beweis dafür ist, dass die Hersfelder sich später
entschieden dagegen aussprachen — , noch ist es in St. Gallen
zu einer Verschmelzung der nach ihren verschiedenen Regeln
lebenden Stabloer und Altsanctgaller Mönche gekommen. Ver-
mutlich ist auch in manchen lothringischen Abteien, wahr-
scheinlich in Klöstern, wie Limburg und St. Maximin, die
Gluniacenserreform nur eine oberflächliche gewesen. Das öftere
Eingreifen Poppos an denselben Orten auf der einen Seite, der
bunte Wechsel der Personen auf der andern spricht gegen ein-
schneidende Erfolge.
n.
. Am 4. Juni 1039 starb der Kaiser. Einige Wochen spä-
ter bestieg Heinrich III. feierlieh den Thron zu Aachen, nicht
ohne dass Gozelo von Lothringen wieder einen schwachen
Versuch zur Opposition gemacht hätte. Der Bruch mit Cluni
war eclatant: zum ersten Mal erfolgte beim Regierungsan-
tritt keine Neubestätigung der Peterlinger Besitzungen. Trotz
dessen scheinen sich die lothringischen Achte bereits in Aachen
um den König versammelt zu haben: denn er bat dort den
Abt Sigfried von Gorze demütig, für ihn zu beten, ein
Wunsch, den er zu Metz, vermutlich im Juni des nächsten
Jahres, wiederholte. Seitdem wurde seiner in Gorze bei den
Offizien stets gedacht.^) Um dieselbe Zeit aber bewies der
0 Ladewig S. 82 f
*) Brief Sigfr. v. G. an Poppo v. St. bei Giesebrecht II, 718: Ex qtw
enim prxMS Äquisgrani et postea Mettis pro se orare humiliter me petiit,
in oratiuncuLis meia ac fratrum noatrorutn memoria eius non defuit Da
der König vor 1043, da dieser Brief geschrieben ist, nur Juni 1040 in
256
junge König seine Neigung für einen anderen Mann der
gleichen Richtung, indem er nämlich nach dem Tode des
Bischofs Rambert von Verdun, der auf einer Pilgerreise am
29. April 1039 in Belgrad starb, dem Abte Riehard von St. Yannes
das erledigte Bistum anbot. Aber wie Majolus und Odilo von
Cluni die Erzstühle von Besaufon und Lyon, Poppe den
Stuhl von Strassburg zurückgewiesen hatten, so weigerte sich
auch Richard zu Gunsten einer bequemeren und glänzenderen
Stellung den klösterlichen Prinzipien, die er sein Leben lang
verfolgt, untreu zu werden. Indem er indes dem Kaiser die
Ernennung seines Taufkindes Richard, des Sohnes des Grafen
Hilderat, der in St. Vaunes die Kutte genommen hatte, vor-
schlug, brachte er auf den Bischofsstuhl einen jungen und un-
erfahrenen Mann, der alle das Bistum, wie die Grafschaft be-
treffenden Angelegenheiten der Entscheidung des Abtes unter-
warf. 0 Kurze Zeit darauf erfuhr sein Schüler, der Abt Poppe
von Stablo, nicht minder die Gunst des Königs.
Schon Ende Mai 1040 finden wir Poppe von Stablo in
Gemeinschaft mit dem Bischöfe von Cambrai in Lüttich, wo
der König am 27. auf ihre Bitten für die von Poppe refor-
mierte Abtei St. Ghislain urkundete.^) Es war um dieselbe
Zeit, da der Abt daran war, das neue von ihm von Grund
auf restaurierte und vollendete Kloster Stablo weihen zu lassen.
Er ergriff die günstige Gelegenheit, da Heinrich sich in jenen
Gegenden aufhielt, den Fürsten zum festlichen Acte einzu-
laden.^) Es hatte sich eine erlesene Gesellschaft um den Abt
versammelt. Ausser den Herzögen Gozelo und Gotfried von
Lothringen bemerkte man einen ansehnlichen Teil des lothrin-
gischen und westdeutschen Episcopats. Nach der Predigt, die
auf Befehl des Königs der Diöcesanbischof an das Volk halten
musste, folgten die Gunstbeweise des Herrschers, die in der
Verleihung eines jährlichen, zwei Tage dauernden Marktes und
der Bestätigung der alten Privilegien , die laut vorgelesen wur-
den, bestanden. Endlich besiegelte und bekräftigte er die Re-
Metz war (St. 2187), werden wir das Erzählte hierhin und vorher auf den
Aufenthalt im August 1039 (St. 2139) in Aachen setzen müssen.
1) Richard von St. Vannes S. 86 f.
>) St. 2182; s. oben S. 247.
') Dedicatio eccl. Stabul. bei Martene, Ihes. U, 60 ; SS. XI, 307 ff., n. 26.
257
stitntionen, die seine Vorgänger dem Kloster gewährt hatten,
von neuem nnd liess zur grösseren Sicherheit gegen Anfech-
tungen den Act auf einem Hoftage zu Aachen nach Beratung
mit den Grossen und Hofbeamten in seiner Gegenwart rati-
fizieren. Von Stablo nahm Heinrich seinen Weg nach dem
oberen Lothringen. Sei es, dass Abt Richard den König von
Stablo aus bereits begleitete, sei es, dass er erst unterwegs an
das Hof lager kam, jedenfalls wird es damals gewesen sein, wo
er in Diedenhofen gegen die Anfeindungen des Grafen Mane-
gaud, der eine Schenkung seines Vaters Liethard von Marcey
zurückforderte, bei Heinrich mit Erfolg Schutz suchte.^)
In den nächsten Jahren war der König mit den Ange-
legenheiten des Ostens, mit Kriegen gegen Böhmen und Ungarn,
beschäftigt, so dass es an Gelegenheit und Möglichkeit fehlte,
die Verbindungen mit dem lothringischen Regularclerus weiter
zu pflegen. Aber als er im Begriff war, sich durch seine Ver-
mählung mit Agnes von Poitou auch das mächtigste FUrsten-
geschlecht des südlichen Frankreichs zu verbinden, nachdem
die zehn Jahre früher geplante Alliance mit dem capetingischen
Hause durch den Tod der jungen Mathilde vereitelt worden war,
trat der Einfluss der Männer wieder hervor, die ihrer deutsch-
französischen Beziehungen wegen bisher als die geeignetsten
Vermittler zwischen beiden Höfen erschienen waren.
Die geplante Ehe war wieder einmal unzulässig im Sinne
des Kirchenrechts, sowie es die Ehe Konrads H. und die be-
absichtigte Verbindung Heinrichs I. mit der Tochter dieses
Kaisers gewesen war. Auch diesmal wagten die leitenden Per-
sönlichkeiten der Reformbewegung, soweit sie wie Poppo von
Stablo dem Hofe nahestanden, höchstens durch leise Ermah-
nung zu wirken.
Sie wussten sehr wohl, dass es für die Fürsten schwierig
sein musste, eine Frau ihres Standes zu finden, die nicht
in irgend einem Grade mit ihnen verwandt war, und dass
die Politik sich unmöglich von derartigen kirchenrechtlichen
Bedenken abhängig machen konnte. Desto eifriger waren na-
türlich die dem Staatsleben fernersiehenden , einseitig in ihren
Anschauungen verbohrten Geister, wie Sigfried von Gorze, bei
*) Richard von St. Vannes S. 87.
Sackur^ Cianiaccnaer. U.
der Hetze. Als dieser Schiller Wilhelms von t)ijon einst mit
Poppo zu Diedenhofen ^ zusammentraf and beide sieh über die
gefährlichen Zeitläufte, die mit den Prophezeiungen der Apostel
so sehr übereinstimmten, über den üblen Lebenswandel der
Menschen, die häufigen Fälle von Incest und Eidbruch, Ab-
nahme religiöser Gesinnung und Zunahme der Schlechtigkeit,
kurz über die verschiedenen Gefahren der Kirche ihr Herz
ausschütteten, fragte der Abt von Gorze seineü Amtsbruder,
warum er den König über die nahe Verwandtschaft mit der
erkorenen Dame nicht aufkläre, die er ohne schweres Vergehen
gegen Gott nicht ehelichen könne. Poppo erwiederte, er habe
es wohl gethan, der König habe aber zunächst eine Unter-
suchung über den Grad der Verwandtschaft gefordert. Diese
Unterredung veranlasste Sigfried, der im Augenblick ans dem
Gedächtnis Poppo nicht durchweg die erwünschte Auskunft zu
geben vermochte, nach genaueren Erkundigungen einen Stamm-
baum aufzusetzen, den er Poppo übersandte, um ihn dem Kö-
nige vorzulegen, zugleich mit der Bitte, in sich zu gehen
und die Vergehen der Eltern zu meiden. Nicht nur das Seelen-
heil, sondern auch das Wachsen und Gedeihen seines Ge-
schlechtes werde aufs Spiel gesetzt, da Ehen in der Verwandt-
schaft ftlr di6 Blüte der Nachkommenschaft verderblich seien.
Poppo möge den König an seine erhabene und verantwortliche
Stellung mahnen und an das böse Beispiel, das er geben
würde. Der Briefschreiber erinnert daran, wie viele Leute bei
Gelegenheit der projectierten Heirat zwischen der Tochter Kon-
rads IL und Heinrichs von Frankreich sich daraus ein fried-
licheres Verhältnis beider Reiche versprachen. Er beweist,
dass aus der Ueberschreitung des göttlichen Gesetzes nie ein
wahrer Friede erwachsen könne. „Es steht fest und ist un-
zweifelhaft wahr, dass die canonische Autorität das Gesetz
Gottes ist" 2): das ist der Satz, auf dem seine Beweisftlhrung
fusst und in dem seine kirchlichen Anschauungen gipfeln. Wer
gegen die Ganones fehle, handle gegen das Gesetz Gottes,
und wer gegen das Gesetz Gottea handle, mache sich der Gott-
^) Alles aus dem Briefe Sigfrieds von Gorze an Poppo von Stablo
(Spätsommer 1043) bei Giesebrecht, Kaiserzeit ü, 714 ff.
') S. 77: Constat et indubitanter verum eM, canonicam ofuctoritaJtem
Dei esse legem.
2&d
losigkeit schuldig und sei ein Gottesverächter. Es stünde
aber geschrieben: „Nicht wird den Gottlosen Friede zu teil,
sagt der Herr/ Daraas folge, dass die Uebertreter des
Kirchenrechts nie wahren Frieden haben wUrden. So wird
dem persönlichen Willen des Herrschers die Autorität des
Kirchenrechts als der Ausdruck des Willens Gottes aufs
schärfste gegenübergestellt. Zur selben Zeit, kurz vor der
beabsichtigten Vermählung, richtete der rührige Abt von
Gorze auch ein Schreiben an den Bischof Bruno von TouP),
so dass also der Versuch gemacht wird, gerade diejenigen Per-
sonen für die Sache zu gewinnen, die vor etwa zehn Jahren das
auf Grund einer ebenfalls uncanonischen Verlobung beschlossene
Bündnis zwischen Deutschland und Frankreich zu stände ge-
bracht hatten. Er gesteht dem Bischöfe, dass er bisher ge-
glaubt habe, er, Bruno von Toul, habe sich zur Unterhandlung
über diese Ehe hergegeben, während thatsächlich ein andrer
Bruno, der Bischof von Würzburg, als Gesandter abgegangen
war. Er macht ihn darauf aufmerksam, welche Gefahr die
Bischöfe seitens der göttlichen Rache bedrohe, die hier ge-
schwiegen und nicht mit aller Kraft die Canones verteidigt
hätten. Bruno m^ge mannhaft; dem Könige entgegentreten
und seine Amtsbrüder zu gemeinsamer Thätigkeit auffordern.
Bei diesen agitatorischen Bemühungen, mit denen der ehe-
malige Weltgeistliche den angesehensten Abt am Hofe des
Königs, wie die ihm nahestehenden Bischöfe zu gewinnen
sucht, ist das eine interessant, dass es ein Schüler Wilhelms
von Dijon ist, der das starre canonische Princip vertritt.
Der König liess sich, wie bekannt, durch solche Einsprüche
von seinem Vorhaben nicht abbringen; der Widerspruch, den
er am Hofe selbst fand, war vermutlich sehr schwach und
keineswegs nachhaltig; wissen wir doch, wie wenig der deutsche
Episeopat gewöhnt war, dem Willen des Fürsten zu wider-
sprechen. Auch Bruno von Toul und Poppo werden sich ge-
hütet haben, durch mehr als eine leise Ermahnung ihren Ein-
fluss und ihre Gunst beim Könige aufs Spiel zu setzen. Dass
auch die deutsche und burgundische Kirche an der Vermählung
Heinrichs mit der ihm im vierten oder fttnften Gliede ver-
») Giesebrecht II, 719.
17*
260
wandten Dame keinen Anstoss nahm oder sieb wenigstens
raseh in das Unabänderliche ftigte, zeigt wohl die Tbatsaehe,
dass der Verlobnngsfeier zu Besannen neben einer grossen
Schar von Edelleuten nicht weniger als achtandzwanzig Bischöfe
beiwohnten^), sicherlich zumeist die burgundischen und west-
deutschen, die durch ihre vielfachen Beziehungen zu dem Clu-
niacensertum am ehesten- den Bedenken, die gegen die Ehe
erhoben werden konnten, hätten zugänglich sein müssen, wenn
das französische Mönchtum sie in der Gesamtheit energisch zur
Geltung gebracht hätte.
In einer Beziehung scheinen aber doch besondere Be-
mühungen des letzteren angenommen werden zu müssen. Man
erinnert sich, wie energisch bereits Wilhelm von Dijon bei der
Weihe des Benignusklosters gegen die kurzen und flitterhaften
Kleider, das abgeschorene Haar und den rasierten Bart, das
leichtfertige Benehmen und die lascive Redeweise der Süd-
franzosen geeifert hatte, die im Begriff waren, als die proven-
(alische Grafentochter den französischen Königsstuhl bestieg,
mit ihren Moden die nordfranzösischen Stämme anzustecken.
Nicht minder lebhaft war Rodulfus Glaber gegen diese Ein-
dringlinge in Versen losgezogen 2) ; jetzt klagte auch ein andrer
Schüler Wilhelms von St. Benigne, der Abt Sigfried von Gorze,
über die Einführung der schändlichen französischen Sitten und
den Verfall der alten Zucht und Gewohnheit, die zur Zeit der
früheren Kaiser in Kleidung, Waffen und Reitergerät geherrscht
habe; auch ihm erscheinen von den vielen Neueiiingen, die die
Mode erfahren habe, als das schlimmste das Scheren der Barte
und die unzüchtige Verkürzung und Missgestaltung der Kleider.
Eben in jenem Briefe an Poppo von Stablo geisselt er 3) die
Menschen, die um jener ausländischen Verkehrtheiten, willen
die gute alte Sitte vernachlässigten, und bedauert er, dass
diese Leute am königlichen Hofe statt gebührlicher Zurecht-
weisung um so freundlicher aufgenommen und beschenkt wür-
den, je hurtiger sie bei diesen Possen dabei wären. Er stellt
dem Adressaten die traurigen Folgen vor Augen, die diese
offene Begünstigung des Fremdländischen im Wandel der Ehr-
>) Rod. Glaber V, c.l, §17.
») S. oben S. 99. «) Giesebrecht 11,718.
261
barkeit nnd Zucht hervorrnfen mttsse, nnd bittet schliesslich
auf das dringendste, so viel irgend möglich durch den König
und andere einflnssreiche Personen gegen jenes Treiben zu
wirken. Eine Bestätigung ftlr diese Zustände finden wir
schliesslich in einem Gedichte des Poeten Amarcius, der um
dieselbe Zeit seinem Aerger gegen den Auswurf Luft machte,
den das vermaledeite Frankreich an Quacksalbern und herum-
ziehenden Leuten nach Deutschland sende, und die bald Land-
güter, Auszeichnungen und hohe Aemter einheimsten. 0 Sig-
fried hatte sich diesmal an den richtigen Mann gewandt, wenn
er Poppo beauftragte, gegen die Einführung der sttdfranzösi-
sehen Moden zu agitieren. Sie wurden sicherlich am aller-
meisten durch das fahrende Volk, die Gaukler und Jongleurs
über den Rhein gebracht, die bei den Hoffesten in reichlicher
Menge sich einzufinden pflegten. Hatte aber Poppo noch als
junger Mann einmal Kaiser Heinrich II. wegen derartiger Schau-
stellungen zur Rede gestellt, was diesen bewog, die Comödian-
ten fortzuweisen ^), so war er jetzt gewiss dabei — wo höhere
Interessen auf dem Spiele standen — , seinen Einfluss auf Hein-
rich III. zu erproben. In welcher Weise dies geschah, wissen
wir freilich nicht, aber wir mögen wohl eine Wirkung der von
Sigfried gegebenen Anregung darin sehen, dass König Hein-
rich in den letzten Tagen des November bei der Hochzeit mit
Agnes von Poitou in Ingelheim den glänzenden Hochzeitsgästen
ein nützliches Beispiel dadurch gab, dass er die Schauspieler
und Possenreisser zu ihrem Leidwesen mit leeren Händen
wieder fortschickte.^)
3. Die Cluniacenser unter Heinrich I.
von Frankreiich.
I.
Mit Heinrich I. war ein Mann von grossem Herrscher-
bewnsstsein^), ein thatkräftiger und kriegerischer Fürst auf
*) De invidia hominnm bei Büdinger und Grünauer, Aelteste Denk-
male der Züricher Literatur. Zürich 1860. Uebersetzung und Eriänterang
auf p. 20. *) Vita S. Poppen, c. 12; Ladewig p. S5.
3) Hermann. Aug. 1043. — Vgl. übrigens ßüdinger, Nachträge zu
Amarcius im Anz. f. sehw. Gesch. u. Alterthumskunde, 1868, p. Ol u. 94.
*) So nennt er sich einmal in einer Urk. für St. Peter in Melun, HF
262
den französischen Thron gelangt, dem der Friede nnd die
Stabilität des Reiches ebenso am Herzen lag*), als die Sicher-
heit der Kirche nnd das Gedeihen der Klöster. ,,Von der
Wiege an den Brüsten der heiligen Mutter Paris erzogen*
nennt er sich einmal.^) Er fühlte die Verpflichtnng zur Frei-
gebigkeit gegen die Kirchen lebhaft^), deren schwersten Scha-
den er namentlich in der Verleihung nach Beneficialrecht er-
blickte^), und nahm die Klöster gegen die Vergewaltigung der
Laien, namentlich der Vögte, in Schutz.^) Aber sie mussten
ihm dienen <^), wie Heinrich II, dem deutschen Kaiser, und
wenn es in seinem Interesse lag, scheute er selbst vor Beran-
bungen nicht.')
Die Wirksamkeit der Cluniacenser für die Keform der
Klöster trat mehr und mehr zurück. Die meisten Abteien
hatten sich aus dem Ruin wieder erhoben. Von den Führern
des damaligen Mönchtums war nur noch Richard, der Ver-
duner Abt, in Francien bei der Neueinrichtung oder bei Re-
formen geistlicher Stifter von Einfluss. Sowie jedes der grossen
Centren, jeder der Hauptreformatoren ein gewisses Interessen-
gebiet im westfränkischen Reiche beherrschte, so war dem
ehemaligen Reimser Cleriker die Reimser Kirchenprovinz, der
Osten des Landes, zugefallen. Hier hat er verhältnismässig
spät, als sein Name schon weit berühmt war, eingegriffen.
Zuerst bediente sich seiner Bischof Roger I. von Chä-
lons 8. M., wohl ein persönlicher Freund*), um in dem ver-
fallenen St. Peterstift die Ordnung wiederherzustellen. Nen-
XI, 568 : Ego Henricus cunctipotetiti Deo supet'etnifiefite Francigenis im-
perans et gentibus per orbem circumqaaque di/fusis.
^) In ders. Urk.: oramuSf ut fratrum unanimis congregatio exoret
ÄUisaimwn pro pace et stahilitaie regni ad regendiim nobia commissi.
*) Urk. filr Paris, HF XI, 567 : 8a7ictae tnatris aupradidae feliciter a
cunabulis educatiis uberibus.
») Urk. für St. G6n6vieve von 1035, HF XI, 571 ; von 1042 für St. Sal-
vias, HF XI, 574; St. Thierri bei Reims ib. p. 586.
*) Vgl. namentlich die Urk. ftir St. Gen6vi6ve, HF XI, 571.
6) Chron. S. Medardi Suess., HF XI, 367; Urk. von 1047 ib. p. 580.
•) Vgl. HF XI, 586 ; Mabülon, Ann. Ben. IV, 403.
7) Miracula S. Sebastiani, HF XI, 455.
^) 1 037 war Roger mit Richard auf dem Schlachtfelde von Bar, Rod.
Glaber III, c.9; vgl. Richard S.68.
263
bauten des Klosters und der Kirche, die 1034 geweiht wurde »),
bezeichneten ebenso wie die Rttckerwerbung des entrissenen
Grundbesitzes den Zeitpunkt der Reform. Verduner Mönche
siedelten mit Bttchem und dem notwendigen Kirchengerät unter
Abt Richard nach.Chälons über.^) Die Könige Robert 5) und
Heinrich^) bestätigten die Umwandlung und den Besitz des
neuen Stiftes. Ein zweites Kloster des Ghälonser Sprengeis, das
Richard selbst geleitet haben soll, war St Urban. Aber wir
wissen nichts näheres über sein Wirken.^) Erst kurz vor sei-
nem Tode, wird erzählt, gab der Abt beide Klöster ab, das
erstere an Odylard, das andere an Stephan.^)
Im eigentlichen Reimser Sprengel ist nur ein indirecter
Einfluss Richards nachzuweisen. Ein Mönch von Mouzon, Ru-
dolf mit Namen, wurde nach dem Tode des Abtes Johannes
im Jahre 1031 von St Peter auf dem blandinischen Berge bei
Gent, wo er mit Bewilligung seines Abtes bei Richard weilte,
durch den Erzbischof Ebalus zurückberufen und dem Kloster
Mouzon vorgesetzt')
In der Diöcese Beauvais hatte Richard einen Gönner in Gel-
duin von Breteuil, einem Parteigänger Odos von Chartres^), und
dem Bischöfe Drogo. Beide führten wohl Anfang der dreissiger
Jahre Mönche nach dem von den Normannen zerstörten Kloster
Breteuil. Abt wurde ein, wie es scheint, Gelduin verwandter ''*)
Mönch Evrardus, der aber nach kurzer Zeit vertrieben wurde,
um bald darauf wieder in seine frühere Stellung eingesetzt zu
werden. Bei welcher Gelegenheit Richard eingriflf, ist zweifei-
0 Ann. S. Petri Catalaun. 1034.
•) Hugo Flav. II, c. 10.
8) HF X, 619. Urk. von 1027 oder 1028.
«) Urk. von 1043, HF XI, 576.
») Vgl. Richard von St Vannes S. 69.
«) Hugo Flav., SS. VIII, 404.
^) Bist. Mosom. m, c.4; vgl. Richard S. 69. 70.
") Aasser in den a. a. 0. citierten Urkunden, in denen Gelduin er-
scheint, unterzeichnet er eine Urk. Odos von Champagne im Cartul. de
Marmoutier, Cod. lat. Paris. 5441, f. 107': 8. Qelduini de Britolio. S, Ar-
duinif filii eiiis, S. Ghuüerannij fratris eius.
^) Im Jahre 1077 erscheinen zwei Brüder Walerann von Breteuil und
Ebrardus, von denen der letztere Abt in Marmoutier wurde. Vgl. Liber
de servis in den Publications de la sociStS arch^ol. de Touraine XVI, 155.
264
haft; wahrscheinlich war er doch bereits bei der Einführung;
der Mönche beteiligt. <) Die Grafen von Bretenil standen ihm
jedenfalls in der Folgezeit sehr nahe; denn als Richard von
St. Vannes im Jahre 1037 anf dem Schlachtfelde von Bar er-
schien, wo Odo IL fiel, legten Gelduin und sein Sohn Wale-
rann die Mönchsgelübde ab.^)
Ein anderer Walerann war es, den der Abt zu seinem
Vertreter in zwei Abteien der Diöcese Noyon, in Hombli^res
und Si Qnentin, ernannte. Er hatte ihn noch im Jahre 1037
in seiner Begleitung in Bar, dann machte er ihn zum Propst
in Hombi^res; schliesslich wurde Walerann Abt und war in
dieser Stellung um den Wohlstand des Klosters eifrig bemüht^)
Sicherlich derselbe Mönch übernahm, vielleicht im Jahre 1043,
die Leitung des bisher im Lehenbesitz der Söhne eines Kriegs-
mannes Robert^) befindlichen Klosters Mont-St.-Quentin. Auch
hier lag ihm die Sicherheit des klösterlichen Besitzes am Her-
zen; er liess die Reform durch ein königliches Diplom bestä-
tigen und erwirkte durch die Fürsprache König Heinrichs ein
Schutzprivileg Papst Gregors VI.*)
Schliesslich soll Richard in zwei Klöstern des Sprengeis
Amiens refonnatorisch gewirkt haben.«) Aber während wir
über St. Jossä in dieser Zeit nichts wissen, als dass unter
König Heinrich I. der Klosterheilige wieder entdeckt und er-
hoben wurde, nachdem er lange an unbekanntem Orte versteckt
gelegen hatte'), ist der Einfluss des Verduner Abtes in St. Ri-
quier deutlicher zu erkennen. Hier hatte noch bei Lebzeiten
des altersschwachen Abtes Angilram ein Mönch des Klosters,
>) Vgl. Richard 8. 71.
») Richard S. 72.
^) Vgl. die Urk. Ottos von Vermandois bei Ilemeraeus, Augusta
Viromand. und CoUiette, M^moires de Virmandois I, 565; Gesta episc.
Camerac. III| c. 23; Richard S. 78.
*) Er ist jedenfalls identisch mit dem Bohertus castH Peronetisis
antiquus domintiSj der in einer Urkunde aus der Zeit Waleranns erscheint,
Coli. Moreau XXIII, 100. Wir sehen den Abt hier bemüht, den Angriffen
des Lehnkriegertums auf Kirchengut mit Energie zu begegnen.
») J.-L. nr. 4130.
«) Hugo Flav. II, c. 10.
') Richard S. 77.
265
Graf Fulco von Ponthieu»), wohl ein Verwandter desselben 2),
mit Hilfe seiner vornehmen Familie den Abttitel nnd die Lei-
tung des Klosters zu usurpieren versucht Aber sein ungeist-
liehes Treiben veranlasste Angilram selbst, bei Heinrich I.
Klage zu führen. Da war es ein günstiger Zufall, dass wenige
Tage später der Abt von St. Vannes in Begleitung seines ver-
trauten Freundes und Capellans Gervinus an den französischen
Hof kam.3) Das Ende war, dass der König mit Erlaubnis
Richards nach der Abdankung Angilrams das Hirtenamt Ger-
vinus anvertraute, der durch den Bischof von Amiens die Weihe
erhielt. Gervinus stand Richard näher, als irgend ein anderer
seiner Mönche. Auch er hatte die Schule von St. Marie in
Reims besucht und war, wie jener, daselbst Canonicus gewor-
den. In St Vannes, wohin er nach dem Tode seiner Eltern
und der Vermählung seiner Schwester kam, ward er zum
Caplan und Thesaurar erhöben. Mit Richard verband ihn
innige Freundschaft; mit ihm teilte er die Beschwerden der
Pilgerfahrt, mit ihm erschien er vor Commercy, als Odo IL
die Burg bestürmte. Er rettete damals wertvolle Reliquien
ans der brennenden Kirche.*) Als Abt von St Riquier vertrat
er sein Stift würdig nach aussen hin^) und starb nach einer
langen segensreichen Amtsführung am 3. März 1075, nachdem
er vier Jahre vorher die Wahl eines gleichnamigen Neffen,
eines Mönchs von St Remi, befürwortet hatte.«)
Der Einfluss Richards erstreckte sich somit auf die Diö-
cesen Chälons s. M., Reims, Beauvais und Amiens. Sieherlich
verdankte ihn der Abt wesentlich seinen Beziehungen zu Odo IL
von Champagne. Wir wissen nicht, wann er zuerst mit ihm
in Verbindung trat, namentlich nicht, ob die Bekanntschaft mit
ihm die Reformen im Sprengel Chälons veranlasste, oder ob
0 Ueber die Grafen von Ponthieu vgl. Pfister, Etudes p. 45.
') Fulcos Vater hiess ebenfalls Angilram.
') Bezüglich der Zeit lässt sich nur sagen, dass es um 1040 geschah.
*) Richard S. 64. 66.
*) Vgl. Miracula S. Benedicti VII, c. 15 ed. Certain p. 273: coefiobii
8, Richarii abbas cxatitit quidaniy Gervinus nomine, ordinis monastici
nostris temporU>u8 decua insigne,
«) Richard S. 76.
266
sie die Folge seiner Verbindung mit Roger I. von Chälons war.
Jedenfalls erschien Kichard vor der lothringischen Bnrg Com-
merey, als der Graf sie belagerte, um Frieden za stiften; er
kam im November 1037 nach Bar, offenbar um den Kampf
zwischen Odo und Herzog Gozelo zu verhindern. Leider ver-
geblich, denn er konnte hier nur mit Bischof Roger den ent-
stellten Leib Odos von Chartres in Sicherheit bringen.*) Die
Personen, die bei den Reformen Richards auftraten, Bischof
Roger, Gelduinus von Breteuil und sein Sohn Walerann, der
andere Walerann, der spätere Abt von Sb Qnentin und Hom-
bliöres, Gervinus von St. Riquier — sie waren nun entweder
in Commercy oder 1037 vor Bar in des Abtes Umgebung, sie
haben entweder, wie die erstgenannten, ihre Klöster ihm zur
Reform übergeben, oder, wie die letzten, ihm bei ihrer Durch-
führung geholfen.
War Richard bemttht gewesen, in den Kämpfen Odos für
den Frieden zu wirken, hatte er der Familie des Grafen den
letzten, wichtigsten Dienst geleistet, so ist es kein Wunder,
dass er auch besonders berufen schien, zwischen den Söhnen
Odos IL und dem Grafen von Anjou zu vermitteln, als der
Krieg beider Parteien die Einführung des Gottesfriedens im
nördlichen Frankreich verhinderte.
IL
Die Friedenseinigungen der dreissiger Jahre waren ohne
anhaltenden Erfolg geblieben. Die alte Habgier und der Frevel-
mut des Adels, wie der niederen Kreise kamen wieder zum
Vorschein^) und riefen neue Besorgnisse um so eher hervor,
als mit dem Jahre 1038 der Segen der Aecker wieder schwächer
wurde ^) und Missernten eintraten. Vermutlich war die Be-
fürchtung neuer Notstände die Veranlassung für eine Mass-
regel, die im Jahre 1039 von den aquitanischen Bischöfen ge-
troffen wurde*) und als ein Compromiss zwischen den kriege-
0 Richard S. 64 ff.
») Rod. Glaber IV, c. 5.
') Es geht das aus Rodulfus Glaber deutlich hervor.
*) Rod. Glaber V, c. 1 erzählt es zu 1041. Indes setzt er in dasselbe
Jahr Konrads II. Tod und ist in dem ganzen Bache am zwei Jahre vor-
aus (vgl. Studien über Rodulfus Glaber, N. Arch. XIVr401), so dass ich
267
rischen nnrnhigen Elementen und der Kirche betrachtet werden
kann. Schon früher hatte man einmal an der spanischen
Grenze das Fehderecht ftir den Sonntag aufgehoben, i) Jetzt
setzte man fest, dass von Donnerstag Abend bis Montag frtth,
also an den Tagen, die für die Leidensgeschichte Christi die
grösste Bedeutung hatten, nicht nur die Waffen ruhen, in-
dem sowohl jeder Angriff, als jede Bache verboten war, son-
dern auch die Pfändung des Schuldners unterbleiben solle.
Ja nicht einmal erlaubt sollte es sein, das geraubte Eigen-
tum, wenn man ihm in den Tagen der Waffenruhe begegne,
wieder in Anspruch zu nehmen. Der Störer des Friedens
wurde mit dem Leben oder Excommunication und Vertrei-
bung von Hans und Hof bedroht.^) Wie früher, waren diese
Unternehmungen von der aquitanischen Geistlichkeit ausge-
gangen, in der sich überhaupt mehr solidarischer Zug offenbart,
als anderwärts. Von dort griff die Bewegung nach Osten weiter
um sich. Vermutlich darf man die Klosterweihe von St Victor
in Marseille im October 1040, bei der neben Papst Benedict IX.
eine grosse Anzahl französischer Bischöfe, zahlreiche Aebte und
Mönche, gegen zehntausend Menschen beiderlei Geschlechts,
zugegen waren, als ein hervorragendes Glied der Verkettung
ansehen.^) Dieser Kirchenversammlung, der grössten, die wir
in diesen Jahren im südlichen Frankreich nachweisen können,
wohnten nämlich auch der Erzbischof Reginbald von Arles, die
Bischöfe Benedict von Avignon und Nithard von Nizza bei,
die wir in Gemeinschaft mit Odilo von Cluni im Namen der
gesamten französischen Geistlichkeit jenen berühmten Appell
an den italienischen Clerus richten sehen, den sie auffordern,
die Treuga Dei, jenes Himmelsgesehenk von Gottes Barm-
keinen Anstand nehme, seine Angabe zu reducieren. Dazu kommt, dass
diese Berechnung zu sonstigen Annahmen sehr gut passt.
1) Im Goncil von Tuluges vom 16. Mai 1027, zuletzt bei Hubert!,
Studien I, 240.
*) Kod. Glaber V, c. 1 ; Brief an die Italiener bei Mans! XIX, 593.
') Gu^rard, Cartul. de S. Victor I, p. 14, nr. 14, Urk. vom 5. Oct. 1040.
Obwohl Odilo unter den Teilnehmern nicht ausdrücklich genannt ist, so
kann er doch wohl unter den Aebten gewesen sein, die erwähnt werden:
cum emni clero nobis commissOf necne abbatum et monachorvim caterva;
vgl. Steindorff, Jahrb. Heinr. III. I, 141.
268
herzigkeit, die sie bereits aDgenommen hätten und festhielten i),
ihrerseits anzunehmen mit den Bestimmungen, unter denen sie
in Frankreich bereits Aufnahme gefunden hätte. Wer in den
erwähnten Tagen einen Mord begehe, solle die Heimat ver-
lassen und nach Jerusalem pilgern.^) Allen, welche den Gottes-
frieden hielten, wird der Segen und die Absolution der Kirche
zugesagt, allen andern aber mit dem Fluch und der Ans-
stossung aus der Zahl der Gläubigen gedroht. Aber nicht nur
in der Provence fand die Treuga begeisterte Aufnahme; zu
Montriond lud vermutlich der Bischof Heinrich von Lausanne
die Erzbischöfe von Vienne und Besan^on mit ihren Suffra-
ganen zusammen und beschloss mit ihnen die Treuga Dei,
— wie es heisst, im Auftrage des Papstes % eine Nachricht, die
jedoeh unglaubwürdig ist. Auf der Synode von Montriond wur-
den aber noch einige Zusätze gemacht: ausser den vier fest-
gesetzten Tagen jeder Woche sollte unverbrüchlicher Frieden
auch in der Adventszeit bis Sonntag nach Epiphanias und von
Septuagesimae bis acht Tage nach Ostern herrschen. Erst nach
dreimaliger Ermahnung des Bischofs solle die Excommunication
erfolgen und diese schriftlich den benachbarten Bischöfen mit-
geteilt werden, die ihrerseits dieselbe bestätigen und sich
gegenseitig zur Befestigung des Friedens Hilfe leisten sollen.*)
^) Mansi XIX, 593 : Redpite ergo, et tenete pacem et iüam trevam
Dei, q^iam et nos, divina inspirante misericordia, de coeh nobis trana-
miasam iam cuicepimua et finniter tenenius; vgl. Kluckhohn, Gesch. des
Gottesfriedens S. 38 ff.
■) exul factus atque a propria patria eiecttw lerusalem tendens, Ion-
ginquum iUic pcUiattir exilium.
^) Cononis Gesta episc. Lausann. SS. XXIV, 798: De qiw (Bischof
Hugo) dicitur, quod ipse convocatia archiepiscopis Viennense et Bisuntino
et eorum suffraganeis in Monte Rotundo, qui est Siib Lausanna, statuit
treugam Dei de nvandato dovnini pape, lU dicitur. Schon Steindorff 1, 141
hat mit Recht das Unsichere dieser Nachricht betont, da es nicht Hugo
gewesen sein kOnne, der am 31. August 1037 starb, sondern sein Nach-
folger Heinrich II. Es ist vielleicht in diesem Zusammenhange beachtens-
wert, dass Odilo fn der zweiten Hälfte des Jahres 1039 im Gau von Grenf
weilt. Vgl. CHCL IV, 2927—2929. Ohne eine Ahnung historischer Me-
thode behandelt Gingins, La tr^ve de Dieu dans la Transjuranie, Hemoires
et docum. de la Suisse Rom. XX, 4 1 1 if. die Synode von Montriond.
*) Conen. Gesta a. a. 0. : et scriptam vicinis episcopia nunciet ,., ad
pacetn fimiiter tenefidam mutuum sibi conailium et auxüium prestent.
269
Der Gedanke des beschränkten Landfriedens war ftlr die
damaligen Verhältnisse ein so glücklicher, dass man allgemein
in dieser Institution ein Geschenk des Himmels sah.^) Wie in
Aquitanien nnd Bnrgund, so griff in den benachbarten Teilen
von Italien die Geistlichkeit die Bewegung auf Bisehöfe, Aebte,
Cleriker und die Markgrafen, wohl die Häupter der Otbertiner,
Aledramiden, die von Montferrat und Canossa traten im Westen
der Lombardei zusammen und setzten eine Treuga fest.^) Die
Bestimmungen sind im wesentlichen dieselben, wie in Frank-
reich: die vier letzten Wochentage, die Vertreibung und Ex-
communication der Frevler, auf der andern Seite für die Fried-
lichen der kirchliche Segen und die Absolution: das sind die
Punkte, die überall wiederkehren. Dass in den einzelnen Ver-
kündigungen Modificationen und Znsätze sich finden, ist nur zu
begreiflich ; sie mussten je nach den besonderen Verhältnissen
des Landes eintreten. Während das italienische Decret an die
übrige italienische Geistlichkeit gesandt wurde, breitete sich die
Institution auch in Frankreich weiter aus, und zwar nicht min-
der in der Gascogne und Südaqnitanien, wie in der Normandie,
wo Herzog Wilhelm, der seinen Episcopat durchaus in der
Gewalt hatte, sich der Sache bemächtigte.^)
0 Vgl. Eluckhohn p.43; Steindorff I, 142, n.l.
*) BoUati, Di un inedito documento sulla Tregua di Dio in den Mis-
cellanea di storia Italiana XVIII (1879), p. 378 aus dem Capitelsarcbiv von
Ivrea, jetzt in der Kgl. Bibl. in Turin. Bollati sucht zu beweisen, dass
dieses Edict früher anzusetzen sei, als die aquitanischen Synoden des
Rod. Glaber, ohne dafür irgendwie stichhaltige Gründe anführen zu können,
wie auch Bresslau, Eonrad II. II, 823, n. 3 sich dagegen ausspricht. Bol-
lati verzeichnet die Litteratur nicht vollständig; er kennt weder Eluck-
hohns Werk, noch scheint ihm der Brief an die Italiener bekannt zu sein.
Auf p. 378 übersetzt er den zweiten Wochentag falsch mit al aurora del
ns^rtedi successivo. Hervorzuheben ist die Ueberschrift: fratres dUectis-
simif sowie das Italienische: Fidelea episcopi et abbates et sacerdotes atque
marchiones convenifntea . . . constituerunt treuvas Dei etc. Italienische
Färbung erkennt man aus der Forderung, dass der Friedensbrecher exeat
foras de civitate. Im Falle der Weigerung vicini discipent donum eins
et extra villam portent et combwrent. In offenbaren Zusammenhang damit
ist die bekannte Stelle bei Landulf, Hist. Med. II, c. SO zu bringen, wo
von dem Gottesfrieden die Rede ist: Cuiw in tempore (sc. Heriberts) lex
sancta atque mandatum novum et bonum c coelo, ut sancti viri asserue-
rwnt . . . data est etc.
') Kluckhohn p. 49 ff.
270
Das einzige Gebiet, in welchem die segensreiche Institu-
tion vergeblich einzudringen suchte, war der eigentliche Haus-
besitz des capetingisehen Hauses. Hier hatte die Zerfahrenheit
am allermeisten Platz gegriffen. Die Bischöfe, die ihre Stühle
teils der Willkürlaune des Königs verdankten und zum Teil
keineswegs gegen Angriffe des hohen Adels gesichert waren,
der der königlichen Besetzung der geistlichen Aemter bestän-
dig Schwierigkeiten machte, ermangelten, auch in ihren kirch-
lichen Anschauungen gespalten, jener Gemeinsamkeit der Inter-
essen, wie sie gi*osse Massregeln, wie die Treuga Dei eine
war, erforderten. Ein jeder war mit seinen persönlichen An-
gelegenheiten viel zu sehr beschäftigt, als dass sie in diesen
bedeutenden Aufgaben gemeinschaftlich hätten vorgehen kön-
nen. Was aber die Hauptsache war, es fehlte an jeder Ini-
tiative. Denn der König war selbst in .den Kampf mit den
Söhnen Odos von Chartres verwickelt.^) Indem er dem Haupte
des Hauses Anjou, das immer auf Seiten der Könige gegen
den verhassten Vasallen gestanden hatte ^), Fulco Nerras Sohn,
Gauzfred, die Herrschaft von Tours übertrugt), das erst zu
erobern war, entspann sich ein ebenso heftiger, als lang-
wieriger Streit zwischen den feindlichen Häusern.^) Es kam
am 21. August 1042 zur Schlacht zwischen dem Grafen von
Anjou und Theobald von Blois, in der letzterer in die Flucht
geschlagen und schliesslich von Parteigängern des Gegners ge-
fangen wurde.^) Das Ende war die Uebergabe von Tours,
1) Vgl. Hugo Floriac, SS. IX, 388; Rod. Glaber Y, c. 2; Mirac. S. Se-
bastian!, HF XI, 455.
') Von Theobald, Odos Sohne, heisst es Gesta Amb>iz. domin., Ghro-
niqiies d' Anjou p. 170: qui, sicutpaterj Andagavenses sefnper exosoa kabebat.
^) Hugo Floriac., SS. IX, 388 : Qui regia assensu iirbem obsedit Tvro-
nicam; Rod. Glaber V, c. 2.
^) Der Kampf zwischen den Häusern Anjou und Blois begann nach
Fulcos Tode 1040. Nach Rod. Glaber belagert Gauzfred die Stadt anno
WM et eo amplius. Dem entsprechen die Gesta Ambaz. p. 170, wonach
die Uebergabe 1042 erfolgt, die Gesta cons. Andegav. p. 121, Chron. S.Mar-
tini HF XI, 212. Eine Reihe anderer, unter einander verwandter Quellen:
Chron. S. Albini Andegav., Chron. S. Sergü Andegav., Chron. Vindocin.,
Chron. S. Maxentii Pictav. in Chroniques des ^glises d'Aiyoa p. 24. 136.
166. 395 führen auf 1044. Vgl. Salmon, Chron. de Tour. p.55. 121. 188.
^) Nach den Gesta Ambaz. heisst der Schlachtort: S, Martinus; in
dessen Bttrger und Mönche bei der Belagerung schwer zn lei-
den hatten. 1)
Begreiflicherweise zog ein so ernstlicher Krieg der beiden
mächtigsten Familien Franciens kleinere Fehden zwischen ihren
zahlreichen Vasallen^), einen allgemeinen Kriegszustand nach
sich, der kaum mit einem Sehlage beseitigt werden konnte.
Da wandte man sich angeblich nach erfolglosen Versuchen
von allen Seiten an den Abt von St. Vannes, der dem Hanse
Odos, wie wir wissen, näher getreten war, um die Einführung
des Gottesfriedens zu beschleunigen.^) Mit welchem Erfolg das
geschah, ist unbekannt. Inzwischen hatten sich aber für jene
den Gesta cons. Andegav.: ante burgum 8. Martini ... in locoy qui publice
Noit vocatvr.
0 Cart. de St-Julien (Cod. Paris. 5443, f. SO') : Noticia hec quamodo
Oauzfredm comea dedit S, luliano et monachis suis siia tdonea et pedagia
per totam terram suam demonstrat. Tempore iüo, quo Gauzfredus comes
obaidebat Turonum civitaJtemj ob emendationem dampni in rebus S, luliani
a se vel a suis commisfsi veniens in capittUum S, ItUiani ...; Cart de
Marmoutier (Cod. Paris. 5441, f. 57): In illa verum conversione et mutabi-
lium mutatione, quae facta esty cum comes Gauzfredus Twronorum dm-
tatem cepissetj cUiorum ad alios incolarum, ad extraneos possessiones et
hereditates Deo cuique iusto tribuente transierunt. TJnde factum est, ut
prefati comitis sateües quidam, nomine Andreas , cognomine Ärribatus,
omnia, quae fuerant Rainaldi luvenis civis olim Turonici, sortiretur. Als
der MaBn dann Kircbengut angriff, klagten die Mönche vor dem Grafen.
^ Auf der Seite Gauzfireds wird Lisoius von Amboise besonders her-
vorgehoben, Gesta cons. Andegav. und Gesta Ambaz. Bei Hugo Floriac.
a. a. 0. heisst es : Interea vero rex Melandicum Galerannum devicit et ex-
hereditavit. Ipso etiam tempore Hugo Bardulfus, vir non contemnendae
virtutis ac nobilitatiSf contra regem Henricum Pitueris castrum munivit.
Heinrich belagerte es zwei Jahre, nahm es und vertrieb Hugo. Hugonis
cognomento Bardulphi als eines der Grossen palatii regis wird in einer
Urkunde Heinrichs von 1047, HF XI, 582, Erwähnung gethan; Hugo Bar-
dulfus unterzeichnet eine Urkunde Heinrichs L vom 12. Juli ca. 1058 und
eine Philipps I. von 1060, Tardif, Monuments bist. nr. 275. 288, p. 171. 174.
Er ist wohl identisch mit Hugo Bardul, dem Herrn von Beifort, z. Z. Hein-
richs in einer Urkunde fUr Montierender, Cart. de Mont. nr.42, p. 169. —
Ein Wallerannus comes Meüedensis, sicher der obengenannte, wohnte der
Revision der Reliquien des hl. Dionysius in St. Denis bei, Liber de de-
tectione, HF XI, 471, c. 5. Von der Belagerung und Einäscherung von
Pitiviers durch Heinrich sprechen auch die Vita et mirac. S. Gregorii episc.
NlcopoL, HF XI, 457.
3) Richard S. 67.
272
nDglttcklichen Gebiete die notwendigen Conseqnenzen ergeben.
Zu den Schrecken der Hangergnot, die wieder weite Landes-
teile umfagste^), gesellte sieh eine verheerende Seuche, die
ähnlieh beschrieben wird, wie die vom Jahre 994, und alle
Schichten des Volkes heimsuchte/O Die Klöster füllten sich
mit Kranken; auch zu Richard nahmen die Unglücklichen ihre
Zuflucht, der sie durch seine Wundermittel, wie es heisst, von
ihren Leiden befreite und veranlasste, den Gottesirieden zn
beschwören.^)
Es ist nicht unsere Aufgabe, die weitere Entwicklung der
Trenga Dei zu verfolgen. Hier sowohl, wie bei den früheren
Friedenseinigungen hatte nur die hervorragende Teilnahme
cluniacensischer Aebte für uns Interesse. Sowohl den franzö-
sischen Cluniacensern, voran Odilo, der auf den aquitanischen
und burgundischen Synoden erschien, als der Schule Richards
von St. Vannes, die in Flandern und Lothringen eine bedeu-
tende agitatorische Thätigkeit entfalteten, konnte ein grösserer
Anteil an der Bewegung, als bisher nachgewiesen werden. Be-
züglich des Gottesfriedens ist Odiles Verdienst allgemein an-
erkannt Noch am Ende des elften Jahrhunderts erzählte der
greise Bischof Hagano von Antun von den besondem Be-
mühungen des Abtes von Gluni, der Treuga in Austrasien An-
erkennung zu verschaffen.«) Auch hier ging das Interesse
der Klöster und das der ackerbauenden Bevölkerung Hand in
1) Die HuDgersuot scheint vorzugsweise im nordöstlichen Gallien,
Lothringen und Deutschland gewütet zu haben. Anselmi Gtosta Leod.,
SS. VII, 221, C.63 (1042); Gesta abb. Gemblac. c. 40, SS. VIII, 539; Ann.
LAub. 1043; Hermannus Aug. 1044; Ann. Sangall. 1043. Die angiovinischen
Quellen erwähnen alle die Hnngersnot zu 1042, 1043 oder 1044. Sonder-
bar ist die Notiz des Chron. S. Maxentii 1044 (Chron. des ^glises d'Anjou
p. 394): Fuit magna fames grandiaque mortalüaSj ita utj fsi] homo aliquis
satiatiia pergeret quingentos passus. Herum mox eauriret et desideraret
mandueare; itaque 8atiatu8 moriebatur aut vix evadebat mortis perictUvm.
Vgl. Chron. Vezeliac. 1042 (HF XI, 384): Fames valida per Septem annos;
Rod. Glaber V, c. 1 : Tunc etiam pene gens totiiut orbis sustinuit penuriam
pro raritate vini et tritici.
>) Bod. Glaber V, o. 1 ; Chron. S. Albini 1043; Chron. S. MaxentU 1042.
1044; Herrn. Aug. 1046.
9) Hugo Flav., SS. VIII, 403; Eluckhohn p.46.
*) Hugo Flav. a.a.O.: Superest adhuc dominus Eduensis episcopus,
vir vitae longaevitate grandaevuSj qui et referre solitus est, quia^ atm a
273
Hand. Wirkten die Aebte für die Sicherheit des kirchliehen
Besitzes, so kam ihre Thätigkeit doch vor allem den Land-
bebanem und Gewerbetreibenden zu gute.
in.
Unter der Geistlichkeit des Herzogtums Burgund nahm
damals keiner eine angesehenere Stellung ein, als der Abt
Halinard von St. Benigne, der Nachfolger Wilhelms von Vol-
piano. Von väterlicher, wie mütterlicher Seite ^) ein echter
Sohn des burgundischen Herzogtums, war er in Autun unter
den Augen des mönchsfreundlichen Bischofs Walter aufge-
wachsen und dann, an der Grenze des Knabenalters stehend,
vom Vater dem Bischöfe Bruno von Langres übergeben worden,
der ihn in seinem Domcapitel unterzubringen gedachte.^) Aber
als Brunos Nachfolger Lambert dem gebildeten und tief ange-
legten Jünglinge die priesterlichen Weihen erteilen wollte, er-
fasste ihn das Verlangen nach einer 'höheren selischen Befrie-
digung, nach einer ernsteren Frömmigkeit Er pochte in
St. Benigne an, um trotz des lebhaften Widerspruchs seiner
Eltern, in deren Bunde der Bischof stand, fUr immer allen
Ansprüchen an das Leben zu entsagen. Den klösterlichen
Pflichten mit Eifer hingegeben, brachte er es bald zu über-
ragender Stellung als Seelsorger der Congregatton und im
Jahre 1027 zum Propste.^) Seine Rechtserfahrung und seine
gelehrten Kenntnisse^) werden besonders hervorgehoben. Ma-
billon schreibt ihm zwei Briefe zu, in deren ersterem der Abt
von St Benigne den päpstlichen Vestierar, ersten Senator und
Herzog Komanus, den nachmaligen Papst Johann XIX, auf-
fordert, bei dem Papste zu verhindern, dass einer der Nach-
sancto Odihne et ceterü ipaa divinis revelationibus instituta treuva Dei
appeüata et ab Avstrasiia »uscepta fuisset. . . .
0 Ueber seine Mutter vgl. Grignard im Bulletin d'hist et d'arch^ol.
religieuse du dioc^se de Dijon, 2« ann^e, Dijon 1S84, p. 202— 206.
>) ChroD. S. Benigni p. 182 ff.
") ib. p..l85: primttm praepositi sub ipsius abbatis itnperio quatuor
annis administrari officium. Dem entspricht Ann. S. Ben. 1027: Armdfus
prior obiit.
^) Chron. S. Ben. p. 186: ita in canonicis ac monasticia valebat in-
stitiUia, tU nuUi videretw secundua in legvm decreOa ac phHosophicis
argwnentia,
Saokar, Clnniftoemw. U. 18
274
bam eifersttchtig zum Sehaden des Klosters St. Benigne bei
der Cnrie etwas ins Werk setze. ^) Aber es ist klar, dass Hali-
nard höchstens den zweiten Brief geschrieben haben kann^ in
dem — jedenfalls in demselben Zusammenhange — eben jener
Romanus, der inzwischen die Tiara erlangt hatte, gewarnt wird,
auf die Forderungen der Canoniker von St Stephan in Dijon
einzugehen, die unter dem Vorgeben, sich in eine Klostereon-
gregation um zuwandeln, nur beabsichtigten, den Begräbnisplatz
von St. Benigne in die Burg zu verlegen.^) Noch bei Lebzeiten
hatte Wilhelm in Uebereinstimmung mit den Brttdern ihn zu
seinem Nachfolger designiert, und von der ganzen Gongregation
war er gezwungen worden, die Wahl anzunehmen.^) Bei seinen
ausserordentlichen Eigenschaften hatte er dann die Gunst der
Könige Robert und Heinrich erworben; aber auch am deut-
schen Hofe muss er seit der Zeit Konrads persona grata ge-
wesen sein.*)
Es zeigte sich das, als es galt, den erledigten Stuhl von
Lyon zu besetzen. Denn an Halinard wandte sich jetzt Hein-
rich IIL Lehnte der Abt auch unter dem Vorwande, als Mönch
einer solchen Last nicht gewachsen zu sein^), das Anerbieten
ab, so lenkte er doch die Aufmerksamkeit des deutschen
Königs auf den bejahrten, zur Zeit am Hoflager Heinrichs
weilenden, diesem aber persönlich noch unbekannten Archi-
diacon der Kirche von Langers, Odulrich, der auf Vorschlag
des Abtes gewählt und in seinen Sprengel eingeführt, zweifel-
los während seiner kurzen Amtsperiode dem Einfluss Halinards
den weitesten Spielraum gewährte. Die Wirkung dieses Mit-
^) Gedruckt bei Mabillon, Ann. S.Ben. IV, app. p. 729: Domno ißi
sacri paUUii vestierario, primo aenatori, necnon unico Bomanorum duci
eiquoeo amia nomine tenus abbas continuae fidelitatis servitium. Da Ro-
manus 1024 Papst wird, kann dieser Brief nur von Wilhelm herrtthren.
') MabilloD, Ann. Ben. IV, app. p. 718: vicinos nostros canonicos ,. .,
womit kaum andere als die Chorherren von St. Stephan gemeint sein
können.
s) Chron. S. Ben. p. 178. 185.
0 ib. p. 186: Diligd>atwr quam plurimum a regibus Francorvm Bot-
berto et Heinrico, Sed et Chowradus imperator et evas filim Henricus
cesar iüum nimio venerabaiüwr affectu.
^) ib. p. 187: obtendens ae monachum ad tawtum onus nequaqwan
fort idoneiwn.
275
regiments zeigte sieh, als Cierns nnd Volk naeh Odnlrichs
Tode den Abt von Dijon selbst zu ihrem Oberhaupte erkoren
und den König um Bestätigung der Wahl angingen. Aber
auch jetzt konnte Halinard nur durch einen Befehl Gregors VI.
zur Annahme derselben gebracht werden.^)
Der König hatte inzwischen das Aufgebot zu seiner Rom-
fahrt ausgehen lassen und befand sieh im August 1046 in
Speier, wo die Fürsten und Bischöfe um ihn sich sammelten.
Auch der Erwählte von Lyon erschien mit seinen Saffraganen
und seinem Clerus, um die kaiserliche Belehnung zu empfangen.
Nach Brauch forderte Heinrich durch den Erzkanzler von Bur-
gund, Hugo von Besanfon, den üblichen Treueid. * Aber zum
Erstaunen der deutschen Bischöfe, besonders des Bischofs von
Spder, verweigerte ihn Halinard mit Berufung auf das Evan-
gelium Matthäi und die Benedictinerregel, die den Mönchen
das Schwören und die Befassung mit weltlichen Dingen ver-
biete. Das war durchaus zu erwarten: darum hatte Odilo den
Lyoner Stuhl, Richard von St. Vannes den von Verdun, Poppo
den von Strassburg ausgeschlagen. Auch Wilhelm von Vol-
piano hatte einst dem Bischöfe den Treueid verweigert, und
Fleury kämpfte einen jahrelangen Kampf mit den Bischöfen von
Orleans wegen dieses Eides. Jetzt weigerte sich auch Hali-
nard, die Forderungen der weltlichen Macht zu erfüllen. Die
Zeiten hatten sich aber gegen früher stark verändert. Die
Bischöfe standen nicht mehr wie ein Mann für den König. In
Niederlothringen förderte, wie wir noch sehen werden, die Be-
schäftigung mit dem Kirchenrecht neue Kirchenrechtstheorien
zu Tage, die oberlothringischen Bischöfe von Metz, Toul und
Verdun, alle drei ihm persönlich befreundet, waren sofort be-
reit, Halinards Weigerung die notwendige moralische Unter-
stützung zu verleihen, und nicht lange darauf scheiterte die
ganze Kirchenreform Heinrichs III. an dem Widerstände des
Reichsepiscopats.
Dass der König unmittelbar von Speier die Reise nach
Italien antrat, auf der Halinard ihn begleiten sollte, war offen-
bar der Grund, wenn die Consecration des neuen Erzbischofs
*) Nur 8o ist der erste Bericht der Ghron. de St.-B6nigne p. 187, den
Steindorff 1, 803, n. 1 verwirft, zu verstehen.
18*
276
gerade in dem kleinen Herberehtingen auf dem Wege nach
Augsburg durch Hugo von Besan9on vorgenommen wurde.^)
Man rühmte in Dijon lebhaft die Ergebenheit, mit der Hein-
rich durch Spendung der notwendigen Gewänder, Bücher und
Altargeräte den Glanz der kirchlichen Feier erhöhte.
') Chron. S.Ben. p. 190: Ordinatus est autem veneranduB pater Kali-
nardus per manus domini Hugonia archiepiscopi Chriaopolüani in locOj
qui vocatvr Herbrestinc lingua Teutonica^ qitod in noatra bonos niansiones
signatj anno ab incamatione domini MXLVI; hieraus Ann. S. Ben. 1046.
Fürstemann , Ahd. Namenbuch 11,946 bemerkt zu dem Ortsnamen: „Der
letztere Ort ist mir noch ein sprachliches Rätsel.^ Der Chronist leitet
ihn von her, htre und bergan her. Es kann sich wohl nur um Herbereh-
tingen unweit Augsburg handeln, wie auch Steindorff annimmt.
Zehntes Capitel.
Die Kirchenreform Heinrichs HI.
L Die Reformparteien und der römische StxdiL
L
Inzwischen sass Benedict IX. auf dem römischen Stahle;
kaum ein anderer Papst hat bei seinen Lebzeiten die gleiche
Verurteilung gefunden. Wie er, der Tusculaner, durch Simo-
nie in den Besitz der Tiara gekommen war, so war seine
ganze Herrschaft durch schändliche Käuflichkeit ausgezeich-
net.^) Eine Greatur der römischen Factionen und namentlich
des tusculanischen Landadels, lag er mit den Römern mehr-
fach im Streit Täglich griffen die Crescentier das Volk an
und verwüsteten die Umgegend der Stadt Raub und Mord
stand auf der Tagesordnung. Auf den Strassen wurden Pilger
und Kaufleute angefallen. In so grosser Not war der Papst,
dass er, da er in Italien keine Hilfe finden konnte, sich mit
der Bitte um Beistand an mächtige Rompilger wandte.^) Von
einer geordneten Finanzwirtschaft war keine Rede.^) Dass man
*) Rod. Glaber IV, c. 5 ; V, c. 5 : Horrendwn quippe referri turpitiido
ülius conversationis et vitae. Rod. Gkber nennt ihn einmal zehn-, das
andere Mal zwölQährig. Angesichts dieser Unsicherheit und der wirren
Nachrichten, die dieser Autor gerade über römische Verhältnisse bringt,
wird man davon ganz abzusehen haben.
") Gesta cons. Andegav. bei Marchegay, Chroniques d'Anjou p. 100.
Irrig wird der Papst Sergius IV. genannt. Denn wie aus dem weiteren
hervorgeht, traf Fulco von Anjou auf der Jerusalemfahrt, auf der er sich
befand, in Constantinopel den Herzog Robert von der Normandie. Dieser
starb aber auf der Reise in Nicea am 2. Juli 1035. Vgl. Rod. Glaber IV, c. 6.
*) Wiberti V. Leonis II, c. 3 : nam ibidem adveniens, nihil pontifica-
Uum sumtuum invenercUf nämlich Leo IX. in Rom.
278
Benedict später in Gestalt eines Monstra ms, halb Esel, halb
Bär, dnrch Schwefelfelder und Sümpfe jagen liess zar Strafe
ftlr seine üppige nnd fleischliche Lebensweise, zeagt von der
grenzenlosen Verachtang, die man ihm zollte: in alle Ewig-
keit wollten ihm die Zeitgenossen keine Verzeihung vom Welt-
richter zugestehen.^) Odilo, der bis dahin so oft seine Schritte
an die Schwellen der Apostel gelenkt hatte, wandte den
Blick ab von den Gräueln der Hauptstadt und stellte seine
Romreisen ein. Ist überhaupt etwas Wahres an einem wenig
glaubwürdigen Bericht 3), nach dem der Abt von Cluni sich
bezüglich der Ordinationen doch noch dem Bischöfe von Mäcon
beugen musste, so liesse es sich nur so erklären, dass vom
römischen Stuhle in dieser Zeit keine Hilfe zu erlangen war.
Der römische Clerus war, wenn unsere Berichte zutreffen,
vollkommen entartet; kaum einen Geistlichen soll es gegeben
haben, der nicht entweder ungebildet oder simonistisch ge-
wesen sei oder im Concubinat gelebt habe.^) Fast überall
hatten sich die Collegiate aufgelöst.^) In allen Teilen Ita-
liens hatte das Gift der Simonie derart um sich gefressen,
dass in nicht wenigen Fällen würdige Priester gänzlich fehl-
ten.^) So rein sich der Erzbischof Gebhard von Bavenna von
Simonie hielt^), so hausten auf den Sitzen von Castello, Fano,
Pesaro und Osimo^) räuberische und verbrecherische Gesellen.
Seit Bomuald am Anfange des Jahrhunderts zuerst gegen die
Simonie eiferte, hatte sich das Hauptübel der italienischen
Geistlichkeit verschlimmert. Allerdings war die Auffassung
der Gegner in der Zwischenzeit schärfer geworden. Indem
nämlich alle Amtshandlungen, alle Weihen simonistischer Geist-
lichen auch den canonisch Ordinierten nach dem Urteil weiter
0 Petri Dam. Opusc. XIX, c. 3, Opera III, col. 426.
>) Vgl. RiDgholz, Odüo p. 36 ff.
3) Bonizonis 1. ad amicum V, Libelli 1, 586; Bran. Sign. Lib. de simon.,
Lib. II, 547.
*) Job. V. Petri Damiani c. 15; Fantuzzi, Monum. Ravenn. VI, 24.
'^) Petri Dam. über gratissimus c. 27, Libelli I, 56; Hambertus ad ver-
sus Simon. III, c. 20. 21, ib. p. 224. 225; Job. V. Petri Dam. c. 16; Petri
Dam. epist. I, 2; Wiberti V. Leonis II, c. 16; Brunonis Sign. lib. de sim.,
Libelli de lite II, 547. Vgl. Dresdner, Kultur- und Sittengesch. der ital.
Geistlichkeit (Breslau 1890) S.62ff.
0) Dam. epist. I, 2. ^ Dam. epist. I, 1. 3; II, 3.
279
Kreise inficierten, stellte sich das gesamte italische Eirchen-
wesen als durchaus vergiftet und von der simonistischen Hä-
resie durchseucht dar.
Der Geist Romualds war aber keineswegs ausgestorben.
Seine Eremitencongregationen bltthten fort und boten einen gün-
stigen Nährboden für die Tendenzen des Meisters. Ein Schüler
jener Eremiten, ein Zögling des bekannten Martinus, der auf
einer Po-Insel hauste i), war der Abt Guido von Pomposa, ein
trefflicher Mann , dem sein Kloster eine hohe Blüte verdankte ^),
der in Italien und namentlich Bonifacius von Tuscien gegen-
über gegen den Verkauf geistlicher Aemter wirkte.^) Er war
angesehen 4) am erzbischöflichen Hofe von Ravenna, der, wie
es scheint, einen wesentlich deutschen Character trug, da Geb-
hard deutsche Cleriker, wie deutsche Söldner in seiner Um-
gebung hatte.^) Guido genoss auch ausserhalb seines Vater-
landes ein so hohes Ansehen, dass der Kaiser, als er mit der
Kirchenreform in Italien beschäftigt war, den Abt durch Boten
zu sich beschied, weil er seinem Rate einen grossen Einfluss
auf seine Entschlüsse einzuräumen beabsichtigte. Es kam nicht
dazu, da Guido, noch bevor er mit dem Kaiser zusammentraf,
eines raschen Todes dahinstarb.*) Aber man sieht doch, welche
Kreise hier Heinrich III. beeinflussten.
Im Kloster S. Maria di Pomposa lehrte etwa zwei Jahre
noch ein anderer Mann^), der auch jenem Kreise italienischer
Eremiten angehörte und dem es bestimmt war, mehr durch
seine Ansichten über Priesterehe und Simonie in der Oeffent-
lichkeit zu wirken: Petrus Damiani, eine jener furchtbaren
Büssergestalten, die durch ihren sittlichen Ernst einen gewal-
tigen Einfluss auf die Menge auszuüben pflegen.
In kümmerlichen Verhältnissen zu Ravenna geboren, er-
») V. Guidonis c. 3.
*) Vgl. V. Petri Dam. c. 6: übt caterva fratrum centenarium ntanerutn
ferebatur implere,
>) Doniz. V. Mathildis c 16.
*) Vgl. V. Guid. c. 12; Fantuzzi, Monum. Ravenn. III, 202.
^) In der Ravennater Urk. vom 14. Jan. 1031, Fantuzzi I, 26S wird
erwähnt: Theodericus clericus tetUonictu . . . Martinus Teutonicm, Fere-
grinus et Mogirardua Teutonici militea archiepiscopi,
•) V. Guid. c. 14.
') V. Petri Dam. c. 6.
280
fuhr er früh die Ironie des Schicksals, indem er der Fraa
eines Priesters seine Erhaltung verdankte.^ Er studierte in
Parma und Faenza und wurde ein gefeierter Lehrer in seiner
Vaterstadt^) Dann überkam ihn jener ungestüme Drang nach
dem Mönchsleben und nach einer Prttfungszeit, die er sich
selbst auferlegte, trat er bei den Einsiedlern in- Fönte Avel-
lana, einer Stiftung des Dominicus von Foligno'*), ein, um sich
den härtesten Kasteiungen und Geisselungen hinzugeben. Er
ging ganz und gar in jenem Geiste der Selbsttötung auf, den
Romnald zuerst in der Pomttndung und in Tuscien angepflanzt
hatte. Er predigte ihn auf Befehl des Abtes den Brüdern, er
lehrte ihn in S. Maria bei Guido und bald darauf in S. Yin-
cenzo bei Petra Pertusa.^) Als er dann gar nach dem Tode
seines Abtes die Leitung von Fönte Avellana selbständig über-
nahm, trat er völlig in Romualds Fusstapfen, indem er, wie
dieser, dessen Leben er bereits in S. Vincenzo geschrieben
hatte, von Ort zu Ort zog, um geeignete Plätze für Nieder-
lassungen ausfindig zu machen und Brüder anzusiedeln.^) Bei
Camerino, bei Perugia, bei Bimini, Sarsina, Gubbio, also in den
Marken und Umbrien, wuchsen seine Congregationen empor,
die mit dem Mutterkloster Fönte Avellana durch ein enges
Band verknüpft wurden.*) Daneben trat er auch sonst als Re-
formator auf und suchte durch seine zahlreichen Schriften, die
sich mit dem Mönchs- und Eremitenleben beschäftigen, ftlr
Besserung des Klosterwesens zu wirken. Selbstgeisselungen,
Fasten, Wachen, Beten und Psalmensingen wurde in diesen
Klöstern in weitgehendem Masse betrieben; weltliche Wissen-
schaft ward höchstens als Dienerin der Theologie zugelassen,
») V. Petri Dam. c 1.
') ib. c. 2; Neukirch, Das Leben des Petrus Damiani, Göttinger Diss.
1875, p. 15.
') Nenkirch erklärte den Ursprung der Congregation für dunkel und
meinte, sie sei von Romuald oder einem seiner Schüler gegründet. Ich
habe schon oben gezeigt (Bd. I, S. S25, n. 1), dass das Kloster eine Stif-
tung des bL Dominicus von Foligno war; V. S. Dominici c. 17: conatruxit
coenobiumf quod ab enormi arbare avellanay guae iuacta olim constiteratj
Sancti Petri de AveUana nuncupationem accepit
*) V. Petri Dam. c. 6.
») ib. c. 7.
•) Neukirch p. 27 flf.
281
deren Stndinm den Mönchen zar wichtigsten Aufgabe gemacht
warde.i) Mit den Clnniacensern stand Peter Damiani in dieser
Zeit in keinem nachweislichen Zusammenhange, noch weniger,
als Romuald, da wir dessen Schüler wenigstens hier und da
in Verbindung mit dem französischen Mönchtum zeigen konnten.
Im Gegenteil, es ist die grösste Wahrscheinlichkeit vorhanden,
dass die späteren Beziehungen des Cardinalbischofs von Ostia
zu Abt Hugo und den Mönchen von Cluni erst von seiner fran-
zösischen Legation im Jahre 1063 herrOhrten.')
Wie Guido von Pomposa, so stand auch Petrus Damiani
dem Erzbischof Gebhard nahe. Er rtthmt ihn als fast den
einzigen Kirchfttrsten, der nicht durch das Gift der Simonie
befleckt wurde: gerade als er sein Priorat übernommen hatte,
sollte er einem Rufe Gebhards nach Ravenna Folge leisten,
um ihm mit Rat und That zur Seite zu stehen.') Aus der
Reise wurde zunächst nichts, da ihn vor der Hand Geschäfte
abhielten und unmittelbar nach dem im Jahre 1044 erfolgten
Tode des Erzbischofs die römischen Angelegenheiten das all-
gemeine Interesse in Anspruch nahmen. Nur zu bekannt sind
die Vorgänge, die sich jetzt in der Hauptstadt der Christen-
heit abspielten : die Vertreibung Benedicts, der Kampf zwischen
den Römern und Trasteverinern, die Wahl des Bischofs Johann
von Sabina, der sich Silvester III. nannte, und endlich, nach-
dem der schreckliche Benedict wieder ftlr kurze Zeit den Stuhl
Petri in Besitz genommen hatte, der Verkauf der Papstwttrde
an den schlichten und sittenreinen Priester Johannes Gratianus
an der Porta Latina, der unter dem Namen Gregor VI. bekannt
ist Ob lediglich Ehrgeiz oder wirklich weitere, auf eine
Kirchenreform gerichtete Absichten Johannes veranlassten, den
Handel einzugehen: jedenfalls war die Art und Weise sei-
ner Erhebung weiteren Kreisen ein Geheimnis geblieben, und
0 Neukirch p. 25—43.
') So sagt er selbst Epist VI, 5 an die Brüder von Glnni nach jener
Gesandtschaftsreise: Prtuterea iüif qui me presswra tanti labaris attrivit,
etianh gratiae referendae sunt, quia iüo disponentef qui nostris bene utitur
tnaliSf per eivs offensam in sanctitatis veatrae me contigit devenire noti-
tiam; d. h. also, er war bis 1063 mit den Gluniacensem noch in keine
persönliche Berührung getreten.
•) Epist. II, 3; V, 12.
282
es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass nicht nnr die
schon in grösserer Entfernung lebenden Mönche von St Ger-
main d'Anxerre, sondern aach die reformatorischen Kreise
Italiens, deren Wortftthrer der Prior von Fönte Avellana war,
von den simonistischen Vorgängen nichts wassten. Im Gegen-
teil, die Erhebung Gregors galt fttr durchaus canonisch auf
Grund der Wahl des ganzen Volkes^), und in der That wird
man eine derartige Zustimmung der gesetzmässigen Factoren
sicherlieh anzunehmen haben, weil bei den unruhigen Zustän-
den, die in Rom herrschten, gar nicht denkbar ist, wie Gregor
auf Grund eines privaten Kaufvertrages mit Benedict sich hätte
halten können. Das Geld, das dieser nahm, kann man dem-
nach nnr als eine Abfindungssumme betrachten, die man ihm
gab, um sich in Güte seiner zu entledigen. Was Johannes
Gratianus bei seiner Erhebung von vornherein die Sympathien
der Reformmänner zuführte, war lediglich der Umstand, dass
er keine Creatur der Adelsfactionen, dass er ein römischer
Cleriker von gutem Rufe und seine Wahl scheinbar aus dem
freien Entschlüsse von Clerus und Volk hervorgegangen war:
so erweckte die Kunde davon begreiflicherweise nach der
langen Tyrannei des tusculanischen Geschlechts sowohl im
Lager der französischen Mönche, als in dem der reformgltthen-
den Eremiten neue Hoffnungen. Indes ist es ganz falsch, ihn
als einen speciellen Freund der Cluniacenser hinzustellen und
eine Verbindung mit Odilo zu hypostasieren, da dieser mit
Gregor nachweislich nie in Berührung gekommen ist*^) Petrus
Damiani dagegen, das Haupt jener reformatorischen Richtung,
^) Rod. Glaber V, c. 5, § 26: Tunc cum conaensu totius Romani po-
puli atque ex precepto imperatoris eiectus est a sede et in hco eius sub-
rogatus est vir religiosissimiM ac sanctitate perspicuus Gregorius natione
RomanvLS. Cuius videlicet bo^ui fama quicquid prior fedaverat in meliits
refomiavit. Nachdem ich den Nachweis geführt, dass die Historien des
Rodulf Glaber in St. Germain d'Auxerre geschrieben sind, faUen natür-
lich alle aus dieser Stelle gezogenen Schlüsse über die Stellung Odilos
zu Gregor VI. bei Gfrörer, Gregor VIL Bd. VI, 568 ff., Giesebrecht II, 411
und Steindorff, Heinrich III. I, 262 weg.
^) Schlagend ist Jots. V. Odil. I, c. 7: Non praetereundi sunt etiam
Uli Domini sacerdotes et apostolid viri: Silvester, Benedictus, Johannes
et in ultimis piae memoriae Clemens^ quorum gratiam ita promeruitf ut
tamquam ex fratribus unus exstiterU, Hieraus geht deutlich hervor, dass
283
die in den asketischen Eremitenklöstern ihren Sitz hatte, der
gerade in diesen Jahren als Bussprediger darch Italien von
Ort zn Ort zog und auf Volk und Geistlichkeit einzuwirken
suchte^), setzte sich alsbald mit dem Papste in nähere Ver-
bindung und bemühte sich, Einfluss auf sein Regiment zu ge-
winnen. Sein Eremitentum war auf nichts weniger, als ein
beschauliches Einsiedlerleben gerichtet: er war ein Mann der
That; seine Asketenstrenge nicht die eines von Beue ge-
peinigten Gemütes, sondern die eines Pädagogen, der ein-
sieht, dass mit Milde in dieser Verderbnis nichts auszurichten
sei. Mit unverhohlener Freude begrüsst er den neuen Papst.
«Die Himmel mögen sich freuen, die Erde jauchzen und die
Kirche sich Glück wünschen*, schrieb Peter Damiani an Gre-
gor^), «dass sie das alte Privileg ihres Rechtes wieder em-
pfangen hat*' Er träumt von der Wiederherstellung der gol-
denen apostolischen Zeit und von neuer Kirchenzucht: die
Simonie, die gerade in Italien Orgien feiert, soll von nun an
verschwinden. Er sucht sofort bestimmend auf Gregor zu
wirken, indem er behauptet, dass der apostolische Stuhl jetzt
durch die Entfernung der drei verbrecherischen Bischöfe von
Castello, Fano und Pesaro eine Probe seiner Gesinnung und
seiner Kraft geben könne. In einem andern Briefe 3) empfiehlt
er einen von Glerus und Volk zum Bischof von Fossombrone
gewählten Archipresbyter zu consecrieren. Falls der Papst dies
nicht thue, so möge er mit der Vergebung des Bistums wenig-
stens warten, bis er mit ihm gesprochen habe.
So war Damianis erste Sorge, die Bischofssitze von Si-
monie zu reinigen und mit würdigen Priestern zu besetzen.
Odilo sich von Johann XIX. bis auf Clemens IL von den römischen Ver-
hältnissen fern hielt.
>) Neukirch p. 27 ff.
**) Epist. 1, 1 : Tres equideni suntf qiuie testimoniuni daimnt, Castellatia
sedes, Fanensis et Fisauriensis. Wenn Steindorff I, 250 es für unbekannt
erklärt, ob und wie weit der £rzbi8chof von Ravenna der Aufforderung
Petri Damiani Gehür gab, die genannten Bischöfe zu beseitigen (vgl. III, 3),
so hat er übersehen, dass der Brief an Gregor, der noch über diese Bischöfe
klagt, ja ein bis zwei Jahre nach Gebhards Tode geschrieben ist.
') £pist. I, 2 : donec me servum veatrum videritisj nuUi praedicti epi-
scopatus cathedram tribtuUis,
284
Leider war aber gerade damals auf den Stuhl von Ravenna,
auf den er unter Gebhard seine einzige Hoffnung gesetzt hatte,
ein Mann gekommen, der seinen Wünschen sehr wenig ent-
sprach. Und obgleich Petrus auch von ihm einen Ruf nach
der Vaterstadt erhalten hatte, so hatte der Prior doch sowohl
im erzbischöflichen Palast, wie in der Bürgerschaft eine keines-
wegs warme Aufnahme gefunden.^) Klagte er auch über den
geringen Ernst, mit dem der Erzbischof die Reformsache be-
treibe, und über die Art und Weise, wie er Klöster beraube
und schädige^), so war es doch namentlich ein geringfügige-
rer Umstand, der den Gölner Canonicus Wigger um seinen
Bischofsstuhl brachte: man warf ihm nämlich u. a. am Hofe
des Königs vor, er habe als Presbyter noch vor der Bischofs-
weihe in Dalmatica und Sandalen die Messe celebriert.^)
Im Palast Heinrichs hatte der Proeess Wiggers, der nach
Aachen beschieden worden war, einen unliebsamen Gegensatz
zu Tage gefördert, der in kirchenrechtlicher Beziehung zwischen
dem Lütticher Bischöfe Wazo einerseits und dem übrigen Reicbs-
episcopat mit dem Könige andererseits bestand. Hier zeigte
sich zuerst, wohin das Studium der alten Papstdecrete und
Ganones, d. h. des Pseudoisidor, führen musste. Zum ersten
Male erhebt sich am Hofe eine Stimme, die dem Reicbskirchen-
recht ein allgemeines päpstliches entgegenstellte. Ein Clunia-
censer ist Wazo ganz und gar nicht, obwohl man ihn als sol-
chen zu bezeichnen pflegt, denn wir werden sehen, dass seine
kirehenrecbtlichen Anschauungen weder von dem französischen
Mönchtum, noch von den italienischen Eremiten geteilt wurden 4)
— obgleich er dem Abte Poppo von Stablo sehr nahe stand, seit
dieser dem einst von Lüttich vertriebenen vorübergehend Gast-
freundschaft gewährt und schliesslich zu seinem Bistum ver-
holfen hatte.^) Um seine Meinung über Wigger gefragt, er-
») Epist. V, 12; Neukirch p.48.
«) Epist. III, 5; Neukirch p. 48.
») Anselmi Gesta Leodiens. c. 58, SS. VII, 224.
*) Auch Cauchie, La querelle des investitures dans les dioccses de
Li^ge et de Cambrai, Louvain 1890, p. LXXX hebt das mit Recht hervor.
^) Anselmi Gesta c. 48: vino et camilms vescenSj ui oUestaH solebcU
abbas Foppo, soltis qtwrundam secretorum eitis consciuSj moruichorum
omnium sibi cognitorum vincebat abstinentiam; Vita Poppon. c. 26 (SS.
285
klärte er sieh ftir ineompetent, über einen italienischen Bisohof
za richten, und Heinrieh ftir unfähig, in Kirchensachen zu
entscheiden, was einzig und allein dem Papste zukomme: nur
über die weltlichen Pflichten, die der Bischof durch seinen
Treueid übernehme, stehe dem weltlichen Herrscher ein Urteil
zu. Wigger soll darauf, ohne von den übrigen Bischöfen ver-
urteilt zu sein, freiwillig Stab und Bing dem Könige übergeben
habend), was allerdings unwahrscheinlich ist, da es zu sehr
der Tendenz des Ltttticher Chronisten entspricht Vielmehr
wird er regelrecht vom Könige entsetzt worden sein.^) Wie
andere Gefühle erweckte aber die Nachricht von dem Sturze
Wiggers bei Damianil Ganonistische Bedenken gegen die Becht-
mässigkeit des Processes sind ihm durchaus fremd. Er preist
Heinrich ob seiner That und schildert die Freude aller Welt,
dass die Kirche aus der Hand des gewaltsamen Bäubers be-
freit sei. Zugleich warnt er den König vor den Versuchen
desselben, durch Versprechungen sich wieder den Weg auf den
erzbischöflichen Stuhl zu bahnen. „Daher^S schliesst er, „un-
besiegbarer König, führet zu Ende, was Ihr zum Lobe Gottes
und zum Heil der Menschen begonnen habt und ordinieret nach
Zurückweisung des Bäubers einen Hirten, über den die Kirche
Freude empfindet." 3) Nach ihm hat also der König voll-
kommen das Becht, über die italienischen Sitze zu verfügen;
und die Gleriker von Faenza, die nach dem Tode ihres Bischofs
XI, 310): Et primum a Nautnene civitate cum Wazone episcopo Leodium
devenitj qui sibi spiritualis occasione amoris semper animo insedity qiiem
etiam a Leodio olim invidia pulsum ipse swtcepitj penesque se eum ad-
prime accurare coepit, tum etiam aliquantis s^i succedentibus diebus illoy
unde acidaveratj revocavitj conaultoque sui et favore postmodum ad pontu
ficium delegavit Das ist nun sicher nicht aUes richtig, denn, wie wir aus
den Gesta Leod. c. 43 wissen, kam er unmittelbar von Lüttich, wo er mit
Mühe und Not einem Brande entging^, zu Kaiser Kunrad IL in dessen
Capelle, er kann also nur vorübergehend bei Poppe gewesen sein und
dieser kann von Stablo nach einigen 'l'agen unmöglich seine Rückkehr
nach Hause bewerkstelligt haben. Ueber die Zeit vgl. Canchie p. LI V, n. 5.
>) Anselmi Gesta Leod. c. 58.
*) Steindorff I, 297.
') Epist VII, 2: Quapropter, rex invictissime, quod ad laudem Dei
et salutem hominum coepistiSj ad finem usqtie perdiunte et latrone reiecto
paatorem, unde eecUsia gaudeatf ardinate.
286
PetniB Damiani zu sich riefen, verweist er geradezu auf die
AnkuDft des Königs, der in ihrer Kirche die Ruhe herstellen
würde: sie möchten deshalb den Papst ersuchen, ihnen vor-
läufig keinen Bischof aufzudrängen.*)
So wurde der deutsche Herrscher, wie so oft, von den
italienischen Reformern mit Sehnsucht erwartet Canonistische
Einwände gegen die Rechtmässigkeit seines Eingreifens schie-
nen ganz und gar nicht am Platze. Die Ereignisse kamen in
rascher Folge: auf der Synode von Sutri die Absetzung Sil-
vesters III. und Gregors VI. nach seinem eigenen Geständnis,
auf der zu Rom die Benedicts IX. und die Erhebung Cle-
mens' IL
II.
Die wichtigste Frage fttr uns ist die nach der Stellung der
Cluniacenser zur Kirchenreform Heinrichs III.
Der Synode von Sutri oder Rom, vielleicht beiden, wohnten
die Erzbischöfe Halinard von Lyon, der Schüler Wilhelms von
Dijon, und Hugo von Besangon, der den Cluniacensern sehr
nahe stand, bei. Dass sie dort Widerspruch erhoben, scheint
die Art unseres Berichtes auszuschliessen.^) Auf der andern
Seite wissen wir, dass Odilo dem Vorgehen des Kaisers seine
Zustimmung lieh. Auf die Kunde von dem Römerzuge Hein-
richs hatte der greise Abt Frankreich verlassen. Am 23. De-
cember 1046 zog er in Rom ein, wo er nach Verrichtung der
üblichen Gebete der römischen Synode, auf der die Absetzung
Benedicts und die Erhebung Clemens' IL erfolgte, beiwohnte.
Es wird uns ausdrücklich erzählt, dass bei der Verhandlung
des Königs mit den Grossen des Reichs Odilo die Einsetzung
des Bischofs von Bamberg begünstigte 3), und am ersten Weih-
^) Epist. V, 10: ut non eligatis episcopum usque ad regia adventwn.
Qui scilicet et errorem toUatj et vos atque ecclesiam vestram^ sedatis undi-
que iurgiiSf in quieiis ac pacis tranquiUitate componat. Unde et dominus
noster papa rogandus esty ut episcopum vobis modo non ingerat.
') Vgl. ChroD. S. Benign! p. 190. Der Autor zieht beide Synoden in
eine zusammen ; es ist deshalb nicht ganz klar, an welcher die genannten
Erzbischüfe teünahmen.
^) Die Frage, ob Heinrich III. Clemens eingesetzt habe, oder ob er
gewählt worden sei (Steindorff I, 314), ist falsch gestellt, da von einer
Wahl überhaupt nicht gesprochen werden darf. Es handelt sich um eine
287
Baehtsfeiertage der Salbung und Krönung Heinrichs in der
Peterskirche assistierte: «indem er Gott pries*, wie sein Bio-
graph, der zur Zeit in Born war, sagt^), ,|dass er dem römi-
schen Beich durch die Wahl des gerechtesten Bischofs und
einen katholischen Herrscher nach Beseitigung der Wirren und
Uebelstände neue Krafk zu verleihen geruht habe/ So sah
man also in der nächsten Umgebung Odilos die Sache an;
man atmete wieder auf. Sein intimer Verkehr mit dem deut-
schen Papste, auf den wir noch zurückkommen, bestätigt die
Anschauung, dass Heinrich sich durchaus des Einverständ-
nisses der französischen Mönchskreise erfreute. Aber auch
die italienischen Beformatoren begrttssten das Vorgehen des
Königs mit Freuden. Bei Petrus Damiani war die Anschau-
ung, dass der Kaiser berufen sei, der Kirche in ihren Nöten
beizustehen, dass Kaiser und Papst gemeinsam zum Heile
der Kirche handeln müssten, so festgewurzelt, dass er sie
sogar verfocht, als die Ereignisse sie längst überholt hatten
und als der Geist Hildebrands bereits über seiner Zeit dahin-
rauschte.^) Von kirchenrechtlichen Bedenken gegen das Ein-
schreiten der weltlichen Macht ist bei ihm keine Bede: er
setzt im Gegenteil die schönsten Hoffnungen auf Clemens, von
dem er die Beseitigung der Simonie und die Vertreibung simo-
nistischer KirehenfOrsten erhofft^) In der That hielt Clemens
bereits Anfang Januar 1047 eine antisimonistische Synode 4) ab,
der vielleicht auch Odilo beiwohnte. Wahrscheinlich wurde
hier decretiert^), dass diejenigen, die ohne ihr Wissen von
simonistischen Geistlichen ordiniert wurden, nach vierzigtägiger
Busse im Amte bleiben dürften. Im allgemeinen darf man den
Beratang des Kaisers mit den aDgesehensten Persönlichkeiten, die, juri-
stisch aufgefasst, sich gar nicht von der Einsetzung der Nachfolger Cle-
mens' II. unterscheidet. Denn selbstverständlich handelte Heinrich auch
später nur nach Vernehmung der verschiedenen ihm zugänglichen An-
sichten am Hofe. Dass Clerus und Volk dann acclamierten, ist natürlich.
*) Jots. V. Odilonis, N. Arch. XV, 119: dans gloriam Deo, qui Roma-
num imperium eUcto iustissimo praeavUe et catholico reipublice principe
sedatis nialorum turbinibus roborare voluerit.
>) Neukirch S. 84—90.
») Vgl. Epist. I, 8.
*) Steindorff I, 319 ff.
*) Petri Damiani Llber gratissimus c. 37, Lib. de lite I, 70.
288
Kaiser, den die italienisehea Reformatoren gewonnen hatten,
fttr den Urheber der gegen die Simonie gerichteten Bewe-
gung ansehen. So beurteilte ihn Petras Damiani^); und aueh
dem französischen Mönehtum erschien er als der eifrigste Geg-
ner der Bimonistischen Ketzerei, der ein Edict fttr das ganze
Reich erliess, das den Handel mit geistlichen Aemtern und
Würden verbot und die Häretiker mit Absetzung und Anathem
bedrohte.2)
Jedenfalls hatte die Reinigung des römischen Stuhles
Ödilo, der bis dahin zu Heinrich III. in etwas gespanntem
Verhältnis gestanden hat, ihm und seinem Papste genähert
Er hatte nach der Wahl Suidgers und der Krönung des
Kaisers die folgenden drei Wochen mit frommen Pilgerungen
zu den verschiedenen Heiligengräbern der Stadt und unter frei-
gebigen Spenden an den römischen Glerus und die Armen hin-
gebracht.') Seine Wohnung lag in dem Marienkloster auf dem
Aventin, den prächtige Kirchen schmückten und dessen Gipfel
durch frischere Winde vor der Glut der italienischen Sonne
geschützt wurde.^) Ungern — wie er selbst gestand: er hatte
gehofft, in Rom sein lang ersehntes Grab zu finden — trat er
die Heimreise am 14. Januar an. Da traf ihn ein schwerer
Unfall. Als nämlich auf der durch Sümpfe und abschüssigen
Boden unwegsamen Strasse sein Gefolge sich bemühte, mög-
lichst schnell die Schwierigkeiten zu überwinden und weiterzu-
kommen, stürzte der altersschwache Abt vom Pferde, das ihm
mit dem Hufe noch heftig zusetzte. Sprachlos am Boden lie-
gend, wurde er von den entsetzt herbeieilenden Begleitern in
eine Sänfte gehoben und zunächst nach dem unweit der Stadt
gelegenen Kloster St. Pancratius geschafft. Erst am Morgen
>) Liber gratissimns c. 88, p. 71 : Post Deum siquidem ipse nos ex
inaatiabilis ore draconis eripuitj ipse symoniacae hereseos ut revera mtUti-
plicis hydrae omnia capita divinae virtutis mucrone truncavit.
*) Uod. GlaberV, c. 5; vgl. Sackur, Studien über Rodulfus Glaber,
N. Arch. XIV, 407. Dass die Rede, die Rod. Glaber HeiDiich in den Mund
legt, nicht verwertet werden darf, hat jetzt auch Kuypers, Studien über
Rudolf den Kahlen, Münst. Diss. 1891, S.62ff. dargelegt.
») Jots. V. Odil, N. Arch. XV, 119.
*) Jots. V. Odil II, c. 9. In demselben Kloster war Hildebrand auf-
gewachsen, V. Gregorii VII. c. 9. Damals war er aber nicht mehr in Rom.
Der Abt von St Maria war zur Zeit Armo.
289
konnte man naeh Rom in das Hospiz, das St. Marienkloster
anf dem Aventin, zarttckkehren. Bald hatte die Nachrieht von
dem Unfälle die Stadt durcheilt Teilnehmende Besucher,
Scharen von Mönchen und Glerikem strömten an das Kranken-
lager des Abtes. Der Papst erschien öfter in Begleitung der
ersten Würdenträger der römischen Kirche, so des gelehrten,
in der griechischen und römischen Litteratur bewanderten
Erzbischofs Laurentius von Amalfi, der, von seinem Sitze
vertrieben, in Rom weilte und schon zur Zeit Benedicts
und Gregors in reformatorischem Sinne gewirkt zu haben
scheint^) Trotzdem fUhlte der Abt sich dem Tode nahe:
er richtete an die Brüder in Cluni einen Brief, in dem er
sie ersuchte, für ihn zu beten und Messen zu lesen. Bis
zum 4. März, dem Anfang der grossen Fasten, lag Odilo in
schwerer Krankheit; dann begann sich sein Zustand zu bessern.
Nur die dringenden Bitten des Papstes Clemens hielten ihn
noch über Ostern in Rom zurück. Aber während der Fasten-
zeit, als der unermüdliche Mann wieder von Kirche zu Kirche
eilte, mutete er sich offenbar zu viel zu: denn am Palmsonntag
lag er wieder auf dem Krankenbett, das er, an allen Gliedern
gelähmt, während der Osterwoche nicht mehr verlassen sollte.
Auf dem Aventin erschollen von neuem die Klagen der ver-
zweifelnden Brüder.
Trotz seiner Leiden hatte Odilo nicht aufgehört, für die
Interessen seines Stiftes zu wirken. Clemens IL empfahl Cluni
dem Schutze der französischen Bischöfe und Fürsten^); er rich-
tete auch an Kaiser Heinrich, sowie die Grossen und Bischöfe
Burgunds ein Privileg, in dem er lebhaft für die Freiheit des
Klosters Romainmoutier und für die Erhaltung der alten Ein-
richtungen eintritt.^) Erwägt man, dass der Kaiser in dieser Zeit
dem Kloster Peterlingen aus unbekannten Gründen seine Gunst
>) Jots. y. Odil. I, c. 14 und N. Arch. a. a. 0.; über Laurentius vgl.
Giesebrecht 11,412; Steindorff I, 260. Von Beno wird er in den Gesta
Romanae ecclesiae II, c. 3 — 8 (Lib. de lite II, 376 ff.) als Freund Bene-
dicts IX. und neben diesem und Gregor VI. als Lehrer Hildebrands hin-
gestellt
*) J.-L. nr.4136.
>) Hidber, Schweizer. Urkundenreg. nr. 1337 vom 25. Dec. 1046 bis
9. Oct. 1047.
SAoknr, ülnniMMnMr. II. 19
290
entzogen hatte, 8o seheint es, dass überhaupt Differenzen zwischen
ihm nnd Clnni bezüglieh der bnrgnndischen Stifter vorgelegen
haben, die Heinrich, wie yielleicht sehen Konrad II, wohl als
früher königlich bnrgandische Abteien in die Pflichten der Reichs-
klöster zu nehmen beabsichtigte. Indem nun Odilo noch kurz vor
seinem Tode den Prior Hugo zu Heinrich sandte, am mit ihm zu
Gunsten Peterlingens zu verhandeln, zeigt sich deutlich auf Seiten
des Abtes das Bestreben, jegliche Missverständnisse zu beseitigen
und ein ungetrübtes Verhältnis zu dem Kaiser herbeizuführen.
Aber man sieht femer, dass gerade die Kirchenreform des deut-
schen Herrschers zur Kräftigung der Freundschaft beitrug. Nach
langer Abwesenheit von Italien und dem kaiserlichen Hofe
unternahm der greise Abt die beschwerliche Beise; er förderte
die Wahl Clemens' II; ihm war er während des römischen
Aufenthalts aufs engste befreundet; mit seiner Hilfe sucht er
einen Ausgleich mit dem Kaiser bezüglich der Stellung der
burgundischen Stifter. Beweise genug, um die Anschauung zu
befestigen, dass die französischen Cluniacenser bezüglich der
Kirchenreform vollkommen Hand in Hand mit Heinrich III.
gingen. Von ganz anderer Seite, wie wir noch sehen werden,
wurden Bedenken und Proteste gegen die canonische Recht-
mässigkeit des kaiserlichen Vorgehens erhoben.
2. Tod Richards, Poppos und Odilos.
I.
Die Führer der klösterlichen Reformbewegung standen in
dieser Zeit sämtlich in den letzten Lebensjahren. Richard von
St Vannes erlebte den entscheidenden Schritt Heinrichs gegen
den römischen Stuhl nicht mehr. Schon zu einer Zeit, in der
er aufs eifrigste für den Gottesfiieden wirkte, hatte er lebhaft
an den Tod gedacht. Später erleichterte er die Last, die er
trug, und ernannte für die Abteien St Peter, St Urban und
1) Hildeberti V. Hug., Bibl. GIud. col.416: (Hugo) ad Teutonicos di-
rectw Patemiacensi coenobio gratiam regis, a qwi exciderat, reformavit;
vgl. Lebmann, Forscb. z. Gesch. des Abtes Hugo I. von Cluny S. 76. Die
Zeit bestimmt sich dadurch, dass Hugo noch in Deutschland den Tod
Odilos vernimmt
291
Beaalieo, die er neben St. Vannes leitete, eigene Vorsteher in
seinen Sehttlem Riehard, Odylard und Stephan. Am Mhen
Morgen des 14. Jnni 1046 haaehte er in Gegenwart des Bisehofs
Riehard von Verdnn, des trenen Jttngers, nnd zahlreicher
Mönche nnd Geistliehen, die klagend sein Lager umstanden,
seinen Geist ans. Unter der Teilnahme der ganzen Stadt
warde zwei Tage darauf nach einer feierlichen Procession die
Beisetzung der Leiche in der Crypta von St Vannes voU-
zogen.i)
Eine mehr als vierzigjährige Wirksamkeit hatte den Abt
des Verdaner Klosters za einer weit nnd breit bekannten Per-
sönlichkeit gemacht. Nicht leicht ist das Bild des Mannes zn
malen, den keiner seiner Biographen selbst gekannt hat Ihre
Schilderangen entbehren der Unmittelbarkeit der Auffassung,
die allein uns in den Stand setzt, ihnen nachzuempfinden. Die
Gefühle, die ihn hinter die Klostermauem trieben, mochten
dieselben sein, die allerwegen tief angelegte Gemüter aus der
Umgebung eines rohen und gewissenlosen Kriegerlebens in die
Stille der Klosterzelle flihi-ten. Seine religiösen Uebungen spie-
gelten die asketische Begeisterung der lothringischen Gebirgs-
bewohner wieder.
Richard gravitierte in seinen Zielen durchaus nach Westen ;
hier hatte er seine Schule gemacht In der Reimser Kirchen-
provinz entwickelte er seine Hauptthätigkeit Das meiste ver-
dankte er seinem Freunde Gerhard von Cambrai. Der Adel
der Champagne zeigte sich neben dem Hause der Ardenner-
grafen ihm am nächsten verbunden. Obgleich Heinrich IL und
Heinrich III. ihm wohlgesinnt waren, fand er doch jenseits
des Rheins keine Gelegenheit zu wirken. Kein einziges Reichs-
kloster kam unter seine Leitung. Die Verbindungen, die er
unter den Magnaten des westfränkischen Reiches hatte, setz-
ten ihn jedoch in den Stand, auch in politischen Dingen
seinen Einfluss zu erproben. Wie Heinrich IL die ehemaligen
Reimser Cleriker Gerhard und Richard im Jahre 1023 als
Unterhändler am französischen Hofe gebrauchte, so finden
wir letzteren in die Händel des Odo von der Champagne ver-
») Vgl. Riebard von St Vannes S.88ff.; Necrol. S.Vit., N. Archiv
XV, 129.
19*
292
wickelt, in die inneren Geschicke der Normandie, in den
Kampf zwischen den Anjons nnd den Söhnen des Grafen
Odo. Was ihn von Kampfplatz zn Kampfplatz führte, war
sein Bestreben, die hadernden Grossen zn versöhnen, dem
Lande den Frieden, den Stiftern die Sicherheit znrUckzageben.
Unermüdlich vertrat er den Gedanken der Humanität gegen-
über der rücksichtslosen Ansübnng des Fehderechts. Ein Pre-
diger der christlichen Liebe im KaropfgetUmmel, voll Hingabe
an die Elenden in Zeiten der Kot, errang er nicht nur die
tiefe Verehrung des leidenden Volkes, sondern auch die Achtung
nnd Anerkennung der Grossen und Mächtigen.
Prägt sich in diesen Zielen- die äussere Wirksamkeit
Richards aufs klarste aus, so unterstützte er seine klösterlich-
reformatorischen Bestrebungen durch eine möglichst straffe
Disciplin und Centralisation im Innern. Mit Consequenz er-
zog er die Mönche zur Demut, besonders die, denen er höhere
Aufgaben zugedachte.*) Und wenn es auch spät überliefert
ist^), dass seine Schüler aus den abhängigen Klöstern alljähr-
lich vor ihm erscheinen mussten, so zeigen sich doch bei ihm
im Gegensatz zu früheren oberlothringischen Reformversuchen,
offenbar in Anlehnung an das eluniacensische Vorbild, die An-
fänge einer centralistischen Organisation, so war er doch, ähn-
lich wie Odilo, aufs ernsteste bedacht, die Schüler, die er ein-
zelnen Abteien vorgesetzt, in Abhängigkeit zu halten.'^) Ein
energisch -selbstbewusster Zug muss in seinem Auftreten ge-
legen haben, eine Festigkeit und Bestimmtheit der Anord-
nungen, die ihn und Poppo den Gegnern wie die leibhaftigen
Benedicte erscheinen liess.^)
Alle diese Reformäbte legten einen Stolz in die Aus-
schmückung ihrer Kirchen und Klöster. Aber bei keinem trat
dieser Zug so in den Vordergrund, wie bei Richard. Seine
Baulust und Prachtliebe hatte einen Grad erreicht, der den
Finanzen seiner Kirche gefährlich wurde und Petrus Damiani,
der darin nichts als frivole Possen erblickte, zu hartem Urteil
fortriss. Und ein schwärmerischer Mann sah ihn gar im Fege-
1) Vgl. sein Verhältnis zu Poppo.
>) Mirac. S. Richard! c. 5 ; vgl. Richard von St. Vannes S. 90.
') So Stephan von Lttttich nnd Poppo.
*) S. oben S. 264.
293
fener nnermttdlich mit Anfstellang von Baumaschinen und dem
Bau von Burgmauern beschäftigt.*)
So tritt er uns entgegen: eine unermüdliche arbeitsfrohe
Natur, ein Mann, zum Organisator geschaffen, begeistert fttr
die Idee humanitärer Wirksamkeit und mehr als ein anderer
begabt mit regem Sinn ftir den Glanz künstlerischer Schönheit.
IL
Poppo von Stablo überlebte den Lehrer um einige Jahre.
Demut und Selbstüberwindung hatte ihn von Stufe zu Stufe
emporgeftlhrt.^) Richard hatte das GefHhl, die innere Begna-
dung zu einer höheren Art religiöser Snbjectivität geleitet, in
Poppo von Stablo wirkte vor allem ein starker Wille. In der
ersten Zeit seiner Conversion beneidete er die Brüder, die die
Gnade des Weinens empfangen hatten; da er anders nicht
konnte, erzwang er die Thränen, indem er sich die Brust mit
einem Stein zerschlug. So setzte er es durch , dass er hundert-
mal Tag und Nacht, wenn er zum Gebet niedersank, den Fuss-
boden netzte, dass die Messe, die er las, dass die Leetüre bei
Tisch ihn zu Thränen rührte.^) Diese unaufhörliche Selbst-
Suggestion, gesteigert durch harte Geisselungen, dieses ex-
statische Aufwühlen und Züchten religiöser Geftlhle machte
ihn zu einem nervös überreizten, krankhaften Mystiker.^) Wie
Majolus mied er aus Demut die Gunst der Menge, wie Majolus
wollte er von Wundern nichts wissen.*) Aber der Abt von
Cluni war eine massvolle Natur, die sich schlecht und recht
mit der Regel begnügte. Poppo dagegen glaubte den Process
der Vergeistigung zu fördern, wenn er der Bäder sich enthielt
und in Fett gekochte Speisen verschmähte.^») Die grosse Frei-
gebigkeit gegen Arme teilte er mit den Gesinnungsgenossen,
^) Vgl den Brief des Petrus Damiani an den Prafecten Cencias,
Mab. Acta SS. VI, 1,455: Hoc enim morbo laboraverat abbas iUe, dum
viveretj ut extruendis inaniter aedificiis onines fere düigentiae suae curaa
expenderet et plurimas facuUates ecclesiae in frivolia naeniis profligaret
' «) Vgl. V. Popp. c. 8.
») ib. c. 28.
*) ib. c. 28 : in infirmitaJte, qua assidue laborabat.
^) ib. c. 30 : quod nunquam deUctatus sit mvrabilia facere . . . pro
humilitate favorem popuLi de se in vita timuit •
•) ib. c. 28.
294
aber er seheint einen besonderen Vorzog darin erblickt za
haben, dass er yomehmlich die Eremiten versah, die das Ver-
dienst der Mönche noch ttbertrnmpften.^) Litterarische Inter-
essen hatte er gar nicht; die Beschäfligang mit den antiken
Dichtem war ihm natürlich ein Greuel.^)
Es ist merkwürdig, wie diese visionäre Persönlichkeit Ein-
floss in der Kirche gewann, wie gerade Poppo zuerst seine
Lehren in reichsdeutsche Klöster verpflanzte, wie er anf Kon-
rad IL und Gisela wirkte. Aber gerade eine Natur wie die
seine konnte vielleicht eine Frau, wie Gisela, der er das meiste
verdankt zu haben scheint, und auch den kirchlich indifferenten
Kaiser fortreissen. Es entspricht dann seiner ganzen Erschei-
nang, dass ihm das organisatorische Talent und die centra-
listische Fähigkeit abging. Wenn er den Versach machte, in
St. Gallen festen Fass zn fassen, so kannte weder er, noch
der Kaiser die Grenzen des Erreichbaren. Er stand dem
Hofe zu Konrads Zeit nahe, aber Poppo wirkte nur zweimal
als Vermittler in politischen Dingen, wo es sich um französisch-
lothringische Verhältnisse handelte. In den allgemeinen Reichs-
angelegenheiten begegnet nirgend sein Name. Er pilgerte wohl
öfter nach Rom, um zu beten, aber dass seine Reisen mit der
italienischen Politik der Kaiser zusammenhingen, ist nicht zu
erweisen. Sein Einfluss am Hofe war auch nur von kurzer
Dauer; nur so lange er St. Maximin das erste Mal leitete, lieh
ihm der Hof den Arm für seine Bestrebungen. Es ist inter-
essant, dass diese Einwirkung auf eben die Jahre beschränkt
blieb, in denen wir den Höhepunkt religiösen Schwungs und
mystischer Triebe zu erblicken haben. Unter Heinrich III. er-
kaltete, wie es seheint, das Verhältnis; mit seinen Mahnungen
gegen die Ehe mit Agnes vermochte Poppo nicht mehr durch-
zudringen. Seine Stellung zur Kirchenreform Heinrichs ist
gänzlich unbekannt; vielleicht trennte er sich hierin von den
Anschauungen des französischen Mönchtums, vielleicht teilte
er die seines Freundes Wazo von Lüttich.
Noch bis in seine letzte Lebenszeit bewegte er sich jedoch
im Dienste seiner klösterlichen Bestrebungen. So mochte er
») V. Popp. c. 28.
») ib. c. 32.
295
noch in Hantmont eingegriffen haben, wo wir im Jahre 1046
zuerst an Folcuins Stelle einen Schüler Poppos, Everhelm,
seinen späteren Biographen, antreffen. Sicher ist seine Wirk-
samkeit im letzten Jahre für St Vaast und Marehiennes be-
zeugt In jenem Kloster war nach Leduins Hinscheiden, am
2. Januar 1047, auf Veranlassung Bischof Gerhards und Bal-
duins von Flandern Johannes Abt geworden. Als er nach
kurzer Zeit starb, berief der Markgraf den Abt von Stablo
zum zweiten Male nach Arras. Der Kaiser befand sich im
Herbst dieses Jahres im Kampfe mit Herzog Gotfried von
LfOthringen, der auch den Markgrafen von Flandern zu seinen
Anhängern zählte. Der Krieg hatte sich um Nymwegen con-
centriert, dessen Pfalz Gotfried verwüstete.*) Von einem Reichs-
feinde zu kirchlichen Zwecken beschieden, bedurfte Poppe der
Erlaubnis des Königs, den er in Nymwegen aufsuchte.^) Hier
traf er auch Wazo von Lttttich, der dem Kaiser treu geblieben
war und jetzt Poppe nach Erledigung der Geschäfte mit in
seine Residenz nahm.
Erfahren wir, dass Poppe in St Vaast, wo er am 13. No-
vember in der Umgebung Balduins nachzuweisen ist^), Wazos
Bruder Emmelin die äussere Verwaltung übertrug, so werden
wir hierin das Resultat der Ltttticher Besprechungen vor uns
haben.^) Als Poppe, den nahen Tod vorausftthlend , von
St Vaast schied, hinterliess er den Mönchen ein Andenken an
seine Freigebigkeit: dreihundert Tage nach seiner Abreise
sollten die Brttder täglich einen Trunk Wein mehr erhalten.
Aber der Abt konnte in sein Stammkloster nicht mehr zurttck-
kehren. Noch unterwegs berief ihn dek Markgraf nach Mar-
ehiennes, wo Abt Alberich eben am 2. Januar 1048 gestorben
war. Auch hier kamen die Brttder dem greisen und allver-
1) Ann. Leod. 1047.
^) V. Popp. c. 26; von Ladewig S. 73 missverstanden. Ebenso un-
annehmbar ist seine Conjectur auf S. 157, für: Et primwn a Naumene dvi-
tote cum Wazone episcopo Leodium devenit zu lesen : Et pritnum in Nau-
mene civitatem cum Wazone episcopo Leodienai devenit, die er in der
falschen Annahme vorschlägt, dass Naumene Namur sei.
3) van Lokeren nr. 127. Urk. Balduins für Mont-Blandain. In St. Vaast
am 13. Nov. 1047 ausgestellt mit dem 8. Fopponis dthaJtia,
*) V. Popp, c 26.
296
ehrten Abte frenndlieh entgegen and nahmen seine Anord-
nungen gern an. Poppo konnte sehwerlieh mehr thnn, als
dem Bruder Baldnin die äussere Leitung der Gesehäfte zu
übertragen: denn noch in Marehiennes rief ihn der Tod ab.')
Nach einer qualvollen Nacht besehied er fiebernd am
Morgen des 25. Januar Everhelm, den Abt von Hautmont, und
die übrigen Brüder zu sich und sagte ihnen, dass er sein Ende
nahe ftthle. Er Hess sich von seinem Schüler die Sterbesacra-
mente reichen, verlor dann die Besinnung während des Be-
sponsoriums, das die Mönche sangen, konnte aber noch seine
letzten Anordnungen treffen über die Hinterlassenschaft, die er
Kirchen, Freunden und Armen vermachte. Theoderich, seinen
Zögling, ernannte er zum Abt von St. Maximin, während er
die Entscheidung über Stablo ablehnte. Er segnete die Seinen,
betete, dann war es aus.^)
Auf gefrorenen Strassen über Eis und Schnee bewegte
sich der Trauerzug in der Richtung auf Lüttich. Aus den
Thoren der Stadt wälzte sich ihm eine Procession entgegen,
voran Wazo, der Bischof, dann dunkle Mönchsreihen, die Con-
gregationen der Lütticher Klöster mit Kreuzen, Fackeln und
Weihrauchkesseln. Dann ging es weiter nach Stablo. Scharen
von Klagenden und Neugierigen hatten sich angeschlossen,
während der Bischof jetzt an der Spitze einherschritt So ge-
langte man nach dem Kloster. Unter Gepränge und lauter
Teilnahme wurde der Tote nach einer feierlichen Messe in
der Crypta der neuen Kirche beigesetzt. Man legte ihm ausser
einem Kelche ein Schreiben mit ins Grab, das Richard, sein
vornehmster Lehrer, einst über die Nächstenliebe an ihn ge-
richtet, über die Tugend, die wie ein Band beider Wirksam-
keit umschlungen hatte.^)
Im ganzen war es ein Leben, dessen Höhepunkt innerhalb
weniger Jahre lag. Der Laune eines leicht zu beeinflussenden,
kirchlich gleichgültigen, principienlosen Herrschers verdankte
er eine kurze Gunst, wohl zum Teil die Folge politischer
*) V. Popp. c. 27; Ladewig S. 74.
>) V. Popp. c. 27. Für das Datum vgl. ausser den von Ladewig
S. 112 angeführten Stellen die Necrologien von St Vannes und Echtemacb,
N. Arch. XV, 127. 138.
») V. Popp. c. 30.
297
Dienste. An impulsiver Kraft nnd schöpferischer Arbeit ist er
mit Richard nicht zu vergleichen.
Wie Bischof Richard dem Abte von St. Vannes nach we-
nigen Monaten in die Ewigkeit folgte, so überlebte auch Wazo
seinen Freand nur kurze Zeit. Ein Stern leuchtete noch am
kirchlichen Himmel; noch lebte Qdilo. Aber auch er ver-
brachte diese Tage in steter Vorbereitung auf das Jenseits.
III.
Am 23. April verliess Odilo Rom ^) nach einem Aufenthalt
von genau vier Monaten. Der Rückweg fUhrte durch Ligurien,
über Turin, den kleinen St Bernhard und den Jura, wo der
Abt das Kloster Nantua berührte.^) Die ein dreiviertel Jahr,
die er noch in Gluni zubrachte, verlebte er in einer seine
Kräfte übersteigenden Askese, den klösterlichen Hebungen des
Fastens, Betons und Wachens ganz hingegeben.^) Endlich
raffte er sich noch einmal auf. Wie Wilhelm von St. Benigne,
fasste er im October 1048 den Entschluss, vor seinem Tode
noch alle seine Klöster und Gellen zu besuchen, die Brüder
zu prüfen und zu ermahnen. Gleich bei Beginn seiner Rund-
reise kam er nach Souvigny, des Majolus Grabstätte. Schon
dort musste er die Hoffnung aufgeben, weiterzukommen. Zwei
Monate nach seiner Einkehr in Souvigny am 11. December
hielt er in der Kirche noch die Messe ab; als er sich am
nächsten Tage aber anschickte, nach Cluni zurückzukehren,
befiel ihn ein heftiger Leibschmerz, der ihn sechs Tage nach
einander nicht verliess. Dann wurden seine Leiden zwar
linder, aber er vermochte nichts mehr zu sich zu nehmen oder
bei sich zu behalten.^) Nach wenigen Wochen, am Silvester-
abend des Jahres 1048^), machte ein sanfter Tod seinem Leben
») N. Arch.XV, 121.
«) Jota. V. Odü. n, c. 10. 11. 21 und N. Arch. a. a. 0.
») V. Odil. I, c. 14 und N. Arch. a. a. 0.
*) Bericht der Mönche von Suavigny über Odiles Tod bei Mabillon,
Acta SS. VI, 1. Elog. S. Odü. XIH, c. 124.
^) Jota. y. OdU. I, c. 14: Decessit vero vir sanctw nocte CircumciaiO'
nis (lomini nostri lesu Christi, in prima vigilia noctis, quae etiam do-
minica habebatw, aetatis suae anno octingentesimo septimo, ordinationis
vero quinquagesimo sexto, anno etiam dominicae incamationis miUesimo
quadragesimo nono; vgl. Damiani Vita c.SO-, Richard! Chron. Clan. (HF
298
ein Ende: im Alter von seehsnndachtzig Jahren yerschied Odilo,
ohne einen Nachfolger bestellt zn haben.
Das Ableben des hochverehrten Abtes erregte das gewal-
tigste Aufsehen. Von allen Seiten strömten die Brttder herbei,
um ihrem Oberen, dessen Leib einbalsamiert und drei Tage
lang vor dem Altar der Kirche ausgestellt wurde, die letzten
Ehren zu erweisen. Die ganze Provinz kam zu seinen Exequien
zusammen. Von seinen Schülern wurde Odilo in einer neuen,
in Fels gehauenen Gruft beigesetzt
Odilo war der Mann, der seiner Zeit den Stempel aufge-
drückt hat Er war der vornehmste Repräsentant der Welt-
anschauung, die im Erdenleben nur die Vorbereitung zum himm-
lischen erblickte und auf Schritt und Tritt sich an das Vorbild
Christi klammerte. Er erhob diese Geistesrichtung zur herr-
schenden, er zwang sie dem Könige von Frankreich und den
grossen Vasallen der Krone auf, er flösste sie dem deutschen
Kaiser und den Königen von Spanien und Ungarn ein, er ver-
stand es, durch sie revolutionär unter den Grossen wie im
Volke zu wirken. Er machte das MOnchtum hoffähig, brachte
XI, 285); Annal. Nivem. 1049; ChroD. Dolense 1049 (Labbe I, 316); Herrn.
Contr. ChroD. 1049: Odilo venerabilis duniacensia coenobii et müUorum
pater monasteriorwn 4. Non. lan. migravit ad Dominum^ wo das Datum
falsch ist Die Jahresangaben schwanken zwischen 1049 und 1048. 1048
hat das Chron. S. Max. (Chron. des 6gl. d'Anjou p. 897), Chron. Wilh.
Godelli (HF XI, 283). — Von Necrologien nennen das Datum Necrol.
S. Ben. bei Montfancon II, 1 1 60 ; Necrol. S. Maxim, bei Houtheim, Prodro-
mus II, 466 ff.: Kai lan.; Martyrolog. Autissiodor. bei Martene et Durand,
Collect, ampl. VI, 686 : Cal lan, Ipsa die in territorio Arvemensi cefiobio
SUviniaco depasitio damni Odüonia Clunia^emis ahbatia; Necrol. S. German.
bei Bouillart, Hist. de S. Germain des Prez pr. GVIU: Kai, lan.; NecroL
S. Salvat Taur. (Hist. mon. Patr. UI, 214): Kai lan.; das Necrol. mon.
Casin. bei Carusius, Bibl. hist. reg. Sic. (Palermo 1723) I, 523: Ftidie Kai
lan.; Martyr. Herm. d. Lahmen (Forsch, z. d. G. XXV, 209) z. 2. Jan. 1049.
Das Necrologium von Taloire ed. Bresslau, N. Arch. XI, 103 hat zu Id.
Dec.: Obiit domnw Odilo abbas. Es beruht aber, wie ans dieser und
andern Stellen hervorgeht, auf dem Obituarium Lugdun. ed. Guigue 1867,
wo zu demselben Tage zu lesen ist: Odilo conversus Älveriae. Es han-
delt sich also nur um ein Missverständnis. — Eigentümlich ist, dass Odilo
nach späteren Quellen als virgo centenaritu gestorben sein soll, Clari
Chron. Senon., SS. XXVI, 32; Chron. Wilh. Godelli a. a. 0.; Chr. Strozzian.,
HF XI, 294.
299
es in einfluBseiche Stellungen and erfüllte das Beamtentum
mit mönchischem Geiste. Er war typisch für das elfte Jahr-
hundert, wie Bernhard von Clairvaux für das zwölfte. Mit
diesem hatte er auch das Visionäre der Erscheinung gemein-
sam. Er thut Wunder, wie der grosse Cisterzienser. Drei
Mittel sind es, durch die er wirkt: durch Gebete, durch das
Zeichen des Kreuzes und den Becher des hl. Majolus. Je nach
der Art des zu heilenden Schadens werden sie angewandt Er
liebt zwar nicht, dass die Menge davon spricht, aber er glaubt
doch felsenfest an die Wirkung der ihm gegebenen Kräfte.
In der Biographie Jotsalds ist das äussere Leben des Hel-
den in nichts zerflossen; der Verfasser erhebt die vier Gar-
dinaltugenden zum Einteilungsprincip: es ist ein Heiliger, der
uns vorgeführt wird, und zwar nicht ein künstlich ausstaffierter
Heiliger vergangener Jahrhunderte, sondern Odilo ist vor kur-
zem erst gestorben, das Ideal seiner Geistesgenossen , von
dessen Leben nur eins ausführlicher Schilderung wert schien
— der Tod.
Und doch hat Odilo ein äusserst wechselreiches und von
rastlosem Schaffen erfülltes Leben geführt Ohne Unterlass
hat er am Ruhme seines Klosters gearbeitet Unermüdlich
reiste er von Kloster zu Kloster, zog er an die Höfe; wie häufig
eilte er über die Alpen, um im Gefolge und unter der Gunst
der .deutschen Kaiser die nötigen Geschäfte in Italien und an
der Curie zu besorgen. Er war durch den italienischen Besitz
seines Klosters und die Beziehungen zum römischen Stuhl öfter
zu solchen Reisen gezwungen. Der religiöse Zug nach Rom,
der Stadt der Apostel, wirkte ebenso stark auf ihn, als der
Wunsch, den römischen Stuhl von den Adelsgewalten firei in
idealer Weise seine Herrschaft über die gesamte Kirche aus-
üben zu sehen. Die Hoffnung, dass dies die deutschen Waffen
bewirkten, die Hoffnung auf die Fürsprache der deutschen
Könige beim Papste war auf jeden Fall bestimmend für ihn,
um ihr Erscheinen jedesmal abzuwarten.
Wir werden später im Zusammenhang die Stellung zu er-
örtern haben, die Odilo und seine Gesinnungsgenossen den
grossen Fragen der Zeit gegenüber einnahmen, wir werden
uns über die Ziele und Tendenzen der ganzen Richtung zu
verständigen haben. Hier haben wir es nur mit dem Person-
800
liehen zu than. Seine Ideale waren noch immer die seiner
Vorgänger: das Reich Christi auf Erden zu verwirkliehen. Es
ist kein Zufall, dass seine Predigten sich ausschliesslich auf
christliche Festtage, auf das Leben Christi und das Symbol
des Kreuzes beziehen, dass sie ebenso mystische Ueberschweng-
lichkeit verraten , als jeden Bezug auf Verhältnisse seiner Zeit
vermissen lassen. Friede zu predigen, die Streitenden zu ver*
söhnen, die Unterliegenden zu schützen, das war die Politik, die
er vertrat. Deshalb beteiligte er sich so rege an den Friedens-
bestrebungen der französischen Kirche. Seine Thätigkeit war
dem Zwecke gewidmet, den Geist der Weltflucht zu nähren,
den Weltflüchtigen sichere Asyle zu schaffen, die vorhandenen
durch festen Zusammenschluss und möglichst grosse Freiheiten
gegen Anfechtungen, inneren und äusseren Verfall zu wahren.
Der Seelenfang ist es auch, was ihm am meisten Befriedigung
gewährt. 0
Hatte das Mönchtum es verstanden, Robert von Frankreich
seinen Tendenzen geneigt zu machen, so ist es doch begreif-
lich, dass diese Eroberung der Gemüter nicht ohne Widerstand
von statten ging.^) Mit Sorge sah der hohe Weltclerus, das
geistliche Fürstentum, die mönchischen Lebensgewohnheiten
alle Lebenskreise durchdringen. Es war der Moment, in dem
beide Weltanschauungen an einander stiessen: das national galli-
canische Element mit dem universal romanischen. Als Führer
und Träger der jungen, von idealer Begeisterung getragenen,
beständig in siegreichem Fortschritt begriffenen monachistischen
Richtung genoss Odilo ein fast übermenschliches Ansehen. Fnl-
bert von Chartres unterwarf seinen Lebenswandel dem Urteil
des Abtes.^) »Als glänzendsten Spiegel hat Gott Euch in die
Welt gesetzt*', schrieben ihm die Domherren von Chartres, als
sie bei einem Streit um das Bistum nach Fulberts Tode um
seinen Beistand baten.^) Selbst Leute, wie Leotherich von
Sens, der stolze Primas Galliens, konnten trotz allen Wider-
strebens sich seinem Einfluss nicht entziehen.^) An den Höfen
1) Vgl. JotB.I, C.11.
') S. oben S. 32. Von Anfeindungen spricht Jotsald I, c. 12.
3) Odü. epist. 1, Migne 192, 939.
*) Fulb. epist. 138.
«0 Epist. 75.
301
war Odilo Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit^), ein mit
hoher Achtang begrttsster Gast Wir haben gesehen, dass er
den Zeitgenossen an der Spitze der ihn begleitenden Mönehs-
scharen wie ein Fürst erschien; wo er hinkam, hielt er förmlich
Aadienz: da trafen Aebte and Mönche der Nachbarschaft ein,
am ihn za begrttssen.^) Die Wander, die er that, setzten seine
Umgebang in Erstaanen; die Messen and Gebete seiner Mönche
machte der Glaabe zam sichersten Mittel, das Seelenheil za
gewinnen.
Es ist aber kaam za verkennen, dass dieser Einfloss des
Abtes am Anfang der dreissiger Jahre des elften Jahrhunderts
seinen Höhepunkt erreicht hatte, genau so wie der Poppos
im dentsehen Reiche. Mit dem Tode Roberts IL lockerten
sich die Beziehungen zum französischen, mit der Eroberung
Burgunds durch Konrad II. die zum deutsehen Hofe. Die
Kolonisation des burgundischen Reiches durch Cluniacenser-
mönche ruhte vor der Hand. Mit dem Auftreten Benedicts IX.
fiel jede Verbindung mit dem römischen Stuhle fort Es waren
jene gewitterschwülen Jahre, in denen die Uebel der Zeit in
der gesamten Christenheit in angsterregender Weise ihr Haupt
erhoben und die Aufmerksamkeit aller Wohlgesinnten auf sich
lenkten, jene Zeit, in der furchtbare Notstände und Seuchen
die religiöse Erhebung fast niederbrachen, zu angenblicklicher
practischer Hilfe aufforderten, aber den Schwung der Seele
lähmten, es war jene Zeit, in der die schöne Entfaltung reli-
giöser Verinnerlichung der starren Betonung des kirchlichen
Rechtes weichen musste. Man kann nicht übersehen, dass
diese Ermattung der freien religiösen Begeisterung auch in
der Abnahme der Schenkungen, die Cluni in jenen Jahren
erhielt, zu Tage tritt.
Odilo hatte noch die Freude, den energischen Eingriff
Heinrichs III. in die römischen Verhältnisse zu erleben. Da
war alle Zwistigkeit vergessen: er eilte nach Rom, um die
Hoffnung auf Besserung mit ins Grab zu nehmen. Noch ein-
mal erschien der mehr als Achtzigjährige hier im Glänze und
^) Vgl. Jota. II, c. 12, wo Heinrich IL ihm einst bei einem Mahle für
seine Tafel vom eigenen Tisch ein Qefäss mit Gewürzen schickt.
») Jets. V. OdU. II, c. 8.
302
in dem Ansehen seiner jüngeren Jahre. So stand dieser ehr-
würdige Greis in der Morgenröte einer neuen Zeit, als er starb
znm untröstlichen Sehmerze seiner treuen Jünger. Die Sonne
schien sich zu verfinstern, der Mond zu erbleichen, die Sterne
zu zerschellen und der Himmel zu schwanken.^) Jotsald, sein
vertrauter Schüler, schlug in die Saiten: immer wieder be-
klagte er den Hingang seines Abtes, pries er seine Tugenden,
malte in glühenden Farben seinen Empfang im Himmel und
empfahl sich und seine Freunde — dem neuen Heiligen.^)
8. Der Sieg der Reform.
Die Opposition gegen Heinrichs Kirchenpolitik.
Kurz vor seinem Tode hatte Odilo den Prior Hugo nach
Deutschland entsandt, um dem Kloster Peterlingen die Gunst
Heinrichs III, die es verloren hatte, wieder zu verschafifen.
Auf der Heimreise traf Hugo die Kunde vom Ableben des
Abtes: er war vielleicht noch nicht beigesetzt, als der Prior in
die Capitelssitzung trat, wo die Mönche über den Tod Odilos
klagten.^) In Besanfon soll Hugo mit dem Bischöfe Bruno
von Toul, der nach Rom zog, um seinen Pontificat anzutreten,
zusammengetroffen sein^): eine Nachricht, die dadurch ver-
dächtig ist, weil sie, von einem unglaubwürdigen Autor vor-
getragen, in engster Verbindung mit durchaus unhaltbaren
Dingen berichtet wird. Denn dass in Hugos Gesellschaft sieh
damals der Mönch Hildebrand befunden habe, wird man um
so eher aufgeben müssen, als eine glaubwürdigere Quelle ihn
von Anfang an in Leos Umgebung sein lässt und an einen
Aufenthalt oder einen Profess Hildebrands in Cluni gar nicht
1) Vgl. N. Arch. XV, 124, Str. 5.
') Vgl. seinen Planctus (Bibl. Glun. col. 329 f ) und die übrigen von
mir verüffentlichten Gedichte, N. Arch. XV, 122 ff.
') HUdeberti V. Hugonis c.l.
*) Bonizonis liber ad amicum V, Libelli de lite I, 587; vgl. Lehmann,
Forschungen zur Gesch. des Abtes Hugo von Glany S. 7ß; L'Huillier, Vie
de Saint-Hugues, Paris 1888, p. 45 schliesst Besan^on aus, indes sind seine
Gründe nicht stichhaltig, wenn er meint, dass Hugo dann einen Umweg
gemacht hätte.
308
zn denken isi^) Genan zur selben Zeit erfolgte auf dem
römiBehen Stahle, wie auf dem Abtsitz in Glnni ein Wechsel:
dass dort Leo IX, hier der Prior Hugo von Semar die vacante
Würde erlangten, war für die Folgezeit von nicht geringer
Bedentang.
Die Erhebung des Bischofs von Tool auf den Stahl Petri
bezeichnete in der Kirchenpolitik Heinrichs einen vollkomme-
nen Umschwung. Die deutschen Bischöfe, die er bisher nach
Rom geschickt hatte, waren Männer der alten deutschen Kirche,
persönlich ehrenhafte und pflichttreue KirchenfUrsten , dem
Oberhaupt des Reiches treu ergeben, aber ohne hierarchische
Grundsätze, ohne Verständnis fUr die Superiorität der Kirche,
ohne das agitatorische Talent, das die Begeisterung ftlr ein
Ideal hervorzurufen und zu nähren pflegt. Als Damasus IL
nach einem Regiment von nur wenigen Wochen gestorben war,
^) Will, Die Anfänge der Restaaration der Kirche S. 26 schliesst sich
ganz Bonizo an. An einem Aufenthalt Hildebrands in Gluni hält Giese-
brecht auch II (5. Aufl.), 456 fest, obgleich die Gegengründe Steindorffs
II, 72—75 und namentlich das, was Härtens, War Gregor VII. Münch?
S. 24 ff., 41 ff., 49 ff. bemerlLt, ausschliessen, dass Hildebrand je in Clani
gewesen ist; vgl. Schirmer, De Hildebrando subdiacono, 1860, p. 81 ff. —
Was Boniso als Resultat der Einwirkung Hildebrands in Besannen hin-
stellt, widerspricht den Nachrichten der Wiberti V. Brunonis und Bruno
von Segni (Lib. II, 547). Dass Bruno schon Ton Toal im Pilgergewand
auszog, hat auch Giesebrecht U, 671 anerkannt. Aber überhaupt die ganze
Auffassung seiner Erhebung durch den Kaiser als eine uncanonische, die
Bruno nach Bonizo erst durch Hildebrand imputiert sein soll, hat er nach
Wibert II, c. 2 in Worms schon besessen, wenn er die Wahl annimmt ea
conditione, si mtdiret totiua cleri ac Bomani popiUi comnwnem esse sine
dubio consensum. Die Einwirkung Hildebrands verlegt dann Bruno von
Segni, der vieles von Papst Gregor selbst gehört hatte, nach Worms.
Wenn Beno, Gesta Rom. eccl. II, c. 9 sagt: In cuius camitatu nitnia im-
peratoris indtUgentia permissus est reverti Hüdebrandus . . . Brunani igi-
twr in itinere muUa loqttendo se subposuit, so würde auch daraus her-
vorgehen, dass Hildebrand von vornherein in Brunos Umgebung war.
Wenn Giesebrecht S. 456 sagt: „Dass Hildebrand nur ungern Gluni ver-
liess, wissen wir aus seinem eigenen Munde*, so ist das durchaus un-
richtig. Aus seinem eigenen Munde wissen wir nur, dass er Bruno un-
gern nach Rom folgte — von Cluni ist nirgend die Rede. Und das ent-
spricht genau dem, was Bruno von Segni erzählt, dass Hildebrand sich
anfangs weigerte, Bruno zu folgen, und zwar nicht, was Giesebrecht an-
zunehmen scheint, well es ihm in Cluni so gut gefiel, sondern weil Bruno
seiner Anschauung nach uncanonisch gewählt war.
304
dachte der Kaiser zunächst wieder daran, einen deutschen
Bischof aus den eisrhenanischen Gebieten zu ernennen. Aber
wird uns auf der einen Seite berichtet, dass der deutsehe
Episcopat durch die rasch hintereinander erfolgten Todesfälle
entmutigt war^, so kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit
annehmen, dass bereits eine Richtung die Oberhand gewonnen
hatte, die in den westlichen Teilen des Reiches Anhänger
zählte und sich der kirchenrechtlichen Grundlagen des Papst-
tums zu besinnen anfing. Es war die Reaction gegen die Ge-
waltherrschaft, die Heinrich III. über den römischen Stuhl aus-
übte. Denn man wurde sich klar darüber, dass es kein nor-
maler und hergebrachter Zustand war, wenn der Kaiser nach
Belieben Päpste ein- und absetzte. Man hatte die Willkttr-
herrschaft des römischen Adels schwer genug empfunden, um
nicht jetzt flir die Kirche die Freiheit zu fordern, die ihr die
alten Canones gewährleisteten. Den Canones gegenüber hatte
der Kaiser, mochte er noch so kirchlich gesinnt sein, nicht
mehr Recht, als der gewaltthätigste römische Stadttyrann.
Nicht im cluniacensischen Mönchtnm, nicht in den italie-
nischen Eremitencongregationen, sondern im niederlothringi-
schen Episcopat kommen die neuen kirchenrechtlichen An-
schauungen zuerst zum Vorschein.^) Die Cluniacenser waren
Idealisten ohne eine andere festgesteckte Marschroute, als das
Evangelium und die Benedictinerregel. Sie wünschten eine von
Lastern freie Kirche; aber die Wege, die dahin führten, waren
ihnen gleichgültig. Neben ihnen traten jetzt aber die starren
Legisten in die Arena. Wenn Wazo von Lüttil^h dem Kö-
nige erklärte, dass die Salbung des Priesters die des Königs
um so viel überrage, als das Leben mehr sei, denn der
Tod^), so spricht sich darin ein in dieser Zeit unerhörtes
Bewusstsein von der Hoheit des geistlichen Amtes ans, ein
Selbstbewusstsein, das die Grundlage für die Tendenzen
^) Vgl. Bonizo a. a. 0. : episcopis quippe nolentibus Bomam tendere;
Bruno von Segni, Lib. II, 537: Timebat enim gens iüa huius nostrae
terrae hahitationemf utpote quae de locis aanisnmis ad loca infirma trans-
mearet,
^) Vgl. Cauchie, La querelle des investitures etc. p.LXXX.
>) Anselmi Gesta episc. Leod., SS. VII, 229; vgl. Cauchie p.LXXVI.
305
Hildebrands geworden ist. Das Mönchtum sah im Mönehs-
leben die Verwirklichnng des christlichen Ideals; und in so-
fern fühlten sich seine Mitglieder mehr als Laien nnd Priester.
Nur die innere Moralität wurde zum Massstabe der äusseren
Würdigkeit. Aber es lag nicht im Bereiche seiner Ten-
denzen, den Gegensatz zwischen der Priesterweihe nnd der des
Königs in dieser Stärke zu betonen: um so weniger, als das
Mönchtum dem Weltclerus in der Regel selbst schroff gegen-
über stand. Seit jeher hatte die reformatorische Richtung im
Klosterwesen sich der weltlichen Macht aufs engste ange-
schlossen und mit ihrer Hülfe sich von der Weltgeistlichkeit
zu emancipieren gesucht: überall war die Voraussetzung die
Superiorität des Königtums. Man braucht nur an Abbo zu
denken, der von allen Führern der Mönchspartei der beste
Rechtskenner und der eifrigste Ultramontane war: die Ober-
hoheit der Krone über alle weltliche wie geistliche Grosse ist
fUr ihn die Grundlage alles Staatsrechts.^) Die Mönche schied
keine durch die Weihe empfangene Amtsgnade von den Laien.
Aber mit dem drückenden Bewusstsein der Abhängigkeit von
der weltlichen Macht und den Misständen, die die willkür-
lichen Eingriffe des Laientums herbeigeführt hatten, wuchs bei
dem Glerus das Gefühl der Begnadung, der Superiorität den
Laien gegenüber: ein Gefühl, das durch das erneute Studium
des canonischen Rechts, vor allem des Pseudo-Isidor, genährt,
zu scharfem Ausdruck der Scheidung hindrängte.
Nur von clerikaler Seite wurde die Berechtigung des Kai-
sers, über den päpstlichen Stuhl zu verfügen, angefochten.
Wenigstens wissen wir nur von Aeusserungen Wazos von
Lüttich und eines, wie es scheint, niederlothringischen Gleri-
kers.^) Es ist da bezeichnend, dass Wazo sich selbst auf die
^) S. Sacknr, Zu den Streitschriften des Deusdedit and Hugo von
Fleury, N. Arch. XVI, 371.
>) Gedruckt zuerst Forsch, z. D. Gesch. XX, 570--586; dann Libelli
de Ute 1, 8—14. Die Herausgeber halten den Verfasser für einen Fran-
zosen. Indes ist das sehr unwahrscheinlich. Dass die Adressaten fran-
zösische Bischöfe sind, wird allerdings nicht bezweifelt werden dürfen,
wie sich aus den Worten: Episcopi Franciae non invitati sunt ergiebt
Wenn aber der Ver&sser p. 9 meint: Si igitwr per vestram exortationem
et hanc sagacuiaimam inceptionem etnico episcopi v es tri omnes ubicumque
Saokar, ClnulAcenaer. II. 20
306
alten Papstdecrete nnd Canones beruft ^), und dasB der erwähnte
Cleriker in jenem Schreiben seine Ansichten fast aasschliess-
lich durch zahlreiche Stellen aus dem Pseudo-Isidor stützt Es
ist die erste polemische Schrift des elften Jahrhunderts, die
eine ausgebreitete Kenntnis der unechten Decretalen verrät
Wenn Wazo von Lttttich die Ansicht vertritt 3), dass kein Papst,
möge seine Lebensweise sein, wie sie wolle, von irgend jeman-
dem augeklagt, geschweige abgeurteilt werden dürfe, so verrät
schon der Wortlaut seiner Aeusserungen, dass er seine Theo-
rieen Pseudo-Isidor verdankt^) Die Einmischung der welt-
lichen Macht in kirchliche Dinge bekämpft er^), wie Pseudo-
Isidor. Für ihn ist Gregor VI. ganz zu Unrecht abgesetzt
worden; er verlangt deshalb, dass er nach Clemens' IL Tode
wieder restituiert werde.^) Ebenso hält der Cleriker, der fran-
zösischen Bischöfen auf eine kirchenpolitische Frage antwortet,
cum niagistris suis ad hoc loquuntuvj so deutet der Ausdruck episcopi
vestri auf eine verschiedene Nationalität des Autors und der Bischöfe.
Dasselbe ist aus episcopi Franciae zu schliessen. Denn da der Vf jede
deutliche Bezeichnung und Namensnennung sonst sichtlich vermeidet, so
würde er auch in diesem Falle episcopi nostri gesetzt haben, wenn er
Franzose wäre. Ein oberdeutscher oder sächsischer Cleriker würde frei-
lich in so abfälliger Weise von Heinrich nicht gesprochen haben; da aber
analoge Anschauungen in Niederlothringen nachweisbar sind, so nehme
ich keinen Anstand, den Verfasser in diese Gegenden zu versetzen. Dazu
kommt, dass die Dunkelheit der Wendungen und die Vorsicht, nähere
Anspielungen zu vermeiden, eher auf einen Unterthan des Kaisers, als
einen Ausländer hinweist. Zu beachten ist aber vor allem, dass das
Stück gerade in einem Leidener Codex überliefert ist.
' 1) SS. XIV, 117; Ans. Gesta episc. Leod. c. 65. Wazo studierte: gesta
pontificum Bomanorum, hinc eorundem decretaj hinc autenticos canones
capitulare recensere sollicitus fuit
^) In quibus diligenter revoluiis nihü aliud qu>am summum ponti-
ficemf cuiuscumque vitae fueritj summo honore haberif eum a nemine un-
quam iudicari opportere, immo nuüius inferioris gradus accusationem ad-
versus superiorem redpi debere, invenire potuit Dem Kaiser schrieb Wazo
nach Clemens' II. Tode : summum pontificem a nemine nisi a solo Deo
diiudieari debere,
>) Vgl. Capit. Angilr. c. 51, Hinschius, Decret. Pseudoisid. p. 766.
*) Anselm c. 57: eo quod discutiendas episcoporum super ecclesiasticis
ordinibus causas nequam iUi utpote laicOj sed summo pontifici assignavit;
c. 58. Dem Kaiser sagte er: Vobis de secularibuSf iüi rationem reddere
debemus de his quae ad divinum officium attinere videWtwr,
0 Anselm c. 65.
307
das Verfahren gegen Gregor VI, wenn er auch durch Simonie
auf den päpstlichen Stuhl sich geschwungen, fllr durchaus un-
canonisch. Er verlangt, dass sämtliche Bischöfe der Kirche
bei der Papstwahl anwesend seien oder wenigstens ihre Zu-
stimmung gäben 1): den nicht zur Ordination geladenen er-
wachse keine Verpflichtung der Obödienz. Ganz wie der
Bischof von Lüttich bei Gelegenheit der Beratung über Wigger
von Ravenna streng zwischen dem weltlichen Richteramt des
Kaisers und dem geistlichen des Papstes schied, so unter-
scheidet auch der Briefschreiber zwischen der geistlichen und
weltlichen Amtsbefugniss.^) Auch er betont, dass die Kaiser
den Bischöfen untergeben seien. Laien haben in Kirchensachen
durchaus nicht mitzusprechen, tönt es aus beider Munde. Darum
war auch, wie der Cleriker meint, das Geständnis Gregors un-
gültig, weil es durch den Druck des Kaisers, der kein Recht
hatte, es zu fordern, erzwungen war. Wenn in der Kirche das
Volk dem Priester beichte, der Priester dem Bischöfe, der
Bischof dem Papste, so kann dieser nur von Gott gerichtet
werden.^) Der Kaiser hatte also kein Recht, den höchsten
Bischof anzutasten. In gleicher Weise ist die Wahl des Bischofs
von Bamberg ungültig, da die Papstwahl dem Volke und vor
allem dem Clerus zusteht. Heinrich habe Gregor auch nur
abgesetzt, weil er ihn für seine Interessen, namentlich seine
anstössige Ehe nicht gefllgig genug gefunden habe, während
Clemens ihm dienen sollte.^)
Ueberall werden diese Behauptungen mit pseudo-isidori-
schen Sätzen gestützt. Es sind Anschauungen, die im gre-
gorianischen Zeitalter zu allgemeinerer Geltung kamen; die-
selben Beispiele aus der Papst- und Kirchengeschichte für die
Superiorität der geistlichen und bischöflichen Gewalt werden
1) Auetor Galliens a. a. 0. p. 1 1 : Episcopi Franciae non invitati sunty
nee dedere consenswm. Qui ergo secemuntur ab Ordinationen absolvantur
et a debito obedierUiae. Meines Wissens eine in dieser Zeit einzig da-
stehende Theorie.
') Auctor Galliens p. 13.
') ib. p. 13: In aecclesia populua sacerdoti, sacerdos episcopo potest
confiterij episcopus sumtno et universali ponti/icif ille auteln aoli Deo, qui
eum 8U0 iuditio reservavit
*) ib. p. 13.
20*
Ö08
später von der päpstlichen Partei ins Feld geführt J) Dass die
kirehenreehtliehen Studien in dieser Zeit in den französischen
Klöstern eine Stätte fanden, ist nirgend recht zu ersehen.^) In-
Clnni gewiss nicht; aber auch in Flenry zeigt Abbos Canonsamm-
lung so wenig Kenntnis der falschen Decretalen, als es andrer-
seits feststeht, dass hier eine royalistische Auffassung selbst
über die Zeit Hildebrands sich traditionell fortpflanzte.^) Da-
gegen ist sicher, dass in den hochentwickelten Schulen der
niederrheinischen Bischofssiädte eben damals das canonische
Recht eifrige Pflege fand, wie tiberhanpt einzelne Bischöfe, ich
erinnere an Fulbert von Charti'es und Burchard von Worms,
bereits am Anfange des elften Jahrhunderts sich kirehenreeht-
liehen Studien mit besonderer Neigung hingaben.
Vom Weltderus ging die Agitation gegen die Politik Hein-
richs III. aus; aber es ist begreiflich, dass auch manche von
denen, die ursprünglich mit der mönchischen Reformpartei
sich über die Reinigung der römischen Kirche und ihre Be-
fi*eiung aus der Gewalt des Adels freuten, bedenklich wurden,
zumal die Uebertragung der Papstwahl auf Heinrich durch die
Römer ^) dessen Gewaltherrschaft zu einer dauernden zu machen
schien. Keine active Abwehr war freilich von dieser Seite zu
erwarten, aber doch eine Zurückhaltung, die schliesslich den
Sieg der legis tischen Opposition herbeiführte. Derartige Ein-
flüsse traten nun bei den folgenden Ereignissen zu Tage.
>) Namentlich das Beispiel Constantins und die Excommuoicatioii
Chariborts duich St. Germanns, beides oft wiederholte Beispiele.
') Halinard wird allerdings Kenntnis des canonischen Rechts nach-
gerühmt (s. o. S. 278), auch Majolus soll rechtskundig gewesen sein (s. Bd.I,
S. 254) ; wie weit diese Kenntnis aber reichte, ist nicht zn ersehen. Die
ganze Gluniacenserlitteratur veriUt, wenn wir Abbo ausnehmen, so wenig
Kenntnis des canonischen Rechts, dass wir ans diesen Bemerkungen kaum
weitergehende Schlüsse werden ziehen dürfen. Pseudo-Isidor war jeden-
falls unbekannt.
») Vgl. N. Arch. XVI, 370 flf.
*) Vgl. Petri Dam. Liber grat. c. 38, p. 71. Vom Patriziat sehe ich
in diesem Zusammenhange ganz ab, da ich zwar glaube, dass der Patriziat
eine gewisse formelle Bedeutung ftir die Papstwahl hatte — indem Hein-
rich III. als Römer anerkannt wurde — , dass aber das Recht essentiell
nur in der besonderen Verleihung der Römer enthalten war.
309
Papst Leo IX.
Nach dem Tode des Damasns erscbienen römische Ge-
sandte am kaiserlichen Hofe und erbaten sich den Erzbischof
Halinard von Lyon, den sie von seinen zahlreichen Pilgernngen,
die er nach Rom nntemahm, kannten und wegen seiner grossen
Sprachkenntnisse und Leutseligkeit hochschätzten. i) Es war
derselbe Mann, der sich bei seiner Erhebung zum Erzbischofe
geweigert hatte, dem Kaiser den Fidelitätseid zu leisten, und
der damals die Unterstützung der drei oberlothringischen Bi-
sehöfe von Metz, Toul und Verdun erhalten hatte. Diesmal
schlug er das höhere Amt entschieden aus, wohl durch die-
selben Gesichtspunkte geleitet, wie der deutsche Episcopat, der
sich ebenfalls zurückzog, angeblich aus Furcht vor römischem
Giffce, und mied sogar das kaiserliche Hoflager, das sich in
Worms befand. Als endlich der Bischof Bruno von Toul die
Wahl annahm, that er es — wenn wir recht unterrichtet sind —
nur unter der Bedingung, dass Clerus und Volk zu Rom sich
einstimmig für ihn entschieden.^) Die allgemeinen canonistischen
Bedenken mögen hier ebenso gewirkt haben, wie der Wunsch,
durch eine einhellige Wahl den Nachstellungen gewisser Par-
teien zu entgehen. Vielleicht hatte sich auch Bruno nur in
der Nachgiebigkeit Heinrichs getäuscht und gehofft, der Kaiser
werde von seiner Erhebung abstehen.
Das wichtigste War nun, dass sich damals am kaiserlichen
Hofe in Worms Hildebrand befand, jener römische Mönch 3),
>) Chron. S. Ben. p. 190. In der Eiureihung der Thatsachen schliesse
ich mich Steindorff II, 54, n. 1 an. Dagegen verlege ich die Unterhand-
lungen mit Halinard nicht nach Sachsen, sondern erst nach Worms. Vgl.
Brucker, L'Alsace et l'^glise au temps du pape Löon IX. I (1889), 185 ff.
>) Wib. V. Leonis II, c. 2; Bruno von Segni, Libelli II, 547. Martens,
Die Besetzung des päpstlichen Stuhles unter den Kaisern Heinrich III.
und Heinrich IV. S. 28 bestreitet die Darstellung Wiberts und Brunos von
Segni überhaupt, soweit sie die Klausel des Bischofs von Toul erwähnt.
Dass die Bedingung gestellt worden ist, glaube ich nicht nur ans der
Uebereinstimmung Wiberts und Brunos, von denen der letztere nach
seiner eigenen Aussage vieles von Gregor VII. selbst erfahren hatte, son-
dern auch daraus schliessen zu dürfen, dass überhaupt gerade in jener
Zeit kirchenrechtlich» Gesichtspunkte eine Rolle zu spielen begannen.
^) Ich zweifle daran trotz der Schrift von Martens, War Gregor VU.
Mönch? nicht, zumal ihn — abgesehen von fast allen Zeitgenossen —
310
der gegen seinen Willen, wie er später gestand, seinem Herrn,
dem abgesetzten Gregor -VI, nach Deutschland hatte folgen
müssen^) Er stand dem Papste, dessen Caplan er war, un-
gemein nahe, wie schon daraus hervorgeht, dass er sich später
als Papst seinen Namen beilegte, und galt offenbar in den
Augen der Gegner des Johannes Gratianus als sein bemerkens-
wertester Ratgeber. Die Forderungen der italienischen Reform-
partei hatte er wohl damals schon zu den seinen gemacht
Beide kamen an den Rhein, vielleicht nach Cöln, wo, wie wir
wissien, Hildebrand sich eifrigen Studien hingab.^) Er mochte
sich nach Gregors Tode auch an verschiedenen Orten des
Cölner Kirchensprengels aufgehalten haben, ehe er nach Worms
zog, um zu studieren und in ein reguläres Kloster einzu-
treten.^) Am Niederrhein blühten die Schulen Wazos von
Lüttich und in Worms stand das Kirchenrecht in hohem An-
sehen. Es ist bezeichnend, dass Bischof Burchard aus Lobbes
in der Diöcese Lüttich stammte^) und dass Olbert von Gem-
bloux, der Freund Wazos, einen grossen Anteil an Burchards
Canonsammlung hatte.^) Im Lütticher Sprengel dürfen wir
also schon früh eine besondere Pflege canonistischer Studien
annehmen.
auch Bruno von Segni so nennt. Wenn Gregor VII. später sagte, er sei
invitus Gregor VI. über die Alpen gefolgt, so konnte das nur den Sinn
einer Entschuldigung den Angriffen derer gegenüber haben, die dem Papste
später vorwarfen, leichtsinnig sein Gelübde gebrochen zu haben.
>) Jaif6, Bibl. rer. Germ. II, 401 : invitus ultra montes cum domino
papa Gregorio abii. Cauchie p. LXXXIII meint mit Bonizo, dass Hilde-
brand dem Papste nur aus Anhänglichkeit gefolgt sei, und sucht zu be-
weisen, dass es nicht deshalb geschab, wcü er vor Heinrich III. weichen
musste. Seine Beweisführung ist aber nicht recht überzeugend. £s können
doch verschiedene Umstände zusammengewirkt haben, um ihn zu der Be-
gleitung zu veranlassen. Die Anhänglichkeit an Gregor VI. steht gar
nicht im Gegensatz zu einem gewissen Zwang, der ihn nötigte, aus
Rom, wo sein Herr compromittiert war, zu weichen.
') Er schrieb später an Anno von Cöln: oh recordatioyieni disci-
plinaCf qua tempore antecessoria vestri in ecclesia Coloniensi enutriti
sumus. Damit ist nicht gesagt, dass er gerade nur in Cöln sich auf-
hielt. Die ecclesia Colonie7isis umfasst die ganze Kirchenprovinz.
*) Bruno von Segni a.a.O.: Iverat autem ille tum discetidi gratia,
tum etiam ut in aliquo religioso loco s^ub beati Bcnedicti regida militaret.
*) Wattenbach, D. Geschichtsqu. I (6. Aufl.), 392.
•*) Gesta abb. Gemblac. c. 27.
311
Zur selben Zeit etwa, in der Gregor VI. mit Hildebrand
in diesen Gegenden weilte, behaupteten Wazo nnd seine Ge-
sinnungsgenossen die Unreehtmässigkeit der Absetzung Gregors
nnd beriefen sich auf das Eirchenrecht. Kann jemand zwei-
feln, dass damals zwischen dem abgesetzten Papste und Hilde-
brand auf der einen und den niederlothringischen Canonisten
auf der andern Seite ein Zusammenhang bestanden hat? Darf
man zweifeln, dass die Studien, denen der römische Mönch in
der Cölner Kirchenprovinz oblag und die «r in Worms fort-
setzen wollte, das Kirchenrecht betrafen, und giebt es eine
andere Annahme, als die, dass Hildebrand seine Anschauungen
von der Freiheit der Kirche eben in diesen Kreisen gebildet
bat und nicht in den Klöstern der Cluniaoenser? ^ Kein Clunia-
censermöneh, sondern ein Jünger der niederlothringisohen Rechts-
Bchulen ist mit ihm auf den Thron der Welt gekommen.
Als Bruno sich anschickte, nach Rom zu ziehen, sprach
er Hildebraad die Bitte aus, ihn zu begleiten: mochte es ihm
zunächst nur darum zu thun sein, seine Kenntnis der römischen
Verhältnisse auszunützen, oder mochte er seine hohe Begabung
und Brauchbarkeit schon durchschaut haben. Hildebrand wei-
gerte sich, Bruno zu folgen 2), indem er ihn auf das uncano-
nische seiner Wahl aufmerksam machte.^) Denn die in der
Reichsversammlung von Bruno gestellte Bedingung kann Hilde-
brand unbekannt geblieben sein. Wie aber auch jener Act in
der Versammlung verlaufen sein mag, in welcher Form und
aus welchen Motiven auch Bruno von Toul jene Klausel erhob,
jedenfalls beruhigte der Bischof den Mönch, der ihm folgte
und dessen Einwirkung auf Bruno von mehreren Schriftstellern
einstimmig überliefert wird. Die Hauptsache war, dass Hilde-
') Das sucht mit vollem Recht auch Cauchie ^yahr9cheinlich zu machen.
Aber er hebt nicht hervor, worauf es ankommt, dass die Quelle der mo-
dernen Anschauungen im Eirchenrecht, vor allem im Psendo-Isidor, zu
suchen ist Vgl. Sackur, Der Dictatus papae, N. Arch. XVIII, 139.
>) Bruno von Segni a. a. 0. Er stimmt hier wieder vortrefflich mit
Gregor VIT. selbst zusammen, der später bemerkte, dass er nur ungern
mit Leo IX. nach Rom zurückgekehrt sei.
>) Hier decken sfch Bruno und Bonizo p. 587, der freilich Hilde-
brands Einwirkung irrig nach Besan^on verlegt. Vgl. auch Beno, Gesta
Rom. eccl. H, c. 9, Libelli II, 379.
312
brand jetat in entscheidende Stellungen einrückte; er warde
zunächst Subdiacon ^) und Finanzminister der römischen Gurie.^)
Etwas später erhielt er die Gardinalspfrttnde von St. Paol.^)
Er war der geheime Ratgeber des Papstes; sein Einfluss ver-
drängte bald den aller älteren Freunde.*)
Darf man somit behaupten, dass unter Leo IX. zuerst der
Einfluss der niederlothringischen Rechtsschulen zu wirken be-
gann, so repräsentierte er — abgesehen davon, dass er bereits
in die Wirkungen der italienischen Reformrichtung eintrat —
persönlich doch noch eine andere Strömung, die cluniacen-
sische. Einem durch seine kirchliche Frömmigkeit ausgezeich-
neten Geschlecht entsprossen, in der Umgebung Bischof Bert-
holds erzogen, in dessen Zeit die ersten EingrifTe Wilhelms in
Toul fallen, ging er völlig in jenem mönchischen Geiste auf,
wie er bereits seit Jahrzehnten unaufhaltsam von Westen her
nach Lothringen wehte. Zu seinem Vorbilde hatte er seinen
Vorgänger, Bischof Gerhard, gemacht*), den Freund des Ma-
jolus von Gluni, eine überspannt asketische Natur. Mit den
Mönchen von St.-:^vre teilte er schon zu Bischof Hermanns Zeit
*) Steindorflf 11, 75.
') Bonizo nennt ihn economum sanct^* Roman^ ecclesi^; dem ent-
spricht ofifenbar, was Wenrich c. 2, Libclli I, 286, und Beno a. a. 0. erzählt.
^) Die Belegstellen siehe bei Martens, War Gregor VII. Mönch? Die
Ausdrücke sind sehr unbestimmt. In einer Urk. Alexanders 11. von 1066
heisst er: coenohii sancti Fault oecononw und sancti Fauli monaaterii
rector; Lambert nennt ihn zu 105S: abbas de sancto PaulOj ähnlich eine
Aufzeichnung, in der er abbas nionasterio S. Pauli unterzeichnet (Mura-
tori, Antiq.VI, 227. 228 bei Martens S.8, der die Echtheit bezweifelt).
Weniger bestimmte Angaben in einem Papstcatalog (Watterich I, 93): ad
rcgendam ecclesiam sancti Faulif und bei Paul von Bemried c. 1 3 : niona-
sterio sancti Fauli praelatus est. Da sein Vorgänger Airard den Titel:
,Abt von St. Paul und Cardinal» führt (Bröcking, Fran?ös. Politik Leos IX.
S. 55), so nehme ich an, dass Hildebrand in seine Stelle eintrat. Als
Cardinais nbdiacon genoss er diese Pfründe, da er ja früher Münch war.
Martens freilich, der letzteres leugnet und mit einer wunderbaren Leich-
tigkeit engegenstehende Zeugnisse beseitigt, meint, Hildebrand sei nur
der weltliche Administrator des Klosters gewesen und habe nur zum
Scheine damals das Mönchgewand angezogen.
*) Vgl. Manegold c. 8, Libelli I, 326.
^) Wib. y. Leonis I, c. 4: quoniam Deo annuente eum prae iüis est
imitatus.
313
Freud und Leid.^ Seine häufigen Romfabrten ^), seine hin-
gebende Frömmigkeit, seine musikalischen Neigungen^) lassen
ihn fast als ein Abbild cluniacensischen Mönchtums erseheinen.
Wie sie, hing er mit allen Fasern an dem Gedanken idealer
Kirchlichkeit Er sieht im Traum eine alte Frauensperson
mit grässlichem Antlitz, zerfetztem Gewände und starrenden,
struppigen Haaren: der Bischof macht ein Kreuz — und sie
stürzt wie tot nieder, um alsbald in wunderbarer Schönheit
wieder zu erstehen. Kein anderer, als Odilo von Cluni ist es
dann, der ihm, wieder in der Vision, den Traum deutet: „Selig
bist Du und Du hast ihre Seele vom Tode gerettet*. Odilo
erschien ihm also als traumdeutender Prophet, als die hervor-
ragendste Stutze des Reformgedankens.'*)
In Rom begannen alsbald die angenommenen Grundsätze
zu wirken. Die Synoden, die Leo hielt, wurden zu förmlichen
Tribunalen, vor welche die angeschuldigten und verdächtigen
Geistlichen geladen wurden. Zum ersten Mal zeigt sich seit
langer Zeit das Besti*eben, dem Papsttum seine universalen
Rechte wiederzu verschaffen, ihm das unbeschränkte Richteramt
über die gesamte Hierarchie der Christenheit zu vindicieren.
Dass Leo ein solches Vorgehen wagen konnte, beweist doch,
dass er die öffentliche Meinung stark auf seiner Seite hatte.
Hierin liegt die Bedeutung des reformatorischen Mönchtums:
man hatte weite Kreise für die Idee einer universalen Kirche
empßlnglich gemacht. Man hatte feine Fäden nach Rom hin
gesponnen.
Bereits in der zweiten Aprilwoche hielt Leo in Rom eine
Synode ab, zu der auch Einladungen wenigstens an einzelne
Mitglieder des französischen Episcopats ergangen waren. Aber,
soviel wir wissen, war der Erzbischof Halinard von Lyon allein
dem Rufe gefolgt^), ßin Kirchenfllrst, der das Auftreten Brunos
0 Wib. Ij c. 6: Compatiebatur equidem tunc temporis adversa passiSf
praesertim venerabüibus venerabilis viri Apri coenobitis . . . Nunc pro eis
murum semet qiuintwfn poterat opponehat, nunc quod aolum poterat cum
flentibus flebat.
') Summa inerat ei devotioj primum pastorem clavigerum coeli annuo
reviaere recursu . . .
8) S. N. Archiv I, 178. *) V. Leonis II, c. 1.
°) Chron. S. Ben. p. 101 : evocatus est ab ipso Borne ad concilium
314
mit besonderer Befriedigung verfolgte nnd sieh in der Folge
als sein trenester Ratgeber erwies. Der Papst begann mit der
Corroboration der vier ersten öeumenisehen Coneilien and mit
der Verkündigung der Verbindlichkeit aller Papstdeerete *) : ein
Beweis, dass Leo die ausgesprochene Absicht hatte, an die
ursprüngliche Tradition anzuknüpfen. Er legte den Grund für
alle späteren Schritte, die eben in der Wiederaufnahme des
alten Kirchenrechts ihre wesentliche Bedeutung hatten. Die
wichtige Frage der Simonie erledigte der Papst anfangs durch
ein Edict, welches die Ungültigkeit aller von Simonisten vor-
genommenen Weihen erklärte; indes begnügte er sich bei der
Erbitterung, die dieser Beschluss im römischen Clerus hervor-
rief — denn er bedeutete nichts anderes, als die Cassierung
der gesamten römischen Geistlichkeit — mit der Bestätigung
der schon von Clemens IL gegebenen Straf bestimmungen.^) Es
wurden bereits einige Bischöfe abgesetzt und Beschlüsse über
Ältarzehnten und incestuose Ehen gefasst.^)
Ueberhaupt stand die Reinigung der italienischen Geist-
lichkeit im Vordergrunde der Bestrebungen Leos. Eine Reihe
von Synoden, die er in Rom, Pavia, Vercelli, Sipontum hielt,
gab ihm die Mittel in die Hand, um sie mit Nachdruck durch-
zuführen. Die Bischöfe von Sutri und Vercelli, der Erzbischof
Humfred von Ravenna wurden ihrer Aemter entsetzt. Dafür
bemühte sich der Papst bereits auf seinen ersten Reisen nach
Lothringen und ins östliche Frankreich, Persönlichkeiten heran-
zuziehen, deren religiöser Eifer und deren Gesinnung ihm guten
Erfolg verbürgte.^) Bereits 1049 nahm er Humbert von Moyen-
domnus archicpiscopus Halifiardtia simulqtie omnes episcopi Qallie ad per-
tradandum inibi de statu et correctione sancte ecclcsie; Bonizo sagt p. 588:
synodum mox congregaxnty in qua divermrum regionum episcopi convefte-
ratU, Bröcking, FranzOs. PoUtik S. 7, n. 2 bestreitet überhaupt, dass fran-
zösische Bischöfe eingeladen worden sind. Aber aus der Thatsache, dass
nur Halinard sicher nachweisbar ist, folgt das nicht.
0 Wib. V. Leonis I, c. 4.
«) Petri Dam. Liber grat. c. Ä7, Libelli I, 70; Manegold c. 20, p. 344;
vgl. Steindorflf II, 79; Will, Die Anfänge der Restauration I, 85.
") Wib. V. Leon. I, c. 4; Bonizo a. a. 0.; Herrn. Aug. 1049; vgl, Petri
Dam. Contra clericos intemp. II, c. 7, Opp. ed. Guetani III, 407; Manegold
c. 23, p. 354.
«) Bonizo a.a. 0. p. 588; vgl. dazu Steindorfif II, 78, n. 2.
315
moutier mit sich und machte ihn zum Erzbischof von Sicilien
und schliesslich zum Cardinalbischof von Silva Candida^); ein
Burgunder, Stephan, wurde Abt und Qardinal^) — es ist wohl
der Abt von St. Thomas, der, wie bereits Humbert, der römi-
schen Synode beiwohnte.^) Aus Remiremont kam Hugo Can-
didus^), aus Compi^gne der spätere Bischof Azelin von Sutri.^)
Unbekannt wann, aber wahrscheinlich bereits im August 1049
brachte Leo aus Lüttich den Bruder des Herzogs Gotfried, den
Archidiacon Friedrich, nach Rom, machte ihn zum Mönch,
später zum Abt von Monte Cassino und zum siebenten Car-
dinaldiacon. Er bestieg schliesslich als Stephan X. den päpst-
lichen Stuhl.«) So sehen wir, wie der lothringische Papst sich
sofort mit Landsleuten umgab, die ein moralisches Ueberge-
wicht Über den italienischen Clerus behaupten sollten. Viel-
leicht ist auch hierin zum Teil der Einfluss Hildebrands er-
kennbar. Gerade die Landesteile, in denen die neuen kirchen-
rechtlichen Tendenzen sich mit denen der französischen Reform
verschmolzen, wurden ausschliesslich für den Dienst der römi-
sehen Curie herangezogen.
Aber so wie Leo in Italien den Geist des lothringisch-
französischen Reformclerus einzupflanzen, diese Richtung mit
der italienisch -reformatorischen zu verschmelzen suchte, so be-
traf seine weitere Fürsorge die Geltendmachung seiner Herr-
schaft in den transalpinischen Ländern. Zum ersten Mal wagte
*) Bonizo a.a.O.; Rieh. Gesta Senon. eccL, SS. XXV, 280: Humber-
tum qiwqiie Mediani-moruiaterii ahbatem (er war nur Mönch) secum ducens
archiepiscopum Sicilie ordinavit, deinde Borna cardituUem ad vices siuia
inipplendas 8e<nim nwrari prccepit Als Humbertua Siciliensis archi^isco-
pu8 unterschreibt er bereits die auf der rümischen Ostersynode von 1050
ausgestellte Ganonisationsbulle fUr Gerhard von Toul, Mabillou, Ann. Ben.
IV, app. p. 739. Dort noch neben ihm : Crescentius Silve Candide episcopus.
') Bonizo a.a.O.: ex Burgxmdionuin getiere Stephanus abbas et cat-
dhialis.
') Mabillon, Ann. Ben. IV, app. p. 739.
*) Bonizo a.a.O.
^) Bonizo a. a. 0. : et ex Compendio quidani Äzolinvji StUrinus epi-
8copii8. Steindorff II, 78 meiot, dass er zu den ersten von Leo creierten
Cardinälen gehört habe. Indes fehlt er noch unter den 1050 in Rom ver-
sammelten.
^) Bonizo a. a. 0.; Laurent Gesta episc. Virdun. c. 4, SS. X, 493. Da-
nach fällt wohl sein Weg in das Jahr 1049.
316
ein Papst ausserhalb Italiens als Richter aufzutreten. Er kam
jetzt ttber den grossen St Bernhard ^), um im deutschen Reiche,
wo er des Einverständnisses Kaiser Heinrichs sicher war, und
in Frankreich seine Edicte gegen Simonie und Priesterehe zur
Geltung zu bringen und die Geistlichkeit von unwürdigen Mit-
gliedern zu reinigen.
Die äussere Veranlassung der Reimser Synode, die Leo
im October 1049 abhielt, war durch die Translation der Ge-
beine und die Weihe der neuen Basilica von St. Remigius ge-
geben, eine Feier, der der Papst bereits vor seiner Erhebung
dem Abt Herimar von Saint- Remi versprochen hatte, beizu-
wohnen. Als Leo nun im Frühjahr nach Deutschland kam,
begab sich Herimar zu König Heinrich nach Laon, um seine
Gunst für das Unternehmen und seine Gegenwart zu erbitten:
auch bat ihn der Abt, die Teilnahme der Bischöfe und Grossen
des Reiches zu bewirken.^) Damit war die Absicht des Papstes,
eine Synode abzuhalten, wenn auch noch nicht klar ausge-
sprochen, so doch immerhin angedeutet und nahegelegt. Der
König muBste also unter allen Umstähden Verdacht schöpfen.
Seine Antwort lautete nicht abschlägig, freilich auch wieder
nicht bindend; jedenfalls aber derartig, dass man das Miss-
trauen des Herrschers daraus entnehmen kann, der über die
Absichten des Papstes nicht genau unterrichtet war. Erst aus
den Einladungsschreiben, die der Abt durch Francien und die
benachbarten Gegenden sandte, und die Vorladungen, die Leo
an Bisehöfe, Aebte und Fürsten zur Synode in der Basilica
von St. Remi ergehen liess, wird König Heinrich erfahren
haben, dass es auf Verhandlungen abgesehen war, die auf das
entscheidendste in die bisher geübte Praxis bei der Besetzung
der Kirchen einschnitten, um Untersuchungen über die Er-
werbung der hohen Kirchenämter, die den König and die
1) Herrn. Aug. 1049.
>) Anselmi Itinerariiiin Leonis IX. bei Watterich, Vitae pontif. Roman.
I, 114. Bröcking betont, dass der Abt mit dem Könige nur Über die be-
absichtigte Weihe unterhandelt habe. Aber wenn der Papst ausdrücklich
um die Anwesenheit der Bischöfe und Grossen bat, so muss er bereits
weitergehende Absichten gehabt haben. Die ausweichende Antwort des
Königs spricht anch entschieden für die Auffassung, dass Heinrich nach
dieser Richtung hin Misstrauen hatte.
317
Geistlichkeit näher berühren, und über die canonisehe Gttltig-
keit vieler Ehen des hohen Adels, die in die intimsten Ange-
legenheiten der vornehmen Laien eingreifen mussten.
In den Kreisen der geistlichen und weltlichen Grossen,
die dem Gericht des Papstes nur mit Beklemmung entgegen-
sehen konnten, regte sich deshalb eine heftige Opposition 9i
die unter den Bischöfen um so stärker war, als sie seit jeher
a^f eine antirömische Politik hingewiesen waren und der Unter-
sttttznng des Königs in dieser Sache gewiss sein konnten. In
der That musste der Hof bei der uncanonischen und simonisti-
schen Erwerbung der geistlichen Würden fast durchweg als
Mitschuldiger erscheinen. Denn bei der Beförderung galt weder
die Wahl von Glerus und Volk , wenn der König anderer Mei-
nung war, noch ging es in der Regel in Bezug auf den Geld-
punkt sehr sauber zu.^) Und Heinrich sollte sieh eine Unter-
suchung der verschiedenen Fälle, die sich zuletzt doch gegen
ihn und die von ihm beanspruchten Kronrechte richtete, ge-
fallen lassen? Die königliche Investitur der Bischöfe im nörd-
lichen Frankreich war aufs höchste gefährdet.
Dem Papste den Eintritt in Frankreich zu verwehren oder
ihm mit schroffer Abweisung entgegenzutreten, das war Hein-
rich offenbar nicht im stände; es war kaum möglich, das kirch-
liche Bewusstsein in weiten Kreisen und namentlich in dem
einflussreichen Mönchtum zu verletzen. Aber er setzte eine
Heerfahrt gegen unruhige Vasallen an, an der auch die ange-
sehensten Bischöfe und Aebte teilnehmen sollten: wenn er
jedoch glaubte, den Papst dadurch zur Aufgabe seiner Sache
zwingen zu können, so täuschte er sich sehr; denn Leo war
entschlossen, auch mit noch so wenigen den Kampf zu be-
ginnen.3)
Die Folge des Schrittes, den Heinrich unternahm, war
1) Anselmi Itin. p. 1 24 : Gtbuinus Laudunensis episcopus et Hugo de
Braina castello, qui inter eius derogatorea quasi signiferi exsisterent,
*) Ich verweise auf den Fall in Bens, Clarii Ciiron. S. Petri Vivi bei
Dom I, 505 : non electione cleri vel populij sed muneribus; in Laugres,
Chron. S. Benigni p. 170; in Auxerre, Bist episc. Autissiod. c. 50, Duru
II, 392 : cui postmodum rex Henricus cum maximo exercitu veniens Bur-
gundiam episcopatum ex more dedit. Vgl. oben S. 25 und Imbart de la
Tour, Les ^lections S. 360. 439.
") Anselm p. 116.
318
natürlich, dass nur ein geringer Teil der Bisehöfe der cape-
tingisehen Haasgebiete sieh eingefunden hattet : kein Erzbisehof
ausser dem Reimser war zugegen, von Bisehöfen nur die von
Soissous, Scnlis, Langres, Nevers und Angers. Sehr zahlreich
waren dagegen die normannischen BistUmer vertreten — erst
1047 hatte Heinrieh mit Herzog Wilhelm in heftigem Kampfe
gelegen 2) — , gar nicht die aquitanischen, südlich der Loire,
die allerdings kaum eingeladen waren. Im ganzen waren zwan-
zig Bischöfe zugegen 3), unter ihnen die Erzbischöfe Halinard
von Lyon, Leos vornehmster Ratgeber, Hugo von Besan^on,
der erst vor kurzem Abt Hugo von Cluni geweiht hatte*), und
Eberhard von Trier*), die ersten beiden entschiedene Gönner
des reformatorischen Mönchtums. Ebenso hatten sich unter
den Aebten, deren Zahl auf etwa ftlnizig geschätzt ward^),
die Leiter mehrerer mit Cluni in engeren Beziehungen stehen-
den Klöster eingefunden. Die Abteien des Reimser SprengelB,
der schon im zehnten Jahrhundert von Fleury aus reformiert
wurde, waren durch Herimar von St. Remi und Albert von
St Thierri vertreten; an der Spitze des ganzen regulären Glerus
war Hugo von Cluni erschienen. Sigfried von Gorze, der der
Synode beiwohnte, war der streitbare Schüler Wilhelms von
Dijon'), Rudolf von Mouzon»), Odylard von Chälons*), Stephan ^
^) Acta coDcii. Rem. bei Mansi XXIX, 742: qui ipsius papae formi-
dantes adventum, hac de re profecti erant in expeditionem regis, nomina-
titn vero Senonensis archiepiscoptiSf Beüovaccnsia et Ambianensis episcopus.
Den Drogo von Bauvais nennt Heinrich I. selbst in einer Urkunde vir%im
divinae religionü admodum mancipatum bei Mabillon, Ann. Ben. IV, 402.
Von Fiilco von Amiens sagt das Cbron. Centui. HF XI, 134: Et quia
Ambianorum praesulem tunc temporis Fukonem non aniniarum aalutif sed
volucrwm captioni et ferarum venatui studere compererat.
>) Clarii Cbron. Senon. 1047.
') Acta concil Rem. a.a.O. col. 786: epiacopi videlicet numero vi-
ginti. Nach Alberich von Troisfontaines, SS. XXIII, 789, hält er ein con-
cilium LXVI episcoporvm ab.
*) Vgl. Gilonis V. Hugonis bei L'Huillier p. 579.
') Diese Namen geben die Acten. Femer Chron. S. Ben. p. 179. Auch
Alberich nennt sie wohl nach der Chronik von St Benigne; vgl. Anselmi
Itin. p. 123; Wiberti V. Leonis I, c. 4 hebt Hugo von Besan^oti beson-
ders hervor.
^) Acta concil. Rem. a. a. 0. : cum quinqyuiginta fere abbatibus.
') S. oben S. 127. «) S. oben S.263. ») S. oben S. 291.
319
VOD St. Urban^), Gervin von St. Riquier^) gehörten sämtlich
der Schule Richards Ton St. Vannes an. Man sieht, nament-
lich das lothringische Mönchtum hatte dem Rafe des Papstes
Folge geleistet Die englischen Reformmänner waren dnrch
Ulfric von St Augustines und Aelfwin von Ramsay^), zwei
mit Fleury in verwandtschaftlicher Beziehung stehenden Klö-
stern, vertreten.
Die Fernhaltung der meisten Bischöfe und auf der andern
Seite der rege Zufluss des reformatorischen MOnchtums —
viele von den westfränkischen Achten werden durch die
Heerfahrt vom Erscheinen abgehalten worden sein — zeigt
deutlich, welcher Partei Geschäfte der Papst hier besorgte.
Schon im Sommer hatte Leo, ehe er nach Deutschland kam,
Hugo von Cluni ein Privileg*) verliehen, das die Bedrängnisse,
in die Odilo zuletzt seitens des Bischofs von Mäcon geraten
war, wegzuschaffen geeignet war. Er sagt ausdrücklich, dass
er bei der Gewährung der grossen Freiheiten des Klosters
nichts neues schaffe, sondern das alte nur bestätige.^) In der
ausführlichsten und nachdrücklichsten Form wird es in das
Belieben des Abtes gestellt, Weihen und Ordinationen von
irgend einem beliebigen Bischöfe vornehmen zu lassen. Er
nimmt das Kloster wieder in den speziellen apostolischen
Schutz, „damit^) es unter dem Schirm der apostolischen Ver-
teidigung stets wachse, stets gedeihe und keine Tyrannei
schlechter Menschen und keine menschliche Gewalt zu fürch-
ten brauche."
Die Hauptpunkte der Verhandlungen auf dem Reimser
Concil betrafen die Simonie, die uncanonischen Ehen, den
weltlichen Kriegsdienst des Clerus, die Sodomiterei, die, wie
0 S. oben S. 29 t.
*) S. oben S. 265.
') Acta concil. Rem. ft.a.0.; Ann. Anglosax. SS. XIII, 113. Sie wur-
den geschickt: ut deberent aiAdire quid ibi tractaretur de christiana fide et
sibi renuntiare; Roger von Hoveden HF XI, 310; Transl. S. Aiignst. II,
c. 3, Acta SS. Boll. Mai VI, 438.
*) ürk. vom 10. Juni 1049, Mansi XIX, 688; J.-L. nr.4169.
'O n^ nova facienteSf sed vetera confirtnantes,
*) qucUintis 8ub apostolicae d^fensionis umbraculo positum semper
crescatj aemper augescat, nulUnn pravorum hominvm tyrannidem, nuUam
humanam potestcUem metuens.
320
Peter Damiaiiis Schrift: ,Von den Sünden Gomorrbas'' be-
weist 1), gräaliehe Auswüchse gezeitigt hatte. Im Vordergrande
stand aber die Untersnchnng über die Erwerbung d^r Bisehof-
stühle und AbtwUrden. Selbst der Erzbischof von Reims konnte
doch nicht ohne weiteres den Eid ablegen, dass er auf ge-
radem Wege in den Schafstall des Herrn gelangt sei, und die
Bischöfe von Nevers, Coutance und Nantes^) gaben, wenn die
Schuld auch auf die Verwandten geschoben wurde, ohne wei-
teres zu, dass bei ihrer Wahl simonistisohe Umtriebe im Spiele
gewesen seien. Am meisten Aufsehen erregte die Absetzung
Gelduins von Sens, des Günstlings Heinrichs, der ihn aller-
dings jetzt Ycrliess, und das Processverfahren gegen den Bischof
Hugo von Langres, gegen welchen die Anklage auf Simonie,
Aemterverkauf, Landfriedensbruch, Ehebruch und Unzucht er-
hoben worden war.^) Von den Achten waren doch nur zwei,
deren Emporkommen als uncanonisch erkannt wurde, der von
Flavigny und der von Poutiöres/) Die Haltung Hugos von
Gluni, der, seinerseits befragt, erklärte, er habe nichts gegeben
und nichts versprochen: das Fleisch wollte es, aber der Geist
und die Vernunft widerstrebten*) — wodurch er offen bekannte,
dass er in Versuchung gewesen war — , fand so allgemeine
Anerkennung und Bewunderung, dass er auf Anregung einiger
angesehenen Geistlichen auf des Papstes Befehl vor der Ver-
sammlung eine Rede gegen die Simonie halten musste.^') Zum
0 Neukirch, Das Leben Peter Damianis S. 54.
") Die Namen sämtlich in den Acten ; über Budicus von Nantes vgl.
Chron. Britann., HF XI, 412, zu 1049.
') Ausser den Acten vgl. Clarii Chron. S. Petri Vivi a.a.O.; Chron.
Vezeliac., HF XI, 384; Gesta pontif. Autissiodor. c.50, ed. Dum 11,392;
Breve Chron. Autissiodor., HF XI, 392; Laurentii Qesta episc. Virdun., SS.
X, 498; Wib. V. Leonis I, c.4.
*) Acta concil. Rem. a. a. 0.
'^) Wie grosses Aufsehen dieses Wort erregte, ersieht man daraus,
dass es nicht nur sämtliche Viten Hugos erwähnen (Qilonis Vita bei
L'Huillier p. 583; Hildebert c. 2; Rainald c.4; Anonymi Vita Hug. c. 4),
sondern dass es auch in die Acten aufgenommen ist und von Bruno von
Segni überliefert wird. Der actenmässige Wortlaut ist: Pro adipiscendo
abbatiae honore, Deo teste, nihil dedi vel promisi: quod quidem caro vo-
luit, sed mens et ratio repugnavit
®) Gilo a.a. 0. S.583; Hildeb. c. 2; Rainald c.4; Anonjrmus c.4; vgl
Lehmann, Forsch. S. 83.
321
ersten Male erschien der jugendliche Nachfolger Odiles in der
Oefifentliohkeit, und sofort war es ihm möglich gewesen, die
Aufmerksamkeit aller auf sich zu lenken.
Neben diesen Verhandlungen, die schliesslich zu einer er-
neuten Betonung der canonischen Wahlen durch Clerus und
Volk führten, war es ein Act von grosser Tragweite, dass der
Papst unter der Zustimmung der Versammlung erklären liess,
dass einzig und allein der Bischof von Rom der Primas und
Apostolicus der allgemeinen Kirche sei.^) Es war das der
Hauptgrundsatz der modernen kirchenrechtlichen Auffassung
und deshalb seine Prodamierung an dieser Stelle von ebenso
grundlegender principieller Bedeutung, als die erneute Aner-
kennung der vier ersten Generalconcilien und der Gültigkeit
aller Papstdecrete. Dass dieser Satz an dieser Stelle von
neuem verkündigt wurde, erreicht aber erst seine volle Be-
leuchtung durch die Erwägung, dass der gallicanische Epi-
scopat bis in die letzte Zeit mit dem Primas von Sens an der
Spitze immer und immer wieder versucht hatte, sich den An-
ordnungen der römischen Kirche zu widersetzen, und dass
eben erst ein spanischer Bischof sich die apostolische Würde
in seinem Lande angemasst hatte.^) So zeigt denn das Auf-
treten Leos überall das Bestreben, die Grundlagen der päpst-
lichen Macht zu consolidieren.
Nach Schluss der Reimser Synode zog der Papst durch
Oberlothringen nach Mainz, um gemeinschaftlich mit dem Kaiser
und dem Reichsepiscopat gegen die Simonie und andere kirch-
liche Misstände vorzugehen. Ueberall auf seinem Wege hinter-
liess er Spuren seiner erfrischenden und ermutigenden Anwesen-
heit. Die Kirchen und Klöster des von den Reichsfeinden
Gotfried und Balduin eingeäscherten Verdnn^) empfingen durch
erneute Privilegien wieder Sicherheit für ihre alten Rechte und
0 Acta concil. Rem. a. a. 0.: His ita definitis edictwn est sub ana-
themate atUhoritatis apostolicae, ut si quis asaideniium quempiam univer-
salis ecclesiae primatem pr<ieter Bomanae sedis antistitein esse assereretf
ibidem publica satisfactione patefaceret. Als darauf alle schwiegen: de-
claratum est, quod solw Bomanae sedis pontifex, universalis eccU^iae pri-
mas et apostolums,
>) Der Erzbischof von Santjagp de Compostela.
«) Vgl. Steindorff n, 19.
Baoknr, Clnnlaoenwr. U. 21
äg2
ihren Besitz ^) ; er weihte damals unter Assistenz der Erzbischöfe
von Trier, Lyon und Besannen, seinen treuen Anhängern, eine
vom Archidiacon ErmenfHed gestiftete Kirche St Maria Magda-
lena.^) In Metz vollzog er den Consecrationsact an der neuen
Basilica St Arnulf auf Bitten des Abtes Warinus, eines ehe-
maligen Gorzer Mönches aus der Schule Wilhelms von Dijon,
und gab der Abtei ein neues Privileg.') Auf Bitten des Abtes
Sigfried von Gorze componierte der musikkundige Pontifex
sogar ein Responsorium auf St Gorgonius, den Schutzheiligen
des Metzer Klosters.^) Nach der Synode von Mainz, der eine
zahlreiche Geistlichkeit beiwohnte, darunter Poppos Schüler,
Rudolf von Paderborn, die Bischöfe von Metz, Verdun und
Lttttich, Hugo von Besannen ^), besuchte Leo mehrere Klöster
in Alemannien und im Elsass, St Diö^), Altdorf ^), Andlau^),
Reichenau^), Donauwörth >o): hier weihte er eine Kirche, dort
einen Altar. Ueberall sicherte er Rechte durch Privilegien und
gab dem religiösen Eifer neuen Ansporn. Hugo von Cluni kam
damals nach Deutschland und erhielt am 4. December zu Strass-
bürg die lang ersehnte Bestätigung der burgundischen und
elsässischen Besitzungen durch den Kaiser.^^
Auch in den italienischen Abteien, die doch meist von
Frankreich aus wieder ins Leben zurückgerufen worden waren,
») J.-L. nr. 4109— 4193.
«) Laarentii Gesta epist.Vird. c.4, SS. X, 493; Ann. S-Vitoni 1049.
') Die vorhandene Urk. J.-L. nr. 4186 ist zwar unecht; notwendiger-
weise muss aber ein echtes Privileg existiert haben; vgl. Gesta episc.
Mett c. 48, SS. X, 543: quam sanctus Leo JX dedicavit primlegioque suo
sublimavit In der unechten Bulle sind wieder Eberhard, Halinard and
Hugo unterschrieben.
*) Wib. V. Leonis I, c. 6.
^) Ueber die Synode von Mainz vgl. Wib. V. Leonis I, c 5. Nament^
lieh J.-L. nr. 4197: Quapropter cum redieremus a synodo MoguntinOy quam
pro statu Germanicae et Gaüicanae ecclesiae disposuimus ceUhrart^ ubi
cofUigit no8 ad ecclesiam tuam^ sande Deodate, venire; Urk. vom 19. Oct.
1049 für Besan^on, Gallia Christ XV, instr. col. 9: Damnata enim stmo-
niaca heresi eaque radicitus exstirpata, cum de divinis offidis sacris ordi'
nihus diversa emergerentur negotia.
•) J.-L. nr.4197. 0 ib. nr.4206. •) ib. nr.4195.
») Jaflf6 I, 635.
») J.-L. nr. 4207.
>») CHOL IV, nr. 2977.
ä23
fand Leo Parteigänger, als er anf der zweiten Lateransynode
gegen den nnenthaltsamen Giema Italiens yorging.^) Sonst
war die Versammlung mehr transalpinischen Angelegenheiten
gewidmet Der französiscf^e Episeopat war durch hervorragende
Mitglieder^) vertreten, unter den Achten hatten sich Hugo von
Cluni, Walerann von St Vannes, Gervin von St Riqnier ein-
gefunden.') Die Citationen französischer Geistlicher, die Leo
hatte ergehen lassen, erwiesen sich als wirksam und zeigten,
dass der gallicanische Clerus sieh den Anforderungen der Curie
nicht mehr entziehen konnte.^) Selbst die Gegenden südlich
der Loire waren diesmal durch die Bischöfe von Poitiers und
Saintes vertreten.*) Auf derselben Synode trat Leo flir mehrere
französische Klöster auf: Montierender^) und Romans an der
Isöre.'') Ein Act von principieller Bedeutung war aber die
Canonisation Gerhards von Toul*): es war eine feierliche De-
monstration zu Gunsten des klösterlichen Reformwesens, ebenso
wie die feierliche Erhebung der Gebeine Gerhards, die der
Papst am Anfang des Winters in Toul vornahm.
Der Erzbischof Halinard von l^yon stand Leo bis zum
letzten Atemzuge treu zur Seite: mit Hugo von Cluni wohnte
er der römischen Synode von 1050 bei. Als der Papst dann
aufbrach, um nach Toul zu ziehen, war auch Halinard den
ganzen Weg in seiner Begleitung: am 22. September in St Mau-
rice, am 26. und 27. in Romainmoutier, wohin Abt Hugo das
Kirchenoberhaupt geleitet hatte®), am 3. October in Besangen,
wo wir ausser ihm Friedrich von Genf, Wide von Chalon,
0 Vgl. Bonizo a.a.O.: Nam non solum Bomae incorUinentea sacer-
dotes et kvitae ab aUaria prohibebantur officio, sed per vicinas drcum-
quaque regiones et omnem Tu8ciam adiuvantibus monachis, viris religiosia,
et verbo praedicationia insudantibus.
') So Easebius von Angers (Sndendorf, Berengarius Taron. epist
nr. 8; Glesebrecht, Kaiserzeit II, 671), Geldnin von Sens (Clarli Chron.
Senon. a.a.O. p. 505) und viele andere; vgl. BrOcking S. 40.
>) J.-L. nr.4219; Brücking S.41.
«) Bröcking S. 42.
^) BrUcking S.41.
^ J.-L. nr. 4216—4218. 4222.
') J.-L. nt.4220. 4221.
'O Die Urk. bei Mabillon, Ann. Ben. IV, app. p. 739.
^) Lehmann, Forsch. S. 85.
21*
324
Walter von Mäcon, Azelin von Sutri, einen Burgunder, und
den ungarischen Erzbischof Georg von Colocz bemerken.^)
Dann kam man nach Langres, wo Halinard in Gegenwart des
Papstes an Stelle Hugos Arduin zum Bischof ordinierte^),
und Leo selbst Frotmund zum Bischöfe von Troyes.-*) Von
da ging es weiter nach Toul; eine gewaltige Menschenmasse
hatte sich eingefunden. Mit grossem Gefolge kam auch der
Papst an ; natürlich waren Halinard, Hugo von Besanf on, Georg
von Colocz, Frotmund von Troyes in seiner Begleitung; zuge-
sellt hatten sich unterwegs noch oder in Toul Heribert von
Auxerre und ein englischer Bischof Lupus/) Man sieht, wie
sehr Leo seit seinem Auftreten in Beims an Popularität ge-
wonnen hatte: die Bischöfe von Genf, Chalon, Mäcon, Troyes,
Auxerre, die noch dem Concil des vorigen Jahres ferngeblieben
waren, hatten sich jetzt an verschiedenen Orten dem Sieges-
zuge Leos angeschlossen. Am 21. October erfolgte die Trans-
lation des hl. Gerhard und in den nächsten Wochen stellte der
Papst wieder zahlreiche Urkunden, namentlich für lothringische
Stifter aus.
«
Die Thätigkeit Leos im Interesse des Elosterwesens und
der Reform der Geistlichkeit erreichte in den ersten Jahren
seines Pontificats ihren Höhepunkt. In der nächsten Zeit waren
es gar verschiedene Dinge, die ihn in Anspruch nahmen.
Kaum hat ein zweiter Papst in so wenigen Jahren so viel
erwirkt und in so zahlreichen Geschäften sich bewegt, wie er.
Wir folgen ihm nicht weiter in seinen Bemühungen für die
Reinheit der Glaubenslehre, die er gegen Berengar von Tours
») J.-L. nr. 4249.
>) Chron. S. Ben. p. 190.
') Chron. S. Petri Senon. a. a. 0. p. 505.
*) Translatio S. Gerardi, SS. IV, 509. Hierauf bezieht sich wohl auch,
was die Gesta episc. Autiss. c. 50, Dum II, 892, unmittelbar an die Synode
von Reims anschliessen, wonach dem Papste in retleundo pater iste (Heri-
bert) sequidus usqiie ad civitatem TuUumf in qwi beatta iüe ante papatum
sederat episcopus, coüoquiia iUius recreattUf sacris persuasionibus infor-
mattu, benedictionibus iocundatuSj ad sedem auam repedavit cum pactj
satis hilaris et letus. Denn 1049 ist Heribert nicht, auf dem Condl von
Reims, und Leo IX, soviel bel^annt, nicht in TouL Heriberts Anwesen-
heit in Toul 1050 ist aber durch die Translatio bezeugt.
I
825
nnd die griechische Kirche anf sich nahm, ia seinen Unter-
nehmungen gegen die Normannen in Unteritalien. Auch hier
fand er in HaUnard die treueste Stütze. 0 Der Erzbischof wurde
schliesslich das Opfer seiner curialen Dienste. Denn als er in
Vertretung Leos, der behufs Unterhandlung mit den Ungarn
an das kaiserliehe Hofiager gezogen war, die päpstlichen Ge-
schäfte in Rom versah und einst in seiner Residenz, dem
Kloster St. Gregor auf dem Scaurusberge, mit seinen Freunden
den Genüssen der Tafel oblag, wurde den Teilnehmern durch
einen vergifteten Fisch teils ein jähes Ende bereitet, teils
siechten sie in langwieriger Krankheit dahin. Halinard starb
am 29. Juli 1052^), nachdem er seinem Domcapitel noch die
Wahl des Propstes Humbert empfohlen hatte 3), und fand in
St. Paul, dessen Administrator Hildebrand war, die letzte
Ruhestätte.
Wir gehen auf die engen Beziehungen des Papstes zu
Kaiser Heinrich nicht näher ein, dessen Einverständnis er in
allen Dingen hatte, für den er mit dem Bannstrahl und durch
politische Unterhandlung arbeitete. Leo befindet sich fort-
während unterwegs: von den südlichsten Teilen Unteritaliens
bis in die Gegenden des Niederrheins; von Pressburg bis in
das östliche Frankreich hat er in ftlnf Jahren Mitteleuropa
durchzogen. Zu dem Wanderkönigtum der deufcschen Herr-
scher hatte sich ein Wanderpriestertum des Bischofs von Rom
gesellt. Darin besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen
diesem Verhältnis und dem Ottos III. zu Gerbert, so grosse
Aehnlichkeit beide sonst haben: Otto III. hätte das Kaiser-
tum am liebsten in Rom, am Sitze des Papsttums, festge-
>) Chron. S. Ben. p. 192.
*) Chron. S. Ben. p. 191.
') Brief Halinards an die Cftnoniker von Lyon, in dem er die Wahl
Humberts empfahl und seine Hinterlassenschaft zwischen dem Gapitel von
St Stephan und dem Kloster Ainay, dem er verpflichtet war, teilte, im
Cartul. d'Ainay nr. 190. Der Brief ist bisher anbenutzt geblieben. Ein
anderer der Teilnehmer des Mahles, Hugo von Langres, starb auf dem
Heimwege, nachdem er von den ihn begleitenden Mönchen von Clunl das
Mönchskleid von StVannes genommen hatte, dessen Abt sein Bruder
Walerann war. Vgl. Chron. S. Ben. a. a. 0. und Laurentii Gesta episc.
Yirdun. c. 4, SS. X, 493, wo irrigerweise Hugos Tod mit der römischen
Synode von 1050 in Verbindung gebracht wird.
326
nagelt Dieses einträchtige Zusammenwirken der weltlichen
und geistlichen Macht ist seitdem das Ideal aller Friedlich-
gesinnten gewesen. Aber die Durchführbarkeit des Gedankens
beruhte auf den Persönlichkeiten. Was Heinrich IIL und Leo
möglich war, das blieb unter Heinrich IV. und Gregor ein un*
erfllllbarer Wunsch aller derer, die unter dem Unfrieden bei-
der Gewalten schwer zu leiden hatten. So erwies sich aller-
dings der Wechsel in Heinrichs Eirchenpolitik gelegentlich '
der Erhebung Brunos von Toul als höchst verhängnisvoll.
Aber es kann doch auch keinem Zweifel unterliegen, dass es
der deutsche Episcopat selbst war, der ihn im Stich liess,
und dass Heinrich der Machtmittel entbehrte, um eine Politik,
die er in einem günstigen Augenblick mit so viel Energie
und Glück begonnen hatte, auf die Dauer zu behaupten und
durchzuführen.
Elftes Capitel.
Schulen, Bibliotheken und Litteratur in den
Hauptcentren der Cluniacenserreform.
Wean wir im folgenden Abschnitt uns mit den litterari-
sehen Bestrebungen in Clnniacenserklöstem befassen, so gilt
es von vornherein den Gedanken abzulehnen, als ob die Ab-
sicht vorliegen könnte, alles, was in den von Cluni direct oder
indirect zu irgend einer Zeit beeinflussten Klöstern geschrieben
wurde, zu behandeln. Denn abgesehen davon, däss das nichts
anderes als eine ausführliche französische Litteraturgeschichte
des zehnten und elften Jahrhunderts bedeuten würde, kann
man den Begriff des Cluniacensertums nicht eng genug fassen,
wenn man wirklich zu einer Erkenntnis spezifisch cluniacen-
sischer Tendenzen gelangen will. Je weiter man sich nach
Zeit oder Localität von Cluni entfernt, desto stärker ist schon
die Gefahr, dass Bildungselemente der verschiedensten Art die
ursprüngliche Richtung durchkreuzen und modifizieren, da jede
Gewähr einer constanten Entwicklung reformierter Klöster
fehlt, so lange es keinen Orden von Cluni giebt Schon trägt
die Litteratur von Fleury und die von Dijon teilweise einen
anderen Character, als die von Cluni selbst: es würde deshalb
eher verwirrend, als aufklärend wirken, wollte man die Idee
einer Cluniacenserlitteratur im umfassendsten Sinne eines von
Cluni irgend einmal beeinflussten Mönchtums begreifen; das
hiesse eine Summierung der verschiedenartigsten Elemente,
die in unserer Zeit niemals eine vollständige Ideeneinheit ge-
bildet haben. Es kann deshalb nur unsere Aufgabe sein, das
litterarische Schaffen in den hervorragendsten Klöstern, soweit
sie überhaupt eine Litteratur aufweisen, zu betrachten.
328
Clani.
Wie das Capitular von 817 bestimmte, dass in den Klö-
stern des fränkischen Reiches keine Schulen f)lr externe, son-
dern nnr fllr dem Kloster dargebrachte nnd dort erzogene
Knaben gehalten würden^), so weist anch alles, was wir Über
Clani wissen, auf eine derartige nur für die Oblaten be-
stimmte Schule. Zwar erfahren wir erst aus den detaillierten
Aufzeichnungen Bernards von Clnni, dass die Zöglinge streng
gehalten wurden und ihr Leben sehr sorgfältig geregelt war,
aber die Grundlagen der Erziehung dürfen wir doch schon fttr
die früheste Zeit voraussetzen. Für diese sind wir freilich nur
auf spärliche Nachrichten angewiesen. Bereits unter Bemo war
eine Klosterschule mit der Abtei verbunden, deren Leitung, wie
wir wissen, Odo übernahm.^) Unter seinen Nachfolgern ist sie
weiter nachweisbar.^) Und ebenso wenig entbehrten die von
Gluni aus reformierten oder von Cluni abhängigen Klöster
eigener Schulen.^) Ebenso frtth entstand eine stattliche Biblio-
thek in Cluni. Bereits Odo brachte nicht weniger als hundert
Codices nach der eben gegründeten burgundischen Abtei.^) Zur
Zeit Aymards bekleidete Majolus das Amt eines Apokrisiars
und Bibliothekars^); wir dürfen daraus auf eine recht ansehn-
liche Bücherei schliessen.'') Als er dann Abt geworden, liess
der der frommen Leetüre ergebene Mann eine Reihe von Co-
abschreiben, von denen einige noch erhalten sind. So schrieb
in seinem Auftrage der Mönch Herimann den Commentar
des Rabanus Maurus über Jeremias^); ein anderer den* Com-
^) Capit. moDast. c. 45, ed. Boretius I, 346.
«) S. Bd. I, S. 49.
^) CHOL II, nr. 1200 (966): ac tiepotem meum Grirbertum lüteris ini-
buant et tnonachum faciant; IV, nr. 3021 ; vgl Discipiina Farf. c. 16 bei
Hergott, Vetus discipl. monast. p. 96.
*) Bezüglich St. Denis: Jots. 11, c. 8: ut etiam infantes scholae .. .;
für Souvigny I, c. 14: Deinde ai infantes et cotwefUttö fratru/m adessent
sollicitus interrogat.
^) S. Bd. I, S. 43; vgl. Vogel, Fernere Nachrichten über einige Kloster-
bibliotheken des Mittelalters, Serapeam V, 128.
•) Bd. I, S. 214.
') Serapeum V, 138.
^) British Museum, Additional mss. 22820 mit der Notiz: Hie Über
descriptus est iwsu domni Maioli abbatis ab Herimanno sacerdote licet
329
mentar des Ambro'siuB ttber das Lncasevangelinm ^), und ebenso
copierte der Möneh Werner Schriften des hl. Angnstin.^) Von
Helderioh, jenem elnniacensisehen Mönche, der unter Majolus
Abt von St. Germain d'Anxerre wurde, rührt ein Codex mit dem
Commentar Haimos von Halberstadt ttber Ezechiel her, der
sich in der Pariser Nationalbibliothek befindet.^) Diese Hand-
schriften sind z. T. reich an Miniaturen und Initialen. Zeigt
die Ausftlhrung auch nur bescheidene Spuren von künstle-
rischer Fertigkeit — namentlich die historischen Darstellungen
Helderichs zeichnen sich durch Unbeholfenheit aus ^) — , so sind
sie doch als die Anfänge einer elnniacensisehen Colorierkunst
zu beachten, die im elften Jahrhundert erhebliche Fortschritte
machte. Prächtige Codices wurden unter Odilo in Cluni ge-
schrieben^), unter denen namentlich die Handschrift berühmt
wurde, die der Abt Heinrich IL zum Geschenk machte.®) Ein
anderer im elften Jahrhundert sehr schön geschriebener Codex,
der die Dialoge Gregors I. und verschiedene Heiligenleben
enthält, zeigt künstlerisch vollendete farbige Initialen in fein-
gezeichneten Blatt- und Stilornamenten.'')
Unter den Schätzen der Bibliothek nahmen neben der
heiligen Schrift, die man unausgesetzt studierte^), die Kirchen-
väter natürlich die erste Stelle ein; noch heute ist eine grössere
indigno et monachorum omnium uUimo et praelibati patris voto oblatus
mncto Fetro Cluniensi coenohio; vgl. Ziegelbauer, Hist. rei litt. ord.
S. Bened. I (Augast Vindel. et Herbipoli 1754), 474.
*) Delisle, Fonds de Cluni p. 44: Liber obUitus ad altare sancti Fetri
Clunietisis coenobii ex voto domni atque reverentissimi Maioli abbatis.
») Lebeuf, Recueil II, 39; Serapeum V, 138.
') Cod. lat Paris. 12302; vgl Labarte, Hist. des arts industriels U, 127.
Er hat sich selbst dargestellt, sein Buch dem hl. Germanus Überreichend.
*) I^abarte a. a. 0. urteilt: maia il n'a reussi qu*ä constater la d^gra-
dation compltte de Vart
*) Vgl. Jots. II, c. 18: librum aacratnentorum atireis litteris scriptum;
einen Codex mit goldenen Lettern schenkte König Knut dem Herzog Wil-
helm von der Normandie, Sermo Ademari bei Migne 141, 722.
•) Darüber handelt ausführlich Ringholz, Der hl. Odilo p.XLVI bis
XLVIIL
^) Nouv. acquis. 1491; vgl. Delisle, Fonds de Cluni p. 200. Die ersten
und letzten Blätter fehlen, vielleicht würden wir sonst etwas ttber den
Schreiber erfahren.
") Ringholz S.IOO.
330
Zahl von Handschriften der alten Bibliothek von Clani ans
dem zehnten und elften Jahrhundert erhalten, die diese Vor-
liebe ftlr die Patres beweisen. Doch können die Classiker un-
möglich gefehlt haben. Denn wenn man auch Odo 0« Migolus^)
und Hugo 3) nachsagte, dass sie von den heidnischen Dichtern
nichts wissen wollten, als deren gefährlichster — man weiss
nicht recht warum — Virgil erschien, wenn sich in dieser
Nachricht auch die Tendenz verkörperte, die das ganze refor-
matorische Mönchtum beherrschte^), die Abwendung von aller
Sinnlichkeit, so wissen wir doch, dass auch weiterhin die Werke
Virg^ls, Ovids und Juvenals sowohl in Cluni % als in den ver-
wandten Stiftern^) studiert und abgeschrieben wurden. Von
einem wirklichen Verzicht auf diese litteratur, deren man Air
den grammatischen Unterricht gar nicht entbehren konnte, ist
nicht die Rede.'')
») Job. V. Od. I, c. 18.
>) Syri V. Mai. c. 14; Syrus schöpft hier aas der Vita AlcaiBi, Jaff6,
Bibl. VI, 24.
>) Hildeberti Y. Hug., Bibl. Clun. col^22 ff. Irrig sieht Liebrecbt,
Zur Virgilsage, in Pfeiffers Germania X, 413 in dem liber Maronis ein
Zauberbuch des Virgil; vgl. Comparetti, Virgilio nel medio evo p. 124. Es
ist zu beachten, dass Sjrrus die V. Alcuini ausschreibt und dass der Traum
Hugos nur dem Odos nachgebildet ist.
*) Vgl. Chron. Centul. IV, c. 13 bei D'Ach6ry, Spicil. II, 338; Blume,
Iter Italicum II (1827), 217; Breve. record. de Äindat. eiusdem monast
S. Mich., Mittarelli, Ann. Camald. II, app. 1 025 ; V. Popp. c. 82 ; Rod. Gla-
ber U, c. 12. £s sind das Steilen, die gegen die Classiker gerichtet sind.
*) Bei Syrus selbst finden sich eine ganze Menge von Entlehnungen
aus diesen Dichtem; vgl. Schultze, Forsch, z. D. Gesch. XXIV, 170; ebenso
verwendet Jotsald, Odilos Biograph, Virgilische Verse und Versstttoke in
Menge, Ringholz S. 101 ; vgl Zappert, Virgils Fortleben im Mittelalter,
Denkschriften der Wiener Akademie der Wissensch. II (1851), 40 ff. Peter
der Ehrwürdige citiert Horaz und Virgil; vgl. Petri Venerab. Epist. I, 6. 16;
U, 14; IV, 17. 80. Peter von Poitiers wagt gar Peter von Cluni mit Cicero,
Virgil und Homer zu vergleichen, Panegyricus, Bibl. Clun. coL 607 iL
^) Die Floriacenser Aimo, Abbo und Andreas bekunden oft nament-
lich ihre Bekanntschaft mit Virgil; vgl. Pardiac, Hist. de St. Abbon p. 159.
203. 273; Zappert a.a.O. p.40; Andreas citiert V. Gauzl. II, c. 50: Virgils
Aeneis I, 423—436 und IV, 402—407 und in den Mirac. S. Bened. III, o. 9
die Georgica. Ein prachtvoller Virgilcodex saec. X aus Fleury jetzt Bern
nr. 172. Bezüglich Adsos von Montierender ist auf den Bibliothekscata-
log, BibL de Töcole des chartes, 1882, p. 157 zu verweisen.
') Es ist also unrichtig, wenn Pfister, Etudes p.6 bemerkt: Ainsi
831
Die erste Stelle anter den Autoren Clonis sowohl der Zeit,
als der Bedentnng nach nimmt Odo ein. Aber es ist bemer-
kenswert, dass seine Schriften mit Clnni kanm in Beziehung
stehen, dass er seine Anregung in ganz anderen Gegenden,
an anderen Orten fand: in St Martin in Tours, in Limousin
und St -Benoit-sur- Loire. Man würde ihn an verschiedenen
Stellen behandeln müssen, wollte man ihn litterargeschichtlich
richtig würdigen. Die cluniaeensische Litteratur beginnt erst
nach seinem, eigentlich erst nach dem Tode des Majolus, wo
zuerst die Vergangenheit genügende Anregung für schriftstelle-
risch begabte Insassen des Stifties bieten konnte.
Als Odo nach Cluni kam, hatte er sich in Tours bereits
durch seinen Auszug aus den Moralia Gregors des Grossen
litterarisch verdient gemacht Es war nur eine Kürzung ohne
subjective Zuthaten, eine Arbeit, die er selbst bescheiden be-
urteilte, die aber trotzdem viel Anklang fand.^) Dem hl. Martin
zu Ehren hielt er dann in Tours zwei Predigten, die eine be-
deutendere über den Brand der Basilika etwa 938^), die er
erst später in die ausftlhrliche Form brachte, in der wir sie
besitzen, ein Werk, das uns über die Gestaltung unterrichtet,
welche seine Philosopheme in den späteren Lebensjahren er-
halten hatten, die andere eine Festpredigt ohne weiteres Inter-
esse.^) Er dichtete femer auf St. Martin drei Hymnen^), dar-
unter . einen in acht Strophen % der mit den bezeichenden
Zeilen schliesst:
MonoiStico nunc ordini
lam pene lapso subveni Anwn,
Noch auf dem Sterbelager verfasste der Abt zwölf Antiphonen
auf den Heiligen von Tours, welche den Tod desselben zum
Gegenstande haben.^)
aucun auteur profane ne trouvait place dans Venseignement des moines^
und p. 3: L'antiquiU fut däsormaU ba/nnie de Venseignement monacoL
1) Gedruckt Migne, Patrol. lat. 1. 133, 105—512.
*) Gedruckt Bibl. Clun. col. 145—160; vgl. Bd. I, S.363f.
3) Bibl Clun. col. 123— 128.
*) Job. V. Odonis I, c. 10: Tres vero hymnos in eiwdem laude com-
posuit Johannes citiert einen davon, und zwar den gedruckten.
^) Bibl. Clun. col. 264. Die andern sind unbekannt geblieben.
^) Bibl. Clun. col. 261. — Dass der Tractatus de reversione beati Mar«
832
Umfangreicher und bedeutender sind die Schriften, in denen
sich Odos Beziehungen zn Bisehof Tnrpio von Limoges und
dessen Bruder Aimo von TuUe widerspiegeln.
Bereits als Mönch verfasste er sein Hauptwerk, die Col-
lationenJ) Abt Berno hatte ihn einst gelegentlich zum Bischof
Turpio von Limoges gesandt, mit dem er in ein Gespräch über
den kläglichen Zustand der Kirche verwickelt wurde. Als sich
da eine entschiedene Uebereinstimmung in den Ansichten und
Gedanken beider ergab und Odo einen Abschnitt aus dem Pro-
pheten Jeremias Über die Priester auseinandersetzte, forderte
der Bischof den Mönch auf, ein Buch über den Gegenstand zu
schreiben, und wandte sich sogar an den Abt, als Odo den
Einwand erhob, ohne Einwilligung des Priors nichts unter-
nehmen zu dürfen. So oft aber Berno ihn zur Arbeit drängte,
die in einer Compilation von Stellen der Kirchenväter mit Be-
zug auf die Zustände der Zeit bestehen sollte — immer zögerte
der Mönch, seine Unfähigkeit vorschützend, bis der Abt ihm
wieder eine Gesandtschaft an Tnrpio auftrug und anbefahl,
innerhalb vierzehn Tagen die Forderung zu erftlllen, um vor
dem Bischöfe nicht in Verlegenheit zu geraten. Jetzt musste
Odo zur Tafel greifen. Den Stoff der Schrift bildete ihm das
Wachstum der Schlechten, welche die kirchliche Censur ver-
achten, und der Eitlen, die nach irdischem Ruhme streben und
nur zum Scheine Gott dienen. Als den Zweck des Werkes
bezeichnet der Verfasser: die Gedrückten zu trösten, die Un-
verschämtheit der Schlechten zu Schanden zu machen.
Er hatte in kurzer Zeit die Arbeit, in der er vornehmlich
die Stellung des Uebels in der göttlichen Weltordnung behan-
delte, vollendet, als der stürmische Winter, der plötzlich herein-
brach, die Reise nach Limoges verhinderte. In den kurzen
Tagen des Winters sah Odo seine Arbeit nochmals durch, und
da er noch einiges auf dem Herzen hatte gegen die, welche
durch das Beispiel der Schlechten selbst schlechter werden,
fügte er ein zweites Buch hinzu, das aber der strengen Dis-
tini a Burgundia, der Odo zugeschrieben wird (Bibl. Clan. col. 113— 124),
eine plnmpe Fälschung ist, ist längst erkannt worden. Vgl. Salmon, Chron.
de Touraine, SuppL p. XI; Mabille, Les inväsions normandes dans la
Loire, Bibl. de l'^cole des chartes XXX (1869), 158; Hauröau, Singnla-
rit6s p. 167 f. ') Gedruckt Bibl. Clun, col. 159—262,
333
positioa entbehrt nud den Inhalt des ersten Buches nar erwei-
tert. Auch hier kommt der Verfasser auf die drei Laster zu-
rück, die der böse Geist dem Menschengeschlecht einpflanzte,
dann aber wendet er sich gegen die Verachtung und Grering-
schätzung, mit der man im Volke wie im Clerus die göttlichen
Mysterien behandle.
Odo hatte auch dieses Buch vollendet und glaubte, dem
Bischöfe und Abte genug gethan zu haben: aber Berno fasste
die Aufgabe strenger, da sich fand, dass in den beiden Büchern
über den Trost der Betrübten zur Beratung des Bischofs nur
wenig gesagt sei. So entstand das dritte Buch, das die voran-
gehenden an Umfang wiederum übertrifft
Zur' Biographie des hl. Gerald von Aurillac hatten Odo
in den dreissiger Jahren des zehnten Jahrhundert Turpio
und sein Bruder Aimo von TuUe angeregt. Er hatte sich an-
fangs dagegen gesträubt, schliesslich aber doch nachgegeben,
zumal er sich bei einem Besuche in Aurillac nach Erkundi-
gungen bei vier Personen, die Gerald erzogen, dem Mönche
Hugo, dem Priester Hildebert und den vornehmen Laien
Witard und Hildebert, von dem heiligen Lebenswandel des
Mannes, der doch ein Laie war, überzeugt hatte. Seine Ten-
denz geht nun — gegenüber den Zweifeln an der Heiligkeit
eines Mannes, der kein Märtyrer gewesen sei, Fleisch gegessen
habe u. s.w. — dahin, zu zeigen, dass Gerald, obgleich er im
Weltleben stand und sich von den Gewohnheiten seiner Standes-
genossen nicht gänzlich losgesagt hatte, doch auf die Verehrung
als Heiliger Anspruch hat Nicht, weil er Wunder vollbrachte,
die schBesslich nicht nötig gewesen wären, sondern weil er
durch seine fromme Denkungsart — er hatte sich scheren
lassen und trug statt des Schwertes ein goldnes Kreuz am
Wehrgehenk — , dureh seine Ehelosigkeit, seine Absicht, Mönch
zu werden, seine Gründung von Aurillac, die vielen Bomreisen
sich ein Anrecht auf die Bewunderung und Verehrung der
Mit- und Nachlebenden geschaffen. Im übrigen waren die An-
sprüche, die an die Heiligkeit eines Laien damals gestellt
wurden, nicht gerade bedeutend. Odo rechnet es ihm schon
als Verdienst an, dass er nur einen Pelz besassO? er lobt es
») II, c. 8.
834
bereits, dass, wenn er schon Trinkgelage hielt, er seine Gäste
doch nicht znm Zechen animierte, und dass er nicht mehr und
nicht öfter trank als seine Zechgenossen. 0
Die Vita S. Geraldi, die Abt Aimo gewidmet ist, ist uns
in zwei Fassangen erhalten, einer längeren in vier Büchern,
von denen die ersten beiden sein Leben, das dritte den Tod, das
vierte die Wunder behandelt 2), nnd einer kürzeren^), in welcher
in einem ersten Teile das geistliche Leben Geralds mit Weg-
lassnng aller historischen Thatsachen geschildert wird, wäh-
rend Transitns nnd Miracnla in besonderen Abschnitten folgen.
Beide Recensionen, von denen die erste fraglos die ältere ist,
stimmen im wesentlichen wörtlich tiberein, nnr deuten einzelne
Umstellungen, geringfügige Aenderungen nnd Zusätze der kür-
zeren darauf, dass auch diese Odo zum Verfasser hat
Unter Odos Namen sind ferner einige Predigten erhalten
— abgesehen von den schon erwähnten über St Martin — :
eine Predigt in cathedra S. Petri*), eine solche über St Maria
Magdalena^) und eine andere über den hl. Benedict, die in
Fleury gehalten wurde und sich seither sowohl dort, als in
») I, c. 18.
«) Gedruckt Bibl. Clun. col. 63—114.
>) Sie ist erhalten in den Pariser Codd. 2261 f. 135 (mit dem Prolog
der älteren) saec.XI/XlI; 11749 saecXl; 5315 saec.XlI (fragment.); 529$
saec.Xiri; 15149 saec. XIY; 2246 nouv. acqais. saec. Xl/XlI. Irrig ist die
Ansicht Haar6aus, die längere Fassung wäre eine später interpolierte
Arbeit Er geht von der falschen Annahme aas, dass dieselbe nur in
einer Hs. des 15. Jahrh. überliefert sei. Sie ist vielmehr enthalte im Cod.
Paris. 5301 saec. X und 3783 saec. XI, die ich selbst nachgeprüft habe.
*) Haur^au p. 171 spricht sie Odo mit dem Hinweis ab, dass sie sich
auch unter den Werken Leos I. fände. Aber es ist klar, dass die Pre-
digt nicht von einem Papste herrühren kann , in der von St Peter fort^
während als vom patronus die Rede ist, während der Redner von sich
und den Zuhörern als von alumnia miiSf d. i. St Peters, spricht Die Pre-
digt passt aber gut nach Cluni, dessen Patron Petrus war; da ich sie auch
im Cod. Paris, lat 17002 saec. X/XI f. 249 überschrieben gefunden habe:
Sermo heaii Odoni ahbatis in cathedra sancti Petrif qu^ est VlIL K, Marc,,
so nehme ich keinen Anstand, sie Odo zuzuschreiben.
") Auch diesen Sermo (Bibl. Clun. col. 131) will Haur6an Odo ab-
sprechen; aber der Hinweis auf angebliche stilistische Unterschiede hat
mich nicht überzeugt.
835
Clnni grosser Beliebtheit erfreute. Nicht nnr Aimoin rtthmte
sie später bei jeder Gelegenheit i), auch in Clnni ward sie
noch Ende des elften Jahrhnnderts beständig an der Octave
des Benedictsfestes gelesen.^) Odo stellt hier Moses und Bene-
dict nebeneinander: ans einem trockenen Fels habe dieser eine
Quelle für den Gebrauch der Mönche hervorgezaubert, die heut
in breitem Strome dahinfliesse. «Welcher König oder Kaiser*,
ruft er emphatisch, ,»hat jemals in so yielen Weltteilen die
Herrschaft geführt oder aus so verschiedenen Nationen so
zahlreiche Legionen aufgebracht, als dieser im Kriegsdienste
Christi freiwillige Krieger jeden Oesehlechtes und Alters leitetl*
Ausser dem Hymnus auf den hl. Martin verfasste er einen
in sieben Strophen auf Maria Magdalena und ein Gedicht
in zwölf leoninischen Hexametern über das Sacrament der
Eucharistie.^)
Odo, von dem man weiss, dass er von Remigius in der
Musik unterrichtet wurde, werden von einigen verschiedene
Schriften über Musik zugeschrieben, der sogenannte Tonarius,
der Dialogns oder das Enchiridion, eine mit diesem in einigen
Handschriften verbundene dritte musikalische Schrift, die Re-
gulae de Rythmimachia, die sogenannten Kegulae super Aba-
cum und ein kleiner Aufsatz über den Orgelbau.^) Von diesen
sind in neuerer Zeit allerdings ernstlich nur die ersten beiden
in Frage gekommen.i^) Aber da aus der handschriftlichen
1) Aimoini Mir. S. Bened. II, c. 4; Sermo de S. Bened., Bibl. Floriac.
p. 290. In einer Anf Zählung aller Autoren Über den hl. Benedict im Cod.
Paris, lat. 13758 saec. XI, f. 19' spricht Aimoin von Odo: Ilh*d sane^ non
reticendumj quod domnua amabilis abba Odo in laude eiusdem patris ser-
monem facunda edidit doqtnentia et in Sermone^ quem de aancto conscripsit
MartinOj huius non siluit praeconia.
*) Bemardi Ordo Glun. bei Hergott, Vetos discipl. p. 348: in aliis
per octavis noctibua legitur pidcherrimua sermo domni Odonis abbatis de
eodem sancto patre,
s) Beide gedruckt Bibl. Ginn. col. 268.
*) Gedruckt bei Gerbert, Scriptores ecclesiastici de musica sacra
potissimum I (St. Blasien 1784), 247—303.
B) Nisard, St Odon de Cluni, Paris 1866, eine kleine Arbeit, die sieh
vornehmlich mit den musikalischen Schriften Odos beschäftigt, nimmt den
Tonarius, Dialogus, die Regpilae super Bythmimachia und die Abhandlung
Über den Orgelbau aus nichtigen Gründen flir ihn in Anspruch. F6tis,
Biographie universelle de la muslque VI, 348 schreibt Ihm nur den Dia-
336
Ueberschrift des TonariuB überhaupt nieht zu folgern ist, dam
er von einem Abte Odo herrührt >), und der Dialogns, der erst
vom Anon. Mellie. e.75 unserm Odo zugeBehrieben wird, in
mehreren Handschriften unter dem Namen Guidos von Arezzo
geht 2), so bliebe schliesslich nichts übrig, was mit Sicherheit
Odo zukäme. In der That spricht nichts dafür, dass der Abt
von Cluni überhaupt musicalische Schriften verfasst hat Nicht
nur berichtet sein Biograph davon nichts, es giebt auch keine
einzige Handschrift, welche irgend eines der erwähnten Werke
ausdrücklich dem Abte von Cluni zuschriebe.
Kaum ein Jahr nach Odos Tode schrieb Johannes, ein
ehemaliger Canoniker aus Rom, den der Abt 938 mit über die
Alpen genommen und zur Conversion gebracht hatte, sein Leben.
Er wurde 940 Prior, vermutlich in St Paul zu Rom, und kam
dann, wohl in der Absicht zu reformieren, nach einem salemi-
tanischen Kloster, wo er erkrankte.') Hier regten ihn Ge-
spräche mit seinem Mitbrnder Adhalrad und dem ftirstlichen
Hausminister von Salerno zu jener Lebensbeschreibung an , für
logus zu; vgl. Revue de musique religieuse, 1847, S. 106. 862. Haur^u,
Singularit^s S. 156—162, der aber die Ueberschrift des Cod. Cassin. miss-
versteht, lässt nur den Tonarius gelten.
>) Erhalten im Cod. Cassin. 318 saec. XL Vgl. Bethmann, Archiv
XII, 505. Aber aus dem Titel: Item tonora per ordinem cum suis diffe-
rein/tiiSj quos habemus honorifice emendatos et patefactoa a damno Oddotie
religio8o abbate, qui fuit peritus in arte mvaica folgt natürlich nicht,
dass ein Abt Odo der Yer&sser der Schrift war. Aus einer Stelle des
Dialogus, die sich mit dem im Tonarius Erwähnten berührt, kOnnte man
es allerdings schliessen (vgl. Haureau S. 160), indes nicht mit Sicherheit
Beide Schriften spielen vielleicht nur auf dieselbe Neuerung eines Abtes
Odo an. Wie dem auch sei, dass der Abt von Cluni jener Abt Odo sein
müsse, folgt keineswegs.
>) Revue de mus. rel. S.196; F6tis VI, 348. Es sind die Codd. 3713
und 7461 der Nationalbibl., Vat. reg. Chr. 1192; Laurent Plut XXIX, 48.
Nur die Codd. Paris. 721 1 und 7369 tragen den Namen eines Abtes Odo,
der natürlich nicht der Abt von Cluni gewesen zu sein braucht Ein Abt
Odo wird im Text einmal erwähnt; vielleicht hat das die Ueberschrift und
auch die Notiz des Anon. Mellie. veranlasst. Angeloni, Sopra la vita, le
opere ed il sapere di Guido d'Arezzo nimmt den Dialogus für Guido v. A.
in Anspruch. Die von F^tis aus dessen Werken gedruckte Stelle spricht
nicht dagegen, jedenfalls aber nicht dafür, dass Odo von Cluni der Vet-
fjAsser ist
») Vgl Bd.1, S.861ff:
337
die er den Stoff seinem ehemaligen Lehrer Arnulf, Abt Odo
selbst und dem Prior Hildebrand von Clnni verdankte.
Johannes macht einen überaus zuverlässigen Eindruck. Er
verwirft z. B. die Zeugnisse des Bischofs Huebert von Turin
und eines Bruders Landricus. Er gesteht zu, die Voreltern
und Zeitgenossen Odos nicht zu kennen. Er fUhrt Odo redend
ein, wo seine Nachrichten direct auf Erzählungen des Abtes
zurückgehen. Bemerkenswert ist die Tendenz, mit der er an
seine Arbeit herangeht: Mag, wer will, sagt er, Dämonenver-
treiber, Totenerwecker und andere wunderthätige Männer prei-
sen: er werde Odos Ausdauer, Weltverachtung, Seelsorge, Klo-
sterreform, seine Lebensweise, sein Wirken für den Frieden
der Kirche und die weltlichen Mächte, seine Gebete u. s.w.
schildern.'^ Es liegt darin ein Verzicht auf jene HeiUgen-
macherei, die namentlich in der Folgezeit die Tendenz der
Hagiographen darstellte, eine Abneigung gegen die Andichtung
und Ausschmückung angeblicher Wunder, welche der clunia-
censischen Litteratur überhaupt zur Ehre gereicht. So wenig
die Biographie des. Johannes ein litterarisches Kunstwerk zu
nennen ist, so sehr ist der Sinn des Autors für die Gegenwart
und die objective Berichterstattung anzuerkennen.
Nachdem Johannes, wie es scheint, Abt in Salemo gewor-
den war, bearbeitete er die Vita Odonis^), indem er die Ab-
schnitte, welche thatsächlichen Inhalts waren, ausmerzte, die
Reihenfolge der Capitel häufig änderte und einiges Neue hin-
zufügte. Diese Fassung wurde die Grundlage für eine Neu-
bearbeitung aus der Zeit Hugos von Cluni. Der Verfasser,
der einen Abschnitt über die Verdienste Bemos einschob und
die Wahlurkunde dieses Abtes für die Darstellung der Abt-
wahl Odiles verwertete, benutzte ausserdem nach eigener An-
gabe ein Gedicht des Bischofs Hildebold von Chalon über
Odo, das aber nicht erhalten ist und schwerlich viel That-
sächliches enthalten haben kann.
Odos Nachfolger Aymard war Utterarisch nicht gebildet
und deshalb schriftstellerisch nicht thätig, während Majolus
zwar hohe wissenschaftliche Bildung besass, aber sich doch
I
«
>) Vgl. Sackur, Zur Vita Odonis abbatis Claniacensis auctore lohanne,
N.Archiv XV, 105— 116.
Saokar, Gluniftoenter. U. 22
338
bewusBt von dem „Wahnwitz der Philosophen" und dem „dum-
men Dogma der Philosophen" abgekehrt hatte. Ihm, dem Theo-
sophen, fehlte der Sinn für die Gegenwart, für das Gegenständ-
liche zu sehr, als dass er selbst die Feder ergriffen hätte. Aber
die Heiligkeit seines Lebenswandels, die Grösse seiner Wirk-
samkeit rief die litterarischen Geister des Klosters zn schrift-
stellerischem Schaffen auf; an seine Person schlössen sich zu-
nächst alle litterarischen Versuche an.
Kurze Zeit nachdem er gestorben war, drängte man
Syrus, einen Mönch von Clnni, die Thaten des Majolus zu be-
schreiben, und namentlich Warner, wohl der Prior, liess es an
AufiTorderungen nicht fehlen. Als Syrus dann trotz der Schwie-
rigkeiten, die sich ihm boten, das Werk begonnen hatte, nahm
Warner, als er sich in einer Mission nach dem Elsass begab,
während Syrus nach Italien ging, den auf Zetteln zerstreuten
Entwurf mit sich. Dort blieb er liegen, bis Odilo nach Wamers
Tode nach Murbaeh kam, wo ihm das zurückgelassene Werk
des Syrus in Abschrift übergeben wurde, das, unvollständig, wie
es war, noch durch nachlässige Abschreiber gelitten hatte. So
trug denn Odilo dem Syrus auf, seine Arbeit nachträglich einer
Correctur und Ergänzung zu unterziehen.
Die Biographie des Syrus ^), so nahe sie den Ereignissen
steht, zeigt Majolus schon recht im Lichte der Legende. Wenn
Odos Biograph die Wundergeschichten zurückwies, so verweilt
Syrus mit Behagen bei den Heilungen der Besessenen nnd
Verrückten, und da, wie er sagt, einige Leute nur diejenigen
gelten liessen, die sichtbare Wunder vollbracht hatten, sieht
er sich veranlasst, auch von Majolus eine Reihe Heilungs-
wunder zu berichten. Der Stil ist schwülstig, von Reimprosa
und Versen, die der Vita S. Germani des Heirich entlehnt
sind, unterbrochen, sehr oratorisch und phrasenhaft. Die Dar-
stellung aber ist chronologisch und bezüglich der allgemeinen
Thatsachen glaubhaft, wenn auch rednerisch ausgeschmückt
Ungewiss wann, aber wahrscheinlich nicht zu lange nach
Syrus wurde dessen Vita nochmals einer Durchsicht und Er-
gänzung unterzogen.^) Der Mönch Aldebald, wohl von Lä-
0 Gedruckt MabUlon, Acta SS. V, 764 ff.
*) Nach den Versen Raimbalds hat Aldebald nach des Syrus Tode
339
rins^), streute eine Menge nichtssagender Hexameter ein, ver-
mehrte die ans Heirich entlehnten Stellen 2), setzte namentlich
die unvollendet gelassene Biographie ergänzt Traube bezieht das auf
die heut vorhandene S3rrusbiographie, die er „erste Ausgabe des Syrus
durch Aldebaid'' nennt. Aber sehr wohl kann Raimbald gemeint haben,
dass Aldebald durch die Einschiebung der Verse in seiner Vita wirklich
den Syms erst vollendet habe. Wie weit Raimbald zu glauben ist, ist
übrigens sehr zweifelhaft. Sollte der Jots. II, c. 1 genannte Abt Syrus,
der ca. 1050 noch lebt, mit dem Biographen des Majolus identisch sein,
wie Habillon annimmt, so würden wir in ein grosses Dilemma Raimbald
und der V. Odil. gegenüber gelangen. Für die historische Kritik ist es
übrigens vüllig gleichgültig, ob die Heirichphrasen noch von Syrus oder
Aldebald eingeschoben sind. S. unten n. 2.
^) Der Einschub über L^rins dürfte diese Vermutung rechtfertigen.
In L^rins gab es auch einen Prior Aldebrand, der vielleicht mit dem Ver-
fasser identisch ist. Dass er am Anfange des elften Jahrhunderts schrieb,
darf man vielleicht daraus entnehmen, dass die Vita noch vüllig der
Reimprosa ermangelt
') Vgl. L. Traube, Abermals die Biographieen des Majolus, N. Arch.
XVII, 402 ff. Traube nimmt an, dass auch die uns erhaltene Vita d. Syrus
wegen der dortigen Benutzung des Heirich nur eine erste Bearbeitung
des Aldebald, nicht die originale Vita ist. Ich kann diesen Schluss nicht
zugeben, da Aldebald dem Syrus sehr wohl nachgearbeitet haben kann.
Völlig in der Luft schwebt die kühne Hypothese, dass Odilo sich an den
ursprünglichen Syrustext gehalten, wenn er auch die bereit« interpolierten
Viten gekannt hätte, was Traube zugiebt Dass er sie nicht nur kannte,
sondern den heutigen Syrustext direct benutzte, ergiebt sich aus dem
Vergleich der dem Heirich entlehnten Stelle über Lyon. Vgl. Migne 142, 948.
Wie kann Traube angesichts der Thatsache, dass die Interpolationen aus
äeirich nirgend etwas Thatsächliches bringen bis auf die auch von Odilo
benutzte Stelle über Lyon, behaupten, die Abweichungen Odilos von der
erhaltenen Syrusvita seien durch Benützung des nichtinterpolierten Textes
entstanden? Da müsste zuerst der Beweis geführt werden, dass die Wahl
zum Bischof von Besan^on, die Absicht, Majolus zum Papst zu machen,
etwa durch spätere Interpolationen in den Syrustext hineinkam, dass etwa
Anklänge an Heirich sich hier fänden u. s. w. Dass Odilo sich zum Zweck
seiner Vita eine Abschrift des Syrusentwurfs verschaffte, wie Traube an-
nimmt, ist gänzlich ausgeschlossen, da er fern von seinem Kloster, in
Romainmoutier, auf Grund einer plötzlichen Eingebung diese Vita zum
Lobe des Vorgängers für den Festtag desselben schrieb. Das ist es eben,
worum es sich dreht, dass die Vita Odilos kein vorbereitetes, sondern
ein aus dem Gedächtnis verfasstes Werk weniger Tage ist. Die Sache ist
also einfach die. Nirgend ist ein Beweis dafür vorhanden, dass der ur-
sprüngliche Syrustext anders aussah, als der erhaltene, m(}gen die nichts-
sagenden Heirichverse schon dringestanden haben oder nicht Odilo be-
22*
340
vor jedes Bach einen veraificierten Prolog and eehob vor die
eigentUehe Darstellung eine legendenhafte Sehilderang des
Ueberfalls des Klosters L^rins darch die Sarrazenen — der
einzige erhebliehe Zasatz, den er za maehen im stände war.
Er teilte das dritte Bach in zwei Teile, nnd ein gewisser Raim-
bald setzte mehrere Hexameter vor das ganze, in denen er
ttber die Entstehung der Arbeit Anfisehlnss g^ebt and die drei
am die Biographie des Majolns verdienten Männer, Wamer,
Syras and Aldebald, dem Gebete der Leser empfiehlt')
Sowohl die Vita des Syras, als die erweiterte des Alde-
bald waren als LeetOre zum Feste des Heiligen za lang. Man
recitierte deshalb regelmässig die Vita Gregors I, die Majolas
stets mit grossem Eifer gelesen and besprochen hatte. Als
nun Abt Odilo am Ostern 1033 sieh in Romainmoatier auf-
hielt, zu jener unruhigen Zeit, in der Konrad U. und Odo von
Champagne um Bnrgund stritten und die Hungersnot ihren Höhe-
punkt erreicht hatte, kam er auf den Gedanken, zum Lobe seines
Vorgängers eine Lebensbeschreibung^) zu verfassen, in Anleh-
nung an die bisher vorhandenen Schriften. Die neue Vita ist
in Beimprosa gesehrieben, der Stil klar und durchsichtig, die
Darstellung lebendig und von rhetorischen Fragen oft unter-
brochen, so dass der panegyrische Zweck deutlich hervortritt')
Odilo, der die Neubearbeitung der Vita Maioli durch Syras
veranlasst hatte und selbst eine kleinere Biographie verfasste,
dichtete schliesslich vier Hymnen zum Lobe seines Vorgängers,
von denen zwei in den üblichen Tetrastichen, zwei in sapphischen
Strophen gedichtet sind, bei denen die Cäsur- und Versah-
ruft sich direct auf die erhaltenen Viten und benutst den erhaltenen und
bereits interpolierten Syrus. Seine Vita ist eine Lobschrift, von der Er-
langung der Abtwttrde ohne irgendwelche thatsächliche Mitteilungen: folg-
lich ist Odilo eine, wenn auch frei behandelte, weil aus dem GedSchtois
geschriebene, abgeleitete Quelle. Damit wird freilich nicht bewiesen, dass
alle Nachrichten des Syrus richtig sind, wohl aber kann das Schweigen
Odilos absolut nichts dagegen beweisen.
^) Gedruckt Acta SS., Mai II, 668 ff.; vgl. Schnitze, Forschungen z. D.
Gesch. XXIV, 158; Rtughote, Der hl. Abt Odilo S.97.
>) Gedruckt BibL Glun. col. 279—290.
') Vgl. Sackur, Noch einmal die Biographien des Majolus, N. Archiv
XII, 513 ff. Dagegen W. Schnitze, Ueber die Biographien des Majolns,
Forschungen z. D. Gesch. Bd. XXIV, 153—172 und N. Arch. XV, 547 ff.
341
Schlüsse einander reimen. i) Er bewirkte aber auch die Auf-
zeichnung der am Grabe des Majolus geschehenen Wunder,
der in zwei Bücher geteilten Miracala S. Maioli.^) Historische
Nachrichten von Belang bieten die Mirakel nichts); wir erfah-
ren aber gelegentlich, dass die Brüder von Souvigny über das
Grab des Majolus eine steinerne Tafel legten^) und dann über
seinem Haupte einen Altar errichteten, den der Bischof Bego H.
von Clermont weihte.^) Das zweite Buch hat anscheinend einen
andern Verfasser. Einmal unterscheidet es sich vom ersten
durch die breitere Schilderung, weitausholende Betrachtungen
und Motivierungen bezüglich der einzelnen Wunder, dann aber
nimmt der zweite Autor mehrfach Gelegenheit, auf die Vor-
züge und Tugenden des Abtes zurückzukommen.
Wenden wir uns den litterarisehen Productionen Odilos
zu, soweit sie sich nicht auf Majolus beziehen, so ist in erster
Reihe das Epitaphium der Kaiserin Adelheid ^) zu nennen, das
der Abt noch vor der Vita Maioli wohl kurz nach dem Tode
der hohen Frau verfasste. Es ist dem Abte Andreas und den
Brüdern von St. Salvator in Pavia gewidmet. Der Autor ent-
schuldigt sich mehrfach wegen der Schlichtheit und Unbe-
holfenheit des Stiles, bemerkt aber, dass, wenn jemand die
Geschichte der Adelheid würdig schreiben solle, schon der
Redner Cicero aus der Unterwelt und Hieronymus von oben
zurückkehren müssten, der eine Reihe christlicher Frauen in
Büchern und Episteln behandelt habe.^)
^) Gedruckt Bibl. Glun. col. 292 ff. Historischen Inhalt haben diese
Dichtungen nicht.
*) Gedruckt Acta SS. Boll. Mai II, 690 ff. Es heisst hier: Hos ex
parte cUiqtui pro patemo imperio domini ac reverentisaimi Odilonia abba-
tis obedimtis mandare scriptis. Jedenfalls ist die Aufzeichnung der Wun-
der später als die der Biographie erfolgt, in der es heisst: Quorum (d.h.
der Wunder) numeroaitatem et magvdtudinem non sufficit per ordinem
omnium nostrorum enarrare memoria.
') Abgesehen von der Erwähnung des Besuches Hugo Gapets am
Grabe im Jahre 995, Mirac. II, c. 3; vgl. Bd. I, S. 813. Die dort erwähnte
Urkunde Hugos ist jedoch unecht; vgl. Luchaire, Instit. monach. II, 201, n. 1.
*) Mirac. I, c. 3. ») ib. I, c. 9.
*) Mon. G. SS. IV, 637 ff. — Er sagt: Non enim ad hoc tarn grandem
materiam vili brevique seimone perstrinximus.
') Epit c. 1.
342
Odilo schildert zaerst die HerkoDfl; Adelheids und ihre
Flacht vor Berengar'), um dann mit einem Sprunge auf die
Vorzüge ihres Geistes and Herzens zn kommen. ,Was wir
über sie sagen'', bemerkt er, , haben wir nicht nnr vom Hören-
sagen, sondern durch unsere eigenen Augen und an unserer
Person erfahren. Viel Worte des Grusses haben wir von ihr
gehört, sehr viele Geschenke von ihr empfangen.* 2) Während
der Verfasser über die Regierung Ottos I. kurz hinweggeht
und aus der Otto H. nur von dem Conflict der Kaiserin mit
ihrem Sohne und der Aussöhnung zu Pavia zu berichten weiss,
erfährt die letzte Zeit der Adelheid, in der er derselben über-
aus nahe getreten ist, die eingehendste Würdigung. Er be-
rührt das schlechte Verhältnis zu Theophano, die Unbilden
nach Ottos H. Tode') und die Klostergründungen der Kaise-
rin^), und erzählt ausführlich die Fahrten derselben in ihrem
letzten Lebensjahre.
Ausser einigen Briefen^) sind eine grössere Anzahl von
Predigten <^) Odiles erhalten, die an den christlichen Haupt-
festen gehalten wurden. Eine ungemeine Vorliebe für Reim-
prosa und ein starkes Mass für Rhetorik und symbolische Aus-
legung macht sich in ihnen geltend. Hervorzuheben ist die
grosse Kenntnis der Bibel und der patristischen Litteratur.
Der Tod Odiles gab Jotsald, einem Mönche von Cluni,
Veranlassung, zur Feder zu greifen. Er ward unter Odilo
im Kloster erzogen und begleitete ihn Ende 1046 nach Rom,
von wo er im Frühjahr 1047 zurückkehrte.") Mit Odiles Nach-
folger, Abt Hugo, war er 1051 in Ungarn, als dieser im Auf-
trage Leos IX. zwischen dem Kaiser und den Ungarn verhan-
delte.^) Unmittelbar nach Odiles Tode verfasste Jotsald einen
Hymnus auf den Verstorbenen in achtundzwanzig Vierzeilern;
») Epit. c. 2—4.
^) c. 5 : Muita ah ea sahUis verba avdivimtis, plura dona mscepimus.
«) C.6— 8.
*) c. 9.
^) So weit bis dahin veröffentlicht bei Migne, Pstrol. lat. 142, 939 ff.;
ein Brief an Stephan von Ungarn ist später von Pfister, De Fulberi vita
(1885) p. 53 und Ringholz, Odilo, Anmerk. S. XXXV gedruckt worden.
•) Bibl. Clun. col.371— 408.
') Jots. V. Odil, N. Archiv XV, 119.
») Jots. V. Odil. II, c. 12; vgl. Giesebrecht, Kaiserzeit II, 479.
343
yermntlich rührt von ihm aneh ein Gedieht in elf Distichen
an Soavigny, die Grabstätte der beiden letzten Aebte, her nnd
ebenso das Epitaphium Odiles.^) Umfangreicher ist der Planctns
Jotsalds^), ein langer Panegyricns in Hexametern, der eine
rührende Klage über den Tod des Abtes enthält nnd den Em-
pfang des hl. Mannes im Himmel schildert. Er wird mit dem
Geliebten verglichen, den man mit Blumen erwartet. Am jüng-
sten Tage sehen wir Odilo in der Schar der Heiligen einher-
sehreiten. Zuletzt eifolgt der Anruf der Heiligen für Odilo.
Der Autor schliesst mit seiner Empfehlung und der der Freunde
Almanus, Andreas und Bernardus, von denen der erste Odilo
besonders nahe gestanden haben muss, da er ihm die Vita
Maioli widmete, und er mit Andreas auch in dem erwähnten
Hymnus genannt wird.
Einige Jahre später 3) verfasste derselbe Mönch ein Leben
Odiles, das er dessen Ne£fen, dem Bischof Stephan von Cler-
mont, widmete. Seine Gewährsmänner waren — soweit er sie
nennt — u. a. Bischof Richard, der ebenfalls unter Odilo er-
zogen wurde, lange Zeit sein Vertrauter war und ihn auf der
Reise begleitete*), dann Siebod von Alby^), der Propst Peter
von Pavia, der Abt Syrus eines unbekannten Klosters, vielleicht
identisch mit dem Verfasser der ersten Majolusbiographie, letz-
tere beiden Odilo eng befreundet und durch gemeinschaftliche
Geheimnisse und Mühsalen verbunden.<^) Die Biographie um-
fasst drei Bücher, von denen das erste über das Leben und
die Tugenden des Abtes berichtet — und zwar hat Jotsald
die vier Cardinaltugenden zum Einteilungsprincip gewählt — ^
das zweite die bei Lebzeiten Odiles vollbrachten Wunder er-
zählt, das dritte die nach seinem Tode geschehenen Mirakel
>) Diese Gedichte sind gedruckt N. Arch. XV, 122—126.
^) Bibl. Ginn. col. 829 — S32. Die Schiassverse zuerst vollständig
N. Arch. Xy, 122. Deutsche Uebersetzung bei Kingholz a. a. 0. S. LIII.
') Er schrieb jedenfalls nach 1051, da er die Reise nach Ungarn
II, c. 12 erwähnt, aber sicher nicht zu lange nach Odilos Tode, da er mit
einer Klage über den Tod des Abtes beginnt. Gedruckt Mabillon, Acta
SS.VI, 1,597 ff. Auszüge SS.XV, 2, 812—820; Nachträge N.A. XV, 117—121.
*) II, c. 12. *) II, c. 19: viro sibi satia familiari.
•) II, c. 1 : Fuerunt enim praedidi fratres prohabiUa tnri, patris Odi-
hnis admodwn familiarissiinij secretorum etiam iUivs in plitribua conscii
et itineria vel laborie per mvtUa tempora socii.
344
enthält. Der geringe historische Sinn, der sieh in der merk-
würdigen Disposition des ersten Baches ausspricht, war schald
daran, dass wir kein chronologisches Lebensbild erhalten, son-
dern eine Znsammenstellang von Anecdoten, welche die Tugen-
den des Heiligen hervortreten lassen. Immerhin enthält die
Vita wichtiges geschichtliches Material.
Sieht man von Odo ab, der in seinen litterarischen Pro-
ductionen begreiflicherweise noch auswärts Anknüpfungspunkte
suchen musste, der in St. Martin, Limoges, St Benott-sur-Loire
zu litterarischem Schaffen angeregt wurde, so können wir
erst unter Odilo den Anfang einer specifisch cluniacensischen
Litteratur constatieren. Noch Odos Biographie wurde ja nicht
etwa in Cluni, sondern in Salerno geschrieben. Diese Er-
scheinung ist völlig verständlich, wenn man bedenkt, dass
Cluni derjenige ideale Mittelpunkt im zehnten Jahrhundert
fehlte, auf den in den Klöstern und Kirchen so viel gehal-
ten wurde: Cluni hatte keine Heiligen reliquien oder erhielt
solche erst sehr spät, in Cluni legte man im Anfang gar
keinen Wert auf Wunder, deren Beschreibung sonst auf dem
geistig sterilsten Boden zu gedeihen pflegt. Erst im Fort-
schritt der religiösen Entwicklung und der Zunahme der
Schwärmerei wurde Majolus, so sehr er sich selbst da-
gegen sträubte, zu einem Wundermann. Ein Mann seiner
Stellung that einfach Wunder, ob er wollte oder nicht; es ist
bezeichnend, dass dann Odilo bereits bewusstermassen mit dem
Becher des hl. Majolus operierte, aus dem er den Kranken zu
trinken gab. So war es selbstverständlich, dass Majolus' Grab-
stätte zum idealen Beziehungsort aller schriftstellerisch schaf-
fenden Naturen wurde, dass erst nach seinem Tode eine Litte-
ratur in Clani erblühte.
Auch in Fleury ist eine regere litterarische Production erst
in den letzten Jahrzehnten des zehnten Jahrhunderts, unter
Abbo, nachzuweisen, obwohl hier die Wunder des hl. Benedict
schon im neunten Jahrhundert zur Darstellung aufgefordert
und Odo von Cluni bereits eine Predigt ttber den Klosterheiligen
gehalten hatte. Wir werden sehen, wie, abgesehen von den
Studien Abbos selbst, der hl. Benedict immer wieder im Mittel-
punkte geistiger Bestrebungen blieb, und was auch ttber die
845
Klostergeschichte und die Aebte geschrieben wurde, doch dem
Rahme St Benedicts and seiner Grabstätte za gute kam.
St.-Benolt-sar-Loire.
Die ersten Sparen einer litterarischen Thätigkeit and
einer Bibliothek nach der Reform sind bereits unter Abt Odo
in Fleury nachzuweisen. Noch sind einige Handschriften
vorhanden, die Odo besass oder die er fttr das Benediets-
kloster abschreiben liess.<) Unter Richard und Oylbold ent-
wickelte Abbo eine erspriessliche Thätigkeit als Vorsteher
der Schule ^) und hörte auch als Abt nicht auf, geistige Inter-
essen in seiner Abtei zu fördern. Er brachte neue Anregungen
aus England mit: eine Sammlung von Canones, die im neunten
oder zehnten Jahrhundert in angelsächsischer Schrift geschrie-
ben wurde, wurde vermutlich ihm verdankt 3); ein prächtiges
Sacramentarium weihte ein englischer Gönner dem hl. Bene-
dict.4) Eine Handschrift der Kategorien des Aristoteles ward
von Abbo oder auf seine Veranlassung geschrieben.^)
Seine schriftstellerischen Leistungen erstreckten sich auf
verschiedene Gebiete.«) Politische Zwecke verfolgten der Apo-
logeticus und die Canonsammlung, zwei Werke, die bereits ein-
>) Inveutaire des manuscrits de la bibl. d'Orl^ans. Fonds de Fleury
ed. Gttissard, nr. 159: Domno abbati Oddoni frater ÄmeUus scoktstictis etc.;
nr. 160 enthält Fragmente aus Kirchenvätern saecVU— XL Auf einem
Fragment des Augustin (saec. VIII) steht: Ex monasterio sancti BenedicH
Floriacenais super Ligerimj sodann Commentum super diaUcHcas {\) Über
beati Odonis abbatis; nr. 203 Concordanz der Kegein aus St. Benott: Dom-
mus abbas Odo omni paiemitcUis affectu excolendus . . . Vgl. Vogel, Die
Bibliothek der Benedictinerabtei Saint-Benott oder Fleury an der Loire,
Serapeum V, 18—20; Septier, Manuscrits nr. 51.
>) Bd. I, S. 274. >) Guissard nr. 193.
*) nr. 105 mit folgender, teilweise radierter Inschrift: . . . suo Bene-
dicto ab suis memoriam a transmarinis partibus misit imprecans cum ifi-
strumento maledietionis. Es ist, wie es scheint, die V. Gauzlini I, c. 43
erwähnte Handschrift; vgl. Delisle, Anciens Sacramentaires, Mtooires de
rinstitut XXXII (1886), 211 ff.
') nr. 233, p. 1 45, saec. X ex. In einem Ornament im Anfang der
Kategorien des Aristoteles sieht man einen Kopf mit dem Namen: Abbo.
Andere Godd. saec. X, die Fleury gehörten, jetzt in Bern nr. 36. 49. 99.
120. 134. 172. 260. 267. 277. 306.
•) Vgl. Bist. litt, de la France VII, 165 ff.
346
gehende Würdigung erfahren haben. i) Er verfasste auch eine
kurze Papstgeschichte ^), ferner eine Vita Eadmandi^), die dem
Erzbischof Dunstan gewidmet ist, von dem auch das Material
stammte. Dunstan hatte die Geschichte noch unter Aethelstan
von einem Greise gehört, der nach seinen Versicherangen zur
Zeit des Todes König Edmunds Schildknappe des letzteren ge-
wesen war.
llauptsäehlieh beschäftigten jedoch den Abt astronomische,
mathematische, chronolugische und grammatische Studien. In
einer astronomischen Schrift*) erörtert er den doppelten Auf-
und Untergang gewisser Sternbilder, von denen die einen am
Abend nach Sonnenuntergang sichtbar werden, wenn das
Sonnenlicht schwindet, das sie unsichtbar gemacht hat, die
andern durch ihren Aufgang am frühen Morgen den neuen
Tag beginnen, nachdem sie infolge der Sonnennähe den Tag
zuvor nicht sichtbar geworden waren. Eine andere Abhand-
lung beginnt mit der Auseinandersetzung des Unterschieds von
Kreis und Kugel und behandelt dann die Zonen, den Zodiacas
und die Sternbilder. Abbo stellt den Lauf der sieben Planeten
durch den Tierkreis dar, was er durch eine Zeichnung erläu-
tert, dann den Lauf des Mondes, wobei er durch eine Figur
Abnahme und Zunahme des Mondes veranschaulicht.
In einer anderen Abhandlung^) bespricht Abbo das Wesen
der Gewichte und ihre Entstehung. Ein andermal beweist er
0 Bd. I, S. 287 flf.
') Erhalten im Cod. Bern. nr. 1 20, f. 76 ff.
•) Vgl. Ebert, Litteraturgesch. III, 394 ff.
*) y. Abb. c. 3 erwähnt astronomische Schriften : De solis quoqiie ac
lunae seu planetarum curaUj a se editas disptUationes scripto posteriorum
mandavit notitiae. Diese Schriften erklärt Pfister, iltudes p. 12, n. 3 fUr
verloren. Sie sind jedoch enthalten im Cod. Mus. brit. add. ms. 10972,
f. 48, beginnend mit den Worten: De dupplici ortu signorum dvbitatUes
aliqitando hac ratione conveni. Die zweite Schrift steht im Cod. Cotton.
Vitell. A XII (Plut. XXVI. C), f. 8: Sententia Abbonis de Differentia cir-
ctdi vespert, Studiosis astrologie primo sciendwn est per geometricam
quid distat int er circulum et speram ... f. 9: De cursu VII planetarum per
zodiacum circulum etc. Zweifellos sind es dieselben Schriften , auf die
Aimoin anspielt Ein anderes kalendarisches Werk Abbos im Cod. Bern,
nr. 250, f. 12 ff. Vgl. Bist, litt Vü, 179 ff.
^) Cod. Musei brit 10972, f. 48 beginnt: De unciarum minutis quo-
niam requisistis scitote etc. Vgl. Cod. Bern. n. 250, f. 10. 11.
347
den Satz, dass der Körper nicht Substanz sei^), auf achterlei
Weise mittelst Syllogismen. Mehrfach äusserte er sich Ober
chronologische Probleme. Er wies nach, dass die dionysia-
nischen Cyclen sich nicht mit dem Datum der Passion Christi
und dem des Todes des hl. Benedict vereinbaren Hessen^), und
in einem 1003 an die Mönche Vitalis und Gerard gerichteten
Briefe führte er die Unzulänglichkeit der dionysianischen Cyclen
weit aus und machte sich an die Aufstellung richtiger Cyclen.')
Endlich antwortete der gelehrte Abt den Mönchen von Ramsay
auf grammatische Fragen^) und verfasste eine kleine Schrift,
in der er darlegte, dass die Nomina der dritten Declination
auf as, wenn sie im Stamm auf d ausgehen, die Penultima
verkürzen, bei Stammausgang t dieselbe verlängern, und in
der er auch andere Schwierigkeiten behandelte.^)
Abbos Persönlichkeit gab seiner Umgebung nach verschie-
denen Seiten hin Anregung. Freilich hat er, soviel wir wissen,
gerade in seiner speciellen, den Bealwissensehaften zugeneigten
Richtung keinen Nacheiferer gefunden, aber er pflanzte leb-
hafte Utterarische Interessen ein, die unter seinem Nachfolger
die ausgezeichnetsten Geister der Abtei fesselten und zu schrift-
stellerischen Leistungen anregten.
Am nächsten stand Abbo von seinen Schülern wohl Aimoin.
Er stammte aus dem Südwesten Frankreichs; seine Mutter hiess
Aunenrudis, und als ihren Verwandten bezeichnet er den Burg-
herrn Girald von Aubeterre.^) Er war unter den wenigen Brü-
^) Cod. Mus. br. 10972, f. 48': Qteo(2 corpus suhstantia non sitj huius-
modi coüigitvr cathegoricis siüogümis.
>) Es ist dies eine in Bedae Opp. ed. Migne I, 828 gedruckte Vor-
rede, die Abbo gehört.
') Der Brief ist gedruckt von Varin im Bulletin des comit6s hist.
1849, S. 117£f., woselbst eine eingehende Studie über Abbos chronologische
Schriften. Vgl. Sigeb. Chron. 994 : Ahho abhas FloriacensiSj gt*i super cal-
culum Ylctorii commentatus est. Mabillon erwähnt Ann. Bened. IV (Lucae
1739), 160 einen Brief Abbos über das Jahr der Passion an Gerard und
Vitalis, der anscheinend im Cod. Bern. nr. 806 erhalten ist.
*) Vgl. darüber Cuissard- Gaucheron, L'^cole de Fleury sur Loire a
U fin du dixi^me si^cle, M^moires de l'Orl^anais XIV (1875), 657. S. ebenda
p. 680 über ein geschmackloses Gedicht auf Otto III.
B) Erhalten im Cod. Mus. brit. add. ms. 10972, f. 49.
«) V. Abbonis c. 20.
348
dem, die den Abt im November 1004 nach der Gascogne be-
gleiteten. Nach Abbos Tode, zwischen 1004 nnd 1012*), for-
derte ihn der Thesanrar Herivens von St Martin in Tours auf,
das Leben Abbos nnd sein Martyrium zu schreiben.^) Der
Mönch yerzeichnete, was er teils von glaubwürdigen Männern
gehört, teils selbst gesehen hatte.^) Die Aufnahme mehrerer
Briefe aus der Correspondenz Abbos ^) und eines Stttckes aus
dem Apologeticus^), der Hinweis auf Zeugen stützt das Ver-
trauen in die Wahrheitsliebe des Verfassers. Freilich ist nicht
ausgeschlossen, dass er mehr gewusst hat, als er sagte, so
über das Verhältnis Abbos zu Abt Oylbold und über die nn-
canonische Ehe des Königs.^) An die Vita schliesst sich ein
zweites Buch an, welches die am Grabe Abbos vollbrachten
ViTunder enthält. '') Bald nach Abbos Hinscheiden^) schrieb der
eifrige Mönch das zweite Buch der Mirakel des hl. Benedict
und vier Capitel des dritten, als er die Arbeit liegen liess, um
auf allgemeinen Wunsch die Geschichte der Aebte von Fleury
zu schreiben.®) Leider ist dieses Werk bisher nicht gefunden
worden. In Verbindung damit steht die Vita Abbonis, die das
>) In diesem Jahre starb Heriveus, da vier Jahre vorher (1008) die
Weihe von St. Martin in Tours stattfand, Rod. Glaber III, c.4; Hugonis
archid. dial., Mabilion, Vetera Anal. p. 215.
«) V. Abb. prol.
') V. Abb. C.21: partim a fiddibw viris audita, partim a nobis
Visa . . . scripsimtts.
*) ib. c. 6. 10. 12. 18.
*) ib. c. 8. 9.
•) Vgl. Bd. I, S. 275, n. 4.
'') Gedrnckt Migne, Patrol. 189,413.
") Er schrieb auf Veranlassung Gauzlins; da aus III, c. 1 und 111,
c. 17 hervorgeht, dass dieses Buch 1005 verfasst wurde, ergiebt sich, dass
Aimoin bald nach Abbos Tode begann. Er erwähnt seine Miracula be-
reits V. Abb. c. 20: et no8 in libro mirOiCulorum sancti patris Benedicti
breviter expressimits,
^) Andreae Mir. S. Bened. 1. IV, prol. : ad vitam Floriacensium eden-
dam abbatum se rogatu omnium vertisset fratrtim; V, c. 6, p. 202: Qui
(Johannes Sarrazenus) quibus exeniis pampatus advenerit, Aymointta refert
in eo librOj quem de Floriacenaivm rectorum ordinavit sticcessibus ; VI, c. 3,
p. 237 : sicut celeberrimus authenticorum Aimoinm in libro Vitae abbatttm
liidUenti refert relatu; V.Abb, c. 16: uf in librOj quem de vita velacttbus
abbatum fiostri loci scripsimuSf plenius explanatum est.
349
ganze Werk absehloss.^ Erwähnen wir noch, dass Aimoin
eine Geschichte der Franken nnd eine Lobrede anf den
hl. Benedict mit eingestreuten Versen yerfasste^), so wird die
litterarische Thätigkeit dieses Mannes erschöpft sein.
Kein Thema regte in den nächsten Jahren die litterarische
Prodaction in Flenry so an, wie die Wander und die Trans-
lation des hl. Benedict Brachte der Mönch Arnulf die Mirakel
in künstliche Verse ^), so scheint Oddo das in den Dialogen Gre-
gors I. enthaltene Leben Benedicts in Hexameter umgedichtet
zu haben ^), nachdem schon Adso von Montierender im Auftrage
Abbos sich an dieselbe Arbeit gemacht hatte ^), während ein
dritter Floriacenser, Girald, unter anderem die Translation des
Heiligen in Pentametern bearbeitete.^^) Constantin, der unter
Oylbold und Abbo die Schule leitete, ein gelehrter Mönch
von edler Abkunft, der auch Gerbert näher trat und spä-
ter dank der Gunst Arnulfs von Orleans sogar Abt von
Micy wurde, componierte auf Anregung des Cantors Hel-
gaud die Geschichte St. Benedicts.'^) Aber die Zahl der litte-
rarisch thätigen Brttder von Fleury ist damit nicht erschöpft.
Vitalis, derselbe Mönch, dem Abbo ttber die dionysianischen
Cyclen schrieb, bearbeitete die in barbarischem Latein geschrie-
bene Vita des Brittenbischofs St. Paulus.^) Isenbardus verfasste
einen „Enabenspiegel' ^) und schrieb auf Anregung des Mönches
0 V. Ganzl. I, c. 2: tricenorum dictitans gesta abbatum . . . usque ad
dictum Abbonem. «t
«) V. Gauzlini 1, c. 2.
') V. Gauzl. I, c. 2: Qitem subseciUM Amidfus, sagacis astutia ingenii
praedpiMSf singtUa disticho subdistinxü reciproco.
*) ib.: Oddo vero . . . summi Benedicti confessoria dialogum vitae
heroico variavit schemcUe. Er ist wohl identisch mit dem Mirac. VI, ed.
Certain p. 231 erwähnten Oddo. <^) S. unten S. 364.
^) ib. : Translationis qtioqtie seriem Gireddiis . . . degiaco defloravit
pentamdro. Vgl. Bist. litt. VI, 438. VII, 183. 184.
7) V. Gauzl. I, c. 2; vgl. Dttmmler, N. Arch. II, 222 ff. Die Frage, ob
der Scholasticus von Fleury und der Abt von Micy identisch sind, wird
somit entschieden.
■) V. Ganzl. I, c. 2 : Vitalis vitam egregii FauU, inclgti Britannorum
praecuUs, censura providi correoDit acuminis. Die Vita ist gedruckt Acta
SS. BoU. Mart U, p. 1 1 1 ff.
') ib.: in libro quem *Puerorvim specuhim* praefixit notamine^ stic-
cincta enucleat sermocinatione.
350
Adelelm für den Abt Herbold von Saint-JosBe die Schicksale
der Reliquien des bl. Jndocns zar Zeit Hugo Capets und Ro-
berts 11.^) Von Hisimbert bewahrt man eine Denksebrift, die
sich mit der Erziehung der Klosterschüler beschäftigt zu haben
scheint.^) Er war wohl Bibliothekar in Fleury und wurde viel-
leicht später Prior von Saint Benoit du Saut^)
Die vielseitigste Thätigkeit übte aber Helgaud aus. Von
Kindheit an in Fleury erzogen, trat er durch seine I^ebens-
weise und seinen Gharacter in den Vordergrund und wnrde
Cantor und Vorsteher des Reliquien- und Kirchenschatzes.^)
Daneben war er unter Gauzlin Architekt, Goldschmied und
Schriftsteller. Als Gesandtei: weilte er einst mehrere Wochen
mit anderen floriacensischen Mönchen am Hoflager König Ro-
berts.^) Die nahen Beziehungen, die auch sonst zwischen Ro-
bert und Helgaud bestanden ^), schienen diesen nach des Königs
Tode zu befähigen, sein Leben zu schreiben. Aber eine wirk-
liche Biographie'^) ist das Machwerk nicht, das sich nur mit
den geistlichen Tugenden des Monarchen beschäftigt Weder
chronologische, noch sachliche Ordnung ist zu erkennen. Nur
gelegentlich erfahren wir über die Aufenthaltsorte, über die
Personen aus der Umgebung Roberts. Die geringen littera-
rischen Vorzüge des Werkes schliessen jedoch hohen geschicht-
lichen Wert nicht aus.
*) Ordericus Vitalis ed.Prevost U, 136: Floriacensis Isembardus Her-
boldo abbati inatigante Adcl^mo monacho describitj quod anno ab incar-
naiione Domini 977 etc.; p. 140: Haec omnia Floriacensis Isembardw
gesta temporibua Hugonis Magni seu BocU>erti regia Adelelmo rogitante
descripsit.
') V. Gauzl. I, c. 2 : Porro nee praetereundum aingularis instittdoris
Hiaimberti aummum memoriälef quem ipae aacrae praefecerat bibliothecae,
quia Deo in aedwiandia apiritwüi'wm filiorum animia peratitit Vgl. Hel-
gaud c. 2.
>) Mir. S. Bened. IV, c. 1 ed. Gertain p. 175.
*) Mirac. S. Bened. VII, c. 11, p. 267: ab ipaia cunia eiuadem aandae
aedia monachita et chimiliarchua aanctorum oaaium cuatoa ac proviaor tarn
vita qxLam moribua idoneua; V. Gauzl. c. 2: Helgaudi precentoria. Er starb
an einem 29. August; vgl. Necrol. S. Benigni ed. Moutfaucon II: VI. Kd
Sept, obiit HelgtUdua 8. Benedicti monachtia.
«) V. Roberti c. 29, HF X, 214.
•) V. Roberti c. 28.
') Gedruckt HF X, 99 ff. Vgl. Luchaire, Inst mon. II, 207.
S51
In etwas spätere Zeit fällt die litterarisehe Wirksamkeit
des Andreas von Flenry. Er war der Sohn eines ebenso
reichen als wohlthätigen Mannes, namens Stephan, der Andreas
schon za Hanse in den Anfangsgründen unterrichten liess.^
Im Jahre 1041, also lange nach Ganzlins Tode, schrieb Andreas
seine Biographie^), ein Werk, das eine FttUe wichtiger Nach-
richten ttber das geistige und künstlerische Leben, über die
wirtschaftlichen und klösterlichen Zustände in Fleury im ersten
Viertel des elften Jahrhunderts enthält. Die Benutzung zahl-
reicher Urkunden, Einzelangaben, die auf der Erfahrung des
Autors beruhen, erhöhen den Wert der Lebensbeschreibung, die
als die wertvollste unter den zeitgenössischen französischen
Benedictinerviten bezeichnet werden muss. Ein Kunstwerk ist
freilich die Schrift nicht, aber infolge ihrer Tendenz und der
Geistesrichtung des Verfassers verdient sie den Vorzug vor der
einseitigen Eönigsbiographie Helgauds von Fleury. Andreas
setzte die Miraeula S. Benedicti, die Aimoin unvollendet gelassen
hatte, fort Dieses Werk bildete auch weiter das Hausbuch,
an dem sich die talentvollsten Schriftsteller des Klosters
versuchten, nach Andreas Radulf us Tortarius, eine poetische
Natur, und Hugo von St Maria, der vielseitige Chronist und
Pnblicist aus dem Investiturstreit 3)
St Benigne.
Wenn auch hinsichtlich der litterarischen Production, so
stand die Abtei St Benigne hinter den anderen grossen Reform-
centren doch nicht zurück in der allgemeinen Pflege geistiger
und gelehrter Interessen. Ein Büchervorrat in St Benigne wird
erwähnt, gelegentlich der Belagerung Dijons durch Robert den
Frommen.^) Mit Büchern von Dijon und Kunstschätzen aus
Lothringen gingen burgundische Mönche nach Fruttuaria.^)
^) Mir. S. Bened. VII, c. 9: dwn adhuc pueruLik» in lare patemo Da-
vidicoa rubi tirocinio discerem psalmoa etc.; vgl. c. 10.
>) Ed. nach zwei Pariser modernen Abschriften Delisle, M6moires de
rOrl^nais II (1852), 276 ff.; ed. £wald, N. Archiv III, 85t ff. nach dem
Cod. Christ, reg. 592.
») Vgl. Wattenbach I (6. Aufl.), 418.
*) Chron. 8. Ben. p. 178.
») Vgl. oben 8. 16.
352
Neben den vielen Verdiensten des Priors Amnlf wird auch
das gerühmt, dass er die Eirclie St. Benigne dareh Bttcher-
schenkungen ehrte, die der Schreiber Girbertns, ein Zögling
des Abtes Wilhelm, auf seine Veranlassung und Kosten ab-
schrieb.^) Auch Abt Halinard liess mehrfach Bttcher fUr die
Elosterbibliothek copieren. So besass man neben einer älteren
Bibel von der Hand des Aldebald eine hebräische, die der
Schreiber Jacob 1036 geschrieben hatte.^) In demselben Jahre
vermehrte der Bischof Himbert von Paris die Bücherei durch
ein mit Widmung versehenes Sacramentarium^); Bougaud er-
wähnt noch vierundzwanzig Messbttcher mit Malereien.^)
Wilhelm selbst hatte in Vercelli und Pavia grammatische
Studien getrieben und war dann Scholasticus in Locedia ge-
worden. Jetzt bildete er in St Benigne eine Anzahl Schüler
zu hoher Gelehrsamkeit aus. Hunald erhielt durch ihn seine
Ausbildung^); der Kriegsmann Letbald errang sogar den Bei-
namen des Weisen infolge eifrigen Studiums.^) Es blieb sicher
nicht ohne Nachwirkung, dass ein so gelehrter Mann, wie
Arnulf von Toul, nach St. Benigne kam.'') Zu grosser Gelehr-
samkeit brachte es Halinard, Wilhelms Nachfolger, unter die-
sem in Dijon. Er las eifrig und verschmähte selbst die Werke
weltlicher Philosophen nicht In der Kenntnis der Gesetze und
der Philosophie stand er, wie es heisst, niemandem nach.
Hauptsächlich beschäftigte er sich aber mit Physik und Geo-
metrie.^) Es ist interessant, zu beobachten, dass auch sonst
naturvrissenschaftliche Studien unter Wilhelm gepflegt wurden,
0 Ghron. S. Ben. p. 162.
') Chron. S. Benigni, Introd. par Bongaud p. VI. VU.
>) Es ist noch in der Bibl. v. Dijon, nr. 89; vgl. U. Robert, Inventaire
des mss., 188t, S. 269; Delisle, Le Cabinet des manuscrits II, 402 und
Sacramentaires, Mem. de Flnst. XXXII, 271 und Omont im Bulletin de la
Boci4t6 de l'hist. de Paris, 1882, p. 119. Beide führen die lateinische Wid-
mung an. Schrift vom Ende des zehnten oder Anfang des 11. Jahrb.
*) Bougaud p. VII. Vm.
») Chron. S. Ben. p. 149.
^) ib. p. 150: et a sttidio sapiens cognominatus.
') ib. p. 151 : litteris adprime enuLitus amniqtie mundana sapientia
doctus,
^) ib. p. 186. 192: Et quamquam omnibus enutitw esset artibuSj tarnen
in geometria et phisica plvrimum studebat.
35S
sowie sie wenigstens zeitweise in Fleury die litterarische Pro-
daetion beeinflnssten. Der Ravennate Johannes, der spätere
Abt von F6eamp, ward anf Veranlassung Wilhelms in der Me-
diein unterrichtet^), und Wilhelms Leiche von Aerzten ein-
balsamiert, in dänen man Mönche seiner Schule vermuten
darf.2) Auch die Musik kam unter Wilhelm nicht zu kurz.
Er war ein trefflicher Chordirigent, der die Hymnen, Respon-
Serien und Antiphonen mit so peinlicher Sorgfalt einübte, dass
nach der Ansicht der Zeitgenossen in der ganzen römischen
Kirche nicht besser und richtiger gesungen wurde.^)
So sehen wir die eigentlichen Klosterschulen unter Wil-
helm in trefflichem Zustande. Nicht eine einseitige theologische
Bildung ward hier erworben. Die Vielseitigkeit der Studien
hängt sicher mit der Mannigfaltigkeit der Elemente zusammen,
die unter seine Leitung sich begaben. Aber auch die unge-
bildeten Mönche entbehrten seiner Fürsorge nicht. An Stelle
des Psalters erfand er für sie ein kurzes Gebet in fünf Tönen,
aus neunzehn Silben bestehend, die achtmal wiederholt werden
mussten. Sein besonderes Augenmerk richtete er auf die Hebung
der Volksbildung.
Er hatte die Beobachtung gemacht, dass in ganz Frank-
reich, vornehmlich aber in der Normandie, die Laienbevölkerung
zumeist weder lesen noch schreiben konnte und dass diese
Kenntnis durch die Cleriker vernachlässigt wurde. So errich-
tete er neben den Klosterschulen wahre Volksschulen, denen
er für das Lehramt ausgebildete Mönche vorsetzte und in denen
unterschiedslos Freie und Hörige, Reiche und Arme unterrich-
tet wurden. Die Aermeren empfingen in den Klöstern sogar
Lebensunterhalt und vergalten dem Abte seine Fürsorge, in-
dem einige von ihnen schliesslich die Kutte nahmen.^)
Wilhelm selbst hinterliess ausser einigen Briefen privaten
oder politischen Inhalts nur Schriften christlich-ethischer Ten-
denz, in denen er den Jünglingen und Mönchen ihre Pflichten
1) Ghron. S. Ben. p. 157: ac medicinaU arte per ipHw patris iussio-
mm edoctus.
«) ib. p. 177.
») Rod. V. Wüh. c. 24
*) V. WUh. 0. 24.
Sftokur, ClnnUoanwr. II. 28
354
vorhält. Ferner sind sieben Predigten ^) erhalten, die sieh durch-
weg auf practisehe Bethätigung des Christentums beziehen,
nicht, wie sonst, auf Festtage, Heilige oder dogmatische Dinge.
Er redet meist die Mönche an, auf die er zunächst za wirken
sucht Seine Ausdrucksweise ist prägnant und reich an Anti-
thesen. Die Sprache ist klar und einfach, die Reden selbst
sind kurz und werden um so weniger in ihrer Naehdrttckliehkeit
die Wirkung verfehlt haben. Wir haben endlich von Wilhelm
einen theologischen Tractat^) über Römer 7, 15. 19.
Wenden wir uns seinen Schülern zu, so verdient der Abt
Johannes zuerst genannt zu werden, da er in einer Sentenzen-
sammlung, die dem Unterricht der Jüngeren gewidmet war, die
moralisierende und pädagogische Richtung des Lehrers weiter
verfolgte.^) Wichtiger war die Einwirkung Wilhelms auf einen
anderen Mönch seiner Schule, auf Rodulfus Glaber.^)
Er war unehelich geboren — vielleicht sogar der Sohn
eines Glerikers — und wurde mit zwölf Jahren von seinem
Oheim, einem Mönche, wie es scheint, in das Kloster St. Löger
de Champeaux gebracht Hier zeichnete er sich ebenso darch
litterarische Befähigung, als üble Lebensweise aus und machte
sich schliesslich so missliebig, dass die Brüder ihn aus ihrer
Abtei ausstiessen. Von da kam Rodulfus wahrscheinlich nach
St. Benigne. Er lebte dort in der zweiten Hälfte der zwan-
ziger Jahre und begleitete den Abt sogar 1027 oder 1028
nach Italien. Er muss Wilhelm persönlich sehr nahe getreten
sein, denn der Abt forderte ihn schliesslich auf, eine Zeitge-
schichte aller der Ereignisse zu schreiben, die um das Jahr
1000 geschehen waren.^) Indes scheint Rodulf, noch ehe er
dem Befehle nachkommen konnte, mit Wilhelm in Streit ge-
raten zu sein und das Kloster verlassen zu haben. In der ersten
») Gedruckt bei Levis, Opera Wilh. S. 96—116.
«) Levis p. 117—127.
») ib. p. 174—176.
«) Ed. M. Prou, Collect, de textes, Paris 1886. Vgl. Sackur, Studien
über RodoJfus Qlaber, N. Archiv XIV, 384 ff.; Havet, Note sur Raool
Glaber, Revue bist. Bd. 40 (1889), 41 ff.; Petit, Raoul Glaber, Revue bist
Bd. 48 (1892), 283 ff. Nacb Petit bätte er etwa von 1004/5—1015 in Moutier-
Saint-Jean gelebt, doch ist der Beweis nicht ausreichend.
») Rod. V^Wilh. c. 27; N. Archiv XIV, 882.
355
Hälfte der dreissiger Jahre ist er in Glani nachzuweisen^), and
hier dürfte der ruhelose Mönch im Einverständnis mit Abt
Odilo an die Arbeit gegangen sein. Aber er schrieb hier höch-
stens das erste Buch und einen Teil des zweiten.^) Den weit-
aus grösseren Rest der unvollendet gebliebenen Chronik ver-
fasste er in St Germain d'Anxerre, wo er sich bis zu seinem
etwa Ende 1045 3) erfolgten Tode aufhielt
Die ersten drei Bücher des Geschichtswerkes umfassen die
um das tausendste Jahr der Geburt des Herrn geschehenen
Ereignisse; den Mittelpunkt des vierten bildet das tausendste
Jahr der Passion Christi. Dem fünften Buche fehlt ein der-
artiges Princip; der Verfasser fährt fort, wo er stehen geblie-
ben war. Die Anlage war ursprünglich chronologisch geplant;
aber Abschweifungen, gelegentliche Anknüpfungen von Anee-
doten, vielleicht auch spätere Einschiebungen haben ein ziem-
lich wüstes Geschichtswerk daraus gemacht Ein systematisches
Streben, seine Kenntnisse zu bereichem und historische Nach-
richten zu sammeln, ist bei dem Autor nicht bemerkbar, eben-
sowenig schreibt er nach beliebter Art andere Darstellungen
aus. Die Zeitgeschichte erseheint reflectiert in dem wirren
Kopfe eines vollständig in religiösen Speculationen sich be-
wegenden Mannes. Er erzählt vieles, was anderweitig nicht
überliefert ist, aber gerade bei ihm steht und fällt die Glaub-
würdigkeit der Nachrichten mit der Entscheidung der Frage,
woher er die eine oder andere Notiz schöpfen konnte.
Kurz nach Wilhelms Tode schrieb Rodulf das Leben ^)
seines Herrn und Meisters. Vieles hatte er selbst gesehen, noch
mehr entnahm er den Berichten glaubwürdiger Gewährsmänner^),
wie des Abtes Gerbald von St Christina. Ausführlich behan-
delte er namentlich die Jugendgeschichte und die Anfänge
Wilhelms, seine Beformen, seine Einrichtungen und seine
») N. Archiv XIV, 402—406; vgl. Kuypera, Studien Uber Rudolf den
Kahlen, Münster. Dissert. 1891, S. 17.
') Havet a.a.O. S.47; Kuypers S. 13.
') Vgl. Kuypers S. 23, dem ich mich jetzt entgegen meinen früheren
Annahmen anschliease.
*) Gedraokt bei Levis p. 1—23; Mabiilon, Acta SS. V, 286 ff.
^) V. Wilh. prol.: Flura siquidem a nobis visa, plurima tarnen a
veracisHmis relatoribus comperta huiw narratiania informabwit seriem.
28*
3^6
Charaetereigenschaften. tm ganzen etseheint die Vita wie
eine Ergänzung za den Historien. Behandelte der Autor hier
mehr die letzte allgemeingesehiehtliche Wirksamkeit des Abtes,
so holte er dort naeh, was über seine klösterliche Thätigkeit
bemerkenswert war.
Das wichtigste Gesehiehtswerk dieses Reformkreises ist
die Chronik des hl. Benignus i), die zwar erst nach dem Tode
Halinards verfasst wurde, deren Verfasser aber unter den
Augen Wilhelms und seines Nachfolgers aufwuchs. Um das
Jahr 1020 geboren, kam der Chronist, Johannes mit Namen ^),
1026 nach St Benigne, als Graf Rainald von Burgund in Sa-
lins im Jura Ländereien an das Kloster von Dijon schenkte
und viele dort ansässige Väter ihre Söhne dem Klosterheiligen
darbrachten.') In der Chronik, die bald nach 1052 abge-
schlossen wurde ^), benutzte der Autor die Acta S. Benigni,
Fredegar, Gregor von Tours, Einhard, den Liber pontificalis
die Miracula S. Benedicti, die Vita Maioli, namentlich aber die
Traditionsbttcher von St Benigne, das Necrologium von St Be-
nigne und ähnliches. Das beste, was der Autor giebt, sind
einmal die reichen Auszüge aus den Urkunden des Klosters,
sowie seine eigenen Eindrücke, wenn er z. B. die neue Basilica
des hl. Benignus eingehend beschreibt Aber auch fttr die bur-
gundische Localgeschichte und die allgemeine Geschichte, mit
^) Neue Ausgabe von Bongaud und Garnier in den Analecta Divio-
nenaia I, 1875.
') Obgleich der Autor des Chron. S. Benigni von d'Ach^iy, Mabülon,
der Oallia Christ., allerdings ohne Angabe der Qaelle, Johannes, genannt
wird, erklärt Bougaud p. XIII s. Ausgabe, dass über den Namen nirgend
sich etwas fände. Das ist indes unrichtig. Im Necrol. S. Benigni (Mont-
faucon U, 1160 ff.) findet sich zu IX, Kai lul: Obiit lohannes monachiu
noster; hie fecit historis novtu. Da es in demselben Necrolog weiter
heisst: Ob, lacobua monachus; fecit vetus Testamentwn und dieser Mönch
unter Halinard wirkte (Bougaud p. VI. Yll), so kann man den Tod des
Johannes jedenfalls nicht in eine viel spätere Zeit setzen. Die Annahme,
dass Johannes mit dem Verfasser des Chron. S. Ben. identisch sei, wird
dadurch noch wahrscheinlicher, dass der Fortsetzer der Chronik erat im
16. Jahrhundert schrieb.
') Chron. S. Ben. p. 19S: Inter quos pater mem mt offerens etc.; p. 1
sagt er: No8 Divionensis aacri numasterii aparwio habitatorei et amatores.
«) Zuletzt wird der Tod Halinards berührt, der am 29. Juli 1052 ein-
trat; sein Nachfolger wird nicht mehr erwähnt«
357
der der Chronist stets in Connex bleibt, ist ans dem Gescbicbts-
werk viel zu lernen.
Sneben wir uns ein allgemeines Urteil über den Charaeter
der in den hervorragendsten Reformeentren Frankreichs ge-
pflegten litterarischen Thätigkeit zu bilden, so werden wir zu-
nächst überall den Mangel annalistischer Äafzeichnnngen zn
bemerken haben. Es hängt das offenbar mit dem geringen
Interesse zusammen, das man den äusseren Begebenheiten der
Gegenwart entgegen brachte. Chronicalische Werke wurden
nur in St Benigne angeregt, beziehungsweise yerfasst: die >^
Historien Bodulfs Glaber und die Chronik von St Benigne.
Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir diese Thatsache mit
der realistisch angelegten Natur des im öffentlichen Leben
wirkenden Wilhelm yon St Benigne zusammenbringen. Sonst
sehen wir sowohl in Gluni als in Fleury zeitweise die Litte-
ratur sich um einen bestimmten Heiligen gruppieren. In
Gluni ist es die Heiligkeit des Majolus, in Fleury die Ver-
ehrung der Reliquien St. Benedicts, die zu litterarischen
Schöpfungen mannigfacher Art anregen. Dazu kommen die
verschiedenen Abtbiographien, geschrieben, um die Tugenden
und die Wirksamkeit der Vorsteher zu feiern, um zu erbauen
und zur Nacheiferung anzuspornen. Predigten haben wir aus
Gluni und St Benigne, in der Art sehr verschieden; die Hymnen-
dichtung ward namentlich in Gluni geflegt Das classische
Altertum fand wohl überall Pflege zum Gebrauch des Unter-
richts, während mathematisch-physicalische Studien auf Fleury
und St. Benigne beschränkt blieben. In dem letzteren Kloster
haben wir dazu noch medicinische Interessen nachzuweisen.
Erwägen wir, dass in den duniacensischen Abtbiographien
ein stetig wachsender Spiritualismus auftritt, dass hier die
Hymnendichtung blühte, die Predigten Odiles ein starkes Mass
von Mystik verraten, die realen Fächer ohne jede Vertretung
blieben, die Abneigung gegen die classischen Dichter wenig-
stens theoretisch gepriesen wurde: so stimmt diese consequente
Ausbildung des rein geistlichen Moments zu der Stellung als
Mittelpunkt religiöser Verinnerlichung, die wir dem Kloster
Gluni einzuräumen haben. Je weiter die andern Klöster in der
Zeit sich von ihrer Verbindung mit Gluni entfernen, desto stär-
ker laufen sie Gefahr, durch die persönlichen Neigungen ihrer
358
Aebte und Insassen Bildnngselemente aufzunehmen, die sie
von den Idealen des Mntterklosters mehr oder weniger weit
abführen.
Metz, Toul, Verdun.
Zur Zeit, als bereits in Clnni die Studien blühten und
eine stattliehe Bibliothek patristischer und classiseher Werke
den strebsamen Brüdern zur Yei^fttgung stand, begann man
erst in Lothringen naeh dem Wiederaufleben der Stifter
sieh wieder der Leetttre und dem Studium zuzuwenden.
Noch fehlten im Anfange die Bücher und auf einen geringen
Kreis kirchlicher Schriften beschränkte sich fürs erste der
Lerneifer der Mönche. Die Werke Gregors des Grossen, na-
mentlich seine Moralia, Augustins Bibelcommentare und das
Buch vom Gottesstaat, sein Werk über die Trinität, Ambrosius
imd Hieronymus, bildeten hier, me in Frankreich die Grund-
lage für das wiedererwachende Geistesleben. Man knüpfte aller-
wegen an die Kirchenväter an, und eben weil die Zahl der
zur Verfügung stehenden Codices gering war, wurden die vor-
handenen immer und immer wieder gelesen, so dass Gedanken
und Ausdrucksformen den Beformmännern in Fleisch und Blut
übergingen. Der scholastische Beweis über das Verhältnis des
Vaters zum Sohn und hl. Geist führte weiter auf ein eingehen-
des Studium der aristotelischen Logik, wie z. B. Johann von
Gorze sich in die Isagogen des Porphyrius vertiefte, die, wie
die Kategorien des Aristoteles, auch in der Bibliothek Adsos
von Montierender nicht fehlten. Dagegen erhob sich wohl
auch ein Widerspruch; der eine oder andere hielt das für eitle
Mühe und wollte lediglich erbaut sein. Und da kamen für
die asketischen Uebungen hauptsächlich die Vorschriflien der
Eremiten Antonius, Paulus, Hilarion, Macharius, Pachomius und
anderer in Betracht, deren Anschauungen einzelne Leute, wie
Johann von Gorze, sich vollständig zu eigen machten.^)
Johann von Gorze selbst entbehrte der Gelehrsamkeit, wie
viele seiner Zeitgenossen. Er hatte in seiner Jugend zwar zu
Füssen des Hildebold von St Mihiel gesessen, aber, wie er
selbst gestand, nichts bei ihm gelernt; erst in späteren Jahren
*) V. Job. Gorz. c. 83. 84.
359
brachte ihm der Diacon Bemer von Toni die Anfangsgründe
der Grammatik bei. Ueberhanpt überwiegt in Gorze das Be-
dürfnis nach Erbauung die gelehrten Bestrebungen. Unter den
neuen Gonventualen waren wohl einige hochgelehrte Männer, aber
asketische Schwärmerei beherrschte sie alle und hatte sie erst
zusammengeführt. Man wird deshalb in dem Metzer Kloster
eine litterarische Production nicht erwarten dürfen. Das ein-
zige Schriftwerk, das in dieser Zeit dort vielleicht entstand,
sind die Miracula S. Gorgonii.^) Schriftliche Quellen hatte der
Verfasser nichts); er beschrieb, was er gesehen oder gehört
hatte. Eigentümlich ist, dass er die Reform gänzlich übergeht
und von den Thaten Johanns zwar berichtet, aber ohne
Nennung seines Namens. An einer Stelle aber wird er leb-
haft gelobt.3) Vielfach berühren sich die Nachrichten dieser
um 965^) geschriebeneu Quelle mit der Vita Johannis Gor-
zensis, mitunter sogar wörtlich, aber doch immerhin mit so viel
Abweichungen, dass an ein einfaches Abhängigheitsverhältnis
nicht gedacht werden kann. Möglich ist, dass beide Autoren
entweder aus der klösterlichen Tradition schöpften oder dass
der Biograph Johanns von Gorze die Nachrichten der Miracula
^) Die in einem Cod. saec. XI unvoüständige, sachlich wertlose Vita
S. Chrodegangi gehört eher ins 9., als ins 10. Jahrh., wie die Worte am An-
fang: Mettis igitur wrbium eis Alpes positarum, quaa novi aiU nasse potui,
fanuif divitiis gloriaque omnium primae ac nobilissimae zu zeigen schei-
nen. Das passt in die Zeit Drogos von Metz (824—855), aber nicht AdaU
beros oder seiner Nachfolger.
') Mir. S. Gorgonii, Prol. c. 1 : miracula . . . quae visu et auditu com-
peri . . . Damit stimmt völlig tiberein, wenn es in dem Briefe (987—996)
des Milo von Minden an Immo von Gorze heisst: passionem et miracula
. . . Qorgonii vos non habere cordetenus doleretis, ein Satz, der Finke,
Westfalica aus der Pariser und Eichstädter Bibliothek, Ztschr. f. vaterl.
Gesch. n. Altertumskunde Westfalens, Bd. 47 (1889), 213 Schwierigkeiten
macht wegen der Ansetzung der Miracula auf ca. 965. Man hatte eben
ältere Mirakel nicht; das geht auch aus den uns erhaltenen hervor. Fer-
ner, wenn, wie es leicht möglich ist, die Mirac. S. Gorgonii von Johann
von St Arnulf oder einem früheren Gorzer Münch , der 965 von Gorze
fortging, verfasst sind, wäre ebenfalls leicht zu erkli&ren, dass man in
Gorze nichts davon wusste.
») C. 16.
*) Zuletzt, c. 24, wird ein Besuch Hugos des Grossen von Francien
erwähnt, den Pertz 965, v. Ealckstein, Capetinger I, 299, n. 1 vor 965 setzt
360
dnrch eigene Kenntnis ergänzte, aber es scheint auch nicht
aasgeschlossen, dass beide Werke einen Verfasser hatten. <)
Gehen wir zu den andern Metzer Klöstern ttber, so ist in
erster Beihe St Amalf zu nennen. Hier entfaltete der Möneh
and spätere Abt Johannes sowohl als Lehrer wie als Schrift-
steller eine frachtbare Thätigkeit Er schrieb die Vita et
Miracnla S. Glodesindis^) am 963, zaerst auf vorhandene Quel-
len gestutzt 3), das übrige als Augenzeage, kurz^) and mit
grosser Vorliebe fttr Adalbero.^) Sein Hauptwerk ist die Bio-
graphie Johanns von Gorze, die er ursprünglich schon bei Leb-
zeiten dieses Abtes hatte schreiben wollen. Aber erst nach
seinem Tode kam es zur Ausführung. Der Autor hatte vor,
das Leben Johanns bis zum Eintritt ins Kloster, dann seine
Mönchs- und Abtzeit, schliesslich sein Ende zu behandeln. Er
hatte aber erst den ersten Teil (c. 45) vollendet, als ihm 978
die Hand erlahmte und er missmutig die Arbeit abbrach. Aber
auf die Ermunterung der Bischöfe Theoderich von Metz und
^) Die Entscheidung über das Verhältnis beider Quellen ist schwie-
rig. Wattenbach, Geschichtsqu. I (ß. Aufl.), 370 nimmt eine gemeinsame
Quelle, nämlich ältere Mir. S. Gorg., an, ebenso spricht Ebert, Litteratur-
gesch. III, 471 von einer gemeinsamen Quelle; desgl. Schnitze, N.Archiv
IX, 500. Aeltere Mirakel sind sicher nicht anzunehmen, da einmal der Prolog
des Autors dagegen spricht, andererseits — indem die Thätigkeit Johanns
von Gorze, also Ereignisse der späteren Zeit, in beiden Quellen ähnlich
behandelt werden — gerade für solche Tbatsachen ältere Mirakel angenom-
men werden müssten, die beide Autoren noch aus Erfahrung kannten.
Dass beide Quellen sich vielfach ergänzen, würde entschieden fttr einen
gemeinsamen Autor sprechen, wenn nicht einzelne Abweichungen und
eine gewisse Verschiedenheit der Auffassung hier zur Vorsicht aufforder-
ten. MafL darf nicht übersehen, dass unsere quellenkritische Methode,
nach der zwei Nachrichten in ähnlicher oder gleicher Form entweder
durch directe Abhängigkeit beider Quellen von einander oder eine ge-
meinsame schriftliche Quelle erklärt werden, geradezu widersinnig wird,
wenn beide Autoren als Zeitgenossen an einem Orte und am Orte der
Ereignisse schrieben, und dass dem mündlichen Gedankenaustausch viel
mehr Wege offen stehen, als dass die paar Formeln modemer Kritik auch
nur annähernd ausreichen könnten.
>) Gedruckt Mabillon, Acta SS. II, 1087 u. IV, 1, 4S6ff.; vgl. Schnitze
a. a. 0. S. 507; Ebert, Litteraturgesch. III, 493; s. oben Bd. I, S. 164.
') C. 45 : Saec, lU vätuimuSf ex prioribw, quas invenimuSf trant-
fvdimua litteris,
*) Vgl. c. 46. ») Vgl. c. 47.
361
Poppo Yon Utrecht nabm er die Arbeit wieder aaf, unterstützt
dareh die Mitteiinngen der Freunde seines Helden. Im zweiten
Teile behandelt der Verfasser bis c. 71 die Genossen des Jo-
hannes, dann sein Klosterleben und seine Tugenden, von c. 95
an seine wirtscbaftUehen Verdienste und von e. 115 bis zum
Sehluss die cordovanische Gesandtschaft. Unvollendet schliesst
die Vita mit c. 136, da Johannes durch den Tod gehindert
wurde, sie zu vollenden. Es ist somit nur ein verhältnis-
mässig kleiner Teil erhalten: nämlich nur ein Teil seiner
Mönchszeit. Deren Sehluss, das ganze Abtregiment, der Tod,
fehlt: von letzterem giebt allerdings die Vorrede Nachricht.
Die Darstellung lässt die stilistische Glätte, den Schwung
und die dassisehen Reminiscenzen vermissen, die französischen
Heiligenleben eigen sind. Ebenso sind erbauliche Phrasen und
Bibelcitate nach Möglichkeit vermieden. Die vielen Abschwei-
fungen geben dem Werke ein formloses, unkttnstlerisches Ge-
präge: aber es ist ein realistisch angelegter Geist, der diese
Vita schrieb, ein Geschichtswerk von unschätzbarem Werte, bei
dessen Lectttre sich nur der Wunsch aufdrängt, dass uns aus
Frankreich eine Quelle erhalten wäre, die ebenso anschaulich
und ausführlich das Leben und Treiben, die Gedanken und
Thaten der dortigen Reformatoren schilderte und zum Aus-
druck brächte.
Neben Johann war die bedeutendste Persönlichkeit unter
den Metzer Reformatoren Kaddroe, jener Ire, dessen Wirksam-
keit in Waulsort und im Kloster St Clemens oben behandelt
worden ist.') Seine Biographie^) schrieb um das Jahr 1000,
wie es scheint, ein Mönch von St Clemens in Metz^), da sie
durch den Abt Immo von Gorze angeregt wurde, dem sie auch
gewidmet ist Der Autor berichtet wunderliehe Dinge von dem
Leben Eaddroes in der Heimat, sicher mehr der Tradition fol-
gend^), als eigener Erfindung. Eigentümlich sind die vielen
Visionen. Aber so fabelhaft und legendarisch das Vorleben
») Bd.I, S. 181— 185.
>) Gedruckt Mabillon, Acta SS. V, 489 ff.; AuszUge SS. IV, 483 und
XV, 2, 689-692.
^) Der Metzer Aufenthalt wird auch besonders eingehend behandelt
*) Der Autor sagt im ProL: cum neque Ingenium auppetat nequ€
gestorum eiu$ aliquid 8ciam praeter audita.
362
Kaddroes dargestellt ist, so machen die Mitteilnngen ttber seine
refonnatoriscbe Wirksamkeit in Lothringen doch im allgemei-
nen einen glanbv^rdigen Eindrnck.*)
Die litterarische Thätigkeit im Metzer Sprengel kam also
den Heiligen der Diöcese nnd den Reformäbten zu gute. In
noch höherem Gradf wurden die Patrone der Touler Klöster
nach dem Wiederaufleben kirchlichen Geistes zum Gegen-
stande schriftstellerischer Behandlang. In dem Hanptkloster
des Sprengeis, St. :fevre, ist schon frtth eine Schule nachweis-
bar^), und als die Mönche von St. i^vre nach dem benach-
barten Montierender kamen, machten sie sich um die Ordnung
der Bibliothek yerdient.^) Im elften Jahrhundert hatte St i^vre,
das inzwischen von Wilhelm von Dijon von neuem reformiert
worden war, eine stattliche Bibliothek, vor allem mehrere
Virgilhandschriften , zwei Bände Horaz, Statins, Terenz, Juve-
nal, Lucan, ein Fascikel der Ars amandi des Ovid ausser
einem grösseren Ovidcodex.^) Dieselbe Vorliebe für das claa-
sische Altertum zeigte sich bereits bei Adso von Montierender^),
jenem früheren Touler Schulmeister, der mit Abbo von Flenry
und namentlich Gerbert von Reims in Verbindung stand. Er
hatte in seinem Privatbesitz dreiundzwanzig Bände, von denen
allein vierzehn antikheidnisehe Schriften umfassen. Wir finden
die Isagogen des Porphyrins, die Kategorien des Aristoteles,
Ciceros Rhetorik, Servius und eine Erklärung ttber die zehn
Eclogen und die Georgica, Terenz und dergl. Auch in seinen
1) Vgl. D. Ztschr. f. Gesch. II, 342, n. 1. Ueber Kaddroes Todestag
(978) vgl. auch Scheffer-Boichorst, Zs. f. G. d. Oberrheins, N. F. IV, 286, n. 5.
>) Im Cod. Mett. G. 53 saec. XI/XII. heisst es: Incipit glosarium or-
dine elementorwn agregaJtum ab Aynardo anno ab incam. Dom. 969, indL 12.
imperio magni Ottonis, sepulchro diittdicatum Äpri Leuchorum quitUi
ponti/icis ad suplementum inibi degentium pusionum. Der Codex enthalt :
Epistole Älexandri. Epistola Olympiadis, Gesta Alexandri. Vgl. Archiv
VII, 1014; Catal. des d6part. V, 157; Wattenbach, Geschichtsqu. I, 878.
') Mirac. 8. Berch. c. 9: qui memoriam aiuie prudentiae nostrae hoc-
tenus aetati ostentant etiam ecckaiasticorum voluminum sagaci ordinationc
*) Der Gatalog stammt ans der Zeit des Abtes Wido, der 1048 starb;
Neuer litterar. Anzeiger 1807, Heft 5, S. 15.
*) Vgl. den Gatalog Adsos, den dieser vor Antritt seiner Pilgerreise
992 angefertigt hatte, ed. Omont, Bibl. de l'^cole des chartes 1882, p. 157;
Lebeuf, Recueil de divers 6crits II, 17,
368
Werken verrät Adso nähere Kenntnis des classischen Alter-
tums. Er nimmt Bezag anf die Beredsamkeit Homers und
Cieeros; er spricht von denen, die zwischen Scylla und Gha-
rybdis schiffen, von den heidnischen Philosophen, von Her-
cules, der Kraft der Giganten, dem Rade des Ixion.^)
So verrät sieh auch hier in der Schale von Toni auf
Schritt und Tritt das Studium der Alten; aber man studierte
sie nur, um mit ihren Wortschätzen das Leben und die Wunder
der Heiligen besser darstellen zu können. So hat auch Adso
fast ausschliesslich Werke legendarischen Inhalts verfasst, die
hier behandelt werden mögen, da der Verfasser der Touler
Schule angehörte. Nachdem er, wie es den Anschein hat, zu-
erst auf Bitten des Abtes Odo von Montier -la- Gelle das Leben
des Bischofs Frodebert von Troyes geschrieben, des Gründers
des genannten Klosters, und kurz die Wunder und die Ge-
schichte des Leibes des Heiligen behandelt 2), wandte sich
Adso zur Zeit des Bischofs Gerhard von Toul^) der Heiligen-
geschichte des Touler Sprengeis zu und zeichnete die Mirakel
des hl. Mansuetus auf, denen er auf Verlangen des Bischofs 4)
eine Vita desselben Heiligen folgen liess.^) Die Biographie
ist ein apokryphes, unglaubwürdiges Werk«); der Verfasser
spricht selbst von der dunklen Kenntnis vergangener Dinge.
Aber das auf die Vita folgende Buch der Wunder ist von
Gauzlin an nicht ohne Wert. Es werden aus seiner Zeit vier
Wunder erzählt; dann geht der Verfasser auf Gerhard ttber,
spricht kurz ttber seine Erhebung und die Reform von St. Man-
suy, die offenbar die Veranlassung zur Abfassung der Sehrift
gegeben hat In die letzte Lebenszeit Adsos gehören die Vita
und Miracula S. Basoli, die auf Anregung Gerberts von Reims
und des Abtes von St. Basle entstanden, sowie die Geschichte
>) Im Prolog der V. S. Basoli.
>) Mir. S. Berch. c. 11; die Vita bei Mabillon, Acta SS. II, 600 ff.
^) Der Verfasser bemerkt: Quod usque hodie idem pontifex non sine
suspiriis solitus est referrt.
*) Mir. S. Berch. c. 11.
») Galmet, Bist de Lorraine IV, pr.84; Migne 137, 619 ff.; SS. IV,
500—514. Wie aus dem Schluss der Miracula hervorgeht, ist die Vita
später geschrieben.
•) Vgl. Ebert IH, 476.
364
des bl. Bercharins, des Patrons von Montierender. <) Der erst-
genannten Arbeit scbiekte der Autor eine sebr ansf&brliehe
Vorrede voraus, in der er sieb aucb ttber seine Quellen ans-
spriebt: einiges von den Alten Ueberlieferte babe er ausftthr-
licber beriebtet, einiges, das ibm mttndlieh zugetragen sei, babe
er in selbständiger Form wiedergegeben, einiges babe er bin-
zugefügt, dem er selbst beigewobnt, aber aueb das babe er
kurz berttbrt, was Augenzeugen ibm mitgeteilt bätten. Die
ebronologiscbe Ordnung babe er nicbt eingebalten. Es beziebt
sieb das natttrlieb auf die Wunder des Aquitaniers. Bezug-
lieb der Vita bebauptet Adso zwar, er babe die ältere Dar-
stellung nicbt auffinden können; indes bat er trotzdem eine
ältere Vita benutzt^) Unter Erzbisebof Hinemar von Reims
erfolgte die Translation des Basolus in das von Erzbisebof
Nivardus gegründete Kloster, die der Autor im Anscbluss an
die Vita mit den darauf folgenden Wundern bescbreibi Die
Gespreiztbeit, die in der Vorrede zu diesem Werke zu Tage
tritt, und das Prunken mit gelehrten Reminiscenzen flibrt
auf den Gedanken, dass Adso damit Gerbert besonders im-
ponieren wollte. Am Ende seines Lebens verfasste er, wie
erwäbnt, das Leben des Bercbarins^); aber die Wunder zu be-
sebreiben, reiebte seine Lebepszeit nicbt aus. So wurde denn
das Werk erst unter Abt Bruno, der von Leo IX. ordiniert
worden war, unternommen.^)
Neben diesen prosaischen Heiligenleben, die in Bezug auf
ihren Inhalt wertlos sind, wandte sich Adso der kirchlichen
Poesie zu : er dichtete einige Hymnen, brachte das zweite Buch
der Dialoge Gregors des Grossen, nämlich die Geschichte Bene-
dicts, angeregt durch Abbo von Fleury, in Hexameter, glossierte
die Hymnen des Ambrosius und machte sich durch Composition
1) Mir. S. Berch. c. 11. Von den Thaten des Bercharius heisst es:
quae eatemu incuUe exarata habehantur et ahditd. Gedruckt Mabillon,
Acta SS. II, 62; die Translatio Acta SS. IV, 2, 137.
») Vgl. Ebert in, 477.
s) Gedruckt Mabillon, Acta SS. II, 797 ff. Sehr fraglich ist mir die
Autorschaft Adsos bezüglich der Vita et Mirac. S. Waideberti, da einmal
der Autor derselben A ,,, qui et Henniricvs genannt wird und die Mir.
S. Berch. c. 1 1 davon nichts sagen.
*) Mir. S. Berch. c. 12; gedruckt Mabillon, Acta SS. II, 808 ff.
365
von Gebeten und Psalmodieen fUr jede Tageszeit verdient i)
In seinen früheren Jahren, nm die Mitte des zehnten Jahr-
hunderts, hatte er seinen Tractat über den Antichrist für die
Königin Gerberga geschrieben.^) Es ist interessant zu beob-
achten, wie Adso auf Bestellung arbeitet, wie die Reform der
Klöster und Kirchen überall das Bedürfnis nach Heiligenleben
und Wundergeschichten hervorrief. Nicht überall hatte man
eine schriftstellerisch zureichende Persönlichkeit: so kam es,
dass einzelne Leute wie Adso die Arbeit für die Kirchen der
Umgegend besorgten.
Erst gegen Ende des Jahrhunderts') wurden das Leben und
die Wunder des hl. Aper aufgezeichnet^); auch diese Biographie
entbehrt jedes historischen Wertes. Der Verfasser klagt fort-
während über den Mangel an Ueberlieferung^), kann sich aber
doch nicht enthalten , Wunder aus früherer Zeit zu berichten
und das Verlangen nach mehr mit den Worten abzuschneiden,
dass der grossen Zahl der Mirakel das Gedächtnis nicht gewach-
sen sei.<^) Zuletzt wird die Translation des Jahres 978 behandelt
Im elften Jahrhundert erfuhren die Klöster des Touler
Sprengeis, wie wir wissen, eine neue Einwirkung durch Wil-
helm von Dijon. Die hervorragendste Persönlichkeit war da-
mals Widerich, der die Abteien Si ilvre, St. Mansuy und Moyen-
moutier in seiner Hand vereinigte.'') Er schrieb auf Veran-
lassung Brunos von Toni das Leben des Bischofs Gerhard
von Toul^), der zuerst die Reform systematisch in seinem
Sprengel gefördert hatte. Der Character der Vita entspricht
diesem Verdienst und den Gesichtspunkten seiner Gesinnungs-
genossen vollständig; Schon dass die Beziehungen Gerhards
zu Majolus von Clnni mehrfach berührt werden, ist bezeich-
nend. Die asketischen Uebungen und Wunder, die Kloster-
reformen Gerhards stehen durchaus im Vordergrunde. Es ist
>) Mir. S. Berch. cH.
«) Vgl. oben S. 224.
*) Es heisst c. 2 : Nobis autem tarn paene in fine saeculi constUutis»
«) Gedmckt A. SS. BolL SeptV, 66; die Miraeula SS. IV, 515— 620
im Aussage.
») C. 1. 2. •) C.13.
*) S. oben S. 181.
") Gedruckt SS. IV, 485—509.
366
eine Lebensbesebreibung, die ebenso sebr durch den Mangel
an realem gescbiebtlichem Sinn als durch ihren asketisch-
schwärmerischen Standpunkt gekennzeichnet ist Angefügt
wurde ein Buch, das die Wunder nach Gerhards Tode, seine
Canonisation und Translation beschreibt.
In denselben Kreis litterariseher Erzeugnisse gehört end-
lich die Ueberarbeitung einer älteren Vita Hildulfi mit der sieh
anschliessenden Geschichte der Aebte von Moyenmoutier.^) Der
historische Wert ist wie bei allen diesen unter einseitigen
Gesichtspunkten verfassten Klostergeschichten nicht bedeutend.
Die Ehre des KlosterheiUgen steht überall im Mittelpunkte:
sie ist der Zweck dieser Arbeiten. Von der Vergangenheit
wusste man überall nur wenig, und die Gegenwart steht zu
sehr in einseitiger Beleuchtung, als dass wir in diesen Werken
bedeutende Aufklärung finden könnten. Die Chronik von
Moyenmoutier ist wahrscheinlich unter Leo IX. verfasst worden.
In dem dritten der oberlotbringischen Sprengel ist bald
nach der Beform eine, wenn auch dürftige litterarische Thätig-
keit bemerkbar. Ein Mönch von St. Vannes beschrieb als
Augenzeuge die in den sechziger Jahren erfolgte Translation
der Gebeine des hl. Firmin nach der Kirche von Flavigny an
der Mosel und die damals geschehenen Wunder.^) Ein zweites
Buch der Wunder fügten dann zwei Brüder von Flavigny an,
der erste, wie es scheint, Propst unter Fingenius, der zweite
nach dem Tode des Abtes Bichard die Arbeit des ersten fort-
jsetzend.^) Bemerkenswert sind die dassischen Beminisoenzen
des ersteren dieser beiden Autoren, der namentlich Persius
stark benutzte. Unter Abt Bichard begnügte man sich mit der
Fortsetzung der alten Annalen und des Necrologiums, in wel-
chem alle wichtigeren Schenkungen beim Todestage der Geber
verzeichnet wurden. Nur Bichard selbst schrieb eine Vita des
hl. Bodingus, eines Iren, der die Abtei Vasloges gründete, die
durch den Abt von St. Vannes reformiert wurde.*) Dagegen
0 SS. IV, 86—92.
«) Ed. Holder-Egger, SS. XV, 2, 804—806.
») ib. p. 806-811.
*) Gedruckt Acta SS. Sept V, 513 ff.; vgl. V. Richardi c. 12: et 8an4^i
Rodingi confessoriSf cuius ipse vitam honorifico sermone composuit.
367
fand die Abtei St Mihiel einea GeBchicbtsschreiber in einem
unbekannten Mönche zur Zeit des Abtes Nanther.*) Er war
sehon ein Greis, als er an die Abfassung des Werkes ging,
vennntlich vor 1037.^) Ueber die älteren Zeiten, über die er
wenig weiss, geht er knrz hinweg; nnr fttr den Abt Smaragdus
lagen ihm schriftliche Quellen vor.') Ansfllhrlieh aber wird
die Geschichte Nanthers behandelt, unter dem die Abtei die
Weisungen Kichards von Si Vannes annahm. Bemerkenswert
ist, dass der Autor einige Kenntnis der alten Litteratur verrät.^)
Endlich ist ein Mönch von St. Vannes zu erwähnen, der
kurz nach dem Tode des Abtes Riehard die von Bercharius im
nennten Jahrhundert verfasste Bistumsgeschichte von Verdun
vom Jahre 925 an fortsetzte.^) Er schloss mit der Nachricht,
dass Walerann die Leitung des Klosters übernommen habe.
Die Verehrung fUr dessen Vorgänger und Bischof Richard
scheint ihm die Feder in die Hand gedrückt zu haben. Die
Darstellung ist knapp und sehr reichhaltig, Merkmale, die die
kurze Schrift und ihren Verfasser von dem weitschweifigen
Wust der schreibenden Gesinnungsgenossen vorteilhaft unter-
scheiden.
Im allgemeinen ist es eine ziemlich dürftige Litteratur, die
uns hier entgegentritt. Es entspricht aber nur dem Ursprung-
liehen Character der lothringischen Reformbewegung, wenn bis
in die sechziger Jahre keine Spur litterarischer Thätigkeit be-
merkt wird. Dann sind es die Biographien der Stiftsheiligen
— die meist nach einem Schema gearbeitet sind, mit der Welt-
entsagung des Heiligen anfangen und in der Erhebung zum
Bischöfe, sowie der Gründung des betreffenden Klosters gip-
feln — , dann ihre Wunder und unbedeutende Klostergeschich-
ten, die geschrieben wurden. Man hat das Bedürfnis, die be-
0 SS. IV, 78—86.
«) Vgl. Waitz, SS. IV, 78.
') Aniiquiora vero a fidelibm viris narrata vera vel verisimilia id-
Circo decrevi abbrevianda, quia nuUiua eorum, praeter uninSj dico autem
Smaragdi, scripta vel visu vel auditu perceperim.
*) In der Praefatio citiert er Virgil; c. 31 verrät Kenntnis der grie-
chischen Qeschichte; c. 33 citiert er Boetius.
*) Gedruckt SS. IV, 46—51.
368
treffenden Stifter nicht nnr materiell und religiös, sondern aneh
litterarisch zu consolidieren, ihnen eine Vergangenheit za geben,
darch Berichte über die Wunder die Anziehung der Menge za
befördern. Es ist za betonen, dass diese Art Wander- and
Translationsgeschichten in den grossen französischen Reform-
centren ebenso fehlt, wie die anfgefrischten Biographien ver-
schoUener Heiligen. In Glnni hatte man bis in die achtziger
Jahre des zehnten Jahrhunderts*) keine Reliquien; nur in
Fleury gruppierte sich eine allerdings yomehme Litteratar am
den Klosterheiligen. Im allgemeinen war man in den grosseo
Abteien nicht darauf angewiesen mit solchen Mitteln zu arbeiten
und hatte in der Person der Aebte die ausreichende Gewähr,
um nach aussen zu wirken. Die ganze lothringische Reform-
litteratnr der Zeit hat nur ein stattliches Werk zu Terzeichnen:
die unToUendete Vita S. Johannis. Beachtenswert ist, dass erst
sehr spät, genau so wie in Frankreich Bodulfus Glaber und
der Chronist von St Benigne, so auch hier ein Mönch von
St Vannes an eine chronicalische Darstellung, an die Fortsetzung
der Verduner Bistumsgeschichte herangeht Die Brunst reli-
giöser Geftthle war einer mehr nüchternen Auffassung gewichen.
Die äusseren Dinge gewannen wieder Interesse, bei Rodulfas
Glaber noch sehr mystisch, bei den anderen realistischer auf-
gefasst Noch ein halbes Jahrhundert sollte jedoch vergehen,
bis die allgemeine Weltgeschichte in Hugo von Flavigny, Hugo
von Fleury und Sigebert von Gemblonx westlich vom Rhein
Vertreter fand.
^) Damals kam die Asche der Apostel Peter und Paul dahin.
Zwölftes Capitel.
Die Kunst in Cluni und den verwandten
Abteien.
Die Architectür.
Für die Baugesebichte hat kaum eine andere Zeit grössere
Bedeutung, als die der Renaissance im zehnten und elften
Jahrhundert. In einem Zeitraum von wenigen Jahrzehnten war
ein grosser Teil der westfränkisehen Klöster und Kirchen ein
Raub der Flammen geworden oder durch Sorglosigkeit zu
Grunde gegangen. Ueberall, in den Städten und in der Wald-
rodung, standen die ausgebrannten Ruinen, deren flache Holz-
dächer das Feuer genährt hatten ^), standen zerfallene Mauern,
von wildem Gestrüpp umwachsen und den Tieren eine Zu-
flucht Als man dann daran ging, geistliches Leben wieder
in ihnen einzuführen, war das erste die Wiederherstellung der
alten Räume. In den meisten Fällen waren völlige^ Neubauten
oder Erweiterungsbauten notwendig. Die alten Kathedralen,
selbst wo sie noch vollständig bestanden, vermochten die
Scharen der wieder in die Kirchen strömenden Menge nicht
zu fassen. So erhob sich wieder eine Kirche, ein Kloster nach
dem andern aus den Ruinen. Man baute an, brach Mauern
durch und legte Querschiffe an, wo früher keine bestanden.
In vielen Fällen ging man erst damals an den Bau von Grypten,
um für die Bevölkerung Raum zu schaffen.^) Je mehr der
0 ^S^' Quicherat, De rarchitectnre Bomane in M^langes d'aroh^o-
logie et d'histoire ll (1886), 118.
') Vgl. Die instmctive Bangeschichte von St. Stephan zu Anxerre
in den Eist. pont. Autissiod. c. 45, ed. Dura I, 881.
Bftokar, Glaulacenser. II. 24
870
religiöse Oeist wieder weite ttreiae ergriff and je mehr Nea-
grttndungen von Elösteni erfolgten, desto zahlreicher wnchsen
neue Kirchen empor.
Aber wie es nach so furchtbaren Verheerungen zn gehen
pflegt, war die Eile gross, mit der man an den Wiederanfbaa
ging, und die Geldmittel äusserst gering.^) Man konnte da
meist nicht stattliche Pläne entwerfen; man nahm den Bau-
stein, den man in der Nähe fand^), man setzte die alten Säalen
nnd Pfeiler von neuem auf oder plünderte benachbarte Ruinen
verfallener Bömerstädte.^) Man baute für das augenblickliche
Bedttrfiiis, so gut oder schlecht man konnte, in einfacher
Basilikenform mit flachem Holzdach ^), und behielt späteren
Zeiten und dem wachsenden Bedürfnis Erweiterungsbauten vor.
Im wesentlichen glichen die Abteikirchen wohl der zwischen
956 und 986 vollendeten Kirche von St Florent, von der wir
wissen, dass sie eine dreischiffige Säulenbasilica war, mit
drei Absiden im Osten .und einem hölzernen, auf Mauerwerk
ruhenden Glockenturme im Westen. Das ganze Gebäude war
mit bemalter Holzdecke und nur drei Altäre mit gewölbtem
Ueberbau versehen. Die einzelnen Säulen waren durch Rund-
bögen verbunden.^} In den meisten Fällen handelt es sich um
primitive Bauten, mitunter Holzkirchen, auch wo früher stei-
nerne gestanden®), die überhaupt nur wenige Jahrzehnte
existierten und weder Feuer noch Stürmen standhielten.'') Die
Baumeister waren wohl meist Mönche, nicht immer gebildete
Leute und brauchbare Architecten.
So ist es denn kein Wunder, dass uns von dieser Archi-
tectnr so gut wie nichts erhalten ist^) Erst seit dem Anfange
») Vgl. Bd. I, S. 69. 96. 316.
*) Ebenda S. 241. Fttr St. Marie hi Cambrai vgl. Gesta episc. Camerac.
Ul, c. 49. Vgl. J. Virey, L'architeoture Romane dans Fanden diocese de
Mäcon in den M6moire8 de la 8oci6t6 Edaenne XVII (1889), S.262.
') Siehe unten.
«) Quicherat a.a.O. S.119.
^) Vgl die Beschreibung in der Bist. S. Florent. Salmur. p. 242.
^) Bist. S. Florentii Salmur., Chroniqnes des ^glises d'Anjou p. 267 :
lapidea difutüf maiorem lignieam conatruacerunt ecclesiam.
^) Quicherat S. 123. 125.
*) S. 115; Virey nennt aus der Didcese Mftcon keine einzige Kirche
des zehnten Jahrhunderts.
S71
des elften Jahrhunderts, als sich die Verhärltnisae mehr be-
festigt hatten und grössere Mittel für Neubauten vorhanden
waren, beginnt fttr die Baukunst eine neue Periode.
Damals nämlich wichen allmählich die flachen Holzdecken
in einzelnen Teilen der Kirchen den Tonnengewölben; damals
begannen die Formen des romanischen Stils zuerst die fran-
zösische Baukunst zu beeinflussen. Freilich handelt es sich
nur um einen allmählichen Entwicklungsprocess.^ £s ist eine
Periode des Tastens, der Versuche, den Gebäuden grössere
Dauer zu verleihen. Aber nicht immer gelingt es. War die
Spannung zu weit, waren die Mauern zu schwach, entbehrten
sie der Stützen, so fielen die Bauten, mitunter noch ehe sie
fertig waren, ein; und man konnte von neuem beginnen. So
ist denn die Signatur der folgenden Jahrzehnte die eines völ-
ligen Eklekticismus. Man war viel zu sehr von den augen-
blicklichen Verhältnissen, von gelegentlichen Erfahrungen ab-
hängig, auf vorhandene Anlagen, Baureste, Steine und Säulen
angewiesen, als dass von einer Ausbildung bestimmter Schulen
in Frankreich die Bede sein könnte. Es muss das hervorge-
hoben werden, um den Gedanken an eine Bauschule von Gluni
in dieser Zeit abzuweisen.
So viel steht nun fest, dass mit dem Anfange des elften
Jahrhunderts sich eine fieberhafte Bauthätigkeit entwickelte,
die auch den Zeitgenossen auffiel. Es war, bemerkt Bodulf
Glaber, als ob die Welt das alte Kleid ablegte, um in Bezug
auf die Kirchen ein neues anzuziehen.^)
Im folgenden versuche ich ein Bild von der Bauthätigkeit
0 Vgl. Qaicberat S. 125.
>) Rod. Glaber, Bist. III, c. 4. Dehio und v. Bezold, Die kirchliche
Baukunst im Abendlande bekämpfen S. 246 die Auffassung, dass damals
sich die Umwandlang in den romanischen Stil yollzogen habe, mit dem
Binweis, dass wesentliche Grandzüge der romanischen Bauweise bis ins
neunte Jahrhundert hinaofreichen. Aber gerade in den Landesteilen, die
Rodulfus kannte, tritt damals nicht nur eine erhöhte Bauthätigkeit zu
Tage, sondern wir erfahren ausdrücklich von der Umwandlung der Holz-
tabulatur in Gewülbeconstructionen, von der Herbeischaffung antiker Säu-
len und Heranziehung italienischer Künstler. Da hierin wesentliche Mo-
mente flir die Entwicklung des romanischen Stils liegen, so glaube ich
an der Auslegung Quicherats festhalten und die Stelle Rodulfs auf diese
Umwandlung beziehen zu müssen.
24*
der Clnniacenser und det verwandten ftiehtnngeti 2a gebea.
Nicht als ob es darauf ankommen könnte jedes Stift zu nennen,
in dem damals gebant wurde — das biesse nichts anderes, als
alle im zehnten und elften Jahrhundert reformierten oder ge-
gründeten Abteien aufzählen — ; vielmehr beschränke ich mich
darauf diejenigen Klöster zu behandeln, fbr die irgendwie
characteristische Mitteilungen vorliegen. Es handelt sich na-
mentlich um die Frage, ob von einzelnen Reformeentren be-
stimmte Bauschemen ihre Verbreitung fanden.
Gluni.
lieber die Bauten in Gluni sind wir sehr schlecht unter-
richtet Als das Dorf an Berno kam, gab es daselbst eine
Kapelle der hl. Jungfrau und des hl. Petrus.^ Dann legte
Berno den Grund zum Kloster, musste aber die Vollendung
des Baues Odo überlassen, unter dem die Weihe der kleinen
Klosterkirche erfolgte. Seitdem hören wir nichts mehr bis zum
Jahre 981. In diesem Jahre wurde die Kathedrale durch den
Erzbischof Hugo von Bourges am 14. Februar^) geweiht, unter
Beisetzung der Asche der Apostel Peter und Paul, die aus dem
römischen St. Paulskloster nach Cluni überführt worden war.^)
Somit scheint Majolus einen Neubau unternommen zu haben
— sei es neben, sei es an Stelle der Kirche Odos — , zumal bei
der Restauration der Klostergebäude durch Odilo eben gerade
nur die Mauern der Kirche stehen blieben^), die also ver-
>) S. Bd. I, S. 41.
*) Chronologia abb. Cluniac, Bibl. Ginn. col. 1619: Hoc anno dedica-
tio fit Cluniacensis monasterii ab Hugone archiepiscopo Bituricensi 16, CaL
Martiif Lothario regente; Epist. Hngonis monachi, Bibl. Clun. col. 560:
Diebua vero sancti Maioli monasterium Cluniacense venerahüis Hugo Bi-
turicensis archi^scopus dedicavit vasque praedictum apoaiolicorum eine-
rum in columna aiib principali ara digne recondidit. Vgl. Galend. Brit
(DeMe, litt^rature latine et histoire du moyen age, Paris 1890, S. 19):
XVI . Kakndas martii. Dedicatio ecdeaie Cluniensis, Nach dem späten
Cbron. Clan. a. a. 0. col 1636 wäre die Beisetzung 989 erfolgt; vgl. Bd. I,
S. 224.
») S. Bd, I, S. 224.
*) Es heisst Jots. I, c. 13 von Cluni: in cunctis aedificiia interius et
exteriua praeter parietea ecclesiae ab ipso atudiose renovatue et
omamentis muUipliciter adomatua. Man kann diese Stelle vielleicht so
873
hältnismässig jnng gewesen sein mnss. Aber der Wortlaut
unseres Berichtes sehliesst doch nicht ans, dass auch unter
Odilo einzelne Teile der Kirche, der Chor oder der westliche
Teil, einen Umbau erfuhren.^
Wir haben glücklicherweise einen ausführlichen, wenn aneh
nicht immer klaren Bericht^) über die neuen Anlagen unter
Odilo, und zwar ist die Bauordnung aufgezeichnet worden, als
ein Teil der Gebäude bereits fertig, der andere noch auf dem
Papier stand. Danach haben wir uns ungefähr folgende Vor-
stellung davon zu machen.^) Es sind auch jetzt zwei Kirchen
da, eine kleinere, der hl. Jungfrau geweihte, die 45 Fuss Länge,
20 Fuss Breite, 23 Fuss Höhe misst, also ein unbedeutendes
Gotteshaus, das offenbar das alte war, und eine grössere,
140 Fuss lang und 43 Fass hoch. Letztere war die Haupt-
kirche, yielleicht damals mit Tonnen Wölbungen^), wenigstens
an den Seitenschiffen, versehen; auf der Vierung erhob sich
ein Turm, während die Vorderseite ebenfalls von Türmen flan-
kiert war. Zwischen ihnen lag die Vorhalle, die sich im
Untergeschoss der Türme fortsetzte.^) Was den Chor anbe-
trifft, so ist zu vermuten, dass das Langschiff über das Quer-
schiff so verlängert war, dass die drei Teile, oder wenigstens
der mittlere, in Absiden endigten, während die beiden Flügel
auslegen, dass bei dem Umbau nur das Langhaus der Kirche allein un-
verändert blieb.
1) Demnach sind die Darlegungen bei Dehio und v. Bezold, Die Bau>
kunst im Abendlande S. 272, wo drei verschiedene Bauten unterschieden
werden, der Stiftnngsbau, die Säulenbasilica von 981 und die Kirche Hugos
von 1089, nicht ganz correct, da die Thätigkeit Odilos gar nicht er-
wähnt wird.
') Er ist aufgenommen in den Ordo Farfensis SS. XI, 546 und sollte
bei der Reform den Farfensem als Muster dienen. Vgl. v. Schlosser, Die
abendländische Klosteranlage im Mittelalter S. 47. Dass es sich in der
Tbat hier um eine clnniacensische Bauordnung handelt, ersieht man deut-
lich aus der Erwähnung zweier Kirchen.
*) Ich stutze mich im wesentlichen auf die Ausführungen v. Schlossers.
*) Vgl. Petri Dam. Iter Gallicum c. 13: ecclesia maxima et arcwda,
^) Ordo Farf., SS. XI, 546: Galilea longiUidinis 65 pedeSj et duae
tiirrae (!) 8unt ipsins OcUileae in fronte constit'iUae, et supter ipaas atrium
estf tibi laici stant^ ut non impediant processionem. Dehio liest S. 587
nach Mabillons Druck 8 int und fasst das als eine Vorschrift auf-, es ist
nichts als eine objective Beschreibung.
374
des Transsepts ebenfalls nach der Ostseite Absidialeapellen
hatten.^) An die Kirche war das Capitnlnm angebaut, an der
Vorderfront mit zwölf Balcons, an welches das Anditorinm nnd
die Camera, ein langes Gebände, sich anschlössen. Im rechten
Winkel folgte wahrscheinlich das Armenhaus, Gellariam und
Refectorium mit der Küche. Dann kam wieder im rech-
ten Winkel bis zur Kirche das langgestreckte Dormitorium.
Zwischen diesen Bäumlichkeiten lag der Kreuzgang.^) Ausser-
dem gab es innerhalb der Klostermauern einen Palast yon
135 Fuss Länge und 30 Fuss Breite, der alle vornehmen Laien
und Frauen, die zu Pferde ankämen, aufnehmen sollte. Er war
fttr vierzig männliche nnd dreissig weibliche Gäste berechnet
Die Ställe, über denen sich die Schlaf- und Essräume fttr die
Knechte und niederen Fremden oder reisenden Armen befan-
den, nahmen die ganze Länge vom südlichen nach dem nörd-
lichen Thor, die 280 Fuss betrug, ein, bei einer Breite von
25 Fuss.
^) Dehio und v. Bezold schliessen auf die Choranlage des zweiten
Cluniacenserbaus allein aus der Uebereinstimmung von Bernai und Hirschau,
ein Schluss, den ich nicht zugeben kann, da die Voraussetzung eines cen-
tralistischen Organismus des Gluniaccnserordens fehlte. Die Ueberein-
stimmung von Bernai und Hirschau würde hier gar nichts beweisen. Ob
der quadratische Chor mit einer Mittelabsis schloss oder mit dreien, ist mit
Sicherheit nicht zu sagen. Aber da burgundische Kirchen, wie Peterlingen,
dann sämtliche normannische und einige westdeutsche Kirchen, wie Lim-
burg und Echtemach, Constanz, Metz (vgl. Kraus, Kunst und Alterthum in
Elsass-Lothringen III, t VI) das lateinische Kreuz bei quadratischem Chor-
abschluss aufweisen, wird man für Cluni dasselbe Grundschema voraus-
setzen dürfen. Vermutlich schlössen sich ursprünglich an das Intertrans-
sept in Cluni wie in Koumainmoutier unmittelbar drei Abslden, vielleicht
auch nur eine. Denselben Typ haben wir in St. Florent und St. Vannes
vorauszusetzen. Interessanterweise wurde nun in der letztgenannten Kirche
im zweiten Jahrzehnt ein Umbau vorgenommen, der, wie wir noch sehen
werden, sich gerade auf die Westfront, den Chor und die Querarme er-
streckte. Die Westfront erhielt die zwei Türme, die wir in Cluni finden,
die Querarme wurden verlängert und mit je einer Absis versehen. Der
Chor wurde ursprünglich wahrscheinlich in St. Vannes durch eine oder
drei an die Vierung nach Osten stossende Absiden gebildet, die dann
vermutlich, vielleicht bei Verlängerung der mittleren, quadratisch abge-
schlossen wurden.
«) S. 51—54.
375
Was den änsseren und inneren Sehmnck betrifft, so kommt
zanächst die grosse Zahl der Olasfenster in Betracht. Die Hanpt-
kirche hatte deren 160, das Sehlafhans 97. AUes war von
Stein 0, nnd Odilo rühmte sieh noch in seinem Alter, ähnlich
wie Octavian, Glnni in Lattwerk Übernommen zu haben nnd
in Marmor zu hinterlassen.^) Neben den Sänlen des Erenz-
ganges, die der Abt ans den entferntesten Teilen der Provence
anf der Darance und Khone hatte herbeischaffen lassen^),
kamen welche am Gapitelshanse znr Verwendung. Die grossen,.
Dimensionen der Kirche nnd der übrigen Banten, die zahl-i
reichen Altäre und Schätze überraschten selbst die Begleiter/
des Petras Damiani im Jahre 1063; sie bewanderten die Schön-
heit des Klosterganges, die fortwährende Beleuchtung des Dor-
mitoriums und die Grösse des Refectoriums, an dem ihnen in
ihrer asketischen unkünstlerischen Strenge gefiel, dass es durch
keine superstitiösen Malereien bepinselt sei.^) Endlich wird die
Wasserleitung in allen Klosterräumen erwähnt^)
Die Banthätigkeit Odiles erstreckte sich ausser anf Gluni
selbst auch auf einen grossen Teil der ihm untergebenen
Klöster. Hier wird man eine gewisse Verwandtschaft in den
Anlagen voraussetzen dürfen: es ist doch anzunehmen, dass,
wie die Masse der Peterskirche von Gluni nach Farfa berichtet
wurden, auch näher gelegene Stifter, so weit es möglich war,
sich an den cluniacensischen Bauten ein Master nahmen und
dass der Abt eigentümliche Einrichtungen des Stammklosters
in die abhängigen Abteien übertragen hat. Im einzelnen dürfte
der Beweis einer spezifisch cluniacensischen Bauschule um so
schwieriger zu ftlhren sein, als unsere Kenntnis der Ajchitectur
jener Zeit sehr lückenhaft und unbestimmt ist und die aus-
reichenden Mittel genauer Vergleichung fehlen.
*) Petrus Dam. a. a. 0. : quomodo cunctae lapideae officinae monastico
depositae sunt ordine.
>) Jots. V. Odü. I, c. 13. >) Jota. I, c. 18.
*) nvUa superstitione depictum.
^) per cunctas officinas tibicumque aqua neceasaria quaeritur, per
OCCÜU08 meatua atatim mirabiliter sponte diffiuit. Ich benutze die Ge-
legenheit, um folgende Stellen über klösterliche Wasserleitungen anzu-
führen: Gesta Lobb. c. 29; Chron. S. Mich. Virdun. c. 35; Gesta Aldrici
episc. Cenoman., SS. XV, 1, 319; Eist. S. Florentii Salmur., Chron. des
Elises d^A^jou p. 243.
376
Gehen wir von dem am meisten Bekannten aas, am die
Kenntnis von Odiles Wirksamkeit aaf architectonischem Gebiet
zn vertiefen, so müssen wir bei Romainmoatier anfangen, wo
Odilo von Grand aas neae Gebäade anlegte.^) Die alte Kirche
ist hent noch erhalten. Sie ist eine dreischiffige Basilica mit
absidialem Abschlass der einzelnen Schiffe^) nach Osten and
einer zweigeschossigen Vorkirche ^), die im obersten Stock-
werk mit einer Nische für die Statae St Michaels versehen
war.^) Die Seitenschiffe hatten sicher bereits Tonnenwölbang
erhalten, in die von beiden Seiten Stichklappen einschnitten;
dagegen war das Mittelschiff wahrscheinlich mit flacher Holz-
decke versehen.^) Ueber der Vierang erhebt sich noch heut
eine anregelmässige Kappel.^) Die Schiffe sind darch Rand-
pfeiler aas Brachsteinen von enormer Plampheit and Schwere
getrennt Statt der Basen hat man nngefttge, kaam recht-
winklig zagehaaene Felsstücke antergelegt. Die Deckplatten
aaf den Pfeilern springen hier, wie in der am dieselbe
Zeit gebaaten Kirche von Montierender, nar nach der inne-
ren Bogenseite vor, während sie nach der Schiffseite flach
abfallen. Die Wanddeeoration der Qaerschiffe ist überaas
einfach. Um die hoch angebrachten Fenster wölben sich
anregelmässige Bögen, in welche das Gewölbe aasläaft and
die in einer hoch an der Wand schwebenden Halbsäale sich
^) Jots. V. OdiL I, c. 18: a fundo constructvm. Die ausführlichste Be-
schreibuDg giebt Rahn in den Mitteilungen der antiquar. Gesellsch. in
Zürich XVII, 26 ff. und Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz
S. 226 ff. Detaillierte ' Zeichnungen bei Blaviguac, Hist. de Parchitecture
sacr^e du 4.— 10. siede dans les anciens ^v^chSs de G^neve, Lausanne
et Sion, 1853. Grundriss bei Dehio, Tafel 118.
*) Wenigstens aller Wahrscheinlichkeit; die ursprünglichen Absiden
wurden dann nach Rahn, Mitteilungen a.a.O. S. 26 vom 13.-15. Jahrh.
vom horizontal geschlossenen Ghur verdrängt.
') Blavignac meint, dass sie un peu poatirieur ä V^glise sei. Lübcke,
Deutsches Kunstblatt von 1854 schliesst sich ihm an. Rahn bemerkt, dass
schwerlich ein langer Zwischenraum zwischen der Erbauung der Kirche
und der Vorhalle verflossen sei, und in seiner Geschichte der bildenden
Künste rechnet er die Vorhalle noch zu dem Bau Odilos.
*) Ueber diese Nische s. Rahn a. a. 0. S. 30; sie begegnet wieder in
Peterlingen.
') Vgl. Rahn, L'^glise abbatiale de Payeme, Lausanne 1893, p. 19.
^) Blavignac: La voüte de la croissöe 8^6Uive en coupole peu reguUtre,
377
vereinigen. Geradezu barbarisch sind die Details der Orna-
mentik, sowohl an den Pfeilergesimsen der Hanptkirehe als
namentlich an den Gapitälen nnd Gesimsen des Narthex. £oh
eingehauene Kitze und Zickzacklinien, nnregelmässige Striche
bilden den einzigen Schmach i) und nur in vereinzelten Fällen,
wie ttber den Halbsäulen an beiden Arkadenpfeilern zu beiden
Seiten des Altarhauses erheben sich gut gearbeitete korin-
thische Capitäle.^) Vielleicht von dem Bau Odilos stammen
die Spuren von Bemalung, die man unter dem Mörtel an den
Mauern gefunden hat.^)
Das andere schweizerische Stift, in dem Odilo bautet), ist
Peterlingen. Aber es ist fraglich, wie weit seine Bauthätigkeit
sich auf die Kirche erstreckte. Der älteste, noch erkennbare
Teil ist der heut unter einer Fa^ade des sechzehnten Jahr-
hunderts verdeckte und Überbaute St. Michaelsturm an der
Westseite.^) Er zerfällt in drei Schiffe, und zwar so, dass die
seitlichen in zwei Etagen sich erheben. Der untere Teil dieses
vielleicht noch der ersten Anlage angehörigen Vorbaus diente
jedenfalls als Vorhalle; zweifelhaft kann nur sein, ob darüber
ein einziger massiver Turm sich erhob, etwa wie in Fleury,
oder zwei durch einen schmalen Gorridor getrennte Flanken-
türme, wie wir sie in Gluni und an Bauten der lothringisch-
oberrheinischen Schule nachweisen können. Dieser Westbau
wurde danu mit der ursprünglichen Kirche vermutlich durch
eine schmale Halle verbunden.^) Das heutige Langschiff schliesst
0 Vgl. Blavignac S. 86.
3) Rabn in den Mitteil, der antiq. Gesellsch. XVII, 29.
^) Blavignac p. 88: peiU-itre conteniporaines de V^difice lui-m^me. Er
sieht nun zwar in der vorhandenen Kirche die alte, 753 geweihte. Um
so eher können die Malereien aus dem An&nge des elften Jahrhunderts
stammen, als man damals öfter die Kirchen zu bemalen anfing; vgl. den
italienischen Maler Johannes in Lilttich (Dresdner S. 257), Hugo von Cba-
Ion s. S. (Mir. S. Berch. c. 22), Odulrich von St. Julien, der in Flenry wirkte.
^)'Die Stelle V. Odii. I, c. 13 lautet allerdings sehr unbestimmt: lam
vero de omnibus monasteriia auiSf quid Faterniacus oh Dei genetricis amo-
rem 8ihi delectahilia locus? Da die Stelle in dem Bericht über die Bauten
Odilos steht, wird auch in Peterlingen gebaut worden sein, aber ob an
der Kirche oder an andern Gebäuden, ist nicht zu ersehen.
^) lieber diesen Teil hat jetzt Rahn ausführlich gehandelt: L'öglise
abbatiale de Payeme, Lausanne 1893, p. 11 ff.
<) Rahn a.a 0. p. 13.
378
unmittelbar an den Westtarm an, nnd zwar so, dass es sich
zunächst von diesem an allmählich erweitert, am beim An-
schlnss an das Querschiff sich wieder zu verengern. Da nnn
nicht nur der Rumpf der Kirche an verschiedenen Stellen ver-
schieden breit ist, sondern auch die Wölbung verschiedene
Höhe hat, weist der Bau ganz einzig dastehende Unregelmässig-
keiten auf. Es entspricht das ganz dem zufälligen Character
der von mehr oder weniger geschickten Architecten oft höchst
eilig aufgerichteten Bauten unserer Periode. Doch weist immer-
hin die vorgeschrittene Gewölbeconstruction *) — die Seiten-
schiffe haben Kreuzgewölbe — auf eine etwas spätere Bauzeit,
so dass der Zweifel bestehen bleibt, ob etwa nur die Wöl-
bungen später erneuert wurden oder der ganze Langbau an
das Ende des elften Jahrhunderts oder gar an den Anfang
des zwölflien zu setzen ist>) Auch der Ostbau scheint vor
dem Langschiff existiert zu haben; denn auch hier dürfte die
Verjüngung der Langwände doch nur so erklärt werden können,
dass man mit gegebenen Verhältnissen zu rechnen hatte. Man
würde demnach am besten annehmen, dass Chor und West-
turm vorhanden waren und dass es sich darum handelte, beide
durch einen Neubau des Langhauses miteinander zu verbinden.
Hierbei hätten nun sehr ungeschickte Baumeister nur durch
Tasten und Probieren ihre Aufgabe schliesslich zu stände ge-
bracht*) Ob freilich der Chor die heutige Form hatte, ist
sehr zweifelhaft. Nach Bahn wäre der von ftlnf auf dem Quer-
schiffe aufsitzenden Absidialeapellen bei Verlängerung der mitt-
leren gebildete Chorabschluss erst durch die unter Abt Hugo
1089 begonnene Kirche von Cluni beeinflusst worden und —
schon des dort auftretenden Spitzbogens wegen — wohl erst
in der Mitte des zwölften Jahrhundert entstanden.*) Ueber die
ursprüngliche Anlage sind wir deshalb zu bestimmten Schlüssen
nicht berechtigt.
Gehen wir nunmehr zu den Einzelheiten über, so finden
>) Rabn. Gesch. der bild. Kttnste S.230. 231.
') Wie RahD, L'^glise abbat, de Payeme p. 21 annimmt.
>) Rahn bemerkt p. 17 treffend: En prisence d^un pareil travail on
peut conclure . . . que cette consiruction est Vceuvre de forcea taut ä fait
provinciales.
*) A.a.O. p.21.
379
wir statt der plumpen und karzen Säulen von Romainmontier
Pfeiler mit angelehnten Halbsäalen, welche die Bogen tragen.
Reichere Omamentiernng weisen nur die Capitäle des Quer-
schiffes und vor allem des Chores auf; aber nur die letztere^
verraten eine geschicktere Hand.^) Die ersteren sind trotz der
Fortschritte, die sie den rohen Meisselarbeiten in Romainmoutier
gegenüber aufweisen, mit ihren unft^rmigen Figuren noch von
schrecklicher Unbeholfenheit 2)
Was das Baumaterial anbetrifft, so unterliegt es keinem
Zweifel, dass man es aus den Trttmmein des nahen Aventicum
geholt hat, jener prächtigen Römerstadt, die in der Völker-
wanderung zerstört wurde und deren Ruinen der späteren Zeit
ein unerschöpfliches Baumaterial boten.^) Die in Peterlingen
angewandten zugehauenen Steinchen sind völlig mit denen der
antiken Gebäude von Avenches identisch. Der äussere Mauer-
schmuck bestand ursprünglich in Lesenen und Rundbogen-
fnesen.
Bezüglich der übrigen Bauten Odiles sind die Nachrichten
äusserst spärlich. Das St Yictorskloster in Genf Hess der Abt
neu errichten, wobei aber die alte berühmte Kirche, die aus
der Burgunderzeit stammte und kreisrund angelegt war, jeden-
falls aus Pietät erhalten blieb.^) Vollständig von Grund aus
wurden neu gebaut Riz und La Voüte ^) in der Au vergue, und
») A.a.O. p.2l.
a) Vgl. die Abbildungen bei Blavignac pl. LIII— LVI.
') So wurden auch Trümmer anderer Römerbauten, z. B. aus Ghalon,
für Neubauten benutzt; vgl. Ghevrier, Ghalon-sur-Sadne pitoresque et d6-
moli (188S) p. XI, 146.
*) Jots. I, c. 13: praeter siuim antiquam et nobilem eccleHam ex toto
etiam suo tempore constructus, Ueber die alte Victorskirche vgl. Rahn,
Gesch. der bild. Künste S. 60. S. 224 citiert Rahn die Stelle Jotsalds, be-
merkt aber seltsamerweise im Text: ,in Genf erfolgte eine Wiederher-
stellung der alten St. Victorskirche.*' Vgl. Blavignac p. 34.
^) Die heutige Kirche stammt aus dem fünfzehnten Jahrhundert Von
der ursprünglichen stammt vielleicht noch eine Holzthttr, die man oben
spitz zuschnitt, um sie in den gotischen Neubau einzufügen, nicht ohne
sie zu verstümmeln. Die Arabesken tragen orientalischen Gharacter und
erinnern an die Thore der Kathedrale von Le Puy aus den Jahren 1050
bis 1073. Die erhaltene Inschrift lautet: Hie tibij rex regum, hoc con-
didit Odüo templumj Agminibus superia quem miscuit arhiter orbis. Da
Odilo diese Kirche in ulHtnie vitae suis (Jots. I, c. 13) erbaute, ist das
380
in einer Anzahl von Stiftern, wie Charlieu^), Ambierle^), Sanxil-
langes, La Fert6) St Sernin, Domöne^), St Majolns bei Pavia
wurden Bauten vorgenommen, ohne dass wir Über ihre Be-
deutung, sei es durch die Quellen, sei es durch erhaltene Reste,
näher unterrichtet würden. Vorhanden ist davon so gut wie
nichts. Nur bezüglich Souvignys, der Grabstätte des Majolus,
kann man sich vielleicht noch ein Bild von dem Zustande der
Abteikirche zur Zeit Odiles machen. Von der alten Kirche ist
noch so viel zu erkennen, dass sie ans einem Hauptschiffe,
zwei sehr engen Seitenschiffen und einem Querschiff zusammen-
gesetzt war. Dass ihre Absis damals schon von drei oder fttnf
Radialcapellen umgeben war, erscheint jedoch unwahrschein-
lich. Von dieser Kirche besteht nur der untere Teil des Haupt-
schiffes, die dasselbe unmittelbar begleitenden Abseiten und
die Mauer des östlichen Transsepts. Erst im zwölften Jahr-
hundert hat man, wie es scheint, die beiden äusseren mit
Kreuzgewölben versehenen Seitenschiffe angebaut^), als man
den Bau bei dem steigenden Andrang der Menge, die an den
Gräbern des Majolns und Odilo Hilfe suchte, zu eng fand.
Zieht man einen Schluss aus den dürftigen Notizen, so
wird man bei allen diesen Bauten gemeinsame Züge finden,
die aber mehr der Zeit und Oertlichkeit, als oiner besonderen
Thor mit der Inschrift oiTenbar anmittelbar nach seinem Tode eingesetzt
worden. Beschreibung und Zeichnungen in den Annales de la sociM^
d'agriculture du Puy XIV (1849), 196 und Gailhaubad, L'architecture U.
0 Vgl. Gaumont, Bulletin monumental VII, 387; Archives de la com-
mission des monuments bist. I. Hier wird ein noch bestehender Porticas
erwähnt, der vielleicht noch dem elften Jahrhundert angehürt. Femer
werden zwei Säulen mit Capitälen im Mittelschiff noch ins Ende des elften
Jahrhunderts gesetzt.
') Nach Allier, Uancien Bourbonnais II, 289 erinnern die Form der
Pfeiler und die Länge des Schiffes an die Basilica von Souvigny. Die
erhaltene Kirche gehört dem Hinfzehnten Jahrhundert an.
s) Vgl. Cartul. monast. b. Petri et Pauli de Domina, Lyon 1859, p.l.
*) Allier II, 148 nimmt allerdings an, dass dies unter Odilo geschab.
Wäre es möglich, den Anbau der äusseren Seitenschiffe schon in die Zeit
Odilos zu setzen — die Kreuzgewölbe könnten erst später hinzugekom-
men sein — , so würde man fragen können, ob nicht die fUnfechiffige
grosse Abteikirche von Cluni aas dem Jahre 1089 eben in der Kirche von
Souvigny nach dieser Richtung hin ihr Vorbild hatte.
881
RichtaDg anzarechnen siodJ) Bezüglich des Chores werden
alle diese Bauten je nach der Zeit ihrer Entstehung, je nach
den vorhandenen Resten und den bauteohnischen Kräften die
verschiedenen Typen von der auf der Vierung unmittelbar auf-
sitzenden einzigen Absis bis zur harmonischen Gliederung der
Ostseite, wie sie Peterlingen aufweist, repräsentiert haben. Im
Westen dürfte die quadratische, dreigegliederte Vorhalle mit
Oberbau und Michaelscapelle erst allmählich dem Princip der
Doppeltürme mit dazwischen liegender Galiläa gewichen sein.
Was das Innere betrifft, so haben wir wohl in den meisten
Fällen noch durch Bogen verbundene Säulenreihen 2) anzu-
nehmen, auf denen die Wände des Mittelschiffes ohne Emporen-
bildung bis zur flachen Holzdecke aufstiegen, während die
Seitenschiffe und die Absiden eben am Anfang des elften
Jahrhunderts jene Steingewölbe erhielten, die den Zeitgenossen
wie ein Umschwung in der Bauweise erschienen.
Fleury.
In der zweiten hervorragenden Abtei Frankreichs, die mit
Cluni in engen Beziehungen stand, ist ebenfalls erst im elften
Jahrhundert unter Abt Gauzlin eine bedeutende Bauthätigkeit
nachweisbar.
Innerhalb der Klostermauem gab es in Fleury zwei Kirchen,
■
^) Von einer cluniacensischen Baaschule ist in dieser Zeit so wenig,
als bezüglich der dritten Kirche von Glani (vgl. A. Saint-Paul, A travers
les monuments hist. Bull, monum. t.4d, p. 143 ff., dem Dehio S. 390 zu-
stimmt) zu sprechen, oder doch höchstens in dem Sinne, dass einzelne in
Cluni angewandte Bauelemente durch Zufall und gelegentlich hier und da
Nachahmung fiinden oder übertragen wurden. Dann fällt aber der Be-
griff einer Schule zusammen; denn durch gelegentliche Nachahmung und
Uebertragang haben sich architectonische Formen natürlich Überall ver-
pflanzt. Vgl. übrigens: Virey, L'architecture Romane a.a.O.
') Es ist bezeichnend, dass die aus Bruchsteinen errichteten Pfeiler
von Romainmontier doch die Form von Säulen erhalten haben und über-
all die Herbeischaffung von Säulen in den Quellen ganz besonders er-
wähnt wird. Ich benutze die Gelegenheit, auf eine SteUe der Gesta Lobb.
c. 18 hinzuweisen. In Lobbes wurde Anfang des zehnten Jahrhunderts
eine neue Kirche errichtet: Quae ad id opus colvmpnia undecumque
corraaia cum baaibus et epistüiis seu ceteris latomorum vel cementario-
tum disciplima pro moduli m quantitate onmilyus drcum se positis est
incomparabüis.
382
eine, die Hanptkirche, der hl. Jungfrau , die andere Si Peter
geweiht, beide etwa sechzig Schritt von einander entfernt^)
Erstere war eine vermutlieh dreischiffige Basilica mit flacher
Holzdecke 2), mit absidialem Abschlüsse) im Osten, und Glas-
fenstern.^) Unter dem Sanctuarium befand sich die von Abt Odo
angelegte Crypta, die den Leib des Heiligen barg.^) Um das
Kloster hatte sich eine ansehnliche Ortschaft erhoben, die eben-
falls mehrere Kirchen hatte, eine Hauptkirche St Sebastian^),
dann St Andreas im Norden.^) Alle diese Kirchen waren flach-
gedeckte Basiliken. Die beiden Klosterkirchen waren unter Abt
Richard innerhalb weniger Jahre durch Feuer zerstört, nach
kurzer Zeit aber wieder restauriert worden.^) Eine Feuers-
brunst, die unter Al^bo im Norden des Dorfes ausbrach ^), ver-
schonte dagegen alles, was innerhalb der Klostermauern lag.
Als Gauzlin sein Amt antrat, eröffnete er seine Bauthätig-
keit, indem er westlich an die Basilica St Maria einen gewal-
tigen Turm aus Quadersteinen anbauen Hess, die er aus dem
Gebiet von Nevers hatte kommen lassen. ^o) Es ist zweifellos
der noch erhaltene Glockenturm ^i), von dem die untere Halle i^)
und ein oberer Stockte) vorhanden ist Gauzlin konnte das
0 Vgl. Mir. S. Bened.ll, c.9, p. 111.
^) VII, c. 17, p. 276: cwncta tcUnUata tegebantur ligneis.
») VII, c. 17; V. Gauriini II, c.64.
') Mir. S. Bened. III, c. 2, p. 129.
«) VII, C.16. 17.
•) Vm, c. 20, p. 305.
') VII, c. 6, p. 266; V. Gauzl I, c. 20.
») Vgl Bd. I, S. 200. Z. 3 lies 974 statt 984.
•) Mir. S. Bened. III, c.2, p. 128—130.
M) V. Gauzl. I, c. 35.
^0 Ueber die Glocken in Fleury vgl. Mir. S. Bened. II, c.9. 10; VII, c. 9.
^) Die Litteratur über diesen Bau ist ungemein gross. Ohne mich
auf die Widerlegung der einzelnen falschen Ansichten einzulassen, eitlere
ich Marchand, Souvenirs hist. sur Pancienne abbaye de Saint-Benoit-sur-
Loire, Orleans 1838; Crosnier im Bulletin monum. Bd. 22, 104 ff.; Rame
ebenda Bd. 26, 46 ff.; Gailhabaud, L'architectnre du V. au XVI. si^le I;
MSmoires de la soci^t^ d'Orl6an8 II; Foumier, Album arch6olog. de P^lise
abbatiale de Saint-Benoit-sur-Loire, Orleans 1851; Rocher, Hist de l'ab-
baye de St Benoit, 1865, S. 477 ff. In den meisten dieser Arbeiten sind
zahlreiche Abbildungen.
") Der vermutlich als Festsaal diente; vgl. Einhardi TransL et Mirae.
SS. Marcellini et Petri, SS. XV, 1, 352: in caenaculOf quod supra poriieum
383
Bauwerk nicht mehr vollenden, and der Tarm, der nach Ganz-
lins Absieht ein Master fttr ganz Frankreich werden sollte, ist
wohl nie aasgebaut worden. >) Die mächtige Vorhalle, die, wie
in anderen Klosterkirchen den Laien als Aufenthaltsort bei
Processionen dienen sollte, ist von acht äusseren und vier
inneren Pfeilern gebildet, die von Halbsäulen umgeben sind.
Dazu kamen eine Menge anderer Bauten Gauzlins und
seiner Mönche. Zwei Oratorien , eines Si Jacob, das zweite
dem Evangelisten Johannes geweiht, versah er mit SteinwOl-
bung^), ein drittes, St. Salvator, erbaute er. Amald, Gauzlins
Nachfolger im Amte, errichtete eine Anzahl Kirchen auf klö*
sterlichem Besitz, eine, wie ausdrücklich erwähnt wird, in
Neuvi (Däpart. du Loiret) mit Steingewölbe.^) Helgaud, den
wir bereits als Schriftsteller kennen gelernt haben, restaurierte
die ganz verfallene Kirche der hl. Scholastica von Grund aus
und errichtete die Dionysiuskirche im Osten des Klosters zu-
erst mit Holzdecke, dann mit Steingewölben.^)
Da brach am 30. Juli 1026 des Abends im Dorfe wieder
eine Feuersbrunst aus.^) Die St Andreaskirche brannte nieder,
ebenso St Peter ^); was zunächst* stehen blieb, brach doch bald
zusammen. Was von den Wirtschaftsräumen aus Holz war,
wurde mit den Einhegungen ein Raub der Flammen.'') Alle
Holzdächer, auch das der Hauptkirche, wurden vernichtet Die
Verzweiflung war gross; aber man ging sofort an eine eilige
Restauration. Innerhalb eines Monats wurde das Dach des
lonerklosters hergestellt und auch die Basilica etwas ausge-
bessert^) Nur die alte Peterskirche,* die ganz einfiel, wurde
basilicae est Diese Anlage kehrt in Roamainmoutier and Peterlingen
wieder. S. oben S. 376 f.
*) V. Gaazl. I, c. 85; Ghron. vet. excerpt, BF X, 215.
*) V. Ganzl. I, c.36: lapideo velamine cofUexuit.
') ib.: lapideo tabulatu fabricavit ecclesiam,
*) ib. c. 89: primo ligno, deinde tabulatu conatruxit lapideo; ebenso
Mir. S. Bened. YI, c. 7, p. 228.
*) V. Gauzl. I, c. 46; Mir. S. Bened. VII, o. 17, p. 276.
•) V. Gauzl. I, c. 47.
') ib. c. 49: onmitun officinarum »epta et quidquid ligiteae materiei
ineratf in fatnUam et dnerem sunt redacta,
") ib. C.52: Nee muUo post, quasi triffinta dierum exacto eurriculo
iam reaedificato interioris claustri tecto.
384
neu anfgebant^) Im allgemeinen war es eine flüchtige Wieder-
herstellung^) in arehiteetoniseher Hinsicht, and nur die Absis
der hl. Jungfrau erhielt damals Tonnenwölbung.') So kam es,
dass schliesslich doch noch einer der Nachfolger Oanzlins,. Abt
Wilhelm (1067 — 1080), an eine Niederreissung der alten, durch
den Brand geschädigten Hauptkirche gehen und einen Neubau
unternehmen musste.^) Es ist jener Bau, von dem heut noch
grössere Teile erhalten sind.^)
Was den ornamentalen Schmuck der floriacensischen Bauten
unter Gauzlin betrifft, so haben Sculpturen reiche Anwendung
erfahren. Ungemein mannigfaltig sind die Capitäle und Basen
der Säulen im Narthex. Man benutzte Pflanzenomamente, vor-
herrschend sind aber Menschen- und Tiermotive. Zahlreiche
Darstellungen aus der biblischen Geschichte sind da zu fin-
den. Die Ausfuhrung und Anordnung der einzelnen Gruppen
ist nicht ungewandt. Im Faltenwurf sind antike Reminiscenzen
unverkennbar, wenn auch die Personen noch conventionell be-
handelt und die Tiere ebenso steif als ungeschickt gezeichnet
sind. Auf einem korinthischen Capital liest man oben unter
der Deckplatte die Worte: Ufiberius (oder Unbertus) nie feoit^);
aber es ist wahrscheinlich, dass es von einem antiken Bau
stammte, und es ist deshalb zweifelhaft;, ob wir in Unberius
den Architecten oder Bildh^iuer von Fleury zu sehen haben.
Eigentümlich sind femer die Basreliefs an der Aussenseite des
Turmes, die, von verschiedener Grösse, unregelmässig in das
Mauerwerk eingelassen sind. Sie sind im allgemeinen besser
ausgeführt als die historisierten Capitäle der Vorhalle.'') Mar-
mor liess Gauzlin aus der Romagna kommen, der zu Reliefs
») V. Gauzl. I, c. 56.
*) ib. c. 64: Igitur anno . . . 1027 . . . infra biennium conflagrationis
templi, universa in mdiorem statum sunt refomuUa cum beati Petri, ui
praelibatum est, basilica.
>) ib. : Sane ipsum propicicUorium gloriosae virginis Marien . .. la-
pideo postmodutn venustavit fornice; Mir. S. Bened. VII, c. 17, p. 276: Nan-
dum eo tempore absida sanctae Mariae arcuaJto exaedificata erat opere.
*) Mir. S.Ben.Vm, c.25, p.317.
'^) Vgl. Vasseur im Bnll. monum. Bd. 34, S. 64; Rocher a. a.-0. p. 469
bis 512.
*) Eine Abbildung bei Rocher pL nr. 13 und Gaiihabaad.
7) Rocher p. 482. 483.
885
für den Sängerchor verarbeitet wnrde.^) Mit Marmorsoalptaren,
die im Kloster Saint-Calais angefertigt wurden, ward auch das
Sudthor der Hauptkirche nach dem Brande bekleidet.^) Ausser
der Bildhauerkunst wurde die Malerei zum äusseren Schmucke
der Neubauten in Fleury wie anderwärts 3) herangezogen. So
wurde die neuerbaute St. Peterskirche von einem geschickten
Mönche Odolrich von St. Julien in Tours innen prächtig mit
Farben bemalt Während der Stoff für die Fresken der Front-
seite aus der Apokalypse entnommen ward, zeigte die Unke
Mauer Illustrationen aus den Wundern des hl. Benedict. Die
Erklärungen gaben angeschriebene Verse.^) Auch das Befecto-
rium erhielt, allerdings erst unter GauzUns Nachfolger Amald,
(1030 — 1032) malerischen Schmuck. Seltsamerweise war der
Gegenstand der Gemälde den äsopischen Fabeln entnommen;
es scheint das nicht ungewöhnlich gewesen zu sein^), denn
Petrus Damiani sprach, wie wir sahen, seine besondere Be-
friedigung darüber aus, dass in Cluni das Refectorium keine
superstitiöse Bemalung aufwies. Endlich beabsichtigte Gauzlin
die von ihm mit Steingewölbe versehene Capelle der hl. Jung-
frau mit Mosaiken belegen zu lassen; er hatte auch bereits
nach Italien geschickt, um einen Musivkttnstler zu bescheiden:
da starb der Abt und die Arbeit unterblieb.
Damit ist die künstlerische Wirksamkeit in Fleury so
wenig erschöpft, wie die Beziehungen der floriacensischen
Kunst zu Italien: aber indem wir die Würdigung dieser Seite
^) V. Gauzl. I, c. 85: pulcherrimo marinorum compsü emblemccU, qtte
asportari iusserat a parttbus Bomaniae.
^) V. Gauzl. II, c. 62: Ipsum quoque eccUsiae meridianwn ifdroitwn
condolens latericium, post ignis incendium reliquit marmoreum, reverendi
abbatis Adaelelmi monasterii sancti Carileffi indtistria compactvwn.
■) Vgl. Hist. S. Florentii Salmur. p. 257: clavstralia fabrica mira lapi-
d^rni sculptura cum versuum indiciis ac picturarum splendoribus eatpolita;
Commem. abb. basil. S. Martialis ed. Dupl^s- Agier p. 9: omneq^te ipswn
monasterium honeste deinttis depingi a>c decorari fecit,
0 V. Gauzl. II, c. 56— 58; vgl. das Vorwort Delisles zu seiner Aus-
gabe S. 12.
^) Ueber gemalte Tiergestalten im Refectorium vgl. den Brief eines
A. an £. ed. Dtimmler, N. A. XIII, 354 ff. und v. Schlosser, Schriftquellen
z. Gesch. d. karoL Kunst, Wien 1892, S. 889.
Saokur, Glttniaoe&MT. U. 25
386
fUr eine andere Stelle aufsparen, begntlgen wir nns hier, den
allgemeinen Character dieser Bauten festzustellen. Aach hier
wird jedem die Eile nod Fltlchtigkeit auffallen, mit der man
die abgebrannten Partieen wieder renoviert. Man bessert nach
Bedürfnis aus, unternimmt An- und Umbauten, aber ohne ein-
heitliehe Coneeption. Am merkwürdigsten, ist, dass man in
vielen Fällen in dieser Zeit die Holzdeeken durch Steingewülbe
zu ersetzen begann, in dem deutlich ausgesprochenen Bewnsst-
sein, dass die Holztabulatur an den vielen und erhebliehen
Feuerschäden wesentlich schuld sei. Neben der Einführung
der Tonnengewölbe bezeichnet die fortschreitende architecto-
nische Gliederung und der steigende Reichtum der inneren
Ornamentik das Aufkommen des romanischen Stils: hier sehen
wir deutlich, wie mit den Beziehungen des französischen Mönch-
tums zu Italien der Sinn für die gefälligen Formen der antiken
Baukunst wächst und dadurch eine neue Blüte der Arehitectar
vorbereitet wird. Es war der Stolz Gauzlins vrie der Odiles,
sein Stift in Backstein übernommen und in Marmor hinter-
lassen zu haben: eine Uebertreibung, die doch den Umschwung,
der damals stattfand, gut characterisiert und in der bekannten
Stelle Bodulfs Glaber ihre Bestätigung findet.
Dijon.
Die bedeutsamste Bauthätigkeit entwickelte in dieser Zeit
das dritte der grossen französischen Reformcentren, Saint- Be-
nigne. Als Wilheln von Yolpianb Ende des zehnten Jahrhun-
derts das Kloster übernahm, war die alte Kirche so baufällig,
dass grössere Teile derselben bei einem Restaurationsversuehe
einstürzten. Wilhelm musste sich deshalb zu einem Neubau
entschliessen. Es erhöhte seinen Eifer, als man nach langem
Suchen das Grab des hl. Benignus wieder auffand, einen grossen
steinernen Sarcophag, in dem der Heilige lag, noch die Wunde
im Gehirn, die ihn zum Märtyrer gemacht hatte. i) Die Kosten
des Neubaus bestritt Bischof Bruno, der auch von allen Seiten
marmorne und steinerne Säulen herbeischaffen liess, wäh-
rend Wilhelm die Baumeister heranzog und ihnen den Plan
*) Rod.V.Wüh. C.15.
387
vorlegte^), der von mystiBchen GesicbtspaDkten beeioflaast
war. 2)
Aid 14. Febroar 1001 wurde der Grnnd zn der Basilica
gelegt. Die Crypta ist eine der grö6sten, die man kennt.^)
Der Teil, in dem der Heilige ruhte, blieb bestehen, aber statt
des grossen Ghorabschlnsses zwischen zwei Absiden im Osten
erfolgte der Anbau einer gewaltigen Rotunde^), die im Unter-
geschoss durch sechs Fenster erleuchtet ward, etwa 17 m im
Durchmesser und 4V2 m in der H6he hatte. Das Decken-
gewölbe wurde von 24 Säulen und 82 Bögen getragen. Dieses
Oratorium war Johannes dem Täufer geweiht Das erste Stock-
werk, das man auf 37 Stufen erreichte, hatte dieselbe Masse
wie die Crypta, war der hl. Jongfrau geweiht und wurde von
68 Säulen gestützt Durch elf Fenster drang hier das Licht
in das Innere. Das zweite Stockwerk bestand nur aus einer
Galerie, die von allen Seiten durch Fenster und oben durch
Oberlicht erleuchtet wurde. Die Höhe war die doppelte der
unteren Etagen, also 9 m. Hier stand ein Altar der hl. Drei-
einigkeit^) An beiden Seiten der Rotunde erhoben sich zwei
symmetrische TreppentQrme, in denen man zn den oberen
Stockwerken emporstieg und die sich noch fünfzig Stufen über
den Rundbau erhoben. Die Kirche selbst, die sich nach Westen
1) Chron. S. Benign! p. 138: Iteverendus abbas magistros conducendo
et ipium opw dictando.
') Vgl. Bougaud, J^tude bist et crit sur la mission de St.-B6nign6,
Autun 1 859, p. 268 ff.
') VioUet-le-Duc, Dictionnaire de rarchitecture firan^aise IV, 452.
*) Chron. S.Ben, p. 143 ff.
*) Scbnaase, Gesch. d. bild. Künste IV, 509 und Viollet-Ie-Duc sprechen
von mehreren Galerien, sie stützen sich offenbar auf spätere Beschrei-
bungen, aus denen aber so viel ersichtlich, dass in später Zeit der Bau
Wilhelms Veränderungen erfahren haben muss, da sie mit dem ausführ-
lichen zeitgenössischen Bericht des Chron. S. Ben. nicht immer überein-
stimmen. Gegenüber der Annahme VioUets, dass diese Galerien im Ober-
stock den Zweck hatten, die Pilger aufzunehmen — die übrigens von da
aus gar nicht das Grab des hl. Benignus hätten sehen können, da es sich
in der westlich gelegenen alten Ciypta befand — , möchte ich fragen, ob
die Oeffnung in der Mitte des zweiten Stockwerks nicht einfach den Zweck
hatte, Licht einzulassen. Was Chapny-Joliment, Cathedrales fran^aises 1826
über die Kirche von St Benigne sagt, ist ganz wertlos, da er von der
historischen Ueberlieferung keine Ahnung hat.
25*
388
ungefähr in gleicher Höhe mit diesem anschloss, war eine drei-
sehiffige Sänlenbasilica mit Qnerschiif, deren Länge 59 m und
deren Breite ttber 24 m betrug. Die Seitenschiffe waren ge-
wölbt. Der westliche Abschluss scheint durch zwei Tttrme er-
folgt zu sein; ein anderer wird sich sieher ttber der Vierung
erhoben haben: im ganzen wies das Bauwerk acht Türme,
drei grosse Portale und vierundzwanzig Eingänge auf. Durch
siebzig Fenster erhielt das Langhaus seine Beleuchtung.
Ein besonderes Merkmal des Bauwerks waren die zahl-
reichen Säulen, die die Pfeiler umgaben. Man zählte im gan-
zen 371, ohne die an Tttrmen und Altären angebrachten. Wie
bei den cluniacensischen und floriacensischen Bauten, so bezog
man auch hier Säulen von alten Römerstädten. Die Folge
davon war, dass sie verschiedene Grössen hatten, was nicht
hinderte, dass man einige, die an den Capitälen besonders
stark waren, trotz ihrer Ungleichheit um Pfeiler zu je vier
herumstellte und somit gleichsam mit einem Kranze krönte.
Sonst zeigen die Sculpturen die üblichen Tieromamente nnd
Verschlingungen; sie wurden zum grossen Teil von Hunald,
einem Mönche von St Benigne, ausgeführt. 0 Als Eigentüm-
lichkeit werden femer die zahlreichen Glasfenster hervorge-
hoben.^) Dass Malerei die Scheiben der Abteikirche schmück-
ten, wird uns ebenfalls berichtet, und es ist das darum
jedenfalls bemerkenswert, weil die Glasmalerei in jener Zeit
noch selten war und das Bild, das die Passion der hl. Pascha-
sia darstellte, sogar zur Zeit des Neubaus schon ein gewisses
Alter hatte.3)
Der springende Punkt in der ganzen klösterlichen Thä-
tigkeit Wilhelms von Dijon ist sein Verhältnis zu Italien.
Wie unaufhaltsam strömten Italiener, teils litterarisch, teils
künstlerisch gebildet, nach dem burgundischen Kloster, dem
die Kenntnisse der Fremden zu gute kamen. Die Uebersie-
delung von Ravennaten, Genuesen, Römern, Mailändern,
^) Vgl. Obren. S. Ben. p. 146; Bougaud p. 265.
*) Dass die Zahl der Fenster für diese Bauepoche characteristisch
war, beweist auch die unter Robert II. gebaute Kirche St Aignan von
Orleans; vgl. M^langes d'arch^ol. et d'hist, 1887, p. 468.
3) Chron. S. Ben. p. 143. Vgl. bezüglich der letzten Notiz Labarte,
Eist des arts industriels III, 340.
389
Grieeheii muss für die Uebertragnng italienischer Stilformen
und Kenntnisse von erheblichem Einfluss gewesen sein. Man
kann es nicht hoch genng schätzen, dass der Abt Johan-
nelinus von Fäcamp ein Ravennate, der Abt Suppo von |
St. Michel ein Römer war.>) Wilhelm sorgte dnrch fortwäh-
rende Versetzungen seiner Mönche für einen regen Aus-
tausch des Wissens und Könnens. Kann man angesichts
dieser Thatsachen zweifeln, dass das gewaltige Bauwerk,
dessen Plan Wilhelm entwarf und das von den Franken
als ein Wunder angestaunt wurde, in seinem characteristisch-
sten Teile, der Rotunde, auf italienische Einflüsse und Vor-
bilder zurückgeht? Man darf es um so weniger, als wir auch
von Gauzlin wissen, dass er sich fttr den ornamentalen Schmuck
seiner Bauten mit italienischen Künstlern in Verbindung setzte. ^
Mögen fttr die Basilica von St Benigne noch andere Muster
vorgeschwebt haben, vor allem die hl. Grabeskirche in Jeru-
salem und die Rundbauten von St Martin und Germigny, an-
gesichts der Aehnlichkeit der Grypta mit der von St Peter in
Rom^), der Aehnlichkeit der Anlage von S. Vitale in Ra-
venna^), S. Stefano Rotondo und S. Costanza in Rom, ange-
sichts der zahlreichen antiken Säulen, die in St Benigne Ver-
wendung fanden, darf die Einwirkung italienischer Kunst und
Arcbitectur ausser allen Zweifel gestellt werden. Die Haupt-
sache ist aber, dass wir bei keiner andern Abteikirche Frank-
reichs eine ähnliche Anlage finden, dass dies den Zeitgenossen
vollkommen zum Bewusstsein gekommen war<) und dass, ab-
>) Das sind also die Männer, die das lombardische Bausystem nach
der Normandie gebracht haben; vgl. Dehio p. 286.
*) Die Bougaud p. 282 betont.
') Chevalier, Le vönörable Guillaume will, kaum mit Recht, in S. Vi-
tale das directe Vorbild sehen. Schnaase geht aber in der Ableugnung
jedes italienischen Einflusses zu weit, wenn er meint, dass allenfalls die
antiken Säulenschäfte zu ähnlichen Motiven Anlass gegeben haben könn-
ten. Angesichts des lebhaften und engen Verkehrs Wilhelms mit Italien
wird man doch nicht bestreiten können, dass italienische Bauten von Ein-
fluss waren.
*) Rod. V. Wilh. c. 15: totitis Galliae basüicis mirahiliorem cttque
propria positione hicomparabilem perficere disponebat; c. 26: basilicam
incomparabili opera pene expletam; Mir. S. Berch. c. 21 (Mab., Acta SS.
II, 219): eccksiam religione et parietibus . . . tniro opere innovaverat.
390
gesehen von dem Narthex von Flenry, die anderen zeitge-
nössischen Bauten einen weit weniger vorgeschrittenen Stand-
punkt der architectonischen Gliederung und Ornamentation re-
präsentieren.
Die Klosterreform in diesen Gegenden regte zu weiteren
Bauten an. So baute Wilhelms Schüler, Arnulf, in dem Orte j
Vulnonis-villa eine geräumige und würdige Basiliea des hl. Be-
nignus^), desgleichen eine grosse Basiliea in Si Böiin^), und
Bodulf errichtete von Grund aus eine neue Basiliea in B6ze.^)
Leider wissen wir über diese Bauten nichts Näheres. Aber von
der Abteikirche von Vignory, einem von Dijon abhängigen
Kloster, sind noch einige Reste vorhanden, die der Mitte des
elften Jahrhunderts angehören.^) Es war eine dreischiffige,
flachgedeckte Pfeilerbasilica bei Stützenwechsel im östlichen
Teile ^) mit Querschiff und Ghorabschluss, den drei Absidial-
capellen umgaben. Nur das Sanctnarium mit dem Ghorumgang,
sowie die vier Capellen des Querschiffs waren wohl gewölbt
Kurze viereckige Pfeiler — nur die letzten am Chor sind rund
— tragen unregelmässige Bögen. Ueber der ersten Arcaden-
ordnung ruht das Triforium so, dass zwei Doppelbögen sich
über einer cylindrischen , bald starken, bald schwachen Säule
vereinigen, und somit Säulen und Pfeiler abwechseln. Was
die Seulpturen betrifft, so sind die Gapitäle sehr verschieden.
Die Gesimse sind sehr einfach und barbarisch in der Com-
position. Seltsame Sculpturmotive, wie Sparren, Schachbrette,
Flechten und Zickzackmuster, wechseln mit Tierornamenten.
Noch einfacher ist die Ausstattung einer anderen Kirche bei
Dijon, die aus der ersten Hälfte des elten Jahrhundert stammt:
St. Worles de Chatillon. Hier ruhen die Bögen auf Sandstein-
>) GhroD. S. Ben. p. 161.
>) ib. p. 160.
') GhroD. Bes. p. 288.
*) Früher mit Unrecht ins zehnte Jahrhundert gesetzt; vgl Archives
de la commission I; Lenoir, L'architecture monast. II, 35; Gauinont im
Bull, monum. Bd. 37; VioUet-le-Duc in den Annales arch6ol. I, 182. Rieh-
tig gestellt von Ram^, Bull, des ^aveaux hist., 1882, p. 193. Vgl. d'Arbau-
mont, Gart, du prienr^ de Saint-Etienne de Vignoiy (Langres 1882) p.VII
und 35; Dehio I, 196.
^) Es ist interessant, dass diese Kirche somit in die Kategorie der
von S. Ambrogio in Mailand beeinflussten fallt
391
pfeilern, deren Capitäle statt mit Scalptnren nnr dnreh einige
horizontale Gesimse decoriert sind.^ Genaa denselben inneren
Aufbau zeigt dann die gegen Ende des zehnten Jahrhunderts
begonnene grosse Kirche von Montierender.^) Gehört sie auch
der Diöeese Ghälons s. M.^) an, so kennen wir doch die engen
Beziehungen Adsos, des Erbauers der Kirche, zur Diöeese
Langres und zu St Benigne zu gut, um nicht das unmittelbare
Vorbild von Yignory in Montierender zu suchen.
Das ist alles, was wir über divionensisehe Bauten der
Diöeese Langres wissen.^) Aber es ist sehr bezeichnend, dass
die normannischen Kirchen^) — von denen wenigstens die von
^) Vgl. Bull. moDum. Bd. 84.
') Die quellenmässige Ueberlieferang ist folgende. Mirac. S. Berch.
c. 1 1 : Ibi postmodum excedente vita domno Alberico abbas e/fectus (seil.
Adso) basilicam sanctorum a b. Berchario quondam exstructam parvissi-
mam reputans, maximi quod nunc frequtntamus templi fundamenta iecit
amplissima; c. 22: cuius prima fundamenta, i4 praemisimua, veneran-
du8 Adso abbaa locaverai. Der Verfasser schrieb ca. 1080—1090. Mithin
hat man den Bau Ende des zehnten resp. Anfang des elften Jahrhunderts
zu setzen. Heut steht noch das Langhaus der Basilica. Auch hier stehen
Arcadenordnungen übereinander. Auch hier wird die untere durch vier-
eckige Pfeiler gebildet, während im oberen Stockwerk Pfeiler und Säulen
bei gleicher Arcadenstellung, wie in Vignory, wechseln. Die Litteratur
Über diese Kirche ist sehr gross. Vgl Ball, monum. Bd. 17, 319 f.; De
Caumont im Bull, monum. Bd. S7, 250. Beide Verfasser, von denen keiner
die historische Ueberlieferung kennt, setzen das Schiff ans Ende des
zehnten bezw. Anfang des elften Jahrhunderts. Vgl. femer Archives de
la comm. des monum. bist. I; sodann Bouillevaux, Monographie de F^glise
abbatiale de Montier-en-Der, Ghaumont 1855. Auch nach des letzteren
Angaben ist das Langhaus das alte; die Lage des alten Narthex ist eben-
falls noch sichtbar. Die Einfachheit des Baues wird hervorgehoben. Im
dreizehnten Jahrhundert wurde die Kirche reconstruiert. Vgl. Dehio I, 194
und 27(5, wo ohne Anführung von Gründen bemerkt wird: «Das der letz-
teren von den französischen Archäologen beigelegte Datum 992 ist nicht
haltbar".
*) Der Irrtum, dass sie im Sprengel Langres läge, der sich in den
ersten Band eingeschlichen hat, ist demnach zu berichtigen.
*) Was Schnaase u. a. über Wilhelms Anteil an der Abteikirche
St. Philibert in Turnus berichten, entbehrt jeder quellenmässigen Grund-
lage; vgl. auch Dehio und v. Bezold S. 385.
*) Vgl. Turner, Account of a tour in Normandy I (London 1820), 64;^
Turner, Architectural antiquities of Normandy II (London 1822), 122; Pugin
et Britton, Antiquit^s architecturales de la Normandie p. Tiff.; Kam6,
Bull, des trav. bist, et scient (1882) p.208; Dehio und v. Bezold S.283.
392
Bcrnai 0 noch in die Zeit Wilhelms zurückreicht — Eigentttm-
lichkeiten des lombardischen Baustils aufweisen, die sicherlich
auf die Einwirkung der Italiener, die der Abt von Dijon nach
der Normandie brachte, zurückzuführen sind: so zeigen sie
alle den in San Ambrogio. zuerst begegnenden Sttttzenwechsel
mit Emporen. Nicht weniger weisen sie aber im Grundriss
mit dem quadratischen Chor bei absidialem Abschluss des
mittleren Teils, den auf dem Querschiff aufsitzenden Absidial-
capellen^) und den beiden Westtttrmen^) auf das in Burgund
und den Nachbargebieten herrschende Bauschema.
Lothringische Reformbewegung.
Wenden wir uns nach Lothringen um zu prüfen, wie
weit durch die Beziehungen zur französischen Beformbewe-
gung hier architectonische Einwirkungen französischer Kirchen-
bauten stattgefunden haben.
Wir erinnern uns, dass es Richard von Montfaucon war,
der in seinen klösterlich -reformatorischen Bestrebungen an
Gluni anknüpfte. Als er nach St. Vannes kam, fand er dort
ein halb verfallenes Gotteshaus vor. Wir werden nicht fehl
gehen, wenn wir uns eine unbedeutende, niedrige dreischif&ge
Kirche mit nur wenig über die Seitenschiffe hervorragenden
Kreuzarmen vorstellen, die östlich mit einer Absis, westlich
einem vermutlieh hölzernen Turme abschloss.^) Im zweiten
Jahrzehnt des elften Jahrhunderts^) nahm Richard nun einen
umfassenden Erweiterungsbau vor<^), der sich vor allem auf
den Chor, das Qnerschiff und den Westbau erstreckte. Die
Kreuzarme wurden verlängert und je mit einer Absis ver-
sehen, ein neues Presbyterium erbaut, sei es, dass das Lang- 4
schiff der Basilica über die Vierung in der ganzen Breite vor-
geschoben wurde und horizontal mit quadratischem Chore
^) Vgl. darüber BuU. monum. Bd. 31, 95.
>) So Boscherville, Bemai, G4risy; vgl. Dehio 1 80.
^) In Jumtöges, G6risy, Caen, Bayeux, Rouen; Dehio p. 597.
*) Das Bild der Kirche gewinnen wir aus der Schilderung des Um-
baus in der Y. Richardi c. 7— 10. 12 und Hugo von Flavig^y II, c. 7.
'^ Die Zeit wird dadurch bestimmt, dass Richard Säulen aus St. Amand
kommen Hess, welche Abtei er von 1013 — 1018 leitete.
*) Vgl. Riehard von St. Vannes S. 78.
393
abschloss, sei es, dass nur das Mittelschiff jenseits der Vierang
in eine langgestreckte Äbsis ansliefJ) Unter dem Chor wnrde
eine Crypta angelegt. Vor allem aber erhoben sich, wohl
an der Westfront, zwei steinerne Türme 2), wie in Glnni, die
dann vermutlich durch eine Vorhalle verbunden waren. Es
war eine Säulenbasilica; die Säulen liess Richard auf der
Scheide und Maas von St. Amand nach Verdun schaffen; es
ist nicht unwahrscheinlich, dass Richard wenigstens einzelne
Teile der Kirche mit Gewölben versehen liess.*)
Wir bemerken somit, dass der Umbau von St Vannes sich
gerade auf die Teile erstreckte, die in eben jener Zeit die ein-
schneidendsten Veränderungen überhaupt erfuhren. Die Erwei-
terung des Sanctuariums und der Querschiffe wurde durch die
erhöhten Anforderungen bedingt, die an liturgische Handlungen
der Mönche gestellt wurden^); die Vorhalle, die sich meist über
die ganze Breite der Kirche bis ins Untergeschoss der Türme
ausdehnte, sollte die Pilger gegen Wind und Wetter bei Pro-
cessionen schützen. Bemerken wir, dass St Vannes sich im
Westbau an das in Gluni angewandte Schema anlehnte, dass
durch die Erweiterung des Qnerschiffs mittelst Capelleu eine
zweifellose Annäherung an den im Osten und Norden Frank-
reichs gewöhnlichen Typus erfolgte, so ist es nicht unwahr-
scheinlich, dass Vorbilder westlicher Abteikirchen auf den Bau
von St Vannes wirkten. Bezüglich des Chores würde man am
ehesten geneigt sein, auf St. Remi als Muster zu schliessen — da
Richard aus Reims nach St. Vannes gekommen war — , auf die
von Radialcapellen umgebene Absis: da jedoch dieses Schema im
westlichen Deutschland oder in Lothringen nirgend sonst begeg-
net, wird Richard an die einfacheren Typen der burgundischen
Schule angeknüpft haben. Aber es ist ganz und gar nicht zu
bestimmen, wie weit etwa west- oder süddeutsche Vorbilder
oder noch die alte Kirche von St. Vannes und ihre Verhält-
nisse von massgebender Bedeutung waren.
^) Ueber die Gestalt des Chores ist aus den betreffenden Stellen
nichts zu ersehen.
") V. Rieh. c. 10.
^) So möchte ich jetzt V. Rieh. c. 7 : conductis artificibus aecclesiae
cülmen apposuit deuten.
*) Vgl. darüber die einleuchtenden Ausführungen bei Dehio S. 271.
394
Es wäre nan anzunehmen, dasB der Neubau von St Vannes
auf Richards Schüler nicht ohne Einfluss blieb. Aber ttber die
Bauten in StVaast^), Haumont^), Cambrai^), Gbälons s. M.^)
u. a. 0. sind wir nicht näher unterrichtet Schon während des
Baues der Kirche St Vitonus wurde Yasloges, das Poppo da-
mals als Propst leitete, in allen Teilen einer umfassenden Be-
novation unterworfen. Sie erstreckte sich namentlich auf das
Dach der Kirche, die vielleicht überwölbt wurde, den Kreoz-
gang und andere Baulichkeiten. Der Umbau wird in der Vita
Richardi Abt Richard^), in der Vita Popponis Poppo*) zuge-
schrieben. Natürlich muss man sich Richard als den leitenden
Bauherrn vorstellen, unter dem vielleicht Poppo die unmittel-
bare Beaufsichtigung des Baues besorgte. Als Poppo dann
die Klöster Stablo-Malm^dy übernommen hatte, ging er, wenn
auch viele Jahre später, hier an umfassendere Bauten. In Mal-
m^dy wurde damals erst, wie in St Vannes, eine Crypta an-
gelegt^); in Stablo sowohl die Kirche als alle Klosterräumlich-
keiten erneuert Wir wissen aber ttber den Bau der Basilica
nicht mehr, als dass marmorne Säulen dazu verwandt vmr-
den^) und das Mittelschiff westlich von einem einzigen Turm^),
unter dem die Vorhalle sich befand, abgeschlossen wurde:
es war das in Belgien allgemein angewandte Schema des
Westbaus.
Man hat nun Poppo zum Haupt einer grossartigen Bau-
schule gemacht: unter ihm, ja auf seine Initiative seien die
Abteikirchen von Limburg, Echtemaeh, Weissenburg und Hers-
>) Cresta epiBc. Gunerac. III, c. 59.
«) ib. c. 6.
') ib. c. 49.
*) Ann. S. Petri Gatalaun. 1034; vgl. Richard von St. Vannes S. 6$.
») V. Richardi c. 1 2.
«) V. Popp. c. 22.
0 ib. c. 22.
") ib. : Marmoreofs proinde cohunptuu <id id similiter opus . . . inibi
invefiitf ubi nuUi unquam eius natura loci marmor invenire dedit. Man
sieht auch hier, von welcher Bedeutung die Herbeischaffung marmomer
Säulen war; vermutlich hat auch Poppo, wie seine Freunde, einen be-
stehenden Bau geplündert.
^ Vgl. darüber Manchot, Kloster Limburg an der Hardt, Mannheim
1892, S.40ff.
395
feld entstanden. Hatte man sieh aber erst einmal daran ge^
wohnt, in ihm den leitenden Baumeister aller dieser Basiliken
zu sehen, so mnsste er an dem Dombau von Speier, an dem
von Strassbnrg, an der Kirche von Otmarsheim im Elsass und
anderen Kirehenbanten beteiligt werden. Denn nachdem man
einmal erkannt hatte, dass die genannten Abteikirehen wieder
ihrerseits die grösste Verwandtschaft mit einer ganzen Reihe
west- nnd sUddentscher Bauwerke zeigen, so durfte man sich
das Glttck, den Namen des Hauptarchitecten Westdeutschlands
entdeckt zu haben, unmöglich entschlttpfen lassen; was einer
der genannten Abteikirchen entfernt ähnlich sah, wurde ein
Meisterwerk Poppos, und die fable convenue war fertig.^)
Sehen wir, was sieh bei nüchterner Kritik von alle dem hal-
ten lässt
Von den genannten Abteikirchen haben Hersfeld und Lim-
burg die grösste Aehnlichkeit. Sie nähern sich in der Grösse
der Masse ^), worin jedoch die letztere von der ersteren noch
übertroffen wird, sie zeigen beide die westlichen Türme mit
der dazwischen liegenden Vorhalle, die weit ausladet, sie haben
die auf den Qnerarmen aufsitzenden Rundcapellen. Sie weichen
>) Am weitesten ist Adler gegangen, Romanische Baukunst im Elsass,
Zeitschrift für Bauwesen Bd. 28 (Berlin 1878), 447. Beztiglich Otmars-
heims im Elsass meint er z. B. : der Architect müsse Aachen wie Essen,
Nym wegen wie Ltittich gekannt haben. „Dieser Mann kann schwerlich
ein anderer als Abt Poppe von Stablo gewesen sein, der den beiden
Kaisern Heinrich IL wie Konrad II. mit Bat und That zur Seite stehend,
auch mit den beiden Kirchenfürsten Werner von Strassburg und Brun
von Toul ... in einer selten vertrauten Weise verkehrte und gerade da-
mals mit dem Neubau des Münsters von Strassburg beschäftigt war.*'
Wenn Adler hier nicht ungedruckte Quellen benutzt hat, werden wir von
all' den schönen Dingen absehen müssen; denn bekannt ist davon gar
nichts. Durch Adler wurde offenbar Dehio S. 168, n. 1 verleitet, von der
„wahrscheinlich durch Poppo geleiteten Restauration des Strassburger
Münsters*' zu sprechen. Die Beziehungen Poppos zu Strassburg be-
schränken sich, so weit unsere Kenntnisse reichen, lediglich darauf, dass
er 1016 als Mönch einmal an das Hoflager Heinrichs II. nach Strassburg
kam und ihm Ende der zwanziger Jahre das Bistum von Konrad ange-
boten wurde, das er aber ablehnte. Daraus auf den Anteil am Münster-
bau zu schliessen, ist zum mindesten etwas kühn.
') Das Langhaus hat in Limburg 13 824, in Hersfeld 13728 Quadrate
fuss Flächeninhalt. Jedoch ist Hersfeld breiter als Limburg, Limburg
länger als Hersfeld. In der Höhe sind sie nach Dehio S. 162 gleich.
396
voneinander ab vor allem in der Anlage des Ostbans. In Lim-
burg sehliesst der Chor quadratisch, in Hersfeld mit lang-
gestreckter Fortsetzung des Mittelschiffs und der Absis; hier
sind auch die Kreuzarme auffallend lang gestreckt. An die
beiden Westttlrme lehnen sieh in Limburg im Gegensatz za
Hersfeld nach Nord und Sttd runde Treppentttrmchen. Was
Echternach betrifft, so sind die Unterschiede noch augen-
fälliger. Mit Limburg entbehrt Echternach der Absis am Chore:
im Unterschiede zu Hersfeld und Limburg treten die Kreuz-
arme des Querschiffs ttber die Seitenschiffe des Langhauses
nicht heraus. Sind Limburg und Hersfeld Säulenbasiliken, so
wechseln in Echternach Pfeiler und Säulen >) — und zwar so,
dass je zwei Pfeiler nur durch Mauerbögen verbunden sind — ,
wobei die Säulen im Gegensatz zu denen der anderen Kirchen
durch ihre korinthischen Capitäle auf Trierer antike Vorbilder
hinweisen. Die Echternacher Kirche hat schliesslich ausser
den beiden Türmen an der Westfront zwei Tttrme^) in den
Winkeln, die der Chor mit den Kreuzarmen bildet. Schliess-
lich erreicht der Echternacher Bau auch die Dimensionen der
anderen Kirchen nicht. Was Weissenburg betrifft, so sind
nur spärliche Reste vorhanden, die sowohl in technischer ak
in formaler Hinsicht jede Aehnlichkeit mit Limburg vermissen
lassen.^) Ziehen wir den Schluss aus diesen Angaben, so
weisen höchstens Limburg und Hersfeld stärkere Analogieo
auf, während Echternach schon durch die Art des Sttttzen-
wechsels ganz aus dem Character der übrigen Bauten heraus-
fällt. Das allen Geroeinsame sind die beiden Westtttrme mit
der dazwischen liegenden Vorhalle, die in Hersfeld und Lim-
burg noch vorgeschoben war.
*) Vgl. Dehio t. 58, fig. 5.
^) Ob diese allerdings schon von Anfang an bestanden haben, ist
sehr zweifelhaft.
^) Nach Manchot p. 53. Die jetzige Kirche ist aus dem dreizehnten
Jahrhundert und hat einen sehr eigentümlichen Grundriss (ygl. Kraus,
Kunst und Alterthum im Elsass I, Strassburg 1876, S. 603 ff.). Vor der
Kirche steht ein einziger romanischer Westturm. Die Dedicationsnotiz
der Ann. Weissenburg. 1033: dedicatum est oratOrium S. Fetri in Wizen-
bürg a Reginboldo Spirensi episcopo wird von Kraus S. 616 wahrschein-
lich mit Kecht auf die kleine, noch erhaltene östlich von der Kirche ge-
legene St. Peter- und Paulscapelle bezogen.
397
Prttfen wir nun die historischen Thatsachen bezüglich
der Abt Poppo zngeschriebenen Bauten, i) In Echternach
begann der Bau bereits 1016 und war nach zwölf Jahren,
als Poppos Schüler Humbert die Leitung des Klosters über-
nahm, bis zu den Fenstern vorgeschritten: mithin kann von
einem Einfluss Poppos auf den Grundriss schwerlich die
Rede sein« In Hersfeld wurde der Neubau der 1037 ab-
gebrannten Kirche erst begonnen, als der von Poppo hier
eingesetzte Rudolf Bischof von Paderborn geworden war.
Da die Kirche erst 1144, also hundert Jahre später, fertig
wurde, fällt jeder sichere Rückhalt fort, um sie mit Poppo in
Beziehung zu setzen. Was Limburg betriff!;: so kennen wir
jetzt den Baumeister: es war der Mönch 6umbert,'der den
Grundriss entwarf und die Grundmauern legte. ^) Da 1035 die
Weihe der Crypta erfolgte, kann der Bau nicht lange vorher
begonnen sein. In eben dem Jahre, wenn nicht früher, hatte
hier Poppo seinen Neffen Johannes eingesetzt, dem nach we-
nigen Monaten eben jener Gnmbert als Abt folgte, ebenfalls
nur für kurze Zeit Damals hatte Poppo nicht mehr den ge-
ringsten Einfluss auf Limburg.^) Johannes und seine Nach-
folger wiesen jede Unterordnung unter Poppo ab, was dessen
Biographen Anlass giebt, von dem nun folgenden Verfall des
Klosters zu sprechen.
Aus alledem folgt, dass die Behauptung völlig unhaltbar
ist, unter Poppos Leitung — sei es, dass man in ihm den
Architecten oder Bauherrn sehen will — seien jene grossen
Kirchenbauten entstanden. Die Frage wäre nur die, ob seine
Schüler nicht die Träger spezifischer Bauformen gewesen sein
könnten. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Aebte von
0 Auf die folgenden Thatsachen hat zuerst Manchot hingewiesen.
') Manchot teilt S. 85 f. die Inschrift des in den Ruinen von Lim-
burg gefundenen Grabsteins mit £s heisst hier:
Cuius frater adhuc actentis ut stat opus
Ftmdamenta iacis . . .
Gumbert starb ca. 1036 (Ladewig S. 82f.). Die Stelle kann natürlich nicht
den Sinn haben, dass der MOnch die Kirche, soweit sie bei seinem Tode
bestand, eigenhändig baute, sondern dass er der Architect war.
*) Er hat ihn auch nicht mehr erlangt ; und die Notiz Manchots S. 8,
dass Poppo 1038 in Limburg wieder zu Einfluss gelangte, beruht jeden-
falls auf einer Verwechselung mit St. Maximin.
898
Echternach, Hersfeld, Weissenbnrg und Limburg sämtlioh ans
St Maximin kamen, und wenn man ein gemeinsames Modell
will, dieses am ehesten in Trier gesucht werden mttsste. lieber
St. Maximin in dieser Zeit wissen wir gar nichts; nur verrät
der Trierer Dom in der Westfront eine starke Aehnliehkeit mit
der Kirche Ton Limburg, wenn man sich den Westchor durch
die Vorhalle ersetzt denkt ^) Dass Echternach von Trier beein-
flnsst sein wird, darf man a priori annehmen.^) Auf der andern
Seite wird Limburg mit Speier und Constanz') verglichen und
eine Entwicklung von Constanz ttber Limburg nach Speier an-
genommen, oder Limburg geradezu einer Strassburger Ban-
schule zugeschrieben.^) Während der Gonstanzer Dom vor
allem durch die beiden WesttQrme und den quadratischen
Chor Limburg vorausgegangen sein soll, fand sich die Vor-
halle und ebenfalls der quadratische Chor bereits am Strass-
burger Mttnsterbau.^)
Da wir nun in Deutschland den quadratischen Chorab-
sehluss und die beiden Westtürme vorher^) oder doch wenig
später überall verbreitet finden, da femer die einheitliehe
Leitung der Bauten von Limburg, Hersfeld und Echternach
durchaus unbewiesen, ja sehr unwahrscheinlich ist, so werden
wir unmöglich auch nur mit einiger Sicherheit gerade von Cloni
oder St Vannes aus die einzelnen Grundmotive herleiten. Die
Sache liegt einfach so, dass im östlichen Frankreich und
>) Vgl. auf der Zeichnung bei Dehio t218 vor allem die Stellung
der Treppentünne in Trier und Limburg. Der Trierer Dom wurde in
eben den Jahren wie Limburg restauriert; 1037 fand die Weihe statt.
Vgl. Lesser, Poppe von Trier S. 33.
*) Poppo Yon Trier weihte sie 1031 selbst; Lesser S. 34.
') So von F. J. Schmitt in einer Recension von Manchots Schrift,
Repertorium fUr Kunstwissenschaft XV, 541, wo die Ansicht vertreten
wird, der Bauplan von Limburg sei im Anschlnss an den Dom von Con-
stanz entstanden.
*) Von Manohot S. 46 ff.
*) Manchot p. 47. Was aber die Aehnliehkeit . der Meisseltechnik an
den Steinen der Strassburger Crypta und den in Limburg gefundenen be-
trifft, so wird man daraus schwerlich die Schlüsse ziehen können, die
Manchot zieht
") Dehio p. 211 weist selbst auf Gorvey, das bereits im 10. Jahrb.
dasselbe Schema des Westbaus hatte.
399
südwestlichen Dentsehland die Tendenz für gewisse For-
men vorhanden war und dass überall, wo das Bedürfnis
das gleiche and die Bedingungen ähnliche waren, natürlich
unter gelegentlicher Nachahmung bestehender Vorbilder, ana-
löge Entwicklungen stattfanden. Nehmen wir selbst an, dass
Richard von St. Vannes das Schema des Westbaus Ton Glnni 0
entlehnte — was noch des Beweises bedürfte — , so hat es
Poppo jedenfalls nach Stablo nicht verpflanzt Ob sein Schüler
Humbert es in Echternaeh, wo der Bau in zwölf Jahren schon
weit vorgeschritten war, noch zur Anwendung bringen konnte,
ist mindestens zweifelhaft; und ebenso muss es für Limburg
als ganz ungewiss gelten, ob die westliche Anlage auf Poppos
Einwirkung zurückzuführen ist Was Hersfeld betrifft, an dem
hundert Jahre gebaut wurde, und wo der Bau begann, als Poppo
da längst nichts mehr zu thun hatte, so würde, wie man rich-
tig bemerkt hat^), aus der Aehnlichkeit mit Limburg höchstens
zu folgern sein, dass der Hersfelder Architect den Limburger
Bau gekannt hat, der seinerseits ohne Frage auch auf den
Speierer Dom nicht ohne Einfluss war. Die Abweichungen der
verschiedenen Kirchen sind nun auch wieder im einzelnen so gross,
dass schon damit der Gedanke einer einheitlichen Bauleitung
an Gewicht verliert') Noch stärker treten die Unterschiede
hervor, wenn man sie gar mit den Cluniacenserbauten in Be-
ziehung setzt^) Die Quellen reichen für unsere Zeit meistens
*) Vor allem käme es darauf an zu wissen, ob der Westbau in
Cluni, der vielleicht erst Odilo zuzuschreiben ist, überhaupt älter war, als
St. Vannes. Da die westdeutsche Architectur im allgemeinen auf einer
höheren Stufe steht, als die bnrgundische (was auch Dehio anerkennt),
kann Burgund ebenso gut von Osten beeinflusst sein, als umgekehrt.
>) Manchot S.38.
*) lieber das Verhältnis von Limburg, Hersfeld, Echternaeh und
Weissen bürg ist schon gesprochen worden. Dehio nahm freilich an, dass
die Ostpartie in Hersfeld auf einen älteren Grundriss zurückginge. Dieser
Annahme widerspricht Graf, Neue Beiträge zur Entstehungsgeschichte der
kreuzförmigen Basili(«4i, Repert f. Kunstwissenschaft XV, 16, nach dem der
Ostban ursprünglich drei auf dem Querschiff aufsitzende Absiden aufwies,
während er die spätere Form Poppo zuschreibt. Dann würde aber der
Unterschied zwischen den einzelnen, angeblich popponischen Bauten noch
crasser und auf einen fast gänzlichen Systemmangel hinweisen.
*) Das Chorscbema, das Dehio für Cluni zu reconstruieren sucht und
das die normannischen Kirchen, Peterlingen, La Couture, Hirschau zeigen,
400
nicht ans, anch nnr mit einiger Bestimmtheit den letzten Aas-
gangspunkt einer Bauform anzugeben; bei dem ungemein leb-
haften Verkehr der einzelnen Klöster untereinander einerseits,
dem Mangel an Centralisation auf der andern Seite war der
Willkür und dem subjectiven Ermessen viel zu viel Spielraum
gelassen, als dass wir den bunten Wechsel der Erscheinungen
in unserem Falle mit einiger Sicherheit an dem Faden chrono-
logischer Entwicklung und causalen Znsammenhangs aufzu-
reihen vermöchten.
Kleinkunst.
Neben der Architectur erfuhr das Kunstgewerbe durch die
Wiederherstellung zahlreicher Kirchen einen ungeahnten Auf-
schwung. Man setzte den grössten Stolz darein, die Gottes-
häuser würdig auszustatten, man hielt es ftlr eine Pflicht, die
wiedergewonnenen und wiederentdeckten Heiligen zu ehren.
Die Wände der Kirchen wurden mit Malereien geziert und
mit gewebten Teppichen behangen. Das Hauptaugenmerk
richtete man auf die künstlerische Ausstattung der Altäre
und Anschaffung wertvoller Altargeräte. Kunstbegabte Mönche
wurden stets gern aufgenommen und mit Aufgaben betraut
In grösseren Abteien waren fttr die Goldschmiede, Edelstein-
fasser, Glasmacher, Weber besondere Werkstätten errichtet
Das wichtigste Moment in der Entwicklung des Kunstge-
werbes ist der fortwährende Austausch künstlerischer Ideen
und Fertigkeiten in diesen Klöstern. Die Geschenke, die
von verschiedenen Seiten eintrafen, beförderten Uebertra-
gungen neuer Stilformen. Die Künstler zogen von Ort zu Ort;
begegnet in den von unq bier betrachteten Kirchen nirgend. Die Michaels-
capelle ist in den sogen, popponischen Bauten bisher nicht nachgewiesen.
Wenn Dehio S. 211 den Mangel der Grypta als spezifisch cluniacensisch
ansieht, so ist nur darauf hinzuweisen, dass Odo in Fleury, Richard in
St. Vannes, Poppo in Malm6dy gerade Crypten anlegen Hessen, wo bis-
her keine waren. Der einzelne Westtunn begegnet gerade in Glunia-
censerbauten, wie Romainmoutier, während Dohio die doppelten West-
türme aus dem Farfeser Bericht als cluniacensisches Princip nachzuweisen
sucht Hiemach kann man weder von einer cluniacensischen Schule, die
nach Deutschland herüber gewirkt hätte, noch von einer popponischen
reden: Uebertragungen im einzelnen Falle und bei Qelegenheit natürlich
zugegeben.
4Ö1
man berief fttr gewisse Arbeiten selbst ans entfernteren Ge-
genden Personen, die in ihrer Kunst einen gewissen Ruf hatten.
Namentlich kam von Italien nnerschöpfliehe Anregung: von
hier holte man Goldschmiede und MusivkUnstler. Von ihren
Romreisen brachten die Aebte Kunstgegenstände mit, genau
so, wie es in späterer Zeit geschah. Der Erwerb von Re-
liquien, namentlich aus dem heiligen Lande, bewirkte nicht
nur Kirchengrttndungen, sondern auch die Herstellung kost-
barer Reliquienbehälter.
Eifrige Pflege fand die Webekunst in den reformierten
Stiftern. Bereits Odo von Glnni liess einmal ein Wunder, das
zu seiner Zeit geschah, in einen Teppich einweben.^ Von
besonders prachtvollen Gobelins erfahren wir aus St. Florent
de Saumur.'^) Hier wurden eine Menge Wandteppiche, Sessel-
decken und dergleichen kunstvolle, figurenreiche Webstttcke
angeschafft. Namentlich zwei Wandtapeten aus kostbarem Stoff
werden erwähnt; die eine mit eingewebten Elephanten, die
andere mit Löwen und Vögeln. Der letztgenannte Teppich hatte
einen weissen Rand, von dem die Tiere sich rot abhoben.
Die Darstellung von Tierbildern auf Geweben scheint ebenso
beliebt gewesen zu sein, wie auf den Säulencapitälen; denn
auch in Anxerre hatte man eine purpurne Casula, in die
scharlachrote Adler eingewebt waren neben goldgestickten
Arabesken.^) Goldstickerei war fttr den geistlichen Ornat, die
Casel, Albe, Stola u. s. w., in der Mode.^) Besonders kostbare
Gewänder waren bisweilen mit Edelsteinen besetzt*^), am herr-
lichsten natürlich solche geziert, die von Königen und Köni-
ginnen einzelnen Kirchen geschenkt wurden.
Daneben erfreute sich der Erzguss und die Goldschmiede-
technik grosser Beliebtheit. In Gluni gab es eine besondere
Werkstätte fttr die Goldschmiede, Edelsteinfasser und Glas-
macher. Hier war also der Ort, an dem Odilo aus dem von
0 Job. V. Od. I, c. 85.
>) Hist S. Florentii p. 257. 258; vgl. Labarte IV, 367.
^) Hist. episc. Autissiod. c. 49, ed. Dura p. 390.
*) V. Gauzl. I, c. 36 und die in Aum. 5 angeführten Stellen; casvUam
viridem cum awrifrisio giebt die Gräfin Adverada an St. Vannes, H. Flav.
II, 375.
^) Hist S. Flor. p. 258; Hist. episc. Autissiod. a.a.O.
Saoknr, Cltmiftcenaer. II« 26
402
spanischen Christen erbeuteten sarrazenischen Gold und Silber
ein Ciborinm ftir den Altar des hl. Petras anfertigen liess, mit
silbernen Säulen in Nielloarbeii Viel mehr wissen wir Ober
die Metallarbeiten in Fleury. Hier liess Abbo die Altäre mit
silbernen Platten aussehmtteken und vollendete eine goldene
Altartafel, die Oylbold begonnen hatte. Die Holzwand am das
Grab des hl Benedict wurde durch Metallreliefs, welehe die
Wander des Heiligen darstellten, geziert i) Gauzlin bemühte
sich dann namentlich um prächtige Ausstattang des Ghorhauses
und seiner Gerätschaften. Es wurde ein ttberaas kunstvoller
Lettner verfertigt, an dessen Herstellung ein lombardischer
Ktlnstler Nivardns und der Erzpriester Rodulfus beteiligt waren.
Letzterer goss die mit kunstvollen Reliefs versehenen Tafeln
aus spanischem Kupfer, die von einander dnrch Säulen getrennt
waren, die Nivardns meisselte. Achtzehn spiegelblanke Metall-
platten wurden ausserdem in Zwischenräumen am Paneel, dem
fortlaufenden Säulenpostament, angebracht.^) Ausserdem waren
Marmorreliefs verwendet worden, die Gauzlin aus der Romagna
hatte kommen lassen.^) Vielleicht war derselbe Meister Rodulf
auch der Verfertiger eines Lesepults von spanischem Kupfer,
das aaf vier Löwen ruhte, tlber denen sich eine drei Ellen
hohe, gegossene und reich verzierte, von einem fliegenden Adler
gekrönte Säule erhob.^) Das Chorgesttthl von Buchenholz ver*
sah Gauzlin an der Rückwand mit Porphyrplatten, die er ans
der römischen Peterskirche beschafft hatte und die er mit
Messingleisten umgab. Vor den rings an der Wand des Sane-
tuarium fortlaufenden Chorsttthlen stand der Abtsitz.^) In
Fleury ruhte er auf vier Löwen aus Metall. Die Fassbank
war aus Porphyr, der Sitz selbst zeigte dieselben Verzierungen
wie die Chorstühle. •)
>) M^m. de POrl^anais XIV, 642.
*) V. Gauzl. II, c. 22. Der chorus paaUentium ist der Lettner; vgl.
Otte, Handbncb der kirchl. Kunstarchäologie I, 51.
*) V. Gauzl. I, c. 35 : Chorum psaüentium quoqnc p^dcherrimo marmo-
rwn compsit emblematey quae aaportari iusserat a partibw Eomaniae. Ich
denke doch, dass die Nachrichten sich auf denselben Lettner beziehen.
*) I, c. 35.
^) Otte, Handb. der christl. Kunstarchäologie I, 47.
«) V. Gauzl. II, c. 62.
403
Der Wechsel zwischen Marmorscnlpturen und Metallgnss-
arbeiten ist characteristisch für die Kunstbestrebnngen und den
Geschmack Ganzlins, der insofern von italienischen Knnstrich-
tangen beeinflusst war, als Italien ihm das Material und in
Nivardus einen Bildner lieferte. Einen etwas anderen Cha-
racter tragen die grossen Arbeiten in Lothringen, vor allem
in Verdun. Hier herrschte die getriebene Bronce und Email-
technik vor. So war der Ambo von St. Vannes, der wie der
in Flenry ein sogenanntes Adlerpult trug, auf allen vier Seiten
mit Basreliefs in getriebener Bronce geschmückt, die vermut-
lich mit Emailfarben bemalt waren und in allen Teilen Scenen
und Figuren aus dem alten und neuen Testament darstellten. 0
Einen kunstvollen aus getriebenem, teils vergoldetem, teils ver-
silbertem Metall verfertigten Ambo mit Adlerpult hatte auch
die Kirche von Lobbes.^) Ebenso wies das reich ausgestattete
Ciborium des hl. Vitonus Broncereliefs^) auf, auf der Vorder-
seite eins mit den Bildnissen Gottes, des Apostels Petrus und
des hl. Vitonus, das von Emailsäulen mit silbernen Basen in
getriebener Arbeit umgeben war.^) Silberne oder goldene, ofk
mit Edelsteinen geschmückte Altartafeln, die mitunter Reliefs
oder Malereien zeigten, durften nirgend fehlen.^) Dazu kam
die grosse Zahl von Kirchen- und Altargeräten aller Art, Ge-
fässe, Candelaber, silberne und goldene Kronen^), Kreuze, in
Edelmetall gebundene RitualbQcher n. s. w.'') Neben Gold und
^) S. Richard von S. Vannes S. 82. 83. Emailarbeiten späterer Zeit
aus Stablo s. Rheinland. Jahrb. Bd. 46, S. 152.
*) Gesta abb. Lobb. e. 29.
') Hngo Flav. II, c.8: opere cadatorio,
*) ib.: columnae ex dectro purüsimo cum baaeis argenteis arte fusili
et anaglifo; vgl. Richard S. 83.
^) Chron. S. Ben. p. 152; Chron. Anreliac ed. Mabillon, Vetera Anal,
p. 350; Cartal. de Savigny I, 87; V. Job. Gorz, c. 90; Gesta abb. Lobb. c. 29;
Odoranni Chron. S. Petri 1015, ed. Daru II, 396; Bist, episc. Aatissiod.
c. 45, p. 381; Bngo Flav. II, c.8; vgl. Otte, Bandbuch der christl. Kunst-
archäologie 1, 134; Labarte, Bist des arts indostr. II, 177.
*) So eine Krone für 72 Lichter in Stablo; vgl. Barless und aus'm
Weerth, Der Reliquien- und Omamentenschatz der Abteikirche zu Stablo,
Rheinland. Jahrb. Bd. 46, S. 147.
^) Vgl. n. a. Bugo Flav. 11, c. 8. Derartige Erwähnungen sind so
häufig, dass die Aufzählung zwecklos ist.
26*
404
Silber wurden dafttr Edelsteine, Onyx, Beryll, dann Elfenbein
reiehlieh verwendet
Mit der Wiederherstellung der Kirchen und Stifter wurde
der Sehmuck der Heiligengräber zu einer dringenden Sorge.
Hervorragend war das neue Grab des Patrons von St Benigne.
Aus Quadersteinen erbaut, hatte es eine Länge von 3,68 und
eine Breite von 2,30 Metern. Ueber der steinernen Decke er-
hoben sich vier Marmorsäulen, die einen gewölbten Baldachin
von Holz, der mit Gold und Silber bekleidet war, trugen. In
bemalter Reliefarbeit brachte er die Geschichte der Geburt und
Passion Christi zur Anschauung.^) Für ein Kunstwerk ersten
Ranges galt auch der Sarcophag des hl. Savinian, den Odorann
von Sens verfertigte.^) Die Königin Constanze hatte zuerst
den Gedanken, den Leib des Heiligen, der in einem Bleisarge
ruhte, mit Gold und Edelstein umgeben zu lassen, und natür-
lich erklärte sieh ihr Gemahl zu diesem Werke der Pietät
gern bereit Er Hess Odorann , der sich durch künstlerische
Arbeiten bereits ausgezeichnet hatte, an den Hof kommen.
Das Metall, das Robert fdr das Werk spendete, lief in einzel-
nen Raten ein, vermutlich entsprechend dem augenblicklichen
Bedürfnis, wie es die Fortsetzung der Arbeit erheischte, bald
geprägt, bald in Barren. Das wertvollste waren die kostbaren
Steine, die er dazu hergab. Im Chor der Kirche hatte der
Mönch seine Werkstatt aufgeschlagen, wo er die silbernen
Figuren, unter ihnen das Bild des Königs, auf dem Sarcophag
befestigte.
In seinem Kloster von Limoges ruhte der hl. Martialis in
*) Vgl. Chron. S.Ben, p. 147; Bougaud, Etüde snr la mission de
St.-B6nigne, Autun 1859.
s) Vgl. Odoranni Chron. a. 1031, ed. Dum II, 897 ff.; vgl. Die Urk.
Heinrichs I. von 1035, Juli (Quantin, Gartul. de TVonne I, 167): cuius vt-
nerabile corpus idem genitor mens, a solo elevanSf auro et gemmis omavit;
I^barte, Hist des arts industriels II, 203. In dem Protocoll über den
Schatz von St-Pierre-le-Vif im Bulletin de la soci^t^ arch6ol. de Sens XI
(1877), 80 heisst es: Premihrement la chässe de saint Savinien, premier
archevSqae et tnartyr de la viüe de Sens, laqueUe est kargend rdeoi de
figures en demy relief et Vun des frontispices de fin or gamy de plusiewres
pierres prifieuses et de deux grandes agathes qui sont hors deprix: data
laquelle sont le corps du dit saint Savinien etc.
405
einem goldenen, edelsteingeschmtickten Bebälter, der gegen
Ende des zehnten Jahrhunderts vom Feuer zerstört wurde.
Innerhalb vierzehn Tagen stellte jedoch der Mönch Gauzbert,
der Gustos des Grabes, den Sareophag wieder her, ja er ver-
fertigte eine goldene Statue des hl. Martialis, wie er über dem
Altar sass, mit der Rechten das Volk segnend und mit der
Linken das Evangelienbueh haltend. Aus diesem Heiligen-
bilde machte der nächste Abt Jozfred wieder ein goldenes, mit
Edelsteinen geschmücktes ReUquiar fUr St. Martialis.^)
Die Zahl der Kunstwerke, die mit der Wiedererstehung
der Klosterkirchen angefertigt imd angeschafft wurden, war
natürlich unendlich viel grösser, als unsere zufälligen Nach-
richten der Quellen besagen. Es kommt auch gar nicht
darauf an, jedes Stück, jedes Kreuz, jeden Kelch, jede Stola
zu verzeichnen. Es genügt zu betonen, dass diese Zeit für
das Kunstgewerbe eine Blttteepoche bezeichnete: die Devotion
der Gläubigen, besonders der Fürsten, setzte die Abteien in
den Besitz grosser Mittel, die religiöse Vertiefung gab der
künstlerischen Phantasie erhöhten Schwung, der internationale
Verkehr, namentlich der mit Italien und der beginnende mit
dem Orient beförderte die Uebertragung von Stilformen und
technischen Fertigkeiten. Auch mag in jener Zeit in einzelnen
Klöstern die eine oder andere Technik ihren Ausgangspunkt
genommen haben; so in Lothringen die Kunst des Emaillierens.
Aber ist es selbst unmöglich, hier über Vermutungen hinaus-
zukommen, so zeigt sich doch auch in diesem Falle, dass
kaum eine Seite menschlicher Kultur von der Wiederbelebung
des Klosterwesens im zehnten Jahrhundert unberührt blieb.
Noch deutlicher tritt uns diese Thatsache auf wirtschaftlichem
Gebiete entgegen.
>) Commemor. abb. S. Marc. ed. Duplös-Agier p. 5. 6.
Dreizehntes Capitel.
Wirtschaft und Klosterreform.
i
Besitzerwerb and Landealtar.
Der relig;i58e Aafsehwang des sehnten Jahrhunderts und
vielfaehe soeiale Beziehnngen znr Laienwelt braehten die Klö-
ster in den Besitz weit zerstreuter Ländennassen, i) Hit grossem
Eifer betrieben die Aebte den Wiedererwerb der abhanden ge-
kommenen Guter. Die Mönche predigten nnaofhöriieh die Ver-
dienstliehkeit der Schenkang, sie verstanden das Yertranen zo
ihren Gebeten und Messen, zn ihren reUgiösen Handlangen aller
Art stetig zn steigern. Durch die materieUen Dienste, die sie
den Nachbarn leisteten, indem sie ihnen Geld oder Getreide
liehen, indem sie Pensionäre aufoahmen oder Versichernngs-
gesehäfte eingingen, indem sie der Begräbnispflicht sich unter-
zogen, kamen sie nicht nur in die Lage, für diese Leistungen
ihren Grundbesitz zu mehren, sondern sie erhöhten aueh ds8
Ansehen ihrer Klöster unter den Bauern der Umgegend, wussten
sich unentbehrlich zu machen und schufen damit ihren Be-
strebungen eine immer weitere, immer festere Grundlage. Mit
der Stellung der Klöster wuchs wieder die Bewertung ihrer
geistlichen Functionen: so waren diese reliigösen und mate-
riellen Dienste geeignet, sieh immer gegenseitig zu Gunsten
des Ansehens und des Besitzes der Abteien zu fördern. Je
nach ihrer Individualität und persönlichen Bedeutung waren
Aebte und Wirtschafksbeamte im stände, diese idealen und
realen Factoren zum Glänze ihrer Stifter zu verwerten.
0 Vgl. darüber meine Ausführungen in der Zeitschrift für Social-
und Wirtschaftsgeschichte I (1893), 156 ff.
407
Es bedarf keines Beweises, dass anter allen Klöstern
Frankreichs sich keines solchen Ansehens erfreute, als Cinni.
Tansende von Schenkungsnrknnden reden noch hent von der
Frömmigkeit hoher und niederer, weltlicher and geistlicher
Personen , die entweder sofort Grandbesitz hingaben oder nach
ihrem Tode dem Kloster vermachten, die za diesen Schen-
kungen daroh Gegenleistangen bestimmt warden oder in voller
Freiheit ihrer Habe sich entäasserten.
Man wird zugeben, dass Schenkuugen, die ohne be-
schränkende Bedingungen einzig und allein für das Seelen-
heil gemacht wurden, immer einen höheren Grad religiöser
Begeisterung voraussetzen, als solche, die der Geber ohne er-
hebliehe Belastung oder Schädigung für seine Lebenszeit oder
gegen materielle Entschädigungen gewährte. Will man des-
halb eine Vorstellung von dem jeweiligen Verhältnis dieser
idealen Hingabe an die religiösen Ideen zu einer weniger
intensiven Förderung kirchlicher Interessen gewinnen, so hat
man nur nötig, das vorhandene Urkundenmaterial nach dem
angedeuteten Gesichtspunkte zu prüfen. Die reichen Urkunden-
schätze Glunis*) geben uns ausreichenden statistischen Stoff,
um die aufgeworfene Frage fttr das wichtigste Reformkloster
zu beantworten.
Es ist sicher kein Zufall, wenn die bedingten zu den un-
bedingten Schenkungen in den ersten Jahrzehnten der Abtei,
unter den Achten Bemo und Odo (910 — 942), sich verhielten wie
1 zu 2, dass also am Anfang die freie religiöse Hingabe über-
^) Vgl. folgende Tabelle der cluniacensischen Erwerbsacte von 910
bis 1048:
910—942 I 948—954
956—993
994—1048
' Proo.
Unbedingte Schenkuogeni 154 »c. 57
77 = c. 29
ll = c. 4
28 = 0.10
Bedingte Schenkungen .
Kaufverträge
Tauschacte
Gesamtzahl der Erwerbs-
acte
jährlich
durchschn. Schenkungen
Onerose Erwerbungen .
Proc. Proc.
92=c.421 338 = c.44i
64 = c.29 271=c.85i
25 = c. Ui 90 = c. 12
38 = c. 17 61 =c. 8
460
215
77
57
Proc.
C.57i
C27
c. di
c. 7
270
8,44
7,22
1,22
219
17,3
12
5,3
760
^809
20
15
16
12,5
4
2,5.
408
ans stark zum Ansdrnck kam. Unter den folgenden Aebten
trat naeh dieser Richtung eine Abnahme ein: unter Aymard
ist das Verhältnis 1 zu 1,5, unter Majolus nur 1 zu 1,21. Man
bemerkt den progressiven Rückgang von 100 <^/o auf 50 und
dann auf kaum 25 ^/o des Uebergewichts der unbedingten
Schenkungen. Unter Odilo erreichte Cluni in den ersten Jahr-
zehnten des elften Jahrhunderts die grösste Ausdehnung seines
Ansehens: eine Thatsache, die sich sofort wieder in dem Ver-
hältnis der bedingten zu den unbedingten Schenkungen aus-
prägt: sie verhalten sieh unter ihm wie 1 zu 2,1.
Diese Zahlen würden uns freilich ein Bild von der ideellen
Bewertung der cluniacensischen Vermittlung mit dem Himmel
geben, keine richtige Vorstellung von den realen Verhältnissen
der Abtei. Wir gewinnen dagegen eine solche, wenn wir
zeigen, dass die Zahl sämtlicher Schenkungen unter Berno
und Odo jährlich durchschnittlich 7,22, unter Aymard 12, unter
Majolus 16 betrug. Rechnet man sämtliche Schenkungen, die
Cluni unter Odilo empfing, zusammen, so würden wir allerdings
unter ihm einen Rückgang zu constatieren haben, indem die
jährliche Zahl der Schenkungen auf 12,5 sank. Aber es kann
keinem Zweifel unterliegen, dass seit der Mitte der dreissiger
Jahre bis zum Ende der Regierung Odilos wohl unter dem
Eindruck der starken Hungersnöte eine überraschend starke
Abnahme der Schenkungen eintrat. Ist es auch unmöglich die-
selbe zahlenmässig auszudrücken — da zahlreiche Urkunden
der Datierung entbehren, deren Chronologie somit innerhalb
grösserer Zeiträume schwankt — , so wird man doch bis zu
dem genannten Termin die jährliche Zahl eher höher als zur
Zeit des Majolus veranschlagen dürfen.
Dagegen begann sich die Hingabe weiter Kreise mit der
Zeit mehr und mehr zu erschöpfen. Es muss jedem, der
die Urkunden aus der Zeit Hugos von Cluni durchsieht, auf-
fallen, dass Grafen und Fürsten, Bischöfe und andere hohe
Geistliche in ganz unverhältnismässig grosser Zahl, ja fast
ausschliesslich als Wohlthäter der Abtei erscheinen. Die grosse
Masse brachliegender überschüssiger Terrains, die häufig den
Inhalt von Schenkungen ausmachte, verringerte sich allmählich.
Man legte auch anscheinend keinen Wert mehr auf den Er-
werb kleiner Stücke wie früher; die kleinen freien Bauern
i
409
waren grösstenteils von der Grossgrundherrschaft aufgesogen
worden. Es hing femer mit der steigenden Knappheit des ver-
fügbaren Landbesitzes zusammen, dass seit dem elften Jahr-
hundert in zunehmendem Masse eine Entschädigung der Geber
mit mobilen Werten üblich wurde. Diese begannen im all-
gemeinen Wirtschaftsleben eine grössere Rolle zu spielen als
früher. An Stelle des Naturalnmtausches trat der Geldver-
kehr, offenbar im Anschluss an den emporblühenden Handel
der Städte. Auch das flache Land konnte von diesem Ueber-
gang zur Geldwirtschaft nicht unberührt bleiben. Indem man
sich aber auf diese Weise für Schenkungen entschädigen Hess,
kam noch ein anderer Gesichtspunkt zum Ausdruck. Nach
deutschem Recht besass eine freie Schenkung nicht die Gel-
tungskraft, die ein Kaufact hatte. Erstere war widerruflich,
letzterer nicht. Je mehr nun der klösterliche Grundbesitz von
anderen angefochten wurde, je öfter es vorkam, dass die Erben
die Schenkungen der Vorfahren für ungültig erklärten, desto
stärker musste der Wunsch sein, der Tradition durch eine
Gegengabe die volle Rechtskraft zu sichern. Dieser vergtttig-
ten Schenkung näherte sich aber von einer andern Seite der
Verkauf von Grundbesitz. Man konnte leichter jemanden zum
Verkauf von Grundstücken bestimmen, wenn man ihm noch
die ideellen Vorteile zugestand, die mit der Schenkung für die
Kirche verbunden waren. Erhielt die Schenkung aus recht-
lichen Gründen häufig den Character des Verkaufs, so waren
religiöse Motive bestimmend, um den Verkauf der Schenkung
zu nähern. 1)
Die Aufspeicherung grösserer Geldsummen aus den Zins-
erträgen machte es nun den Klöstern auch möglich, den Be-
sitzstand durch wirkliche Ankäufe zu vermehren. In zahllosen
Fällen hatten die Mönche einzelne Hufen, Teile von Dörfern
geschenkt erhalten, in denen nun ihre Colonen vereinzelt unter
den übrigen Berechtigten sassen. Die Folge war, dass man
die freien Bauern durch Ankauf ihrer Grundstütfke zu ver-
drängen suchte.^) Die traurige sociale Stellung der kleinen
») Vgl. Zs. f Social- u. Wirtschaftegesch. I, 176 ff.
*) Vgl. die ürk. bei Marchegay, Archives d'Anjou II, 1 ff. von 1050;
CHCL IV, ur.3034 (1049—1109).
410
Bauern, die häufigen Notstände des zehnten und elften Jahr-
hunderts zwangen viele, ihre entwerteten brachliegenden und
unergiebigen Güter zu verschleudern. Der geschickten Wirt-
schaftsführung einzelner Aebte entging diese Gelegenheit nicht,
den klösterlichen Besitz zu vermehren und abzurunden, mit
Hilfe einer intensiveren Wirtschaftsführung ertragreicher zu
machen, für die Hintersassen, deren Wohl die vornehmste
Sorge der Oberen war, neue Hilfsquellen zu eröffnen.^) Aber
auch Tauschgeschäfte kamen häufig genug vor^); sie verrieten
das Bestreben, den zerstreuten Besitz zu arrondieren, entfernt
liegende, nur mit Mtthe zu schützende und zu cultivierende
Güter gegen vorteilhaft gelegene einzutauschen, den Verkehr
zwischen den einzelnen Pertinenzen der Domänen, der durch
die Streulage sehr erschwert war, zu erleichtern und damit
die wirtschaftlichen Kräfte erst zur Genüge auszunutzen.
Von Anfang an bildete Grund und Boden das Hauptziel
der klösterlichen Erwerbspolitik. Daneben kamen freilich
Nutzungsrechte an Wald und Weide 3), Fischereigerechtigkeiten,
Anteile am Salinenbau, teils losgelöst von ihrer wirtschaftlichen
Basis, teils mit Grundeigen in ihre Hände. Renten und Zinse
aller Art wurden ihnen überwiesen, Zolleinnahmen, Naturalien,
Vieh, Geldsummen und Schmucksachen vermehrten das beweg-
liche Eigentum der Abteien. Zum grossen Teil wurde unbe-
bautes und vernachlässigtes Ackerland, Wald und Wiese, ver-
lassene Ansiedelungen Klöstern übergeben ^), auch ganze Dörfer
und Teile derselben, deren Bewohner den alten Herren mit-
unter zu Heeresfolge und Kriegsdiensten verpflichtet blieben.^)
Man machte es den Mönchen ausdrücklich zur Pflicht^ den
Boden zu cultivieren, Wälder zu roden, Häuser und Kirchen
zu bauen, Flecken und Dörfer anzulegen.^) Mit Energie nah-
men die Wirtschaftsbeamten sich dieser Verpflichtungen an;
es war ihr Stolz, möglichst viel herauszuwirtschaften. Die
^) Zs. f. Social- u. WirtschaftagescL I, 177.
') ib. p. 179. Vgl. oben die Liste der cluniacensiscben Tauschacte.
>) Zs. f. Social- u. Wirtschafksgesch. 1, 174, n. 99 u. 100; p. 184, n. 151.
*) ib. p. 190.
») ib. p. 183.
«) Marchegay, Archives d'Anjou 1, 359. 377; CHOL IV, 3322 (ca. 1050).
411
QaeUen lassen keinen Zweifel darüber, dass darin mit die
Hauptaufgabe der Reformäbte lag, dass man diese Fähigkeiten
mindestens ebenso hoeh als kirchliche Bedeutung schätzte.^)
Umsichtiger Betrieb von Obstcultur^), Fisch- und Geflttgelzncht,
Salinen- 3) und Weinbau war schon durch die Bedürfnisse der
Klosterinsassen nahe gelegt Die Salzgewinnung hatte noch
den Vorteil, dass man auf den Märkten die Naturalüberschttsse
der Bauern gegen Salz eintauschen konnte.^) Der Weinbau
wurde von qualifizierten Arbeitern besorgt, die im Bifang Wein-
pflanzungen anlegten und ursprünglich nach einer Reihe von
Jahren, meistens fUnf, die Hälfte des Anbaus zu freiem Eigen
behalten durften: eine Yertragsform , die sich schon im elften
Jahrhundert zur Vital- oder Erbpacht entwickelt hatte.
Aber man ging auch an die planmässige Anlage von Dorf-
ansiedel nngen. Durch den neuen Klosterbau angezogen, kamen
viel Leute, Geistliche wie Laien, und baten um Land zur Be-
siedelnng. Man schickte sie dahin, wo solches der Bestellung
bedurfte, und ordnete ganze Gruppen ab, um im Waldesdickicht
zu roden und Dörfer anzulegen.^) Sie Hessen sich auch von
. selbst in den Wäldern nieder und bauten^) etwa in der Nähe
einer einsamen Capelle ^) Häuser, die sich rasch unter dem Zu-
fluss landloser Leute vermehrten. Gegen einen Zins und unter
Anerkennung der klösterlichen Herrschaft wurden diese Hospites
ansässig, an die Scholle gebunden, aber doch selbständig in ihrer
Wirtschaftsführung. Man baute Kirchen, legte Märkte an ^) ; das-
0 Vgl. V. Job. Gorz. c. 67. 89; Gesta abb. Gemblac. c. 37; Cbron.
S. Hubert! c.5, SS. VIII, 571.
>) Vgl. Cbron. S. Ben. p. 134; Urk. fttr St. Michel de Tonnerre, Qoan-
tin I, 158; Cart. de St. Victor I, nr.20.
') V. Job. Gorz. c. 89. Salinen, die Gluni hatte und von einem Mönche
geleitet wurden, erwähnt CHOL IV, nr. 3181.
*) Mirac. S. Ben. VII, o. 6; Mir. S. Mansueti c. 7, SS. IV, 510.
*) Vgl. die Aufzeichnung bezügl. St. Mihiel Cluniacenser I, 382.
«) Mirac. S. Berch. II, c. 15; Transl. S. Genulfi c.43; Flach, Qrigines
de l'ancienne France II, 145.
') CHOL IV, nr. 3403 (1069).
") Dass die Errichtung eines Marktes bei der Dorfgründung wenig-
stens im elften Jahrhundert oft das erste war, ersehen wir auch ans einer
Urkunde des Bischofs Rainald von Paris (992—1020) aus dem Cart de
Vendöme, angeführt bei Flach II, 156, n. 1: in qua ecclesiam edificavit,
viUamque construacit, quam vilXam episcopi nuncupavitf mercatumque in-
412
selbe geschah, wenn etwa der Abt darch Hörige Ortschaften
gründen liess.
Um den Markt oder die Kirche erblühte so das neue Dorf;
war eine Kirche vorhanden, so war sie nrnsehanzt^ nnd diente
den Dorfbewohnern als Znünchtsort in Kriegszeiten. Hier
brachten sie in der Vorhalle ihr Hansgerät, ihre Kleider, Le-
bensmittel, Getreidesäcke, knrz ihre ganze Habe vor den Kriegs-
leaten in Sicherheit.^) Unmittelbar an die Kirche schlössen
sich mitunter Häuser an, die ebenfalls Zufluchtsstätten bilde-
ten.^) Ja die Mönche benutzten die Kirchen als Verkaufshallen
oder als Getreidespeicher, zur Aufbewahrung der Natural-
einnahmen.4) Fttr diese bot sich der Raum wahrscheinlich in
den Obergeschossen der westlichen Turmanlage.^)
Die rasche Zunahme der zerstreuten Besitzungen versetzte
die Klöster nicht selten in die Schwierigkeit, Überall Ansiedler
und Bebauer zu finden.®) Man sah sich deshalb vielfach ge-
nötigt, diese Landgüter unter der Form der Precarie zu ver-
pachten.^) Der Pächter erhielt freie Verfügung darüber und
war nur zur Melioration und Zinszahlung verpflichtet. Man
entschloss sich nicht gern zu diesen freien Pachtungen, durch
die der Besitz sich aus dem wirtschaftlichen Verhältnis zur
stituit. Dasselbe geht auch aus der Marseiller Urkunde von 1082 (Flach
II, 150) hervor, wo ein im Walde entstandenes Dorf nach zwei Jahren
bereits ca. 100 Häuser und einen Markt hat. V. Joh. Qorz. c. 107 findet
ebenfalls in einer villa Markt statt. Damit wird natürlich das Dorf noch
lange keine Stadt.
0 Vgl. Mir. S. Ben. VIII^ c. 2 ; auch der Friedhof war mitunter um-
schanzt yiU, c. 1. Fttr das spätere Mittelalter s. Maurer, Fronhöfe II, 162.
«) Mir. S. Ben. III, c. 5; VIII, c. 23. 24. 27.
>) Chron. S. Benign! p. 121: Ecclesiam sancti Vincentii cwn habita-
culis ad ipsam ecclesiam atrii loco pertinentibuSj quas ipsi monachi olim
ibi ad refugii locum construxerant. Fttr den Zweck der Vorhalle vgl
auch Urk. Roberts IL für St. Peter von Chälons (HF IX, 619): cum ...
teloneo . . in ati'io eiuadem ecclesiae venundatae mercis.
*) Go£&idi Vindoc. epist. III, 15 ed. Sirmond, Opp. III, 748: Annonam
nostraiUf quae in ipsa ecclesia in arcis hahebatur.
*) So ist es zu erklären, dass mitunter die Zugänge durch Treppen
fehlten, wie in Peterlingen (vgl. Rahn, L'Sglise abbatiale de Payerne, 189S,
p. 13. 14). Es genügten fttr den Zweck Leitern.
«) Vgl. Zs. f. Social- u. Wirtschaftsgesch. I, 180, n. 129; p. 187, n. 175.
') ib. p. 186.
413
yerleihenden Kirche loslöste und ihr gänzlich entfremdet zu
werden drohte: noch zu sehr stand in aller Erinnerang, dass
der Verlust zahlreicher Kirchengttter seit dem nennten Jahr-
hundert gerade durch die Precarien Verleihungen herbeigeführt
worden war. Kein Wunder, dass die Leihe meist nur als Be-
lohnung fUr geleistete Dienste oder Schenkungen auftrat. Da
auch der Teilbau, wie wir sahen, in Frankreich am Anfange
des elften Jahrhunderts sich überall zur Vital- und Erbpacht
entwickelt hatte i), sehen wir hier bereits früh jene Lockerung
des Grossgrundbesitzes durch freie Pachtformen Yorbereitet,
die in Deutschland erst ein Jahrhundert später eintrat Wir
verbtehen, weshalb die Precarienverleihung an die Zustimmung
der Mönche, beziehungsweise des Bischofs gebunden war, wes-
halb Aebte, wie Gauzlin von Fleury, das Bestreben zeigten,
alle früheren Pachtverträge ihrer Vorgänger zu beseitigen.
IL
Verwaltungs-Organismus.
Den Mittelpunkt der klösterlichen Grundherrschaft bildete
der Wirtschaftshof, der sich an die Klostergebäude anschloss.
In der Nähe lag das Salland, das unter unmittelbarer Aufsicht
grundherrlicher Beamten von Unfreien, Mancipien oder den zu
Fronden verpflichteten Gehöfern, hörigen Bauern, bewirtschaftet
wurde. Daran schloss sich das Gehöferland; diejenigen Hufen,
die in der Nähe des Klosters lagen, waren zu allerlei Diensten
für die täglichen Bedürfnisse der Brüder verpflichtet^) lieber
ganze Provinzen erstreckte sich so klösterlicher Grundbesitz
zerstreut In zahllosen Fällen war er durchsetzt von Herr-
schaftsrechten anderer; in weiter Ferne noch lagen kleinere
Gebietsteile von fremdem Grundbesitz umschlossen, oft schwer
zugänglich und den Angriffen eines beutelustigen und länder-
gierigen Adels ausgesetzt
In den meisten Dörfern gab es wieder Herrenhöfe und
Salländereien.3) Daran schlössen sich nebeneinander Hufen
>) Zs. f. Social- u. Wirtschaftsgesch. 1, 186.
>) Vgl. Breviatio villarum c. 85 von St. Bertin , Cartul. S. Bert. ed.
6u6rard p. 107.
') Vgl. Descriptio bon. S. Vitoni p. 119: Sunt Un de indofninicata
terra 6 nurnai.
414
der grundhörigen Bauern, die zu Fronden auf dem Sallande
nnd zu Natural- und Geldzinsen verpflichtet waren, und Grund-
stttcke, auf denen nur ein Zins lastete. Diese gehörten ur-
sprünglich freien Leuten, die sich entweder gegen einen Kopf-
zins in den Dienst und den Schutz des Klosterheiligen begeben
hatten und ihr eigenes Gut weiter bewirtschafteten^), oder als
freie Hospites gegen Zins grundherrliche Hufen in Besitz
hatten. Vielfach müssen auch die Leistungen sich verwischt,
ursprünglich Freie fronpflichtig geworden sein.^) Alle diese Leute
standen in den einzelnen Bezirken unter demselben Hofrechi
Die Verhältnisse entwickelten sich aber so mannigfaltig, dass es
unmöglich ist, sie in einem einheitlichen Bilde zu malen. Be-
schränkt waren die Hintersassen hinsichtlich der Verheiratung
und der Vererbung. Die Grundherrschaft musste zur ersteren
die Erlaubnis erteilen 3) und hatte ein Anrecht auf einen Teil
der Hinterlassenschaft. <) Beide Rechte sind jedoch in unserer
Zeit wohl in fixierte Geldabgaben verwandelt.
Abgesehen von den Dienst- und Zinsverpflichtungen waren
die Rlosterhörigen und Gensualen frei in ihren Bewegungen.
Sie konnten in ihrer freien Zeit fremden Herren dienen^),
^) Eintritt freier in den Dienst der Kirche s. unten; Auftragung freien
Grundbesitzes in Dürfern, die zum grossen Teil einem Kloster gehörten,
Cart. de St. Victor I, 96.
•) Vgl. Breviatio vill. c. 34: Alii ingenui^ facit in ebdomada II dies,
et iUae ingentuie feminae VII»
*) Und zwar auch innerhalb des Hofbezirks; vgl. Leduini Constit
(1024—1036) bei Wamkönig, Flandr. Staats- und Rechtsgesch. III, 2, 82.
Ehen von Angehörigen verschiedener Hofbezirke derselben Grandherr-
schaft werden geschützt in Sr. Arnulf; vgl. Pfugk-Harttung, Antiquitates
Amulfinae, N. A. VII, 221; fUr unauflöslich Ehen von Unfreien verschie-
dener Herren erklärt 813 (Maurer, Fronhöfe I, 12), für trennbar erklart
durch den Abt in einer Urkunde Conrads U. für Limburg, St 2070; für
unerlaubt gilt die Ehe mit einer Unfreien ausserhalb der Grundherrschaft
bei Lcduin a. a. 0. Bei mehreren gleichzeitigen Heiraten von einem Herr-
schaftsbezirk in den andern Austausch der Hörigen nach Cart. de St Vannes
nr. 5435, f 14. Oder der Unfreie kauft sich von seinem Herrn los nnd tritt
in die Hörigkeit des andern , Liber de servis nr. 06. Die Kinder folgen
der Mutter, Chron. S. Ben. p. 124; Urk. Richards v. St Vannes, Gallia Christ
XIII, 560: ii^re matrem debent sequif sicut saneit lex Bomana et Sidica.
*) Leduini Const. a. a. 0. III, 2, 82; Urk. Conrads U. St 2070.
*) So hielt ein Bretone Weberinnen, von denen eine eine Hörige
von Fleury war; Mir. S. Bened. VUI, c. 33.
415
konnten freies Allod and Vermögen erwerben^), konnten den
Hof bezirk, event. mit Erlaubnis des Herrn, verlassen, voraus-
gesetzt, dass die Zinszahlung nicht ausblieb, konnten unter be-
stimmten Bedingungen und unter der Voraussetzung, dastf die
alten Verhältnisse nicht gestört wurden, ausserhalb ihrer Hof-
bezirke heiraten^), konnten sich oder ihre Kinder loskaufen 3),
freie und vermögende Leute werden. Die Grundlage der
Existenz war wirtschaftliche Selbständigkeit, die natürlich
auch zum Ruin flihren konnte.^) Ueberatl war man aber
darauf bedacht, dass der Bestand an Hörigen sich nicht min-
dere und leide und dass namentlich kein Bttckgang in den
Einkünften eintrete.^) Die Folge dieser verhältnissmässig gün-
stigen Stellung der Klosterhörigen war, dass fortwährend viele
sich in den Dienst einer Kirche begaben.®) Nicht nur gegen-
ttber der weltlichen Hörigkeit galt die geistliche als Vorzug*^),
sondern auch gegenüber einem aussichtslosen Ringen um eine
selbständige Existenz.^) Die leichte Abhängigkeit, die Männer
0 Vgl. Mir. S. Bened. VI, c. 2; Mir. S. Veren. c. 18.
«) Vgl ürk. Richards, Gallia Christ. XIII, 560. Ein Cleriker heiratet
eine Klosterhörige: q^wtannis adveocit eenaum ipsius mulieris per villicos.
s) Desoriptio bon. S. Vitoni p. 118.
^) Mir. S. Ben. VUI, c. 38 ist die Rede von einem servus S. Gradi de
Paredo, der gelähmt war. Quij qtwniam unde victw sui inopiam »upple-
ret, debilitatis non haberet membris.
^) So wird in St. Vannes (Descriptio p. 11 8) bestimmt, dass von vier
Kindern nur zwei, von zweien nur eins, wenn nur eins vorhanden, keins
losgekauft werden darf. Die Heirat Hüriger mit freien Frauen wird unter-
stützt, da diese dann m die Hörigkeit eintreten; vgl. Leduini Constit.
a. a. 0. p. 82. Wenn ein Höriger des Klosters Senones eine Freie der
Metzer Kirche heiratet, zahlen die Kinder dem Kloster Zins, Gart, de Se-
nones, Cod. Paris. 1. 9202, f. 89.
*) CHCL nr. 1560: una feminaj qua es lihera et ipsa depreeavitf ut
ipsa in servicium permaneat; andere Beispiele Cart. de St. Vannes, Cod.
Paris. 1.5435, f. 21, hier mehrere Frauen mit ihren Töchtern. Zahlreiche
Traditionsurkunden für St. Ghislain, Crespin, Mont-Blandain bei Duvivier,
Recherches sur le Hainaut ancien II, 353. 363. 367. 380. 414. 424. 437. 457;
Wamkoenig III, 2, 11. 12. 13; Cart. de St. Mihiel, Cod. Paris. 1. 1283. Zahl-
reiche Traditionsurkunden von freien Handwerkern im Liber de servis.
Vgl. Waitz, Vg. V, 220. Der an den Meier zu entrichtende Kopfzins be-
trügt in Lothringen 2 Denare, Verheiratung 6 Den., Todfall 12 Den.
') Vgl. Mir. S. Ben. VIII, eil; Liber de servis c. 63. 65. Vgl. Waitz,
Vg. V, 219.
*) Liber de servis c. 98 giebt z. B. der freie Rinderhirt des Klosters
416
und nameDtlich alleinstehende Frauen auf sich nahmen, die
hauptsächlich in einem unbedeutenden Kopfzins, fixierten Ab-
gaben bei Verheiratung und Tod bestand, die femer Unterord-
nung unter die Patrimonialgeriehte des Abtes und Vertretung
vor dem öffentlichen Gericht^) zur Folge hatte, wurde reichlich
aufgewogen durch die Sicherheit vor Belästigungen der Be-
amten, welche der klösterUohe Freibezirk gewährte, durch die
Fürsorge, mit der die Klostervorstände in schweren Zeiten für
das Wohl ihrer Hintersassen eintraten.^) Wir werden sehen,
dass die Gewerbetreibenden durch die Befreiung vom Verkaufs-
zoll auf dem Markte noch finanzielle Vorteile genossen, die
ihnen die Vorzüge geistlicher Grundherrschaft beständig vor
Augen flihrten.3)
Gegenüber den Unfreien hatte sich längst eine patrimo-
niale Gerichtsbarkeit des Abtes entwickelt, die den Abt zum
Richter der hofhörigen Leute in Streitigkeiten innerhalb der
Grundherrschaft machte und zu ihrem Vertreter vor dem Grafen-
gericht und den öffentlichen Beamten. Der engere ummauerte
Klosterbezirk mit den Annexen hat jedenfalls von Anfang an
ebenso an den Vorteilen der kirchlichen Asylfreiheit parti-
cipiert, als die Pertinenzen der Bischofsitze, aus denen die
grossen Städte sich entwickelten. Als dann freie Hospites
sich auf klösterlichem Terrain niederliessen, als andere Freie
sich in den Dienst einer Kirche begaben, wurden diese all-
mählich den Unfreien analog behandelt; an Stelle der directen
Ladung, die nach den Volksreehten im Hause des Beklagten
erfolgen musste, trat die Vermittlung und Vertretung durch den
Grundherrn. Es wurde ihnen bei der Aufnahme in den Dienst
oder die Hörigkeit ausdrücklich zur Pflicht gemacht, keine
andere gerichtliche Vertretung als die des Abtes oder seines
Beamten anzunehmen und die drei Hofdinge zu besuchen. Sie
wurden schliesslich so mit den hörigen Zinsbauem der patrimo-
nialen Gerichtsbarkeit des Abtes unterworfen, deren Competenz
Marmoutier kurz vor seinem Tode einen jüngeren Sohn in die Hörigkeit
des Stifts.
') Vgl. die S. 415, n. C angeführten Urkunden bei Warnkoenig.
*) Zs. f. Social- n. Wirtschaftsgesch. I, 1 79.
>) S. unten S. 431.
417
nur an der Criminalgeriehtsbarkeit ihre Grenzen fand.^) Die
Immunität hat dann diese Verhältnisse nnr reehtlieh bekräf-
tigt^) nnd den Abt znr Erhebung der öffentlichen Bnss- nnd
Strafgelder berechtigt.
Der Gerichtsherr des Immunitätsbezirks war der Abt')
Er hielt in kleinen Verhältnissen die drei echten Dinge ent-
weder persönlich oder mit Hilfe des Propstes ab. Sie waren
offenbar ans den Gerichtstagen der Grafen hervorgegangen^ aber
bei der allmählichen Verschmelzung freier und anfreier Zins-
baaem haben anch die letzteren daran teilgenommen. Die
Dingpflicht war Bestand des Hofrechts.^) Bei aasgedehntem
Grandbesitz ersetzten Vögte den Abt grandherrliche Amtleate,
die auch die einzelnen Hofbezirke gegeneinander and die
Hintersassen gegenüber dem öffentlichen Gericht vertraten.^)
In der Stellung dieser Vögte trat aber im zehnten Jahrhundert
eine Aenderung ein. Der starke Ansturm des beutelustigen
Adels, die unaufhörlichen Bedrängungen des klösterlichen Be*
Sitzes durch Kriegsleute ^), die Unföhigkeit entfernt und zer-
streut liegende Gttter immer zu schützen, fbhrte dazu, ihre
Verteidigung mächtigen Herren der Nachbarschaft zu über-
tragen. Man hoffte die grosse Zahl unbequemer Burgherren
abzuwehren, indem man einzelne von ihnen zum Schutze der
Klostergttter berief. Es kam dazu, dass vornehme Herren bei
der Stiftung von Kirchen und Schenkung ganzer Villen an
Klöster sich vogteiliche Rechte vorbehielten. Neben den alten
Dingvögten traten s^eit dem zehnten Jahrhundert Schirmvögte
auf.*^) Es war aber unvermeidlich, dass beide Arten der Vogtei
0 Brunner, D. Rechtsgesch. II, 300.
*) Diese Auffiwsuog VioUets, Hist. des instit. politiques I (1890), 401
scheint mir die richtige.
3) Vgl. die Urk. Heinrichs I. von 931 für Crespin, Duvivier II, 333.
*) Vgl. z. B. die Aufzeichnung Über die Leistungen des Dorfes Bruoch
im Cart. de Gorze, Cod. Paris. 1. 5436, f. 58.
*) Vgl. Brunner II, 307.
^) Ich verweise nur kurz auf folgende Stellen: Mir. S. Wigb. c. 18;
Mir. S. Maximini c. 15; Simonis Gesta abb. Berth. I, c. 18; Mir. S. Berch.
c. 24; Cart de Romainmoutier p. 452; Cart. de TYonne I, 220; Cart. de
Sauxill. nr. 485 ; Cart. de St. Bamard nr. 21 ; Besly, Hist des comtes de
Poicton p. 254.
») Vgl. CHCL 1, 889 (954—975); Mirac. S. Ben. UI, o. 13; VIU, c.6;
SAoknr, Clnniaoenwr. U. 27
4id
ineinander ttbergingen und die waffengewaltigen Herren die
Rechte der Dingvögte, in die sie eintraten, beständig ausza-
dehnen trachteten. Waren die.Advocati ursprünglich auf die
Abhaltung der drei Placita, auf bestimmte Zinse and Ge-
riohtssporteln beschränkt gewesen, so nahmen die adeligen
Schntzherren hier und da die volle patrimoniale Gerichtsbar-
keit des Abtes in Anspruch, belegten die klösterlichen Hinter-
sassen mit willkürlichen Beden und forderten von ihnen Fron-
dienste. >) Unaufhörlich erschollen seit dem Ende des zehnten
Jahrhunderts die Klagen über die Ungerechtigkeiten der Vögte,
die ihre Schutzpflicht zur Bedrückung der Klosterleute miss-
brauchten; es zeigte sich deshalb überall die Tendenz, ihre
Rechte zu beschränken und zu fixieren.
Die Geschlossenheit der Organisation des klösterlichen
Grossgrandbesitzes mit ihrer Gerichtsverfassung und ihren
fixierten Leistungen der Hintersassen wurde also dadurch viel-
fach gefährdet und durchbrochen, dass an Stelle der grund-
herrlichen Amtleute, der advocati, Männer von Adel traten,
die ihre Macht zur Zurückdrängung des grundherrlichen Ein-
flusses missbrauchten. Eine ähnliche Wandlung ging seit der
Karolingerzeit in der Stellung des Meiers, des wichtigsten wirt-
schaftlichen Beamten, vor sich. Auch er schwang sich ans
einem grundherrlichen Ministerialen, dem unter dem Jndex
stehenden Verwalter des Haupthofs einer Villa, allmählich za
einem wirtschaftlich unabhängigen Ortsvorsteher empor, dessen
Amt erblich wurde und der nur zur Sammlung der Zinse und
gewissen Abgaben verpflichtet war.
Machen wir uns ein Bild von der Stellung dieses Beamten
in der Periode, mit der wir uns beschäftigen.
Der Meier war ursprünglich ein Höriger, den Treue, wirt-
schaftliche Tüchtigkeit und Erfahrung zum Domänen Verwalter^)
Urk. Gibuios von Cbalon (1076), Coli. Moreau XXIII, 198; Robert IL fiir
Cormery, Gart, de Gormery df. 82; Ghron. S. Mich. c. 32.
^) Vgl. Mir. S. Bened. VI, c. 3; Abbonis Coli. can. c. 2; Urk. Gibains
a.a.O.; Urk.Heinr. I. von Frankreich für StMaur, HF XI, 577; Urk. Adal-
beros IL von Metz, Gallia Christ. XIII, 401 ; Polypticum Marcian. saec. XII,
Cod. Duac. 850, f. 133'; Urk. Roberts IL von 1016 für Corbie, Martene,
Coli. ampl. I, 379; vgl. Lnchaire, Institutions II, 91 ; Viollet I, 873.
') Der villicus stand sowohl Fronhüfen als der villa vor; vgl. Inamm-
Stemegg, D. Wirtschaf tsgesch. I, 350 IT.; Lamprecht, Beitriige S. 53 and
419
empfobleu haben. Der Abt hat ihn aus der Zahl der Unfreien
eines Fronhofes') gewählt, fio wie er die andern Wirtschafts-
beamten fttr Keller nnd Speieher, Zollstätte, Wald und Weide
aus ihnen zu entnehmen gewohnt ist.^) Er erhält in der Regel
Salland zur Bebauung, wo solches vorhanden^); der Fronhof, das
herrschaftliche Schloss, ist mitunter sein Wohnsitz 4) und andere
Guter können ihm daneben zufallen. Hat er grundherrliehe
Hufen, so muss er dafUr zinsen und fronden, wie andere Zins-
bauern.^) Er ist jedoch nicht nur auf seine Wirtsehaftserträge
angewiesen : er empfängt von jeder Haushaltung des Dorfes jähr-
liche Steuern <^), ferner Quoten von den Abgaben der Unfreien fUr
den Heiratsconsens und von der Erbschaftssteuer"); er bezieht
Gerichtssporteln ^) und Abgaben bei jedem Handwechsel seines
Bezirkes.^) Im elften Jahrhundert erscheint er uns in Frankreich
bereits als Besitzer ansehnlicher Liegenschaften, als Herr einer
grossen Schweineheerde: ein kleiner Edelmann, der mit statt-
licher Meute zur Jagd geht^^); er sammelt sogar Capital und ist
D. Wirtschaftsleben I, 736. Vgl. Mir. S. Bened. YlII, c. 4: Gauterio eiwdem
viUae maiore; c. 8: frater Hildmodi villici de Braio; c. 22: eiusdem loci
habebattw vülicus; Gesta episc. Camerac. III, c22 ist von einem maior
viUiUae die Bede; vgl. Gart, de Beaulieu nr. 50 (ca. 971): Et sie per omnes
cwrtes sive viÜas imponimus ivdices servos, Ueber den karolingisohen
Meier s. jetzt Gareis, Bemerkungen zum Capitiilare de viliis, German.
Abh. für Maurer, 1893, S.22I.
>) Gart, de Beaulieu a.a.O.: Omnea istos servos eligimus ex Lemovi-
cinOj de cwrte de Camairaco.
>) Vgl. die Urk. Gonrads IL fllr Limburg vom 17. Jan. 1036, WUrdt-
wein, Monum. Palat. I, 85 ff., St 2070.
•) Vgl. Polypt. de St. Bertin ed. Gu^rard p. 98, n. xxxii.
*) Die casa dominica, vgl Polypt. de St. Bertin n. xix. xxi. xxx.
xxxii; Gart, de Beaulieu nr. 50. Jedoch niclit immer; vielfach hat sie der
cabailarius, Polypt. n. xxvii. xxix. xxx. xxxii.
») Vgl. Maurer, Fronhöfe II, 484 und das Polypt. von St. Bertin.
^) Gart, de BeauUeu nr. 50 (Gonstitution von ca. 970).
^) Leduini constitut. c. 5 (WarnkOnig, Flandr. Staats- u. Rechtsgesch.
III, 2, 81): De his quoque V solidis tarn de comedo, quam de mortua manu
decimum denarium maior placiti habebit (1024—1036).
^) Gart. Ae Beaul. 1. 1. ; Leduini const. c. 5 : tertiam vero partem habe-
bit maior placiti, Si autem lex abbatis vel praepositi fuerit, totum fre-
gum maior placiti habebit,
>) Gart, de Beaul. 1. 1.
*°) Mir. S. Bened. VIII, c. 2: Erat autem Vivianus cuÜor fertilis agri,
27*
420
so im Stande, mit seiner Klosterverwaltang Pfandgeschäfte zn
machen.^) Stirbt er, so hat er Anspruch auf ein ehrenvolles
Begräbnis.^) Nnr eins ist ihm verboten: Waffen, ausser Lanze
und Speer, oder Kriegsröcke zu tragen 3) — denn er könnte
sonst auf den Gedanken kommen, Ober seine Gemeinde wie
ein kleiner Tyrann zu herrschen — , und mit den Hintersassen
darf er über Grund und Boden keine Geschäfte machen.^) Den
Mönchen ist er natürlich zur Treue verpflichtet, die ihn auch
absetzen können.^) Sonst ist das Amt aber erblich; der Sohn
wird gegen eine bestimmte Zahlung zur Villication zugelassen.*)
Der Meier hatte die Geld- und Naturalzinse einzu-
sammeln^) und in den Speichern der Villen und Höfe^) zu
verwahren, bis sie an die nächst höhere Verwaltungsstelle,
den Propst oder die Centralbehörde, abgeliefert werden konn-
ten. Mitunter wurde ihm sogar die Festsetzung der Leistungen
seiner Loealkenntnis wegen überlassen^), jedoch waren will-
abundans opitus, dives pecoris etj quoniam erat assiduua venator, alebat
canum gregem; cd: Denique (^m haberet muUittMnem parcorum — erant
enim fere quater viceni — .
^) Coli. Morean XXIV, 19 (Urk. von Montierender): Quidam n4>ster
fiddis villicus Letaxidug nomine veniens ante presentiam nostram ostendU,
quomodo tenebat in vadimonio quendam nostrum moUndinum pro trtb%»s
libris denariorum, atque deposcenSj vi nostra et fratrum laudCj dum viveretf
ob prescriptaa libi-as detineret. Er behält schliesslich den dritten Teil^
nachdem er den Mönchen noch ein Pfand gegeben.
*) Cart. de Beaulieu a. a. 0.: Si tUlus ex iüis obieritf honor eiua
S. Petro remaneatf et monachi aeniores sui eum honorabüiter sepeliant;
Gesta episc. Camer. III.. c. 22: in atrio tarnen^ quia maior erat vülnlaef
aubterratus.
•) Cart. de Beaalieu a. a. 0. ; vgl. Ekkehardi Cas. S. Galli c. 3, SS. II,
103; Maurer, Fronhöfe 11,485 f.
*) Vgl. Cart. de Marchiennes, Nouv. acquis. 1204, f. 145; Leduini
constit. c. 8.
^) Cart. de Beaulieu a.a.O.; vgl. Mirac. S. Bened. VIII, 22: Joscelin
wird seines Amtes entsetzt: ulterius nee ipse nee soboles eins potuit \yiUi-
care; Röscher, System der Nationalökonomie II, 209.
^) Cart. de Beaulieu a. a. 0. : 8t filios legitimos habuerintf maiar ho-
norem totum teneat.
') Urk. Richards von St. Vannes, Gallia Christ. XIII, 560: advexit cen-
sum ipsitw mulieris per viUicos; V. Joh. Gorz. c. 100.
") V. Joh. Gorz. c. 100; Mir. S. Bened. VIII, c. 17.
^) Urk. Adalberts von Vermandois (Colliette, M^moires I, 550) : CtEe-
421
ktirliche Fordemngen oder Verftigangen Btreng antersagi^) Er
hatte auch die Aufsieht über den Gemeindewald und händigte
den Baaern das Bau- und Brennholz aas, ohne natOrlieh ein
Veränssemngsreeht zu besitzen.^) Auch die Sicherheit der Dorf-
kirche unterstand seiner Sorge: dass die Thtüren und Mauern
geschlossen seien, darauf musste er achten.') Neben diesen
wirtschaftlichen und polizeilichen Functionen hat er richter-
liche; er entscheidet als Vertreter des Abtes oder Propstes
alle kleineren und rasch zu erledigenden Processsachen zwi-
schen den Dorfbewohnern mit Hilfe Ton Schöffen.^) Es ist
die alte Gentenargerichtsbarkeit^) oder eine Absplitternng der-
selben, die überall da in die Hände des grundherrlichen
Beamten übergehen musste, wo sich das AUmendeobereigen-
tum mit grandherrlichen Rechten zur Herrschaft über ganze
Dörfer verband, deren Insassen zu einer gleichberechteten,
grundunterthänigen Masse yerschmolzen. Der Meier kündigt
dem Beklagten Tag und Stunde des Erscheinens an; nach
Festsetzung des Gerichtstermins dürfen aber Versöhnungen der
streitenden Parteien nur durch den Abt oder Propst erfolgen.
Die Herrenhöfe sind von seiner Jurisdiction, wie von der des
Vogtes, ausdrücklich eximiert; aber hier befand sich die Ge-
richtscasse, hier wurde auch die Caution, die der Meier von
einem Beschuldigten sich geben liess, sicher deponiert.®) Er
selbst hatte mit den Schöffen und Ministerialen dem echten
teri vero mansionarii et hospites ipHw viüae secundwin qyiod maior dis-
posueritf qui plus habet, plus det, quUma vero minus, minus etiam dent.
0 Vgl. Mir. S. Bened.VlII, c.22; Gart, de Beaolieu a.a.O.; Cart.de
Marchiennes f. 145; Constit. Leduini a.a.O.
•) Polypt. Marcian., N. Arch. XV, 465: silva de Qiuro pertinet tantum
ad custodiam vüici, de qua nee vendere nee dare ei concediivyr, sed rusticis
ad domos construendas et ad ignem eoncedimus faciendum.
*) Mir. S. Bened. VUI, c. 2.
*) Polypt. Marc. a. a. 0. p. 464 : Omnes forenses causae vel st aliqua
quaerela repente aborta fuerit, per vüieum, per constittUos iuratosque
iudices iuste legittimeque finietur. Vgl. ib. p. 465 : 8i autem de forensibus
causis inibi forte quippiam contingeretf viddicet de banne, de furto, de
tdoneo, de iuvento vel de his simüibus ad propositum monasterii et ad
eius vilicum niehilominus pertineret.
^) Vgl. G. Meyer, Die Gerichtsbarkeit Über Unfreie und Hintersassen
nach ältestem Recht, Savigny-Zeitschr., Germ. Abth. III, 123.
*) Gart, de Marchiennes, Nouv. acquis. 1204, f. 145.
422
Ding beizuwohnen 1); hier war auch der Ort, wo er gegen im-
botmässige Hörige klagen konnte.^)
So vertrat der Meier als Ortavorsteher die Klosterverwal-
tung überall, wo es grössere zusammenhängende besiedelte Herr-
schaften zu beaufsichtigen galt. Es war nur nötig, dass der
höchste klösterliche Wirtschaftsbeamte entweder persönlich von
Zeit zu Zeit die Höfe und Villicationsbezirke besuchte oder
die Meier zur Sechenschaftsablegung zu sich berief.^)
Aber die Schwierigkeit, die Meier zu beaufsichtigen, und
das Misstrauen, das den ehemaligen Hörigen gegenttber bei
der Selbständigkeit ihrer nunmehrigen Stellung gerechtfertigt
war^), machte sich doch überall geltend. Es kam unter Um-
ständen zum Ersatz der villici durch Mönche, Decane oder
Pröpste, deren Functionen dann kaum Ton denen der Meier
verschieden waren.^) Auch sie hatten vor allem die Beaaf-
sichtigung der villae und mnssten die Fruchterträge in ihren
Höfen aufnehmen, bis sie der Prior revidieren und mit Abzug
desjenigen, dessen die Decane ftlr den Unterhalt, Wirtschafte-
betrieb und die Gäste brauchten, nach dem Kloster schaffen
lassen konnte.<^) In Cluni erhielten sie noch den dritten Teil
der Geldzinse, die der Kämmerer zur rechten Zeit selbst einzn-
sammeln pflegte.^) Alle diejenigen, die nur eine halbe Tage-
reise vom Kloster entfernt waren, mussten alle Sonnabend
nach der Vesper sich daselbst einfinden.^)
0 Cart. de St Vannes, Cod. Paris, l 5435, f. 87.
*) ib. f. 14, Urk. von 1020: Si vero aliquis malefactor extUerit H
contra villicvm audax vel rebellis sustiterit et hoc ad advocatum pervenc-
rit iustitiamque ex hoc fecerit etc.
«) y. Job. Gore. c. 85.
*) Ein vortreffliches Beispiel, wie unfreie Leute die Ministerialen
durch Geld oder Dienste zu bewegen wussten, ihnen Salland zur Bewirt-
schaftung zu übergeben, bietet das Gart, de Gorze, Cod. Paris. 1. 5486, f 56.
B) Consuet. Cluniac. in, c. 5 (d'Achery I, 686): qui 8UfU viUarum pro-
visores et quos pro more no8tro decano» appeUamus; dass die cloniacen-
sischen Decane wirklich Mönche waren, zeigt z.B. CHOL IV, nr. 8262:
Testes sunt . . . Girbertus decanus . . . Achinus decanuSj Ärleius decanus^
Wigo decanus; isti sunt omnes monachi. Gart, de Montierender nr. 2 t
(1027): ut prepositus monasterii, qui eidem ville prefuerit; Besly p. 284:
Arehenbaldi ipsius curtis praepositi.
^) Consuet. Cluniac. III, c. 5.
') ib. c. 11. 8) ib. C.5.
423
Diese Bewirtschaftung der LaDdgQter durch Mönche galt
für kostspieliger als die durch Laien: waren jene doch ge-
zwungen zu repräsentieren, Oäste und Fremde aufzunehmen J)
In der Tbat verschlang diese Wirtschaftsform im elften Jahr-
hundert in Gluni so viel, dass von den Fruchterträgen nur
wenig auf den Tisch der Brttder kam, vielmehr fast alle
klösterlichen Bedttrfiiisse durch Kauf bestritten werden muss-
ten^), und dass im zwölften Jahrhundert Petrus Venerabilis zu
einer Aenderung des Wirtschaftsorganismus schritt, weil bei
der bisherigen Methode die Finanzen und die Verpflegung sich
bis aufs äusserste verschlechtert hatten.^) Johann von Gorze
sprach sieh deshalb entschieden gegen die Villicationen durch
Mönche aus^); in andern Fällen wurden auch beide Betriebs-
fonnen nebeneinander dnrchgeftihrt, indem ein Teil der Dörfer
durch Meier, ein anderer, namentlich die, in denen Kirchen
waren, durch Mönche, welche die Priesterweihe hatten, ver-
waltet wurden.^)
Sei es aber, dass Meier oder Mönche oder beide neben-
einander in dieser Weise den Villen und Wirtschaftshöfen vor-
standen, so fand meistens ein directer Verkehr mit den Be-
amten der Centralverwaltung statt Man findet nun auch eine
Art der Verwaltung, in welcher klösterliche Beamte, Pröpste,
einen grösseren Herrschaftscomplex von einem Fronhofe aus
verwalten und somit eine Zwischeninstanz zwischen den Meiern
ihrer Bezirke und der Centralstelle bilden.<^) Hier tritt der
Propst also an die Stelle des karolingischen Judex. Diese
Methode verringerte die Kosten der Verwaltung und ermög-
lichte doch eine bequeme Beaufsichtigung der Meier. Sie wurde
deshalb auch da angewandt, wo entfernte Besitzlage einen be-
sonderen Schutz zu verlangen schien, und dann in der Form,
0 Vgl. Bemardi Constit. Claniac. I, c. ö, Hergott p. 145.
*) Consaet. OlnDiac. c. 11.
>) DispoBitio rei famüiaris Cluniacensis, Migne 1. 189, col. 1047.
*) V. Joh. Gorz. c. 85.
^) Vgl. Rodulfi Mir. ss. in Fuldenses ecclesias translat., SS. XV, 330:
quorttm (seil, praediorum) alia quidem per viUicos ordinavitf alia vero et
maxime iÜay in quibus ecclesiae fuerantj presbyteris procuranda atque dis-
panenda commiait
^) Es ist die in Fleury angewandte; vgl. Mir. S. Bened. II, c. 15. 17;
III, C.5. 8; Vm, c. 14.86.
424
daBS gleich eine kleine Mönchscolonie an dem geeigneten
Orte angesiedelt wnrdeJ) Die Meier waren dem ihnen vor-
gesetzten Propste verantwortlich^); an ihn führten sie die ge-
sammelten Frachterträge und Zinse ab. Der Propst hatte den
Besitz vor unrechtmässiger Abemtung^), vor Räubern und im
Falle eines Krieges zu schützen und für Bergung des beweg-
lichen Eigentums zu sorgen.^) Auch alte vernachlässigte Rechte,
wie die bezüglich entlaufener Leibeigenen, nahm der Propst
wahr.^) Gerichtlich vertrat er den Abt in dessen patrimonialer
Gerichtsbarkeit innerhalb des ihm unterstehenden Bezirks und
den Unterbeamten <^) gegenüber. Auch Klagen von Ungenossen
oder Freien^) gegen Hof hörige wurden von ihm erledigt and
schiedsrichterliche Befugnisse bei Processen grnndunterthäniger
Personen, über welche die gerichtliche Entscheidung den Meiern
zufiel, auch nach Festsetzung des Gerichtstermins ausgeübt
Als oberste Wirtschaftsbehörde sassen über dem Meier
und Propst die mit der Wirtschaftoftthrung betrauten Beamten
der Centralstelle. Hier ist die Einrichtung verschieden geregelt
Entweder waren von vornherein den einzelnen Wirtschafts-
ressorts bestimmte Besitzungen zur Nutzniessung überwiesen
— und das war die Regel — , oder sämtliche Elingänge flössen
an eine Stelle, von der aus die verschiedenen Bedürfnisse be-
friedigt wurden. Im ersteren Falle übernahmen die einzelnen
Klosterämter die Verwaltung und ControUe der ihnen zage-
wiesenen Güter, so dass die fUr die Propstei bestimmten Do-
mänen der Propst, die Tafelgüter der Mönche der Cellerar, die
0 Ghron. S. Mich. c.3d; Ghron. S. Bened. p. 162. Das Dorf Vatnoii
wird St Benigne restituiert: übi fie deinceps auferretur, inatituit ccUam
monachorum; p. 167: Dedit (Wilhelmus) monachis Sarmocenais ceüe ad labo-
randum et custodiendum terram S. Benigni pontam in Sarmacia viüa.
Auch Cluni hatte eine grosse Zahl derartiger Gellen oder Obödieozeu, in
denen einige wenige Mönche lagen, um einen bestimmten Herrschaftsbe-
zirk zu überwachen.
«) Vgl. Mir. S. Bened. VIII, c. 22.
') ib. c. 18; vgl. Marchegay II, p. 4, n. 4 (ca. 1050).
*) Marchegay p. 1 n. 4.
8) Mir. S. Bened. VI, c. 2.
«) ib. VIII, c. 22.
^) Gart, de Romainmoutier, M6m. de la Suisse Rom. III, 453.
425
ittr die Kleidung vorbehaltenen der Vestierar u. s. w. verwalte*
tenJ) Die Spezialisierung ist sehr weit durchgeführt In
St Amanda) sind Revenuen bestimmter Güter festgesetzt für die
Beleuehtung und Ausstattung der Kirche, für Ergänzung des
Kirchenschatzes, für die Klostergebäude, für den Tisehwein
der Brüder, für das Brot der Mönche, Gäste und Handwerker,
für den Abt, für den Kellermeister, Kämmerer und für den
Propst Eine wesentUehe Ursache dieser Verwaltuogsform lag
darin, dass die Geber das Recht hatten, die Verwendung der
Einnahmen ihrer Landschenkungen für einen bestimmten Zwec^
für den Tisch 3) oder die Kleidung«) der Brüder, für die Be-
leuchtung^) und Bemalung <<) der Kirchen festzulegen. Sie
konnten verbieten, dass das betreffende Grundstück als Lehen
vergeben, verpachtet oder vertauscht werde. Durch alle diese
Beschränkungen in der Verfügung über einzelne Pertinenzen
der Grundherrschaft wurde die einheitliche Verwaltung fast
unmöglich gemacht Jeder der Beamten der Centralstelle hatte
also wirtschaftliche Functionen. Wenn Johann von Gorze,
dessen Tüchtigkeit auf öconomischem Gebiete besonders an-
erkannt wurde, nacheinander Propst, Decan, Kellermeister,
Kleidermeister wird und in diesen Stellungen bestöndig in
wirtschaftlicher Action erseheint, so sehe ich in diesem Wechsel
des Amtes nichts anderes als das Bestreben des Abtes, nach
^) Vgl. z.B. Gesta abb. Gemblac. c. 48; sowie die instructlve Urk.
Benedicts VIII. für St. Vaast von 1021 im Cart. de St. Vaast ed. Gui-
mann p. 56.
') Cart. de St. Amand, Cod. Paris, nouv. acijuis. 1219. Im Cart. de
St. Bertin ed. Gu^rard p. 97 steht ein Verzeichnis 'der Villen ad fratrum
U8U8 pertinentes . . .abaque hü, quae in aliis ministeriis erant distributae;
vgl. Cart. de Beaulieu nr. 50 : hos imponimwi ad ceüerarioa ad clanstra
omanda; Anselmi Gesta Leod. c. 42; Cart. de St. Victor I, 40. 42. 464.
') So CHCL 1332. 1701. 1808; Cart. de Beaulieu nr. 48; Cart. de Saux.
nr. 232 : et fructum, que de ipsas vineas exierit, volo, ut in proprios usus
8XW8 scilieet in pisces omni tempore in commutiia abeant, et cellerarivA
qualiscwnqiAe fuerit in monasterio de Celsinanias ipse hanc conventianem
requirat.
*) CHCL 2693; Chron. S. Ben. p. 172.
*) Cart de Beaul. nr. 150: harwn frxictus vinearum venundetur utile,
ut ematur lumen nitena ac ftdgena quotidie; cf. nr. 154 und 114.
«) Cart. de Beaulieu nr. 154 (1005—1028). Hier schreibt der Geber
sogar die GemiUde vor, die natürlich die Geschichte Christi betreffen.
426
und Dach alle Domänen des Stifts seiner Verwaltang and
seinem Einflüsse zu unterwerfen.
Dieser Verwaltangsmodus hatte aber seine bedenklichen
Seiten. Er setzt einmal einen verhältsnismässig kleiBen Be-
trieb, wenig aasgedehnte Herrschaften, dann aber feste Gon-
sistenz des Besitzstandes voraas. In nnrnhigen und kriege-
rischen Zeiten, in denen die Besitzverhältnisse sich verschlech-
tern, in denen einzelne Wirtschaftsressorts ihrer Einkünfte ganz
beraabt werden konnten, war eine derartige Wirtschaftsver-
^sang so wenig durchführbar als bei schnellem Wachsen des
Besitzstandes. Sie setzt auch stets den directen Einfluss der
Klosterämter auf die Villen voraus, die ihnen unterstehen, ent-
spricht also einem Betriebe, in dem die Meier oder die mön-
chischen Verwalter in directer Abhängigkeit von der Central-
stelle erscheinen. Bei einer Verwaltung durch klösterliehe
Districtsvorsteher musste eine Vereinfachung der Centralbe-
hörde eintreten.
Ais ein Versuch, die Verwaltung zu vereinfachen, muss es
schon gelten, wenn Abt Mysach von Gembloux die Einkünfte
nach zwei Gesichtspunkten teilt, fttr Kleidung und Ernährung
der Brttder. ^ Drei Aemter treten hier auf, das des Vestierars,
der aus den Erträgen bestimmter Dörfer feste Geldsammen
zugewiesen erhält, das des Kellermeisters, der ebenfalls Geld
erhält, aber ohne Beziehung auf gewissen Besitz, also aus einer
Gentralcasse, und das Amt des Kämmeres, der wieder auf be-
stimmte Dörfer angewiesen ist, von denen er Sportein bezieht,
die beim Hand Wechsel von Grundbesitz, an den Gerichtstagen
und von den Meiern gezahlt wurden. Wie die Verwaltung im
einzelnen geteilt war, wissen wir freilich nicht Wir müssen
aber annehmen, dass dem Kämmerer, der allein einen directen
Einfluss auf bestimmte Güter ausübte, der Propst oder Prior
gegenüberstand, der die allgemeine Verwaltung in der Hand
hattet), bei dem die Zinse und Naturalerträge einliefen, die
Abgaben, die nicht direct dem Kämmerer zuflössen, der für
den Abt, die Gäste und Armen zu sorgen hatte.
0 Gesta abb. Gemblac. c. 59 if.
*) ib. c. 61: MarceUintu abbas . . . commisit ei praepositurae officium
. . . ÄbbM Tietmarw . . . eiu8 curae commmt omnia exteriora.
427
Diesen Dualismns von Prior und Kämmerer finden wir
dann in Cluni nnd den verwandten Klöstern so ausgebildet,
dass in den Händen des ersteren die Aufsicht und Ausgabe
aller Natnralerträge lag^), während alle Geldzinse und Summen,
die dureh Verkauf von Naturalien erzielt wurden, dem Käm-
merer ngingen.^) Ebenso gelangten Gold und Silber oder
Geldgeschenke ttber 10 Solidi an ihn. Desgleichen alle ge>
schenkten Ktthe, die in dem ihm unterstellten Kuhstall einge-
stellt werden. Dem Prior und Kämmerer gegenüber hatte der
Kellermeister eine untergeordnete Stellung^); denn er musste
das, was er an Naturalien und Geld brauchte, erst von ihnen
in Anspruch nehmen. Jeden Sonnabend beriet er mit ihnen
über die an jedem Tage der nächsten Woche notwendigen
Lieferungen. Für seine nächsten Bedürfnisse, für die Weide
der Pferde oder den Fischfang standen ihm ein paar nahe-
gelegene Dörfer zur Verfügung. Hatte der Kämmerer fttr die
Kleidung der Brttder zu sorgen, so der Kellermeister für die
Verpflegung. Aber auch er hatte wieder Unterbeamte. Wäh-
rend er über die von den Höfen zu liefernden Schweine und
Hammel Buch führte^}, so der Granatarius über das eingehende
Getreide.^) Nach der Ernte sagte ihm der Prior als erster
Wirtsehaftsbeamter, wie viel ScheflFel von den einzelnen Obe-
dienzen eingehen sollten, und der Granatarius hatte die Posten
zu eontrollieren. Bäcker, Wäscher und Holzholer hatte er unter
sich. Neben den Eingängen an Fleisch und Getreide kamen
die an Wein besonders in Betracht Auch sie controUierte ein
besonderer Beamter, nachdem der Prior ihm angekündigt, wie
viel Karren von jeder Verwaltungsstelle zu erwarten wären.«)
Auch der Weinhüter stand unter dem Kellermeister. Es gab
dann noch eine Anzahl anderer Beamter, die ebenfalls vom
Gellerarius abhängig waren, wie den Hortularius, den Stabn-
larins, der die Pferde der im Hospiz abgestiegenen Gäste be-
^) CoDS. Cluniac. 111, c. 5, d'Acb^ry I, 686 ff. In St. Bertin hiess dieser
Beamte Decan, Folquini Gesta Bcrth. II, c. 80: Odoldus . . . noster decanus
de partihus citra Rhenum positiSj tibi vindemiare ftterat mi$»u8 cum vinea
VIII vasorum est reversus.
«) Cons. Cluniac. III, c. 11. ») ib. e. 18.
*) ib.- c. 18: Item in brevi notat summam porcorum et arietum etc.
*) ib. c. 18. •) ib. C.18.
428
sorgte, den HospitalariuB, den Infinnarius, den Armarins, die
aber als Beamte des Grossbetriebs nicht mehr in Betracht
kommen.^)
Somit ergiebt sich, dass in grösseren Klosterwirtschaften
wie Claui zwei Oberbeamte an der Spitze der Verwaltung stehen,
der Prior und der Kämmerer, ersterer, als der höchste klöster-
liche Würdenträger nach dem Abt, auch dem Kämmerer über-
legen. Vom Ressort der Camera zweigt sich die Kellerei ab,
deren Vorsteher wieder fttr die einzelnen Zweige der Natural-
verflegung über Unterbeamte verfUgt
III.
Anteil am Verkehr.
An der Entwicklung des binnenländischen Handels und
Verkehrs hatten die Grossgrandherrschaften, wie sie sieh um
die Klöster gebildet hatten, keinen unbedeutenden Anteil^)
Die Ueberftlhrung der Naturalzinse allein von den Einnahme-
stellen nach der Centralstelle, die Verteilung der Ueberschttsse
auf die einzelnen Domänen, wirkte auf die Hebung des Trans-
portverkehrs auf den Land- und Wasserstrassen. Aber es ge-
nügte auf die Dauer der Austausch der Produete innerhalb der
einzelnen Pertinenzen der Grundherrschaft keineswegs: der
nächste Fortschritt führte notwendig zu einem Warenverkehr
über die Grenzen der Grundherrschaften hinaus, und zwar dies
in demselben Masse, in dem im wirtschaftlichen Lieben der
Geldumsatz den Naturalientausch zu verdrängen begann. Da
die Naturaleinnahmen vielfach den Transport nicht lohnten,
traten an Stelle der Naturalzinse mehr und mehr Geldab-
gaben. Oder aber man verkaufte die Productionsttberschttsse
der Höfe an Ort und Stelle'), wenn die Entfernung die um-
ständliche Ueberftlhrung nach dem Herrenhofe verbot Auf
jeden Fall war die Grundherrschaft dann gezwungen, in stei-
gendem Masse ihre eigenen Bedürfnisse durch Kauf zu be-
friedigen. 4) Sie wurde so als Käuferin wie als Verkäuferin
0 Vgl. auch Disciplina Farf. II, c. 47. 48, Hergott, Vetua diseiplina
luonast. p. 116f
») Vgl. Inama, Wirtschaftsgesch. II, 364.
8) Vgl. Consuet. Clun. III, c. 11.
*) S. oben S.422.
429
zur Teilnahme am allgemeinen Handelsverkehr gezwangen.
Die Folge dieser Entwicklung waren zunächst nähere Be-
ziehungen zu den grossen Verkehrsplätzen der Provinz oder
des Landes. Die Teilnahme am Markt machte neben den
Gesehäften am Bischofshofe öftere Reisen des Abtes oder
einzelner Mönche notwendig. ^ Man versteht, dass die Klö-
ster zunächst in jenen Städten Orundstttcke und Häuser zu
erwerben sachten, die ihnen als Absteigequartiere dienten,
dass ihnen daran lag, an Handelsplätzen, wie Lyon^), Arles,
Vienne, Avignon^), Poitiers*), Le Puy*), Clermont*), Antun''),
Reims ^), Orleans ^) u. a., festen Fuss zu fassen. Am Ende des
zehnten Jahrhunderts hatte Cluni bereits Häuser in Le Puy,
Vienne, Avignon und Arles.
Hatten sie an den Hauptverkehrscentren erst Boden ge-
wonnen, so musste ihnen weiter daran liegen, alle Transitzölle
fttr ihre Transporte zu beseitigen: war die Errichtung von Zoll-
stätten doch schon im zehnten Jahrhundert in Frankreich bei
der Schwäche der Krone zu einem stark missbrauchten Rechte
der Grundherren geworden.!^) Der weltliche Adel bewilligte
') Vgl. auch Arnold, Verfassungsgesch. der deutscheu Freistädte II
(Gotha 1854), 165 ff.
') Savigny: Gart de Sav. nr. 766 (1080).
') Cluni in Arles, Vienne, Avignon nach CHOL nr. 2466; in Arles
St. Victor de Marseille, Cart. de St. Victor I, 158. 171. 175. 176. 196. 199.
*) St. Jean d'Ang^ly erhält 1027: alodum, qui est Situs infra moenia
Pictavae civitatis ad domum construendum cum curte et stabtdaria et est
in rtuij quae appdlatur Hedera sttbtus ecclesiam b. Paulis Besly p. 346.
») CHCL III, nr. 1926 (992).
*) Sanxillanges: Cart. de Saux. nr. 388 (994—1048).
') Flavigny: Cart. de Flavigny, Cod. Paris. 1. 17720, p.60.
») Vgl die interessante Urk. CHCL IV, nr. 3366 (ca. 1060): Cum in
urbe Remorum suas habere mansiones pleraque cpiobia considerassem, in
quibus fratreSf qui in eisdem cfnobiis' Deo militant j undecumque redirent^
hoepitarentur et requiescerentj schenkt der Urkundenaussteller an Clnni,
das noch kein Haus in Reims hatte, seinen Besitz bei der Kirche St Denis,
anter der Bedingung, dass sie ihn nicht gegen Zins ausgeben, sondern
selbst behalten.
•) CHCL IV, nr. 3049.
") Vgl. Cart. B. de Cluni nr. 678, f. 258: Ex hoc peccato nata est mihi
aUerius peccati occasio, scilicet, ut cunctis per terram meam iter agentibus
seu causa negotiationis seu orationis exactionem quam vulgo pedituram
vocant imponerem et hoc meos ab eis exigere iuberem.
430
derartige Gesuche nm Zollbefreinog sdteDS der Elostervor-
stände in der Regel wohl ebenso gern, als er bereit war, fbr
sein Seelenheil Grandbesitz zu schenken.^) Der ZoUberr liess
auch wobl durch einen seiner Beamten Warentransporte be-
gleiten, um den Mönchen Belästigungen an andern Zollstätten
des Territoriums zu ersparen.^) Es wird dann nirgend ein
Unterschied gemacht, ob diese Wagen- oder Schiffsladungen
Naturaleinnahmen der eigenen Domänen zur Centralstelle oder
zum Markte beförderten oder ob sie angekaufte Waren ent-
hielten. Neben diesen Durchgangszöllen, die sehr verschieden
basiert und benannt waren, existierten MarktzöUe, die teils als
Thor-, Brücken- oder Hafenzölle bei der Anfahrt am Marktort
bezahlt wurden, teils in einer vom Käufer und Verkäufer zu
zahlenden Abgabe vom Umsatz bestanden.^) Diese Einnahmen
bildeten neben den aus der Platzmiete ^), dem Münzrecht und
dem Geldwechsel fliessenden Erträgen die finanziellen Vor-
teile, die der Markt gewährte. Die Elostervorstände hatten
nun die Tendenz, einmal sich von derartigen Abgaben Be-
freiung zu verschaffen — bereits im Jahre 927 erhielt Clani
Befreiung von allen Marktzöllen durch königliches Privileg — ,
vor allem aber an den Vorteilen der Zollerhebung selbst zu
participieren. Mehrfach wurden Klöstern in unserer Periode
derartige Anteile an der Markteinnahme oder auch die ganzer
Märkte zugewiesen^), oder ihnen besonders gUnstige Verkanfs-
bedingungen gestellt.
^) So erhielt St. Fiorent Zollfreiheit bei der Burg Chaumont (Cart.
de St. Gondon nr. 35, p. 59) ; St. P^re de Chartrea auf der Seine am Castell
Vernon (Cart. de St. P^re I, 178); Fleury seitens des Fulco von Anjou
(V. Gauzl. I, c. 28); Marmoutier von Gaufred von Anjou auf der Loire
(Marchegay 11,50); St. Julien ebenfalls von Gaufred (Cart de St. Julien,
Cod. Paris. 1. 5448, l 36'). Vgl. die Consuetudines des Grafen Burchard
in Vendöme (ed. Bourel de la Ronci^re in der Vie de Bouehard, Paris
1892, p. 37): In tempore^ quo cwnes Burchardua vivebatj twn erai peda-
gium neque minagiunif non erat in villa nee in comitatu Vindocini, quia
comes Fulco iüum niisit.
>) Vgl. Marchegay II, 50.
') Vgl. £. Mayer, Zoll, Kaufmannschaft und Markt Kwischen Rhein
und Loire, German. Abhandl. f. Konrad v. Maurer (Göttingen 1893) S. 37Sif.
*) Waitz VIII, 285.
^) So erhielt St. Benigne schon 925 den ehemals bischöflichen Wochen-
markt in der Burg und die Hälfte des Jahrmarktes am Festtage von
481
Vor allem entwickelte sich nm die Klöster selbst im An-
scfalnss an die kirchlichen Feste ein reger Marktverkehr.i)
Diese Märkte waren znm Teil sehr alt und reichten gewiss
hoch in die merovingische Zeit zarOck 2), andere entstanden un-
abhängig von der königlichen Macht, die Oberhaupt in Frankreich
in dieser Zeit fast alle Regalrechte eingebttsst hatte: man sieht
es daraus, dass wir aus spätkarolingischer und frtlhcapetingiscber
Zeit gar keine besonderen Marktprivilegien haben und bei
Dorfgrttndungen der Markt auf Initiative des Grundherrn oder
der Golonisten entstand. Es gab Wochenmärkte und Jahrmärkte;
sie müssen sieh aber je nach der Lage des Marktortes in der
Art der Producte und der Händler stark unterschieden haben.^)
Der blühende Verkehr lockte eine grosse Zahl freier Gewerbe-
treibenden nach dem Kloster^); andere Handwerkergingen viel-
leicht aus der Zahl der Unfreien hervor, die, soweit sie nicht
fllr den Hofdienst verpflichtet waren, mit Erlaubnis des Herrn
fttr den Markt arbeiten durften.^) Von dem Marktzoll waren
in der Regel alle diejenigen befreit, die zur Familie des be-
treffenden Klosters gehöiiien, also zins- oder fronpflichtig
waren.<^) Alle andern, die etwa freies Allod besassen oder
St Benignus (Perard, Recueii p. 162; Chron. S. Ben. p. 124); die Chorherren
von St. Barnard erhalten den wöchentlichen Markt in Valence (Gart, de
S. Bamard nr. 66); ferner Montierender (Gart, de Montierender nr. 13, p. 136);
Savigny (Gart, de Sav. nr. 335 von 984); St. Pere de Ghartres (Gart, de
St. P^re I, 129 von 1061).
^) So in Fleury (V. Gauzl. I, c. 12); Arras (Gnimann, Gart, de St. Vaast
p. 170 ff.); La R^ole (Labbe, Nova Bibl. II, 744; vgl. Flach 11, 419).
*) So der Marict von St. Denis; vgl. Ratbgen, Die Entstehang der
Märkte in Deutschland (1881) S. 7. In Fleury begegnet im 9. Jahrhundert
bereits ein judex fori, natürlich ein Beamter des Abtes; vgl. Sohm, Die
Entstehung des deutschen Städtewesens (Leipzig 1890) S. 58, n. 75.
*) Ueber die auf den Märkten von Arras und La R^ole gehandelten
Waren erhalten wir aus den angeführten Urkunden eingehendsten Auf-
scfaluss.
*) Vgl. die von Flach II, 319, n. 1 angeführte Stelle aus Ordericus
Vitalis.
*) Lex Burg. XXI, 2; v. Schlosser, Schriftquellen zur Geschichte der
karoling. Kunst (Wien 1892) S.421.
«) Privileg. Leduini abb. bei Guimann, Gart, de St. Vaast p. 171 und
p. 182. Vgl. V. Gauzl. II, c. 69: Forensibue etiam remisit portaticum atqtie
rotaticum nisi de plaustriSy qtie annonam vehuntj indignum esse iudicans,
ut quos enteret ab adversariorum potestate ipse indigna opprimeret servi"
432
ausserhalb der Bannmeile des Ortes wohnten, waren znm Te-
lonenm verpflichtet. Dieses nahm bei den ansässigen Ge-
werbetreibenden allmählich den Gbaracter einer bestimmten
Abgabe von Erzeugnissen der eigenen Werkstätte an, die fbr
die Erlaubnis, auf dem Markte zu verkaufen, gezahlt wurde.*)
Immerhin war die Verkaufsabgabe vielfach doch so drttekend,
dass die am Verkehr beteiligten, znm Teloneum verpflichteten
Leute die Tendenz zeigten, sich in den Zins der betreffenden
Marktherren zu begeben^), um von der Abgabe befreit zu werden.
Es leuchtet ein, dass die Verschmelzung ursprünglich freier
und unfreier Handwerker und Eaufleute dadurch ganz erheb-
lich befbrdeit wurde.
Um die Klöster bildete sich so ein dichtbewohnter Be-
zirk, der meist ummauert wurde, aber auch ausserhalb der
Mauern nahmen die Ansiedelungen zu. Soweit der Abt sich
als Orundherr betrachtete, hatte er das Bedürfnis, die Asyl-
freiheit der Kirche auf dieses Revier auszudehnen und die
Unverletzlichkeit des Ortes durch die weltliche Macht beson-
ders decretieren zu lassen.^) Wer in diesen Bezirk geflüehtet
tiUe. Das Reichenauer Marktrecht von 1100 §4 bei Altmann nnd Bern-
heim, Ausgewählte Urkunden S. 209; Erstes Strassburger Stadtrecht § 52.
') Das geht schlagend aus der von Flach II, 822, n. 1 aus dem Carl
de Redon angeführten Urkunde von 1062 hervor; ebenso aus der Urkunde
von La R^ole (oben S. 430, n. 4). Die Abgaben der Handwerker im Strass-
burger Stadtrecht, die zu der Idee geführt haben, diese seien hörig ge-
wesen, sind m. £. nichts als Abgaben für den Verkauf. Gerade diese Ab-
gaben weisen auf die ursprüngliche Freiheit. Vgl. v. Below (Hist. Zs.
Bd. 58, S. 21 8 ff.), der jedoch bei seiner Erklärung von anderen Gesichts-
punkten ausgeht.
<) Vgl. Gart, de St. Vaast p. 182: et sic^ tU a theiotieo liberareniwrf
innumerabiks se obligaverunt hoc aduUerina aervüute. In der Gonstitutio
Leduins wird bestimmt, dass die Leute, die sich freiwillig in die Herr-
schaft der beiden vom Teloneum befreiten Kirchen St. Maria und St. Vaast
in Arras begeben, auch weiter das Teloneum zahlen, ebenso die damals
schon lebenden Erben. Ein volles Licht fällt hier auf das Wachstum der
Städte und die Stellung der Gewerbetreibenden.
>) Vgl. die Urkunde Lothars von 955 für Glnni (GHGL II, nr.980): ut
inprimis caatrum monasterii omnimodo ait immune et 9ub ditione eonim
libere constitutimi, nuUuaque intra girum eius vel extra quamlibet iudi-
ciariam exerceat poteatatem contra volwntatem ipsar^im; ebenso die Syno-
dalurkunde von Anse (904), GHGL II, nr. 2255.
433
war, war frei.^) Wer aueh nur vorübergehend, nm zu beten,
in die Abteistadt kommt, tritt unter die Gerichtsbarkeit des
Abtes; niemand darf ihn ausserhalb vor ein Gericht rufen.^)
Der Abt oder sein Vertreter erteilt femer, wem er will, siche-
res Geleit.^) Wie der Abt im engeren Fronhofsbezirk die
patrimoniale Gerichtsbarkeit selbst ausübte, in den Villen durch
den von ihm eingesetzten Amtmann, den Vogt, ausüben liess,
so ernannte er richterliche Beamte, deren Functionen von ihm
festgestellt wurden^), die aber erst dann für den ganzen Ort,
also nicht nur die Zinspflichtigen, Geltung erlangten, als die
Libertas desselben von der öffentlichen Gewalt anerkannt
wurde. Für den Marktverkehr wurden Beamte eingesetzt, die
die Verkaufsabgaben zu erheben, über solche, die sie ver-
weigerten, zu entscheiden, über Marktstreitigkeiten zu richten
und Mass und Gewicht zu beaufsichtigen hatten.^)
Häufig wurden die Abteien aber in bereits bestehenden
Städten von Territorialherren begründet oder unter den Mauern
einer Burg, deren Herr zugleich die öffentlichen Rechte ausr
übte. Die Tendenz der Klöster ging nun dahin, als Grund-
herren die andern Berechtigten zu verdrängen, die Freien sich
0 Urkunde für St. Jeän d'Aiig61y, Besly p. 328: curtem S. lohannis
et cunctaj quae in ea fuennt et omneSj qui ad eam confugerintf cuiua-
cumqtie criminis rei sinty securos ab amnibtis et ttdos esse precipimuSj et
nuUus his quicunque intra ambitum eius fuerintf dum tutw fuerintf älir
quam viokntiam inferre praesumat; vgl. Flach II, 171 ff.
>) Urkunde für St. Jean p. 829.
*) So in der Urkunde für St. Jean und dem Stadtrecht von La R^ole,
wo der Lehnsinhaber der Marktgerichtsbarkeit securum condudwn dabit
venientibus ad forum in eundo vel redeundo. Hier ist überall der Stadt-
frieden and das Geleitsreoht ans dem erweiterten nnd staatlich anerkann-
ten kirchlichen Asyl abzuleiten, so dass ich diesen Ursprung des Stadtr
friedens a priori überall da annehmen möchte, wo sich Stadtgemeinden
an Kirchen anlehnten; das war aber im Anfange überall der Fall.
*) In St Jean übt der Propst an Stelle des Abtes die Gerichtsbar-
keit und Execution auf alle an ihn gelangenden Klagen, d. h. also die ge-
samte Civilgerichtsbai'keit.
^) Das geht ans den Markt- und Stadtrechten von St. Jean, St Vaast
d'Arras und LaR^ole hervor. Mass nnd Gewicht ist überall in den Hän-
den der Stadtherren und waren wie alle anderen Regalien vielfach zu
grundherrliohen Rechten geworden. Vgl. E. Meyer, Zoll, Kaufmannschaft
und Markt a. a. 0. p. 395. 444. Die Belowsche Ansicht, dass Mass und
Gewicht znr Competenz der Landgemeinde gehörten, kann ich nicht teilen.
Sftokur, UlmÜMoiMr. II« 28
434
zinspflichtig zq machen, in ihren Dienst zn ziehen, ihren eigenen
Besitz gegen Zins an Bürger der Stadt anszngeben.^) Einzelne
öffentliche Rechte, wie den Markt, wnssten sie in ihre Hände
ZQ bringen. So konnte es kommen, dass die Einwohner all-
mählich fast in der Gesamtheit als Ministerialen, Pächter nnd
Censnalen von dem Klosterhofe abhängig wurden'), dass von
der öffeutliohen Gewalt ein Stack nach dem andern auf sie
überging, bis der Territorialherr sich schliesslich genötigt sah,
diese Entwicklung durch Anerkennung der Oberherrlichkeit
des Abtes zu bekräftigen.^) Der Abt wurde dann Obereigen-
tttmer aller Grundstücke^), auf denen überhaupt ein klöster-
licher Zins ruhte, ganz gleich, ob andere Grundherren mehr
ZU fordern hatten, nnd damit wurde die Veräussemngsfreiheit
zu Gunsten des betreffenden Klosters beschiilnkt*)
Sei es nun, dass auf klösterlichem Terrain die Ansiede-
lung entstand, sei es, dass die klösterliche Grnndherrschaft
erst die andern Grundherren verdrängte: das kirchliche Asyl,
die günstige Stellung geistlicher Censnalen und der Markt haben
hauptsächlich die Entwicklung dieser Abteistädte befördert
Sehen wir auf der einen Seite, wie Kaufleute und Gewerbe-
treibende, Freie und Unfreie in den Schutz und die Zinspflicht
des Klosters drängen, am einmal die besondere Freiheit des
kirchlichen Asyls, sodann die Befreiung vom Verkehrszoll zn
gemessen, so begreift man, dass alle diese Leute zunächst in
eine gewisse Abhängigkeit vom Stadtherrn kamen, und, da
dieser in der Hand hatte, die Leistungen der einzelnen zu be-
stimmen, glückte es ihm zunächst, eine starke stadtherrliche
Gewalt zu statuieren. Je nach den Interessen des Ortes konn-
ten aber später auch wieder Ansiedler nnter freieren Be-
^) In der Urkunde von La R6ole wird dem Prior zur Pflicht gemacht,
KloBtergut nur gegen Zins auszugeben.
') vd ipsi de hominibve burgi, qui omnes fere iuris eorvm sunt.
') Das geschieht in der Urkunde fUr St. Jean d'Ang^ly.
*) Urkunde für St. Jean a. a. 0. Wie weit dieser Orundsatz geht,
erhellt daraus, dass anoh die Gri&fin von Poitiera fttr die gräflichen Be-
sitzungen das Obereigentum des Abtes anerkennt
^) Urkunde fttr St Jean d'Angöly a. a. 0.; Urk. fttr La R6ole a. a. 0.
Vgl. die Urk. Gart de St Victor I, nr. 58 (1040): Ergo äUodiarii supra-
dictarum viUarum nan habeant UeenHam vendere swum dUodem cuique
kamini sine eonsilio vel eonsensu abbatis sancH Vietaris,
455
dingungen Hänser zu Stadtleihe, d.h. zn erblichem and leicht
veränsserlichem Besitz gegen Zins geliehen erhalten i), konnte
die Kaufmannschaft einen stärkeren Einflnss anf die Rechts-
bildnng der Städte gewinnen.
So Würden diese Aebte zn Stadtherren; die Voraussetzung
ist immer die, dass auf Grund des kirchliehen Asylreehts sich
unter Anerkennung der Staatsgewalt ein ummauerter gefreiter
Bezirk aus den Beziehungen zur öffentlichen Gerichtsbarkeit
aussondert und dass unter der Gunst mercantiler Verhältnisse
riete Handwerker und Eaufleute sich innerhalb desselben an-
siedelten. Sie wurden nun entweder teloneumpflichtig oder
traten als Censualen in die Abhängigkeit von der Grundherr-
schaft. Da nun das Teloneum schliesslich zu einer fixierten
Gewerbesteuer wurde, die denen nicht mehr erlassen wurde,
die in die Zinspflicht des Stiftes traten, wurde die Gewerbe-
steuer wahrscheinlich allmählich auf die urspränglich Befreiten
ausgedehnt An Stelle der Unterschiede der Geburt traten die
des Berufs.
Versuchen wir uns noch einmal kurz die wirtschaftliehe
Bedeutung der Klosterreform zu vergegenwärtigen.
An Stelle des alten in der zweiten Hälfte des neunten
Jahrhunderts zersplitterten und yerschlenderten Grossgrund-
besitzes traten neue, unorganische Aufhäufungen von zerstreuten
Ländereien und Rechten, die das Mönchtum zu organisieren
und abzurunden versucht. Durch den intensiveren Wirtschafts-
betrieb wurde aus diesen Grundstücken der denkbar grösste
Nutzen gezogen und damit allmählich ersetzt, was an wirt-
schaftlichen Kräften während der grossen Umwälzung verloren
gegangen war. Zahlreiche freie Bauern, die ihre Habe verloren,
fanden als Censualen oder Hospites der Klosterwirtschaften
eine neue Existenz; freie Handwerker und Kaufleute bildeten
die Bevölkerung der Abteistädte. Die neuen Gentren zogen
magnetisch durch den Schutz, den sie gewährten, eine Menge
Personen in ihren Dienst und lichteten somit mehr und mehr
die Reihen der vollfreien Bauern. Im Bewusstsein ihrer hu-
manitären Pflichten schufen die Aebte ihren Unterthanen über-
all eine freiere, selbständigere und menschenwürdigere Existenz.
*) Vgl. V. Below a. a. 0. S. 98 f.
28*
436
Aber mit der Colonisation der ansgedehnten, wttst liegen-
den Landstriche, mit der Aufsangang des kleinen Grnndbesitzes
ist die wirtschaftliche Bedeutnng der Klosterreform nicht er-
schöpft. Nicht weniger wirkten die Abteien in ihrer Stellung
als sociale Centren, als Finanzinstitnte, auf ihre gesamte Um-
gebung. Ans den Zinsen, ans dem Verkauf ihrer Productions-
ttberschttsse sammelten sich grössere Capitalien, die dem stei-
genden Bedürfnis der Landleute und des Adels dienstbar ge-
macht, die zum Ankauf von Grundbesitz und zur Beschaffung
von Lebensmitteln und Kleidung der Brttder auf den Märkten
verwendet wurden. Durch ihre auf Immobiliarpfand beruhen-
den Darlehen, durch die Versicherungs- und Pensionsgeschäfte,
die sie eingingen, übten die Stifter an Bauern und Edelleuten
wohlthätige Handlungen, die freilich für sie selbst reichen
Nutzen trugen, indem die Pfänder häufig in ihrem Besitz blie-
ben und die Dienste der Mönche zu immer weiteren Scken-
kungen Anlass gaben. In jedem Fall wurde durch sie der
Geldumlauf befördert, durch ihre Fähigkeit, sich in die Lücken
der socialen Ordnung überall einzuschieben, die allgemeine
materielle Kultur erhöht: das alles in einer Zeit, in der das
geistige Leben noch mehr von den materiellen Grundlagen
abhing, als heutzutage.
Vierzehntes Capitel.
Ergebnisse.
L
Das Kloster Clani war von Wilhelm dem Frommen in
einer Zeit gegründet und ausgestattet worden, als allerorten
der Geist der Religion sich gegen den Umsturz aller Sittlich-
keit erhob. Viele Klöster waren damals schon wieder neu-
erstanden oder wurden bald darauf ins Leben gerufen. Wenn
Cluni vor allen andern es zu einer weltbeherrschenden Be-
deutung brachte, so verdankte es diese einmal dem Anschlnss
an den römischen Stuhl, vor allem der Persönlichkeit des
ersten Abtes Odo. Er erhob die allgemeine Beform der Klöster
zum Princip; er liess sich von Bom das Becht gewähren,
Mönche irregulärer Klöster aufzunehmen und mehrere Abteien
unter seiner Leitung zu vereinigen. Das agitatorische Talent
und der zähe Wille, mit dem Odo diese Idee verfolgte, sicherte
ihm den Erfolg und schuf seinen Nachfolgern eine Grundlage,
auf der sie fussen konnten. Odo verfuhr dabei nicht pedan-
tisch; es kam zunächst darauf an, das gemeinsame Leben
wiederherzustellen: im einzelnen war man sicher leicht zu Con-
cessionen geneigt.
Zwei Jahrzehnte hatten aber seit der Gründung Glunis
vergehen müssen, bis Odo die Beform der Klöster in grossem
Massstabe betreiben konnte. Die Hauptsache war, dass ausser
dem Papst die Fürsten gewonnen wurden, neben der Familie
und den Vasallen des Stifters, Adelheid von Burgund, Budolf
von Frankreich, Hugo der Schwarze, Hugo von Francien. In
Italien hatte Odo Alberich und Leo Vli auf seiner Seite, die ihm
488
infolge seiner Vermittlung mit König Hugo verpflichtet waren.
In den höchsten Kreisen war das Bedürfnis, die Kirche zu
unterstützen, zuerst wieder lebendig geworden. Waren diese
vorangegangen, so folgten die Vasallen, das Volk. Zuerst lang-
sam, dann immer rascher wuchs die Zahl der Schenkungen,
schwoll der Grundbesitz. Wer ehemaliges Kirchengut in der
Hand hielt, wurde veranlasst, es zurückzugeben.
In Aquitanien, Nordfrankreich, Italien bildeten sich neue
Reformcentren. Von Tülle und Aurillac pflanzten Adacius nnd
Arnulf die Bewegung fort, von Flenry drangen die neuen Ge-
wohnheiten nach der Touler Diöcese und nach Reims, wo von der
Abtei St Remi aus die andern Klöster des Sprengeis gewonnen
wurden. In Italien wurden die römischen Klöster wieder ins
Leben gerufen, nach Benevent und Salerno kamen schon die
Schüler des französischen Abtes. Unter Majolns wurde nament-
lich Francien, Marmontier und St Maur-des-Fossös gewonnen,
beide nicht mehr in den Händen der Robertiner, das Herzog-
tum Burgund, hier die Sprengel Chalon, Anxerre, Autan. In
der Diöcese Langres nahm Wilhelm von Volpiano die Tbätig-
keit des Lehrers auf.
Am Anfang des elften Jahrhunderts existierten bereits eine
ganze Anzahl Reformcentren, ausser Cluni: Flenry, St Benigne
von Dijon, St Julien de Tours. In Lothringen eröffnete Riehard
von St Vannes einen neuen Reformherd. Jeder wirkte in be-
stimmten Kreisen und Diöcesen, erfreute sieh seiner besonderen
Gönner. In ganz Frankreich wurde so ein Kloster naeh dem
andern der strengen Zucht gewonnen, von den Gegenden der
Rhonemündung bis in den Nordwesten der Bretagne, in Lo-
thringen und Flandern verzweigte sich die Reform von der
Diöcese Verdun bis nach den Niederungen der Nordsee.
Das Stammkloster der Reform, der Quell, ans dem das
mönchische Leben zu den andern strömte, war unbestritten
Cluni, das auf die Institutionen Benedicts von Aniane zurück-
gegangen war; nur in Lothringen und an der Somme hatte im
zehnten Jahrhundert der Drang zur Weltflncht selbständig zum
Zusammenschlnss und gemeinsamen Leben nach der Benedictiner-
regel geftlhrt Freilich waren dann diese spontanen Bildungen
von Frankreich ans nicht unberührt geblieben. Auch in Italien
hatte der wiedererwachende religiöse Sinn naeh einem con-
439
formen Ausdraeke gesucht Hier tand das Eremitenleben zahl-
reiche Vertreter; in den oberitalienischen Episcopaten hatten
dagegen die Bischöfe wieder zur Benedictinerregel gegriffen.
Verfolgt man die Geschichte einzelner Klöster, so kann
man unmöglich annehmen, dass eine dieser Richtungen damals
stark exclusiv gewesen sei. Mönche yersehiedener Herkunft,
Achte yersehiedener Schulen wirkten da öfter neben- und nach-
einander. Eine Centralisation ist wohl von Gluni hier und da
versucht, in kleinem Massstabe auch dnrchgeftthrt worden: die
grosse Masse der Klöster erhält — namentlich am Anfang —
Aebte und Mönche vom Mutterkloster, dann verschwindet jede
Verbindung. Erst Odtlo hat mit Bewosstsein begonnen, die
reformierten Abteien durch ein festeres Band an das Mntter-
kloster zu knüpfen.
Die Reform hatte sich zuerst in voller Freiheit vollzogen;
man war zufrieden, wenn man die Hauptttbel beseitigt hatte,
den Privatbesitz und den Fleischgenuss, in nebensächlichen
Dingen war man offenbar nachsichtig. Das sicherte zunächst
den Erfolg im grossen, hinderte freilich eine constante Ent-
wicklung. Die Aebte behielten meist Selbständigkeit; nach
ihrem Tode hatten die Brüder das Recht der freien Abtwahl.
Auch Laien, Burg- und Lehnsherren gewannen wieder Einflnss,
und man konnte ein Menschenalter später mitunter die Sisyphus-
arbeit von neuem beginnen. Das war im Anfang namentlich
in vielen Fällen der Verlauf, da die einzelnen Stifter in ihrer
Umgebung nicht den genügenden Rückhalt fanden ; sie erlagen
bald wieder den localen Gewalten. In steigendem Masse be-
festigten sich dann die Verhältnisse. In dem diehtmaschigen
Netze wurden die einzelnen Glieder stärker zusammengehalten,
als durch die lockeren Fäden am Anfange. Aber immerhin
war doch von einer vollen Sicherheit keine Rede. In Lothringen
und rechts vom Rhein sind alle Anzeichen dafür, dass die Re-
formen Poppos von Stablo ein Schlag ins Wasser waren. Man
ordnete hier, griff dort gelegentlich ein; was dann geschah,
wusste niemand.
Ist diese Darlegung zutreffend, dann ergiebt sich auch,
dass von Cluniacensern in einem Sinne, der alle jemals von
Clnni beeinflnssten Institute umfasst, nicht die Rede sein kann.
Wenn Rodulfns Glaber dem Papste in dem Augenblicke das
440
Reeht bestreiten darfte, gegen den Willen des DiOeeBanbisehofiB
in dessen Diöeese geistliche Handlangen yorzonehmen ^), in
dem Flenry und Clnni ftir dieses Recht stritten, wenn Poppo
von Stablo flir eine nneanonische Ehe eintrat, die Sigfried yon
Gorze entschieden bekämpfte, so sieht man, dass selbst in prin-
zipiellen Fragen eine darchgängige Uebereinstimmung fehlte.
Gleichwohl ist kein Zweifel, dass die Führer der Bewegung
sich als solidarisch betrachteten 2), dass Odilo ebenso mit Wil-
helm von D\|on, wie mit Abbo von Flenry zusammenarbeitete,
dass sie eine gemeinsame Idee vertraten und auch in den
Grundfragen zusammengingen.
Werfen wir die Frage auf, inwieweit das Cluniacensertum
— um so in aller Etirze die Gemeinschaft der Führer des
französischen Mönchtums zu bezeichnen — einheitliche Ge-
sichtspunkte vertrat und inwieweit diese Gesichtspunkte ge-
rade dieser Richtung eigentttmlich waren.
IL
Man stimmt darin ttberein, dass die kirchengeschichtliche
Entwicklung, wie sie sich seit dem Untergang des Karolinger-
reiches vollzieht, in der Persönlichkeit und den Ideen Gre-
gors VII. gipfelt. Wer deshalb in grösserem Zusammenhange
kirchliche Strömungen des zehnten und elften Jahrhunderts
schildert, wird das Verhältnis derselben zu den Bestrebungen
dieses Papstes betonen müssen; und wer eine Reformbewegung,
wie die cluniacensische, behandelt, aus der Gregor hervor-
gegangen sein soll, wird ganz besonders zu zeigen haben, wie
diese Tendenzen sich zu denen Hildebrands verdichteten, er-
weiterten, wie weit sie den letzteren gar widersprachen.
Drei Hauptgedanken lässt die Wirksamkeit Gregors er-
kennen: die Idee einer universalen, von Rom aus geleiteten
Kirche, die Idee der Superiorität alles Geistlichen über das
Weltliche, die Idee einer von Lastern freien, einzig und allein
dem Dienste der Kirche geweihten Geistlichkeit: Gedanken,
') Hist. II, 0. 4, § 6. Man sieht, was seine Aeusserungen über Kon-
rads uncanonische Ehe dann zur Characteristik der Cluniacenser fUr einen
Wert haben und wie Unrecht man thut, die Gegensätze zu Übertreiben.
«) Vgl. Bd. I, 299; H, 218.
441
die keineflwegs neu waren, die aber in ein System gebracht
und consequent in die Praxis umgesetzt, auch in anderen
Zeitlänften umwälzend hättep wirken müssen. Welche Beden-
tnng hatte die olnniacensische Reformbewegnng Air die Ent-
wicklung dieser Ideen?
Die römische Universalherrsohaft hatte sich aus der Ehren-
stellung entwickelt, die man dem Bischof von Rom, der alten
Welthauptstadt, zugestand, und aus dem Anspruch, den dieser
erhob, als Nachfolger Petri in alle dessen Rechte einzutreten.
Diese Uniyersalherrschaft war aber seit Jahrhunderten mehr
eine Forderung als ein erworbenes Recht gewesen, sie war
stets insoweit zur Geltung gekommen, als die Individualität
des Trägers der Tiara und die materiellen Mittel, über die er
verfttgte, den Anspruch auf die Oberhoheit über alle Kirchen
förderte. Seit Pippin und Karl dem Grossen trat das Papst-
tum als dritte anerkannte politische Weltmacht neben dem
oströmischen und dem von Karl erneuerten weströmischen
Kaisertum auf: mit der Emancipation von Byzanz bewegten
sich die Ansprüche Roms in aufsteigender Linie. Was sie för-
derte, war die Schwäche der weltlichen Centralgewalt des
Westens, die Notwendigkeit an Stelle des königlichen Schutzes
den des Papstes aufzusuchen, während des Zerfalls des Franken-
reiches die Einheit der Kirche aufrecht zu erhalten. Als dann
das Papsttum seit der Wende des neunten Jahrhunderts seine
politische Selbständigkeit nicht behaupten konnte, als der
Papst durch die lokalen Adelsgewalten Roms zu einem klei-
nen Landbischof herabgedrückt wurde, seine Würde eine
Sinecure einzelner römischer Familien, eine Zeitlang erblich,
dann wieder bestritten , da war von der Machtfölle eines Nico-
laus und den Forderungen der falschen Decretalen wenig mehr
übrig. Nur hier und da schien man sieh des römischen Bischofs
noch zu erinnern ; rein geistliche Functionen übte er wohl wei-
ter, aber die grossen politischen Umwälzungen vollzogen sich
ohne seine Teilnahme. Die italienische Politik der Ottonen
brachte das Papsttum zwar wieder in unmittelbare Berührung
mit der grossen Weltpolitik und ihren Trägem, vermochte den
römischen Stuhl jedoch auf die Dauer der Adelsherrschaft
nicht zu entreissen, noch weniger för geeignete KirchenfÜrsten
zu sorgen. Es war die Frivolität und Gewinnsucht der römi-
442
sehen jeunesse doräe, die aieh damals anf dem apostoKseheii
Sitze breit maehte.
Unter dieaen Umständen hatten die Bisehöfe and nament-
lich die Metropolitane der einzelnen Länder eine fast selb-
ständige Stellang erworben. Sie bestritten keineswegs dem
Papste die Oberherrschaft ttber die Kirehe, das hlk^hste Richter-
amt, das Recht za binden and za lösen. Die theoretisehen
Grandlagen des römischen Vorrechts waren aach für sie nicht
anfechtbar J) Aber sie wollten einmal ihre Geltang abhängig
machen von der Würdigkeit des Trägers dieser Gewalt; sie
stellten ferner den Satz aaf, dass der Papst nicht das Recht
habe, willkürlich in die Diöcesanrechte anderer einzugreifen ^),
sie verlangten, dass die kirchliche Strafgewalt nicht vom Papst
zaro Schaden der Disciplin willkürlich darchbrochen werde.
War nach der Theorie Pseado-Isidors der Papst die Qaelle
alles Rechts, so stand nach der Ansicht der Gegner die Pyra-
mide der Hierarchie anf der breiten Basis der Episcopal-
gewalten.»)
Man kann nicht bestreiten, dass diese Vorstellnng die im
Gleras allgemein vertretene and in Anwendung gebrachte war,
dass die Metropolitane von Rom fast anabhängige Kirchen
leiteten. Die anbedeatenden Bestätigungsrechte, die man Rom
einräamte, and die theoretische Anerkennang seiner Herrsehaft
hatten doch nar den Wert von Ehrenrechten, wenn man bei
jeder Gelegenheit, wo der Papst seinen eigenen Willen znr
Geltang brachte, sich gegen ihn erhob. So unabhängig sich
aber anscheinend die Landeskirchen bewegten und entwickel-
ten, so fehlten doch die Kräfte nicht, die allmählich den festen
Boden der episeopalen üerrschaften unterminierten, die dem
römischen Einfluss ausserhalb Italiens in steigendem Masse
Eingang verschafften, die in den Zeiten des Verfalls der päpst-
lichen Macht einen Faden nach dem andern nach der Haupt-
stadt der Christenheit spannen.
Nach dieser Richtung war die Entwicklung des französi-
schen Mönchtums, der cluniacensisohen Bewegung von grosser
») Vgl Bd. 1,279; 11,29.
«) Rod. Glaber II, c. 4, § 6.
») Bd. I, J80.
443
Bedeatang. Fttr die Mönohe als Vertreter der Seligion hatte
Rom immer noeh als Stadt der Apostel auf fromme Ver-
ehmng Anspmeb. Sie sachten die heiligen Stätten orationis
gratia auf und sehrieben diesen Pilgerfahrten einen hohen
Wert fUr das Seelenheil za. Alle hervorragenden Aebte dieser
Zeit haben solche Reisen ans religiösen Gründen unternommen
nnd, wo sie aas andern Rücksichten Rom anfsnehten, nicht
anterlassen, an den geweihten Orten ihre Andacht za ver-
richten. Keiner, der anf Frömmigkeit Ansprach machte, durfte
es versäumen 9 nach Rom zu ziehen, und kaum konnte ein
Biograph die Verehrong ftlr einen Helden herauszufordern
hoffen, wenn er nicht von einer Romreise zu berichten wusste.
Auch Laien zogen, seit Oerald von Aurillac durch seine vielen
Romreisen sieh einen Anspruch auf Bewunderung und Ver-
ehrung erwarb, in steigendem Masse als Pilger in die Stadt
der Apostel, fast jährlich Wilhelm V. von Aquitanien. Es war
die Wirkung mönchischen Einflusses; man war auf dieser Seite
deshalb sehr wenig entzückt, als die Pilgerfahrten nach dem
heiligen Lande die Romfahrten zu verdrängen begannen.^)
Aus religiöser Ueberzeugung von der Nachfolge Petri hielten
die Mönche femer an der Binde- und Lösegewalt fest und
begründeten damit die Universalherrsehaft der römischen
Kirche. Für Abbo von Fleury ist Rom der Gipfel der Kirche,
die römischen Decrete bindend fttr die gesamte Hierarchie J)
In den Kämpfen der Aebte von Fleury gegen die Bischöfe
von Orleans, in denen Glnnis gegen den Bischof von Mäcon,
in dem (regensatz Wilhelms von Dijon gegen Johann XIX, als
er im Begrifif war, anf den Titel Universalis Ostrom gegenüber
za verzichten, kommt immer wieder der von cluniacensiseher
Seite vertretene Satz zum Vorschein, dass das Recht zu binden
and zu lösen auf der Herrschaft Petri rahe, dass die in sei-
nem Namen erlassenen Bestimmungen kritiklos anzanehmen
seien.3)
Die Vorstellang von der universalen Gewalt Roms hat dann
die vielen Schutz Verhältnisse hervorgerufen, in denen Cluni
») Bd. 1,281.
«) S. oben S. 86. 173. 193 ff.
") So verbietet Abbo seinem Schüler Bemard nach Jerusalem iiW
gehen, gestattet ihm aber nach Born za pilgern.
444
nnd die anderen grösseren Beformklöster zu Rom standen.
Sowohl den Bisehöfen als Laien gegenüber, die ihre Freiheiten
und Rechte beeinträchtigten, riefen die französischen Aebte be-
ständig den römischen Schatz an. Mit aller Energie vertraten
sie den Satz von der Gültigkeit aller Papstdecrete dem Epi-
scopat gegenüber and führten damit eine Discassion herbei,
die stets zam Vorteil des apostolischen Stahles ablief. Rom
schützte sie und sie verteidigten die universalen Rechte Roms
in den Kämpfen , die sie für die Unabhängigkeit ihrer Institute
zu bestehen hatten : so war das Band geschmiedet, das sie mit
den Trägem der apostolischen Gewalt verknüpfte.
Hatte das Mönchtum somit das grösste Interesse an der
Machtentfaltang des römischen Papsttums, so ist es begreif lieh,
dass es eine Politik mit Teilnahme verfolgte, die den römischen
Stuhl aus der Gewalt der localen Laiengewalten zu befreien
und zu höherem Ansehen zu erheben bestrebt war. Von dem
Eingreifen Ottos I. zu Gunsten Johanns XIU. an begleiteten die
Cluniacenseräbte jeden ähnlichen Schritt der deutschen Kaiser
mit ihrem Beifall. Sie waren dabei, als Gregor V. an Stelle
Johanns XV. trat, sie fehlten nicht, als es galt, Benedict VIII.
gegen die Crescentier zu schulden, und begrüssten die That
Heinrichs III. mit unverholener Freude. Kirchenrechtliche Be-
denken gegen die Beteiligung der weltliehen Fürsten kamen
für sie gar nicht in Betracht, ebenso wenig handelte es sieh
hier um Reformen in bestimmtem Sinne, nur zugänglich sollte
der römische Papst sein, unabhängig von den Gewalten, die
nach Belieben Bischöfe erhoben und stürzten, wilde Kämpfe
in den Strassen der Stadt aufführten und die Rompilger aus-
plünderten.
Darin bestand ihre ganze Politik Rom gegenüber. Auf
religiösen Anschauungen beruhte der Gedanke von einer uni-
versalen Kirche mit Rom an der Spitze. Practische Bedürf-
nisse führten dazu, diese Idee laut zu vertreten und die
Gültigkeit aller Papstdecrete zu verteidigen. Der Wunsch,
Päpste zu haben, die ihnen den nötigen Schutz gewähren
könnten, führte zur Unterstützung einer Politik, wie sie die
deutschen Kaiser verfolgten.
Es liegt auf der Hand, dass hierin zwar eine verständ-
liche Entwicklung liegt, aber kein System. Die Papstdecrete
445
haben allgemeine Otültigkeit — wie aber, wenn die Päpste flie
gegen ihre Besebützer, die Kaiser, selbst richten? Es ist höchst
interessant, wie das Rechtssystem Abbos von Flenry denselben
ungelösten Widerspruch aufweist Nach ihm haben die päpst-
lichen Verordnungen fUr die ganze Kirche Gültigkeit. Auf der
andern Seite ist der König Herr über alle seine Unterthanen,
auch die Bischöfe, die ihm Gehorsam schulden: seine Bestim-
mungen haben auch für die Kirche innerhalb des Reichsgebietes
geltende Kraft. Dieser Mangel an scharfer Begrenzung der
Rechtssphäre beider Gewalten ist nun das Characteristische
in den kirchenpolitischen Anschauungen der Cluniacenser über-
haupt Es beweist das, wie weit sie von Canonisten, wie
Wazo und Hildebrand, entfernt sind.^ Das Cluniacensertura
kämpft von einem religiösen Boden aus ohne scharf getrennte
Begrifife ftlr die verschwommene Vorstellung eines friedlichen
Zusammengehens beider Gewalten. Man brauchte die weltliche
Macht viel zu sehr, um Ideen zu entwickeln, die auf eine
völlige Emancipation von ihr hinzielten. Wovon die Mönche
ausgehen, sind Vorstellungen, die in ihrer weiteren Entwick-
lung nicht zu Gregor VII, sondern seinen Gegnern Hugo von
Fleury und Sigebert von Gembloux filhrten. Wie schon die
Meinung Abbos von Fleury eine starke Neigung zur könig-
lichen Gewalt Tcrrät, so stehen Hugo von St Maria und Sige-
bert, die doch beide auf dem Boden des von Gluni beeinfluss-
ten Klosterwesens aufwuchsen, im Banne royalis tischer An-
schauungen. Mit nichts weniger als freundlichen Mienen sah
man in Cluni Hildebrand den römischen Stuhl besteigen.^)
III.
Gehen wir zu der Frage über, wie weit das Cluniacenser-
tnm an der Bekämpfung der Misstände, die in der Kirche
hervorgetreten waren, arbeitete, wie weit diese Bekämpfung
einen spezifischen Character trägt
Seit den Reformsynoden des neunten Jahrhunderts war
die Simonie, der Erwerb geistlicher Aemter durch Geld und
') Ich betone hier, dass auch Abbo von Fleury den Pseudoisidor
schwerlich im Original gekannt hat; vgl. unter den Nachtriigen.
>) Man vgl. die Briefe I, 6. 12 im Register Gregors VII, Jaff(g S. 15
und 81, femer die tadelnden Briefe VI, 17, S.351; VUI, ^, S.429.
440
EinflnRfl statt anf canonischem Wege, beständig verboteo wor-
den. Noeb auf der Synode von Hohenaltheim von 916 fehlte
das Verbot nicht, das zu einem festen Bestandteil aller Con-
oilsbescblQsse geworden war. In der Folgezeit borten alle
grösseren Synodalvereinignngen anf; die Laiengewalten be-
herrschten die Bischofsitze so ansscbliesslicb, dass jeder Zu-
sammenhang zwischen den Bischöfen der einzelnen Pronnzen
unterbrachen war und jeder ftlr sich zu sorgen hatte. Die
kirchliehe Gesetzgebung ruhte. Dass damals die Simonie
wenisrer stark war als im neunten Jahrhundert, ist nicht an-
zunehmen; höchstens überwog die rohe Gewalt noch die Aus-
übung der Simonie bei der Besetzung der Bischofsttthle und
Aemter; und in dem allgemeinen Chaos der Verhältnisse wäre
jede Stimme ungehört verhallt Von einer litterariscben Be-
kämpfung des Uebels ist kaum etwas zu spüren: ganz gelegent-
lich und ohne Betonung gaben die Cluniacenser in ihren Bio-
graphieen ihr Missfallen an dem Kauf oder Verkauf des
hl. Geistes zu verstehen. Doch zeigt sich, dass das franzö-
sische Mönchtum bei kirchliche Amtshandlungen, sei es, dass
die Beschaffung von Privilegien seitens der Curie in Frage
kam, sei es die Besetzung der Bistttmer und Abteien dnrch
die Könige oder die Weihen der Geistlichen von Seiten der
Uischüie und höheren Cleriker, überall die Habsucht der Geld-
nehmer verurteilte. Man beklagte sich, wie Majolus, Wilhelm
von Dijon und Abbo von Fleury thaten, über die Geldgier der
Curie, der letztere trat sogar energisch gegen den Aemterkanf
auf, allerdings in einer Schrift, die keinen andern Zweck hatte,
als den Weltclerus am französischen Hofe anzuschwärzen. ■)
Am lebhaftesten eiferte Rodulfus Glaber, freilich kein spe-
zifischer Vertreter des Cluniacensertums. Sein Lieblingsge-
danke ist, dass die Simonie Schuld sei an den Hungersnöten
und Seuchen, die im Anfang der dreissiger Jahre — um das
tausendste Jahr der Passion — in Frankreich wüteten. In
der erdichteten Rede, die er Heinrich HL in den vierziger Jah-
ren halten lässt, kommt derselbe Gedanke zum Ausdruck, zu
einer Zeit, in der wieder schwere Notstände Frankreich be-
drängten.'^)
») S. oben S. 25. ^) Vgi. Kuypers S. 64.
Betrachtet man diese verBchiedenen Aenssernngen franzö-
siseber Mönche über die Simonie, so wird man nicht zweifeln,
dass ihre tiefe Religiosität sie in Gegensatz gegen den simo-
nistischen Erwerb der Gnade des hl. Geistes brachte nnd dass
sie darin einen schweren Schaden der Kirche erblickten, aber
wir yennissen im Gegensatz za den streitbaren Geistern Ita-
liens, wie Rather, Atto, Romnald, Gnido, Petrus Damiani, die
doch völlig selbständige Individnalitäten waren, jede active
nnd agitatorische Bekämpfung des Uebels. Die Achte von
Fleury wurden in Abhängigkeit vom französischen Hofe er-
hoben i) und noch Hugo von Cluni war nicht ganz frei von
dem Verdachte der Simonie. Der Kampf gegen die Simonie
ging von den italienischen Verhältnissen aus und fand in
Italien die energischsten Vertreter. Von dieser Seite ist Hein-
rich III. gewonnen worden.
Was die Verheiratung von Geistlichen betrifft oder ihr
Zusammleben mit Weibern, so hat es ebenso wenig der Clunia-
censer bedurft, um die Bekämpfung derselben zu inscenieren.^)
Nicht nur im neunten, das ganze zehnte Jahrhundert hindurch
wurden Beschlüsse gegen die Priesterehe und die Unkeusch-
heit des Clerus erlassen: vor der Gründung Clunis und nach
der Gründung Clunis, in Deutschland, Frankreich, wie in Ita-
lien, ohne dass wir den leisesten Grund hätten, eine Agitation
der Cluniaeenser anzuehmen. Selbstverständlich nahmen sie
lebhaftes Aergemis an diesen Dingen, wie Abbos von Fleury
Aeusserungen zeigen, die wieder gegen den Weltclerus im allge-
meinen gerichtet sind; aber doch nicht mehr als jeder fromme
Kirchenmann, gleichviel welcher Richtung. Auch in der Be-
handlung der verheirateten Cleriker oder ihrer Kinder ist gar
kein Unterschied zu merken: der mönchsfreundliche Adal-
bero II. von Metz nahm, wie der Abt Constantin an ihm
noch rühmt, gar keinen Anstand, Priestersöhne zu ordinieren,
was andere streng verwarfen. Das Vorgehen gegen die Ehe
>) In ganz seltenen Fällen wnrde in Stiftangsurkanden für Klöster
Simonie bei Erwerbung der Abtwttrde ausdrücklich abgewiesen, so fttr
Fruttuaria (oben S. 4) nnd Bargeuil (S. 64).
') Man bat nur nütig, den 4. Band von Hefeies GoncilieDgescbicbte
durchzusehen.
') z. B. ConcU. Bitnric. c. 8.
448
der Geistlichen hatte aber ttberbaapt neben den religiösen zn
einem wesentlichen Teil rein practische Gründe. Es ist oben
darauf hingewiesen worden^), wie es sich namentlich darum
handelte, die Kinder unfreier Cleriker in der Leibeigenschaft
der Kirchen zn erhalten: dabin zielten die Massnahmen Leos
Yon Vercelli, Heinrichs II, Benedicts VIIL Erwägt man end-
lich, dass in den Biographieen der Cluniacenseräbte anch nicht
ein einziges Mal einer Agitation gegen die Priesterehe gedacht
wird, so werden wir den Gedanken aufgeben müssen, dass
sie nach dieser Richtung hin besonders gewirkt hätten. Sie
haben wie in vielen andern Dingen beigetragen zur Schärfang
der Gewissen, sie haben grosse Kreise kirchlichen Gesichts-
punkten zugänglich gemacht, aber es ist unbeweisbar, dass
die Idee einer Reform der Geistlichkeit von ihnen ausging
oder yon ihnen agitatorisch vertreten wurde.
Man hat den Cluniacensem endlich einen starken Anteil
an dem Kampfe gegen die uncanonischen Ehen zogeschrieben.
Auch diese Annahme schwebt in der Luft. Ehen in der Ver-
wandtschaft sind immer verboten worden : in unserer Zeit waren
derartige Fälle unter Fürsten und Adeligen aber so häufig ge-
worden, dass die Bischöfe ihren Einfluss auf das Familienleben
und die häuslichen Verhältnisse der Laien wieder stärker zu be-
tonen wünschten. Zudem waren mit der Bekämpfung der ein-
zelnen uncanonischen Ehen stets politische Zwecke verbunden.
Wenn Gregor V. die Ehe Roberts IL anfocht, so stand die
Curie eben damals mit dem französischen Hofe wegen der Ab-
setzung Arnulfs von Reims im Kampfe. Heinrich IL forderte
die Lösung der Ehe seiner Gegner Konrad von Kärnthen,
Otto von Hammerstein und Konrad von Franken. Dass er
die Bischöfe auf seiner Seite hatte, versteht jeder, der die Ab-
hängigkeit der deutschen Kirche von der Krone kennt Abbo
von Fleury hat nun freilich als Agent der Curie Robert zur
Entlassung seiner Gemahlin aufgefordert, Rodulf Glaber hat
voll Hass gegen Konrad II. in den Lärm eingestimmt, den die
deutschen Bischöfe gegen dessen Ehe erhoben, Sigfried von
Gorze trat gegen die beabsichtigte Verheiratung Heinrichs III.
mit Agnes von Poitou auf, aber Poppe von Stablo hat
») S. 169 ff.
449
doch die uncanonische Verbindung des deutschen und franzö-
sischen Königshauses wenigstens gefördert. Aber mag das refor-
matorische Mönchtum auch, wie es zu erwarten war, oft bereit
gewesen sein, die Canones zu verteidigen, so wäre es doch
völlig verfehlt, in der Agitation gegen antikirchliche Ehen vor-
wiegend cluniacensisehe Einflttsse zu erblicken.
Erkennt man diese Gesichtspunkte an, so wird man auch
davon absehen müssen, gerade von cluniacensischen Ideen als
der Summe aller reformatorischen Bestrebungen jener Zeit zu
reden. Der Reformgedanke, auf so viele Gebiete er sich er-
streckte, hatte sehr verschiedene Wurzeln. Unter Heinrich U.
und Benedict VIII. fanden sieh schwerlich im cluniacensischen
Mönchtum die eigentlichen Agitatoren, und als Leo IX. das
Reformwerk unternahm, war sein Vorgehen das Product des
Zusammenwirkens mannigfacher Kräfte, von denen das Clunia-
censertum doch nur einen Teil repräsentierte, freilich jenen
wichtigen Teil, der dem Papste ermöglichte, in Frankreich
seine Wirksamkeit mit Erfolg zu eröffnen. Aber unbeweisbar
und ganz unwahrscheinlich ist es — denn in der ganzen Clunia-
censerlitteratnr findet sich davon ebensowenig als in der übrigen
Geschichtsschreibung, — dass das Cluniacensertum mit einem
bestimmten Reformprogamm in die Weltgeschichte eintrat oder
spezifische Forderungen agitatorisch durchzusetzen suchte. Es
war eine idealistische Richtung, unbestimmt und abstract, die
neben anderen mehr den Boden im Stillen vorbereitete, auf
dem concreto Wünsche zur Realität gelangen und practischere
Naturen wirken konnten, als dass sie im stände gewesen wäre,
auf feste Ziele hinzuweisen oder selbst Persönlichkeiten wie
Gregor VIL zu producieren.
IV.
Betrachten wir die Beziehungen Clunis zum deutschen
Reiche. Der Umstand, dajss die Kaiserin Adelheid Peterlingen,
die Stiftung ihrer Mutter, vollendete und Majolus zu dauerndem
Besitz übergab, legte den Grund zu dem engen Verhältnis, das
die Achte von Cluni seither zum deutschen Königshause hatten.
Schon Otto I. urkundete zweimal fttr Peterlingen, das im Elsass
Güter besass, vermutlieh in Italien 967 und 971. Die Urkunden
Sackur, Oluniacenaer. II. 29
450
sind jedoch verloren gegangen.^ Seit dieser Zeit Hessen die
Aebte von Clani sieb regelmässig unmittelbar nach Antritt der
deutschen Könige den Besitz anf deutschem Boden bestätigen.
Bereits am 25. Juli 973, also bald nach dem Tode Ottos I.,
erschien Majolus zu dem Zwecke in Aachen.^) Kurz vor seinem
Tode, am 15. Juni 983, stellte Otto IL ein neues Privileg für
Peterlingen aus.^) Die Minderjährigkeit Ottos Ili. hinderte Ma-
jolus jedenfalls, sich mit dem Könige in Verbindung zu setzen ;
aber Odilo benutzte seine erste italienische Reise, um sich im
Februar 998 vom Kaiser die elsässsischen Besitzungen Peter-
lingens bestätigen zu lassen/) Kaum war Heinrich IL König, als
Odilo im October 1003 wiederum erschien, um Peterlingen den
Schutz des Herrschers zu sichern^), und noch rascher erfolgte
die Bestätigung der Peterlinger Güter, als Konrad IL gefolgt
war, nämlich unmittelbar nach der Wahl des neuen Königs.^)
Eine Neuausfertigung bewirkte Odilo dann 1027, als die burgun-
dische Frage in ein neues Stadium getreten war.^) Beim Re
gierungsantritt Heinrich HI. erfolgte zum ersten Male, wenn
wir von Otto III. absehen, keine Bestätigung der Peterlinger
Besitzungen. Zufällig wissen wir auch, dass Peterlingen aus
der Gunst des Kaisers gefallen war, und da auch 1032 beim
Aufenthalte Konrads IL in Peterlingen keinerlei Gunstbezeu-
gung für Odilo erfolgte und die Beziehungen zum deutschen
Hofe von 1027 bis 1046 vollkommen ruhten, haben wir allen
Grund zu der Annahme, dass die Eroberung Burgnnds und die
Behandlung der burgundischen Stifter Peterlingen und Romain-
moutier durch die Deutschen die Entfremdung mit dem deut
sehen Hofe herbeigeführt hatte.^)
Beobachten wir auf der einen 8eite, mit welcher Eile die
Aebte von Cluni sich sofort nach Regierungsantritt der deut
sehen Könige und auch sonst Urkunden fllr Peterlingen aus-
stellen Hessen, bemerken wir, dass die Stellung der Könige zn
Peterlingen wieder den Bruch mit Cluni hervorrief, so ist die
Bedeutung Peterlingens fUr das Verhältnis zwischen den Aebten
und dem deutschen Hofe damit genügend gekennzeichnet.
>) S. Bd. I, 22, n. 4.
^) Bd. I, 283. >) I, 235. *) I, WM. «) II, 6. •) II, 187.
») U, 196. «) U, 237.
451
Weitere Beziehungen znm deutseben Hofe ergaben sich
aus dem Verhältnis zu Italien. Seit der Eroberung durch die
deutschen Könige sind folgende italienische Reisen der Glunia-
censeräbte bekannt Majolus war 967, 971 bis 972, 980, 983,
987, Odilo 998, vielleicht 1001, 1004, 1014, 1027, 1046/1047 jen-
seits der Alpen. Freilich sind öftere italienische Reisen nicht
ausgeschlossen, da wir häufig aur zufällig der Anwesenheit des
deutschen Königs die Erwähnung der Reise und der Person
des Majolus oder Odilo verdanken. Soweit wir aber ein Urteil
haben, fallen die römischen Reisen der cluniacensischen Aebte
regelmässig mit denen der deutsehen Kaiser zusammen. Nur
987 war der deutsche Herrscher nicht gleichzeitig dort. Selbst-
verständlich ist das kein Zufall; erinnern wir uns ferner, dass
Odilo auch 1007 und 1012 in Deutschland war, jedesmal zu
einer Zeit, als die Romfahrt auf der Tagesordnung stand, so
liegt das Interesse an den Romreisen der Kaiser deutlich
zu Tage.
Fragen wir nach den GrUnden, weshalb die Aebte von
Gluni regelmässig die italienischen Züge der Könige zum An-
lass nahmen, uro ebenfalls über die Alpen zu gehen.
Die Cluniacenser hatten in Oberitalieu Grundbesitz seit
dem Jahre 967J) Das Kloster St. Peter, später St. Majolus bei
Pavia gehörte ihnen, und Otto I. hatte diesen Besitz vermehrt.
Mit Unterstützung des Kaisers und der Kaiserin hatte Majolus
die Abteien S. Salvator und S. Peter Ciel d'oro bei Pavia und
S. ApoUinaris in Classe reformiert. Während wir über die letz-
tere nichts mehr hören, trat Odilo noch einigemal als Inter-
venient ftir Ciel d'oro am deutschen Hofe auf, 998 und 1012.
Für St. Majolus intervenierte er 999 in Rom. Auch 1004 weilte
Odilo in demselben Paveser Kloster. S. Salvator stand ihm
ebenfalls weiter nahe; denn dem Abte desselben, Andreas, wid-
mete er die Biographie der Kaiserin Adelheid. Erinnern wir
uns, dass Odilo zweimal, 1004 und 1027, zu Gunsten der Pa-
veser bei den deutschen Kaisern intervenierte, so wird die Vor-
stellung in uns befestigt, dass die Cluniacenser hier in der
lombardischen Hauptstadt sich ein Standquartier und gute
>) I, 222 flF.
29*
452
Freunde geschaffen hatten, dass die nicht selten feindlichen
Beziehungen der deutschen Herrscher za den Lombarden in
ihnen den Wunsch erregten, ihren Einfluss bei den Kaisern
zu Gunsten der letzteren in die Wagschale zu weifen. In
erster Reihe musste die Rücksicht auf ihren oberitalienisehen
Besitz sie dazu führen, dem deutschen Heere in Oberitalien zu
begegnen. In der That war Majolus 967, 971, 980, 983, 987,
Odilo wahrscheinlich Ende 997, sicher 1004, 1014, 1027 in der
Krönungsstadt der Lombarden. In den meisten Fällen stiessen
sie hier zum deutschen Heere.
Neben der Rücksicht auf ihren oberitalischen Besitz iUhr-
ten die Cluniacenseräbte die römischen Beziehungen häufig zu
einer Zeit nach Italien, als die deutschen Könige ebenfalls
über die Alpen zogen. Die Kaiser traten überall als die Be-
schützer der Päpste auf, züchtigten den aufständischen römischen
Adel und machten mitunter den römischen Stuhl für Bittsteller
erst zugänglich. Sie liehen denen, denen sie näher standen, wie
den Cluniacensern, ihre Fürbitte. Steht es fest, dass derartige
Romfahrten der Kaiser immer eine grosse Zahl von Fürsten
und Geistlichen aller Länder nach Rom zogen, so begreift man,
dass das Cluniacensertum gern die Gelegenheit ergriff, alte
Beziehungen aufzufrischen und neue anzuknüpfen, erwägt man,
dass bei der Unsicherheit der Strassen und des Aufenthaltes in
der Hauptstadt die deutschen Heerscharen Schutz gewährten,
so versteht man, dass Aebte und Mönche gerade die deutschen
Romfahrten benutzten, um ihre Geschäfte am Hofe und an
der Curie zu besorgen. Man erledigte dann viele Angelegen-
heiten mit einem Schlage: man ging die Päpste und Kaiser
um Privilegien an, man erschien auf den grossen Festen, der
Hochzeit Ottos II, der Krönung Heinrichs II, Konrads II. und
Heinrichs III, man sass in den Reichs Versammlungen und
Synoden unter den Geistlichen, und je nach dem Eiofluss, den
man hatte, konnte man sein Wort in die Wagschale werfen.
Man braucht gar nicht an ein bestimmtes Programm, an be-
stimmte Absichten zu denken, um zu verstehen, dass die viel-
fach interessierten Prälaten bei diesen Fürstencongressen nicht
fehlen mochten.
Es hatte sich zudem ein wahrhaft intimes persönliches
Verhältnis zwischen den deutschen Kaisem und den Aebten
453
von Clnni herausgebildet, seit Adelheid za Majolas dnreh Peter-
liugen in engere Beziehungen getreten war. Die Begünstigung
des Mönehtums war so reeht eine Sache der Frauen. Wie
später Gisela und Agnes von Poitou, that Adelheid ihr Bestes
fttr die Fortsehritte der Cluniaoenser in Pavia, der Residenz
ihres ersten Gemahls Lothar. Sie brachte Majolus dann Otto
dem Grossen nahe; er wurde zu einem Freunde der kaiser-
liehen Familie. Er durfte bei der Hochzeit des jungen Prinzen
nicht fehlen, er musste eigens nach Pavia kommen, um die
Spannung, die später zwischen Otto II. und seiner Mutter ein-
getreten war, auszugleichen. Er hatte Gelegenheit, auf der
letzten Reichsversammlung zu Verona dem Kaiser die Fort-
setzung seiner bisherigen unteritalischen Politik zu widerraten.
Majolus vererbte seine Stellung zu Adelheid dem Nachfolger.
Wir wissen, wie nahe ihr Odilo in den letzten Lebensjahren
stand, wie er als ihr geistlicher Berater erschien, wie er ihren
Sturz und die Herrschaft der Theophano, wie er die bedenk-
lichen Neigungen Ottos III. beklagte. Heinrich II, der sich
als Erben der Ottonen betrachtete, trat auch in die persön-
lichen Beziehungen zu Odilo ein. Beide tauschten Geschenke,
Odilo erschien öfter in des Kaisers Umgebung und wohnte
vielleicht seiner Beisetzung bei.*) Odilo mochte mit Sicherheit
hoffen, dieselbe Stellung bei seinem Nachfolger zu behaupten.
Es hatte auch zuerst den Anschein, bis die Eroberung Bur-
gunds dem freundlichen Verhältnis ein Ende machte.
Treten wir nun der Frage näher, wie weit diese Bezie-
hungen zum Reiche zu einer Einwirkung der Cluniacenser auf
die Politik desselben führten.
Es ist klar, dass eine solche zunächst sieh in der Ueber-
tragung von Reichsklöstern auf Cluniacenseräbte geäussert
haben mttBste. Nun steht es aber fest, dass weder Majolus
noch Odilo, noch selbst Richard von St. Vannes je in den Be-
sitz von reichsunmittelbaren Stiftern gelangten. Hier giebt es
nur eine Alternative: entweder sie mochten sie nicht oder sie
konnten sie nicht erhalten. Meines Erachtens lag die Sache
>) Es ist das sehr wahrscheinlich; die Anwesenheit bei Konrads
Wahl wUrde sich dann um so leichter erklären.
454
so, dass die Aebte strengster Observanz gar nicht daran denken
konnten, Reicbsabteien zur Leitung zn übernehmen.
Die Reichsäbte waren genötigt, dem Reiche mit ihren
Mitteln zu dienen und mit ihrem Aufgebot in den Krieg zu
ziehen. Sie mussten für die Klöster dem Könige durch einen
Eid huldigen. Die Cluniacenser dagegen verwarfen nicht nur
den Eid, sondern vertraten auch den Grundsatz vollster Frei-
heit und Autonomie, den Grandsatz, dass Geistliche, am wenig-
sten Mönche, sich mit weltlichen Dingen zu beschäftigen hätten.
Es ist interessant, dass das einzige Mal, da eine Reichsabtei,
nämlich Breme, an einen Schiller Odilos, Feinen gleichnamigen
Neffen, kam, dieser bald abgesetzt wurde, als er dem Kaiser
den Gehorsam verweigerte, und, gefangen genommen, erst frei-
gelassen wurde, als er dem Bischöfe von Como, der die Abtei
erhielt, den Eid geleistet. Erinnern wir uns schliesslich, dass
der Bruch zwischen Cluni und dem deutschen Hofe wahrschein-
lich deshalb erfolgte, weil Konrad und Heinrich HI. die könig-
lich burgundischen Abteien Peterlingen und Romainmoutier in
die Pflichten der Reichsklöster nehmen wollten. Wie stellt es
nun aber mit Poppo von Stablo, der doch mehrere Reichs-
abteien zeitweise leitete? Wir wissen, wie erzttrnt Abt Richard
war, als der Mönch hinter seinem Rücken die Reichsabtei Stablo
annahm: man wird nicht fehl gehen in der Vermutung, da&s
hierin ein Bruch mit den strengen Traditionen des Gluniacenser-
tums lag. Aber wir gehen noch weiter. Drei Jahre später er-
hielt Poppo St. Maximin, kurz nachdem Heinrich II. dem Kloster
einen Teil des Besitzes weggenommen und einigen Grafen gegen
die Verpflichtung des Kriegsdienstes zu Lehen gegeben hatte.
Dieser Act war nun kaum gegen den alten Abt Haricho ge-
richtet — mochte das vorgegeben worden sein oder nicht — ,
sondern vermutlich erfolgt, um Poppo von den Reichsdiensten
zu befreien.^) Limburg ist kaum je in Poppos Hand ge-
wesen; er hat eben nur die Einrichtungen getrofl'en und
*) lieber diesen Act vgl. Bresslau, Königs- und Papsturkunden für
das Kloster St. Maximin bei Trier, Westd. Zs. V ( 1 8S6), 46 und Joerres,
Die 6650 Hufen der Abtei St. Maximin, Westd. Zs. VIII (1889), 237, die
oben schon hätten citiort werden sollen. Sollte sich unsere Vermutung
bestätigen, so hätten wir darin das Vorspiel zu jener Lösung der In-
vestiturfrage, wie sie im Jahre HU versucht wurde.
455
ebenso wirkten in den andern ReicbsBtifliem nnr SQine Schü-
ler. Aber damit traten sie eben aus dem Rahmen des spezi-
fischen Climiacensertums heraus: eine Entwicklung, die un-
möglich das Ziel des Majolus, Odilo oder Richard gewesen
sein kann.
Somit scheint klar, dass das cluniacensische Klosterwesen
in seiner idealen Gestalt sich in keiner Weise mit der deut-
sclien Klosterpolitik vertrug. Ebenso wenig war die Ueber-
nahme von Reichsbisttimern durch die Führer der Reform-
bewegung möglich: darum lehnten Odilo, Richard, Poppe ab,
darum nahm Halinard nur mit dem grössten Widerstreben und
unter der Bedingung, nicht schwören zu dürfen, an. Sind diese
Darlegungen zutreffend, so konnte das Cluniacensertum so
lange nicht hoffen, im Reiche Einfluss zu gewinnen, als hier
die finanzielle und militärische Kraft auf den Leistungen der
Kirche beruhte. Stellt man sich dann das Verhältnis Odiles
zu Heinrich IL vor Augen, der trotz seiner Freundschaft gegen
den Abt für die Ausbreitung und Unterstützung seiner Bestre-
bungen gar nichts gethan hat, so wird es klar, dass hier nur
persönlich-geistliche Beziehungen vorlagen, die einem poli-
tischen Einfluss des Abtes kaum irgendwelchen Spielraum ge-
währten. Man könnte höchstens annehmen, dass die Exemtion
des Bistums Bamberg und die Stellung desselben unter Rom
auf cluniacensische Einflüsse zurückzuführen seien. Keiner der
zunächst folgenden Kaiser ist von dieser Reichskirchenpolitik
abgewichen und konnte von ihr abweichen i): nach dieser Rich-
tung — in Bezug auf die Verbreitung ihres spezifischen Kloster-
wesens — konnte es den Cluniacensern daher ziemlich gleich-
gültig sein, wer nach Heinrich IL auf dem deutschen Throne
sass, vorausgesetzt, dass der Besitz auf Reichsboden und ihre
burgundischen Klöster nach dem zu erwartenden Heimfall Bur-
gunds geschützt wurden und der neue König auch in Bezug
auf die italienische Politik nicht völlig neue Wege einschlug.
Dass Odilo Gründe gehabt haben könnte, Konrad den Aelteren
^) Konrad IL allerdings insofern, als er die kleineren Lehen fUr erb-
lich erklärte. Hierin lag m. £. der Griiud für die spätere Zerrüttung der
Kirchen und flir den Zwang, durch Simonie einen Teil des Staatshaus-
halts zu bestreiten. Aber das kann nicht im Interesse Clunis gelegen
h^ben.
456
weniger gern anf dem deutschen Throne zu sehen, als den
jüngeren Vetter, ist nicht za erkennen.
Aber wenn die Reichsklöster auch einer Richtang wie der
Odilos verschlossen blieben, so gab es doch vielleicht andere
Wege, am die gleichen Bestrebungen in Deutschland zur Gel-
tung zu bringen. Wir werden dadurch anf die Frage geführt,
wie weit das französische Mönchtum im Reiche überhaupt anf
Förderung und Anerkennung zu rechnen hatte.
Wir constatieren zunächst die Thatsache, dass bis zur
Wahl Konrads II. und noch lange nachher i) jede Spur von
Beziehungen zu Cluni ausserhalb Lothringens fehlt. Diese ein-
fache Thatsache schliesst von vornherein aus, dass die clunia-
censische Bewegung eine freie Strömung war, der sich beliebig
der eine oder andere deutsche Bischof anschliessen konnte.
Da das niemals geschehen ist, folgt mit zwingender Notwendig-
keit, dass das Kriterium der anticluniacensischen Gesinnung
auf ausserlothringische Bischöfe von vornherein nicht anwend-
bar ist. Franken, Sachsen, Baiern, Schwaben fallen ans dem
Bereich unserer Betrachtung. Die Mönche freilich mochten
sieh heftig gegen die ttberrheinische Klosterzucht und Mönchs-
tracht wehren: aber eben gerade weil man gar keinen Versuch
machte, sie umzuwandeln, erhellt schlagend, dass die ganze
Bewegung über eine locale Bedeutung nicht hinauskam und
dass kein Bischof so viel Wert darauf legte, dass er nur die
Mönche eines Klosters deswegen in Zorn versetzt hätte. Aribo
war kein Anticluniacenser, nicht, weil er die Cluniacenser Hebte,
sondern weil von ihrer Seite nichts zu befürchten war.
Nur nach Lothringen also hat das französische Mönch-
tum herttbergewirkt und zwar durch einen Zufall. Zwei
Pilger, Richard, an der lothringischen Grenze geboren, und
Friedrich, der Graf von Verdun, suchten in Cluni Aufnahme.
Odilo nahm sie jedoch nicht als Mönche auf; mit gutem Grunde
durften sie nur als Gäste das Klosterleben betrachten. Dann
liess er sie nach Verdun zurückziehen, woher sie gekommen
') Die Ausnahme betrifft nur die wenigen Reichsklöster anf nfcbt-
lothringischem Boden, die Poppo erhielt Darauf iiommt es aber hier
nicht an, sondern nur auf die Thatsache, dass nicht ein einziger nicht-
lothringischer Bischof auf die Idee kommen konnte, französisch-lothrin-
gische Mönche nach Deutschland zu bringen.
457
waren: dort sollten sie ihre Kräfte einsetzen. Mit Widerstreben
nahm sie der Abt Fingenins in St. Vannes auf: denn sie kamen
ans Clnni. Wären sie Mönche in Cloni geworden, so wäre es
ihnen überhaupt schwer möglich gewesen, nach Lothringen
zarückznkehren und dort za wirken. Kein einziger lothrin-
gischer Bischof hat sich nach Clnni direct gewandt oder per-
sönliche Beziehungen za dem französischen Kloster unterhalten.
Jede Reformbewegung vollzog sieh innerhalb bestimmter
Provinzen. So wenig Odilo darauf rechnen durfte, cluniacen-
sische Mönche in lothringischen Klöstern wirken zu sehen, so
wenig Aussicht war für Tothringische Mönche, in sächsischen
oder bairischen Klöstern zu reformieren. Die ostfranzösischen
und lothringischen Reformkreise griffen noch manchmal inein-
ander über: so hat Wilhelm von Dijon Metzer und Touler
Klöster geleitet; viel entfernter standen die Lothringer den
rechtsrheinischen Stämmen. Sie waren ftlr diese Wälsche,
Franzosen: oder waren Richard von St. Vannes und Gerhard
von Cambrai nicht Reimser Cleriker gewesen, war Poppo
nicht in ein Reimser Kloster, St. Thierri, getreten? Man wird
sich nicht wundern, wenn Richard seine erste und haupt-
sächlichste Thätigkeit in der Kirchenprovinz Reims, vor allem
im Sprengel von Cambrai, entfaltete. Hier regierte der Freund
seiner Jugend und mit andern Diöcesen der Reimser Kirchen-
provinz verknüpften ihn noch nähere persönliche Beziehungen.
In der Diöcese Lüttich hatte er schon Schwierigkeiten zu be-
stehen: nach Metz, Toul, Trier, Cöln ist er nie gekommen:
und jenseits des Rheins ist an ein Wirken nie zu denken ge-
wesen. Auch Poppo ist niemals von ausserlothringischen
Bisehöfen des Reiches herangezogen worden. Er war auf
Lüttieh, Utrecht, Metz, Cöln, Trier beschränkt und hat nur
in der letzten Lebenszeit noch vorübergehend in Flandern
eingegriffen.
Zeigt sich somit, dass diejenigen Reformatoren, die in
Lothringen thätig waren, niemals von nichtlothringischen
Bischöfen des Reiches herangezogen wurden, so hatte diese
Abneigung gegen die fremden Klosterleute allerdings noch
einen besonderen Grund.
Die Reform der Klöster vollzog sich in zwei Formen:
entweder der Abt setzte seine Schüler zu Aebten und ver-
458
zichtete somit auf jeden weiteren Einflnss auf die reformierten
Stifter oder er machte einen der Mönche zum Propst und be-
hielt die Oberleitung der betreifenden Abtei weiter bei. In
diesem letzteren Falle wurde das Kloster aus der unmittel-
baren Abhängigkeit vom Diöcesanbischofe befreit. War der
Oberabt in einer andern Diöcese ansässig oder stand er einem
reichsunmittelbaren Kloster vor, so war der Einflnss des Bischofs
auf seine Abtei zu Gunsten eines fremden Prälaten fast auf
nichts herabgedrückt. Zwischen das Kloster und den Bisehof
schob sich der Abt einer fremden Diöcese, gegen den der
Bischof keine Disciplinargewalt hatte. Nun war es cluniacen-
sische Tendenz, die kleineren Klöster auf diese Weise von
dem Keformcentrum abhängig zu machen und die Rechte des
Diöcesanbischofs zu durchbrechen. Es war auch die Methode,
die Richard von St. Yannes, wenigstens so oft er konnte, ein-
schlug. Es ist völlig klar, dass dieses System fUr die Bischöfe
nur dann annehmbar war, wenn die persönlichen freundlichen
Beziehungen zum Abte scharfe Gegensätze nicht befürchten
Hessen; mit dem Augenblick, wo dieses Verhältnis fehlte, wo
Rechtsbeziehungen an Stelle freundschaftlichen Zusammen-
gehens traten, war das System unhaltbar.
Persönliche Beziehungen hatten häufig die Reform hervor-
gerufen und ermöglicht: man erinnere sich der Freundschaft
Richards und der Bischöfe Haimo von Verdun, Gerhard von
Cambrai und Roger von Chälons, man denke an die Bezie-
hungen Wilhelms von Dijon zu Berthold von Toul, Adal-
bero IL und Theoderich II. von Metz. Aber wo dieses Band
fehlte oder wo der Bischof seinen Einflnss auf die Klöster zu
verlieren fürchtete, zeigte er das Bestreben, die Propsteien in
Abteien zu verwandeln, unter selbständige Aebte zu stellen.
Als Raginar von Lttttich Bischof wurde, stand Lobbes unter
einem Propste Richards von St. Vannes, wurden St. Lorenz
und St. Trond von Pröpsten Poppos regiert. Welcher Bischof,
wenn er auf Wahrung seiner Rechte hielt, mochte derartige
Verhältnisse dulden V Indem Raginar nun die Schttler Richards
und Poppos zu selbständigen Aebten erhob, bewies er, dass
es nicht der Gegensatz gegen die Cluniacenserreform war, die
ihn in Confliot mit ihren Führern brachte, sondern nur die
Art ihres Regiments. Aehnlich ist der Gegensatz Hermanns
459
von Tool gegen die Mönche von St fevre aufzufassen, und
wenn wir bedenken, dass selbst Bruno von Toul, kaum zum
Bisehof geweiht, den Propst Widerich von St. fcvre*), nach-
dem er ihm St. Mansuy und Moyenmoutier überwiesen, dass
Gerhard von Cambrai 1023 Leduin von St. Vaast zu einem
selbständigen Abte erhob, dass sie ihre Diöcesen damit dem
Einfluss fremder Aebte entzogen, so erkennt man, dass selbst
die eifrigsten Anhäoger der Reform jurisdictionelle Verhält-
nisse ablehnten, die die Geschlossenheit ihrer Diöcesanrechte
aufzulösen drohten. Man wird demnach den Unterschied
zwischen einem Raginar von Lüttich auf der einen, Theoderich
von Metz und Gerhard von Cambrai auf der andern Seite
mehr in localen und persönlichen Beziehungen, als in prinzi-
piellen Gegensätzen begründet finden. Zielte aber die Ten-
denz der cluniacensisch-lothringischen Aebte dahin, die ihnen
übergebenen Klöster möglichst lange von sich in Abhängigkeit
zu halten, so gewinnen wir auch darin einen Grund dafDr, dass
man in nichtlothringischen Diöcesen keine Veranlassung hatte,
sich für ihre Fortschritte zu erwärmen.
Wir kommen somit zu dem Schluss: nationale oder pro-
vinzielle Gegensätze schlössen eine Einwirkung des französi-
schen oder lothringischen Reformmönchtums im Reiche aus.
Die lothringische Bewegung hatte überhaupt nur eine locale,
durch persönliche Beziehungen getragene Bedeutung, die noch
erheblich eingeschränkt wurde und einer Erweiterung deshalb
nicht fähig war, weil das cluniaceosische Element nach Auto-
nomie drängte und zu einer Schwächung der bischöflichen
Diöcesanrechte führte.
V.
Es ist niemals behauptet worden, dass die Cluniaccuser
während des zehnten Jahrhunderts einen politischen Einfluss
in Deutschland ausübten oder auszuüben suchten. Aber seit
den letzten Jahren Heinrichs II. schien diese politische Be-
deutung festzustehen. Directe Quellenzeugnisse dafür haben
wir nicht; wir haben, was die französischen Aebte anbetrifft,
auch keine Anzeichen für einen derartigen Einfluss. Dass sie
») S. oben S. 131.
460
im elften Jahrhundert sich die Peterlinger Privilegien von den
Königen bestätigen liessen und dass sie sich anf den Rom-
fahrten einfanden, kann keine Handhabe ftlr die herrschende
Anschannng abgeben: denn das haben sie im zehnten Jahr-
hundert ebenso gethan. Welche Motive sie dabei hatten, wurde
bereits hervorgehoben.
Aber in den letzten Jahren Heinrichs II. traten zwei merk-
würdige Ereignisse fast gleichzeitig ein.^) Der Kaiser plante
mit dem französischen Könige und dem Papste eine inter-
nationale Regelung kirchlicher Fragen. Gleichzeitig geriet der
Primas des deutschen Reichs, Aribo, mit Benedict VIII. in einen
Conflict wegen der Hammersteinschen Eheangelegenheit, die
ihm Veranlassung bot, auf einer Synode päpstliche Absolutionen
vor ErftlUung der Kirchenstrafe fttr ungültig zu erklären. Die
Gesandten, deren der Kaiser sich bediente, waren : an den fran-
zösischen Hof Richard von St. Vannes und Gerhard von Cam-
brai, ehemalige Reimser Cleriker, durch ihre vielfachen Be-
ziehungen zur französischen Kirche die geeignetften, die zu
finden waren; nach Rom ging Pilgrim von Cöln, der den
Römerzug von 1022 mitgemacht hatte und deshalb in die po-
litischen Beziehungen zur Curie am besten eingeweiht war.
Pilgrim weilte gerade in Rom, vom Papst mit Ehren über-
häuft, als Benedict sich veranlasst sah, Aribo von Mainz das
Pallium zu entziehen. Voll Neid sah dieser die Entwicklung
der Dinge. Als Heinrich IL bald darauf starb, standen Aribo
und Pilgrim bei der Königswahl auf verschiedenen Seiten:
Aribo trat für Konrad den Aelteren in die Schranken, wäh-
rend Pilgrim mit den lothringischen Herzögen und Bischöfen
eine feindliche Stellung einnahm: freilich nur für wenige Tage,
denn dann ging er doch mit den lothringischen Bischöfen zu
dem Sieger über.
Dieser Gegensatz zwischen Aribo und Pilgrim wäre nun
aus ihrer verschiedenen Stellung xum Cluniacensertum zu er-
klären. Aribo als Anticluniacenser hätte die Grundfesten der
päpstlichen Allgewalt zu einer Zeit zu erschüttern gesucht, als
die internationale, angeblich durch Cluni veranlasste Reform
geplant wurde. Sein Candidat sei der kirchlich gleichgültige
>) Vgl. oben S. 161 flf.
461
ältere Ronrad gewesen. Pilgrim hätte mit den lothringischen
Bischöfen das clnniacensische Klosterwesen repräsentiert und
deshalb den Gandidaten Aribos verworfen. Man muss die Be-
deutang des Glnniacensertams fttr das deutsche Reich schon
als Axiom betrachten, um diesen Darlegungen zu folgen.
Wer sich vergegenwärtigt, dass die französischen Giunia-
censer niemals im deutschen Reiche zu Einfluss kamen, dass
die Klosterreform nur auf Lothringen beschränkt blieb, eine
rein locale Bewegung war, dass alle politischen Dienste lothrin-
gischer Giuniacenser — Poppo leistete deren noch mehrere —
lediglich durch ihre französischen Beziehungen, nie etwa prin-
zipielle Bevorzugung, bedingt waren, wer sich klar macht, dass
Pilgrim von Göln bis zum Tode Heinrichs II. auch nicht die
leisesten Beweise einer Begünstigung des lothringischen Mönch-
tums gegeben hat >) und auch nachher nicht mehr that, als er
allenfalls nötig hatte, wer sich vergegenwärtigt, dass die lo-
thringische Opposition bei der Wahl Konrads IL von den Fürsten
ausging und auf keiner andern Stufe stand, als die bei der
Erhebung Heinrichs IL und Heinrichs III: der hat keine Ver-
anlassung, einen Factor einzuschieben, für dessen Wirksamkeit
sich nirgend ein Anhalt findet.
Erschöpft sieh aber der ganze Gegensatz bei der Wahl
Konrads in der Frage: ob lothringisch oder nicht, so liegt
auch kein Grund vor, in Aribo gerade den Gegner Glunis zu
sehen. Die französischen Giuniacenser haben allerdings, wie
wir sahen, wesentlich dazu beigetragen, das Autoritätsgeftihl
Roms zu stärken. Aber sie waren nicht die einzigen, die die
bischöfliche ' Jurisdiction zu Gunsten der römischen schwäch-
ten und nicht gegen sie waren die Schritte Aribos gerichtet.
In steigendem Masse entwanden sich ihr hohe und niedere
Laien und halfen sich gegenüber dem Streben der Bischöfe,
ihre Macht zu befestigen, mit Appellationen an den römischen
Stuhl. Das war eine Tendenz der Zeit: es war jene Periode,
die das Zeitalter der römischen Omnipotenz vorbereitete. Man
I) Zuerst trat Pilgrim zu GuDsten Poppos auf, als er Dach 1024 den
Pfilzgrafen Ezzo, der ein Kloster gründen wollte, auf Poppo aufmerksam
machte. Die Gründung Brauweilers durch Ezzo war aber offenbar erst
die Folge der Ereignisse nach Konrads IL Wahl.
462
kann diesen Zug nach Rom wenigstens von Benedict VIII. an
verfolgen. Dagegen bestehen die Metropolitane und Bischöfe
der Länder nördlich der Alpen auf ihren Rechten. Aber so
wenig auch die französischen Mönche meinten, dass dem
Papst alles erlaubt sei'), so wenig dachten Aribo oder die
sudfranzösischen Bischöfe daran, die Grundfesten päpstlicher
Allgewalt zu erschüttern, wenn sie sich auf den vollkommen
correcten Satz zurückzogen, dass Exeommunicationen nur nach
gethaner Busse und im Einvernehmen mit dem Diöcesanbisehof
aufzuheben seien. Das war anerkanntes Kirchenrecht ^), und
wenn Aribo seine Meinung auf der Seligenstädter Synode in
etwas schroffer Form zum Ausdruck brachte, so haben wieder-
holte Fälle, in denen der Papst, wahrscheinlich zum Teil durch
die Bittsteller belogen, die Absolution erteilte, sein Vorgehen
hervorgerufen. Ein prinzipieller Gegner der römischen Uni-
versalgewalt ist er so wenig wie seine französischen Amtsge-
nossen gewesen und noch am Ende seines Lebens, acht Jahre
etwa nach diesen Ereignissen, ist er als Bttsser nach Rom
gezogen.
Unter den Lothringern hatten Gerhard von Cambrai und
Poppo von Stablo verstanden, sich der Coalition, die gegen
den König entstand, zu entziehen und schienen nun geeignet,
als Friedensvermittler zwischen Kourad und den lothringischen
Fürsten zu wirken. Der Umstand, dass Konrad IL sieben oder
acht Jahre später auch mit dem französischen Könige, der mit
den Lothringern im Bunde gestanden hatte, wieder in ein
freundliches Verhältnis zu treten wünschte, bewirkte, dass auch
diesmal Poppo, und zwar zusammen mit Bruno von Toul, mit
der Gesandtschaft betraut wurde. Der Abt von St Maximin
hatte sich inzwischen als Kloster reform ator einen Namen er-
worben; der Kaiser hatte ihm — jetzt zum ersten Mal — nicht-
lothringische Reichsabteien, wie Limburg, Hersfeld und Weissen-
burg, zugewiesen. Er behielt sie so wenig wie St. Ghishun und
0 S. Rod. Glaber II, c. 4, § 6.
*) Vgl. zu dem oben Bemerkten die Worte PaschaÜs II. auf der
Lateransynode von 1112 (Mansi XXI, 49): Constat enim neminem, um
jwenitentetn et satisfacientem absolutionis gratiam consequi. Man hatte
Paschalis vorgeworfen, die excouimunicierten Wibertisten absolviert zu
haben.
463
St Gallen, in die er 1034 Schiller als Aebte eingetzte. Durch
den Feldzug von 1083 nach der Champagne kam der Kaiser
in noch engere Beziehungen zu den lothringischen Reform-
klöstern, für die er des öfteren unterwegs urkundete.
Dass diese Begünstigung Poppos und der Gedanke, St. Maxi-
min zu einem Seminar für Reichsäbte zu machen, irgend welche
allgemeinere Folgen oder eine prinzipielle Bedeutung hatte, dass
die Stellung zu den französischen Cluniacensern dadurch irgend-
wie berührt wurde, ist schlechterdings nicht zu ersehen. Mit
Odilo stand der deutsche Hof seit 1032 auf gespanntem Fusse
und die Erfolge Poppos in den deutschen Reichsklöstern
waren gleich Null. Widersetzlichkeit der Mönche, bestän-
diger Abtwechsel waren auf der Tagesordnung, von einer wirk-
lichen dauernden Durchführung chiniacensischer Institutionen
keine Rede. Es war ein unglücklicher Versuch ohne weitere
Bedeutung.
Heinrich HI. begann seine politische Thätigkeit zu einer
Zeit, als Beziehungen zwischen dem deutschen Hofe und Gluni
nicht mehr bestanden und Poppo von Stablo kalt gestellt war.
Er trat zwar in Lothringen bald nach seinem Regierungsantritt
auch zu ihm und einigen anderen Achten derselben Richtung
in freundliche Beziehungen, aber von einer Begünstigung dieser
ist doch keine Rede. Nur seine Verheiratung mit Agnes von
Poitou muss ihn mit der sUdfranzösischen und burgundischen
Kirche in Verbindung gebracht haben, und es scheint, dass
das Vorbild des Gottesfriedens ihm seine idealen Friedens-
neigungen gegeben hat. Aber man weiss doch, dass er die
ersten Päpste, die er einsetzte, nicht aus Lothringen oder Bur-
gund nahm, dass sie der alten Reichskirche angehörten und
dass erst, nachdem diese ihn im Stich liess, der König im
Westen Hilfe suchte.
Wir haben gesehen, dass bis zu diesem Zeitpunkt von
einer politischen Einwirkung des französischen oder lothrin-
gischen Mönchtums auf deutsche Reichsangelegenheiten keine
Rede sein kann. Aber in Lothringen und Burgund reiften in-
zwischen in stiller Entwicklung Vorstellungen und Ideen, die
in dem Augenblick die allgemeine Aufmerksamkeit erregten,
als ihre Träger zur Reichspolitik Stellung zu nehmen hatten.
464
Natürlich war Halinard nicht der erste, der auf dem Stand-
punkt sich befand, nicht schwören zu wollen: aber als er aaf
Befehl des Papstes die Wahl zum Erzbischof von Lyon ange-
nommen — in einem ähnlichen Falle hatte Odilo trotz dessen
abgelehnt — , blieb ihm nichts übrig, als vor Heinrich IIL
seinen Standpunkt zu vertreten. Die oberlothringischen Bischöfe
traten ihm bezeichnenderweise alle bei. Der Speierer konnte
diesem Ungehorsam nicht begreifen: man sieht, wie hart an
der lothringischen Grenze die mönchischen Einflüsse absehnei-
den. In Niederlothringen war man gar auf Grund des Pseudo-
isidor dazu gelangt, dem Kaiser jede Beschäftigung mit kirch-
lichen Dingen abzusprechen. Dass das nicht der Standpunkt
der französischen Cluniaeenser war, haben wir gesehen. Wie
die lothringischen Aebte sich zu dieser Theorie Wazos von
Lüttich gestellt haben, wissen wir freilich nicht: aber, ange-
nommen, sie hätten sie gebilligt, so würde das nicht beweisen,
dass Wazo von Lüttich clnniacensische Ideen vertrat, sondern
dass das lothringische Mönchtum sich von Cluni bereits ge-
trennt hatte.
VI.
Wir haben nur noch kurz darzulegen, worin die eigentliche
Bedeutung der französischen Mönchsreform bestand.
Das Cluniacensertum trat nicht mit einem Programm auf:
es war geboren aus einer Weltanschauung. Es hatte keine
andere Absicht, als dem rohen Materialismus jener Tage gegen-
über diejenigen Institute wieder ins Leben zu rufen, die eine
Existenz im Sinne evangelischer Vorschriften auch inmitten
einer verwilderten Gesellschaft gestatteten. Es waren genossen-
schaftliche autonome Bildungen, wie sie in desorganisierten
Staaten unter einer sehwachen Centralgewalt zu entstehen
pflegen und dazu dienen, durch Selbsthilfe die grossen Ge-
meinsamkeiten, wie Staat und Kirche, zu ergänzen. So ergab
sich die Absicht, von diesen Instituten aus auf die Nachbar-
schaft zu wirken, sie für die Religion zu gewinnen. Die wieder-
erstandenen Klöster mehrten sich, die Aufgabe wurde immer
grösser, aber sie wurde keine andere. Der Seelenfang war
und blieb der eigentliche Zweck. Die Beziehungen erweitei-ten
sieh ; wir sahen, wie bereit die Fürsten waren, die Bestrebungen
465
der Mönche zu unterstützen. Bald hatte jede yomehme Familie
ihr Familienkloster. Das Mönchtum vergalt diese Fürsorge, in-
dem es überall bemüht war, Fehden beizalegen, Kriege zu ver-
hindern, den Frieden zn vermitteln und Bedrohte vor den An-
greifem zu schützen. Es beteiligte sich agitatorisch an den
Friedenseinigangen. Es kam an die Höfe. Es wnsste sich
durch politische Dienste, zu denen die Mönche ihrjer weit-
reichenden Verbindungen wegen sehr geeignet waren, ange-
nehm zu machen und fand auch Schutz gegen diejenigen, die
die Freiheit des Wirkens und die Privilegien bedrohten.
Durch eine hervorragende sociale Wirksamkeit gewann
das Mönchtum die Massen. Der gewaltige, täglich wachsende
Grundbesitz eröffnete einer wirtschaftlich heruntergekommenen
Bevölkerung eine gesichertere Existenz, das mobile Capital,
das die Klöster ansammelten, gewährte den Wankenden eine
gern geliehene Stütze. Stattliche Basiliken mit Marmorsäulen
und Steingewölben zogen eine heilsbedürfkige Menge an, der
die Pracht der goldenen und silbernen Altargeräte die Macht
der Heiligen vor Augen führte. Rohe Krieger hüllten sich in
den Mantel der Demut, stolze Feudalherren vertauschten das
Schwert mit dem Kreuze Christi, harte Bauern hörten die frohe
Botschaft und gewannen mildere Sitten. Nicht wenige Bischöfe,
namentlich im Süden, wurden mit fortgerissen, Freunde der
Bewegung kamen auf die Bischofssitze. Es war eine geistige
Umbildung, die folgte: zum Schmerze derer, die bisher aus den
Ruinen der karolingisehen Gesellschaftsordnung sich ihr Haus
gebaut, zum Aerger namentlich eines Episcopats, der mit
Schrecken sah, wie das Mönchtum von den Bischofskirchen
die unrechtmässig angeeigneten Güter zurückfordeii;e, in voller
Unabhängigkeit alle religiösen Kräfte sich allein nutzbar machte
und das Laientum von dem bischöflichen Drucke zum Vorteile
einer fast vergessenen Centralgewalt emancipierte, zum Aerger
einer verweltlichten Weltgeistlichkeit, die jetzt auf ihre Weiber,
ihre Geldeinnahmen und die üppige Behaglichkeit eines von
Gewissensbedenken freien vornehmen Lebens verzichten sollte.
Damit war auch der Gegensatz gegeben. Die vom Süden
ausgegangene asketisch - romanische Strömung überwältigte
schliesslich den französischen Norden, gewann das neue
Königtum der Capetinger und sah sich hier einem Episcopat
Sftokar, Olani^omaer. II. 30
466
gegenüber, der sieh znm Teil verzweifelt gegen den Anstarm
eines Mönchtums wehrte, das von der Idee einer alles gleieh-
macbenden Weltanschaunng, von dem Gedanken des nniver-
salen Romanismns aasging und kein Verständnis fttr den selb-
ständigen Stolz eines nationalen Kirehentnms besass.
Die völlige Zerrüttung des iranzösisehen Kirehenwesens,
das Entgegenwirken zahlloser vereinzelter, von einander unab-
hängiger Kräfte fbrderte im westfränkischen Reiche das Vor-
dringen jener Bewegung ebenso, als die straffe Organisation
der deutschen Reichskirche, ihre enge Verbindung mit dem
Königtum , die Sittlichkeit der Geistlichen sie von den Grenzen
Deutschlands noch abhielt. Erst der kirchlich-staatliche Auf-
lösungsprocess, der unter Heinrich IV. eintrat, öffnete die Lücken,
durch die der mönchisch -romanische Geist in den deutschen
Staatsorganismus eindringen konnte. Erscheinungen, wie Sig-
fried von Mainz, der den Plan fasste, sich nach Gluni zurück-
zuziehen, und Anno von Göln, der aus Fruttuaria Mönche nach
lothringischen Klöstern führte und damit andern Bischöfen ein
Beispiel gab, — beide beim ersten Ansturm von Rom aus geneigt,
die Würde des Reiches preiszugeben: — solche Erscheinungen
waren erst möglich, als das Band zwischen der alten Kirche
und dem Königtum sich löste, als Heinrich III, in unglück-
seliger persönlicher Neigung und vom Reichsepiscopat im Stich
gelassen, sich von Gesichtspunkten abhängig gemacht hatte,
wie sie im Glerus der romanischen Länder gereift waren. In
der Epoche aber, die wir betrachtet haben, lag hier noch alles
in der Dämmerung: während jenseits des Wasgenwaldes be-
reits der König, die Fürsten und ein grosser Teil der Bischöfe
mönchische Fesseln trugen, der nordfranzösische Episcopat in
erbittertem Kampfe gegen Rom und seine Miliz sich wehrte,
hatten im Reiche wohl lothringische Bischöfe Gelegenheit ge-
funden, persönlichen Freunden, Landsleuten, die entfernte Be-
ziehungen zu Gluni hatten, die Leitung und Reform ihrer
Klöster anzuvertrauen, aber weder vermochte lothringisches
Klosterwesen jenseits des Rheins festen Fuss zu fassen, noch
ist das Verhältnis französischer Aebte zum deutschen Hofe ein
anderes als ein platonisches gewesen.
fixcurse,
SM
Erster Excurs.
Die Abstammung der Gerberga, der Mutter
Otto Wilhelms von Burgund.
8eit dem siebzehnten Jahrhundert streitet man sich bekanntlich
über die Herkunft der Gerberga, der Mutter Otto Wilhelms von
Burgund, des Gründers der Franchecomt^. Die Frage ist um so
wichtiger, als sie mit der andern eng zusammenhängt: wie Gerbergas
Sohn die verschiedenen Länder seines Territoriums zusammenbrachte.
Bis in die neueste Zeit stehen sich zwei Parteien einander
gegenüber, von denen die eine daran festhält, dass Gerberga die
Tochter des Grafen Lambert von Chalon s. S. sei, die Schwester
Hugos, Grafen von Chalon und Bischofs von AuxeiTe, während die
zweite in ihr eine Tochter des Grafen Letald von Mäcon erblickt.
Die erste, vertreten durch die Art de vdrifier les dates XI, 126 und
Dümmler, Otto der Gr. S. 450, stützt sich vornehmlich auf eine
Stelle der Gesta episc. Autiss. (Duru I, 387): Henrici dticis, qui
eins (seil. Hugonis Autissiod.) ^germanam uxorem duxerat, sowie
auf eine Urkunde, in der ein Otto, den man für Otto Wilhelm hält,
sich in der Unterschrift nepos Hugonis episcopi, also Neffe Hugos
von Auxerre, nennt.') Die andere Partei, an deren Spitze Dunod, Hist.
de Scquanois II (Dijon 1737), 126 ff. marschiert, dem sich Hirsch,
Heinrich II. I, 383, Wagner, l>aö Geschlecht der Grafen von Bur-
gund S. 40 ff., Pfister, fttudes angeschlossen haben, beruft sich auf
eine bei Chifflet, Lettre sur Beatrix de Chalon p. 180 gedruckte Ur-
kunde von Otto Wilhelms Enkel Otto, in der es heisst: pro animae
mmc et patris (wuidonis necnon avi mei Ottonis cognomento
Willdmi, siciif iam nute comes Letaldus ataru,s mens per testa-
mentum praerepto Lmlorici regis fec4irat. Danach habe also
Letald für den Urgross vater dieses Otto zu gelten.
Gegen die Zeugnisse an sich ist gar nichts einzuwenden: nur wird
sich, glaube ich, mit aller Bestimmtheit zeigen lassen, dass Gerberga
die Tochter Lamberts war und eine Nichte Letalds, dass Letald nach
zwei Seiten zu den Ahnen des jungen Otto gehörte und dass man
atarus nur mit Ahn, wie das Wort schon in der classischen Lati-
nität gebraucht wird, zu übersetzen hat, um alle Zeugnisse in voll-
sten Einklang zu bringen. Mit Hilfe neuen Materials lässt sich die
Frage mit genügender Sicherheit lösen; da die entgegengesetzte An-
•) L'art de verif. XI, 129.
470
Rieht von Wagner am ausffllirlichsten vertreten wnrde, werden wir
uns bei der Widerlegung voniehmlich mit ihm beschäftigen.
In L'art de vor. les dates XI, 129 wird die Heirat Lamberts
mit Adelheid, die für eine Tochter Roberts von Troyes gehalten
wird, nm 945 gesetzt, eine Annahme, der Wagner S. 41 folgt. Dann
aber könne Gerberga frühestens in diesem Jahre geboren sein. Da-
mit lasse sich aber nicht in Einklang bringen, dass ihr Sohn Otto
Wilhelm bereits nm 975 die Ermentmd heiratete: folglich könne
Gerberga nicht die Tochter Lamberts sein. Die ganze Beweisfüh-
rung gilt aber nur für den Fall, dass die unbewiesene Behau ptnng
richtig sei, dass Adelheid, Lamberts Frau, die Tochter Roberts von
Troyes war. Nun ist aber Adelheid die Schwester Letalds von
Mäcon gewesen und die Ehe ist sicher vor, wahrscheinlich viel vor
944 geschlossen worden. In CHOL I, nr. 655 vom Febmar 944
schenkt Letald von Mäcon an Cluni: hoc est mansu^ indominicatua
cum aecclesia heati Martini, quetn mihi Lanhertus consanguinews
meus dedit et soror mea Attula michi postea reddidit, situs in
pago CahiUonense in rilla Flagiaco, Lambert und Letalds Schwester
Attala waren also im Besitz desselben Grundstücks im Gau von
Chalon. Lambert hat es zuerst gegeben, dann vielleicht wieder
weggenommen und Attala konnte es ihrem Bruder wiedergeben.
Da wir nun wissen, dass Lamberts von Chalon Gemahlin Adelheid,
Adala, hiess, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass die hier erwähnte
Schwester Letalds von Mäcon, Attala, eben Lamberts Gemahlin war.
Mit diesem Nachweis fllllt die Argumentation Wagners, sowie
die von Dunod II, 126 0 aufgestellte, von Hirsch und Wagner wieder-
holte Behauptung, Gerberga und ihr Bruder Hugo wären im Alter
zu verschieden gewesen, da die Annahme Wagners, dass Hugo im
Jahre 999 mit etwa 24 Jahren Bischof wurde, jeder Begründung
entbehrt und sich nur darauf stützt, dass in jener Zeit viele Adelige
in jungen Jahren Bischofssühle erlangten. Mit der wichtigste Ein-
wand gegen die Annahme, dass Gerberga die Tochter Lamberts von
Chalon war, musste sich aus der Frage ergeben, woher denn dann
Otto Wilhelm die Grafschaften Burgund und Mäcon gehabt habe,
wenn seine Mutter nicht die Tochter Letalds von Mäcon gewesen
wäre; doch nicht von seiner Gemahlin Ermentrud, die eine Dame
von Rouci gewesen sei? fragt Wagner. Denn dass sie mit der
gleichnamigen Gemahlin Alberichs II. von Mäcon nicht identisch
sei, habe er bereits bewiesen.
Aber hat er das wirklich bewiesen? Der Beweis stützt sich
wieder auf eine unrichtige Behauptung der Art de v6r. les dates
XI, 15 und Schlüsse, die Bresslau, Konrad II. U, 39 bereits mit
*) Dunod bemerkt a.a.O.: il repugne que Gerbcrge, dejä veuve en
965 j fut fille du conite iMtnbertj mort senldnent ä la ^n du 10« siecle et
8(Bur d^Hugue fait ^veque d^Auxerre en 999 dans m jeunease. Letstere
Behauptung ist unbelegt. Ferner ist Lambert uicbt Ende des zehnten
Jahrhunderts, sondern 978 gestorben.-
471
Recht abwies. Aber statt mich in weitere Erörterangen einzulassen,
ziehe ich es vor, sofort ein positives zeitgenössisches Zeugnis ent-
gegenzuhalten, aus dem allerdings unzweifelhaft hervorgeht, dass
Ermentrud, die Gemahlin Otto Wilhelms, identisch war mit der
Gattin des letzten Grafen von Mäcon. Im Oatalog der Grafen von
MÄcon, gedruckt bei Baluze, Hist. d'Auvergne II, pr. 5; Ragnt, Cart.
de St Vincent p. 6; Pfister, £tudes p. 393, n. 3 heisst es: atque
post illum Albericus, filius Letaldi comitis; quo mortuo domi-
nus Guillelmu€ comes uxorem iUius accepit. Daraus, dass der
Catalog hier schliesst und gerade Wilhelms Name im Gegensatz zu
den frtiheren allein den Zusatz dominus hat, ist zu entnehmen, dass
das Verzeichnis eben in jener Zeit abgefasst wurde. Somit fällt
jeder Zweifel fort, dass Ermentrud, die Gemahlin Otto Wilhelms,
die Gräfin von Mäcon und Bürgend war und dass er ihr diese
Grafschaften verdankte.
Ya bleibt nun noch ein Einwand zu entkräften, wenn Dunod
II, 126 und Hirsch I, 384 bemerken: es widerspräche zu sehr den
Parteinngen der Zeit, wenn Gerberga aus dem Hause der Grafen
von Chalon stammte. In der That sehen wir Otto Wilhelm in
Feindschaft mit Hugo von Chalon, dem Bischof von Auxerre. Aber
gerade diese Feindschaft Ottos gegen seinen Oheim erscheint nur
so voll erklärlich, ja die ganze Politik Hugos im Gegensatz zu
dem burgundischen Adel erst jetzt aufgehellt. Bei Rod. Glaber
HI, c. 2 heisst es von Lambert von Chalon: praeter eum (Hngonem)
. . . non habuit subolem sexus mascuUni, d. h. wohl aber eine
Tochter, nämlich Gerberga, deren Sohn, da der Oheim dem geist-
lichen Stande angehörte, natflrlich Anspruch auf die Erbschaft er-
hob. Wenn nun der Bischof von Auxerre aus besonderer Gnade
des Königs die väterliche Grafschaft Chalon behalten durfte, so ist
nicht nur sofort verständlich, dass Otto Wilhelm sich direct gegen
Hugo von Chalon wandte *), um ihm die Grafschaft zu entreissen,
sondern dass Hugo allein in dem Kampfe Otto Wilhelms gegen den
König auf des letzteren Seite trat
Nach diesen Erörterungen dürfen wir die Verwandtschaftsbe-
ziehungen durch folgenden Stammbaum bezeichnen:
Alberich I Manassev^^Irmingard
Graf von Mäcon
-'N—
Lambert .^.^Attala Humbert Letaldv^^Irmingard
6rf. V. Chalon Grf. v. Mäcon
^ I
Hugo Gerbergfts.^ Heinrich
Bisch. V. Auxerre | Hrz. v. Burgund i
Otto Wilhelm 2._^Ermentruds_.l Alberich II,
Grf. V. Mäcon, Burgund etc. Grf v. Mäcon
Rainald Wide
Otto.
0 Ademar IH, c. 51.
472
Zweiter Excurs.
Die Anfänge von La Cava.
lieber der Geschichte des nnteritalischen Klosters La Cava
waltet ein unglücklicher Stern; obgleich die bedeutende Vergangen-
heit der Abtei schon früh, im sechzehnten Jahrhundert, zu histo-
rischer Bearbeitung angeregt hat, ist doch kaum irgendwo so viel
erlogen und ei'fnnden worden als hier, und bis in die neueste Zeit
schleppt sich der Uusinn durch dicke Bücher. Zwar haben Pertz
und Köpke, Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde IX (1847),
S. 1 — 239 das von Pratilli herausgegebene Chronic. Cavens. als eine
F&lschung nachgewiesen, aber weder haben sie die das Kloster
selbst bezüglichen Angaben gestürzt, noch hat man sich entschliessen
können; auf die nicht unwesentlich ergänzenden Daten ganz zu
verzichten.
Neuerdings besitzen wir nun ausser einer kleinen, für uns
nichts bietenden Arbeit von H. de Chambnre, I^e monastere bend-
dictin de la Cava pr^s de Naples et ses archives in der Bibl. de
r^cole des chartes ser. V, 3, p. 427 mehrere Schriften von Paul
Guillaume zur Geschichte des Klosters, von denen für uns die um-
fangreichste: Essai historique snr Tabbaye de Cava d'apres des do-
cuments inddits, Cava dei Tirreni 1877 in Betracht kommt. Von
da sind die Angaben wieder auf Ringholz, Der hl. Abt Odilo (Brunn
1885) S. 52 ff. übergegangen. Auch Morcaldi hat im I. Band des
von ihm edierten Codex Cavensis einen Abriss der Geschichte von
La Cava, aber nicht kritischer gegeben.
Natürlich kann es sich hier nur darum handeln, die Thatsachen
der Geschichte des ersten Abtes Alfer an der Hand des Buches
von Guillaume zu prüfen. Ich bemerke, dass wir von Quellen
nichts besitzen ausser einer in der zweiten Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts geschriebenen Vita 8. Alferii, die an positiven Nach-
richten äusserst arm ist und durch die vielen Wunder und erbau-
lichen Betrachtungen einen durchaus legendarischen Eindruck macht.
Die Angaben, die wir zu untersuchen haben werden, sind kurz fol-
gende: Alfer aus dem Geschlecht der Pappocarbone ist 931 geboren,
traf 995 mit Odilo im Kloster S. Michele delle Chiuse zusammen
und ging mit nach Cluni, wurde 1010 zurückberufen, zog sich 1011
nach La Cava zui*ück, begann 1012 den Bau des Klosters, Hess
1019 die Weihe vollziehen und starb 1050 im Alter von 120 Jahren.
Was zunächst das Geburtsjahr anbetrifft, so kommt man aller-
dings auf etwa 931, wenn man die Nachricht der Vita annimmt,
dass Alfer 120 Jahre alt geworden sei (Vit« 8. Alfer. c. 15), denn ge-
sichert ist durch die Ann. Cav., dass er 1050 starb. Berücksichtigt
man aber die ganz unwahrscheinliche Höhe des Alters, von einer
.soviel späteren Quelle tiberliefert, suwie die Thatsache, dass in
dieser Zeit öfters die Altersangaben von späteren Autoren ver-
473
grössert werden — ich erinnere an Romnald (vgl. Harter, Inno-
oenz UI. Bd. IV, 8.30, n. 6) nnd Odilo, den sp&tere Quellen zu
einer virgo centenarius machen (8. oben S. 298) — , so werden wir
unmöglich an dem legendarischen Alter von 120 Jahren festhalten
können. Ebenso wenig ist der Familienname Alfers zu retten, denn
die handschriftliche Quelle, die Guillaume anfährt: Rodulphi, Hist.
S. Monast. Cavens. stammt erst aus dem Anfang des siebzehnten
Jahrhundert« (Guillaume p. 338). Es ist ja eine Thatsache, dass
spätere grosse Adelsgeschlechter mit Stolz ihre Abstammung auf
die Familie irgend eines Helligen zurttckzufQhren suchten, wie z. B.
in Bezug auf Majolus (vgl. Ogerdias, Hist. de 8. Mayol p. 355 und
a. a. 0., der all den Unsinn fQr Ernst nimmt, vgl. eine Recension
des Buches von Audiat in der Revue des quest. histor. XXII, p. 351).
Durchaus ähnliche Verhältnisse scheinen hier vorzuliegen.
Nach der Vita soll nun Alfer von dem Fürsten Waimar von
8alemo zu einer Gesandtschaft nach Frankreich und an den deut-
schen König mit auserwählt worden sein; in dem Michaelskloster
bei Turin sei er mit Odilo zusammengetroffen, der ihn mit nach
Cluni nahm. Ganz willkürlich setzt Guillaume p. 16 die Gesandt-
schaft 995, indem er meint, dass die übrigens von ihm missver-
standene Angabe des Chron. Cav. 992 zu früh wäre, weil Majolus
damals noch lebte, 996 aber Otto III. selbst nach Italien kam. Wo
steht denn aber, dass die Boten an Otto 111. bestimmt waren? Endlich
aber lässt das von Provana in Rom gefundene 13. Capitel zum Chron.
8. Mich, keinen Zweifel, dass das Kloster 8. Michele erst unter
Silvester II. gegründet wurde, mithin Alfer nicht schon 995 mit
Odilo daselbst zusammengetroffen sein kann. Vgl. Memorie della
R. Academia delle scienze di Torino 1840 Tom. II, ser. 2, p. 93 ff.
Und wenn De Blasi, Chron. ex Tabul. SS. Trinitat. Cavao Monumen-
tis excerpt. (Original) 1780 (vgl. über diese handfichriftliclie Quelle
Guillaume p. 399) die Gesandtschaft Alfers in die Zeit Ottos III,
nämlich in das Jahr 990 und 991 setzt, so ist dies ebenfalls nach
allen Richtungen hin falsch und unbegründet.
Nun lässt man (Guillaume p. 17) Alfer 1010 aus Cluni heim-
berufen werden, aus keinem andern Grunde, als weil man ihn 1011
bereits die Grotte von Metellianum besiedeln lässt Es wird also
notwendig sein, dieses Factum zu prüfen.
Das Chron. Cav. 1011 hat hier eine seltsame Nachricht, die
ganz deutlich die Spuren willkürlicher Erfindung an sich trägt: da-
nach soll Alferius, Propst von Metelliauum, in Salerno zum Abt
gewählt worden sein, und dort wollte er residieren : er sendet nach
Salerno den Propst Rotpert und den Kanzler Petrus (vgl. Archiv
IX, 137). In der Vita Alfer. c. 5 steht nur: Dimifisa quippe civi-
tate (seil. Salenio) lonye in exceli^i montis latent, cui Fenestra
vocdbulum est, quietis sue locum suhlit primusque prae onmibtis
Metelliani Cavam monachorum mansionem fecit etc. Für die
Angabe, dass das Kloster La Cava 1011 gegründet worden sei, be-
474
ruft man Bich nun (Guillanme p. 18; Morcaldi, Cod. C«v. V, 33 n. 95)
auf Chron. Vnltnm. IV, Ende bei Muratori SS. rer. Ital. I, 2, p. 494 :
Ohiit (Moraldus abbas) // KcU, Dec. anno dominicae incaf^.
MXI. ind. IX. Otto IIL Imperator ohiit Henricus Dux con-
sohrinus eins fit rex. Hoc tempore Monasterium Sanctcie Tri-
nitatis apud Salemum a tribus eremitis inhabitari coepit. Man
sieht auf der Stelle, dass es ganz unstatthaft ist, das Todesdatum
des Abtes auf die Besiedelung des Klosters zu beziehen. Am Ende
einer langen Behandlung des Lebens Moralds werden zu seinem
Todesdatum ein paar Ereignisse angefßgt, die während seiner Amts-
verwaltung eintraten; aber nicht ist das so zu verstehen, als wenn
etwa Otto III. 1011 gestorben w&re. Was soll das nun heissen:
Das Kloster der hl. Dreieinigkeit beginnt von drei Eremiten bewohnt
zu werden? dooh wohl die Stelle, auf der später das Kloster stand,
wie auch Gnillaume offenbar versteht, da er Alfer nach dem apo-
cryphen Chron. Cav. erst 1012 den Bau beginnen lässt. Also Ein-
siedler haben sich offenbar in jener Grotte zur Zeit des Abtes Mo-
raldus niedergelassen. Nun wissen wir ja in der That durch Leon.
Chron. Casin. 11, 30, SS. VII, 646, dass die besagt« Stelle schon vor
Alfer von einem Einsiedler bewohnt war: Liutius . . . prima apud
Salerntim in quadam heremo, ubi nunc monasterium sanctae
Trinitatis constructum est, quod nuncupatur Ad cavam, aliquam-
diu mansit; und Gnillaume hat tiber diesen Lintius p. 13 ansfAhr-
lieh gehandelt, den er ganz willktlrlich um 1009- dem nach seiner
Meinung 1011 anreisenden Alfer Platz machen lässt. Vielmehr kntipft
Leo von Ostia in der That die Erzählung von des Liutius Rückkehr
von Jerusalem und seine Niederlassung bei Salemo an eine vorher-
gehende Thatsache von 1011 an mit den Worten: Circa haec tetn-
pora recersus etc. Man wird mir nicht einwenden, dass das Chron.
Vnlturn. von drei, Leo von Ostia nur von einem Eremiten spricht;
der Chronist von Monte-Cassino erzählt ja doch die Thatsache nur
im Zusammenhang mit den Schicksalen jenes casinesischen Mönchs
Liutius: genug, dass eben vor Alfer schon die Gegend von La Cava
von Eremiten bewohnt wurde.
Haben wir gesehen, dass man weder in chronologischer, noch
in historischer Beziehung aus der Notiz des Chronisten von Voltnmo
für Alfer irgend etwas gewinnt, so sind natürlich die Datierungen
von 1009 und 1010, letzteres Jahr als das von Alfers Znrück-
berufung, ganz hinfällig geworden. Und wenn wir jetzt die Daten
des Anfangs des Kirchenbaus 1012 und der Weihe 1019 (Guillamne
p. 19), die lediglich auf die Fälschung Pratillis zurückgehen, ver-
werfen, so wird das keiner besonderen Begründung bedürfen. Wir
besitzen jetzt im Cod. Cav. den ganzen Urkundenvorrat von La Cava;
nicht die leisesten Spuren sind vorhanden, dass vor 1025, wo die
Fürsten von Salerno die Klostergründung bestätigten, ein Kloster
in La Cava existirt hat. Es bezeichnet entschieden einen Rück-
schritt in der gesamten Forschung von La Cava, wenn Morcaldi,
475
Cod. Cav. V, 96 bemerkt: Ab anno huius d^üomatis (sc. 1025) äe-
cepti Muratorius et Mabiüonitis hoc anno assenmt aedificatum
monasterium Cavense, quod sane anno 10/ i fundatum legimns
in vettistioribus chronids a Divo Alphetio. Die Maratori und
Mabillon werden also doch Recht behalten.
Dritter Excurs.
Die Einfahrung des Allerseelentages.
Man hat bis jetzt, zuletzt noch Ringholz, Die Einführung des
Allerseelentages durch den hl. Odilo von Cluny, Studien und Mit-
tbeilungen aus dem Benedictinerorden 1881, Jahrg. II, 8.237 und
Der hl. Abt Odilo S. 63 ff., die Einftlhrung des genannten Gedenk-
tages in das Jahr 998 gesetzt. Man stützte sich dabei auf eine
Notiz Sigeberts zu. diesem Jahre und die vermeintliche Thatsache,
dass bereits Bischof Notger von Ltittich, der 1008 starb, Allerseelen
iu seiner Diöcese eingeführt habe. Prüft man nun die diesen An-
gaben zu Grunde liegenden Quellen, so ergeben sich dieselben
durchaus als unbrauchbar.
Was zunächst den Chronisten Sigebert betrifft, so hat derselbe
überhaupt erst vom Jahre 1024 selbständige Nachrichten. Nun be-
achte man, in welcher Weise er die berührten Angaben bringt.
998: Agapitus Ronianae aeccelesiae 141^ praesidet Hoc autem
tempore quidam religiosus etc. und nun erzählt er die Geschichte
aus Jotsald von jenem Einsiedler und dem Pilger. Bekanntlich ist
Agapit eine fabelhafte Person, die man Silvester II. zum Nachfolger
gab, weil er seiner Zauberkünste wegen nicht als würdiger Nach-
folger Petri erscliien. In die Zeit dieses sagenhaften Papstes reiht nun
Sigebert offenbar ganz willkürlich eine legendarische Geschichte ein,
die er erst gelesen hat. Dass hieraus kein Mensch den Schluss
ziehen darf, dass die an jene Legende geknüpfte Einführung des
Allerseelentages in das Jahr fällt in welches die mit dem unbe-
stimmten hoc autem tempore angereihte Erzählung gesetzt wird,
ist augenscheinlich. Aber da Sigebert viel benutzt und ausge-
schrieben wurde, so ist das angebliche Jahr der besprochenen Ein-
richtung in andere mittelalterliche Schriften übergegangen, ohne
dass es dadurch an Glaubwürdigkeit gewänne, wie in der Chron.
Andreae mon. Aquic, wo das Factum a. III regis Robert i, i. e. 998,
datiert ist. Auf noch weniger sicheren Füssen ruht die Behauptung,
dass Notger das Fest in der Lütticher Diöcese eingeführt habe.
Denn das Magnum Chronicon Belgicum bei Pistorius, Script, rer.
Genn. III, 92, auf das sich Ringholz beruft, stammt erst aus dem
fünfzehnten Jahrhundert und ist natürlich keine Quelle, die hier
herangezogen werden darf. Vorsichtiger drückt sich Eisen, Sancta
Legia I (Leodii 1696), 156 aus, der, nachdem er erzählt, dass nach
476
Sigebert die Cömmemoratio 998 entstanden sei, fortführt: Ex quo
sane confido, non tdtimam in hoc instituto susdpiendo gloriam
Notgeri fuisse, quam Uli nostrates omnes adscrihunt; quando-
quidetn vix annos noveni solidos post Odilonis decrefum vixerit
Man bemerkt den Clrkel: Fisen schliesst ans der Nachricht, dass
998 die Einführnng von Allerseelen erfolgt sei, dass Notger die
Einrichtung angenommen habe; Spätere suchen womöglich Sigeberts
Angabe durch diese vermeintliche That^ache zu stützen. In den
für uns allein massgebenden Quellen, so bei Ansei m in den Gesta
Leodiens., findet sich nichts über die noch von Ringholz aufgestellte
Behauptung, obgleich Pignot, Hist. de Cluni I, 358, n. 1, der aber
fast stets nur Mabillons Annalen ausschreibt, infolge eines Irrtums
des letzteren geradezu auf Anselm verweist.
Aber diejenigen, die an Sigeberts Angabe festhalten, geraten
in eine Schwierigkeit in Bezug auf das Statutum 8. Odilonis de de-
functis, Bibl. Clun. col. 338, Mabillon, Acta SS. VI, 1,585, zuletzt
bei Ringholz, Der hl. Odilo p. XXXIII. Hier nämlich finden sich die
Worte: Ergo qualiter omnium memoria Chrisficolarum seniel in
anno agatur, monuimus ar. praecepimus, dignum p^'ofecto dud-
mus, tit pro nostromm fratrum animabus sub almi Benedicti
norma in coenohiis Domino militantibiis, ut divints ohsequiis
plus more solito adaugeamus necnon ut memoria cari nostri
Imperatoris Henrici cum eisdem praecijrue agahir constituimus,
ut merito debemus, multis ab ipso ditati opibus etc. Pignot be-
seitigt diesen letzten Satz sehr einfach: Mais cette phrase semble
avoir ete ajoutee apres coup, comme il arrivait souvent. Auch
Ringholz erklärt« anfangs in den Studien und Mittheilungen etc.
a. a. 0. den Schluss des Decrets von Ergo qualiter an für einen
Zusatz. Nachdem er aber von der Clironol. abb. Clun. (Bibl. Clun.
1620) 1030 Kenntnis genommen, hält er das Decret etwas unbe-
stimmter für eine andere Form oder spätere Fassung. In der eben
angeführten Quelle nun, der einzig zeitgenössischen, steht zwischen
1080 und 1031: Cömmemoratio omnium defundorum. Aber auch
diese Quelle ist unbrauchbar. Die Chronol. abb. Clun. ist uns er-
halten im Cod, Paris. 1. 10938 (sacc. XIII), im Cart. A. v. Cluni, Cod.
Paris. 1. nouv. acquis. 1297 und im Cod. Paris. 1. 17716, die ich selbst
eingesehen habe. In den ersten beiden Codd. fehlt die Notiz ganz,
im letztgenannten ist sie von einer Hand des saec. XV. erst nachträg-
lich an die betreffende Stelle gesetzt. Es folgt- daraus, dass wir ver-
zichten müssen, ein bestimmtes Jahr zu nennen. Innere Gründe
sprechen freilich für die Einführung Anfang der dreissiger Jahre.
Ueber die Verbreitung der Feier und ihre Bestätigung durch die
Päpste handelt Ringbolz. Die einzige ältere (zwischen 1073 und 1088
verfasste) Quölle, die V. S. Bertulfi c. 34 (Mabillon, Acta SS. HI, 1), ist
nicht berücksichtigt worden.
Beilage.
Aus ungedruckten Predigten des Ademar von
Chabannes. . ^x
Der Cod. Paris, lat. 2469, saec. XI, mbr., ^BL, enthält Pre-
digten des Ademar von Chabannes, die in Limoges bei verschiedenen
Gelegenheiten gehalten wurden. Der Codex schliesst mit den Acten
der Synode von Limoges. Im folgenden habe ich diejenigen Stellen,
die historischen Inhalts sind, excerpiert.
I.
[fol. 89'] Incipit Sermo in dedicatione ecclesiae domini salva-
toris apnd Lemovicam urbem qnod est XIIII. Kai. Novembris.
Ad hnins, dilectissimi, ecclesiae, qnae speciatiter in salvatoris
domini nostri lesn Christi ac per hoc in summae Trinitatis est de-
dicata honore, sicnt libentibns animis convenire certastis, annnam
dedicationem, ita christiana, nt cernimus, impellente devotione, aedi-
ficationis vobis debitnm sermonem impendi desideratis. Ecce enim
ad hanc solito more anniversariam templi festivitatem propter im-
petrandam divinae largitatis clementiam non solnm vulgaris plebs,
vernm etiam principnm freqnentia et nobilium claritas devote accnrrit.
Episcopoiiim etiam sacer conventns propter pacis nnitatem firmius
foederandam ad hnins domas sollempnitatem in nomine Domini con-
gregatns est. Sancta quippe sinodus, quae ante hos dies, videlicet
in hnins mensis capite, apnd sedem habita est Bitnricam^), nnanimi
prudenter tractavit consnltn concilinm apnd hanc urbem Lemovicam
in hac hodiema die debere iterare, quatinns beato Marciale, ad cnius
venerabile convenemnt spnlchmm, patrocinante episcoporum sit va-
lentior virtns ad persecntomm dirnendam malignitatem atque eccle-
siae roborandnm statnm. Hodie siqnidem snmmis laborare decemnnt
viribns per pastoralem cnram pontifices, nti in popnlo Christiane
bella sedentor, pax reformetnr, sopiantnr ininsta, discissio longins
explodatnr, concordia in ecclesia regnet, resecentur qnae nnitati
snnt inimica, patrnm regnlae rimentnr et inlibate serventur, et qnae
Deo probantnr placita ardenti suscipiantnr amore. Proinde soUemp-
nitas ecclesiae, quanta sit agenda veneratione, hinc liquido perpen-
1) Am I.Oetober 1031.
480
ditnr, qnod domus Dei, qnae est »ancta eccIoBia, et caelum et sedeB
l)ei est, dicente Domino per Isaiam prophetam: (\ielum sedes mea
et terra scabellum pedum meornm. Qnae est ista domus, quam
aedißcaftitis michi, et quis est iste locus quietis mea^? Omnia
haec manus mea fecit et facta sunt a me unhersa ista, dicif
Dominus. Ad quem autem rCrSpiciam, nisi ad pauperculum
et contritum spiritum et trementetn serniones meosJ) Nam de
his, qni ecclesiam Dei honorant, qui episcopornm inssis oboedire
desiderant, ne eos, qui recnsant ea, qnae pacis sunt, metnant, in
persona eonsolantis item Esaias ait: Audite rerbum Domini . . .*)
[fol. 89'] Dignnm deniqne et conveniens de hac Salvatoris mundi
basiüca pastoribus Aquitaniae visnm fuit, at malti ad eam dedican-
dam episcopi congregarentur. Pro hac etenim dedicatione et illa
res maxlma ad effectum nsqne perducta est, scilieet ut apostoli 8a-
cratissimum corpus tunc a loco suo levaretnr, et in idem salvatoris
domini sanctnarium introduceretar. Quod inestimabile margaritnm
praeciosum onus gaudentes episcopi in humeris suis ferebant a loco,
qui so] et dici Mons Gaudii usque ad ipsnm sanctuarii altare iam
dedicatnm in ipsa Domini basilica. [fol. 90] Sanctorum quoqne mnlta
Corpora illuc de diversis Aquitaniae locis addncta praeeunte eodem
Aqnitanorum patrono beatissimo Marciale simul in hoc divinum
introducta sunt templum. Ut quidem discipnlus Domini primam
primus ecclesiam in Galliis Domino consecraverat, quasi ad fontem
christianitatis suae Aquitanicus recurreret populus in hac ipsa orbe
Lemovica et sancti cum patrono praesentia sua hoc sanctificatum
Deo templum ingrederentnr. Ipsa etiam prima et mater ecclesiaram
Galliae, scilicet beati protomartiris Stephani basilica sedes beati Mar-
Cialis, tamquam pia mater huic ecelesiae plurimum adgandebat, dum
clericorum nobilitas cum proprio pastore eidem dedicationi summo
tripudio frequens instaret . . .
Igitnr, fratres, sicut episcopi, qui ad haue festivitatem convene-
runt causa concilii, vobis suadent de pace et institia: Pacem sus-
cipite, institiam diligite. 'Iustitia\ inquit Salomon^), elevat gentem,
misei'os facit populus iniustitia. Hex iustus erigit ten^am, vir
avarus destruit eam. . . .
IL
[fol. 90] Ne forte quibuspiam virorum, dilectissimi, qui de lon-
ginquo ad hodierna convenistis encenia, de huius ignotnm sit basilicae
dignitate simnlque de beati Marcialis discipuli domini nostri lesu
Christi, quae tunc facta est, beata translatione, ideo vestrae referre
dilectioni de his pauca non ab re iudicamus. Oracnlum siqaidem
de hoc in domini Salvatoris nomine et honore multo olim ab auti-
quis idco fabricatum est atque sanctificatum, ut Christi apostoli
membra inibi transposita perpetim quiescerent in popoloram ingenti
>) Isaias 66, 1. 2. >) Isaias 66, 5. ') Prov. 14, 34.
481
veneratione. Vernm divina provenisse videtur ordinatione, ut, dnm
ipsa ad apostoli sepulchrum fabricata fuerit sacra aedes, templum
qnidem ad laudem snmmi conditoris percelebre permaneret, membra
vero patroni sepalcliro restitnerentur priori. Ut qai ibidem snperna
providente maiestate mausoleum meruerat exinde neqnam hnmano
exclnderetiir iuditio. De quo sancto antiquo sepnlchro eins scriptum
est: n^Q^^i inquit, „crastina die hominis Dei corpns a basilica sanctae
sedis eins ad humandum deferretur, mox aperti caeli viam omnibns
reseratione sua ostendernnt, quo membra eius tumnlanda essent/^ Ulis
igitur temporibus Carolo Magno imperatore augusto et filio eins Lu-
dovico imperii gerentibus insignia, hoc templum a Lemovicensibns
primitns fnndatum est ipso Ludovico tunc Aqnitaniae rege con-
snltnm et opere praebente et eidem dedicatione instante. Qnae
prior dedicatio per octavnm mensem tercia decima eiusdem mensis
die peracta est. Qua de re eiusdem decima mensis die inven*
tum translatnm est beati apostoli corpns ac memoriae soUempni
deinceps omnibns annis dedicatam eandem primam translationem
constat. At vero post eiusdem primae translationis transactum
diem tercinm huius sacratissimi templi illa dedicabilis sollempni-
tas dudum extabat. Etenim sive temporum vetustate, sive gemi-
nae adnstionis periculo, quo divina promissione eadem vetus ba-
silica laborabat, sive ampliiicandi et in meliorem quam prius fuerat
statum restaurandi studio, potinsque divina inspirante volnntate, ite-
rum novo a Lemovicensibns opere est fundata et dedicatio eins in
mensem nonum octava decima mensis die soUicito patrum consnltu
permutata; verum die tercio ante ecclesiae dedicationem, exigente
fidelinm devotione, beati Marcialis membra iternm a tnmulo sunt
sublevata. Tremendnm certe tale fuit opus et solis sanctis viris
attemptandnm. Quod nnlla ratione ab aliquo licet sanctitate florente
ingenti arriperetnr, nisi Christi volnntas et devotorum ardens in
patronnm fides et ipsius domini nostri lesu Christi dedicanda coge-
retur domns. Ac nisi superna fieri iuberet volnntas, tam arduum
opus magis praesumptio fidelis, quam fidelis iudicaretur devotio.
Quoniam nimis probatur periculosum aliqno pacto sanctomm inqnie-
tari Corpora de sepulchris vel attrectari vel de locis, in quibus
quiescunt, extrahi, etiam si summa rei necessitas intervenerit. Nonne
meministis eomm, qui olim apud quasdam ecclesias quorundam mar-
tirnm corpora conabantur [fol. 9 1] le vare, qui licet causa pietatis et
honoris id dicerent se arripere, tamen ira divina sub ocnlis omnium
experti sunt in semetipsos et nltione sunt plexi citissimae mortis?
Numquid non recordamini, qualiter antistites priores sanctae et uni-
versalis Romanae sedis hanc omnino rem devitabant? Nam dum
mnltotiens ab imperatoribns rogarentur vel a terennis principibus
conferri Ulis reliquias ex membris apostolorum et martirum, nulla-
tenus id attemptare praesnmebant. Verum, ne extranei a caritate
principnm viderentur, ut satis eis, qui fideliter postnlabant, facerent,
super corpora sanctomm, de quibus reliquiae expostnlabantur, missas
Sftckur, Cluniacenaer. II. 31
482
celebrabant, et pro summis pi^noribns prandeum tribnebant linenm,
in quo corporis et sanguinis Domini faerant involnta misteria. Quibus
mnneribus a qnolibet fidelissime susceptis loco reb'qniarum de cor-
poribus sanctorum tante per haec virtutes et miraciila florebant, acsi
integra ibi sanctorum corpora essent. Et beatus papa Gregorius,
qualiter ob quorundam infidelitatem de prandeo sangninem excusse-
rit et in epistolis suis sanctorum corpora inquietari et attrect^iri
temerarium et terrificum iudicet, peritis lectoribus darum est. Hoc
auteni modo in ista Salvatoris basilica prandeum mundissimum vice
reliquiarum ex illo corpore, quod de virgine Maria natum et a
ludeis crucifixum est et resujTexit et in coelum ascendit et iudicabit
vivos et mortuos, collocatum est cura regum Caroli et Ludvici magno-
rum Augustorum. Apud sanctam enim resurrectionem in Uieroso-
limis super sanctum Domini sepulchrum, ubi corpus Domini a loseph
et Nichodemo sepnltum est, patriarcha Hierosolimorum rogante per
cpistolam Oarolo Augnsto misteria celebravit ipsnmque prandeum,
in quo involutum est corpus Domini, quasi de membris dominicis
benedictionem fauic ecclesiae direxit. ... De ligno etiam dominicac
crucis praetiosa in hoc templo sunt pignora recondita. Scitis autem,
quod in ecciesiis, ubi sola sanctorum invocatio et memoria est tanta,
saepius fiunt eorum meritis miracula, acsi eorum praesentia videan-
tur ibi iacere corpora. Quod in illa ecclesia, quae est apud Engolis-
menses foris muros civitatis in beati Marcialis nomine, necnon et in
aliis per diversa occidentis loca eins honori dicatis fieri saepissime
plerique testantur et nos coram multis testibns experti sumus.
III.
[fol. 91] Ad hanc Domini basilicae anniversariam sollempnitatem
plures episcopi congregafi pro pace popnlorum adstant, pacem cupien-
tes omni Aquitaniae reparare. De hac pace Esaias dicit*): Vetiiat
pax, reqtiiescat in cuhili suo, qui amhulavit in dtrectione saa. . . .
Quod gens interea Aquitanica audierat pati*oni sui ossa dndnm^)
ante hos anuos in huius templi consecratione levanda, ideo ad
ipsam multitudo infinita convenire cum multis episcopis congratula-
batur dedicationem. Et rite ex omni Aqnitania properare certatim
ad cum festinabant populi, per cuius praedicationem omnis Aqni-
tania in Christo renasci mernit. In Christo enim lesn per evangelinm
Marcialis Aquitaniam genuit. Quae si multos habet pedagogos. . . .
Ipsa siquidem nocte, qua propter dominicae ecclesiae dedicationem
tercia die futuram a ministris Domini una cum primate, qui tunc
sanctae Lemovicensi ecclesiae praesidebat, lordano^ sacratissimum
corpus eins de sepulchro levaretur, multi testes de longe et prope
de ordine clericornm et laicorum et qui ab hac civitat« longe ab-
erant et qui in ea erant, splendorem inmensum de eaelo videnmt,
0 Isaias 57,2. *) Im Jahre 1028.
483
qni per tarn propinqna, quam per longinqua, in quibus erant loca,
canctas noctis tenebras inlnstravit, ita, nt aestimarent se praeclaram
videre meridianam Incem. Prae ingenti etiam caelestis Inminis radio
ipsa hora visa est terra movere. Verum illucescente die sabbati
pontifex in ecclesiam novam venit et sermonem in popnlo fecit, ut
in diem tercium parati essent digni interesse dedicationi basilicae,
monens omnes, ut mundos se et castos custodirent, neve praeterito-
rnm criminum culpis summi opificis oculos offenderent, elemosinas
pauperibus et peregrinis tribuerent. Qnod populus libenter obedivit;
ipsamqne diem propter apostoli levatum corpus tunc iussit agi sol-
lempnem, eos, qui ad dedicandum templum venturi ipso die et in
crastinum erant, expectans. Aptum autem locum pontifex providit,
ubi eodem die membra discipuli Christi congrne collocarentur et
sanctorum corpora, quae [e] diversis et longinquis et proximis Aquita-
niae locis huc gestabantnr, libere sine compressione populari ad
patroni praesentiam accederent. Dominica vero resurrectionis die
illucescente, iussit pontifex sacratissimum apostoli corpus cum psal-
lentium choris in Montem Gaudii in ecclesiam transferri, in eundem
videlicet locum, quo iam olim^ semel idem Christi discipulus trans-
latus fuerat. Ibi usque in diem tercium soUicite a ministris ex-
cubatnm est, quousque domni Salvatoris ecclesia nova dedicaretur,
et in ea ab ipsis gestantibus episcopis sacra beati Marcialis membra
introducerentur, et paulo post deinceps in pristinum recederentur
sanctum sepulchrum. Non autem praetereundum videtur, quod ibi
tunc vidimus, qui praesentes eramus, ostensum magnum miraculum.
Namque illa qua ante patroni corpus nocte excubatum est, in eodem
Monte Gaudii, cum circum circa tentoria multa extenta et papiliones
essent et in conspectu aliorum sanctorum, quorum ibi de longo et
prope adducta pignora erant, excubias sacras quique celebrarent, in
tempesta noctis silentio magnum et valde coruscans lumen de caelo
totnm ipsum Montem Gaudii diutius tercio inlustrasse visum est et
qui ibi erant infirmi sanati sunt.^) . . . 8ed mirnm dictn peracta
templi dedicatione perturbatio elementorum gravis subsecuta est, ut
per continuos quattuor menses^) venti et pluviae totam infestarent
terram. Yisio autem nocturna quibusdam longo ab hac urbe manen-
tibus multoties apparuit, ut dicerent episcopo Lemovicensi: „Alia
sanctoinim corpora de diversis Aquitaniae locis in templi dominicl
dedicatione ad sepulchrum discipuli Dei allata sunt et cur beati
Leonardi e vicino non iussisti ibidem corpus afferri? Ideoque scias
pro hac calamitate, quae pro peccatis populorum accidit, quia disci-
pulus Christi beatus Martialis non prius orabit faciem Domini, quam
cum laetaniis tum cum clero et populo exhibere eures ad eins me-
moriam corpus sancti Leonardi." Pontifex itaque collecto de maio-
^) II. November 094.
') Uior folgen einige Heilungswunder bei den Leibern der hl. Valeria
und des hl. Gerald von Aurillac ohne weiteres Interesse.
») D.h. bis grgen Ende Februar 1029.
31*
484
ribns natu magno conventn cum popularibns tnrbis, per mensem
Martium in diebus sacris ieiunlorum laetanias faciens processit cum
corpore sancti Leonard! prins in basilicam Stephani protomartiris,
deinde in Salvatoris basilicam, dein vero in sepnlchram discipuli
Christi. Res mira! hora eadem sol relnxit, procella per omnem
Aquitaniam quievit, optata temporam tranquillitas facta est, imminu-
tae sunt aquae, cessavit pugna elementornm, de qna scriptom est:
Pugnavit pro eo orbis terrarum contra insefisatos ^), nt aperte
constaret, quia beatns Martialis, sicut a Deo Galliis directas est
apostolus, ita sit potentissimns pro eis ad Denm intercessor atqne
patronus. Benedixit omnis plebs gloriam Domini, dum tanta mirabilia
yidit, et episcopns ibi, antequam ab hac urbe recederet, conventos,
pacem iterum et iusticiam confirmare omnibns iussit.^) £t omnibus
rite perfectis cum choris psallentium beati Leonardi corpus Nobiliaco
reportatum est et beati Marcialis eximinm damit patrocinium ad
gloriam et laudem domini nostri lesu Christi, qui est benedictns
Dens in saecula. Amen.
VU.
[fol. 94^] . . . Caeternm dedicationis exordium non ab re sie
peractum inspeximns. Primo namque pontifices in eccesiam novam
simul convenerunt tenentesqne singnli in manibus pastorales virgas
eiecerunt omnes ab ecclesia praeter necessarios ministros et sie
hostia clauserunt propriis manibus. . . . Qua in re nonnuUi prae-
sules in templa dedicanda oves et boves etiamqne pro indnstria
aliquoties inmitti inbent, et sie ipsi pecora et homines eleminant et
portas claudunt. Qnod etiam in secnnda dedicatione Carrofensis
templi Ugo episcopus Engolismensis*^), qui in disciplinis liberalibns
acutissimus et in profectu ecclesiastico studiosissimus erat, agere
studuit. Ideoque primo negotiantes a domo dedicanda eleminare
docebat, quia Dominus ad passionem adpropinquans videlicet con-
secrandam suo sanguine ecclesiam novam, intravit in templam et
invenit in templo vendentes boves. . . .
IX.
Maxime, dilectissimi, propter episcopornm et reliqnornm sacer-
dotum excommunicationem iustam, quae a subditis vel neglegenter
observatur vel süperbe contempnitnr, plaga in popnlum crebro venit
et iustus perit pro impio. Ecce per hos, qui processerunt, annos a
principibus secularibus et iunioribus episcopornm insta excommuni-
catio despecta est. Et quod gravius est, ipsi episcopi, qui vice
Christi honorari debuerant, quasi viles aporiati sunt et infestati a
viris secularibus. Ätirum ecclesiae, secundum Hieremiam^), obscu-
•) Sap. 5, 21.
>) Somit fand also im März 1029 eben&lls ein Conzil statt, auf wel-
chem der Frieden beschworen wurde.
>) 978 — 991? *) Jeremiae lament 4, 1.
485
ratum est hoc tempore, et mutatus est color optimus, et dispersi
sunt lapides sancfnarH, hoc est eccles^iastici viri in capite omnium
platearum. Et illud propheticnm nunc in sacerdotibas Domini vi-
dimns impleri. Erit, inqait, sicut populus sie sacerdos,^) Nam
velnt populäres viri, hoc tempore episcopi et ecclesiae ministri tam
lingois, quam manibus laicornm persecutiones passi sunt et graviter
concnlcati. Deniqne, sicnt nostis, post dedicationem huins sancti
templi, qnae in honore Salvatoris nostri ante hos annos hodierna
die facta est, nbi ipsi plures adfuernnt episcopi adnnntiantes pacem,
prohibentes ininsticiam, violatores pacis excommunicantes, plaga
pessima in popnlos occidentales divino iuditio misisa est. Et non
inmerito eo, qnod pene ab omnibns sive prineipibns et snbditis, sive
urbanis et rusticis episcoporum excommnnicatio pro niehilo dncta
est, eorum inssa posthabita sant et, cum omnium frugum affluentia
et reinim ubertas copiosius abundaret, pax inter omnes et iustitia
violatae sunt. Qua de re ignis exaestuans hunc praesertim Lemovi-
censem populum corripnit, mortalitas per alias etiam urbes ingens
in hominibus et iumentis fnit. Per totam Galliam defecit vindemia,
fames facta est valida, ut innumeri de valgo necarentur et germanus
sororem in Sanconico territorio mactaverit et comederit. . . . [fol. 96]
Hoc frenum erroris contemptus est excommunicationis. Quotiens enim
quemlibet iuste excommunicat episcopus, quod non confestim plagam
sentit corporis, praeponderat invanum excommunicationem pastoris.
E vestigio autem post illam dedicationem secundae huius ecclesiae
tercia nocte post natale Domini vidit visnm quidam, de cuius asser-
tione nemo quis dubitet. Videbat cathedras aeniorum intra sepul-
chrum beati Marcialis dispositas et Petrus apostolus in una earum
primns residebat velut concilium consulens. In alia vero residens
Marcialis sie Petro querebatur diceus: „Molestor in illorum temeri-
tate, qui nuperrime in dedicatione ecclesiae Domini parvipendere
visi sunt corporis mei translationem.^ Qua in re vestro consilio,
domine mi, inditium super illos grave volo exercere *). Neque enim
egi, neque agere quid umquam volo absque vestro consultu. Per
vos quippe dominus misit me in istam provinciam. Cui Petrus re-
spondebat crebrius: „Parcite, karissime, vestris, parcite, et potius
ipisericordiam , quam iuditium impendite." Illud enim devote mi-
nistri vestri egenint, et quicquid offensionis humano erratu egerunt
iam paenitendo diluernnt. Cum haec et huiuscemodi Marcialis cum
Petro quasi tristis pro se quereretur, et Petrus cum flecteret et
iuditio suspendendo, ait ille: „Quia^', inquit, „non sinitis me, domine
mi, inditium de reis accipere, ibo vobiscum RomatQ^) et usque ad
quinque annos Aquitaniam non visitabo, et quae illis acciderint,
audiam." Non vana haec visio fuit. Siquidem mox plagae per
*) Isaias 24, 2. *) exerere lis,
8) Vgl. dazu Job. Vit» Odon. 111, c. 8, wo eine ganz ähnliche Ge-
schichte vom hl. Benedict mitgeteilt wird.
486
Aqnitaniam iDcipientes venire in tempae praefinitam iinem Deo mise-
rante habnerant. Illud qnoqne mirabile quibnsdam per noctumam
visionem non incassum ostensum est ipso articulo temporis. Vide-
batnr Dei apostolas a sepulcbro suo cum splendore ma^o procedere
cum multis viris veste fulgentibus, et ad partem occiduam tendens
per iter, quod pedes eins tangebant, flamma de terra ernctuante,
iterum in hoc templnm Salvatoris regrediebatur. Et propter Salva-
toris mensam quasi in throno residens gladio accinctus gladinm
medium, quasi de vagina extrahens nltionem minabatur bis iratns,
qui ei molesti fnisse accusabantur. Qnibus rebus Deo revelante osten-
debantur, non absque patrocinantis apostoli nutu Aquitanicis cladem
incurisse et demum quietem advenisse. Nam incendium, quod diu
vulgus consumpserat, in praeterita beati Marcialis festivitate novis-
sima lunii mensis die subito absortum et extinctum est per omne
solum Lemovicense. Non postmultum hostilitas in pacem eonversa
est, clades in incolomitatem, sterilitas terrae in foecunditatem, in-
edita transiit in satietatem. Item quoniam propter contempta divina
mandata plagae roittantur in ten*a per propbetam Dominus loquitur
dicens: Dedi i'obis Stupor em dentiiim in cunctis iirbihus restris
et indigentiam pannm in omnihus locis vestris et non estis reversi
ad me, dicit dominus. Frohibui a vohis hinibrem cum adhuc tres
menses superessent usque ad messem, etplui super cityitatem unam,
et super eivitationem alteram 'non plni. Pars una compluta est et
pars, super quam non plui, aruit. Et venerunt dua^ et tres civi-
tates ad civitatem unam, ut biberent aquam et non sunt satiatae
et non redist is ad me, dicit dominus, Percussi vos in vente urente
. . . facti estis quasi torris raptus de incefidio, et non redi^ti^
ad me, dicit dotninus.^) Item quia pro sanctae ecclesiae et mi-
nistrorum Domini conculcatione, quae ab impiis üt, percutiatur terra
plagis lobel propbeta sie ait: Periit sacrificium [fol. 97'] gandium
a filiis hominum.^) Hoc est, quia impii ecclesiae perturbant lae-
titiam, ideo haec mala super populum veniunt. Quodammodo quippe
sacrifitinm perit de domo Dei, cum res ecclesiae a fraudatoribus sive
alienatoribus vel a praedatoribus inminuuntnr; et prae inopia desunt
ministri, qui Dei sacrifitio ecclesias oment, vel cum sacerdotes a
laicis affliguntur, vel cum excommunicatio generalis indicitur propter
impiorum contemptum, qui ab episcopis iuste excommunicati inpor-
tune se, quasi bonam habeant conscientiam, ecclesiae atriis ingerant.
Plane quotiens inviti episcopi ecclesias suae diocesis excommunicant,
tunc sacerdotali cessante pristino ofßtio, quasi perit, hoc est, cessat
sacrifitium de domo Dei, et tam episcopi, quam reliqui sacerdotes
propter ipsas innocentes pro impiis clausas ecclesias in Inctu sunt
Gerte nunc Pictavenses et Engolismenses ecclesiae omnes ab epi-
scopis suis, qui huic concilio intersunt pro impiis ita sunt excom-
0 Arnos 4, 6—11. *) Joel 1, 9—12.
') Vgl Apoc.8, 1 und 12, 7, die miteinander verwei^hselt sind.
487
mnnicatae, nt portae clansae sint spinis, altaria spoliata, laicornm
nnllus ecclesiam aliqaomodo ingredi permittitnr, sed pro foribns
orationi singnli vacant. Omniam vero, qui ibi nunc moriantnr, in-
sepulta saper terram per plateas vulgo cadavera iacent. Mnlta iam
facta sunt in escam volatilibns caeli et bestiis terrae, qnia non est,
qni abigat. Signa ecciesiarum et landes Dei non andiuntar. Vide-
mns nunc impleri quod ait lohannes^): Factum est silentium in
caelo, dum draco cofnmitferet bellum. Hoc est, in ecclesia propter
excommnnicationem generalem fit silentinm a divinis officiis, nt omnia
a clericis üant sub silentio et in Inctu, quia draco per membra sna
committit bellum contra pauperes et ministros Domini. Ideoqne in-
dignum est tradere sanctnm canibus et margeritas porcis dare, hoc
est, divinum opus peragere praedatoribus et misteria celebrare in-
mnndis erga pacem et iustitiam. Baptismus tantum traditur bis, qui
in periculo mortis. Consultu episcoporum tamdiu vero ista per-
durabit excommunicatio, donec cnncti principes eorum inter se in-
vicem iusticiam et pacem foederent in manibns episcoporum. In
tanto denique luctu et concnlcatione ecclesiae, quid pastoribus agen-
dum Sit, propheta indicat dicens: Accingite vos et plangite sacer-
dotes, ululate ministri alfaris, ingredimini, cuhate in sacco mi-
nistri Dei mei, quoniam inter iit de domo Dei vestri sacrifitium
et lihatio. Sanctificate ieiunium, vocate coetum, congregate sencs
omnes habitatores terrae in domum Dei vestri^ clamate ad Do-
minum.^) Hoc multociens ab hac sancta Lemovicensi sede con-
stitutum vidistis. Nam ob pravomm sevitiam refrenandam ob con-
cnlcationem ecclesiae et imminentes ab iracnndia Dei piagas laetaniae
crebro indictae, triduanum more Ninivitarum ab episcopo imperatum
est ieiunium, et congregatis sacerdotibus atque maioribns natu con-
silinm iuxta Dei velle initur, qualiter respublica Deo auxiliante me-
lioretur. Ideo autem ab iniquorum redargutione vehementi ab eccle-
siae quoque et pauperum defensione cessare episcopi nullatenus
audent, quia magis cum timent, qui corpus et animam potest perdere
in gehennam, quam eos, qui solum corpus occidere possunt. Nulla
inquam ratione silere audent pastores a prohibitione malorum, qnia
nimis illud timent, quod per prophetam Dominus ad pastores ait:
Super pastores iratus est fiiror mens . . . eius tcnebrescens obs-
curabiturP) Item propheta de tacentibus et pigris pastoribus ait:
Non ascendistis , . , in die Domini?) Ipsi honor et gloria in se-
cnla seculorum. Amen.
*) Joel 1, 13. 14. >) Zachar. 10, 3. 11, 17. ^ £zecbiel 13, 5.
Nachträge und Berichtigungen.
S. 4, Z. 1. Setze „sieb* an den An&ng der Zefle.
S. 21, letzte Zeile lies: «Inzwischen gelug es Robert*.
S. 29, Z. 6 streiche «zwiscben".
S.51, Z.6 lies «Haspres" statt »Haspr^".
S.51, Z. 16 lies „etwa Ende 1028*' statt „Anfang 1029*.
S. 55, n. 4 ff. lies „de la Borderie* statt „de la Broderie*.
S. 67, Z. 3 y. u. nnd S. 69, Z. 2 y. n. lies „Saiotonge''.
S.81, Z.3 lies *) statt «).
8.141, Z.3 y. n. lies statt: «Wann Ledain starb, ist ungewiss': «Leduin
starb am 2. Januar 1047*^; ygL S. 295.
S. 153, Z. 7 y. u. lies «Herzog Tbeoderich yon Oberlothringen*.
S. 167, n. 2. Pfister, Etudes p. XL setzt die Urk. Ayalon, 1023, 37. Jahr
Roberts allerdings nach den Regierungsjahren 1024; das 37. Jahr —
wenn es Überhaupt richtig ist — begann aber bereits am 25. Dec. 1023.
S. 183, Z. 13 lies „Pilgrim* statt .Aribo''.
S.236, Z. 19 lies ,6. Sept.'' statt ,16.Sept.<'
S. 308. In Bd. I, S. 281 wurde mit Unrecht die Abhängigkeit Abbos yon
Fleury yon Pseudoisidor betont Es ist richtig, dass unechte Briefe
des Damasus und an Damasus auf der Synode yon St Basle yon
den drei Vertretern des Mönchtums, Abbo, Romulf und Johannes
yon Anxerre, yorgelegt wurden. Aber weder wissen wir, dass ge-
rade Abbo sie yorlegte, noch dass sie direct dem Pseudoisidor ent-
nommen wurden. Beides ist nun sehr unwahrscheinlich. Was den
letzteren Punkt betrifft, so folgen in den Acten Gerberts c. 22 lauter
Stellen aus pseudoisidorischen Papstbriefen mit der VorbemerkuDg:
Äüatiu est autem etiam tomtis ab Lothariensi regno per manw
Raibodi epiacopi Noviamensis, in quo haec continebarUur etc. Das
war also der Pseudoisidor, der characteristischerweise yon einem
flandrischen Bischöfe (yon Nuyon und Toumai) aus Lothringen prä-
sentiert wurde, entsprechend der von uns heryorgehobenen That-
Sache, dass der Pseudoisidor in diesen Gegenden Gegenstand des
Studiums war. Demnach haben die Vertreter des Mönchtums schwer-
lich den Pseudoisidor selbst vorgelegt Dagegen nun, dass Abbo
den Pseudoisidor kannte, spricht erstens, dass in seiner Canonsamm-
lung keine Beweise einer Benutzung desselben sich finden; in
Brief 14 Abbos, der viele Kircheorechtsstellen enthält, steht nun
auch kein einziger unechter Papstbrief, in den Concilsauszügen ist
allerdings neben der Uebersetzung des Dionysius Exiguus die
Pseudoisidors vertreten, aber eben das deutet darauf hin, dass Abbo
nicht den Pseudoisidor selbst hatte, sondern Canonsammlungen oder
Excerpte, in denen beide Uebersetzungen verwertet waren.
S. 357, Z. 7 war an die Ann. Floriac. zu erinnern, die aber für unsere Zeit
yon der äussersten Dürftigkeit sind.
Register
zum ersten und zweiten Bande.
Den Seitenzahlen des zweiten Bandes ist eine rOmische II vorgesetzt.
A.
Aachen 3. 4. 8. 12. 170. 233; 11,255.
257. — Aachener Capitnlar 57—59.
61. 62. 162. — Aachener Reichs-
tag 5.
Abbo, A. von Fleury 200. 270. 273.
274. 277—282. 284—294. 296—298.
309. 336. 440. 443. 445. 448; II, 26.
84. 35. 62. 68. 85. 88. 92—94. 224.
234 n. 3. 305. 308. 844—349. 362.
364. 382. 402. 488. — Vita Abbonis
II, 848.
Abbo, Vater Odos v. Cluni 44. 45.
Abderrahman, Chalif 145.
Abdinghof, Kl. b. Paderborn II, 157
n. 3.
Abellonins, Gr. v. Savillianum II, 206.
Absalon, Münch v. St. Fleurent de
Saumur 197.
Acfred, H. v. Aqaitanien 76. 83.
Achard, A. v. St. Germain 245.
Acharich, Eremit 167. 168 n. 1.
Acius, Erzb. v. Bordeaux II, 60.
Acqui, Grfsch. II, 15. 16.
Adacius, A. v. Tolle 79. 80—82. 88 ;
II, 482.
Adacins, Priester 79.
AdakJd, BUrger v. Gap II, 82; Gem.:
Frodina.
Adalbald, B. v. Utrecht II, 1 79.
Adalbero, Erzb. v. Reims 188. 1h9.
192—195. 203. 247. 295.
Adalbero I, B. v.Metz 143. 144. 149
—157. 159. 163—166. 168. 171. 178.
174. 178. 179. 188; II, 115. 124. 360.
Adalbero II, B. v. Metz II, 115. 118
—121. 123—128. 158n.1. 447. 458.
Adalbero, B. v. Laon 11,94—97. 100.
Adalbero, B. v.Verdun II, 118. 119.
Adalbert, Albert.
St. Adalbert-Basilika in Pereum 347.
Adalbert, Erzb. v. Prag 234. 235. 332.
384. 335. 339. 343. 345. 346. 355.
Albert, A. v. St. Denis II, 38.
Albert, A. v. Marmoutier II, 27 n. 4.
Albert, A. v. St. Mesmin 201 ; II, 51.
Adalbert, A. v. Moyenmontier 167.
168. 174.
Albert, A. v. St. Thierrl II, 'S\^.
Adalbert, König von Italien II, 1.
Albert II, Markgr., Otbertiner 223.
Adalbert IV, Markgr., Otbertiner II,
206; Gem.: Adelheid.
Adalbert, Markgr. v. Turin II, 201.
Adalbert , Markgr. 11,181; Gem.:
Jutta.
Adalbert, Gr. von Vermandois 1S9.
190. 192. 366.
Adalbert, lothr. Graf 149. 151.
Adalbert, Br. Richards v. St. Vannes
II, 133.
Adalgardis, Gem. Roberts I. v. Au-
vergne 84.
Adalgis, Italien. Priester 223.
N-
S. 4, Z. 1. '
S. 21, lete^
S.29, Z
S.51,
S.
,-*'
'/«!*
/)y^'
II, 336.
•": u»a^* >if OmeT, A. v.
1,/i"''* ^i'^i^«^ n, 1%.
./«//i. ^ *^'- iriihelins I. v. Arles
i^^- g ^daJbert.
^^^^^fj'i.s B. V. Laon 185.
^£i:, B. V. Paris 36S.
/f lelto, A. V. St. Salvator in Nevers
A^lelelmJ Mönch v. Fleury II, 349.
4delgardis, T. Beralds 302.
^Adelheid, Gem. Ottos I. 185. 218.
'219. 223. 226. 227. 233. 234. 257.
34 1 —344. 347. 354 ; II, 77. 228. 341 .
342. 449. 451—453.
Adelheid, Gem. d. Mkgr. Adalbert
II, 206.
Adelheid, Gem. Richards Jttdiciarius
50. 72; 11,437.
Adelheid, Attala, Gem. Lamberts v.
Chalon 11,469.
Adelmodus, Abt 156.
Ademar, Gr. v. Puitiers 80; Gem.:
Sancia.
Ademar, Gr. v. Valence II, 92 ; G e m.:
Rothilde.
Ademar, Vicegr. v. Limoges II, 59 n. 3.
Ademar, Vicegr. v. Lyon 72. 74.
Ademar, Vicegr. v. Tarenne 78. 79.
Ademar v. Chabaunes 77. 240; II,
218.
Adeodat, S. Augiistius 46.
Adhal- s. Adal-.
Adhegrin, Eremit 26. 43. 44. 48. 49.
101. 3ö9.
Adilo, Mönch v. St. Evre 132.
Ado, B. V. Mäcon 225.
j^j, A. V. St. Germaln des Pres
^^ //;34.
^draldus, Prior v. Paray-le-Monial
II, 40.
Adso, A. y. St. Basle 191. 193 n. 1.
Adso, A. V. Montierender 176. 177,
191. 194. 261; 11,221—226. 2;J3.
319. 35S. 362—365. 391.
Adverada, Gräfin 11,401 n. 4.
Aelfwin, A. v. R&msay 11,319.
Acthicensis abbatia (Montier- en-
Bresse?) 66.
Agadus, Snbdiaoou v. Vercelli 31 S
n. 5.
St. Agapit 11,16.
Agapitll, P. 88. 112 n. 1. 113. 16:J.
190. 191. 208. 214. 215. 224.
Agapit, fabelhafter Papst II, 474.
S. Agathe 327 n. 2.
Agiltrud, Gem. Rudolfs III. v. Bur-
gnnd 11,72. 77.
Agnes, Gem. Heinrichs III. II, 100.
113. 189. 257. 261. 294. 448. 452.
463.
Agnes, Gem. Wilhelms V. v. Aquit.
II, 67. 228.
S. Agnete, Kl. b. Rom 102. 1 OS. 111.
St. Aignan in Orl^s 201.
Ailwin, Alderman 277. 278.
Aimerich, Erzb. y. Narbonne 86.
Aimerich, A. v. St. Jean d'Ang^ly
II, 69.
Aimericus, Vicegr. v. Thouars 1 99.
Aimo, Aymo.
Aimo, A. V. TuUe 77. 78. 81. 82;
II, 332—334.
Aymo, burgund. Gr. 266. *
Aymo, S. Aymards 251 n. 3.
Aimo, S. Humberts y. Aosta II, 80.
Aimoin, Mönch y. Fleury 296. 297;
II, 335. 347—349.
Ainay (Lyon), Kl. II, 74.
Airard, A. y. St. Remi II, 209.
Airard, A. y. St. Thierri 193. 194.
Aix, Grfsch. 10. 209. 2M0.
Alanus III, Herz. d. Bretagne II, 49. 55.
Alaya, Bistum 11,102. 110.
491
Alba, Grfßch. II, 15. 16.
Albenga 318; 11,16; B.: Erembert.
Alberich, B. v. Capiia 332.
Alberich, B. v. Como II, 20l. 202.
Alberich, B. v. Laiigres 267.
Alberich, A. v. Fari'a 350.
Alberich, A. v. Marchiennes II, 143.
Alberich, A. v. Montierender 1 76. 1 77.
Alberich I, Gr.v.Macon 211 ; Gem.:
Attala.
Alberich 11, Gr.v.Macon 200; II, 17,
469.
Alberich II , S. Marozias, Ftlrst der
Römer SS. 97-105. 107. 108. 111.
361; 11,437; Gem.: Alda.
Albert s. Adalbert.
St. Albin in Tours 116.
Albiniacus (d^p. Haute-Saone) 264.
Albain, A. v. Nienburg II, 246.
Alby 8. Siebod.
Alda, T. Hugos, Gem. Albcrichs II.
99.
Aldebald, Mönch II, 338—340.
Aldebald, M. v. Dijon II, 352.
Aldebrand, Prior v. L^rins II, 339.
Aldegar, B. y. Limoges II, 61.
Aldegardis s. Hildegardis.
Aldrada, Mutter Brunos v. I^ngres
260.
Alduin, B. v. Limoges 80; 11,6'«. 61.
62 n. 1.
Alduin, A. v. St. Jean d'Angely II, 6s.
69.
Alduin, Gr. v. AngoulOme 80; S.:
Wilhelm Taillefcr.
Aledramiden, oberital. Fürstcuge-
sclilecht II, I. 15. 261.
Alemannien 5. 322.
S. Alessio (St. Bouifacius u. Alexius),
Kl. in Rom 282. 332. 335. 337. 340;
A.: Leo.
Aletramm, A. v. Lobbes 1 72. 1 84.
St. Alexander II, 16.
Alexander II, P. II, 105. 107.
Alexius s. S. Bonifazio.
Alfer, A. v. La Cava II, 199. 200.
471-473.
Alfons III, K. y. Asturien 45.
Alfons IV, K. V. Galizieu II, 59.
Alfons VI, K. V. Castilien, S. Ferdi-
nands I. II, 112.
Alfoz St S. Mametes.
Alfracta, Hof 67. 6«^.
Aligernus, A. y. Monte Cassino 1 1 3.
330.
Alindrada s. Landrada.
Alliardeys, Gau 202.
St. Allyre, Kl. in Clermont 85.
Almanus, Mönch v. Cltmi II, 343.
Almerad, B. y. Ricz II, 82.
Almodus, A. v. C^risy II, 49.
Alnardns, Propst v. S.Zoylus II, 111.
Aloara, Fürstin v. Capua 83o.
Alpaidis, Gem. Gotfrieds v. Florennes
II, 138.
Alpen 218. 334. 335.
Alpes Ammiates 360.
Airich, B. y. Asti II, 20.*^.
Altdorf (Eisaas), Kl. 222. 233; II, 130
n. 2. 322.
Alveus, A. y. St. Pere 196. 197.
Amadeus, S. Humberta y. Aosta II, SO.
Amadeus, Pfalzgr. 151. 154.
Amadeus, A. y. Flayigny 245.
Amadeus I, Gr. y. Savoyen-Belley
II, SO.
Amalbert, A. v. St. Florent u. St. Be-
noit 19S. 275.
Amalfi II, 2S9; Erzb.: Laurentius.
Amalie, Gem. Attos v. B^ziurs 81.
Amalia, (vcm. Kadoloms v. Aulnay
11, 70.
Amalone, Fl. II, 4.
Amalrich, A. v. Lerins II, Sl n. 5.
Amalrich, A. y. St. Mesmin 200, 201.
Amaltrud, Gem. Abellonius' II, 2u6.
St. Amand (Trois-Chateaux), KL 229 ;
II, 81 n. 3.
St. Amand, Kl. in Flandern 133.136;
II, 147. 152. 392. 424.
Amandus, B. y. Gent 128. 13H. 221.
St. Amantius, Kl. in Aquitanien II, 26.
Amarcius, Poet 11,261.
St. Amator, Kl. b. Langres 265,
492
Amb6rieu, 0. in d. Diöc. Belley 98.
106; II, 36.
Ambierle (Lyon), Kl. 11,74 n. 2. 380.
Amblard, Erzb. v. Lyon II, 78. 74.
San Ambrogio, Kl. in Mailand 349;
II, 206. 390 n. 5. 392.
Ambrosius, d. hl. 26. 329. 358. 364.
Amel (Verdun), Kl. II, 128.
Amiens 10; 11,221. 264. 265.
Amiternum 314.
Anastasins, Erzb. v. Sens 203.
Anastasius, ß. d. Ungarn 335.
Anastasins, A. v. St. Maria 347. .'^48.
Andlan, Kl. II, 322.
St.Andr6duCatean, Kl. 11,144. 145.
St. Andreas, Kirche in Fleury II, 382.
.3*i3.
St. Andreas (Gap), Kl II, 82.
St. Andrd-de-Rosans (Gap), Kl. II,
8'. 82.
St. Andreas, Kl. in Rom 100. 102.
103. Jll; A.: Leo.
St Andr6-le-Bas (Vienne), Kl, II, 75.
227.
St. Andr6-le-Haut (Vienne), Kl. 11,76.
Andreas, A. v. S. Apollinare nuovo
in Kavenna 227 n. 6.
Andreas, A. v. S. Salvator 22". 347;
11,341. 451.
Andreas, Mönch v. Cluni II, 343.
Andreas, Mönch v. Fleury 11,351.
Andreas, Britte 148.
Angeldus, Gr. v. Corsica II, 206.
S. Angelo auf d. Monte Grifianello
103.
Angers 11,65. 318; ß.: Rainald.
Angilram, A. v. St. Riquier II, 264. 265.
Angilram, Archidiacon v. Toul 146.
161.
Anglicoart 11,51. 144.
Angoulßme 80. 83. 297; II, 61. 69.
76. 219; B.: Grimoard, Gotfried.
Aniane, Kl. 4. 53. 61. 62 n. 3. —
Anianische Klöster 56. 57.
Anianus, d. hl. II, 209.
Anjou, Grfsch. II, 59. 87. 88. 232.
Annecy (Lyon) II, 75.
Anno, A. v. Jumieges 200.
Ansbert, d. hl. 131.
Anse (St. Romanus) 208. 310; II, 168.
169.
Ansclm, Cleriker 190 n. 6.
Anselm I, Aledram., Mkgr. II, 15.
Anselm II, Aledram. II, 15.
Ansere, Concil v. 86.
Ansfred, Normanne II, 232 n. 7.
Ansteus, A.v.St. Arnulf 161. 164. 183.
Antiochien II, 233.
Antonins, Lehrer des Majolus (A. v.
Isle-ßarbre?) 212.
Antonius, d. hl. II, 358.
Aosta 310; II, 16. 80. 238.
Apennin 327.
San Apollinare in Classe, Kl. 227.
228. 325. 344. 347. 451.
S. Apollinare nuovo in Ravenna 227
n. 6. 348; Aebte: Johannes, An-
dreas.
St. ApoUinaris in Rom 102.
Apt, Grfsch. 209.
Apulien 328.
Aqua bella im Apennin 327.
Aqnelin, A. v. S. Juan II, 107.
Aquitanien 9. 13. 46. 64. 75—77. 82.
83. 88. 303. 312; 11,24. 25. 31 n. 2.
45. 59. 60. 68. 69. 88. 103. 219.
220. 232. 269. 438.
Araber 10. 267.
Aragon II, 102. 103. 105, 106.
Archcmbald, Erzb. v. Sens 203. 204.
Archembald, Erzb. v. Tours 247 n. 3.
Archembald, A.v.St Evre 158—160.
174. 175.
Archembald, A. v. Fleury 187. 195.
204.
Archimbald, Gr. v. Bourbon 313.
Archembald, Vicegr. v. Mäoon II, 36.
Arderadus, A. v. St ApoUinaris in
Classe 347.
Ardicio, S. Arduins 331 n. 3.
Arduin, Erzb. v. Tours 198.
Arduin, B. v. Chartres 197 n. I.
Arduin, B. v. Langres II, 324.
Arduin, Mkgr. v. Ivrea, K. v. Italien
493
318-320. 331 n.I; II, 1-5 n.l. 7.
10. 12—16.
Arembert, A. v. St. Pere 197.
Arezzo 315 n. 3. 317 n. 3. 318.
Argonnen 147. 148.
Aribert, Erzb. y. Mailand 349 n. 2.
Aribert, A. v. St. Arnulf 163.
Aribo, Erzb. V.Mainz 11,158. 161. 162.
184. ISS. 462.
Arigaud, A. v. St. Pierre-le-Vif 92.
Aripert, B. v. Chur 222.
Aristoteles 46; 11,345. 358. 362.
Arles 225. 230. 231 ; II, 76. 83. 220.
267. 429.
Arluc, Kl. 231.
Armo, A. v. St. Maria in Rom II, 288.
Amaldus, B. v. Clermont 85.
Amald, B. v. P6rigueux II, 2 1 8.
Arnald, A. v. Toul 157.
Amald, A. v. Fleury II, 383. 385.
Arnold, A. v. Echternach II, 182.
Arnold, A. v. Hersfeld II, 245.
Arnold, A. v. St. Quentin 190 n. 6.
Arnulf, Erzb. v. Reims 193. 278. 282.
294-296; 11,448.
Arnulf, Erzb. v. Tours II, 26 n. 5.
281 n. 3.
Arnulf I, B. v. Orleans 200.
Arnulf II, B. v. Orleans 273. 274. 279.
280. 282. 284. 286. 291. 292. 298;
11,201. 349.
Arnulf, A. v. Ainay II, 74 n. 6.
Arnulf, A. v. Aurillac 78. 85 — 88;
11, 438.
Arnulf, A. v. St. Martin d'Autun 36.
Arnulf, A. V. Ripouil 106.
Arnulf, Prior v. St. B61in II, 129.
Arnulf, Prior v. St Benigne 268; II,
352. 390.
Arnulf, Mönch v. Fleury II, 349.
Arnulf, Lehrer Johannes' v. Salerno
II, 337.
Arnulf, Touler Cleriker II, 1 28.
Arnulf, Kaiser 32. 157. 158.
Arnulf I, Mkgr.v. Flandern 127—137.
139—141; II, 146. 148. 151.
Arnulf V. Y6vre-le-Chatel 2 84.
Arnulf, Herr v.Florennes II, 138; S.:
Gerhard.
St. Arnulf, Kl. in Metz 163. 164; II,
123.126.322.360; Aebte:Anstens,
Johannes, Warinus.
Arras II, 135. 136. 151. 152. 295. 430
n. 4. 431 U.2. 432 u. 1.
Arseudis, Gem. Bieters 301.
Arsonconrt 268.
Artald, Gr. v. Lyon 11,238; Gem.:
Thedberga.
Artedunus (Lyon), Kl. II, 74 n. 2.
Artold, Erzb. v. Reims 91. 106. 187.
188. 191. 207 n. 4.
Ascoli, Kl. 327.
Asenda, Gem. d. Ostorgius v. Au-
vergne 84.
Asti II, 15. 16. 203. 204. 321 n.3; B.:
Airich.
Astilia, Insel (?) 178.
Asturien 11,101. 102.
Atenulf, Fürst v. Capua 96.
Attala, Gem. Alberichs I. v.Macon 211.
Attala s. Adelheid.
Atto, B. V. Vercelli II, 447.
Atto Benedict (Ato Yetulus de Am-
biledo), Vicegr. v. B^ziers 81.
Aubeterre s. Girald.
Augsburg 308; B.: Udakich.
Augustin 46. 116. 280; 11,329. 358.
St. Augustines, Kl. in England 278;
11,819; A.: WulMc.
St Augustin, KL in Limoges 82;
11,70; Aebte: Martin, Riehard,
Adacius.
Aulnay (Saintonge) 11,69.
Aunenrudis, Mutter Aimoins v. Fleury
297; II, 347.
Aurelian, A. v. Ainay 34.
Aurillac, Kl. in Aquitanieu 34. 77.
78. 85—87. 90; 11,333. 438.
Austrasien II, 272.
St. Autbert (Cambrai), Kl. II, 140.
Autun 22 n. 3. 50. 62 n. 2 202. 244.
264. 310; II, 6. 17. 37. 38. 272.
273. 429. 438; B.: Walter, Hel-
moin, Hagano.
494
Auvergne 75. 77. 83. 87. 208. 251.
300. 302. 304; II, 57. 329.
Auxerre 243; II, 17. tS. 39. 92. 166.
167. 220. 324. 438; B.: Heribert,
Hugo.
Ava, Gern. Wariuis v. Mäcon 40.
Ava, Schwester Wilhelms v. Aqui-
taDien 40.
Avalon, St. in Burgund 264; II, 18
n. 5. 19. 166 n. 209.
Aventicum, Avenches II, 379.
Aventin lOi. 111. 113. 337. 345; s.:
St. Maria.
Avesgaud, B. v. Le Mans II, 35.
Aviguon 209. 232. 252; 11,267. 429;
B.: Benedict.
Aymard, A. v. Climi 205—209. 215.
216. 224. 370—373; II, 57. 190. 328.
337. 407. 408.
Aymard v. Bourbon 251.
Aymo s. Aimo.
Azelin, B. v. Sutri 11,315. 324.
Azelin, Gr. v. Toul 11,115.
Azo, A. V. St. Benigne 261 n. 4.
Azzü, A. V. St. Peter Ciel d'oro 237.
B.
Babylon 178.
Badilo, Gr. 34. 36.
Bagno s. S. Michael.
Baiern 11. 164. 233. 249; II, 25S.
Balduin, B. v. Th6rouanne II, 1 50.
Balduin, A. v. St. Paul und St. Maria
100. 101. 102. 111. 112 n. 1. 113.
Balduin, Mönch v.MarcbiennesII,29i).
Balduin IV, Gr. v. Flandern II, 135.
136. 141 — 151. 169. 185; Gem.:
Ogiva.
Balduin V, Gr. V. Fl. 11,143. 147. 151.
295. 321.
Balderich, B. v. Lilttich II, 174. 175.
250.
Bamberg II, 11. 455.
Bar, 0. in Lothringen II, 264. 266.
St. Barbara, Kl. in Italien 103.
Bardo, Krzb. v. Mainz II, 245.
Barnabas, griech. Bischof 348.
St. Barnard , Chorherrnstift 31 1 ; II,
430 n. 3.
St. Bartholomeus u. Gregor s. Altdorf.
Basilius, d. hl. 330. 332.
Basken 297.
St. Basle, Kl. 191; 11,363; Aebte:
Odoleus, Frodoard, Aso.
St. Basle, Synode v. 278. 282. 293.
300. 332.
Basolus, d. hl 191; II, 363. 364.
Baume, Kl. 36—39. 43. 48. 51. 54. 56.
57. 63. 65. 66.
Bavo, d. hl. 128; 11,221.
StBavo, Kl. in Gent 128. 129. 134. 1.36
—138. 141. 147— 149n.l; Aebte:
Gerhard, Womar, Hugo, Wido,
Othelbold, Adalwin, Leduin, Ru-
mold.
Bayeux II, 50. 232. 392 n. 3.
Beatrix, Herzogin v. Lothringen II,
118. 123.
Beaulleu (Limoges), Kl. II, 62. 93.
Beaulieu (Diüc. Verdun) s. Vasloges..
Beaumont 11,20; Gr.: Hugo.
Beaune, 0. in Burgnnd 264. 265; II,
167. 209.
Beauvais 11,144. 168. 169. 209. 263.
265; B.: Warin.
Bego II, B. V. Clermont II, 341.
Belgien 280; 11,394.
St. B61in (Toul), Kl. II, 129. 390;
A.: Gregor.
Belley II, 36. 80.
Bellum Campum 150.
Belmont, Celle 167.
Benedict, Beneventaner 345.
Benedict, Eremit 336.
Benedict VI, P. 233.
Benedict VII, P. 1 72. 1 99. 231 . 233. 272.
294.
Benedict VIII, P. 263. 348. 353 n. 3;
11,9—11. 14. 29. 46. 47. S6n..5. 8»*.
89. 122. 137. 141. 144. 159—163.
164. 171. 172. 184. 191. 201. 22S.
229. 444. 448. 449. 461.
Benedict IX, P. 11,267. 277. 281. i^6,
289. 301.
495
Benedict, A. v. Aniane 4. Hfi. S7. 40.
50 n. J. 51. 55-63; II, 9S. 438.
Benedict, A. v. St. Arnulf II, 126.
Benedict v. Nursia 2. 89. 90, 96. 187.
196. 217. 240. 250. 251. 254. 259.
266. 273. 274. 278. 324. rM). XV2.
335; 11,334. 335. 344. 345. 347—
:M9. 357. 387. 402. — Miracula
S. Benedicti 11,351.
Benedictinerregel 3-5. 26. 27. 48.
51. 53. 56—60. 62. 87. 156. 159.
165. 186. 193; 11,41. 44.— Bene-
dictinerorden 112. 350.
Benevent 112. 149. 263; II, 117. 19s.
St. Benigne, Kl. in Dijon 177. 261 —
266. 268. 269. 348. 352; II, 1. 8-5.
16. 17. 20—23. 37 n.2. 38. 126. 128.
133. 213. 273. 274. 351. 352. 354.
356. 357. 368. 386— .3S8. 389-391.
404. 430. 438; Aebte: Wilhelm,
Halinard. — s. Dijon.
Benignus, d. M. 26 1 ; II, 5. 386.
Benignus, Bischof 348.
Benignus, Eremit 345.
Benno, B v. Metz 143 n. 6.
St.-Benoit-sur-Loire s. Fleury.
St.-Benolt-du-Saut, Kl. II, 350.
Benzo, A. v. Montierender 176. 177.
Beraldus, S. Beralds 301 n 8. 308.
Berald, S Bieters 300 n.l. 301. 302.
Berald, Propst v. Le Puy II, 58.
Bercharius, Verduner Chronist II, 367.
St. Bercharius s. Montierender.
Bercharius, d. hl. II, 364.
Berengar v, Tours II, 324.
Berengar, Erzb. v. Besan^^on 65. 218.
Berengar, B. v.Verdun 145. 178. 179.
Berengar, franz. Ilofgeistlicher II, 47.
Berengar, K. v. Italien 257; 11,342;
Gem.: Willa.
Berengar, Gr. v. Namur 122. 123.
Berengar II, Markgraf, Aledrauiide
11,1.
Bergh St. Winuoc (Flandern), Kl.
11,150—152.
BerharduB, A. v. St. Martin in Metz 1 56.
Bemacer, Metzer Cleriker 148. 149.
Bernacer, Archidiacon v. Noyon 130.
Bernai , Kl. in d. Normandie II, 47.
51. 52. 374 n. 1. 392; A.: Vitalis.
Bernhard, Bernard«
Bernard I, A. v. Solignac u. Beaulicu,
U, B. V. Cahors II, 62. 443 n. 3.
Bernard III, B. v. Cahors II, 62. 63.
Bernard, B. v. Savona 323.
Bemard II, A. v.Beaulieu 11,234 n.3.
Bernard, A. v. St. Allyre de Cler-
niont 85.
Bernhard, A. v. Clairvaux II, 299.
Bernard, A. v. Isle-Barbe II, 74.
Bernhard, A. v. St. Maximin II, 255.
Bernard, Mönch v. Cluni 50 n 1 . 58.
61. 162; 11,328.
Bernhardus (derselbe?), Mönch von
Cluni II, 343.
Bernhard, Mönch v. Fleury II, 93.
Bernard, Herz d. Gascogne 296. 297.
Bernard, Gr. v. P^rigueux 76 n. 2. 80;
Gem.: Gersindis.
Bernard II, Gr. v. Auvergne 39.
Bernard, Gr. v. Auvergne 83.
Bernard, Br. Odos v. Cluni 44.
St. Bernhard, d.gr. 110. 228; II, 316.
St. Bernhard, d. kl. II, 297.
Bernardinus, A. v. S. Maria de Alaone
II, 108.
Bemer, A. v. Ilomblieres 133. 190.
191.
Berner, A. v. Marmoutier 247; II, 34.
35. 92
Berner, Touler Cleriker 146. 147; II,
359.
Berno, B. v. Mäcon II, 1 90.
Berno, A. v. Burgeuil II, 66.
Berno, A. v. Cluni 85—41. 49. 50. 52.
54. 58. 61—69. 205. 215. 251. 328.
332. 338. 337. 372. 407 4i>S.
Bernuin, Erzb. v. Besanyon 65 n. 3.
Bernuin, B. v. Verdun 178.
Bernward, B. v. llildesheim 345.
Berta, Gem. Rudolfs I. v. Burgund
218. 219.
Berta, Gem. Gerards v.Roussillon 34.
Berta, Gem. Letalds v. Macon 72.
496
Berta, Gem. 1) Odos I. v. Chartres,
2) Roberts IL v. Frankreich 246.
293. 294.
Berta, Gem. Olderich Manfreds IL ▼.
Turin II, 204. 205.
Berta, Aebt. y. Hombli^res 1 &9.
Berteiz, Gem. des Gr. Raimund 34.
Bertinas, d. lii. 129; 11,221.
St. Bertin, KL in Flandern 128. 132.
133. 134. 136. 139; II, 149—151.
152; Aebte: Hildebrand, Ragi-
nald, Heimfried, Roderich, Bovo.
Berthold, B. v. Toul II, 120. 128—
180. 312. 458.
Berthold, A. v. Inden II, 138.
Bertold, Br. des Erzb. Rotger v. Trier
145.
Berold, B. v. Soissons II, 170.
Bertrann, S. Beralds 301 n. b. 302 n. 1;
II, 58.
Bertram, A. v. Stablo II, 154.
Bertrann, Gr. v. Provence II, 83.
Bertulf US, d. hl. 132.
Bertulf, A. v. St Eucharius II, 181.
Besan^on 65. 69. 213. 225. 307; II,
36. 37. 191. 237. 256. 260. 302. 323;
Erzb.: Gedeon, Bemuin, Beren-
gar, Letald, Hugo.
Bevaix (Waadt), KL II, 79.
Beze. Kl. 263. 267. 268; 11,390.
Beze, Fl. 267.
B^ziers 81.
Bifurci 327.
BUl-Berclau (Cambrai), Kl. II, 142.
St. Blaise-aux-Liens (Genf), Kirche
II, 72.
Blandinienser 182.
Blangy (Th^rouanne), KL II, 52.
Blidulf, Primicer v. Metz 167. 108
n. 1. 174.
Biismodis, T. Beralds 302.
Blismodis 11, 74 n. 2.
Blois 246.
Bobo, d. hl. 230 u. 5.
Boehmen 11,257.
Boethins II, 179.
Bohlsbach (Ortenau) 220.
Boleslaw, König v. Polen 336.
Bonifiizius s. Bruno v. Querfurt
St. BoniÜAzins u. Alexios s. S. Alessio.
Bonifacius, Eremit 347.
Bonifaz, Mkgr. v. Tuscien 824.
Bouizo, A. V. St Severus 347.
Bonvenil 80.
Bordeaux 9. 34. 312; 11,60. 64. 76.
BoscherviUe, Kl. II, 392 n. 2.
Boscus S. Petri (Auvergne), KL 11,
57 n. 3.
Boso, A. y. Mouzon 193.
Boso II, Gr. V. Arles 229. 230; S.:
Wilhelm I.
Boso, Br. Königs Rudolf v. Frank-
reich 78. 142. 144. 152. 154. 155.
176 n. 1.
Boso (derselbe?), Gr. 166.
Bosonvilie 168.
Boulogne s. M. 131. 132. 135. Ib2.
Bourges 20. 21. 34. 64. 310; II, 24. 25
n. 1. 27. 56. 60. 70. 8Ä 209. 217. 218;
Er zb. : Gerunco, Rudolph, Gauzlin.
Bonxieres(Toul), KL 174. 175; II, 116.
Bovo, A. V. St Bertin II, 150.
Brauweiler (Cöln), Kl. II, 183.
Bredulium, Gr&ch. II, 15.
Breme s. Novalese.
Brenner II, 12.
Bretagne 13; 11,24. 54—57. 71. 438.
Breteuil, Kl. 11,263; A.: Evrardus.
Breteuil, Grfsch. 11,263. 264; Gr.:
Gelduin.
Brioude, Vicogrfsch. 88. 84; 11,57.
Britteu 148.
Brogne, Kl. 121—125. 129. 185. 136;
11,42. 50; A.: Gerhard, Womar.
Brüssel 171.
Brumpt (Elsass) 220; II, 171.
Brunhilde, Königin 36.
Bruno, Erzb. v. Cöln 170; II, 1 14. 1 16.
Bruno, B. v. Langres 260—262. 264.
267—269; II, 14. 17. 18. 20. 21. 78.
129. 177. 273.
Bruno, B. v. Toul s. Leo IX.
Bruno, B. v. WUrzburg U, 259.
Bruno, A. v. Montierender II, 364.
497
Bruno v. Querfnrt (Bonifazius) 335.
345. 354.
Bmoch, Dorf 11,417.
Bacciniftnum, Castell II, to.
Baccino 333 n. 1.
Burchard I, £rzb. v. Lyon II, 73.
Burchard II, Erzb. v. Lyon 200; 11,
72—74. 77. 78. 167. 194. 238.
Burchard III, Erzb. v. Lyon II, 2H
n. 5. 238. 239. 242. 243.
Burchard, Erzb. v. Vienne II, 168 n.
190.
Burchard, B. v. Worms II, 808. 310.
Burchard, A. v. St. Galien II, 162.
Burchard , Gr. v. Corbeil, Vendöme,
Melun 247. 248—250. 266. 313; II,
45 n. 5. 430 n. 1; Gem.: Elisabet;
S.. Rainald.
Burgeuü, Kl. m Poitou 247 n.6; II,
64. 65. 447 n. 1; Aebte: Gosbert,
Berno, Theodelin.
Burgos, Bistum 11,110. 111.
Bnrgund, Herzogt. 213. 240—242.
256. 300. 308. 341; II, 16—18. 22.
23. 30. 36. 119. 165. 208-210. 220.
273. 438.
Burgund, Königr. 27. 71—74. 162. 163.
207. 219. 223. 234; II, 71. 72. 77. 88.
154 n.2. 227. 236. 239. 242. 269.
289. 301. 450. 453. 455. 469.
Burgunder 76; II, 121.
Buriano, 0. in Italien 109.
Busendorf (Metz), Kl. 11,181.
Byzanz 11,441.
C.
Caen II, 53. 392 n. 3.
Cahors 11,62. 63. 70. 71: B.: Ber-
nard II, Bemard IIL
Calabrien 330. 333.
St. Cahiis, Kl. II, 385.
Cambnü 126. 136. 280; II, 5 L 135.
138—140. 142. 146. 169. 198. 246.
394. 457; B.: Stephan, Fulbert,
Erluin, Gerhard.
Camden 182.
Camerino,St Italiens 327. 328; 11,280.
tjackur, CluniaceaMT. 11.
Campagna 100. 325.
Campo, Mönch T.Far& 96. 104. 105.
Canossa II, 269.
Canterbury 140. 277; II, 136. 346;
Erzb.: Odo, Dunstan.
Capua 96. 113. 330. 348; B. : Alberich.
Caramagna, Kl. 11,208. 205. 206.
Carcassonne 86.
Carenniacus [Charentonnay] s. St.
Satumin.
Carla 327.
Carrion s. S. Zoylus.
Carthago 47.
Casauria s. Pescara.
Cassignol, Castell in der Gascogne
202 n.4.
Castell di Pietra 109.
Castello II, 278. 283.
Castilien II, 102. 103. 109.
Catalonien 326.
Catwallo, A. v. Kedon II, 56.
Cavalliaca II, 16.
Cayariacus [ChaveyriatJ (Lyon), Kl.
II, 74 n. 2.
Caviniae 105.
Cavour (Turin), Kl. II, 206.
Cellier (Bretagne), Kl. II, 56.
S. Celso, Kl. in Mailand 323.
Cerchiara, Kl. in Calabrien 323 ; A. :
Gregor.
Cerdana, Kl. in Castilien II, 1 11; A.:
Gomez.
C^risy (Normandie), Kl. II, 49. 50.
392 n. 2. 3.
St. C^saire d'Arles, Kl. 232; 11,76.
('esina 347.
Cessey-sur-Tille, 0. in Burgund 264.
St. Chaflfre du Monastier, Kl. 87; A.:
Dalmatius.
Chalcedon 11,191. 192.
Chalons s. Marne II, 262. 263. 265
323. 391. 394; B.: Roger I, Wido
Chalon s. S. 67. 209. 241. 242. 310
II, 18. 36. 38. 39. 92. 167. 191. 438
B.: Hildebold; Gr.: Lambert, Hugu
Chambrou (Limoges), Kl. II, 70.
Champagne 11,239. 291. 462.
32
498
Champeaux s. St.-L6ger.
Chanteuge, Kl. 83 n. 5. 85.
Charibert, K. d. Franken 11, 30S n. 1.
Charlieu, Kl. 98. 105. 215. 311; II,
380.
Charroux, Kl. in Poitou 297. 309;
11, 67.
Chartres 11. 196. 246; 11,43. 63. 67.
85. 207. 209. 300; B.: Hagano,
Ragenfred, Wulfald, Fulbert; Or. :
Odo I, Theobald II, Odo II, Theo-
bald III.
Chateauceaux (Bretagne), Kl. II, 56
n. 5.
Chätillon-sur-Seine 266; s. Rainald.
Chaumont, Castell 11,429 n. 10.
Chauriae (Auvergne), Kl. II, 57.
Ohalles, St. in Frankreich II, 32.
Chiers, Fl. II, 171.
Chiusi s. S. Michael.
Chlodwig, König 73.
Christian, A. v. St. Thierri 194.
(Christian, Cleriker 274.
St. Christina 263 n. 2. 347; II, 3. 355.
(^hrodegangus, B. v. Metz 150.
Chiir 10. 222.
Cicero 11,341. 862. 368.
Ciel d'oro s. St. Peter.
Classe .T25. 326. 344. 846. 348; 8.
S. ApoUinare.
Claudius 85; S.: Cunebert-.
Clivus Scaurus s. St. Andreas.
Clemens, d. hl. II, 124.
Clemens IL (Suidger v. Bamberg),
11,286—290.306. 307.314.
C'lemens, vornehmer Angelsachse
II, 97.
St. Clemens u. Felix, Kl. in Metz 1 34.
156. 183. 184; 11,124. 361; Aebte;
Kaddroe, Fingenius.
Clermont S4. 85. 208. 225. 310; 11,57.
341. 429; B.; Arnald, Stephan II,
Stephan IV, Bego II.
Cluni 33—37. 40. 41. 43. 44. 48. 50
—52. 54—57. 60. 62—75. SO. 82.
88. 91. 92. 98—102. 105. 107. 108.
114. 162. 163. 186. 195. 203—209.
214. 215. 217. 218. 222—224. 229.
230. 232. 236. 237. 241. 242. 244.
245. 248. 249. 251. 252. 255. 256.
260. 261. 270-272. 299. 302. 304.
305. 311. 337. 340. 341. 344. 347.
348. 351—353; 11,6. 7. 9. 11. 13.
25. 32. 34. 36. 37. 39. 40. 46. 47. 54.
57 n. 3. 58. 68. 67. 72. 77. 78. SO.
S2— 84. 88 - 90. 92. 93. 96. 100. 104.
106. 107. 109. 110. 112. 133.131.146.
151. 152. 157. 162 n. 2. 171. 190. 191.
194. 199. 208. 228. 229. 231. 237.
255. 281. 289. 290. 297. 801-303.
3'»8. 318. 825 n. 3. 327—331. 335.
336. 338. 342. 344. 855. 357. 368.
371—375. 377. 378. 381. 38.5. 393.
899. 401. 405. 407. 408. 422. 423
n. 6. 426. 429. 430. 432 n. 2. 437.
465. 469; Aebte: Bemo, Odo,
Aymard, Majolus, Odilo, Hugo,
Pefaiis.
Cluniacenser 53. 57—69. 62. 74. 162.
163. 186. 219—221. 232. 242. 249.
262. 329 n. 1. 336. 347. 852. 354.
355; 11,86—38. 41. 71. 74. 81—83.
89—91. 93—95. 98—100. 103. HS.
125. 157—160. 165. 184 n. 5. 191.
196. 200. 202. 208. 262. 280. 2v2.
286. 290. 304. 311. 327. 872. 439.
465. — Cluniacenserreform 251;
11,33. 35. 72; Cluniacensertum II,
56. 100. 260. 272. — Cluniacen-
sische Litteratur 11,827. 331. 337;
Bauschule 11,875.
Cöln 166; 11,114—116. 164. 176.183.
310. 311. 457; Erzb.: Bruno, 111-
grim.
Colmar 220. 221.
Colocz 11,324; Erzb.: Georg.
St. Colomba (Toulouse), Kirche 11,
83 n. 1.
St. Columba, Kl. in Seus 203.
Columban 27.
Comacchio 828. 347.
Combom s. Hugo.
Commercy, Burg in Lothringen II,
265. 266.
499
Como 346; 11,12. 18. 201. 454; B.:
Alberich.
Compiögne 250; II, 168. 169. 207. 315.
CoDan I, G. v. Rennes, Herz. d. Bre-
tagne II, 54. 56 n. 3.
Cono, A. V. Busendorf II, 181.
Coostantin I, P. II, 30$ n. 1.
Constantin, A. y. Micy II, 349.
(>onstantm, A. v. St. 8ymphorian II,
447.
Constantinopel II, 288.
CoDStanz II, 320. 374 n. 1. 898.
Constanze, Gem. Roberts II. v. Frank-
reich II, 18. 31. 34. 99. 207—209.
404.
Corbeii 247; Gr.: Haimo, Burchard.
Corbie (Amiens), Kl. II, 22 1 .
Corbigny (Diöc. Autun), Kl. 244; II,
38; A.: Robert.
Cormery, Kl. 22 n. 3. 249. 250 ;
Aebte: Theobald, Richard.
Cordova 155.
Corsica 10; 11,206; Gr.: Angeldus.
Cortona 314.
Corvey II, 156. 250. 898 n.6.
8t. Cosmas u. Damianus (Chalon),
Kl. 11,40.
Cosinas, gr. MUnch II, 233.
S. Oostanza (Rom) II, 389.
Cotrone 235.
Cremona 319. 323; B.: Odalrich.
(■rescentius 278. 336. 838. 389. 343.
Crescentier 350; 11,8. 10. 160. 196.
Crespiu, Kl. II, 415 n.5.
Crespy, Kl. 11,48; A.: Gerard.
Crotouiaten 11,95.
Cunebert, Propst v. .St. Julien de
Brionde, S. des Claudius 85.
Cunibert, Archipresb. v. Vercelli 318
n. 5.
St. Cyprian, Kl. bei Poitiers 82. 296 ;
11,64.67.68.93; Aebte: Martin,
Aimo.
St. Cyr de Nantes (Bretagne), Kl.
II, 56.
St. Cyr de Rennes (Bretagne), Kl.
II, 56.
St Cyriaens, Collegiatstift in Nevers
11,41.
Cyricus, Bruder desMajolus 209. 210.
Dado, B. V. Verdun 147. 148.
Dado 11,1; Sohn: Arduin.
Dänemark 11,59. 102.
Dänen 9—11. 15. 82. 148. 169; 11,54.
Dagibert v. Cumae, A. v. Farfa 104.
Dagobert, König 190.
Dajocus, A. V. St. Gildas II, 55.
Dalmatins, A. v. St. Chaflfre 87. 88.
Dalmatins Raimund, B. v. Rota II, 108.
Dalmacius, Vicegr. 83.
Damasus II, F. II, 803. 309.
Daniel, A. v. Lezat 81.
Darvensischer Gau 170.
Dauphin^ 10.
St. Deicolus, Kl. 145.
Denain (Cambrai), Kl. II, 142.
St. Denis, Kl. 15. 123—125. 185. 136.
168. 239. 251. 284. 286. 287. 291.
335. 866—368; 11,32. 83. 263.328
n.4. 431 n. 1; Aebte: Robert,
Vivian, Albert.
D6ol8, Kl. 50. 52. 68. 64. 66. 71. 91.
106; 11,55.
Derf 176; cf. Montierender.
Desiderius v. Benevent (A. v. Monte-
Cassino, als Papst Victor III.) II,
200.
Deuil, Kl. 123; A.: Leudegar.
Deutschland 6. 11. 12. 141. 257. 280.
282; II, 12. 165. 188. 259. 822. 398.
399. 413. 447. 456.
Deville, 0. in Lothringen 11,241.
Deynze, 0. in Flandern II, 135.
Die, Grfsch. 87.
St. Di6, Kl. 168; II, 123. 132. 822.
Diedenhofen II, 257. 258.
Dijon 177. 261. 262. 265—268. 347
—349; 11,4. 5. 18. 15. 17. 20. 23.
47. 50. 51. 53. 126. 167. 210. 213.
274. 276. 827. 851. 852. 356. 386.
390; s. St. Benigne.
Dinant a. d. Maas 127.
32*
500
St. Dionysius, K. in Fleury II, 383.
Dodo, A. V. St. Michel de Tonnere 269.
Domene (Grenoble), KL II, bO. 380.
Dominicus, A. v. San Giusto II, 205.
Dominicus, Baumeister v. Fleury 200.
Dominicus y. Foiigno 324 ; II, 280.
Donat 147.
Donau, Fl. II, 8.
Donauwörth, Kl. II, 322.
Dreux, Burg in Francien II, 209.
Drogo, B. V. Beauvais II, 263.
Drogo, B. V. Toul 15S.
Dudo, A. V. Montierender II, 2U9.
Dangalus 7 n. 1.
Dunstan, Erzb. v. Canterbury 60. 140.
277. 278. 295; 11,136. 846.
Durance, Fl. 11,375.
Durand, B. v. Lüttich 11, 175.
Durandus A. v. ('6risy II, 50.
Durandus, A. v. Moissac II, 63.
Durantus, A. v. Savigny II, 74.
E.
Ebbo, Ebo.
£bbo, Fttrst v. D^ols 50. 52. 63. 64;
II, 55.
Ebo, S. Beralds 301 n. 8. 302 n. I ;
II, 58.
EboluSy Ebalng.
Ebaltts, Erzb. v. Keims II, 263.
Ebaliis, B. V. Limoges 76 n. 2.
Ebolus, Gr. v. Poitiers 78. 79. 82.
Eberhard, Erzb. v. Trier II, 31 8. 322.
Eberhard, Gr. v. Egisheim 221.
Ebersheim, Kl. 220.
Eberwin, A. v. St. Martin II, 283.
Ecceman, A. v. Sek 313 n. 3.
Ekkehard IV, M. v. St. Gallen 59 ;
11,98. 252—254.
Eohelles 78 n. 3.
Echternach (Trier), Kl. 11,156. 181.
374 n. 1. 894. 396—399; Aebte:
liavanger, Arnold, Humbert
Edmund, K. v. England II, 346.
Edwin, Br. Ethelstans v. England 132.
Egisheim, 0. im Elsass 221. 233; s.
Eberhard, Hugo, Bruno.
Eilbert, A. v. St. Andr6 II, 135. 144
—146.
Eilbert v.Peronne 181—184. 189. 364
—366; Gem.: Hersindis.
Eiminildis, Mutter des Presbyters
Adaoius 79.
Einard, lothr. Gr. 166.
Einhart, Biogr. Karls d. Gr. II, 356.
Einold, A. v. Gorze 112 n. 1. 137. 146.
148. 153. 155. 161. 164. 166. 167.
171. 179. 183. 224. 369.
Einsiedeln, Kl. II, 249. 250.
Eidrad, A. v. Breme II, 202.
St. Elias, Kl. in Nepi 104. 111.
Elias de Limaco, A. v. St. Florent de
Saumur 198.
Elisabeth, Gem. 1) Heimos, 2) Bnr-
chards v. Corbeil 249.
Elisabeth, T. d. Grafen Elisiemus
89 n. 5.
Elisiardus, Gr. 89 n. 6; Gem.: Rot-
lindis.
Elisiemus (Elisiardus), Gr. 89.
Ello, A. y. Brauweiler II, lb3.
p:ioquius, d. hl. 181. 183.
Elsass 185. 220. 233; 11,6. 322. 338.
Embrun 10.
Emma, T. Theobalds v. Chartres,
Gem. Wilhelms IV. v. Aquitauien
11,63. 64.
Emmelin, Mönch v. St. Vaast II, 295.
Emmeline, Gem. d. Grafen Goscelin
II, 50.
St. Emmeram (Regensbnrg), Kl. II,
250.
Emmo, Erzb. v. Tarautaise II, 75.
Emmo, lothr. Gr. 170.
p:nfonvelle, 0. inBurgund 266; KL:
St. Leodegar.
England 132. 162. 324; II, 59. 102.
225.345; Könige: Edmund, Ethel-
stan, Ethelred, Knut
St Enimie, Kl. in Aquitanien 87.
St Eparch, Kl.in Angouleme 76 n. 2.
80. 297; 11,61.
Epernay 29.
EpIonis-villa 150.
501
St Erasmns, Kl. lOB.
Erkambold, Erzb. v. Mainz II, 162.
Erchembold, B. v. Strassburg 222.
Erembert, B. v. Albenga 348.
Erembold, Br. Kichards v. StVannes
11,133.
Erhiin, B. V. Cambrai 172; II, 136. 140.
Erliiin I, A. v. Gemblonx 171. 172.
Erluin II, A. v. Gembloux 172.
Ermenfried, Archidiac. v. Verdnn II,
322.
Enoenfried, Verduner Chorherr II, 53.
Ennengardis, Gem. Rudolfs III. v.
Burgund II, 73. 75. 77. 227.
Ennengard, KOnigin v. Niederbur-
gund 38.
Ennengardis, Gem. Letalds v. Mäcon
72.
Ennengardis, Gem. Odos II. v. Char-
tres 246 n. I .
Ennengard, Gem. d. I^aetus 274.
Ermenthäns, B. v. Orleans 200.
f^rmentrud, Gem. 1) Alberichs II, v.
Mäcon, 2) Otto Wilhelms v. Bur-
gund 260; II, 17. 78. 469. 470.
Ermes, A. v.Bergh StWinnoc II, 151.
Erstein, 0. im Elsass 185. 234 n. 3.
Escntiola 105.
Esino, Kl. 327.
Ethelred, König v. England 278.
Ethelstaii, König v. England 132.
Ethelword, Erzb. 277.
St. Eucharius (Trier), Kl. II, 181;
A.: Richard.
Eucherbertus, A. v. St. Die 168.
St Eugendus [S. Claude] (Jura), Kl.
11,78; A.: Gauzerann.
S. Eugenia de Burgos, Kl. II, 111.
Eugenius, d. hl. 122. 123. 366—368.
St. Eugenius, Kl. in Savona 323.
Eupraxios, griech. Statthalter 330.
Eusebius, B. v. Angers II, 323 n. 2.
Ensebius, fabelhafter Herzog v. Sar-
dinien II, 229.
Euspicius, d. hl. 201.
Eustorgius, auvergn. Cleriker 11,57
n. 3.
Eustorgius, S. Beralds 301 n. 8.
Everhelm, A. v.Haumont 11,295. 296.
St Evodius zu Le Puy, Chorherren-
stift 303.
Evrardus, A. v. Breteuil II, 263.
Evrard, A. v. St Julien in Tours 275.
St Evre, Kl. in Toul 90 n.l. 132.
137. 139. 145. 156—160. 174. 175.
178; 11,116. 128.130-133.312. 362.
365. 459; Aebte: Archembald,
Humbert, Wilhelm, Widricus.
Evreux 11,52.
St Exupere, Kl. in d. Bretagne II,
56 n.5.
Ezzo, Pfalzgr. 11,180. 183; Gem.:
Mathilde.
F.
S. Facundus, Kl. 11,111.
Faenza II, 280. 285.
Fano 11,278. 283.
Farabert, B. v. Lüttich 136.
Farfa 58-60. 96. 104. 105. 111.349
-352; 11,3. 8-10. 196. 197. 375;
Aebte: KafFred, Alberich, Hugo,
Wido.
St Faro, Kl. 'm Meaux II, 34.
F6camp (Normandie), Kl. II, 20. 44
—48. 50. 52. 90. 210. 389; Aübte:
Wilhelm, Johann; Prior: Theo-
derich.
Felix, A. V. St. Gildas II, 55.
St Felix s. St Clemens.
La Fert6 s. L.
Fenestra, Berg bei Salerno II, 199.
Feraldus, B. v. Gap II, 82.
Ferdinand I, K. v. Castilien 11,111.
112; S.: Alfons VL
Ferrara II, 16.
Ferrutius, A. v. S. Millan de Cogolla
II, 108.
Fimes 32.
Fingenius, A. v. St. Clemens und St
Vannes II, 124. 126. 134. 366. 457.
St Firminus 179; 11,221. 366.
Flandern 9. 121. 127. 129. 134—136.
139-141; II, 135. 146. 272. 438.
502
Flavigny a. d. Mosel II, 366.
Flavigny (Diöc. Autan), KL 244; II,
88. 320. 429 11.5; Aebte: Helde-
rich, Amadeus, Hugo.
St. Fleurent de Saumur, Abtei 197—
199. 201. 275; 11,56. 370. 374. 401.
429 n. 1 ; A.: Amalbert.
Fleury (St-Benott-sur-Loire), Kl. 52.
56. 61. 71. 88—93. 106. 134. 140.
156. 157. 160. 162. 163. 176. 181.
182. 186. 187. 195—198.200—204.
240. 271—277. 284. 286. 287. 294
—296. 298. 299. 334; II, 36. 54. 55.
85. 86. 88. 93. 94. 135. 224. 275.
318. 319. 327. 331 . 334. 844. 345. 348
—351. 358. 357. 368. 877. 381. 384.
385. 390. 402. 403. 414 n.5. 423 D.5.
429 n. 10. 430. 431 n. 1. 438. 443.
447. 48S; Aebte: Lambert, Odo,
Archembald , Wulfald , Richard,
Amalnch, Oylbold, Abbo, Gauz-
lin, Amald. — Floriacenser 276;
Fioriacensische Münche 196. 198.
200. 204.
Fiodoard 155.
Florentius, d. hl. 197. 198.
Florennes 11,138. 139. 146.
St. Florus (Auvergne), Kl. II, 57 n. 3.
Folmar, A. v. Weissenburg II, 247. 248.
Folmar, lothr. Edelmann 150. 154.
Foligno 324.
Fönte Avellana, Kl. 11,280; Prior:
Petrus Damiani.
Fontenai a. d. Mosel 147.
Föntenelles 11,152.
ad Fontes (Viviers), Kl. 11,81 n.l.
Foramian, A. v. Waulsort 182. 188.
Formosus, P. 38.
Fossombrone II, 283.
Fouron 141.
Fouvent-le-Chäteau 268; KL: St. Ma-
rie; Gr.: Girard.
Franken 11,458.
Francien 26. 27. 43. 75. 89. 93. 239.
240. 245. 247. 271. 272. 284. 285.
300; II, 71. 209. 268. 269. 271. 286.
316. 438,
Franoo, B. v. Worms 340. 343.
Frankreich 5. 9. 11. 31. 83. 72. 74.
77. 88. 95. 187. 141. 142. 165. 201.
204. 207. 225. 250. 257. 259. 267.
307. 808. 328. 332. 334 ; II, 22. 26.
32. 54. 68. 87. 98. 99. 102. 108. 143.
170. 172. 185. 187. 188. 204. 210.
225. 226. 232. 240. 259. 262. 314.
316. 317. 322. 858. 357. 381. 389.
398. 898. 413. 429. 481. 488. 447.
465.
Fredegar II, 356.
Fredelindis, Gem. d. Gr. Stephan 134.
Freisingen 8.
Fr^jus, Grfsch. 13. 230; 11,72.
Friedrich, Card. s. Stephan X.
Friedrich, Erzb. v. Mainz 135.
Friedrich, B. v. Genf II, 323. 324.
Friedrich, A. v. St. Hubert 170. 174.
Fridericus, Mönch 11,94.
Friedrich I, Herz. v. I^othringen 150.
165-168. 174. 183. 184; II, 115.
123.
Friedrich, Gr. v. Verdun II, 118. 134.
137. 152. 238. 456.
Friesland 9.
Frodebert, B. v. Troyes II, 363.
Frodina, Gem. Adalalds II, 82.
Frodo, Kriegsmann 203.
Frodoard, A. v. St. Basle 191.
Froterins, B. v. Poitiers 82.
Frotmund, B. v. 'i'royes 11,324.
Fruttuaria, KL in Piemont 34s. :U9;
11,2. 4. 5. 13—16. 48. 50. 90. 126.
167. 171. 192. 195. 203—206. 351.
447 n.1;Aebte: Wilhelm, Johannes.
Fulbert, B. v. Cambrai 183. 136.
Fulbert, B. v. Chartres II, 27. 29 n. 2.
48. 60. 85. 89. 207. 300. 306.
Fulbert, A. v. St Martialis 81 n. 12.
Fulcherius, A. v. St.B6nigne 261 n.4.
Fulcher, Kriegsmaun 209. 210. 212;
Gem.: KaimOdis; Söhne: Majo-
Ins, Cyricus.
Fulcü, Erzb. v. Reims 186.
Fulco, B.v. Orleans 201; 11,85. 86. 93.
Fulco I, Gr. V. Anjou 35. 43. 45. 46.48.
503
Fulco III. Nerra, Gr. v. Anjou 246.
250; II, 59. 87. 88. 232. 235. 242
n. 2. 270. 429 ü. 10; S.: Gauzfrod.
Fulco, Gr. V. Poiithieu II, 265.
Falcuin (Folcuin), A. v. Haumout
II, 140. 295.
Fülcuin, A. v. S. Vinoenz II, 178.
Fulda, Kl. 167; 11,247.
Fulradus, B. v. Paris 368.
Fulrad, A. v. St. Vaast II, 136.
G.
Gaeta 332. 338. 340.
Gaidulf, kaiserl. Richter 223.
Gaitelgrimma, Gem. Waimars III. v.
Salerno II, 199.
Galizien 324; 11,102.
St. Gallen, Kl. 10. 22 n. 4; II, 249.
250—252. 254. 255. 294. 463.
Gallien 242. 273.
Galliis, Autor HO.
Ganagobie (Gap), Kl. 11,81.
Gap, Bist. 10; II, 81—83; B.: Fe-
raldus.
Garsias, A. v. Ona II, 1 1 0.
Garcias, K. v. Navarra II, 106. 108.
109.
Garcias, Gr. v. Castilien II, 109.
Garde-Frainet 10. 230.
Garentiniacus s. Carenniacus.
Garsias s. Garcias.
Gascogne 13. 202. 296; 11,60. 269.
348; Herz.: Sansia-Garcia, Bern-
hard, Sancho.
Gaubert s. Giselbert.
Gaudentius, Erzb. v. Guesen 335;
Br : Adalbert.
Gaugericus, d. hl. II, 140.
Gauzbert, Mönch v. St. Martialis II,
405.
Gausbert s. Gosbert.
Gauzerannus, A. v. St.Eugendus II, 78.
Ijlaufred, (j^ausfred, tiauzfred.
Gauzfred, B. v. Chalon s. S. (?) II, 239
n. 1.
Gaufred, Herz. d. Bretagne II, 54. 55.
Gaufred I, Gr. v. Anjou 242 ; 11, 59.
Gaufred (Gauzfred) IL Martell, Gr. v.
Anjou 247 n.6; 11,266. 270.
Gauzfred, Gr. (v. Nevers?) 72.
Gausfred, Gr. d. Provence II, 83.
Gausfred, Vicegr. v. Bourges II, 8S.
Gausmar, A. v. Savigny II, 234.
Gauzlin, A. v. Fleury, Erzb.v. Bourges
297; II, 24. 36. 65. 85. 86. 88. 350.
351. 381-386. 389. 402. 403. 413.
Gauzlin, B. v.Mäcon II, 168 n.2. 190.
191. 194.
Gauzlin, B. v. Toul 143. 146. 155—
160. 165. 166. 174—176. 178. 179.
207 n. 4; 11,120. 363.
Gauzlinus, Mönch v. D^ols 53 n. 1.
Gebhard, Erzb. v. Ravenna 11,278.
279. 281. 284.
Gedeon, Erzb. y. Besau^on 41 n. 4.
Geilinus, Gr. v. Valence 87.
Geisa, Nonne v. St. Peter in Metz
147.
Gelduin, Erzb. v. Sens 11,235. 242.
320. 323 n. 2.
Gelduin, H. v. Breteuil II, 153. 268.
264. 266.
Gembloux, Kl. 170—172; 11,174.178.
310; A. : Erluin I, Erluin 1 1, Olbert,
Mysach.
St. Genes de Thicrs (Auvergne), Kl.
II, 58; A.: Peter.
Genf 394; 11,73. 77. 242. 323. 379;
B.: Hugo, Friedrich; Gr.: Gerald.
St. Geugulf (Toul), Kl. II, 122.
Gengulfus, d. hl. II, 138.
Genouillac s. St. Sorus 80.
St. Genovefa in Paris 247.
Gent 61. 128. 130. 131. 135. 136. 138.
140. 141. 147.
Genua 323; B.: Johann IL
Genuesen II, 388.
St. Georg (Autun), Kl. 11, 3b.
St. Georges de Henues (Bretagne),
Kl. II, 56.
St. Georg b. Vesoul 265.
Georg, Erzb. v. Colocz II, 324.
Gerald, B. v. Limoges II, 61.
Gerald, B. v. Mäcon II, 190.
r,04
Gerald, B. v. Riez 108.
Gerald, A. v. Solignac 81.
Gerald, (ir. v. Aurillac 27. 34. 77;
II, 383. 443. - V. S. Geraicli H, 834.
Gerald, Gr. v. Lyon II, 238.
Gerbald (Girbald), A. v. St. Christina
34:; 11,3. 355.
Gerberga, Gem. Ludwigs IV. 142.
177. 187. 188. 190. 191; 11,224. 8ß5.
Gerberga, Gem. Heinrichs I. v. Bur-
gund II, 468—470.
Gerberga, Gem. Beralds 301.
Gerbert s. Silvester II.
(i^erhard, Gerard.
Gerhard I, B. v. Cambrai II, 138 —
145. 169. 170. 174, 187. 222. 236.
246. 291. 295. 457-459. 462.
Gerhard, B. v. Toul 168. 175. 234;
11,114—116. 120. 122. 129. 312.
823. 824. 863. 365,
Gerhard, A. v.Brogne 121—125. 127.
129-136. 139—141. 184. 192. 86«
—370; 11,50. 146.
Gerard, A. v. Crespy II, 48.
Gerard, A. v. St. Quentin 190 n. 6.
Gerard, Mönch v. Fleury II, 347.
Gerhard, lothr. Gr. 148. 157.
Gerard, Gr. v. Metz II, 16.
Gerard, Gr. v. Roussillon 34. 42;
11,38.
Gerard, Mkgr. v. Turin II, 15.
Gerlan, Erzb. v. Sens 91. 106.
St. Gemiain d'Auxerre, Kl. II, 19. 23.
243. 244. 282. 355; A.: Ileldrich,
Achard.
St. Germain -des -Pres, Kl. 15. 239;
11,33; AebteiMorand, Ingo, Wil-
helm, Adrald.
St. Germain (Diöc. Toul), Kl. 157.
St. Germanus (Savoyen), Kirche II, 80.
St. Germanus, B. v. Paris II, 308 n. 1.
Germanus, A. v. Winchacumbe 277.
Germigny, Kl. 11,389.
Gersindis, Gem. Heinrichs v. Burgund
243.
Gersindis, Gem. Bernards v. P^ri-
gueux 80.
Gersindis, Gem. des Raimund Pon-
tius 86.
Gersindis, Schwester Teotolos v.
Tours 93.
Gertrud v. Arsoncourt, Gem. Girards
268.
Gerunco, Erzb. v. Bourges 91. 106.
Gervinus I, A. v. 8t. Riquier II, 233.
265. 266. 819. 328.
Gervinus II, A. v. St Riquier 11,265.
Ghärbald, B. v. Lttttich 8.
St. Ghislain, Kl. 126. 127. 246. 247.
251. 256. 415 n. 5. 462; Acbte:
Wenrich, Heribrand.
Gibuin, B. 190.
Gigny s. St. Peter.
Gilbert (Willibert, Giselbert), A. v.
Marmouder 246. 247.
St. Gildas- des -Bois (Bretagne), Kl.
II, 55. 56; Aebte: Dajocus, Felix.
Girald, Mönch v. Fleury II, 349.
Girald v. Aubeterre 297; II, 347.
Girard, Gr. v. Fouvent-le-Cliat«au
268; Gem.: Gertrud; S.: Hum-
bert, Girard.
Girard, S. Girards 268.
Girard, S. Roberts II. v. Volpiano (?)
II, 13.
Girbald s. Gerbald.
(virbertus, MCmch v. Dijun II, 352.
(lisela, GrossuiutterdesWigbert 17u.
Gisela, Gem. Konrads II. II, (I.Hl.
177.) 182. 187. 188. 244. 215. 247.
251. 294. 452.
Giselbert (Gaubert), A. v. StCyprian
II, 67.
Giselbert, Archidiacon v: Vercelli
318 n.5.
Giselbert, Herz. v. Lothringen 125 —
127. 142. 144. 153. 163. 166.
Giselbert, Gr. v. Burgund 67. 74. 78.
Giselbert, lothr. Gr. 166. 167.
Giselbert, Gr. v. Piacenza 324 n. 3;
T.: Richilde.
San Giuglio, Insel 257.
8. (Husto (Susa), Kl. II, 204—206.
(Mandeve 810.
505
S. Glodesindis Mirac. II, 360.
St. Glodesindis (Di6c. Metz), Kl. 16 4.
I(i5. 174 184; Aebt.: Himeltrud.
Gneseu 335. 345; Krzb.: Gaudentins.
Godenum, A. v. Maillezais II, 66.
Godescalc, B v. I^ Puy 87.
Golfald, Decan v. Brioude 301.
Gomez, A. v. Cerdana II, 111.
Gomez, Gr. v. Carrion II, 1 1 1 .
St. Gondon, Kl. 197.
Gontard, Archidiac. v. Turin II, 5. 6.
St. Gorgonius 150. 153. 155; 11,322.
359.
Gorze, Kl. 57. 60. 112 n. 1. 137. 140.
145. 146. 149—152. 154. 155. 160—
162. 165—167. 169—174. 178. 179.
181. 182. 185. 186; II, 100. 121 -
123. 127. 210. 251. 265. 358. 359.
422n.2;Aebte: Einold, Johannes,
Odilbert, Immo, Wilhelm, Sig-
Med.
Gosbert (Gansbert, Gauzbert), A. v.
St. Julien 247; 11,34. 85. 63—65.
71. 167.
Goscelin, normann. Gr. II, 50 ; Gem.:
Emmeline.
Gosfried (Jozfred), A. v. St. Martialis
311; 11,415.
Goslar 11,159. 160.
Gotfried 1, A.v.S.Ambrogio 349 n. 2.
Gotfried II, A. v. S. Ambrogii) 349
n. 2.
Gotfried, A. v. Brenic 11,201.
(lotefred, Archidiacon 348.
Gotfried, Gr. v.Verdun 192. 193; II,
118.
Gotfried I, Herz. v. Lothringen II,
139. 155.
Gotfried II, Herz. v. Lothringen II,
256. 295. 321.
Gotfried I. V. Florennes II, 138;
Gem.: Alpaidis; S.: Arnulf.
Gotfried II. v. Florennes II, 139.
Gotfried, Gr. v. Volpiano II, 3. 4.
Gothien 39. 69 n. 6. 75.
Gozelo I, Ilerz. v. Niederlothringen
II, 1^54. 246. 255. 256. 266.
Gozilo, Gr. II, 1 1 ^.
Gozelinus, Stief br. Adalberos v. Metz
151. 154.
St. Gratüian, Celle in Nagi 102.
Gregor I, P. 46. 47. 116. 274. 279. 305
n. I. 320. 331. 349. 358. — V. Gre-
gorii I. II, 340.
Gregory, F. 229. 292-296. 334. 336
—339. 350. 353 n, 3. 444. 448.
Gregor VI. (Johannes Gratianus), P.
11,264. 275. 2S1— 283. 286. 289. 306.
307. 309. 310 n. L 811.
Gregor VII. (Hildebrand), P. II, 287.
302. 303. 805. 808. 309. 311. 326.
440. 445. 465.
Gregor, A. v. St. B6lin II, 1 32.
Gregor, A. v. Cerchiara 333. 334.
St. Gregor auf d. Scaurusberge, KL
in Rom II, 325.
Gregor v. Tours II, 856.
Grenoble 13. 295. 310; 11,76. 80.
Griechen II, 38S.
Griechenland 162.
(irimald, A. v. S. Victorian II, 107.
Grimauldus, Propst v. St. Mansuy
175.
Grimoard, B. v. Angoul^me II, 61.
Grosne, Fl. 72; 11,37.
Guarinns, A. v. Lozat ^1.
(lubbio, St. Italiens II, 280.
St. Gudwalo 132.
Guido V. Arezzo II, 336.
Guido, A. V. Farfa II, 197.
Guido, A. V. Pescara II, 197. 19S. .
(iuido, A. y. S. Maria di Pomposa
11,279—281. 447.
Guido 8. Wido.
Gumbert, A. v. Limburg II, 397.
Gumbald, Erzb. v. Bordeaux 2(^2;
II, 64.
(Tumbold, Mönch v. Fleury 274.
Gunbald, A. v. St. Savin II, 67.
Gundeloch, Mönch v. Moyenmoutier
167. 168 n. 1.
Guntram, A. v. St. Trond 11, 177.
Guntram, Edelmann 22(K
506
H.
Iladcricus, Gr. 181.
8t. Hadrian, Kirche iu Unteritalieu
32VI.
Hadiiwid (Hawid), Aebt. v. St. Peter
in Metz 165.
Iladuwid, Gem. Hugos v. Francien
142.
lladvis, Gem. d. Gr. Roger v. St. Paul
II, 52.
Ilagano, B. v. Autun II, 272.
Hagano, B. v. Chartres 196.
Hagaoo, Herzog 122.
Ilaimo, B. v. Ilalberstadt II, 32U.
Haimo, B.v.Verdun II, 133, 135. 153.
155. 283. 458.
Heimo, Gr. v. Corbeil 247. 249 ; G e m.:
Elisabeth.
Haito, B. V. Basel 4 n. 6. S.
Hakem BiamriUah II, 232.
Ilalinard, A. v. St. Benigne, Erzb. v.
Lyon 265; 11,132. 273. 274. 286.
309. 313. 318. 322—325. 852. 356.
455. 463.
Hamage (Cambrai), Kl II, 142.
Ilardoinns, Neffe Angilrams 146 n. 3.
Harlcho, A.v. St. Maximin II, 180. 454.
Hartwig, A. v. Hcrsfeld 11, 99 n. 1.
Haspres (Diüc. Cambrai), Kl. 11,51.
143. 144. 148 n. 4.
Ilastiere, Kl. 165. 184; II, 248. —
Hasterienser 249.
Hasuma, lothr. Gr. 166.
Ilatria 347.
Haumont, Kl. II, 139. 294. 394; A.:
Folcuin.
Ilcctor, Decan v. St. Julien 85.
Heimfried, A. v. St. Bertin II, 149.
Heiminas, Bürger v. Besangon 213.
Heimo s. Haimo.
Heinrich, B. v. Lausanne II, 26b.
Heinrich I, deutscher König 142-
144. 152.
Heinrich II, Kaiser 237; II, 2. 6—
13. 15. 16. 89. 127. 136. 145. 148.
154—159. 161 — 165. 171. 172. IT9.
180. 185. 187. 189. 192. 196. 198.
200. 201. 207. 228. 231. 251. 261.
262, 291. 329. 448. 450. 452-455-
459—461.
Heinrich III, Kaiser II, tOO. 113.
180. 183. 184. 189. 202. 237. 242.
245. 247. 248. 251. 254—259. 261.
274—276. 279. 284—291. 294. 295.
301. 302. 304. 307—309. 816. 325.
326. 444. 446-448. 450. 452. 454.
461. 463. 464.
Heinrich IV, Kaiser II, 326.
Heinrich I, K. v. Frankreich II, 147.
169. 208. 209. 235. 236. 240. 257.
258. 261—265. 270. 274. 316-318.
320.
Heinrich d. Zänker, Herz. v. Baiern
11,117.
Heinrich, Herz. v. Borgund, S. Hugos
des Grossen 242. 243. 264. 266.
304; 11,17. 86. 40; Gem.: Ger-
sindis.
Heinrich, Herz. v. Luxemburg 11,180.
Heirich v. Auxerre 11, 338. 339.
Helderich, A.v. St. Germain d'Auxere
214. 217. 226. 243—245. 255 n. 3;
11,38. 329.
Helgaud, Cantor v. Fleury II, 349—
351.
Helmoin, B. v. Autun II, 3b. 39.
Hennegau II, 118.
Herard, Erzb. v. Tours 20.
Herberchtingen, 0. in Schwaben II,
276.
Herbold, A. v. St. Josse II, 350.
Heribert, Erzb. v. Mailand II, 242.
Heribert, B.v. Auxerre 243; 11,324.
Heribert, A. v. St. Vaast II, 136.
Heribert, Cleriker 182.
Heribert, Gr. v. Troyes 177. 365.
Heribert II, Gr. v. Vermandois 142.
187; S.: Hugo v. Reims.
Heribert lll, Gr. v. Vermandois 365;
11,118. 123.
Heribert, kaiserl. Kanzler 320.
Heribrand, A. v. St. Ghislain II, 246.
247.
Heribrand, A. v. St. Vincenz II, 17b.
507
Heribrand von Mawolt 172.
Heriger, A. v. Hohorst II, 179.
Herimar, A. v. St. Rem! II, 316. 318.
Herivens, £rzb. v. Reims 18H. 187.
192.
Heriveus, Archidiacon v. Ori^s II,
282 n. 7.
Heriveus, Thesaurar y. St. Martin II,
348.
Heriward, A. v. Gembloux 172.
Heriward, Kriegsmann II, 145.
Hennann, B. v.Toul 11,129. 130.312.
459.
HerimanD, Mönch v. Cluni II, 328.
Hermann, Gr. v.Enham 11,138. 152.
155. 175.
Hermenald, MOnch v. Flenry 200.
Hermentens, A. v. Tufüac II, 35.
Hersfeld, Kl. 11,99. 1 77. 245. 246. 249.
251.255. 394—399. 462; A.: Rudolf.
Hersindis, Gem. Eilberts 181. 182.
184. 189. 365. 366.
Herslnde, Gem. Raginalds II, 50.
Hervin, A. v. St. Paul II, 134.
H6ry II, 167.
Hessen (Elsass), Kl. II, 130 n. 2.
Hicterius v. Mercoeur 300 n.l. 301;
Gem.: Arsendis ; S 0 h n e : Stephan,
Walter, Nicedius, Berald.
Hicterius, S. Beralds 301 n. 8. 302.
304.
St. Hieronymus II, 341. 358.
Hilarion, d. h. 324; 11,358.
St. Hilarius (Poitiers), Collegiatstift
11,64. 67.
Hildebert, A. v. St. Maur 250.
Hildebert I, A. v. Mont- St. -Michel
II, 48.
Hildebert II, A. v. Mont- St. -Michel
II, 48.
Hildebert, A. v. St. Ouen II, 50.
Hildebert, Priester II, 333.
Hildebert, franz. Edelmann II, 333.
Hildebold, B.v.Chalon 207 n.4. 209;
II, 337.
Hildebold, Scholasticus v. St. Mihiel
146; 11,358.
Hildebrand, A. v. St. Bertin 133. 189.
Hildebrand, Prior v. Cluni 108. 2i)6.
214. 216; 11,190. 337.
Hildebrand, Mönch v. Farfa 96. 104.
105.
Hildebrand s. Gregor YII.
Hildegar, Canonicus v. Le Puy 303.
Hildegardis (Aldegardis), Gem. Ro-
berts I. V. Auvergne 83 n. 5. 84. 208.
Hildegard, vornehme Dame 296.
Hilderat, Gr. II, 152. 256.
Hildesheim 345; B.: Bemward.
Hilduin, B. v. Limoges 311.
Hildüin, B. v. Lüttich 143.
Hilduin, G.V.Champagne 178; Br.:
Manasse v. Troyes.
Hildulfi Vita II, 366.
Ilimbert, B. v. Paris II, 352.
Ilimeltrud, Aebtissin v. S. Glodesindis
165. 174.
Hincmar, Erzb. v. Reims 2o. 30. 32;
II, 363.
Hincmar, A. v.St.Remi 187. 188. 190.
191. 207 n.4.
Hingala, Gem. Oddos 264.
St. Hippolyth (St. Pilt), 0. im Elsass
11,6.
Hyrmentrud, Aebt. v. St. Peter in
Metz 1 65 n. 6.
Hirschau, Kl. 11,374 n.l.
Hisimbert, Mönch v. Fleury II, 350.
Höchst II, 164.
Hohenaltheim II, 446.
Hohorst (Utrecht), Kl. 11,179; A.:
Heriger.
Holland 9.
Homblieres (Noyon), Kl. ISl. 1S9;
11,264. 266; A.: Berner.
Homer II, 363.
Honestus, Erzb. v. Ravenna 228.
Horaz II, 362.
St. Hubert, Kl. 170. 174; A.: Friedrich.
Hubert, Mkgr. v. Tuscien 324. 331
n.3; Gem.: Willa.
Hucbert, B. v. Turin II, 337.
Hucbert, Vicegr. v. Auvergne 83 n. 5;
T.: Aldegardis.
508
Hudo, Abt 156.
Ilüttenheim, 0. im Elsass 220.
Ilugu Candidus, Card. II, 107. 315.
Hugo, Erzb. V. Besan9ou II, 37. 237.
26S. 275. 270. 286. 302. 31b. 822.
Hiij^o, Erzb. V. Bourges 246; 11,372.
Hugo, Erzb. v. KeimB 1 87.
Hugo, Erzb. v. Rouen II, 43.
Hugo V. Chalou, B. v. Auxerre 242;
II, 17. 21. 38-40. 92. 166. 468—470.
Hugo, B. V. Genf II, 77.
Hugo, B, V. Langres II, 320. S24. 3?5
D. 3.
Hugo, B. y. Lausanne II, 268 n. 3.
Hugo, B. V. Nevere II, 41.
Hugo, B. V. Noyon II, 220.
Hugo, ital Bischof 350. 351.
Hugo, A. V. St. Bavo 137. 138. 36S—
370.
Hugo I, A. V. Cluni 50 n. 1. 163; II,
112. 113. 281. 290. 302. 313-320.
322. 323. 330. 337. 342. 374. 408.
447.
Hugo, A. V. Farfa 350—352; 11,8—
10. 196. 197.
Hugo, A.v.Flavigny 11,52. 140. 368.
Hugo, A. V. Lobbes II, 176.
Hugo, A. V. St. Martialis 11,61.
Hugo, A. V. St. Rerai l^s. 191.
Hugo, A. V. Savigny 310.
Hugo, Clüriker II, 15.
Hugo, Cleriker II, lis.
Hugo, Möncb v. Aurillac II, 333.
Hugo, Mönch v. Autun 35. 36.
Hugo, Mönch v. Fleury 11,351. 368.
44.3.
Hugo, Möuch V. Montierender 11,377.
Hugo V. Provence, König v. Italien
67 n. 3. 72. 96-99. lo3. 105. 108.
109. 111. 314. 319. 861. 438.
Hugo Capet, König v. Frankreich 169.
201. 240. 242. 247-249. 251. 271
—278. 278. 2S2. 284. 2S7. 2S9. 291.
292. 297. 313; 11,24. 32. 64. S8.
188. 341 n.3. 350.
Hugo, S. Roberts II. v. Frankreich
11,40. 207. 20b.
Hugo d. Schwarze, H. ▼. Bnrgnnd
72. 74. 213. 437.
Hugo, H. V. Gamerino II, 198.
Hugo d. Grosse, H. v. Francien 74.
89. 93. 106. 142. 187. 217. 240. 212.
363; 11,359.487; Gem.: Haduwid;
Söhne: Hugo Capet, Heinrich.
Hugo, Mkgr. V. Tnscien 331.
Hugo, Gr. V. Beaumont II, 20.
Hugo, Gr. V. Egisheim 221.222.23.').
Hugo, Gr. V. Maine II, 85.
Hugo, Gr. 67.
Hugo, Vicegr. v. Cambom II, 62.
Hugo V. Castelnau II, 62.
Hugo Bardulfns 11,271 n.2.
Humbert, Erzb. v. Lyon II, 325.
Humbert, B. v. Grenoble II, 80.
Humbert, B. ▼. Valence II, 195.
Humbert, A. v. Echternach II, ISl.
182. 897.
Humbert, A. v.St.Evre 137. 148. 1«3.
175. 369.
Humbert, A. v. Maillezais 11, 66.
Ilumbert, A. v. St. Martin d'Autnn
207 n. 4.
Humbert, A. v. Moyenmoutier 11, 315.
Humbert, A. v. St. Vannes 160 n. 1.
178. 179; 11,125.
Hnmbert, G. v. Savoyen-Aosta IL SO ;
Söhne: Amadeus, Aimo, Oddo.
Ilumbert, Gr. v. Savoyen 11,242.
Humbert, Gr. v. Savoyen-Belley 11,
23S.
Humbert, IL v. Salmaise 265.
Ilumbert Mailly II, 20.
Ilumbert, Gründer v. Maroilles II, 1 44.
Humbert, S. Girards 268.
Humfred, Erzb. v. Ravenna II, 314.
Hunold, A. V. St. Mansuy II, 132.
Hunald I, A. v. St. Michel de Ton-
nerre 269; 11,352.
Hunald II, A. v. St. Michel de Ton-
nerre 269 n. 8.
Hunald, Mönch v. St. Benigne 11,388.
Huno, Neffe Angilrams 1 46 n. 3.
Hunegundis, d. hl. 189.
Ilynuentrud s. Hirm.
509
I.
Jacca, St. in Aragon II, 1U7.
St. Jacob de Ayvar, Kl. in Aragon
II, 106.
St. Jacob, K, in Fleury II, 383.
St. Jacob (Lüttich), Kl. 11,174. 176,
Jacob, MOnch v. St. Benigne II, 352.
St. Jacobns in Galizien s. Santjago.
Icterius, A. V. Savigny II, 74—76.
Jerusalem 236. 261; 11,94. 181.230.
233. 26S. 289. 443 n. 3.
Ingelbald, A. v. La Couture II, 35.
Ingelberga, Gem. Wilhebns I. v. Aqui-
tanien 40.
Ingelbert, Laienabt v. Bergh II, 151.
Ingelheim, Pfalz 166. 187; 11,261.
Ingeltrud,Gem. Roberts v.Chalon 241 .
Ingenald, A. v. St Paul n. St. Julien
225.
Ingo, A. V. St. Germain, Massay, St.
Peter in Sens II, 33.
Ingobrand, A. v. Lobbes II, 1 74.
Inigo, A. V. Ona 11,110.
St. Jean d'Angely (Limöges), Kl. 87;
II, 68. 69. 429 n. 3. 432 n. 1 . 434 ;
A e b t e : Alduin, Rainald, Aimerich.
St. Jean d'Autun 301.
St. Johannes, K. in Fleury II, 383.
St. Johann, Kl. in Miicon 2«)7. 215.
St. Jean de Molgone (Saintonge), Kl.
11, 69.
St. Johannes, Kl. in Parma 235. 323;
Aebte: Johannes I, Johannes II.
St Jean de R6ome (Moutier St Jean),
Kl. 267.
St. Johannes u. Maurus (Verdun), Kl.
II, 153.
Johann VIII, P. 98.
Johann X, P. 67. 68. 98.
Johann XI, P. 70. 71. 78.
Johann XII, P. 190.
Johann XIll, P. 122. 188. 192. 193.
201. 225. 226. 444.
Johann XV, P. 237. 263. 278. 282.
292. 332. 334; 11,64. 444.
Johann XVIU, P. 198. 226. 227; II,
6. 7 n. 3. 86. 87.
Johann XIX, P. II, 7 n.8. 29. 69. 172.
173. 184. 191-194. 211. 228. 239.
273. 274. 443.
Johann II, B. v. Genua 323.
Johann, B. v. Modena 323.
Johann, B. v. Nola 110.
Johannes Philagathos, B. v. Piacenza,
Gegenpapst 336. 343.
Johann IV, B. v. Porto II, 176. 229.
Johann, B. v. Sabina s. Silvester III.
Johannes, A. v. S. Apollinare in Ra-
venna 348.
Johann, A. v. St Arnulf 164; II, 359.
Johannes, A. v. Capua 348.
Johann (.Johannelinus), A. v. Fecamp
11,49. 51—53. 353. 354. 389.
Johannes, A. v. Fruttuaria II, 13.
Johannes, A. v. Gorze 140—149. 151.
153. 155. 156. 161. 162. 164. 184.
185; II, 127. 35S— 361. 423. 425.—
V. S. Johannis II, 368.
Johannes, A. v. Limburg u. St Maxi-
min II, 245. 248. 252. 255. 397.
Johamies, A. v. Mouzon II, 263.
Johannes, A. v. Monte Cassino 96.
Johamies I, A. v. St. Johannes in Par-
ma 235. 236.
Johannes II , A. v. St. Johannes in
Parma 236.
Johannes, Odos Biograph, A. v. Sa-
lerno 87 n. 7. 107—112. 359—863;
II, 198. 386. 837.
Johannes, A. v. St Vaast II, 1 4 i . 295.
Johannes, A. v. S.Victorian II, 107.
Johannes, Eremit 336. 339.
Johannes, Eremit 347.
Johannes, Eremit 849.
Johannes, Mönch v. Autim 36. 54. 56.
60. 61.
Johannes, Münch v. St. Benigne, Chro-
nist 11,356.
Johannes, Italien. Münch 324.
Johannes, Scholasticus v.Auxerre 278.
Johannes Gratiauus s. Gregor VI.
Johannes, Mönch v. S. Alessio 333.
Johannes, Mönch v. S. Alessio 333.
Johannes, Mönch v. S. Alessio 333.
510
Johannes Crescentius II, 8. 9.
Johannes, Herz. v. Gaeta 332 n. 4.
Johannes Gradenicus 328. 345.
Johannes, Hansminister in Salerno
112.
Johannes, Maler II, 377.
Johannes, Schtiler d. Romimld 351.
linmo, A. V. Gorze II, 127. 251. 359.
361.
Jordan, B. v. Limoges II, 60. 70. 218.
St. Joss^ (Amiens), KI. II, 264.
Joseph, A. V. St. Maria 329. 852 n. I.
Joseph, S. d. Gr. Elisierniis 89 n. 5.'
Jotsald, Biograph Odilos 11,299. 302.
342. 343.
Jozfred s. Gosiried.
Irmgard, Gem. Ottos v. Ilammerstein
II, 158. 162. 103.
Irun, Bistum in Navarra II, 108.
Isaac, B. v. Grenoble 88 n. 1.
Isarnus, B. v. Grenoble 13.
Isembert, B. v. Paris 265.
Isembert, B. v. Poitiers II, 09. 70. 2 1 i<.
Isembert, A. v. St. Trinit6 de Ronen
II, 50.
Isenbardus, Mönch v. Fleury II, 349.
Isle-Barbre, Kl. 212; 11,74; A.: (?)An-
tonius.
Islo, B. V. Saintes 11,61.
Italien 2. 4. 6. 11. 14. 24. 72. 93. 98.
99. 109. HO. 121. 147. H9. 1S5. 222.
225. 284. 238. 257. 264. 293. 823.
324. 329. 330. 334. 388. 389. 344.
349. 354; 11,1. 3. 8. 10. 15. 17. 27.
08. 161. 105. 172. 200. 205. 209. 254.
275. 277. 279. 282. 283. 290. 299.
315. 310. 323. 338. 354. 385. 880.
388. 889 n. 3. 438. 442. 447.
Iterius, A. v. St.-Andr6-le-Bas II, 75.
Iterias, Gr. v. Auvergiie 300.
S. Juan de la Pena (Aragon), Kl. II,
1 04— 1 09; A e b t e : Patermis, Aque-
lin.
tfudlcae'I, B. v. Vannes II, 55.
Judith, Gem. d. Mkgr.Hugo 331 n.l.
Judith, Gem. Richards II. v. d. Nor-
maudie II, 47.
St. Judocus II, 350.
St. Julien de Brioude, Chorherrenstift
39. 40. 75. 300 n.l. 303.
St. Julien, Kl. in Tours 92. 93. 114
—11«. 225. 240. 241. 247. 266. 275;
II, 34. 85. 56. 03—65. 167. 885. 429
n. 10. 438; Aebte: Ingenald, Ev-
rard, Gansbert.
St. Julien, Kl. b. Dijou 266.
Jnlian, d. hl. II, 15.
Julli, 0. in d. Diöc. Chalon s. S. II, 30.
Jumi^ges, Kl. 82. 83; 11,42. 49-51.
83. 148. 892 n. 8; Aebte: Martin,
Theoderich, Wilhelm.
Jara-Burgnnd 72.
Jura 218. 265; 11,297. 856.
St. Justin u. Ptistor, KI. zu Orma II,
107.
Justinian, rüm. Kaiser 44.
Jutta, Gem. d. Mkgr. Adalbert 11,181.
Juvenal II, 380. 862.
Ivois II, 164. 169.
Ivrea 98. 215. 257. 319; II, 1. 3. 5.
16. 192. 195. 203.
K.
Kaddroe, A. v. St. Clemens u. Wauls-
ort 155. 162. 163. 165. 182—185.
195 n. 8. 824 n. 3; 11,861. 862.
Kadolom, Vicegr. v. Aulnaj 11,09.
70; Gem.: Amelia.
Kärnthen II, 158; Herz.: Konrad.
Kari Martell 1. 24.
Karl d. Grosse, Kaiser 1. 3. 6 — S.
80. 42. 289. 290. 300; 11,76.
Kari d. Kahle, Kaiser 10. 12. 15. 21.
27-29. 31. 36. 87. 141; 11,76.
Karl III, Kaiser 32. 157.
Karl der Einfältige, König v. Frank-
reich 39. 40. 76. 142; 11,144.
Karl, Herz. v. Niederlothringen 278.
282.
Karl, Gr. v. Vienne 207.
Karlmann, König v. Frankreich 31;
II, 76.
Karolinger 127. 141. 194. 239. 240.
278. 289.
511
Knut, König v. England n. Dänemark
11,59. 102.
Konrad IL II, 7 n. 3. 59. 130—132. 147.
180. 182—187. 192. 195. 197. 198.
200—202. 207. 235—237. 239—244.
246. 247. 251. 255. 257. 274. 285.
290. 294. 301. 340. 448.
Konrad, König v. Burgund 74. 207.
21S. 219. 230. 232. 234. 337.
Konrad, Herz. v. Kärnthen II, 15B.
189.
Konrad, Herz. v. Lothringen 135. 155.
170. 179. 188; II, 184. 189.
Knscl, Abtei 188.
L.
La Cava, KL b. Salerno II, 199. 200.
471—474; Aebte: Alfer, Leo.
La Croix-St.-Lanfroy (Nonuandie),
Kl. II, 50.
Laetus 274; Gem.: Ermengard; S.:
Abbo V. Fleury.
La Fert6 (Anvergne), Kl. II 57 n. 3.
380.
Lagneyville, 0. in Lothringen 154.
I^ifinus, Stifter v. Gigny 37. 66.
I^mbert, B. v. Langres 265. 268; II,
14. 21. 273.
Lambert, A. v. Flenry 89.
Lambert, A. v. Waulsort II, 248. 249.
Lambert, Propst v. St. Evre II, 131.
Lambert, Eremit 147—149.
Lambert, Gr. v.Chalon 241. 242; II,
92. 468—470; S.: Hugo.
I^mbert, Gr. v. Löwen II, 1 39.
I^mbert, Gr. v. Valence 232.
Laudrada, Aiindrada, Gem. d. Vicegr.
iMajolns v. Mäeou 211 n. 6.
Landricus, Mönch 11,387.
I^andrich, Gr. v. Nevers 244; 11,17.
19. 88. 41. 167.
Landulf, Erzb. v. Mailand 319. 823.
Landulf, B. v. Turin II, 68. 206.
Landiilf I, Fllrst v. Capua 96.
Landulf II, Fürst v. Capua 1 1 3.
Langres 176. 245. 260. 265. 268. 269;
11,14. 17. 20. 119. 273. 274. 318.
324.391.438; B.: Alberich, Widri-
cus, Bruno, Lambert, Hugo, Arduin.
Laon 128. 129. 163. 182. 185. 189. 193;
11,94.95.101; B.: Adelelmus, Ro-
rico, Adalbero.
JjSl Reole (St. Peter in Squirs), Kl.
202. 204. 296. 297; II, 68. 93. 430
n.4. 431. 433. 434.
St. Laurentius, Kl. in Cremona 323.
St. Lorenz (Liittich), Kl. II, 175 -177.
458; Aebte: Richard, Stephan.
St. Lorenz, Kl. b. Rom 102. 111.
S. Laurentius de Burgos II, 111.
St. Lorenz in Fontenai a. d. Mosel 1 47.
St. Laurentius, Kirche in Macon 11,36.
Laurentius, Erzb. v. Amalfi II, 289.
Lausanne 344; II, 79. 2»»»; B.:Hugo,
Heinrich.
Lausus, Jerusalemfahrer 11,233.
St. Lautenus, Celle in Burgimd 38. 66,
Laymont 168.
Le Bourget (Savoyen) II, SO.
Leduin, A. v. St. Vaast 11,51. 137.
140-144. 146—148, 169. 170. 295.
459.
Ledricus, A. v. St. Amand 133. 134.
369.
St. L^ger de (-hampeaiix. Kl. 243;
II, 354.
Le Maus 12. 44; 11,36. 50. 66; B.:
Avesgaud.
San Leo, Castell 257.
Leo I, P. 279; 11,194.
Leo VII, P. 90. 91. 99—101. 105. 107.
108. 111. 155. 195. 240. 272. 279.
294. 361. 363. 364. 437.
Leo IX. (Bruno v. Toul), P. 221 . 222 ;
II, 126. 130. 132. 159 n.4. 181. 183.
231. 240. 259. 275. 302. 303. 309.
311—314. 317. 319—322.326.342.
364—366. 459-462. 466.
Leo, B. V. Vercelli 321; 11,2. 13. 160.
448.
Leo, A. V. St. Andreas 102—104.
Leo, A. V. St. Bonifacius 2S2. 293.
332-334.
Leo 1, A. V. La Cava II, 200.
512
I^eo, A. V. Sublaco 103.
Leo, A. V. St. Vincenzo am Voltumo
114.
St. Leode^ar in Enfouvelle 26H.
St. Leodegar de Champeaux s. St.
Leger.
Leodegar, Krzb. v. Vieniie II, 75.
Leodegar, Mönch v. Cluni II, 83.
Leotlierich, P^rzb. v. Sens II, 22. 86.
167. 235. 300.
Lcrins, Kl. 230. 231; 11,81. ,339. 340.
Letald, A. v. Thin-le- Montier 134.
192. 193. 200. 20L
Letald, £rzb. y. Besan^on 307.
Letald, A. v. Bt. Mesmin 200. 201.
Letald, Gr. v. Macon 72.74.211.217.
468.
Letbald v. Autuu II, 232 n. 7.
Letbald, B. v. Macon II, 191.
I^tbald, A. V. St. Michel de Tonnerre
269.
Letbald v. Beaune 265. 269 ; II, 20. 352.
I/Ctgardis, Mutter Odos I. v. Chartres
246.
Leudegar, A. v. Deuil 123.
Leudericus s. Ledricas.
Leyre, Kl. in Navarra II, 104. 108.
Lezat, Kl. 80. 81; 11,63; Aebte:
Adacios, Daniel, Goarinus.
Lietfried, B. v. Pavia 223.
Liethard, Gr. v. Marcey 11,153. 155.
237.
Ligurien 11,297.
Limburg a. IL, Kl. II, 244. 245. 248.
254. 874 n. l. 394—399. 454. 462;
Aebte: Poppo, Johannes, Gum-
bert.
Limoges 65. 76. 77. 80. 81. 83. 308.
311; 11,59—61. 69. 163. 217—219.
232. 332. 344. 404; B.: Turpin,
Alduiu, Jordan; Vicegr.: Ade-
mar, Wido.
Limousin 308; 11,331.
LisoiuB V. Amboise II, 271 u.2.
Listergau II, 1 35.
Liudger, B. v. Como II, 202.
Liudolf, B. V. Noyon 366.
IJuthard, A. v. Weissenburg II, 247.
Liutius, Eremit II, 473.
lA>bbe8, Kl. 171; 11,174—177. 8lo.
403. 458; Aebte: Aletramm, £r-
luin, Ingobrand, Richard, Hugo.
Loches (Tonraine), Kl. II, 87.
Lochmenech (Bretagne), Kl. 11,55.
I^cedia s. S.- Michael.
Lodi 321 n.5.
Lod^ve 86. 310.
Löwen II, 139; Gr.: I.«ambert.
Loire, Fl. 9. 29. 45. 71. 156. 186. 200.
277. 323; 11,41. 214.
Lomatschgau 122.
Lombardei 234. 257. 323; II, 12. 185.
269,
Looz, Grfsch. II, 176.
St. Lorenz s. Laurentius.
I^thar I, Kaiser 6. 28. 157.
Lothar II, König 157.
lA)thar, König v. Italien, S. Hugos
98. 99. 103. 105. 108. 111; 11,453.
Lothar V, König v. Frankreich 137.
186. 188. 190. 191. 194. 197. 199.
217.229.260.275.278; 11,117. 118.
lA)thringen 12. 26. 124. 125. 135. 141.
149. 156. 163. 165. 167. 178. 308.
323; 11,114. 117. 145. 169. 170. 185.
186. 210. 224. 233. 239. 253. 272.
312. 314. 351. 357. 362. 393. 403.
438. 439. 456. 457. 463.
Lothringer 142. 144.
Lothringische Reformen 61. 174.
Lonlai, Kl. in Maine 11,36; A.: Wil-
helm.
Lucan II, 362.
Lucca .318. 321 n.5. 324.
Lucia, d. h. II, 245.
Lucia, Gem.WilhelmsIlI. V. Provence
II, 83.
Lucrezia 47.
Ludelm, B. v. Toul 158.
Ludolf, Herz. v. Schwaben 135.
Ludwig, A. V. Gorze 150 n.2.
Ludwig d. Blinde, Kaiser 38. 4U. 97.
Ludwig d. Fromme, Kaiser 4. U. 2s.
30. 42. 53. 58. 62. 289.
513
Ludwig d. Deutsche 28. 30.
Ludwig d. Stammler, König v. Frank-
reich 3L
LudwigUI, König V.Frankreich II, 76.
Ludwig IV, König v. Frankreich 74.
82. 85. 86. 101. 130. 134. 137. 142.
187—189. 193. 207. 208.
Ludwig y , König v. Frankreich 246 ;
II, 1 19.
Ludwig, Gr. 11, l ö2.
Lüttich 122. 1 23. 136. 169. 183; 11,139.
174. 177. 179. 256. 296. 322. 457; B.:
Stephan, Richer, Balderich, Wol-
bod, Durand, Raginar.
Luiniacus (Lyon), Kl. II, 74 n. 2.
Lupus, englischer Bischof II, 324.
Lure-en-Comt^, Kl. II, 130 n.2.
Luxemburg 11,182; Gr.: Sigfried.
Luxueil, Kl. 176.
Lyon 44. 72. 74. 212. 225. 234. 260.
310; 11,72—75. 165. 107. 189. 220.
238. 256. 274. 275. 429; Erzb.:
Bnrchard I, Burchard II, Bur-
chard III, Odulrich, Halinard.
M.
Mabbo, B. v. St. Pol 195 n.3.
St. Macharius II, 35S.
Macon 37. «7. 72. 74. 75. 207. 210.
212-215. 225. 231. 271. 272. 303.
315; 11,17. 36. 190. 191. 324. 443.
469. 470; B.: Gerald, Bemo, Maim-
bod, Odo, Ado, Milo, Letbald, Ganz-
lin, Walter.
Magdeburg 11,246. 250; £rzb.: Ta-
geno.
Magenard, A. v. St. Maur 248.
St. Maglorius, Kl. in Paris 240.
Magnus, Vicegr. v. Dijon, Prior v.
Beze 268.
Magyaren 11. 335.
Majelpotus, A. v. Monte>Cassino 1 1 3.
Mailand 7n.l. 319. 323. 349; 11,16.
206.
Maillezais, Kl. in Poitou 247 n. 6;
II, 63 — 65; Aebte: Theodelin,
Humbert, Goderann.
Sftokar, Cluuiaoensor. II.
Maimbod, B. v. Mäcon II, 190.
Mainardns, Erzb. v. Sens II, 2:i3.
Mainard (I.), A. v. St. Wandrille, Mont-
St.-Michel II, 42—44
Mainard II, A. v. Mont-St- Michel
U,48.
Mainard, A. v. Redon II, 56.
Maine, Grfsch. II, 35«
Mainz 32. 135. 334; II, 8. 158. 189.
245. 321. 322; Erzb.: Friedrich,
Bardo, Aribo.
Majolns, A. y.Cluni 56. -:o5. 2Q9. 210.
213—220. 222—234. 236. 237. 239
—246. 248. 249. 251-256. 259. 260.
308. 344. 347. 370—373; 11,3. 7. 32.
37. 38. 40. 44. 45. 57. 81 n. 5. 82.
83. 91. 92. 133. 190. 256. 261. 266.
269. 276. 291. 293. 297—300. 303.
303. 304. 806. 311-313. 328—331.
337—341. 343. 344. 352. 357. 365.
381. 408. 438. 449. 4.M-453. 455.
472. — V. MaioU II, 840. 341. 843;
Mir. S. Maioli U,841.
St. Miyolus (St. Maria), Kl. b. Pavia
287. 840; 11,7. 880. 451.
Majolus, Cleriker 805.
Majolns, Vicegr. v. Mäcon 211.
Majolus, Vicegr v.Narbonne 210. 21 1.
Malancene (D^p.Vaucluse), Kl. 11,80.
Malbod, A. v. St. Amand II, 147.
Malcalan, A. v. St. Michel 168. 182.
183. 185. 186.
Malenus, B. v. Grenoble II, 76. 80.
Malm^dy II, 894.
S. Mametis in Alfolz, Kl. II, 1 1 1 .
Manasse, B. v. Troyes 178; Br.: Hil-
duin V. Champagne.
Manasse, A. v. St. Benignus 201.
Manasse, Gr. II, 153.
Mancidlus, A. v. St. Allyre 85.
Manegaud, Gr. II, 257.
Manichäer 201.
Manso, A. v. Monte Cassino 331. 851.
Mansuetus, d. hl. II, 363.
St. Mansuy (Toni), Kl. 176; 11,116.
122. 130—132. 363. 365. 459.
Mantios, B. v. Aragon II, 104.
88
514
Mautna 4. 117. 324.
S. Marcelhis in Albiniacns 264.
St. Marcel (Auxerre), Kl. II, 39 40.
St. Marcel (Chalon s. S.), El. 242.
St. Marcel de Sanzet, Kl. 232; II, 91.
Marcey s. Lfethard.
Marchienues, Kl. in Cambrai II, 142.
143. 148 n. 4. 152. 295.
Marcianas Capeila 46.
Marcill^ (Bretagne), Kl. II, 56 n. 5.
Marcus, Abt 348.
S. Maria di Pomposa, Kl. 347; 11,279.
St. Maria a. Andreas v. Quinciacns,
Kl. II, 69.
St. Marie, Kl. in Reims 189.
St. Maria, Kirche in Keims II, 265.
S. Maria v. Beymund, Kl. in Castilien
II, 111.
St. Maria de RipoU, Kl. in der span.
Mark 106.
St. Maria, Kl. in Rom tl2 n.1.
St. Marie b. Salmaise 265.
St. Maria u. St. Flavian, Kl. b. Sax-
fontaine 266.
St. Maria anf dem Scaurusberge 102.
St. Maria, Kl. in Soissons 190.
S.Maria Talnzati8(Lyon), Kl. II,74n.2.
St. Marie en Tardenois 193. 194.
S. Maria di Travo, Kl. II, 206.
S. Maria de Alaone, Kl. in Aragon
II, 108.
St. Maria auf dem Aventin 102. 111.
334. 337; II, 288. 289.
St. Maria (Cambrai), Kl. II, 140.
St. Maria in Coyse, Kl. II, 202.
S. Maria, Kl. a. d. Etsch 331 n.S.
St. Maria u. Benedict in Fleury 200;
II, 382.
St. Marie, Kl. b. Fouveut-Ie-Chätean
268.
St. Maria (Limoges), Kl. II, 70.
St. Maria u. Victor in Marseille 230.
St. Maria ad Montes (Auvergne), Kl.
11,57 n.S.
S. Maria de Najera, Kl. II, 109.
S. Maria de Ovarra, KI. II, 107.
St. Maria b. Pavia s. S. Majolus.
S. Maria de Yrache, Kl. II, 109.
St. Maria Magdalena, Kirche in Yer-
dun II, 322.
Marinus II, P. 118 n.i.
Marinus, Herz. v. GaSta 332 n.4.
Marinus v. Venetien, Lehrer Roma-
aids 326. 328. 349.
Marmontier (Tours), Kl. 239. 245.
247. 251; 11,34. 35. 5«. 67 n.7. 92.
415 n. 7. 429 n. 10. 438; Aebte:
Gilbert, Berner, Gansbert.
Marne, Fl. 248.
Maroilles, Kl. in Cambrai II, 144. 145.
Marozia, Gem. Alberichs I. 97—99.
Marronen, Volksstamm 111.
Marseille 10; 11,230. 267.
Marsia am Fucinersee 314.
Martialis, d. hl. 312; II, 70. 217.
St. Martialis, Kl. in Limoges b i . 82.
308; 11,61. 67. 7(». 363.405; Aebte:
Aimo, Hugo, Jozfred.
St. Martin, B. v. Tours 40. 48. 101.
107. 110. 112. 115. 116. 119. 308;
11,96. 331. 334. 385.
Martin, A. v. St. Cyprian 82. 83.
Martinus, Eremit II, :>78.
St. Martin d'Autnn, Kl. 34. 36. 38. 50.
54. 207 n.4; A.: Hnmbert.
S. Martin de Fromestra II, 1 M .
St. Martin, Kl. in Limoges II, Hl
St. Martin, Kl. in Macon 207. 215.
St. Martin, Kl. in Massay.64. 66; II,
33; A.: Ingo.
St. Martin, Kl. in Metz 148. 156.
St. Martin, Chorherrenstift in Totirs
45—47. 49. 93. 106. 107. 114. 23«.
240. 385. 344; II, 331. 344. 348. 3b«.
St. Martin, Kl. in Trier 145; 11,233.
S. Martin de Triezo, Kl. II, 111.
Mas-Garnier, Kl. 81.
Massay s. St. Martin.
Matfried, lothr. Gr. 143. 157.
St. Mathias s. St. Eucharius.
Mathilde, Gem. Konrads v. Burgund
234.
Mathilde, Tochter Konrads II. 11, 243.
257. 258.
515
Mathilde, Gem. des Pfalzgr. Ezzo
II, 183,
Manbeuge 126.
Maoms, d. hl. II, 196.
St. Maur-des-Foßs^s, Kl. 247—251.
»35; 11,45 n.5. 92. 438; Aebte:
Magenard, Tento, Theobald, Hil-
debert.
St. Maur (Glanfeil), Kl. 36.
Maaren II. 280. 231; 11,101. 102.
St. Maurice (Wallis), Kl. 10. 343;
II, 323.
St. Mauritius, Kl. in Toul 157.
loges.
St. Mauritius und Bodingns s. Vas-
St. Maxent (Poitiers), Kl. II, 65.
St. Maximin, Kl. in Trier 158. 167;
n, 179-188. 244. 245. 247—249.
254. 294. 296. 398.454.463; Aebte:
Haricbo, Poppo, Theoderieh.
St. Maxhnin (Eiez), Kl. II, 82.
Mazolin, Herz. v. Tiroli 845.
Meanx, Bistum 11,34.
St. M^dard, Kl. II, 209; A.: Richard.
St. M6en (Bretagne), Kl. II, 56.
Meinwerk, B.v. Paderborn II, 157 n.8.
Melun 247.250; II, 2 1 3 ; Gr.: Burohard.
Melus, Bürger von Bari II, 172.
Mende, Bistum 88; B.: Stephan.
Mercoeur (D^p. Haute -Loire) 300.
302. 308; 11,68.
Mersen 141.
St. Mesmin (Micy), Kl. 198—201; II,
51. 93. 349; A.: Robert.
Mesvres, Kl. in d. Diöc. Autun II,
37. 39.
Metellianüm b. Salemo II, 472.
Metz 82. 140. 148. 145—149. 151. 155.
161—168. 165. 166. 169. 172. 178.
184. 192. 224. 342. 374 n.l; II, 114.
118. 120—122. 128. 184. 177-179.
248. 255. 275. 309. 822. 862. 457;
B. : Adalbero I, Theoderich I, Adal-
bero II, Theoderich II.
8t* Mlebael) Michel, Mlchele, Mi-
hiel.
S. Michael b. Bagno 327.
S. Michele delle Chinse 11,67. 199.
471.
St. Michel de Cnsan, Kl. 326. 328.
849.
St. Michael in Eremo, Kl. 190.
S. Michele in Looedia 286. 258. 259.
352.
St. Mihiel a. d. Maas, Kl. 11,146. 153.
168. 180. 867.
St. Michael auf dem Monte-Gargano
110. 148. 263. 829. 839. 362. 363.
St Michael a. d. Sadne 218.
St. Michael am Sangro, Kl. 108.
St. Michel-en-Thi6raohe, Kl. 181. 182.
185. 186.
St. Michel-de-Tonnerre, Kl. 262. 267
—269.
St. Michael in Vallaluca 830.
Micy s. St. Mesmin.
S.Millan deCogoIla II, 108. 109: A.:
Ferrutius.
Milo, B. y. Mäoon II, 191.
Milo, B. V. Minden II, 859.
Milo I, Gr. V. Tonnenre 269.
Mirabeaa, Burg in Burgnnd 11,213.
Mizoscnm (Viviers), Kl. II, 81 n.l.
Modena 328; B.: Johann.
Moissac (Cahors), Kl. 11,68; A.: Du-
randns.
Moivron 150. 154.
Molgone s. St. Jean.
Molosmes, Kl. 267.
Molsheim (Elsass) 221.
Mons (Hennegau) 11,119.
Montaniacus, Dorf 801.
Monte Amiata 109.
Mont-Blandain s. St.-Pierre-au-Mont-
Blandain.
Monte Cassino, Kl. 8. 61 n. 2. 95. 96.
98. 99. 112—114. 148. 195. 196. 828.
880. 845. 851; Aebte: Theudemar,
Balduhi, Aligemus, Manso, Theo-
bald.
Monte Cello, Kl. in Italien 103.
Mon^Ceni8 10. 108; 11,199.
Monte Pizi 324.
Montfancon, O.in.Frankr. 148; II, 138.
83*
516
MontgloDoe, Kl. in Frankreich 197.
Mont-Saint-Hichel (Nonnandie), Kl.
11,43. 4S— 51. 56. 389; Aebte:
M&inard I. n. II, Hildebert I. n. II,
Snppo.
Mont-St.-Qnentin (Noyon), Kl. 19U;
264. 266.
Montferrat 10; 11,269.
Montierender, KL 176. 177; II, 123. 167.
209. 323.364.376. 391.430; Aebte:
Benzo, Albericb, Adso, Dndo.
Montmajonr (Mftrseille), Kl. 231; II,
81 n.5.
Hontriond, 0. in Bnrgnnd 11,268.
Horald, A. v. S. Vincenzo II, 473.
Horand, A. v. St. Germain II, 33.
Moulins 154.
Moutier-la-CeUe,Kl. 176. 177; Aebte:
Benzo, Odo.
Moutier-St'Jean (Reoman), Kl. 243;
11,18. 162 n. 2.
Monzon, Kl. 134. 186. 192. 193; II,
155. 263; Aebte: I^etald, Boso,
Johannes, Rudolf.
Moyenmoutier,Kl. 166— 168; 11,123.
1 30— 1 32. 3 1 5. 365. 366. 459; Aebte:
Adalbert, Widerich, Norbert, Harn-
bert.
Hnrbach, Kl. im £lsas8 220; 11,338.
Murten 11,236. 237. 242.
Mysach, A.v.Gembloox 11,178.426.
N.
Najera (Spanien) II, 102.
Namor 122. 123. 183; Gr.: Berengar,
Robert.
Nantes II, 320.
Nanteuil 297.
Nanther, A. v. St. Mihiel 11,153. 367.
Nantoa (Jnra), Kl. II, 78. 297.
Narbonne 81. 86. 309.
Navarra 11,68. 102. 103. 106. 108.
Navigena 11,16.
St. Nazarins in Rossano 329.
Neapel 11 J. 148. 862; II, 198.
Neapolitaner 114.
Nepi 102. 104. 111.
Nenbnrg a. d. Denan II, 8.
Neuenbarg(Neafchatel) 11,79. 236. 287.
Neuvelle-Ies-Champlitte, 0. in Bnr-
gnnd 268.
NeuTi (D^p. du Loiret) II, 383.
Neuville 168.
Nevers 72. 245; II, 17. 36. 41. 167.
318. 390. 382; Gr.: Umdrich, Re-
ginald, Ganzfred.
Nicediiis, S. Bieters 301.
St. Nicolas (Poitiers), Ohorherrenstift
II, 67.
Nicolaus I, P. 282.
Nicolaus II, P. 159 n. 4.
Nicophorus, griech. Statthalter 33o.
Nienburg, Kl. 11,246; A.: Albnin.
Niethard, ital. Gr. II, 3—5.
Nilus. d. hL 324. 329—334. 338-340.
355.
Nivardus, £izb. v. Reims II, 364.
Nivardus, Bildner II, 402.
Nizza 230; 11,267; B.: Nithard.
Nonnette, Vicaria 83 n. 5.
Norbert, A. y. St. Gallen II, 252. 254.
Korbert, A. v. Moyenmontier II, 132.
Normandie 13. 82. 83. 135. 140; II,
24. 41. 53. 56. 71. 89. 210. 232. 292.
353. 392; Herz.: Rollo, Wilhelm I,
Richard I, Richard II, Richard III,
Wilhehn IL
Normannen 9—11. 13. 16. 29. 30. 32.
34. 36. 45. 88. 89. 128. 134. 169.
173. 187. 196. 197. 245. 267; II, 18.
33. 41. 45. 49. 54. 263. 323.
Notger, B. t. Lüttich 334; II, 474.
Notker Labeo, Mönch v. St Gallen
11.251. 253.
Notger, kais. Gleriker 340 n. 1.
Notrann, A. v. St.-Pierre-le-Vif 2o8.
Novalese, Kl. 10; II, 201. 454; ef.
Breme.
Novara, Bistum 257. 321 n.5; II, 12.
13. 16; B.: Peter.
Noyon U, 185 n. 1. 220. 264; B.: Hugo,
Rudolf.
Nursia 53. 62.
Nymwegen II, 295.
517
0.
Oberitalien 6. 111. 223. 224. 287. 823;
II, 186. 206. 451. 452.
OberlothriDgen 141. 145. 160. 195;
204; II, 125. 821.
Octavianus, B. v. Ivrea II, 5.
Odulrich, Erzb. v. Lyon II, 243 n. 2.
274. 275.
Odalrich, Erzb. t. Reims 192.
Odelrich, B. v. Asti II, 15.
Odalrich, B. v. Cremona 823.
Odolrich, B. v. Orleans II, 232 n. 7.
Odulrich v. St. Julien, Maler II, 377.
885.
Oddo, A. V. Breme II, 202.
Oddu, HOnch v. Fleury II, 349.
Oddo II, Mrkgr. v. Turin II, 15.
Oddo, Yicegr. y. Beaune 264; Gem.:
Hingala.
Oddo, S. Hnmberts y. Aosta II, 80.
Oderisius, Gr.T.Marsicanum 325 n.l.
Odgiva, Gem. Balduins IV. y. Flan-
dern II, 148.
Odilbert, Erzb. v. Mailand 7 n.l.
Odilbert, A. v. Gorze II, 122. 127.
Odilo, A. y. Breme 11,201. 202. 454.
Odilo, A. v.Cluni 56. 84 n.2. 215. 227.
228. 234. 235. 237. 242. 296. 298—
801. 308—307. 310. 311. 313. 336
—338. 340—344. 847. 850—352 n. 1.
854; 11,6-10. 19. 20. 22 n.l. 23.
32. 83. 85. 87-41. 57. 58. 68. (16—
74. 76—79. 81. 82. 88. 90-98. 108
—105. 111. 112. 183. 184. 137. 159.
167. 168. 304 n.5. 305 n.l. 829. 337
—344. 355. 857. 872. 373. 375-377.
380. 386. 399 n.l. 401. 408. 489.
440. 450—457. 468. 464. 471. 472.
Odilo, A. V. Stablo 169. 170.
Odo, A. V. Cluni 19. 20. 22. 26. 27.
34. 35. 43—49. ft2. 54—56. 60—67.
69—71. 78. 75. 77. 78. 80-82. 85.
86. 88—93. 99-115. 118. 119. 121.
122. 145. 160. 161. 195. 203. 205—
207. 209. 215. 217. 218. 224. 240.
254. 255. 277. 279. 297. 830. 351.
359—364; 11,25. 84. 183. 195*. 223.
225. 328. 330—838. 343—345. 872.
382. 401. 407. 408. 487. — V. Odo-
nis II, 337.
Odo, Erzb. v. Canterbury 277. 278.
Odo, B. V. Mäcon 11, 190.
Odo, A. V. Moutier-la-Celle 177; II,
868.
Odo, MOnch v. Antun 86.
Odo, König y. Frankreich 39. 41. 245.
Odo I, Gr. V. Blois u. Chartres 198.
246. 284. 288. 294; 11,64; Gem.:
Bertha.
Odo II, Gr. y. Champagne II, 34. 68.
209. 235. 236. 239. 241. 242. 263—
266. 270. 271. 291. 292. 340.
Odo, Gr. y. Ori^ana 89.
Odo, Gr. y.Vermandois II, 118.
Odoleus, A. y. St. Basle 191.
Odoleus, A. y. St. M6dard de Sois-
sons 191 n.6.
Odorann, Mönch y. Sens II, 404.
Odolrich, Odulrich s. Odalrich.
Odwin, A. y. St. Bayo 128 n.3.
Odylard, A. y. St. Peter zu Chälons
11,268. 291. 318.
Oglio, Fl. 347; II, X
Ogo, A. y. St. Maximin, B. y. LUttich
153. 167. 183.
Olbert, A. y. Gemblonx II, 174. 176.
178. 310.
Olderich Manfred II, Mrkgr. y. Turin
11,15. 208-205; Gem.: Bertha.
Oliba, Gr. 828.
St. Omer, Rl. in Flandern 128. 133.
134.
Oila, Kl. in Castilien 11,109. llo;
Aebte: Garsian, Idigo.
Orange, Bist. 11,81.
Orbe, 0. in Burgund 844.
Orco, Fl. II, 4.
Orieh, Normanne 9.
Orleans 20. 89. 196. 199 — 201. 271.
273. 274. 284; II, 51. 85-87. 93.
209. 275. 429. 448; B.: Theodulph,
Arnulf 1, Arnulf II, Fulco.
Orma s. St. Justin.
Orsieres a. d. Dranoe 228.
518
Orta, See v. 257.
Orvieto 827.
Osimo II, 278.
Osmund, engl. Bischof II, 47.
Ostorgius, Vicegr. v. Auvergne 84;
Gem.: Asenda.
Ostorgius, fabelh. H. y. Sicilien II,
229.
Oswald, Erzb. v. York 277. 278.
Otbert, B. V.Verona 318 n. 4.
Otbert I, Mrkgr., Aledramide, S. An-
selms I. II, 15.
Otbert II, Mrkgr., Aledramide II, 206;
S.: Adalbert.
Otbert I, Gr. v. Asti(?) II, 15.
Otbert II, Gr. v. Asti(?) II, 15.
Otbert II, Mrkgr. v. Este II, 12.
Otbertiner II, 2U8. 269.
Otgar, A. V. St. Pons 86.
Othelbold, A. v. St. Bavo II, 148.
Otmarsheim i. £. II, 395.
Otto I, Kaiser 138. 144. 155. 159. 163.
165. 166. 170. 171. 173—175. 179.
183. 184. 187. 188. 218—220. 223.
224. 226—228. 233. 243. 257. 314.
319. 34-2; II, 6. 76. 115. 116. 122.
182. 184. 251. 342. 444. 449—451.
Otto II, Kaiser 138. 226. 228. 233.
235. 341—343; II, 117. 196. 450.
452. 453.
Otto III, Kaiser 168. 237. 292. 313.
319. 321. 832-341. 343. 345—347
n.2. 849-851. 354. 855. 450. 458.
472.
Otto, Herz. v. Kärnthen II, 158 n. 1.
Otto Wilhelm, Gr. v. Bargund 260.
264. 265. 267. 304; II, 1. 3. 15. 19.
20. 36. 38. 41. 67. 78. 129. 187.
468—470.
Otto, Gr. V. Burgund II, 36. 468.
Otto, Gr. V. Hammerstein II, 158.
162. 163. 189. 448; Gem.: Irm-
gard.
Otto, lothr. Gr. 166.
Otto, Gr. 11,180.
Ottonen 219; II, 6. 147. 179. 244.
441.
St. Ouen (Ronen), Kl. II, 44. 50;
Aebte: Mainard, Hildebert.
Ovid II, 330. 362.
Oylbold, A.v.Fleury 273.275-277;
II, 345. 348. 349. 402.
P.
St. Pachomins II, 858.
Paderno, St. Italiens II, 16.
Paderborn 11,246; B.: Rudolf.
Palencia, Bistum 11,110.
Pamplona, Bistum 11,104-106. 108;
B.: Sancho.
St. Pancratius, Kl. b. Rom II, 2SS.
Pandulf I, FUrst v. Capua 830.
Pandulf IV, Fürst v. Capua II, 1 98. 1 99.
Pannonien 11.
StPantaleon (Orange), Kl. II, 81 n.4.
Paray-le-Monial, Kl. in Chalons s. S.
241. 242; 11,40. 41. 92; Prior:
Adraldns.
Paris 10. 12. 46. 240. 245. 247. 248.
251. 265. 274. 291; 11,235. 262.
Parma 235. 321 n.6. 323; II, 280; B.:
Sigfried.
Patemus, A. v. S. Jnan de la Peila
II, UI4— 106. 108. 109.
Paulus, d. hl., V. Orleans 195 n. 3.
196; 11,349.
Paulus, Eremit II, 358.
Paulus, Eremit 349.
St. Paul, Bistum 11,81.
St. Paul de Bouteville (Saintonge),
Kl. II, 76.
St. Paul, Kl. in Rom 10. 101. 109.
III. 112 n.l. 163. 224. 340. 362;
II, 325. 336. 372.
St. Paul, Kl. in Verdun II, 118. 122.
134.
St. Paul s. Roger.
Pavia 7. 9. 12. 13. 108. 109. 179. 184.
217. 223. 224. 226. 234. 236. 237.
258. 326—331. 340. 343. 847; 11,16.*
159. 169. 192. 314. 342. 343. 352.
451. 452.
P6lerie (Bretagne), Kl. II, 56 n. 5.
Pefia s. S. Juan.
519
St. P6re, Kl. in Chartres 190; II, 429
n. tO. 430 n. 3; Aebte: Alveus,
Arembert, Widbert.
Pereiim 344—346.
P6rigord 11,59. 61. 62.
Perintia (Perenza), Gem. Roberts v.
Volpiano 257. 25S; 11,1.
Pörigueux, St. in Frankreich 9. 80.
83; IT, 76. 218; Gr.: Wilhebn,
Bemard.
Persins 11,366.
Perugia, St. Italiens II, 280.
Pewro II, 278. 283.
Pescara (Casaaria), Kl. in Mittelita-
lien 95; 11,196. 198.
Peterlingen, Kl. 217—219. 233—235.
337. 348; II. 6. 76. 79. 92. 1S7. 189.
195. 237. 289. 290. 802. 374 n. 1.
382 n. 13. 412 n. 5. 449. 450. 451.
Petms, Peter, St. Petras, St. Pe-
ter, St. Pierre.
St. Peter u. Paul (Arles), Kl II, 83.
St. Peter de Avellana, Kl. 325 n.l.
St. Pierre au Mont-Blandaiu, Kl. in
Gent 61. 128—131. 133. 135. 136.
138. 140. 869; II, 137. 138. 141, 147.
152. 263. 415 n. 5.
St. Peter in Bncilly, Kl. 181. 184.
St. Peter, Kirche in Fleury II, 200.
274. 382. 383. 385.
St. Petrus, Kirche im Gau v. Lyon 44.
St. Pierre de La Conture, Kl. in Maine
II, 35; Aebte: Gosbert, Ingelbald.
St. Peter Ciel d'oro, Kl.inPavia 108.
III. 235 n. 5. 286. 237. 3.17; 11,7.
8. 451; A.: Azzo.
St. Peter in Gigny, Kl. 37. 38. 43. 63.
66-68.
St. Peter de lacu, Kl. 325 n.l.
St. Peter, Kl. in Le Hans 247 u. 6.
St. Peter in LUttich 169.
St. Peter, KL zu Melun 250.
St. Peter, Nonnenabtei in Metz 1 47.
165. 174. 184; 11,123.
St. Peter, Kl. in Modena 323.
St. Peter (Chälons s. M.), Kl. II, 262.
;^91; A.: Odylard.
St. Peter in Rom 10. 120; II, 389.
402.
St. Peter u. St. Saturnin (Us^z) II,
81 n. 2.
St. Pierre-le-Vif, Kl. in Sens 92. 203.
204; 11,33. 235. 242 n.2; Aebte:
Samson, Arigaud, Ingo.
St. Peter in Sqnirs s. La R^ole.
St. Peter de Tabema, Kl. II, 1 07.
St. Pierre la Tour 303 n. 7.
Petrus Damiani, Cardinalb. y. Ostia
333. 386; 11,279—288. 320. 375.
385. 447.
Petrus, Cardinallegat II, 87.
Peter, B. v. Novara II, 12.
Petrus Rogerlus, B. v. Toulouse II,
83 n. 1.
Petrus, B. v. Vercelli II, 2.
Petrus, A. v. S. ApoUinare in Classe
227 n. 6.
Petrus Venerabilis, A. v. Cluni 27;
II, 423.
Petrus, A. v. St. Michel de Tonnerre
269.
Peter, A. v. Thiers II, 58.
Petrus, Propst v. St. Andr6 de Ro>
Sans II, 82.
Peter, Propst v. Pavia II, 343.
Petrus, Mönch v. Gluni, Presbyter
109.
Peter, Herz. v. Ravenna 227 n.6. 348.
Petra Pertusa II, 280.
Petronilia, Gem. Gotfrieds v. Angou-
leme II, 76.
St. Pharaildis 128.
St. Philipp u. Jacob in Rom 102.
Piacenza 323. 338. 343; B.: Johannes,
Sigfried.
Piemont 10.
Pier Orseolo I, Doge v. Venedig 328.
Pier Orseolo II, Doge v. Venedig
349.
Pilgrim, Erzb. v. Cöln II, 154, 176.
183. 184. 187. 246. 461.
Piombino, Golf v. 1 09.
Pippin, König 1. 4. 24; II, 441.
Pippin V. Landen 12J.
520
Pisa 318. 324.
Pitiviera 11,271 n.2.
Pitres, Castell a. d. Seine 12. 31.
Plectrudis, Mutter Gerhards v. Brogne
122.
Po, FL 223.
Podium Odolenum (Orange), Kl. II,
81 n.4.
Poitiers 36. 78. 80. 82. 83. 296. 312;
II, 64. 67. 68. 70. 93. 218—220. 232.
323. 429; B.: Froterins, Isembert.
Poitou 76; 11,63. 69. 71.
Polen 336.
Poliacus (Lyon), Kl. II, 74 n. 2.
Poligny, 0. in d. Diöc. Besan^on II, 36.
St. Pons de Tbomi^res, Kl. 86.
Ponthieu, Grfsch. II, 265; Gr.: Fuloo.
Pontius, Gr. v. Toulouse 63.
Poppo, Erzb. V. Trier II, 131. 182.
233. 250.
Poppo, B. V. Utrecht II, 861.
Poppo, A. V. Stablo 141; II, 100. 132.
135. 187. 146. 164. 174—179. 181.
183. 186. 187. 189. 233. 240. 244—
261. 275. 284. 290. 292—296. 822.
894. 397. 899. 439. 440. 448. 454.
465. 467. 461—363.
Porphyrius 11,358. 362.
Porto 111; 11,229; B.: Johann IV.
Posthumian, Autor 110.
Poutieres, Kl. 34. 42; 11,820.
Prag 334.
Pressburg, St. a. d. Donau II, 325.
Pressy (Autun), Kl. 20. 201.
St. Privat II, 168.
Provence 10. 13.203 — 232; 11,82.
S8. Vn. 268. 375; Gr.: Wilhelm I,
Wilhelm II, Wilhelm III.
Prüm Crrier), Kl. 11,127. 247. 251;
A.: Immo.
Pseudo-Isidor 279. 281. 282; 11,306.
308 n. 2.
Puisieux, 0. in Burgund 265.
Le Puy 262. 302. 308. 809; H, 379
n.5. 429; B.: Wido.
Pyrenäen 11,59. 102—104. 118.
Pythagoriier II, 95.
Quaranta II, 16.
St. Quentin s. Thin-le-Moutier.
Quiberon (Bretagne), Kl. 11,56.
Quierzy 79.
Qnimperl6 (Bretagne), Kl. II, 56.
Qninciacus s. St. Maria.
St. Quintinus in Insola 190.
B.
Rabanus Manrus II, 32S.
Racnlf, Vicegr. V. Mäcon 211.
Radinous, Cleriker v. St Symphorian
148. 149.
Raflfred (Ratfred), A. v. Farfa 96. 104.
Ragimbald, Dienstmann 188.
Raimbald, Mönch II, 338 n. 2. 340.
Baginar, Rainar, Ratner.
Raginar, B. v. Ltittich II, 139. 175.
176. 458. 459.
Rainar, A. v. St. Trond 1 73.
Rainer, Mrkgr. v. Tuscien 327. 328.
Raginar I, Langhans, Gr. v. Henne-
gan 142; S.: Giselbert.
Raginar II, Gr. v. Hennegan 171.
Rainer III, Gr. v. Hennegau 127; II,
119.
Rainer IV, Gr. v. Hennegau II, 185.
246.
Raginired, B. v. Chartres 196. 197.
Raimodis, Gem. Fulchers 210. 211.
Raimodis, T. d. Vicegr. Majolus v.
Mäcon 211 n.6.
Raimund, B. v. Limoges 34.
Raimund Pontius, Herz. v. Aquitanien
75. 80. 83. 85. 86. S8; Gem.: Ger-
sindis.
Raimund, Gr. .34; Gem.: Berteiz.
Rainald, B.V.Angers 198. 199; 11,65.
Rainald, B. v. Paris 247. 249. 313;
11,411 U.8.
Rainald, A. v. Ainay II, 74.
Rainald, A. v.St. Jean d'Ang^ly II, 69.
Rainald, Prior v. Cluni II, 82.
Rainald, Gr. v. Burgund, S. Otto Wil-
helms 265; 11,36. 356.
Rainald, Gr. v. Nevers II, 41.
521
Rainald, Gr. v. Ronoy 260.
Rainald, Gr. v. Sens II, 255. 242 n. 2.
Rainald v. ChatiUon-sar-Seine 266.
Rainald v. Marsicannm 325 n. 1 .
Rainard, A. v. St. Pierre-le-Vif 204.
Rainard, Mönch ▼. St. Columba 203.
204.
Rainard, Gr. ▼. Sens^ II, 22.
Rambert, B. v. Verdmi II, 256.
Rambert, A. v. Senones 166.
Ramiro, K. v. Aragon II, 105—107.
Ramnnlf, Herz. v. Aquitanien 89.
Ramsay, Kl. in England 277. 278;
11,319. 847; Prior: Germanns.
Ranger, A. v. Senones 166.
Ratbod, A. y. St. Amand II, 147.
Ratbumas, Vicegr. v. Lyon 72.
Ratber, B.v. Verona 168; 11,447.
Ravanger, A. v. Eohtemach II, 182.
Ravenna 199. 227. 235. 236. 272. 814.
320. 825. 826. 328. 334. 337. 344—
348. 358; 11,9-11. 278. 279. 2S1.
284. 814; Erzb.: Honeetns, Geb-
bard, Wigger, Humfred.
Ravennaten 11,388.
Recimnnd, A. v. S. Maria von Rey-
mund II, 111.
Redon (Bretagne), Kl. 11,56; Aebte:
Mainard, Catwallo.
Regenold, Gr. 189.
Regensbnrg 11,242. 246. 249. 251.
Reggio 321 n.5.
Reginald, A. v. St Bertin 139.
Reginald, Kriegsmann II, 50; Gem.:
Hersinde.
Reginbald, Erzb. v.Arles II, 83. 267.
Reginbald, B. v. Speier II, 247.
Reichenan II, 127. 247. 822.
Reims 23. 181. 186. 189. 191. 192.
194. 195. 204. 213 n. 6. 247. 249.
252. 260. 274. 278. 280. 282. 292.
352; II, 188. 134. 139. 144. 169. 171.
209. 216. 265. 320. 393. 429; Erzb.:
Fnlco, Heriveus, Senlf, Hugo, Ar-
told, Odabrich, Adalben), Arnulf,
Gerbert, Ebalns.
Kefssbaeh 3.
St. Remaclus 11, 252.
St. Remi, Kl. 134. 188. 189. 192. 198.
195 n.8; 11,209. 316. 393; Aebte:
Archembald, Airaud, Herimar.
Remigius, d. hl. 186—188. 190.
Remigius, Mönch v. Flenry 296.
Remigius, Lehrer Odos 46. 146; II,
835.
Remiremont, Kl. in Lothringen II,
315.
La R^ole s. La.
Reoman s. Moutier-Saint-Jean.
Revigny 168.
Rhein, Fl. 11. 187; 11,9.
Rhone, Fl. 210. 229. 260; 11,375.
Richard, B. v. Verdun 11,256. 275.
291. 297. 848. 867.
Richard, A. v. St. Angustin 82.
Richard, A. v. Cormery 250.
Richard, A. y. St. Eucharius II, 181.
Richard, A. v. Fleury 199. 200. 202.
203. 272. 275; 11,345. 382.
Richard, A. y. St. MMard II, 209.
Richard, A. y. StVannes n,53. 131
—186. 138—140. 144. 146. 147. 152
—155. 157. 169. 171. 173-176. 180.
215. 216. 282. 233. 254. 256. 257.
262—265. 271. 272.275.290—293.
296. 297. 304. 319. 866. 892-894.
397. 438. 453—458.
Richard Judiciarius, Herz. v. Burgund
72. 74.
Richard I, Herz. d. Normandie 1 35 ;
11,42-45.
Richard II, Herz. d. Normandie II, 43.
45—48. 50. 89. 143. 169. 232; Gem.:
Judith; Söhne: Richard III, Ro-
bert.
Richard III, Herz. d. Normandie II,
143.
Richandns, Cleriker 11,81.
Richer, B. y. Lüttich 125. 143. 144.
169. 170.
Richilda, Aebt. y.Caramagna II, 205.
Richilde, Gem. des Bonifaz y. Tus-
den 324.
Richildis, Gem. Letalds v. Mäcoq 72,
522
Kichiza, Königin v. Polen II, 183.
Richwin, lothr. Gr. 147. 151. 152. 166.
Riculf, B. V. Soissou 20. 21.
Hienzi 354.
Riez 209. 232 ; II, 82 ; B. : Almerad.
Kigomer, d. hl II, 66.
Riklendis, Gem. d. Vicegr. Wido v.
Thiers II, 58.
Riliacus (Auvergne), Kl. II, 57 u. 8.
Rimini, St. Italiens II, 280.
Riprand, Aledramide II, 15.
St. Riquier (Amiens), Kl. II, 264;
A e b t e : Angilram, Gervinus I. n. IL
Risus (Viviera), Kl. 11,81 n.l.
Riz (Rivis), Kl. in der Auvergne II,
57. 87y.
Robert, Erzb. v. Reuen II, 20 n. 5. 1 44.
Robert, Erzb. v. Trier 179.
Robert, B. v. Metz 150.
Robert, A. v. Flavigny 241.
Robert, A. v. St. Fleurent u. v. Micy
198. 199.
Robert, A. v. St. Mesmin 200. 20 t.
Robert II, König v. Frankreich 201.
240. 243. 246--250. 264. 265. 2^2.
278. 282. 287-289. 292—294. 297;
II, 16—24. 31. 83. 34. 40. 48. 46.
64. 68. 86. 88. Ol. 92. 95. 99. 100.
102. 164. 168. 169. 171. 185-188.
193. 207—210. 213. 216. 235. 263.
275. (297). 301. 350. 351. 404. 448;
Gem.: Berta, Constanze.
Robert, 8. Roberts II, Herz. v. Bur-
gimd II, 39. 209.
Robert, Herz. d. Normandie II, 5o.
51. 53. 143.
Robert, Gr. v. Namur 188.
Robert, Gr. v. Paris, A. v. St.Denis 1 2.i .
Robert, Gr. v. lYoyes II, 468.
Robert, Vicegr. v. Aubusson 77.
Robert I, Vicegr. v. Auvergne 83—
S5. 208. 3(12; Gem.: Hildegardis.
Robert II, Vicegr. v. Auvergne 84;
S.: Wido.
Robert, Vicegr. v. Chalou s. S. 24 1 ;
Gem.: Ingeltrud.
Robert v, Pcronne II, 264.
Robert I. v.Volpiano 257—259; II,
13; Gem.: Perintia.
Robert IL v. Volpiano, S. Roberts v.
Volp. 11,3. 5. 13.
Robert, Br. Bernards III. v. Gabors
II, 63.
Robert, Jerusalemfahrer II, 233.
Robertiner 240. 241. 247. 278; 11,438.
Röderich, A. v. St. Bertin II, 149—
151. 170.
Rodez 11,216. 230. 810.
St. Rodingus II, 366.
Rodoald, B. v. Beziers 86.
Roger I, B. v. Chälons s. M. II, 262.
266. 458.
Roger, Gr. v. StPaal 11,52; Gem.:
Hedvic.
Roho, B. V. Angouleme II, 28 n. '^.
Rollo, Herz. v. d. Normandie II, 42.
Römer 97. 100 115; 11,388.
Rom S. 10. 38. 41—43. 97-102. lOo.
107—111. 114. 192. 214. 215. 224
—226. 233. TAo. 236. 240. 259. 263.
271. 279—282. 292. 295. '.'96. 809.
324. 829. 332. 834. 336—340. 359
—362; 11,3. 9. 12. 46. 58. h5. 86.
88. 89. 96. 100. 148 n. 4. 160. 163.
172. 191. 192. 195. 201. 286. 289.
294. 297—299. 301. 802. 309. 311.
813. 314. 821. 325. 336. 342. 440.
441. 443. 451. 452. 455. 461.
Romagna II, 884.
S. Romanus de Rupibus, Kl. II, 111.
Romanus s. Johann XIX.
Romainmoutier, Kl. 50. 73. 215. 337;
U, 78. 287. 289. 313 n.5. 323. 340.
374 n.l. 376. 379. 381. 383. 454,
Romans, Kl. 11,323.
St. Roman US in Anse 810.
Romuald, d. hl. 227 n. 6. 324—828.
330. 383. 385. 33<n 344—349. 354.
355; 11,278. 280. 281. 447. 472.
Romulf, A. V. Sens 279.
Rorico, B. v. Laou 185.
Rossauo 329. 330. 842; II, 117.
Rota, Bistum in Aragon II, 106— lOS;
B.: Palmatius Raimund,
523
Hotbold, A. y. St. Pierre de Gand II,
147.
Rotbold, Gr. v. Arles, S. Bosos 229;
11,280; S.: Bo80 IL
Rotger, Erzb. v. Trier 143.
Rotger, Gr. v. Laon 193.
Rotger V. Vignory, S. Widos 266.
Rothilde, Aebt. v. Boaxieres 174.
Rothilde, Gem. Ademars v. Valence
n,92.
Rotlindis, Gem. d. Grafen Elisiardas
$9 n. 6.
Rotmar, A. v. Hautvillers 191.
Rouen 9; 11,43. 45. 46. 51. 53. 143.
144. 148 D. 4. 392; Erzb.: Hago.
Rudhard, B. v. Constanz II, 162.
Rudland, Cantor v. St. Stephan 148.
Rudolf, Rodnlf, Radnlf.
Rudolf, Erzb. y. Bourges 20.
Rudolf, B. y. Chalon 242. 252.
Radulf, B. y. Laon 182.
Rudolf, B. V. Noyon 133. 140.
Rudolf, A. y. Hersfeld, B. v. Pader-
born II, 246. 322. 397.
Rudolf, A. y. Gorze 150 n.2.
Rudolf, A. y. Mouzon II, 263. 3 i 8.
Rudolf, A. y. St. Remi 188.192—194.
Rodulf, Prior v. Beze II, 390.
Radulfus Tortarins, Mönch y. Fleury
U,351.
Rodulfns, Erzpriester II, 402.
Rodulfus Glaber II, S8. 99. 188, 204.
212. 220. 227, 260. 354. 355. 357.
368. 371. 386. 439. 446. 448.
Rudolf I, KOnig y. Burgimd 38. 72.
73.
Rudolf m, König v. Burgund 265.
304; 11,37. 72—79. 195. 227. 236;
Gem.: 1 ) Agiltrud, 2) Ermengardis.
Rudolf, König y. Frankreich 67. 69.
72. 74. 75. 78. 79. 87. 89. 142. 144.
176 n.l. 187; 11,190. 437.
Rudolf, Bruder d. Kaiserin Adelheid
220.
Rudolf, normänn. Gr. II, 43.
Rodulf, Gr. II, 28 n. 5.
Rudolf, burgund. Edehuaun 11, 79.
Rudolf, Bürger y. Dijon 26S.
Rufec, Kl. 34.
Rumold, A. y. St Bayo u. Bergh
St.Winnoc II, 149. 151.
de Rnmpono Monte (Yiyiers), Kl.
11,81 n. I.
Rupertus, A. y. Murbach 220 n.8.
Russland 335.
8.
St. Sabinus, Kl. in Piaoenza 323.
Sacerge (ddp. de FIndre), Kl. 202.
Sachsen 9. 11. 164. 336; 11,456.
Salutes 11,61. 76. 323; B.: Islo.
Saintonge II, 67. 69. 76.
Salecho, Gleriker yon St. Martin in
Metz 148.
Salerno HO. 112. 361; 11,198. 199
336. 337. 344. 472. 473.
Salins, 0. in Burgund 264. 265; II,
356.
St. Saiyator, Kirche in Fleury II,
383.
St. Saiyator, Kirche in Lunoges II,
217. 219.
St. Saiyator in Metz 146. 148. 150;
Cantor: Warimbert.
St. Saiyator in Neapel 148.
St. Saiyator, Kl. bei Payia 226. 227.
237.347; 11,341.451; A.: Andreas.
St. Saiyator in Scandrilia 324.
St. Saiyator (Toul) II, 132.
St. Saiyator, KI. zu Vaux II, 36. 37
n. 1.
Salzburg 3.
Samson, A. y. St. Pierre-le-Vif 92.
Sancho, B. y. Pamplona II, 104—106.
108.
Sancho Mayor, König v. Nayarra
II, 59. 68. 102 - 106, 108—1 II. 228.
298.
Sancho III, König y. Aragon II, 105
—108. 114.
Sancho, Herz. y. Gascogue, S. Wil-
helms 296; 11,60.
Sancho, Gr. v. Castilien II, 109; S.;
Garcias,
524
Sancia, Gem. Ademars v.Poitiers 80.
Sancias, Vater Gerards v. Brogne 122.
Sandrart, A. v. St. Gallen II, 251. 252.
Sangro, Fl. t03.
San Marino 257.
Santjago de Compostela 324 ; II, 59.
60. 1U2. 103.
Sanzia-Garzia, Herz. v. Gascogne 202.
Saöne, Fl. 213.
Saragossa 11,106; B.: Patemus.
Sardinien 10; II, 229; fabelh.Herz.:
Ostorgius.
Sarlat, Kl. in Aquitanien 80.
Sarrazenen 9. 10. 12. 13. 32. 95—97.
103. 210. 222. 225. 229. 230. 309.
328—330; 11,76. 82. 101. 102. 112.
340.
Sarrians, 0. in der Provence 232;
11,82. 168.
Sarsina, St. Italiens II, 280.
Sassina 327.
St. Satamin in Cbarentonnay (Gabors)
II, 63.
St. Satnmin (Verdun), Kürche II, 122.
Saumnr, Barg 197.
Sanxillanges, Kl. 75. 208. 209. 215.
226; 11,57. 303 n. 5. 380. 429 n. 3.
Savilliano, Kl. II, 206.
Savigneux (Lyon), Kl. 98. 115; II,
74 n. 2.
Savigny (Lyon), Kl. II, 73—76. 429
n.l. 430 n.3.; Aebte: Darantus,
Icterius.
St. Sayin, Kl. b. Poitiers 36. 62 n. 2.
78; 11,67.
Savinian, d. hl. II, 404.
Savona II, 16.
Savoyen II, 79. 80. 202.
Savoyen-Belley II, 80. 238 ; G r.: Ama-
deas I, Hambert.
Saxfontaine 266.
Scandrilia s. St. Salvator.
St. Scholastica, Kirche in Fleury II,
383.
Schütten 182. 183; 11,124. 125.
Scariolae (Aavergne), Kl. II, 57 n. 3.
St. Sebastian, Kirche in Fleory II, 382.
Seine, Fl. 9. 12. 248.
Selavanam(?), Provinz 348.
Seliger, Bnrgander II, 237; S.: Udal-
rieh.
Seligenstadt 11,161. 462.
Selz, KI. im Elsass 313. 344.
Senlis II, 209. 348.
Senones, Kl. 165. 166; II, 415 n. 4.
Sens 11. 203. 286; 11,22. 23. 38. 86.
87. 167. 209. 285. 242. 300. 321;
Erzb.: Anastasius, Archembald,
Sewtn, Leotherich; Gr.: Rainald.
Serbien II, 238.
Sergias IV, P. II, 66. 87.
Sergias, Vater des Romoald 325.
St. Semin, Kl. 260. 261; 11,380.
Servins 11,361.
Sessieu, Kl. 34.
Seulf, Erzb. v. Reims 187.
S. Severas, Kl. in Classe 347. 348;
A.: Bonizo.
Sewiu, Erzb. v. Sens 203. 250. 266~
288.
Sichardus, A. v. Marmoatier II, 35 n. 2.
Sicilien 10; 11,315.
Sidaec, A. v. Magdeburg II, 246.
Siebod v. Alby II, 343.
Siena 109. 360. 362.
Sigebert, Mönch v. Gembloax II,
368. 445.
Siegfried, B. v. Parma 111. 235. 323.
Siegfried, B. v. Piacenza 823.
Siegfried, A. v. Gorze II, 99. 127. 12S.
241 n.l. 255. 257—261. 322. 448.
Siegfried, Prior v. St. Marcel II, 39.
SiegMed, lothr. Gr. II, 118. 120.
Silva Candida 11,315; Cardinalb.:
Hambert.
St. Silvester, KI. 102.
Silvester II. (Gerbert), P. 177. 194.
247. 252. 276. 282—284. 291. 295.
340. 352. 354. 355; II, 26. 65. 84.
117. 325. 362—364. 472. 474.
Silvester III. (Johann, B. v. Sabina),
P. 11,281. 286.
Simeon, gr. Mönch II, 283.
Symeon, Eremit 324,
525
Simpert, A. v. Murbach 4 n. 6.
Sipontam II, »1 4.
Siflteron, Bistam 10. 209. 230.
Sitrio 327.
Slaven 835.
SmaragdoB, A. v. St. Mihiel II, 367.
Sobbo, Erab. v. Vienne 207.
Soignies 8. St Vincenz.
Soissons 20. 29; II, 170. 318; B.:
Berold.
Solignac, H. v. 302.
Soliipiac, Kl. b. Limoges 81 ; II, 62.
70. 93; A.: Gerald.
Solothum II, 242.
Summe, FL 181.
St. SoniB de Genomllac, Kl. 80.
Souvigny, Kl. 251. 308. 344; 11,57.
297. 328 11.4. 341. 343. 380.
Spanien II, 68. lol. 102. 104. 1 12. 216.
Speier II, 245. 247. 275. 394. 398. 464;
B.: Reginbald.
Spoleto 293. 328. 336.
Stablo, KL 169. 170. 174; U, 100.
154. 177. 245. 256. 257. 284 n. 5.
296. 394. 454; Aebte: Bertram,
Poppo.
Statins II, 362.
St. Stephan, Kirche in Auxerre II, 369.
St. Stephan in Beaume 265.
St. Stephan, Chorherrenstift in Dijon
II, 274.
St. Stephau, ital. KL 102.
St. Stephan in Mercceur 300 n. 1.
St. Stephan in Metz 148; Oantor:
Kudland.
S. Stefano Rotondo (Rom) II, 389.
St. Stephan, KL in Vignory 266.
Stephan II, P. 73.
Stephan Vni, P. 111. 175.
Stephan X. (Friedrich), P. II, 315.
Stephan, Cardin. 11,315.
Stephan, B.v.Cambrai 126. 127; 11,144.
Stephan, B. v. Clermont 84. 208.
Stephan II, B. v. Clermont 225.
Stephan IV, B.v. Clermont II, 57. 58.
Stephan, B. v. Liittich 122. 123. 366.
367.
Stephan, B. v. Mende 88.
Stephan, B. v. Le Pny 302.
Stephan, A. y. St Lorenz II, 175.
176.
Stephan, A. v. St Martialis 81 n. 12.
363.
Stephan, A. v. StUrban 11,268.291.
818.
Stephan, König v. Ungarn II, 228.
298. 342 n. 5.
Stephan, lothr. Gr. 157.
Stephan, Gr. 134; Gem.: Fredelindis.
Stephan, Edelmann II, 129.
Stephan, Edelmann 11,350; S.: An-
dreas.
Stephan, S. d. Vioegr. Wido v. Thiers
II, 58.
Stephan, S. Beralds 301 n.8. 802 n.l.
Stephan, S. Bieters 301.
Stephan, Br. Odilos y. Clnni II, 58.
Strassburg 145. 283; 11,236. 240. 256.
275. 322. 394. 431 n.6; B.: Utho,
Wilderod, Werner.
Stratns 338.
Stura, FL II, 15.
Snbiaoo, KL 96. 103. 111. 351.
Suppo, A. V. Mont-St.-Michel II, 48.
49.
Susa 824; 11,203.
Sutri 347; II, 2S6. 315. 324; B.:
Azelin.
Symeon s. Simeon.
Symmachtts, P. 337.
StSymphorian in Metz 148; 11,124.
St. Syrus, KL in Genua 823.
Syrus, Mönch v. Cluni 222; 11,338
-340.
Syrus, Abt II, 343.
T.
Tageno, Erab. v. Magdeburg II, 250.
Tallende, Vicegrfsch. 8:i n. 5.
Taloire (Lyon), KL II, 75.
Tammo (Thomas), Br. Bemwards v.
Hildesheim 845.
Tanaro, FL 11, 15.
Taneth, A. v. Lochmenech II, 55.
526
TanDtaise 18. 810; II, 75; Ersb.:
Emino.
TaurmtiB, d. hl. 11,210.
St. TaurinuB, KL in Evreux II, 52.
Tecelin, franz. Hofgeistlieher II, 47.
Teotolo, Erzb. V. Tours 48n.]. 82.
91- 93. 1"6. 114. 116.
Teudinus, Gr. v. Rieti 325 n. 1.
Teudo, Mönch v. Fleniy II, 56.
Teuto, A.v.StMaar 248. 249; 11,92.
Terenz 47; II, 862.
Theo-9 Then-9 Thiet-, Thed-.
Theobald, A. v. St. Maur 249. 250.
Theobald, A. v. Monte Cassino II, 1 95.
Theobald I , Gr. v. Blois u. Chartres
lO'. 198; 11,68.
Theobald II, Gr. v. ßlois u. Chartres
246.
Theobald III, Gr. v.Blois a Chartres,
S. Odos IL y. Champagne II, 270.
Theobald, Gr. d. Provence 97; S.:
Hago y. Italien.
Thedald, Mkgr. 824 n. 3.
Theodart, S. d. Vicegr. Wido v. Thiers
II, 68.
Theodoartus, Propst y. St. Elias 104.
Thietbald, A. y. St. Gallen II, 25 J.
252.
Thedborga, Gem. Artaids v. Lyon II,
238.
Theodelin, A. v. Maillezais II, 65. 66.
Tendemar, A. y. Honte Cassino 3.
St. Theuderius (Lyon), Kl. II, 74.
Thietmar, B. y. Merseburg II, 230.
Theoderich, d. hl. 194.
Theoderich I, B. y. Metz 165. 184.
342; II, 114—117. 122. 127. 177.
860.
Theoderich II, B.y.Metz II, 127. 177.
17S. 181. 458. 459.
Theoderich, B. y. Orleans 201.
Theoderich, Herz. v. Oberlothringeu
11,115. 153. 185. 186.
Theoderich, Gr. v. Holland II, 1 35.
Theoderich, Prior y. F^camp, Abt
V. Juuiii'ges II, 49. 50. 143.
Theoderich, A.v. St. Maximin 11,296.
fT^
H^
ri\
rtv
fn
Theodericns, A. v. Murbaeh 220 n.8.
Theodnda, Matter Richards y. St
Vaimes II, 138.
Theodulph, B. y. Orl^Ans 20.
Theodnlfus, B. y. Paris 36S.
St. Theofried s. St Cha&e.
Theodon 97.
Theodor, Gr. II, 152.
Theodoms, Mönch y. St. Alessio 338.
Theophano, Gem. Ottos IL 226. 234.
331 n. 8. 334. 341—343; II, 117. 342.
Th^ouanne 11,52. 150; B.:Baldiiin.
Thidrache 182.
Thin-le- Montier (St (^aentin), Kl.
134. 192; A.: LeUld.
Thionyille (Diedenhofen) 28.
StThierri, KL m Rehns 192. 193;
II, 185. 144. 145. 318. 457; Aebte:
Airard, Christian, Adso, Albert.
Thiers (Auyergne) 11,58.
llber 102. 334.
Tiburtiner 345.
St Tiburtius II, 16.
St Timotheas(I)iöc. Reims), KL 189.
Tidebaldus (od. Ildebaldus), Abt(?)
y. St Salyator 227 n. 4.
Toledo 289.
Tonnerre 269; KL: St Michel; Gr.:
Milo I.
Torsting, Normanne IL 48.
Tortona U, 16.
Toscana 98.
Toul 143. 145-148. 157—160. 162.
163. 165. 174. 176. 204; H, 114.
117. 119—121. 123. 128. 182. 133.
239. 312. 323. 324. 368. 457; B.:
Gauzlin, Gerhard, Berthold, Her-
mann, Bruno.
Tonion, St. Frankreichs 13.
Toulouse 75. 80. 83. 310; 11,62. 83
n. I; Gr.: Raimund Pontius, Wil-
helm, Pontius.
Tounüne 9. 20. 29. 204. 245. 308;
11,24. 34. 56. 71,
Toumai 11, 185 n. 1.
Toumus 197.
Tours 12. 20. 28. 45. 46, 48. 49. 82.
fp
n^
527
92. 106. 114. 115. 120. 125. 245—
247. 249. 275. 284. 308. 314; 11,63.
87. 96. 209. 214. 270.831; ErBb.:
Herard, Teotölo, Hngo.
Transmar, B.v.Noyon I2*J- 131. 133.
189.
TrasmtmduB, ital. Gr. 825 n. I.
Travo s. S. Maria.
Tribuccum, Castell II, 10.
Trier 125. 143. 170; II, 181. 164. 179.
182. 396. 398. 45T; Erzb.: Rotf?er,
Poppo.
Triezo 8. S. Martin.
Tri<o, 0. in d. Oampagna 325.
8t. Trinit6 de Ronen, Kl. II, 50.
St. lYinit^ de Vendöme, Kl. 247 n.6.
II, 67.
Trion (Poitiers), 0. II, 70.
St. Trond (Diöc. Lüttich), Kl. 173;
11,177.247.251.458; AebterAdel-
bard, Guntram.
St. Tropez, Golf 10. 230.
Trosly 33. 82.
Troyes 177; 11,824. 363; B.: Frot-
mund, Frodebert; Gr.: Heribert.
St. Trudo 173.
Tuffiac, Kl. in Maine II, 35; A.: Her-
menteus.
TuUe, Kl. 77—80. 88; 11,332. 488;
A.: Aimo, Adacius.
Turin 324; II, 16. 68. 203. 206. 297;
B.: Landulf.
Turluron, Vicegrfsoh. 83 n. 5.
Tnrpio, B. v. Limoges 65. 77. 82;
U,332. 388.
Tuscien Iü9. 827. 328. 881; 11,280.
Tuscnlnm II, 160.
u.
Udalricb, B. y. Angsbnrg 308.
Udalrich, MOnoh v. Cluni 50 n. 1.
Udalrich, S. Seiigers II, 242.
Udalrich s. Odalrich, Odulrioh.
Ulfric, A. y. St. Angastines II, 319.
Umbrien II, 280.
Unberins (Unbertns), Bildner in
Flenry II, 384.
Ungarn 9. 11. 12. 82. 92. 164. 187.
267. 886; II, 238. 249. 257. 825.
842; B.: Anastasins.
Unteritalien 160. 172; 11,198. 325.
St. Urban (Toni), Kl. II, 129.
St. Urban (Chälons s.M.), Kl. II, 263.
291; A.: Stephan.
Urban II, P. II, 465.
Urbino, Herzogt. 327.
Userche (Limoges), KL 11,70.
Usez, Bistum 800; 11,81.
Utho, B. y. Strassburg 145.
Utrecht II, 179; B.: Adalbold.
Uxellodnnnm, Burg 79.
Y.
St. y aast, Kl. in Arras 136. 139; II,
135—138. 140—142. 146. 149. 151.
154. 295. 394. 482 n.l; Aebte:
Fnlrad, Heribert, Richard, Leduin,
Johannes; Prioren: Poppo, Fried-
rich.
Vabre, Kl. 84.
Val di Castro 327.
Valence, Grfsch. 87. 225. 232. 310;
11,92. 430 n. 8; Gr.: Ademar.
Valenciennes 171.
Valensole, Erbgut d. Majolus 232;
II, 82.
(St. Mauritius u. Rodingus in) Yas-
loges (Beaulieu) 11,137. 158. 291.
366. 394; A.: Riehard.
Varaug^yille (Metz), Kl. 154.; II, 128.
Vannes (Bretagne) II, 55; B.: Judicael.
Vandieres 146.
St. Vannes, Kl. 22 n. 4. 141. 145. 178
—180; 11,124. 125. 131. 133. 184.
186. 187. 140. 151. 153. 155. 216.
238. 256. 265. 291. 323. 866—368.
374. 392—994. 401 n.4. 403. 457;
Aebte: Humbert, Adelard, Ri-
chard, Walerann.
Vanoux 152.
Vanx s. St Salyator.
Velai, Grfsch. 39. 75. 87.
Vendöme s. St. Trinit6 de Vendftme.
Venedig 328.
528
VeDerios, Anacboret S25.
Vereelli 2bH. 263 n. 2. 319. 521, 324.
347; 11,2. S. 12. 13. tft. 160. SU.
352; B.: Petras, Leo.
VerduD 123. 145. 147. 148. 155. 160.
162. 16%. 17%. ISO. 187; IL lU. 117
—119. 12S. 138—185. 171. 174. 275.
822. 367. 398. 43%. 456. 457; B.:
Dado, BereDgar, Wigfried, Haamo,
lUmberti Richard.
VerdoD, 0. in d. Grfiich. Chalon II,
167. 170.
Veniuuidoia, Orfsch. 1%1.
Verneoil IS. 2%.
Venon, Castell II, 429 n. 10.
Verona 235. 315. 346; II, 12. 453.
Veray (Vergy), KL 248. 266; KL:
8. VlTentina.
Vesool, Caatell 265.
Venvey-snr-Ouche, O. in Bnrgond
264.
Vezelai (DiOc. Autun), Kl. 84. 42;
11,88. 39. 41.
Vic, Salzbergwerk in Ij4>thringeD 1 55.
Vicenza 827 n. 2.
Victor, d. hL II, 77.
Victor II, P. II, 50.
St. Victor, Kl. in Genf 844; 11,76.
879.
St. Victor de Marseille 11,267. 429
n.2.
S. Victorian, KL in Aragon II, 106—
108; A.: Johannes.
St. Victnrius (Le Maus), KL II, 50.
Vienne 225. 234. 310; 11,72. 73.75.
76. 268. 429.
Vignory 266; 11,390. 391 n.2; KL:
S. Stephan; s. Rotger.
Villiers (Nonuandie), KL II, 52.
S. Vincenz de Burgos, Kl. 11,111.
StVincenz, KL in Laon ]8;>.
St Vincenz (Metz), KL 11,122. 177.
178; A.: Herlbrand.
S. Vincenzo bei Petra Pertnsa II, 2G0.
StVincenz, KL in Soignies 171.
St. Vincenzo am Voltumo, KL 95. 96.
114. 314; A.: Leo.
Virgfl 47. 254; IL 5.tO.
S. Vhale (lUTenna) II, 3S9.
VItalis, A. ▼. Bernai II, 52.
Vitalis, MOndi ▼. Fleory II, 347. 349.
VitODOS, d.U. 11,413.
Vitry 152; IL 123; Gr.: Heribert
St Viventina, KL b. Veigy 266.
Vivian, Prior ▼. Clnni, A. ▼. St Drais
242. 310. 346 n. 7; 11,32.
ViTiera 310; U,81.
Vogesen 167.
Volpiano, Ort b. Ivrea U, 1. 15.
Ijk Vodte-prte-Chilhae (Auvergne),
KL 308 n.1; 11,58. 189. 230. 379.
Valnon (Vulnonis-villa), DorfinBur-
gund 11,890. 423.
w.
Waimar III, Fttrst v.Salerno IL 199.
472; Gem.: Gaitelgrimma.
Wala, A. y. Corbie 8.
Waldrada, Gem. Peters v. Venedig
331 n.3.
Waldrich, A. y. St. Andre u. Maroilles
11,145.
Walerann, A. v. Homblieres n. St
Qnentin II, 264. 260.
Walerann, Gr. v. Bretenil, A. v. St
Vannes II, 158. 264. 266. 823. 367.
Waleraonus v. Meanx 11,271 n.2.
Walter, B. y. Anton 244. 264. 265;
11,6. 19. 37. 38. 278.
Walter, B. y. Eichstädt II, 162.
Walter, B. y. Maoon II, 32 L
Walter, Vicegr. y. Macon 211 n. 6.
Walter, CastellaD y. Cambnü II, 138.
Walter, S. Bieters 300 n.l. 301.
Walter, Vater Richards y. St Vannes
11,133.
Walter, Br. Richards y. St Vannes
II, 133.
St Wandregisil 131. 13:^; 11,221.
St Wandrille (Normandie), KL 135;
II, 42. 43.
Wanpert, A. y. Mnrbach 220 n.8.
Warimbert, Metzer Cleriker 146. 148.
Warin, B. y. Beauyais II, 144. 169.
529
Warinus, A. v. St. Anrnlf II, 51. 126.
322.
Warinus, Gr. v. Mäcon 40; Gem.:
Ava.
Warmimd, ß. t. Ivrea II, 14.
Warner, Prior v. Cluni 220; II, 339. 840.
Wanlsort (Lüttich), KL 168. 163. 181.
183. 184; 11,247. 248. 251.
Wazo, B. V. Lüttich II, 284. 294—297.
804—307. 810. 311. 445. 464.
Weissenburg, Kl. 11,247. 248. 251.
394. 396. 398.462; Aebte: Liut-
hard, Folmar.
Wendricus, A. v. Florennes II, 139.
Wcnrich, A. y. St Ghislain II, Ul^.
Werden, Kl. II, 245.
Werinfried, A. v. Stablo HO.
Warinharius, A. v. Murbaeh 220 n.8.
Werner, B. v. Strassbwg II, 240.
Wemerioa, A. v. LMis II, 81 n.5.
Werner, A. v. Beichenau II, 127.
Werner, Mön«h v. Cluni II, 329.
Werner, Mnk. Gr. \bb.
Werner, lothr. Edelmann 147.
WettfD, Mönch y. Reiohenau 6.
Wibo, Schwabe 257; S.: Robert y.
Volpiano.
St. Wiborada II, 252.
Wie-, Wlg-.
Wigbert, Gründer d. Kl. Gembloux
170—172. 184.
Wicfiried, B. y. Th6rouaune 133.
Wigfried, B. y.Verdun 11,114. 116.
118. 119. 122. 134. 179.
Wichard, A. y. St. Pierre de Gand
U, 147.
Wichmann, Gr. 183.
Widbert, A. y. St P^re 197.
Wld-, Wied-, Wig-, Wieg-.
WidricuB, B. y. Langres 268.
Wiegrich, B. y. Metz 148. 150.
WigericuB, A. y. Gorze 150.
Widerich, A. y.StEyre II, 129. 181.
132. 365. 459.
Wigericus, Primicer y. Metz II, 1 24.
Wido, Erzb. y. Lyon 67.
Wido, B. y.Chidon s. S. II, 323. 324.
Wido I, B. y. Padua 237.
Wido I, B. y. Le Puy 87.
Wido II, B. y. Le Puy 809,
Wido, B. y. Soissons 190.
Wido, A. y. Farfa II, 9.
Wido, A.y. St Bertin 138.
Wido, A. y. Gigny 48. 66—68.
Wido, A. y. St Pet«r nid St ßayo
138. 189.
Wido, Gr. y, Jlayergne 84.
Wido, Gr. t. Macon II, 36.
Wido der Reiche, Vicegr. y. Dijon
II, 20.
Wido, Vicegr. y. Limoges 11,61.
Wido, Vicegr. y. Thicra II, 58 ; G e m. :
Riklendis ; S öhn e : Theodart, Wil-
helm, Stephan.
Wido y. Vignory 266; S.: Rotger.
Wido, S. d. Sancius 122 n. 1.
Wido, Normanne 11,282 n.7.
Wido 8. Guido.
Widukind II, 250.
Wigger, Erzb. y. Rayenna II, 284.
285. 807.
Wigo, A. y. St Theuderius II, 74.
Wigo I, Gr. y. Grenobie II, 195.
Wigonen, bürg. Grafengeschi. II, 80.
Wilderod, B. y. Strassburg 283.
Wilhebn, Erzb. y. Sens 92.
Wilhelm, B. y. Lacedämon 348.
Wilhelm y. Volpiano, A. y. St Be-
nigne de Dlijon 140. 171—178. 188.
192. 195. 201. 208. 204. 206. 208.
210—213. 215. 236. 243. 245. 256
—269. 273—275. 297. 30U. 304. 312.
318. 322. 347—349. 861—356. 362.
365. 386—388. 892; 11,1—6. 13—
20. 23. 34. 86. 88. 89. 45—48. 50
52. 71. 89. 99. 100. 123. 126—129.
181—133. 143. 167. 168. 488. 440.
457. 458.
Wilhebn, A. v. Fleury II, 384.
Wilhelm, A. y. Hirschau 50 n. 1 .
Wilhelme?), A. y. Jumiöges 11,51.
Wilhelm, A. y. Lonlai II, 86.
Wilhelm, Eremit 167. 168 n.l.
Wilhelm, Eremit 347.
530
Wilhelm I , Hera. v. Aquitanien 85.
39-41. 43, 45. 48. «3. 64. 68—70.
75. 208. 437.
Wilhelm II, Hen. v. Aquitanien 75.
87.
Wilhelm III. (Caput -Stnpae), 8. d.
Ebolus, Herz. v. Aquitanien 76 n. 2.
79. 82—84. 208.
Wilhelm IV, Hera. v. Aquitanien II,
63. 64. 68; Gem.: Emma.
Wilhelm V, Hera. v. Aquitanien 311.
312; 11,45. 50. 65—69. 1U3. 185.
200. 218. 232. 443; Gemr.: Agnes.
Wilhem VI, Hera. V. Aquitanien 11,60.
Wilhelm Gotfried, Hera. y. Aquitanien
IL 7!.
Wilhelm, Hera. d. Gascogne 202. 296;
Sohne: Sancho, Bernard.
Wilhelm I, Hera. d. Normandie II, 42.
Wilhelm II, Hera. d. Normandie, Kg.
V. England II, 46 n. 4. 50. 52—54.
269. 318.
Wilhelm Taillefer, Gr.v.Angoul3me
76 n. 2. 80.
Wilhelm, Gr. v. Angoulöme II, 59.
282. 233.
Wilhelm der Gute, Gr. v. Bordeaux
34.
Wilhelm, Gr. v. P6rigueux 80; S.:
Bernard.
Wilhelm I, Gr. V.Provence 229-231.
236. 252; 11,81 n.5. 62.
Wilhelm II, Gr. d. Provence 232.
Wilhelm III, Gr. d Provence 11,83;
Gem.: Lucia.
Wilhelm Taillefer, Gr. v. Toulouse
312: 11,62.
Wilhelm II, Aledram. II, 1 5.
Wilhelm, Vieegr.v. Auvergne 83 n.5.
Wilheln» V. Belt^me 11, 36.
Wilhelm, S. d. Vicegr. Kadolom v.
Aulnay II, 70.
Wilhelm, S. d. Vicegf . Wido v.Thiers
II, 58.
Wilhelm, S. Beralds 801 n.S.
Wilhelm, Bajulus 296.
Willa, Gem. Ardicios 831 n.3.
Willa, Gem. Berengarsv. Italien 257.
Willa, Gem. Huberts v.Tuscien 331
n. 8.
Willa, Gem. Hugos v. d. Provence 72.
St. Willibrord s. Echtemach.
StWinocus 11,221.
Witard, ftmz. Edelmann II, 833.
Woffenheim (Elsass), Kl. II, 130 n. 2.
Wolbod, B. V. LUttich II, 174. 175.
Wolfgang, B. v. Regensburg II, 249.
Womar, A. v. St. Peter u. St Bavo
182. 136—138. 140. 141. 184. 369.
370.
St. Wortes de Chatillon, Kl. II, 390.
Worms 34"; 11,310. 311; B.: Franco.
Wulfald, A. V. Fleury, B. v. Chartrea
90. 195—197. 199. 274. 275.
Wulfram, d. hl. 131.
Wulfric, A. V. St. Augustines 27S.
Y.
York 277. 279; Erzb.: Oswald.
z.
S. Zoylns de Carrion II, 1 1 1 .
Zürich II, 237.
Zwentibold, S. Kaiser Arnulfs 100.
Druck von Ehrliardt Karru In HftUa.
Verlag von MAX NIEMEYER in Halle a. S.
Neudrucke deutscher Litferafurwerke
des XVI. u. XVII. Jahrhunderts.
Herausgegeben von Prof. Dr. Wilh. Braune in Heidelberg,
kl. 8. Preis jeder Nummer 60 Pfennige.
Bis jetzt erschienen:
1. Martin Opitz, Buch von der deutschen Poeterei. (1624.)
2. Johann F i s c b a r t , Aller Praktik Grossmntter. ( 1 572.)
3. Andreas Gryphias, Horribilicribrifax. Soberaspiel. (1663.)
4. M. Luther, An den ehristliohen Adel deutscher Nation. (1520.)
5. Johann Fischart, Der FlOhhaz. (1573.)
6. Andreas Gryphius, Peter Squenz.. Schimpfspiel. (1663.)
7 — 8. Das Volksbuch vom Doctor Faust. (1587.)
9. J. B. S c h u pp , Der Freund in der Not (1657.)
10—11. Lazarus Sandrub, Deliti» historie« et pootic«. (1618.)
12—14. Christian Weise, Die drei ärgsten Erznarren. (1673.)
15. J. W. Zinkgref , Auserlesene Gedichte deutsch. Poeten. (1624.)
16—17. Joh. Laurembere, Niederdeutsche Scherzgedichte. 1652. Mit
Einleitung, Anmerkungen und Glossar von W. Braune.
18. M.Luther, Sendbrief an Leo X. Von der Freiheit eines
Ghristenmenschen. Warum des Papstes Bücher verbrannt seien.
Drei Beformationsschriften aus dem Jahre 1520.
19 — 25. H. J. Chr. ▼. Grimmeishausen, Der abenteuerliche Simpli-
cissimus. Abdr. d. ältesten Originalausgabe (1669.)
26—27. Hans Sachs, SXmmtliche Fastnachtspiele in chronolog. Ordnung
n. d. Originalen hersg. von Edmund Goetze. 1. Bttndchen.
28. M. Luther, Wider Hans Worst. (1541.)
29. Hans Sachs, Der httmen Seufrid, Tragoedie in 7 Acten.
30. Burk. Wal dl s, Der verlorne Sohn, ein Fastnachtl^piel. (1527.)
31 — 32. Hans Sachs, Fastnachtspiele herausg. von £. Goetze. 2.
33. Barth. Krüger, Hans Ciawerts Werckliche Historien. (1587.)
S4— 35. Caspar Scheidt, Friedrich Dedekinds Grobianus. (1551.)
36. Hayneccius, Hans Pfriem od. Meister Kecks. KomOdie. (1582.)
37 — 38. Andreas Gryphius, Sonn- und Feiertags- Sonette. (1639 und
1663.) Herausg. von Dr. Heinrich Welti.
39—40. Hans Sachs, Fastnachtspiele herausg. von £. Goetze. 3.
41. Das Endinger Judenspiel. Herausg. von K. v. Amira.
42—43. Hans Sachs, Fastnachtspiele herausg. von E. Goetze. 4.
44—47. Die Gedichte des KOnigsberger Dichterkreises aus Alberts
Arien und musikalischer Kürbshtttte (1638 — 1650) herausgeg.
von L. H. Fischer.
48. Heinrich Albert. Musikbeilagen zu den Gedichten des KOnigs-
berger Dichterkreises, hg. von Bob. Eitner.
49. Burk. Waldis' Streitgedichte gegen Herzog Heinrich d. Jüngern
von Braunschweig. Herausgeg. von Friedrich Koldewey.
50. M a r t i n L u t he r , Von der Winkelmesse u. Pfaffenweihe. (1 533 .)
51—52. Hans Sachs, Fastnachtspiele herausg. von Ed Goetze. 5.
53 — 54. M. Binckhardt, Der Eislebische christliche Ritter. (1613.)
55—56. Till Eulenspiegel. (1515.) Herausg. von Hermann Knust.
57—58. Chr. Reuter, Schelmnffsky. (1696. 1697.)
59. Chr. Reuter, Schelmnffsky. Abdruck der ersten Fassung 1 696 •
60—61. Hans Sachs, Fastnachtspiele herausg. von E. Goetze. 6.
62. Ein schöner Dialogus von Martino Luther und der ge-
schickten Botschaft aus der Hölle. (1523>
r/; 04. Uaoft 8»ebf, Fastnachuptele bg. Ton E.6oetze. 7. (Schlass.)
6r» 71. JohAim Fif Charts GetehiebtkHttennc; {GargwaimMi Hemi^.
ron A, AlflebeD. Hynoptueher Abdruck der Bearbeitmgea
TOD 1»75, 15%2 and IMH).
72. Qeoff; Tbjmf Ocdicbt Thedel vom WaDnodea. HenaB^. vob
Faal ZimaiermaDB.
73. Adam Po ach man. Grfiadlicher Berieht dea deataehen Meiater-
l^etaagf. (1571.) Merauag. von lüch. Jonas.
74 — 75. Jacob Schwieger, Gebamachte Yenoa. (1660.) Heranag. von
Tb. Haebie.
76. L o t b e r • Fabela nach seiner wiedergefnAdenen Haadaehrift her-
auagegeben nnd eingeleitet ron Ernst Thiele. Mit 1 Faedraile.
77 — 7%. itornliard Rot mann, Basti tntion rechter and geaander chriat-
Hcher Lehre. Eine Wiedertäaferschrift. (Münster 1534.)
79— SO. Erzherzog Ferdinand IL voo Tirol, Specnlam Tifae ha-
manae. Ein Drama. (15S4.) Nebst einer Einleitung in das Drama
des XVL Jahrhunderts heransg. von Jacob Minor.
Sl— S2, Das Lied vom Hürnen Seyfried nach der Drneicredaction
des XVI. Jahrhunderts. Mit einem Anhang: Daa Volksbaeh
vom gehörnten Siegfried, nach der ältestf^n Ausgabe (1726)
herausgegeben von Wolf gang Golther.
SS — S4. Luther nnd Emser. Ihre Streitschriften aus dem Jahre
1521 herausgegeben von Ludwig Enders. Band L
Hb. T b o m a s M u r n e r s Schelmenzunft. Nach den beiden alteaten
Drucken herausgegeben von Ernst Matthias.
%6'%9. Yen usgHrt lein. Ein Liederbuch des XYL Jahrb. Nach
dem Druck von 1656 heransg. von Max Freih. v. Wald barg.
(10—91. Christian Reuter, Die ehrliche Frau, nebat Harleouina
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Bcblampampe Krankheit und Tod. — Lustspiele. 1695. 1696.
Herausgegeoen von Georg Ellinge r.
92. P. 8 c h u 1 1 z und Chr. Hegendorf, Zwei älteste Katechismen
der luther. Reformation. Neu herausg. von G. Kawerau.
03 — 94, D. M. Luther, Yon den guten Werken. (1550.) Aus der
Originalhandschrift herausgegeben von Nie. Müller.
05. Ludwig Hollonius, Somnium vitae humanae. Ein Drama.
1605. Herausgegeben von Franz Spengler.
96 -Ob. Luther und Emser. Ihre Streitschriften aus d. Jahre 1521
herausgegeben von Ludwig 'Ender s. Band IL
99—100. Bergreihen. Ein Liederbuch des XYL Jahrhunderts. Nach
den vier ältesten Drucken von 1531, 1533, 1536 und 1537 her-
ausgegeben von John Meier.
101 — lO'j. Hans Rudolf Manuel, Das Weinspicl. Fastnachtsspiel, 1548.
Herausgegeben von Theodor Odinga.
lo:». D. Martin Luther. Ein Urteil der Theologen zu Paris über die
Lehre D. Luthers. — Ein Gegenurteil D. Luthers. — Schutzrede
Philipp Melanchthons wider dasselbe parisische Urteil fUr D. Luther.
(1521). Aus der Originalhandschrift herausgeg. von N. Mttller.
104—107. Erasmus Alberus, Fabeln. Abdruck der Ausgabe von 1550
mit den Abweicbnngen der ursprünglichen Fassung herausgegeb.
von W. Braune.
ION - 109. Hans Michel Moscherosch, Insomnis Cura Parentum. Abdruck
der ersten Ausgabe (1643). Herausgeg. von LudwigPariser.
110—117. Hans Sachs. SUmtiiche Fabeln und Schwanke. In chronologischer
Ordnung nach den Originalen herausgegegen von Edmund
. (roetze. I.Band.
1IN. Aus dem Kampf der Schwärmer gegen Luther. Drei
Flugschriften (1524. 1525). Herausgeg. von Ludwig Enders.
\ v^
6EIIEIUU. UBMRYUX. KRKELEY
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