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Full text of "Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemeingeschichtlichen Wirksamkeit bis zur Mitte des elften Jahrhunderts"

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I. 


DIE  CLUOTACMSER 


IN  IHRER 

KIROHXIOHEN  UND  ALLGEMEINGESOHICHTLICHEN 

WIEKSAMKEIT 


BIS    ZUR  MUTE  DES  ELFTEN  JAHRHUNDERTS 


VON 


ERNST   SACKUR. 


ERSTER  BAND. 


Or  THT" 

UNIVERSITY    , 

or  J 


HALLE  A.  S. 

MAX  NIEMEYER. 
1892. 


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HERRN  GEHEIMEN  REGIERÜNGSRAT 


Da  ERNST  DUMMLER 


EHRERBIETIGST  ZUGEEIGNET. 


I0DS14 


Vorwort. 


Die  Geschichte  der  klösterlichen  ReformbewegaDg  ist  die 
Geschichte  einer  allgemeinen  Renaissance.  Es  handelte  sich 
um  die  Schaffang  neuer  Lebensbedingungen,  namentlich  fUr 
Frankreich,  nach  der  von  Normannen  und  Sarrazenen  herbei- 
geführten Vernichtung  jener  fränkischen  Cultur,  die  auf  den 
Trttmmern  des  römischen  Reiches  erblüht  war.  Die  Kirche 
und  in  erster  Reihe  die  Klöster  unternahmen  diese  hervor- 
ragend sociale  Aufgabe.  Die  Macht,  welche  die  Organe  der 
Religion  auf  die  Volksmassen  ausübten,  zog  ihre  wesentliche 
Kraft  und  Stärkung  aus  dem  wachsenden  religiösen  Bedürfnis, 
aber  auch  aus  dem  Zusammenfall  der  religiösen  und  wirt- 
sehaftlichen  Interessen.  Nur  die  Grossgrundwirtschaften  der 
Mönche  vermochten  in  vielen  Teilen  des  fränkischen  Reiches 
weiten  Schichten  der  Bevölkerung  eine  neue  Existenz  zu  be- 
reiten. 

Die  vorliegende  Arbeit  setzt  sich  die  Aufgabe,  diese 
Wiederbelebung  religiösen  Sinnes  und  materieller  Blüte  zu  be- 
handeln, soweit  dieselbe  in  der  von  Cluni  beeinflussten  Reform 
der  Klöster  zum  Ausdruck  kommt;  sie  bezweckt  aber  auch  die 
allgemeingeschichtliche  Wirksamkeit  der  bei  der  Reform  be- 
teiügten  Personen  zur  Anschauung  zu  bringen.  In  besonderen 
Abschnitten  sollen  Nachrichten  über  Gütererwerb  und  Wirt- 
schaft   reformierter  Klöster,    über   Kunst  und   Litteratur   ge- 


VI 

sammelt  nnd  verwertet  werden.  In  dem  ersten  Bande,  der 
hiermit  der  Oeffentlichkeit  übergeben  wird ,  stehen  die  Kloster- 
reformen des  zehnten  Jahrhunderts  im  Mittelpunkt  der  Dar- 
stellung, während  die  allgemeingesehiehtliehe  und  cultur- 
historisehe  Bedeutung  der  Bewegung  im  zweiten  stärker  hervor- 
treten wird.  Aber  ich  betrachte  gerade  diese  Capitel  nur  als 
einen  Versuch.  Besonders  ftlr  die  kunsthistorisehen  Aus- 
führungen, ftlr  die  es  sieh  nicht  nur  darum  handelte,  die  schrift- 
liehen Quellen  auszunützen,  sondern  auch  Mitteilungen  über 
erhaltene  Bauwerke  und  Altertümer  zu  sammeln,  ist  das  Material 
so  lückenhaft,  dürftig  und  schwierig  zusammenzubringen,  dass 
ich  nicht  den  Anspruch  erheben  darf,  eine  abgerundete  Dar- 
stellung zu  geben. 

Als  Zeitgrenze  habe  ich  das  Auftreten  Hugos  von  Clnni 
und  Papst  Leos  IX.  in  Aussicht  genommen.  Mit  Abt  Hugo 
tritt  Gluni  in  die  zweite  Periode  seiner  historischen  Entwicklung. 
Zu  seiner  Zeit  werden  die  Statuten  fixiert,  das  Mutterkloster 
wird  das  Haupt  eines  weitverzweigten  Ordens.  Die  Bewegung, 
die  bis  dahin  regellos,  je  nach  Gelegenheit  und  Umständen, 
verschieden  nach  Zeit  und  innerer  Bedeutung,  sich  fortpflanzte 
und  in  der  Ferne  sich  verlor,  wird  angehalten  und  festerer 
Regelung  unterworfen.  In  allen  Ländern  der  Christenheit  er- 
hoben sich  die  Priorate  der  Gluniacenser.  Zugleich  mit  Hugo 
erschien  Leo  IX.  auf  der  Bühne  der  Weltgeschichte.  Ganz 
neue  Tendenzen  kamen  mit  ihm  zur  Herrschaft.  Er  errichtete 
im  Reimser  Concil  ein  Inquisitionstribunal  ftir  simonistische 
Eirchenftlrsten.  Wie  wenig  seine  Absichten  und  Massregeln 
ohne  weiteres  sich  mit  denen  der  früheren  Cluniaeenser  deckten, 
zeigt  das  vielgerühmte  Wort  des  jugendlichen  Abtes  Hugo,  der 
auf  dem  Concil  eingestand,  dass  er  selbst  in  Versuchung  ge- 
raten sei,  sein  Amt  durch  Simonie  zu  erwerben.  Für  Gluni, 
wie  ftlr  den  römischen  Stuhl  begann  die  Zeit  der  weitesten 
Machtentfaltung.     Die   Vorgeschichte    dieser    Entwicklung    in 


VII 

Frankreich,  Deutschland,  Italien  nnd  Spanien  soll  hier  gegeben 
werden :  nnr  England,  das  zwar  Mh  von  Fleury  aus  beeinflusst 
wurde,  aber  in  seiner  ganzen  weiteren  Geschichte  eigene 
Bahnen  und  Richtungen  verfolgte,  blieb  ausgeschlossen. 

Das  einschlägige  Quellenmaterial  glaube  ich  im  wesent- 
lichen verwertet  zu  haben.  Sollte  mir  aber  die  eine  oder 
andere  Urkunde,  oder  eine  wichtigere  Specialarbeit  entgangen 
sein,  was  ich  im  Hinblick  auf  die  mitunter  schwer  zugäng- 
lichen französischen  Provinzialzeitschriften  ftlr  möglich  halte, 
so  wird  mir  hoffentlich  niemand  einen  schweren  Vorwurf  daraus 
machen.  Ich  hatte  übrigens  Gelegenheit  eine  grössere  Zahl 
ungedrnckter  französischer  Cartulare  im  Original  oder  modernen 
Abschriften  durchzusehen  und,  soweit  es  mir  für  meinen  Zweck 
nötig  schien,  zu  excerpieren.  Manches  habe  ich  daraus  im 
Text  benutzt,  einiges  neben  andern  Reisefrttchten  schon  früher 
oder  in  den  Beilagen  veröffentlicht.*)  Von  gedruckten  Ur- 
kunden habe  ich  in  der  Regel  nur  die  neuesten  Ausgaben 
citiert,  soweit  sie  mir  bekannt  oder  zugänglich  waren. 

Unter  meinen  Vorgängern  ragt  der  grosse  Geschicht- 
schreiber des  Benedictinerordens  weit  hervor.  Mabillons  Ge- 
lehrtenblick nnd  Sammelfleiss  war  so  wenig  Erhebliches  ent- 
gangen, dasB  selbst  die  vielen  späteren  Publicationen  sein 
Material  um  wichtige  Stücke  nur  selten  zu  ergänzen  ver- 
mochten. Auch  war  es  nicht  seine  Schuld,  dass  bis  auf  unsere 
Tage   schwere  Irrtümer   sich    von   Buch    zu  Buch   fortgeerbt 


0  Ben  Herren  H.  Omont  nnd  Couderc  von  der  Nationalbibliothek 
bin  ich  für  einige  nachtriigliche  Bemerkungen  verpflichtet,  da  es  mir  in  den 
Anfängen  meines  Pariser  Aufenthalts  (1888)  teilweise  an  der  nötigen  Übung 
nnd  Sicherheit  im  Handschriftenlesen  gebrach.  Die  AuszUge  aus  dem 
Gartul.  de  Parey-le-Monial  würde  ich  fortgelassen  haben,  wenn  ich  vor 
Dmcklegnng  gewusst  hätte,  dass  U.  Chevalier  eine  voUständige  Ausgabe 
auf  Grund  alles  vorhandenen  Materials  eben  vollendet  hat 


VIII 

haben.  Die  Neueren  fussten  meist  fast  aassehliesslich  auf  ihm, 
wie  Pignot;  wichen  sie  von  ihm  ab,  so  geschah  es  nicht  immer 
zum  Vorteil  der  Wissenschaft.  Von  Zeitgenossen  sind  —  ab- 
gesehen von  den  Bearbeitern  der  Jahrbücher  des  Deutschen 
Reichs,  wie  Dttmmler  und  Bresslau,  die  um  die  Erforschung  der 
Reformbewegung  in  Lothringen  besondere  Verdienste  haben  — 
eigentlich  nur  W.  Schnitze,  Ladewig,  Ringholz  an  die  kritische 
Bearbeitung  grösserer  Abschnitte  gegangen,  aber  teilweise  kurz 
und  summarisch,  und  nicht  immer  mit  Glück.  Eine  zusammen- 
fassende Arbeit,  die  sich  auf  alles  erreichbare  Material  stützt, 
und  die  verschiedenen  Richtungen  der  Reformbewegung  ein- 
gehend verfolgt,  fehlte  bisher.  Wenn  ich  mich  dieser  Auf- 
gabe unterzog,  so  hatte  ich  den  Vorteil,  bereits  die  Urkunden- 
schätze Clunis  in  ihrer  Vollständigkeit  für  meine  Zwecke  be- 
nützen zu  können,  was  vielleicht  mit  mehr  Erfolg  noch 
geschehen  wäre,  wenn  man  nicht  den  Einfall  gehabt  hätte, 
eine,  tausende  von  Urkunden  enthaltende,  an  sich  verdienstliche 
Publication,  die  sich  mehr  als  zwanzig  Jahre  bis  zu  ihrer 
Vollendung  hinzieht,  bändeweise  ohne  jedes  Register  in  die 
Welt  zu  setzen.  Eine  nach  allen  Richtungen  hin  befriedigende 
Ausnutzung  der  cluniacensischen  Cartulare,  wie  ich  sie  mir 
namentlich  für  vrirtschaftliche  und  localgeschichtliche  Gesichts- 
punkte denke,  ist  vor  Erscheinen  der  Indices  nicht  zu  er- 
möglichen. 

Es  bleibt  mir  noch  übrig,  die  Nachsicht  der  Fachgenossen 
fUr  eine  Arbeit  anzurufen,  die  ich  als  junger  Student,  unsicher 
tastend,  begann  und  die  ich  erst  nach  nahezu  dreijähriger  Be- 
schäftigung mit  andern  Dingen  —  nachdem  sie  mir  selbst 
fast  fremd  geworden  —  auf  Grund  wiederholter  Bearbeitung 
zu  veröffentlichen  mich  entschloss.  So  wenig  ich  aber  auch 
jetzt  in  allen  Teilen  zu  meiner  Befriedigung  gearbeitet  habe, 
so  sehr  wünschte  ich  doch  wenigstens  das  Bestreben  an- 
erkannt zu  sehen,  eine  wichtige  geistige  Bewegung  in  ihren 


IX 


Ursaehen    nnd  Wirkungen  als  ein  ganzes  zu  erfassen  nnd  zu 
behandeln. 

Der    zweite  Band  mit  dem  Register  wird  hoffentlieh  im 
Lanfe  des  kommenden  Jahres  folgen  können.^) 


^)  Abgesehen  von  den  bekannten  Siglen:  SS.  (=  M.  G.  Scriptores), 
LL.  (Leges),  DO.  (Diplomata  Ottonis)  habe  ich  der  Kürze  wegen  noch 
folgende  gebraucht:  CHOL  =  Bemard  et  Bruel,  Recueil  des  cbartes 
de  Clttny;  HF  =  Bouquet,  Recueil  des  bistoriens  de  la  France;  HPM 
^  Historiae  Patriae  Monumenta. 

Berlin,  im  Oetober  1891. 

Ernst  Sacknr. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Einleitung 1—35 

Verfall  der  Klosterzucht  unter  Karl  dem  Grossen  1. 
Reform  unter  Ludwig  dem  Frommen  4.  Benedict  von 
Aniane  4.  Der  Clerus  unter  Karl  dem  Grossen  6.  All- 
gemeine Reformversuche  unter  Karl  und  Ludwig,  die 
Pariser  Synode  8.  Einfälle  der  Normannen,  Sarrazenen, 
Ungarn  9.  Mangelhafte  Verteidigung  11.  Verheerungen 
der  Barbaren  13.  Die  Kriegscontributionen  15.  Der 
räuberische  Kriegsadel  15.  Die  Grafen,  königlichen  Be- 
amten und  Grossgmndbesitzer  16.  Der  Wucher  17.  Auf- 
hören kirchlicher  Armenpflege  und  Gastlichkeit  18.  Ir- 
religiosität der  Laien  18.  Verweltlichung  der  Geistlich- 
keit 19.  Verfall  wissenschaftlicher  Bildung  20.  Untergang 
des  Klosterwesens  21.  Wirtschaftliche  Verwaltung  21. 
Ueppigkeit  der  Mönche  22.  Benefizialische  Verleihung 
und  Beraubung  der  Klöster  23.  Verarmung  vieler  Ab- 
teien 25.  Hof  leben  der  Laienäbte  25.  Reformversuche 
der  weltlichen  und  geistlichen  Macht  27.  Synoden  von 
Thionville,  Vemeuil,  Epemay,  Soissons  28.  Verzweiflung 
des  Königs  und  der  Bevölkerung  31.  Erneute  Reformbe- 
strebnngen  im  ost-  und  westfränkischen  Reiche  32.  Synode 
von  Trosly  33.    Klostergriindungen  des  Adels  34. 

Erstes  Capitel.    Bemo  und  Odo. 

(S.  36—120.) 

1.   Bannte  nnd  die  Anfftnge  von  €lnni 36—70 

I.  St.  Martin  in  Autun  36.  Bemo  und  die  Gründung  von 
Gigny  37.  Baume  38.  Wilhelm  der  Fromme,  tierzog  von 
Aqnitanien  39.  Cluni  40.  Gründung  von  Cluni  41.  Odo 
43.    Seine  Jugend  44.    In  Tours  45.    In  Baume  48.  — 

II.  Die  Institutionen  50.  Grundgedanke  51.  Gehorsam 
53.  Schweigsamkeit  53.  Disciplin  55.  Psalmengesang  56. 
Heilige  Leetüre  57.  Kleidung  58.  Ernährung  61.  —  III. 
Gründung  von  D^ls  63.     Massay  64.    Wahl  Odos  65. 


XII 

SeiU 

Testament  Bernos  66.  Der  Streit  um  Alfracta  67.  Cluni 
nach  dem  Tode  Wilhelms  und  Bernos  68.  Urk.  Jo- 
hanns XL  70.    Tendenz  Odos  70. 

2.  Reformthfttigkeit  Odos 71—114 

Burg  und  71—75.  Der  burgundische  Adel  72.  Die 
Reform  von  Romalnmoutier  73.  Hugo  der  Schwarze  74. 
—  Aquitanien  75—88.  Die  Grafen  von  Auvergne  75. 
Turpio  von  Limoges  und  Aimo  von  TuUe  77.  Reform 
von  Aurillac  77.  TuUe  78.  Sarlat  und  Saint -Sore  de 
Genouillac  80.  L6zat  bO.  St.  Martialis  in  Limoges  SL 
Martin  von  St.  Augustin  in  Limoges  82.  St.  Jean  d^An- 
g61y  82.  lumieges  83.  Auvergne  83.  Die  Vicegrafen  84. 
Gründung  von  Chanteuge  85.  St.  Allyre  de  Clermont  85. 
Raimund  von  Toulouse  86.  St.  Pons  de  Thomicres  86. 
St.  Chaifre  du  Monastier  87.  Sainte-Enimie  87.  —  Nörd- 
liches Frankreich  88—93.  Fleury-sur-Loire  88.  St. 
Pierre -le -Vif  in  Sens  92.  St.  Julien  de  Tours  92.  — 
Odo  in  Italien  93 — 1 1 4.  Kirchliche  Zustände  in  Italien 
93.  Die  italienischen  Klöster  95.  König  Hugo  und  seine 
Beziehungen  zu  Cluni  97.  Odo  vermittelt  zwischen  Hugo 
und  Alberich  99.  Alberich  und  die  römischen  Klöster  99. 
St  Paul  IUI.  St.  Maria  auf  dem  Aventin,  St.  Lorenz, 
Sancta  Agnes  101.  St.  Andreas  auf  dem  Scaurusberge 
102.  Subiaco  103.  St.  Elias  in  Nepi  104.  Farfa  104. 
LeoYU.  und  Odo  105.  Odos  Reisen  105.  Erfolge  111. 
Monte-Cassino  113. 

3.  Odos  Tod  und  PersönHchkeit 114—120 

Beziehungen  zu  Tours  114.  Tod  1 15.  Lebensanschauungen 
und  Character  116. 

Zweites  CapiteL    Lothringische  Reformen. 

(S.  121-180.) 

1.  Gerhard  von  Brogne  und  die  Reform  in  Niederlothringen 

und  Flandern 121—141 

Niederlothringen  121—127.  Gerhard  122.  GHindung 
von  Brogne  124.  St.  Denis  124.  St.  Ghislain  125.  — 
Flandern  127—141.  Klosterzustände  128.  St.  Bavo  129. 
St.  Pierre  au  Mont-Bhmdain  130.  St.  Bertin  132.  St. 
Amand  133.  St.  Omer  134.  Thin-le- Montier  134.  Nor- 
mandie  135.  Die  flandrischen  Klöster  nach  Gerhards  Ab- 
dankung 135.  St  Vaast  139.  Character  der  lothringischen 
Reformbewegung  139. 

2.  Oberlothringen 141—180 

Kirchliche  Zustände  141—150.  Die  Bischöfe  142. 
Vorbedingungen  der  Reform  144.    Der  Clerus  145.    Die 


XIII 

Seite 

religiöse  Bewegung  im  Sprengel  Toul  146.  Johann  von 
y andieres  1 46.  Reformatoren  in  den  Diöcesen  Metz  und 
Verdun  148.  Adalbero  wird  gewonnen  149.  —  Gorze 
150 — 155.  Die  Gorzer  Güter  150.  Adalbero  und  seine 
Brüder  151.  Einzug  in  Gorze  und  Verhältnis  zu  Adal- 
bero 153.  Die  Aebte  Einold  und  Johannes  155.  —  St. 
Evre  156-160.  Geschichte  des  Klosters  156.  Reform 
158.  Die  Aebte  Archembald  und  Humbert  158.  —  Gorze 
und  Cluni  161 — 163.  Asketische  Richtung  in  Gorze  161. 
Cluniacensische  Einflüsse  161.  —  Gorzer  Reformen 
163—174.  Diöcese  Metz:  St.  Arnulf  168.  St.  Glodesindis 
und  St.  Peter  165.  —  Diöcese  Toul:  Senones  165.  Moyen- 
moutier  166.  Belmont  167.  St.  Di6  168.  —  Diöcese 
Lüttich:  Stablo-Malm6dy  169.  St.  Hubert  170.  Gembloux 
170.  Lobbes  171.  St.  Trond  173.  —  Reformen  von 
St.  Evre  174—180.  Diöcese  Toul:  Bouxieres  174.  St. 
Mansuy  175.  —  Diöcese  Langres:  Montierender  176.  — 
Diöcese  Verdun:  St.Vannes  178.    St.  Mihiel  180. 

Drittes  Capitel.     Reformen  in  Nordfrankreich. 

(S.  181—204.) 

1.  Hchotteiireforin .."...    181  —  186 

Ankunft  der  Schotten  182.  St.  Michel  en  Thierache  182. 
Waulsort  183.  Kaddroe  wird  Abt  von  St.  Clemens  in 
Metz  183.  Sein  Tod  185.  Malcalan  in  St.  Vincenz  in 
Laon  185. 

2.  Die  floriacensisehe  Reform 186—204 

Kirchenprovinz  Reims  186— 195.  St.  Remi  187.  Hom- 
blieres  189.  Mont-Saint-Queutin  190.  St.  Basle  191.  Erz- 
bischof Adalbero  192.  Mouzon  192.  St.  Thierri  193. 
Synode  zu  Mont-Notre-Dame  cn  Tardenois  104.  — 
Andere  Reformen  Fleurys  195—204.  Unter  Wul- 
fald :  St.  Pere  in  Chartres  1 96.  St.  Fleurent  de  Saumur 
197.  —  Unter  Richard:  St.  Mesmin  200.  La  R6ole  201. 
St.  Pierre -le -Vif  in  Sens  203. 

Viertes  Capitel.    Aymard  und  Majolus. 

(S.  205—238.) 

1.    Clan!  bis  zum  Tode  Aymards 205—217 

Aymard  205—209.  Wahl  Aymards  206.  Fortschritte 
Clunis  207.  Sauxillanges  208.  Designation  des  Majolus 
209. —  Majolus  209— 217.  Seine  Jugend  209.  In  Mäcon 
211.  MUnchinCluni214.  Römische  Reise  214.  Materielle 
Zustände  in  Cluni  215.    Majolus  neben  Aymard  216. 


XIV 

Seite 

2.  Clnni  und  das  deutsche  Reieh 217—238 

Die  Gründung  von  Peterlingen  217—222.  Die 
Gründung  Bertas  218.  Vollendung  durch  Adelheid  219. 
Besitzungen  im  Elsass  220.  Gründung  von  Altorf  22o. 
—  Italienische  Reisen  des  Majolus  222—238.  I. 
St.  Maria  bei  Pavia  223.  St.  Paul  in  Rom  224.  Urk.  Jo- 
hanns XIII.  225.  Majolus  am  kaiserl.  Hofe  226.  St.  Sal- 
vator  bei  Pavia  226.  San  ApoUinare  in  Classe  227.  Ge- 
fangennahme des  Majolus  228.  —  II.  Die  Grafen  der 
Provence  221).  St.  Amand  in  der  Grafschaft  Trols-Chateaux 

229.  Sieg  über  die  Sarrazenen  230.    Reform  von  L^rins 

230.  Weitere  Folgen  des  Sieges  231.  Cluniacenser  in 
der  Grafschaft  Valence  232.  -  III.  Majolus  soll  974  Papst 
werden  233.    Majolus  versöhnt  980  Adelheid  mit  Otto  II. 

234.  Majolus  9^3  in  Verona  235.    Johannes  von  Parma 

235.  Reform  von  St.  Peter  Ciel  d'oro  2  iö.    Schluss  237. 

Fünftes  Capitel.    Reformen  im  Herzogtum 
Burgund  und  in  Francien. 

(S.  239—269.) 

1.  Mi^olns  von  Cluni 239—256 

Die  Karolinger  und  Robertiner  239.  —  Burgund  241--244. 
Paray-le-Monial  241.  Herzog  Heinrich  von  Burgund  242. 
Helderich  von  St.  Germain  243.  St.  Leodegar  von  Cham- 
pelles  243.  Flavigny  214.  —  Francien  245-256.  Mar- 
moutier  245.  St.  Maur-des-Foss^s  247.  Connery  249. 
St.  Denis  251.  Tod  des  Majolus  251.  Seine  Persönlich- 
keit und  Erfolge  252. 

2.  Wilhelm  von  Tolpiano ..    257-269 

Abstammung  und  Jugend  257.  St.  Saturnin  a.  d.  Rhone 
259.  Bruno  von  Langres  260.  Saint-B6nigne  261.  Otto 
Wilhelm  von  Burgund  und  Saint-B^nignc  264.  Der  bur- 
gundische  Adel  und  seine  KlostergrUndnngen  265.  Beze 
267.    Saint-Michel  de  Tonnerre  269. 

•  Sechstes  Capitel.    Abbo  von  Fleury. 

(S.  270—299.) 

I.  Entwicklung  des  päpstlichen  Schutzes  270.  Die  Aebte 
Richard,  Oylbold  und  Abbo  von  Fleury  und  der  Bischof 
von  Orl6ans  272.  —  IL  Abbos  Jugend  274.  Die  Wahl 
Oylbolds  276.  Abbo  in  England  277.  —  III.  Das  Concil 
von  Reims  279.  Die  beiden  Parteien  279.  Brief  Leos 
von  St.  Bonifazius  282.  Denkschrift  Gerberts  283.  -  IV. 
Abbo  und  Arnulf  von  Orleans  284.  Die  Zehntenfrage  285. 
Die  Synode  von  Saint-Denis  286.  Der  Apologeticus  286. 
Die  Canonsammlung  289.  —  V.  Abbo  und  Hugo  Capet 


XV 

Seite 

291.  Abbos  römische  Gesandtschaft  292.  Briefwechsel 
mit  Gregor  295.  Abbos  Tod  296.  Seine  Persönlich- 
keit 297. 

Siebentes  Capitel.    Anfänge  Odiles. 

(S.  300—314.) 

I.  Odilos  Herkunft  und  Familie  300.  In  Brioude  303.  In 
Cluni  304.    Odilos  Wahl  305.    Seine  Persönlichkeit  306. 

—  II.  Blattemepidemie  im  Jahre  994  307.  Synoden  zum 
Schatze  des  Friedens  309.  Translation  des  hl.  Martialis 
312.     Odilos  erste  Jahre  313. 

Achte«  Capitel.   Italienische  Reformbewegung. 

(S.  315— 354.) 

1.  Kirchliche  Zustände 315-323 

Die  Bischöfe  und  die  hörigen  Cleriker  315.  Die  Ver- 
pachtung des  Kirchenbesitzes  316.  Die  Domcapitel  317. 
Die  Aftervasallen  319.  Die  Bürgerschaft  der  Bischofs- 
städte 319.  Regalien  der  Bischöfe  320.  Otto  III.  und 
die  Bischöfe  32 1 .  Neue  Teilnahme  am  kirchlichen  Leben 
323.    Klostergriindungen  der  lombardischen  Bischöfe  323. 

2.  Die  Eremtten 324—333 

Der  hl.  Symeon  324.  Dominicus  von  Foligno  324.  Romu- 
ald  325.  Seine  Eremitencongregationen  326.  Seine  per- 
sönlichen Wirkungen  32S.  Der  hl.  Nilus  329.  Monte 
Cassino  330.  Adalbert  von  Prag  in  Rom  332.  Die  Abtei 
San  Alessio  in  Rom  333. 

3.  Otto  m.  and  die  Beformmänner 334—354 

I.  Adalbert  und  Otto  III.  334..  Märt3nrertum  in  den  Slaven- 
ländem  335.  Odllo  im  Frühjahr  998  in  Italien  336.  Otto 
bei  Nilus  in  Gaeta  339.    Odilo  im  April  999  in  Rom  340. 

—  II.  Theophano  und  Adelheid  341.  Adelheid  mit  Odilo 
in  Burgnnd  343.  Ihr  Tod  344.  —  111.  Romuald  in  San 
ApoUinare  344.  Otto  in  Rom  im  Jahre  1000  345.  Otto 
im  Frühjahr  1001  in  Ravenna  346.  Versammlung  vom 
4.  April  1001  in  Classe  346.  Italiener  und  Griechen  in 
Dijon  348.    Wilhelm  von  Dijon  imd  die  Eremiten  349. 

—  IV.  Hugo  von  Farfo  350.  Odilo  und  Wilhelm  in  Farfa 
351.  Silvester  IL  und  die  Cluniacenser  352.  Pläne  Ottos  III. 
354.    Stellung  der  Cluniacenser  dazu  355. 

Exenrse 359—373 

Erster  Excnrs.    Zu  den  italienischen  Reisen  Odos  .    .    .  359 — 363 
Zweiter  Excurs.    Odonis  sermo  de  combustione  ecclesiae 

beati  Martini 363—364 

Dritter  Excurs.    Der  Tod  Eilberts  von  Peronne     ...  364—366 


XVI 

Seite 

Vierter  Excure.    Zur  Reform  Gerhards  von  Brogne    .    .  366—370 

Fünfter  Excurs.    Die  Wahl  des  Majolus 370—373 

Beilagen 377-396 

Erste  Beilage.    Aus  Cartiüar  A  von  Cluni 377—378 

Zweite  Beilage.    Aus  dem  Cartular  von  D6ols    ....  378—381 

Dritte  Beilage.  Aus  dem  Cartular  von  St.-Mihiel  .  .  .  381—388 
Vierte  Beilage.    Aus  dem  Necrologium  des  Cluniacenser- 

priorats  von  Villers 3S8— 386 

Fünfte  Beilage.  Aus  dem  CartuUr  von  Paray-le-Monial  387 — 391 
Sechste  Beilage.     Translatio   beati  Martialis    de  Monte 

Gaudio •  391—396 

Berichtigimgen  und  Nachträge 397-898 

Dnickfehlerverzeichnis 399 


Einleitniig. 


Bereits  unter  den  Merowingem  hatte  das  abendländische 
Klosterwesen  den  ersten  Höhepunkt  seiner  Entwicklung  erreicht: 
durch   die  Gunst  der  Könige,  die  zahllosen  Schenkungen  von 
Privatleuten  waren  die  Abteien  in  den  Besitz  gewaltiger  Latir 
fandien,  weit  zerstreuter  Ländermassen  gekommen.')   Das  An- 
wachsen kirchliehen  Grundbesitzes  und  das  allmähliche  Schwin- 
den königlichen  Gutes  hatte  dann  unter  Karl  Martell  und  Pippin 
zu  ausgedehnten  Säcularisationen,  zur  benefizialischen  Verleihung 
von  Kirchen-  und  Klostergut  an  Laien  geführt.    Damit  drangen 
weltliche  Elemente  in  die  Besitzungen  und  Aemter,  die  notwen- 
dige Exclusivität  der  kirchlichen,  namentlich  der  mönchischen 
Interessen  litt  darunter.    Die  kriegerischen  Ereignisse  der  ersten 
Zeit  Karls  des  Grossen  mit  ihren  Anforderungen  hinsichtlieh 
der    Heeresfolge    der    Reichsstifter ,    das    immerhin    geringe 
Verständnis  des  Herrschers  für  asketischen  Eifer '^),  seine  mehr 
litterarischen  Neigungen  waren  einer  gedeihlichen  Entwicklung 
der  klösterlichen  Zucht  schwerlich  günstig:  so  finden  sich  denn 
schon  unter  Karls  Begierung  untrügliche  Zeichen  eines  allmäh- 
lichen Verfalls  des  Klosterlebens. 

Der  Eifer,  mit  dem  seine  Missi  in  den  Abteien  nach- 
forschen, nach  'welcher  Regel  man  lebe  und  wie  es  mit  der 
Zocht  beschaffen  sei,  zeigt  freilieh  die  Sorge  des  Herrschers 
fllr  das  Mönchtum,  lässt  aber  eben  auf  nicht  ganz  gesunde 
Zustände  schliessen.  Noch  stehen  die  Klöster  durchaus  unter 
bischöflicher  Herrsehaft,  aber  die  Art  und  Weise,  wie  das  Auf- 


1)  Vgl.  P.  Roth,  Gesch.  d.  Benefizialwesens  1850  S.  246  ff.;  Löning, 
Das  Kircheurecht  im  Reiche  der  Merowinger  II,  S.  639;  Brunner,  Deutsche 
Rechtsgeschicbte  I,  S.  203  ff. 

s)  Vgl.  A.  Haack,  Kirchengeschichte  Deutschlands  II,  52G. 

Sac  kur,  Climiftceiuer.    I.  1 


sichtsrecht  der  Diücesanbischöfe  und  die  Verpflichtung  der  Aebte, 
denselben  zu  gehorchen  betont  wird^),  weist  anf  schwankende 
und  unsichere  Verhältnisse.  In  Italien  beginnt  bereits  der 
Adel,  die  Herzöge  und  Centenare,  die  Gastalden  und  Ministe- 
rialen, die  Falkner  und  Jäger,  Mönchs-  und  FrauenklOster, 
Hospize  und  Kirchen  zu  belästigen.^)  Es  muss  den  Mönchen 
eingeschärft  werden,  ihr  Gelübde  treu  zu  bewahren,  niphts  ohne 
Vorschrift  des  Abtes  zu  unternehmen,  nicht  auf  unedle  Weise 
sich  Gewinn  zu  schaffen,  die  Regel  fest  im  Gedächtniss  zu 
halten.')  Es  muss  ihnen  ans  Herz  gelegt  werden,  sich  welt- 
licher Genüsse  und  weltlicher  Geschäfte  zu  enthalten,  vor  allen 
Dingen  Trunkenheit  und  Völlerei  zu.  meiden.  Von  vielen 
Seiten  wird  dem  Kaiser  über  geschlechtliche  Ausschweifangen 
in  Klöstern  gemeldet:  er  will  nichts  derartiges  mehr  hören; 
die  schwerste  Strafe  droht  er  nicht  nur  den  Thätem,  sondern 
auch  den  Hehlern.*)  Er  verbietet  das  Umherschweifen  der 
Mönche,  ordnet  die  strengste  Bewachung  der  Nonnenklöster 
an  und  untersagt  Leuten  geistlichen  Standes  das  Halten  von 
Jagdhunden,  Falken  und  Sperbern.^)  Die  Freude  an  Zech- 
gelagen und  am  Waidwerk  hatte  die  kirchlichen  Kreise  viel- 
fach ergriffen;  mit  Recht  sah  man  darin  eine  Gefahr  ftlr  die 
canonische  Zucht  Die  üppigen  Genüsse  der  Zechereien,  bei 
denen  man  derbe  Lieder  sang,  der  Verkehr  mit  dem  unge- 
sitteten Laienvolk  und  gar  die  Jagd  nach  vierfUssigem  Wild 
—  dessen  Genuss  die  Regel  Benedicts  verpönte  —  passten  nicht 
ftkr  beschauliche  Klosterbrüder.  Den  Achten  wird  vorgeworfen, 
dass  sie  mehr  unrechtmässige  Vergrössernng  des  Abteibesitzes, 
glänzende  Kirchen  und  einen  guten  Kirehenchor,  als  geistliche 
Lebensweise  im  Auge  haben;  dass  sie  sich  Kriegsleute  halten 

*)  Capit.  miss.  genor.  v.  802,  c.  15.  17,  Capitularia  regum  Franc.  I  ed. 
Boretins  S.  94;  Capit.  de  exaiDinandis  ecclesiasticis  (802)  o.  17  a.  a.  0.  p.  1 1 1 ; 
Admonitio  ad  omnes  regni  ordines  c  10  a.  a.  0.  S.  805;  vgl.  Episcop.  ad 
imperatorem  de  rebus  ecci.  reiatio  c.  9  a.  a.  0.  S.  369;  Sjnodus  Francono- 
furt, c.  6. 17.  47  a.  a.  0.  p.  74. 

>)  Karoli  ad  Pippinum  fil.  epistola  (806—810)  a.  a.  0.  S.  211. 

s)  Missi  cuiusdam  admonitio  (801—812)  a.  a.  0.  S.  240;  Admonitio 
generalis  (789)  c.  26  a.  a.  0.  p.  56;  Capit.  805—808  c.  6  a.  a.  0.  p.  141. 

*)  Capit.  miss.  gener.  c.  17  a.  a.  0.  S.  94;  Synod.  Francof.  c.  11. 

^)  Capit.  miss.  gener.  c.  15.  17.  18.  19;  vgl.  Statuta  Risbac.,  Frising., 
Salisburg.  c.  24;  Duplex  legat  edictum  c.  1.  19.  a.  a.  0.  p.  63. 


«  . 


and  nacb  Privatbesitz  streben,  nnd  einfältige  Leute  dnrch  den 
Hinweis  auf  die  himmliscbe  Seligkeit  nnd  die  Strafen  der  Hülle 
zor  AbtretoDg  ihres  Besitzes  veranlassen  and  sehliesslich  zn 
Ränbern  machenJ)  Schon  zeigt  sich  in  einzelnen  Klöstern 
eine  Ermattung  in  der  asketischen  Spannkraft.  In  Monte  Gas- 
siDO  selbst  war  ein  bedenklicher  Hang  zn  bequemer  Wohl- 
lebigkeit  eingerissen,  wenn  auch  einzelne  asketische  Naturen 
ihren  eigenen  Weg  gingen.^)  Wenn  es  in  einem  Canon  der 
Statuten  von  Reissbacb,  Freisingen  und  Salzburg  von  799  oder 
800  heisst:  „Laien  dürfen  die  Klosterräume  nicht  betreten  und 
die  unter  Stillschweigen  lebenden  Brüder  nicht  belästigen  ausser 
etwa  hochgestellten  Personen,  was  wir  durchaus  nicht  hindern 
können*,  so  sehen  wir  die  Furcht  vor  dem  eisernen  Laien- 
adel die  Ehrfurcht  vor  der  Regel  bereits  überwinden,  und 
wenn  in  einem  andern  Canon  derselben  Statuten  der  Genuss 
des  Fleisches  vierfttssiger  Thiere  zwar  verboten,  dann  unter 
höchst  unbestimmten  Bedingungen  wieder  gestattet  wird,  so 
bedeutet  das  einfach  Verleugnung  einer  der  Hauptbestimmungen 
der  Benedictinerregel.^) 

Dass  es  im  fränkischen  Reich  mit  der  benedictinischen 
Klosterzoebt  nicht  zum  besten  bestellt  war,  ersieht  man  schliess- 
lich ans  Karls  Versuch,  nach  cassinensischem  Muster  zu  refor- 
mieren. Mit  Planmässigkeit  ging  er  daran,  Hess  in  Monte  Cas- 
sino  deutsche  Mönche  ausbilden  und  erbat  sich  eine  Abschrift 
der  Regel  nach  dem  ursprünglichen  Codex  des  hl.  Benedict. 
Auch  forderte  er  ein  Gutachten  über  alle  möglichen  Lebens- 
Tcrhältnisse  von  Abt  Theudemar  ein.^)  In  Klostersachen  ver- 
handelte er  auf  der  Frankfurter  Synode  794*)  und  im  October 
802  zn  Aachen.^^)  Einen  Ton  des  Unmuts  und  der  Ironie 
sehlägt   der  Kaiser   in   einer  Aufzeichnung   vom  Jahre   811 


>)  Vgl.  Capit  de  causis  cum  episcopis  et  abbatibus  tractandis  811, 
(^apit  reg.  Franc.  I,  162—164. 

*)  Vgl.  den  Brief  des  Abtes  Theudemar  an  Karl,  Jaff^,  Bibl.  rer. 
Genn.  IV,  3.  35S  ff. 

*)  Statuta  Kisbac.  etc.  c.  18  u.  29. 

*)  Brief  Theudemars  an  Karl  a.  a.  0. 

*)  Capit  reg.  Franc.  I,  p.  73—78. 

*)  Ann.  Lanresham.  802;  vgl.  Hauck,  Kirchengeseh.  Dentschl.  II,  533 
nnd  p.  4  Anm.  6. 

1* 


an,  welche  die  mit  Bischöfen  nnd  Aebten  zn  verliandelnden 
Punkte  enthält J)  Aneh  in  Italien  suchte  Pippin  dem  drohenden 
Verfall  zn  steuern;  in  einem  Capitnlar  von  Mantua^)  wird  die 
Absetzung  irregulärer  Aebte  und  Aebtissinnen  decretiert,  ein. 
andermal  eine  Revisionscommission,  bestehend  aus  einem  Mönche 
und  einem  Gapellan,  zur  Untersuchung  des  Lebenswandels, 
der  materiellen  Mittel  in  den  einzelnen  Klöstern  abgesandt.^) 

Die  Notwendigkeit  einer  durchgreifenden  Reform  drängte 
sich  bald  allenthalben  auf.  Die  Wiederherstellung  der  Bene- 
dictinerregel  war  die  Losung^):  wie  alle  Klöster  einen  und  den- 
selben Beruf  hätten,  so  müsste  auch  für  alle  Mönche  eine  ein- 
heitliche, heilsame  Ordnung  geschaffen  werden  —  das  war  der 
Gedanke,  mit  dem  man  zur  Zeit  Ludwigs  des  Frommen  an 
die  Reform  ging.^)  Im  Juli  817  wurde  auf  dem  Reichstag  za 
Aachen  durch  des  Kaisers  Freund,  den  Abt  Benedict  von 
Aniane  das  grosse  Werk  in  Angriff  genommen;  man  revidierte 
die  alte  Regel  und  fasste  die  Ergänzungen  und  Aenderungen, 
die  man  fttr  nötig  hielt,  in  ein  Capitular  zusammen.<^) 

Benedict  selbst  war  einst  sehr  streng  gesinnt  gewesen; 
mit  der  ganzen  Verbissenheit  fanatischer"  Naturen  hatte  er 
gegen  seinen  eigenen  Körper  geeifert,  ihm  so  viel  als  möglich 
von  Speise  und  Trank  entzogen,  jede  Annehmlichkeit  und  sinn- 
liche Freude  mit  massloser  Strenge  unterdruckt.  Die  Brüder 
hielten  ihn  fttr  verrUckt.^)    Als  er  dann  Abt  wurde,  liess  er 

0  Capit.  V.  811  a.  a.  0.  p.  162—164. 

^)  Capit  Mant.  c.  2,  ebenda  p.  1951 

*)  Capit  Papiense  v.  787,  ebenda  p.  199. 

*)  Simsen,  Jahrbücher  Ludwigs  des  Frommen  I,  S.  84. 

*)  Vgl.  Vita  S.  Benedicti  Anian.  c.  36,  SS.  XV,  1,  p.  215'. 

*)  Wobei  allerdings  zweifelhaft  ist,  ob  nicht  ein  Teil  der  Bestimm- 
ungen auf  eine  frühere  Reformsynode  zurückgeht.  Hauclc,  Kirchengesch. 
Deutschlands  II,  533  n.  5  ist  allerdings  geneigt,  die  sogen.  Statuta  Murbac. 
(Mansi  XIV,  349  ff.)  auf  die  Synode  von  817  zu  beziehen,  indem  er  die 
Überschrift,  die  auf  den  Abt  Simpert  und  Karl  führt,  nicht  für  zuverlässig  | 

ansieht.  Dass  sie  nicht  unter  Simpert  und  Karl  verfasst  sein  kOnnen,  hat,  | 

glaube  ich,  0.  Seebass,  Über  die  Statuta  Murbacensia,  Ztschft.  f.  Kirchen-  | 

geschichte  XII  (1890),  p.  322  ff.  erwiesen.  Er  bezieht  sie  aber  auf  eine  \ 

im  Oct.  816  abgehaltene  Synode  und  ist  eher  geneigt,  sie  dem  Abte  von 
Reichenau,  Bischof  Haito  von  Basel,  als  dem  Abte  von  Murbach  zuzu- 
schreiben. 

')  Vita  S.  Bened.  c.  2,  a.  a.  0.  p.  202. 


Ton  seiner  nachsichtslos^n  Art  etwas  ab  ^);  sich  selbst  konnte 
er  vieles  aufbürden,  den  Mönchen  gegenüber  war  grössere 
Milde  am  Platze.  Destomehr  widmete  er  sich  jetzt  dem  eif- 
rigen Studium  der  Benedictinerregel,  verglich  sie  mit  andern 
MöQchsYorschriften  und  legte  die  Frucht  seines  Fleisses  in 
seinem  Codex  und  seiner  Concordanz  der  Regeln  nieder.^) 

Zwei  Gedanken  also,  die  das  Ergebnis  von  Benedicts 
eigener  Schule  waren,  bildeten  die  Grundlage  der  Reform:  die 
Gleichheit  und  strenge  Beobachtung  einer  allen  Klosterein- 
riehtungen  zu  Grunde  liegenden  Regel,  nämlich  der  auf  dem 
Aachener  Reichstage  commentierten  und  ergänzten  Benedictiner- 
regel und  die  Notwendigkeit,  in  einzelnen  Punkten  Erleichte- 
rungen eintreten  zu  lassen,  um  eine  gleichmässige  Befolgung 
der  Vorschriften  zu  erzielen.  Demgemäss  enthalten  eine  Reihe 
?on  Bestimmungen  des  Capitulars  Milderungen  in  Bezug  auf 
Nahrung,  Kleidung,  Körperpflege  und  Disciplin.  Im  Gegensatz 
zu  dem  bisherigen  System  wurde  aber  mehr  Wert  auf  die 
.wortlose  Handarbeit'',  strengste  Erfüllung  aller  mönchischen 
Pflichten,  als  gelehrtes  und  litterarisches  Schaffen  gelegt^) 

Nach  dem  Zeugnis  des  Biographen  Benedicts  wären  diese 
Institutionen  in  allen  fränkischen  Klöstern  eingeführt  und  Bene- 
dict über  alle  als  Oberabt  gesetzt  worden.^)  Doch  werden  uns 
nur  zwölf  von  ihm  geleitete  Abteien  aufgezählt^)  und  andrer- 
seits spricht  der  Umstand,  dass  nur  wenige  Jahrzehnte  später 
das  Aachener  Capitular  fast  völlig  vergessen  war,  gegen  'einen 
omfassenden  Erfolg.  Im  Allgemeinen  scheinen  die  Reform- 
massregeln, abgesehen  etwa  von  dem  Süden  und  Südwesten 
Frankreichs,  in  Alemannien  noch   am  ehesten  auf  günstigen 


0  Vita  S.  Bened.  e.  21,  p.  208. 

*)  ib.  e.  18,  p.  206.  207;  vgl.  Nicolai,  Der  hl.  Benedict  von  Aniane, 
Köln  1865,  S.  96. 

')  Vgl.  A.  Hauck,  Kirchengesch.  Deutschlands  II,  536. 

*)  Vita  S.  Bened.  c.  36 :  Frefecit  cum  quoque  imperator  cunctia  in  regiu) 
svo  coendbiis,  ut  sicut  Äquitaniam  GoHamque  norma  sahUis  instruxeratf 
iia  Hiam  Franciam  salvtifero  imbueret  exempla . . .  cnnctaque  monasteria  ita 
<ul  formam  unitatis  redada  sunt,  acsi  ab  uno  magistro  et  in  uno  inUnte- 
renturloco.  Vgl  Ermnoldos  Nigellus:  Ad.  Ludov.  imp.  II,  v.  305  ff.,  533  ff.; 
Poetae  lat  med.  aevi  II,  p.  33.  39;  Simson,  Ludwig  der  Fromme  I,  S.  83; 
Werner,  Alcuin  und  sein  Jahrhundert  S.  80;  Nicolai  a.  a.  0.  S.  201  ff. 

<^)  Vita  S.  Bened.  c.  42,  p.  219. 


6 

Boden  gefallen  zu  seinJ)  Der  Versneli,  sämmtliche  Klöster  des 
Reiches  nach  einer  Form  zu  gestalten,  ist  jedenfalls  miss- 
hingen. 

Im  Jahre  824  beobachten  wir  im  Allgemeinen  die  alten 
Verhältnisse.  Der  Engel,  der  am  3.  November  den  Mönch 
Wettin  von  Reichenan  durch  Himmel  und  Hölle  geleitet,  ver- 
langt von  den  Mönchen  Beschränkung  in  Speise  und  Trank; 
der  Glanz  der  Kleider  soll  schwinden  vor  dem  notwendigen 
Maass,  um  die  Blosse  zu  decken  und  gegen  Kälte  zu  schlitzen. 
Im  ganzen  Westen,  in  Deutschland  und  im  Westfrankenreieh 
soll  der  Mönchsstand  zu  wahrer  christlicher  Demut  und  frei- 
vrilliger  Armut  zurückkehren,  damit  die  Brüder  nicht  von  der 
Pforte  des  Lebens  gewiesen  würden.  Wir  erfahren,  dass  es  in 
den  Mönchsklöstern  mehr  gab,  die  weltlichen  Interessen  nach- 
gingen, als  solche,  die  einem  geistlichen  Leben  folgten.^)  Leb- 
haft wird  auch  über  die  Nonnenklöster  geklagt;  es  wird  ge- 
rügt, dass  die  Schenkungen,  die  fromme  Gläubige  zur  Führung 
eines  himmelkeuschen  Lebens  gespendet,  an  Weltliche  ftlr 
irdische  und  vergängliche  Freuden  vergeudet  würden.^) 

Nicht  besser  ist  es  in  so  früher  Zeit  mit  dem  Clerus 
bestellt.  Schon  Karl  der  Grosse  hatte  sich  über  die  mangel- 
hafte Schulbildung  eines  Theiles  desselben  zu  beklagen^);  die 
Sorglosigkeit  und  Trägheit  einiger  Schulvorsteher  hatte  in 
Italien  das  völlige  Aufhören  jedes  gelehrten  Unterrichts  bereits 
unter  Lothar  I.  zur  Folge.  Derselbe  suchte  dem  reissenden 
Verfall  entgegen  zu  treten,  indem  er  in  Oberitalien  bestimmte 
Plätze  aufstellte  als  Schnlorte   ftlr   die,  welche   in  der  Um- 


0  Vgl.  S.  Benedict!  Capit.  bei  Hergott,  Vetus  discipl.  monast.,  Paris 
1726,  p.  15;  Balnze,  Capitul  II,  app.  act  veter.  p.  1382;  Nicolai  S.  194  if.; 
A.  Ilauck,  Kirchengesch.  Deutschlands  II,  543. 

»)  Ileitonis  visio  Wettini  c.  21  (Poetae  lat.  II,  p.  273);  Ann.  Wirziburg. 
a.  ^27  (SS.  II,  p.  240). 

3)  Visio  Wettini  c.  22:  Et  dum  saectdaribus  dantur  inexplcbiliter  opes 
terrenas  sitientibvSj  in  terrenas  etperituras  voluptates  ordine  confuso  ver- 
tuntur  opeSf  quae  ad  cohservandam  castitnoniain  cadestis  vitac  a  fiddibus 
cofigestae  sunt. 

*)  Simson,  Jahrbücher  Karls  des  Orossen  II,  S.  567.  Bekannt  sind 
seine  Versuche,  die  litterarische  Bildung  der  Geistlichkeit  zu  heben;  vgl. 
CapituL  reg.  Franc.  I,  79—81. 


ge^nd  wohnten.  0  Noch  umfassendere  Forderungen  stellte 
die  römische  Synode  von  826  fttr  die  Hebung  des  allgemeinen 
Unterrichts  aaf.^)  Auch  in  Bezug  auf  Disciplin  und  Sitte  zeigen 
sich  unter  KarFs  Regierung  die  Schäden  im  Keime,  die  später 
ZQ  solcher  Furchtbarkeit  emporwucherten.  Noch  sin4  es  ein- 
zelne Fälle,  die  er  im  Sinne  hat,  wenn  er  bemerkt,  es  sei 
vorgekommen,  dass  einige  Priester  mit  ihren  Nachbaren  bis 
über  Mitternacht  hinaus  zechten:  dann  ruhe  Tag  und  Nacht 
der  Gottesdienst  in  den  ihnen  anvertrauten  Kirchen;  einige 
Bchliefen  anch  an  dem  Orte  des  Trinkgelages  ein.  Es  käme 
vor,  dass  Geistliche,  die  vor  ihrer  Ordination  arm  waren, 
nachher  ans  dem  Kirchengut,  das  sie  für  kirchliehe  Zwecke, 
Vermehrnng  der  Bibliothek  verwenden  sollten,  sich  ein  Land- 
gut, Leibeigene  und  allerhand  Lebensfreuden  anschafften;  viele 
trachteteh  nur  ihre  Einkünfte  zu  vergrössem,  Knechte  zu  hal- 
ten, Wein,  Lebensmittel  aufzuspeichern.^)  Gleich  Karl  regen  sich 


*)  Gapitul.  Olonn.  eccl.  primum  (a.  825,  llTai),  Capit.  regnim  Franc.  I, 
p.  327,  c  1:  De  doctrina  vero,  quae  oh  nimiam  incwriam  atqite  ignaviam 
quorundam  praepositorum  cu7icti8  in  locis  est  funditus  extincta,  placuit, 
ui  ücut  a  nohis  constitutum  est,  ita  ab  omnibus  observetur ,  .  »ut  difficul' 
tos  locorum  lange  positorum  ac  paupertas  nuUi  forei  excusatio;  vgl.  Ellen- 
dorf, Die  Karolinger  und  die  Hierarchie  ihrer  Zeit,  Essen  1838,  U,  S.  652; 
A.  Dresdner,  Koltor-  und  Sittengeschichte  der  Italien.  Geistlichkeit  im  10. 
and  11.  Jahrhundert,  Breslau  1890,  S.  185  stellt  die  seltsame  Ansicht  auf, 
dass  der  Verfasser  des  Erlasses  die  italienischen  Schulverhältnisse  kaum 
gekannt  hat!  In  dem  Abschnitt  über  die  Schulen,  auf  den  der  Vf.  flir 
seine  Behauptung  verweist,  habe  ich  nichts  finden  können,  was  dem  Er- 
huse  Widerspruche.  Was  er  von  MaiUind  S.  288.  239  berichtet^  beweist 
nicht  die  Existenz  einer  Gelehrtenschule  für  Cleriker,  um  die  es  sich  nur 
bandehi  kann:  weder  die  theologische  Bildung  des  Bischofs  Odilbert 
(803—813),  noch  die  Existenz  eines  magister  iuris  Hilderatus  (853),  noch 
die  Schottenmönche  (c.  860),  die  vielleicht  eine  Klosterschule  hielten  für 
ihre  Oblaten,  aber  in  einem  Erlass  über  Domschulen  (es  handelt  sich 
nur  am  Bischofesitze)  nicht  in  Betracht  kamen.  Denn  dass  der  Erlass 
sich  nur  auf  höhere  Schulen  bezieht,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  fttr 
Pavia  der  gelehrte  Dungalus  als  Lehrer  genannt  ist  und  dass  den  Scho- 
lastiei  nicht  etwa  aufgegeben  sein  kann  z.  B.  täglich  den  Weg  von  Mai- 
land, Brescia  u.  s.  w.  nach  Pavia  zu  machen,  sondern  für  eine  Zeitlang  in 
Pavia  Aufenthalt  zur  Ausbildung  zu  nehmen,  ein  Umstand,  der  wohl  er- 
wachsene Menschen,  aber  keine  Schulkinder  voraussetzt. 

*)  Dresdner  S.  185. 

')  Capit.  de  presbyt.  admon.  c.  2  und  4,  Capitul.  I,  p.  237. 


8 

eiDzelne  Bischöfe  der  VersnmpfnDg  des  niederen  Cleras 
vorzubengen.  Die  Constitation  des  Bischofs  Ghärbald  von 
Lüttich  and  die  des  Bischofs  Haito  von  Basel  lehren,  dass 
man  in  dem  nördlichen,  wie  im  südlichen  Deutschland  über 
dieselben  Ausschreitungen  zu  klagen  hatte.^)  Unter  Karls 
Nachfolger  führten  die  Misstände  der  Kirche,  an  denen  die 
Könige  durch  fortwährende  Vergabung  von  Kirchengnt  und 
willkürliche  Besetzung  der  geistlichen  Aemter  nicht  ohne  Schuld 
waren,  zu  dringenderen  Vorstellungen  seitens  der  wohlgesinnten 
Geistlichkeit  und  endlich  zu  allgemeinen  Reformversuchen. 

Im  December  828  unterbreitete  der  Abt  Wala  von  Corbie 
dem  Kaiser  die  Beschwerden  der  Kirche  und  forderte  nament- 
lich freie  Wahl  der  Bischöfe  und  canonische  Besetzung  der 
Abtstühle  ^)  und  noch  im  selben  Jahre  berief  der  Herrscher 
unter  Selbstanklagen  vier  Reformsynoden  nach  verschiedenen 
Theilen  des  Reiches.^)  Bald  entrollt  uns  eine  derselben,  die 
grosse  Pariser  Synode  von  829,  ein  Bild  von  kirchlichen  Zu- 
ständen, das  an  Deutlichkeit  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt, 
und  das  kirchliche  Leben  in  sehr  trübem  Lichte  zeigt  Wir 
hören  von  niedriger  Habsucht  des  Clerus,  Unterschlagungen 
von  Kirchengut  seitens  der  Bischöfe;  wie  diese  nebst  der  Geist- 
lichkeit über  weltlichen  Geschäften  und  Genüssen  ihre  Pflichten 
vernachlässigen,'  dagegen  die  Gläubigen  vielfach  belästigen,  wie 
der  Clerus  sich  mit  dem  Laienvolk  in  so  intime  Gemeinschaft 
einlässt,  dass  dieses  alle  Achtung  vor  ihm  verlieren  muss. 
Man  klagt,  dass  die  canonische  Zahl  von  Provinzialsynoden 
nicht  abgehalten  werde.  Frauen  dringen  schon  an  die  heiligen 
Altäre,  berühren  die  heiligen  GefUsse  und  reichen  dem  Volke 
den  Leib  und  das  Blut  Christi.^)  Die  Synodalacten  von  Rom 
826  und  Aachen  836  belehren  uns  darüber,  dass  auch  in  den 
anderen  Teilen  des  fränkischen  Reiches  ganz  ähnliche  Ver- 
hältnisse sich  ausgebildet  und  dass  man  sich  gegenseitig 
nichts  vorzuwerfen  hatte.*) 

1)  Ghaerbaidi  episc.  Leod.  Capit  (802—810)  c.  4. 14.  16  a.  a.  0.  p.  242; 
naitonis  episc.  BasU.  Capit.  eccl.  (807—823)  a.  a.  0.  p.  362. 

^)  DUmmler,  Geschichte  des  ostfränk.  Reiches  2.  Aufl.  I,  S.  46.  47. 

3)  Düinmler  a.  a.  0.  S.  48  flf. 

^)  Concil.  Parisiense  LI,  bei  Mansi,  Coli,  concil.  XIV,  coL  536— 574; 
vgl.  SiiDsoHi  Ludwig  der  Fromme  I,  S.  301  ff.,  DUmmler  a.  a.  0.  S.  48  ff. 

^)  Ilefele,  ConzilieDgeschichte  IV,  S.  48.  90  ff.;  DUmmler  a.  a.  0. 


Der  Aasbrach  der  Kriege  zwischen  den  Söhnen  Ladwigs 
des  Frommen  and  der  Zerfall  des  fränkischen  Reiches  machten 
den  Hoffnungen  der  hohen  Geistlichkeit  auf  eine  allgemeine 
Kirehenreform  ein  Ende.  Waren  ihre  BemUhnngen,  die  Reichs- 
einheit zu  erhalten  and  damit  der  Kirche  die  ihrem  Gedeihen 
notwendige  Centralisation  and  Einheit  zn  bewahren  vorläafig 
geseheitert,  so  tragen  die  folgenden  Zeitverhältnisse  mehr  und 
mehr  bei,  die  religiösen  und  wirthschaftlichen  Grandlagen 
kirehlieher  Blttte  zn  erschüttern.  Den  grössten  Anteil  an 
dem  folgenden  Rain,  namentlich  am  Untergange  des  Kloster- 
wesens, hatten  die  Einfälle  der  Normannen,  Sarrazenen  and 
Ungarn;  wir  müssen  sie  deshalb  in  ihren  grossen  Zttgen  be- 
trachten. 

Seit  im  Jahre  820  dänische  Fahrzeage  von  Flandern,  wo 
sie  zuerst  angelaafen  waren,  den  Nordwesten  Frankreichs  um- 
sehifRen  und  an  den  aquitanischen  Ufern  plünderten  *),  ist  das 
Reich  nar  wenige  Jahre  von  ihrer  Heimsuchung  verschont  ge- 
blieben. Den  ersten  grösseren  Raubzug  unternahmen  die  Dänen 
im  Jahre  841.  Sie  führen  über  den  Canal;  Ronen  ging  in 
Flammen  auf.^)  Der  wehrlose  Zustand,  in  welchem  sie  die 
Küsten  und  FlussmUndungen  fanden,  reizte  sie  zu  immer  neuen 
Versnchen  und  Angriffen  auf  die  französischen  Flusstäler. 
Während  ihnen  die  Niederlage,  die  einer  ihrer  Führer,  Orich, 
an  der  Elbmttndung  durch  die  Sachsen  erlitt,  vor  den  deutschen 
Vertheidigem  offenbar  grösseren  Respect  einflösste^),  waren 
die  Loire  und  Seine,  das  antere  Aquitanien  beliebte  Ziele  ihrer 
Raubzüge.^)  Von  allen  Seiten  fassten  sie  das  fränkische  Reich: 
Friesland,  Holland  und  Flandern  wurden  von  ihnen  durch- 
zogen.^) Dreimal  stürmten  sie  das  Brittenreich  im  nordwest- 
liehen Frankreich;  im  Südwesten  nahmen  sie  Bordeaux  und 
plünderten  sie  Perigeux.®)  Schrecklich  war  die  Verheerung  in  der 
Touraine.'')  Vergeblich  erwiesen  sich  alle  Abkommen,  die  Karl 


0  SimsoD,  Ludwig  der  Fromme  I,  S.  841. 
*)  Pnidentii  Annales  a.  841,  SS.  I,  p.  437. 
>)  Pnidentii  Annales  a.  845,  p.  441. 

*)  Vgl.  die  Schilderungen  in  den  Mir.  S.  Bened.  I,  c.  33  ed.  Certain  p.  7 1  fif. 
^)  Prud.  Ann.  a.  846,  p.  442. 
«)  a.  a.  0.  a.  848.  849,  p.  443.  444. 

^)  a.  a.  0.  a.  853;  vgl.  Mabille,  Les  invasions  normandes  dans  la  Loire, 
BibL  de  T^cole  des  chartes  86rie  VI,  5,  p.  170  ff. 


10 

der  Kahle  mit  den  Dänen  traf:  gleichzeitig  sass  ein  Teil  der 
Nordmänner  in  den  Rhonemttndnngen,  während  die  Stammes- 
genossen  in  Amiens  wtttheten.  Paris  wnrde  mehrmals  einge- 
äschert nnd  geplündert  *);  von  einer  Seineinsel  wiederholten  sie 
beliebig  ihre  Angriffe  za  Wasser  auf  die  Hauptstadt 

Znr  selben  Zeit  bedrängten  arabische  Piraten  das  Reich 
im  Süden.  Auf  Sicilien  hatten  sie  festen  Fnss  gefasst;  Sar- 
dinien und  Corsica  waren  ihre  nächsten  Ziele.  Bald  caperten 
sie  an  den  italienischen  and  proven^alischen  Küsten,  841  plün- 
derten sie  St.  Peter  nnd  St  Paul  vor  Rom,  846  die  Peterskirche 
selbst^)  Endlich  nisteten  sie  sich  am  Ende  des  9.  Jahrhun- 
derts im  Golf  St  Tropez  ein.  Von  ihrer  Burg  Garde-Frainet  ^) 
aus  machten  sie  Einfälle  in  die  benachbarten  Gebiete,  brand- 
schatzten die  Dauphin6  und  die  Provence.  Meergewohnte  See- 
fahrer wagten  sie  sich  in  das  Berggewirr  der  Hochalpen,  über- 
schritten den  Mont-Cenis,  um  die  Abtei  Novalese  auszuplün- 
dern, besetzten  die  westlichen  Alpenpässe,  von  denen  aus  sie 
die  Ebene  von  Piemont  und  Montferrat  heimsuchten.  Sie  warfen 
sich  auf  Marseille  und  Aix,  gingen  auf  Beute  in  Sisteron,  Gap 
und  Embrun  und  rückten  bis  tief  in  das  Wallis,  wo  St  Mau- 
rice in  Trümmer  sank.  Auf  den  Alpenpässen  lauerten  sie  den 
Rompilgern  auf;  wenn  diese  mit  dem  Leben  davon  kamen,  so 
erzählten  ihre  Wunden  oder  ihre  leeren  Taschen  von  der  Plage 
der  Sarrazenen.  Sie  schoben  ihre  Posten  vor:  in  Chur  erschrak 
man  vor  dem  unbekannten  Anblick  der  braunen  Gesellen.  In 
St  Gallen  endlich  setzte  der  Mut  des  Decans,  der  mit  einer 
zusammengerafften  Schaar  entgegenrückte,  ihrem  Vordringen 
Schranken.^) 

Fast  noch  grösseres  Entsetzen  erregte  die  Ankunft  der 

0  Pnid.  Ann.  a.  845.  857.  861;  Ilmcmari  Ann.  a.  861;  vgl.  Mirac.  S.  Ger- 
mani  I,  c.  14,  SS.  XV,  1,  p.  13;  vgl.  M.  G.  SS.  I,  p.  451  n.  48;  Mirac.  S.  Bened. 
I,  c.  SS  a.  a.  0.  p.  72. 

*)  Prad.  Ann.  a.  846,  p.  442;  Hlotharii  Capit.  de  expeditione  contra 
Sarracenos  facienda  c.  7,  Capit.  reg.  Franc.  II  ed.  Boretius  et  Krause  p.  66. 

3)  Vgl.  darüber  Vita  Bobonis  Viquer.  c.  2,  Acta  SS.  Bell.  Mai  V,  186. 

*)  Vgl.  Rainaud ,  Les  invasions  des  Sarrazins  en  France ,  Paris  1 836 
p.  157  ff.;  Keller,  Der  Einfall  der  Sarrazenen  in  die  Schweiz,  Mittheilungen 
der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich,  XI,  S.  1—32  ff.;  Gingins-la-Sarraz 
im  Archiv  für  Schweizerische  Geschichte  IX,  S.  120  ff.;  vgl.  Odilonis  Vita 
S.  Maioli,  Bibl.  Cluniac.  col.  289. 


11 

imuschen  Magyaren.  Ihre  monströse  Uässliehkeit  and  ihr 
Blntdarst  legten  den  Vergleich  mit  Gog  und  Magog  nahe.  Die 
Eroberong  Pannoniens,  die  FAiflÜle  in  Italien  siad  ant  Uvtiger 
Sehrift  in  die  Gesehichte  der  nnglttekliehen  Länder  aufge- 
zeiehnet.  Bayern  and  Sachsen,  wohin  die  Horden  der  Maaren 
and  Normannen  nicht  kamen,  litten  anter  den  Yerheernngen 
der  Ungarn.  Das  ganze  Ostreich  ächzte  anter  ihren  Schritten. 
Za  wiederholten  Malen  drangen  sie  gegen  den  Rhein  vor  and 
einmal  wenigstens  suchten  sie  französische  Gebiete  farehtbar 
heim.1) 

So  bedrängten  die  Barbaren  alle  Teile  des  fränkischen 
Reiches,  brannten,  sengten,  plünderten  wohin  sie  kamen. 
Namentlich  Frankreich,  anf  das  wir  im  folgenden  ausschliess- 
lich unsere  Blicke  richten,  litt  entsetzlich.  Von  einer  einheit- 
liehen Abwehr  war  keine  Rede,  zumal  den  Kriegsadel  selbst 
mitunter  feige  Furcht  von  kräftigem  Widerstände  abhielt^)  Mit 
den  Befestigungen  war  es  zudem  kläglich  bestellt  Nicht  nur 
in  Deutschland,  sondei^n  sogar  in  Frankreich  beschränkten  sieh 
Fortificationen  vielfach  auf  Holzbauten,  welche  durch  Gräben 
und  Pallisaden  geschützt  waren.^)  Gastelle,  wie  Sens,  vor 
welchem  die  Dänen  sich  fttnf  Monate  vergeblich  abmühten, 
trotz  ihrer  kunstreichen  Belagerungsmaschinen  4),  gehörten  wohl 
zn  den  Seltenheiten.  Auch  Chartres  hatte  eine  Mauer  aus  ge- 
waltigen Quadersteinen,   wurde   aber  im  Ansturm   über  den 


0  Vgl.  Mailath,  Geschichte  der  Magyaren  I,  S.  12;  Chron.  Besuense 
ed.  Bongaud  et  Garnier  p.  2S7;  Chron.  S.  Petri  Vivi  bei  Duru ,  Bibl.  bist, 
de  ITonne  II,  p.  494;  Ann.  S.  Medardi  Saession.  a.  937,  SS.  XXVI,  p.  520; 
Ann.  Wirzibnrg.  a.  938,  SS.  II,  p.  241;  Ann.  Besuenses  a.  933,  SS.  II,  p.  249; 
Ann.  Floriac.  a.  936,  SS.  II,  p.  254. 

■)  Mirac.  S.  Germani  I,  c.  3,  SS.  XV,  1,  p.  10.  11:  Omnes  enim  principes 
heÜatonaHf  qui  ipsum  incoUbant  terram  —  quod  absque  ingenti  gemitu  ac 
eontritione  cordis  effari  nequimus  —  magis  se  ad  fugienduim  quam  resisten- 
dum  nimia  perculH  formidine  preparahant. 

')  Vgl.  Cori,  Bau  und  Einrichtung  der  deutschen  Burgen  im  Mittel- 
alter, Linz  1874;  Franck,  Der  deutsche  Burgenbau  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  die  Burgen  des  Grossherzogthums  Hessen  und  der  benachbarten 
Rhetngegenden  in  Pick's  Monatsschrift  fUr  die  Gesch.  Westdeutschlands 
VII,  S.  113;  Boutaric,  Institutions  militaires  de  la  France  p.  132;  Caumont, 
Bist,  de  l'archit  en  moyen  äge,  Bulletin  monumental  II,  p.  230  ff. 

*)  Vita  S.  Romani  §  13,  Acta  SS.  Bell.  Mai  V,  158. 


12 

Haafen  gerannt.')  Nur  gelten  sind  damals  Klöster  nmmanert, 
obgleich  Umfriedung  mit  festen  Manem  wenigstens  für  die 
Fraaenklöster  schon  auf  dem  Reichstage  von  Aachen  im  Jahre 
817  angeordnet  wnrde.^)  In  den  meisten  Fällen  fliehen  daher 
die  Mönche  mit  ihren  Heiligen  in  feste  Gastelle.  Die  untere 
Seine,  Paris  lag  völlig  offen;  erst  in  den  sechzig^er  Jahren  be- 
ginnt Karl  der  Kahle  Pitres  als  Bollwerk  vor  der  Hauptstadt 
zu  befestigen  und  869  fordert  er  die  Bewohner  von  Tours  und 
Le  Maus  auf,  die  am  linken  Seineufer  belegenen  Orte  zu  um- 
mauern.^)  In  Sttdfrankreieh  ist  es  nicht  besser;  nur  wenige 
Schutzwehren  standen  hier  den  Sarrazenen  gegenüber.  Man 
war  auf  Selbsthttlfe  angewiesen;  jeder  schützte  und  verbarrika- 
dierte sich,  so  gut  er  konnte,  in  seinem  Wohnort,  wenn  nicht 
etwa  zufällig  ein  benachbartes  Castell  Schutz  bot^)  Auf  den 
Kirchtürmen  schleppte  man  wohl  Waffen  zusammen,  um  die 
Feinde  durch  ihren  Anblick  zu  schrecken.^)  Im  westlichen 
Deutschland,  in  Lothringen,  das  namentlich  von  den  Ungarn 
mitgenommen  wurde,  entstanden  erst  Mitte  des  10.  Jahrhunderts 
mehrfach  Befestigungsanlagen^),  auch  der  Klöster;  bis  dahin 
suchte  jeder  einen  Schlupfwinkel,  wo  er  etwas  Sicherheit  vor 
den  Barbaren  fand.^) 

0  Cartulaire  de  Saint-P^re  I,  p.  6. 

*)  Hefele,  ConzUiengesch.  IV,  p.  14. 

>)  Hincmari  Ann.  a.  862.  866.  869,  SS.  I,  p.  457.  471.  4S6. 

*)  Vgl.  Liutprandi  Antapodosis  n,  c.  43  (ed.  Dttmmler,  Hannover 
1877,  S.  43):  Tantiut  enim  timor  invaserat  universoSy  ut  nnUtis  esset,  qui 
horum  presentiam  nisi  forte  tutissimis  prestolaretur  in  locis;  ganz  ähnlich 
bezüglich  der  Ungarn  c.  5  und  15;  Vita  S.  Boboni  c.  2,  A.  SS.  Mai  V,  187: 
Barae  quoqus  munition^  in  regione  iüa  liabebantur.  Sed  unus  quisqiie  in 
viUa  sua  gaudens  ante  praescriptam  paganorum  incnrsionem  propriis  ute- 
batur;  vgLDnbois,  Les  moDumens  de  Neufchatel  in  den  Mittheilungen 
der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich  V,  S.  5  ff. 

*)  Vgl.  die  merkwürdige  Notiz  Gerhohs  von  Reichersberg,  Comm.  in 
psalmum  64,  c.  53  (Migne,  Patrol.  lat  194,  42):  credimus  licita  comprobari, 
qnae  in  vicinio  Saracenorum,  sicut  audivimuSj  fieri  solent,  armis  compor- 
tatis  in  altes  tuirres  ecclesiarwn  vd  monasteriorum,  q%u>ifvm  ostentatione  per 
spiritwdes  qtwque  viros  terrentur  barbari,  ne  invadant  hca  sancta, 

•)  Miracnla  S.  Wigberhti  c.  5  (SS.  IV,  225):  Nuper  dirae  calamitatis 
flageUo  «tfpcr  nospaganis  concessoj  regali  consensu  regaliw/nqm  principum 
decreto  sancitum  est  et  iussum  honestorum  virorwn  feminarumque  conventi- 
ctUis  loca  privata  munitionibus  firmis  tnuris'qiie  circundari;  vgl  a.  a.  0.  note  2. 

^)  Martine  et  Durand,  Coli.  ampL  I,  281:    depopulantibus  Agarenis 


13 

Das  Resultat  der  sehonangslosen  Verheerangen  war  die 
Verödung  weiter  Landstrecken,  deren  Bewohner  teils  getödtet, 
teils  geflohen  waren.  In  einigen  Teilen  der  Normandie  war 
das  Christenvolk  gänzlich  ausgerottet  worden  i)  nnd  mit  ^ev 
Besitznahme  des  Landes  durch  die  Normannen  überflutete  ein 
heidnischer  Stamm  die  kahlen  Gebiete ;  auch  die  Bretagne  war 
verödet^)  Namentlich  aber  litt  das  proven^alische  Reich.  Im 
Bistum  Grenoble,  wo  die  Sarrazenen  furchtbar  gehaust  hatten, 
fand  naeh  ihrer  Vertreibung  Bischof  Isamus  nur  noch  eine 
winzige  Bevölkerung;  um  dem  Lande  aufzuhelfen,  siedelte  er 
Leute  aus  anderen  Gegenden  an.^)  Im  Gebiet  von  Toulon  war, 
die  bisherige  Bevölkerung  so  geschwunden,  dass  naeh  Be- 
endigung der  Manrengefahr  keine  Spuren  der  früheren  Eigen- 
tomsrechte  vorhanden  waren  und  eine  neue  Einteilung  und 
Begiedelung  begonnen  werden  musste.^)  Dieselben  Zustände 
in  Fräjus:  die  Stadt  war  eine  Einöde,  die  Bewohner  todt  oder 
geflohen.  Man  wnsste  nichts  mehr  von  dem  Eigentum  der 
Kirche^  da  weder  mündliche  noch  schriftliche  Tradition  da- 
rüber Auskunft  geben  konnte.^)  Auch  die  Provinz  Tarantaise 
war  eine  Wüste   geworden.<^)     In   Aquitanien   und   Gascogne 

paent  totum  regnum  Bdgicae  G<xUiae  studuit  unusquisque  diligenter  tuta 
loca  perquirere,  ubi  aliquid  firmitatis  fieri  potuisaet  contra  praedictorvm  in- 
sidias  perfidortim;  Mir.  S.  Wulframmi,  d'Achery,  Spie.  II,  284,  c.  2:  Cumqtie 
nuüi  mortalium  kttilndum  vd  tutus  effugii  locus  tispiain  pateret;  Mir.  S.  Basoli 
c.  7:  praesidiia  quique  fnunimenta  capiunt.  Vergleiche  auch  Bontaric,  In- 
stitotioDB  militaires  de  la  France  avant  les  arm^es  permanentes,  Paris 
1863,  p.  US. 

0  De  statu  eeclesiae  Constant  (886—1098)  in  der  Gallia  christ.  X, 
instr.  coL  217:  Quia  ergo  Constantiensis  pagus  chriaticolis  vacuus  erat  et 
paganiuno  vacabat, 

*)  Vita  S.  GUdae  c.  82:  ...  donec  in  solitudinem  et  naatam  eremvm 
omnino  regio  tota  . .  .  redigeretur;  vgl.  de  Ck>ur8on,  Cartul.  de  Reden,  Pro- 
leg, p.  XUV. 

*)  Marion,  GartuL  de  rSglise  de  Grenoble  p.  93  f.;  vgl.  Rainand,  Les 
innuons  des  Sarrazins  p.  199;  Bellet,  Etüde  critiqne  sur  les  inväsions 
en  Dauphin^  notaminent  a  Grenoble  et  dans  le  Graisivaudan,  Lyon  1880, 
S.28;  Den.,  Examen  critiqne  des  objections  soulev^es  contre  la  charte  XVI. 
dn  2»«  Gartnlaire  de  TSglise  de  Grenoble,  Paris  1889,  S.  42  ff. 

')  Oartnl.  de  Saint-Victor  de  Marseille  I,  nr.  104,  p.  124;  vgl.  Rainaud 
».t.O.p.211. 

*)  Gallia  Christ.  I,  tnstr.  col.  82;  Rainand  p.  320. 

^  Gallia  Christ.  XII,  faistr.  col.  877. 


traten  ähnliche  Zustände  ein^);  nicht  minder  furchtbar  waren 
die  Wirkungen  der  Sarrazenenherrschaft  in  Italien.')  Fast  in 
allen  Teilen  des  Reiches  lagen  die  Aeeker  brach,  Städte  ver- 
nichtet, Klöster  in  Trttmmem.^)  Mönche  irrten  brodlos  und 
bettelnd  umher  ^),  Unkraut  und  Buschwerk  wuchs  auf  den  ver- 
ödeten Stätten  frommer  Beschaulichkeit  und  geistlicher  Wissen- 
schaft; zwischen  Mauern  schössen  Bäume  auf,  dichtbelaubt  und 
bejahrt  schlössen  sie  die  Eingänge.'^)  Wo  einst  friedliche  An- 
siedler das  Feld  bestellt,  hausten  Raubtiere.«)  lu  den  Kireben 
hatten  sich  Wölfe,  Mäuse  und  Gevögel  eingenistet^);  auf  den 
Wegen  moderten  Leichen.^) 


*)  Bist,  abb&tiae  Codom.,  d'Achery,  Spicileginm  II,  col.  581:  tirbea 
eorum  potentisHmae  tunc  deaolatae  suntj  oppicUi  subverda  sunt^  loca  papu- 
losa ad  eremum  redacta  sunt. 

*)  Vgl.  ChroD.  Casaur.  bei  Muratori,  SS.  rer.  Ital.  II,  b,  p.  82*2:  . .  quia 
fratres  erant  dispersi  et  res  annihilataey  viüae  ac  casteUa  desfructa  et  non 
erat  in  circumiacentibus  regionibus  qui  ei  subvenire  posset,  tantum  propriis 
calamitatibus  quisque  opprimebatur;  Chron.  Vultum.  a.  a.  0. 1,  b,  p.  408  u.  418. 

s)  Vgl.  CoBcil.  Troslej.  bei  Mansi  XVIII,  col.  263  f.;  Concil.  Magon- 
tinum  a.  a.  0.  col.  öl  f.;  Vita  S.  Deicoli  c.  7,  SS.  XV,  2,  p.  677;  Mirac.  S.  Wai- 
deberti c.  3,  SS.  XV,  2,  p.  1174;  Mirac.  S.  Basoli  c.  7,  Mabillon,  Acta  SS. 
IV,  2,  p.  139;  Vita  S.  Romani  abb.  Autiss.  §  13,  Acta  SS.  BoU.  Mai  V,  158; 
Bist  Mosomensis,  M.  6.  SS.  XIV,  p.  609  1.;  GaUia  Christ.  XII,  instr.  col.  465. 
Vgl.  Lamprecht,  Beiträge  zur  Geschichte  des  französischen  Wirthschafts- 
lebena  im  II.  Jahrhundert  in  Schmoller's  Staats-  und  Socialwissenschaftl. 
Forschungen  I,  Heft  3  (Leipzig  1878),  S.  27. 

*)  Ck>ncil.  Magont.  a.  a.  0.;  vgl.  Archiv  fUr  schweizerische  Geschichte 
IX,  S.  1  :*5. 

>)  Miracuhi  S.  Wnlframmi,  d'Achery  II,  col.  286,  c.  4 ;  Vita  S.  Gildas 
abb.  Ruycnsis  c  36  bei' Mabillon ,  Acta  SS.  I,  p.  140:  Erant  enim  ibidem 
eccUsiae  sine  tectis  et  ex  parte  dirwtae  et  inter  ipsos  parietes  annosae  ar- 
bores  ereverant,  sed  ostia  ipsa  clauserant 

*)  Vgl.  ein  Placitum  tlir  St.  Fleorent  de  Saumur,  Baluze,  Hist  g^n^al. 
de  la  maison  d'Auvergne  (v.  958)  p.  23:  Mtdta  siquidem  sanctortim  loca 
hac  de  causa  pessumdata,  funditus  eversa  et  in  perpetuas  solittUlines  re- 
dacta, ubi  quondam  erat  haminum  habitatiOf  effecta  est  ferarum;  Vita  S. 
Gildae  a.  a.  0.:  Nuüa  ibi  tunc  haHtationis  domus  eratj  nulla  hominis  con- 
versatiOf  sed  erant  in  ipsis  etiam  ecclesiis  cubilia  ferarum. 

'')  Vgl.  eine  Urkunde  bei  Mabillon,  Annales  ord.  S.  Benedict!  IV,  app. 
p.  716:  Nam  ferunt  tnri  veridici  reperta  esse  inibi  cubilia  lupartwi  et  mu- 
rium  atque  voluanm. 

^)  Hincmari  Ann.  a.  862 ;  vgl.  Gingins-la-Sarras  im  Archiv  £  schweizer. 
Gesch.  IX,  S.  40. 


15 

Neben  den  rohen  PlQnderitngen  der  Barbaren  tragen 
noch  andere  Uebelstände  znr  gänzlichen  Verarmung  der  acker- 
bauenden Bevölkemng,  zum  wirtschafUiehen  Ruin  grosser  Land- 
striehe  bei. 

Unmittelbar  im  Zusammenhange  mit  den  Normanneneinfällen 
im  Westfrankenreich  stehen  die  Contributionen  an  Geld,  Vieh 
und  Producten,  mit  welchen  die  bedrängten  Bewohner  den  Feinden 
den  Frieden  abkauften.')  Wie  oft  musste  Karl  der  Kahle  die  finan- 
ziellen Kräfte  seines  Reiches  in  Anspruch  nehmen!  Zuerst, 
^  als  es  sich  darum  handelte,  das  schwere  Lösegeld  aufzubringen, 
das  die  Dänen  für  die  Auslieferung  der  Achte  von  St.  Denys 
und  St  Germain  im  Jahre  858  forderten,  rief  Karl  bei  der 
Mittellosigkeit  der  beiden  einst  so  reichen  Stifter  nur  die  Hilfe 
der  Bischöfe,  Achte,  Grafen  und  des  grossen  Laienadels  an.^) 
Das  nächste  Mal,  zwei  Jahre  später,  betrug  die  Auflage  3000 
Pfund  Silber  und  betraf  bereits  sämmtliehe  Kirchen,  Hufen 
und  Kanfleute.^)  Im  nächsten  Jahre  erfolgte  ein  neues  Steuer- 
ansschreiben über  5000  Pfund,  wozu  noch  beträchtliche  Natural- 
beiiräge  kamen  ^),  und  sechs  Jahre  darauf  mnssten  die  West- 
franken wieder  4000  Pfund  aufbringen.^)  Es  war  eine  Abgabe, 
welehe  den  freien  und  unfreien  Grundbesitz,  die  Kaufmannsgttter 
und  den  Clerus  traf  Bei  der  damals  Üblichen  Betriebsweise 
der  Grossgrundwirtsehaft,  welche  nur  geringe  Besitzteile  in 
eigene  Verwaltung  nahm,  das  meiste  dagegen  durch  Zins- 
banem  bewirtschaften  Hess,  mussten  derartige  Grundsteuern 
am  schwersten  auf  die  abhängigen  Leute  fallen.  Daneben 
kam  es  Tielleieht  weniger  in  Betracht,  dass  auch  der  Handel 
sowohl  durch  feindliche  Belästigungen,  als  durch  königliche 
Auflagen  hart  getroffen  wurde. 

Während  der  unrahigen,  von  inneren  Kriegen  und  äusseren 
Bedrängnissen  erftlllten  Zeiten  erwuchs  der  landsässigen  Be- 
völkerung, den  freien  Bauern  und  den  Hintersassen  des  Gross- 
grnndbesitzes,  sowie  der  Kirche  ein  gefährlicher  Feind  in  dem 


')  Vgl.  Hinemari  Ann.  a.  861,  p.  455:  cum  animalium  atque  annonae 
9umma  non  modiea  de  regno  mOj  ne  depraedaretur  etc;  a.  a.  0.  a.  869,  p.  481. 
')  Prudentii  Ann.  a.  858,  p.  452. 
*)  a.  a.  0.  a.  860,  p.  454. 
*)  Hmcmari  Ann.  a.  861,  p.  455. 
*)  Hinemari  Ann.  a.  866. 


16 

kleinen  und  grossen,  auf  seine  WaiFenmaeht  oder  seine  Beamten- 
stellung pochenden  Laienadel.  Unaufhörlich  klagte  man  über 
die  kleinen  Räuber,  Kriegsleute  und  Vasallen,  Raubritter  und 
Landstreicher,  auch  wohl  Freie,  welche  das  Diebsgeschäft  als 
einziges  Mittel  ergreifen  mochten,  um  sich  zu  erhalten.  Auch 
sie  hatten  es  natürlich  besonders  auf  Kirchengut  abgesehen: 
hiei^  war  der  Erwerb  der  leichteste  und  lohnendste.^  Es  sind 
jene  Frevler,  die  nachdem  sie  geschickte  Plttnderungsztlge  in 
eine  Grafschaft  unternommen,  sich  in  eine  andere  zurtickzieheo, 
weil  sie  dadurch  der  gerichtlichen  Verfolgung  zu  entgehen 
hoffen:  sie  sagen  auch  wohl,  sie  hätten  bei  den  Normannen- 
einfällen Haus  und  Habe  verloren,  könnten  also  nach  frän- 
kischem Recht  überhaupt  nicht  zur  Verantwortung  gezogen 
werden.^)  Es  sind  dieselben  Leute,  welche  Nonnen,  Wittwen, 
Mädchen  entführen  und  misshandeln,  gegen  deren  Praxis  in 
Capitularen  und  Synoden  ununterbrochen  geeifert  wird.  Die 
Väter  der  Mainzer  Synode  sagen  von  ihnen,  sie  wären  allein 
auch  ohne  die  Normannen  im  Stande,  das  Land  in  eine  Ein- 
öde zu  verwandeln,  denn  sie  schonten  weder  Geschlecht,  Alter, 
noch  Armut.^) 

Nicht  minder  hatten  die  Grafen,  die  königliehen  Beamten 
und  Grossgrundbesitzer  erheblichen  Anteil  am  Ruin  der  wirt- 
schaftlichen Kräfte.  Die  zum  Heerbann  oder  an  den  Hof 
ziehenden,  stets  von  zahlreichem  Gefolge  und  Kriegsleuten  be- 
gleiteten Grossen  erwiesen  sich  in  der  Regel  schon  beim  Durch- 
zug als  arge  Bedrücker  der  wirtschaftlich  schwachen  acker- 
bauenden Bevölkerung  in  Folge  der  rohen  Art,  mit  der  sie 
auf  Herberge  und  Verpflegung  Anspruch  erhoben ,  und  durch 
die  Schäden,  welche  sie  der  Feldflur  zufügten.  Aber  auch 
sonst  beraubten  sie  das  Landvolk,  verwüsteten  sie  Emdten, 


»)  Vgl.  Concil.  Colon.  (S87)  c.  4,  Mansi  XVIII,  col.  47;  Concü.  Magont. 
(888)  c.  7.  11  a.  a.  0.  col.  66.  67;  Concil.  Mett.  (888)  c.  U,  col.  80;  Concil. 
Troslej.  (909),  col.  263-307;  Brief  Johanns  VIII.  an  alle  Christen  v.  878, 
Recueil  des  hist.  de  la  France  IX,  162,  und  ad  omnes  fideles  ebenda  p.  170. 

>)  Capit.  Pistense  v.  25.  Juni  864,  c.  6;  vgl.  GfrOrer,  Geschichte  der 
Ost-  und  Westfränk.  Karolinger  I,  380;  Sohm,  Frank.  Gerichtsverüfussung 
S.  115  ff. 

')  Concil.  Magoni  y.  SS8,  Mansi  XVUI,  62 :  Ab  hia  namque,  8%  deeasset 
paganorum  saevitiaf  redigeretwr  in  aolitudinem  terra:  quia  nee  sexux^  nee 
aetati  neque  paupertati  parcere  sciunt. 


17 

WeinpflanzoDgen  und  Wiesen;  sie  führten  das  Vieh  fort  nnd 
hatten  nur  schnöden  Gewinn  im  Ange.  Die  Fisealbeamten 
trieben  anf  den  königlichen  Domänen  Wucher  mit  ihrem  nnd 
königlichem  Gelde,  drückten  die  Fiscalinen  dnrch  ttbermässigen 
Zins  and  fordern  schwere  Frohndienste  bei  den  Hofbaatea.i) 
Es  kam  wohl  vor,  dass  Grafen,  Bischöfe  nnd  andere  geist- 
liehe nnd  weltliche  Herren  ihre  Hörigen  oder  Freie  nötigten, 
ihnen  den  Scheffel  Getreide,  der  sonst  zwölf  Denare  kostete, 
flir  drei,  den  Scheffel  Wein,  der  mit  zwanzig  Denaren  bezahlt 
wurde,  für  sechs  zu  verkanfen.^)  Einzelne  Grandherren  zwangen 
die  Hörigen,  die  gesammten  Frachterträge  abznliefem,  so  dass 
ihnen  für  ihre  Familie  nichts  übrig  blieb.^) 

Die  notwendige  Folge  der  geschilderten  Zustände  war 
eine  häufige  Inanspmehnahme  des  Credits.  Die  kleinen  Grund- 
besitzer oder  Zinsbanem  brauchten  nicht  nur  Geld,  sondern 
aaeh  Getreide,  Wein  und  Salz.  Bei  dem  durch  die  Unsicher- 
heit der.  Verhältnisse  bedingten  Wechsel  in  der  Ertragsfähig- 
keit der  Ländereien  und  dem  sicher  sehr  verschiedenen  Aus- 
fall der  Erndten  kauften  aber  reiche  Leute,  besonders  häufig 
Cleriker,  doch  auch  Laien  in  guten  Jahren  Fruchterträge  nach 
der  Emdte  in  grösseren  Massen  auf,  nm  in  Zeiten  der  Not 
Vorteil  daraus  zu  ziehen.*)  Die  Kirche  verbot  zwar  jede  Zins- 
forderung,  die  sich  auf  die  Zeit  der  Leihe  erstreckte  und  jede 
habsüchtige  Preissteigerang  ^),  doch  kümmerte  man  sich  nicht 
nm  diese  Vorschriften;  andrerseits  fand  man  Mittel,  sie  zu  um- 
gehen, indem  man  zweierlei  Mass  anschaffte:  ein  kleineres  für 
die  Ausleihe  und  den  Verkauf,  ein  grösseres,  das  bei  der  Rückgabe 
Anwendung  fand,  nnd  ebenso  benützte  man  doppelte  Wagen.^) 


*)  Schreiben  der  weatMnkischen  Bischöfe  an  Ludwig  den  Deutschen 
bei  Baluze,  Gapitul.  II,  102;  dass  die  hier  gerügten  Misstände  auf  west- 
fänkiflche  Verhältnisse  zu  beziehen  sind,  hat  Dümmler,  Gesch.  des  Ost* 
friink.  Reichs  2.  Aufl.  I,  437  gegen  die  früheren  Ansichten  von  MabilLon, 
Ann.  Bened.  lU,  60  und  Gfrürer  a.  a.  0. 1,  277  richtig  erkannt. 

»)  Concü.  Paris,  v.  829  I,  c.  7,  Mansi  XIV,  570. 

')  Concil.  Paris.  I,  c.  51  a.  a.  0.  p.  569;  vgl.  schon  Karls  des  Grossen 
Oipit  c.  16,  Gapit.  reg.  Franc.  1, 125. 

*)  Vgl  Capit.  Rodulphi  archiepisc.  Bituric.  c.  35  b.  Mansi  XIV,  959. 

^)  So  die  Sjmode  von  Frankfurt  von  794,  c.  4,  Capit.  reg.  Franc.  I,  74 
▼gl.  auch  Karls  d.  Gr.  Capitul.  c.  4  a.  a.  0.  p.  123;  c.  17  p.  132. 

<)  ConcU.  Paris.  I,  c.  57;  in,  c.  3. 

SAoknr,  ClaniaoenMr.    I.  2 


18 

Wir  hören  schon  früh,  dass  diese  Wucherer  durch  solche  Prak- 
tiken die  mittellose  ackerbauende  Bevölkerung  so  sehr  in  ihre 
Schlingen  bekamen,  dass  von  den  Ertiägen  des  Ackers  oder 
der  Weinpflanzungen  auch  nicht  das  geringste  mehr  ihrer 
Familie  gehörte  und  dass  die  abhängigen  Leute,  um  ihren 
Arbeitslohn  betrogen,  einfach  zu  Bettlern  wurden.^)  So  mussten 
sie  ihren  Herren  ihre  Producte  zu  wahren  Spottpreisen  ver- 
kaufen, während  sie  selbst  gevdnnsUchtigen  Ausleihem  in  die 
Hände  fielen. 

Auf  ihren  Höhepunkt  führte  aber  die  Not  und  den  Jammer 
erst  das  Aufhören  der  kirchlichen  und  klösterlichen  Gastlichkeit 
und  Armenpflege,  der  Untergang  der  Fremden-  und  Kranken- 
häuser^), der  Verlust  der  zum  Unterhalt  zahlreicher  Armen 
bestimmten  Kirchengüter  und  der  Mangel  einer  geordneten 
Leitung  der  geistlichen  Institute.  Immer  und  immer  wieder 
machen  Synodaldecrete  und  Capitulare,  Clericalconstitutionen 
und  Klostervorschriflien  die  Armenpflege  den  kirchlicihen  Lei- 
tern zu  einem  Gegenstand  erhöhter  Aufmerksamkeit.  Ein  fran- 
zösischer Bischof  bedeutet  am  Ende  des  9.  Jahrhunderts  seine 
Cleriker,  dass  der  Fremde,  der  zurückgewiesen  sei,  im  Freien 
durch  Raubtiere  oder  Frost  zu  gründe  gehe.^)  Und  mit  Recht 
rufen  die  Väter  von  Verneuil:  «Das  Gut  der  Kirche  ist  das 
Erbteil  der  Armen*.*) 

» 
Wie  jetzt  die  geistliche  Seelsorge  in  kläglichen  Zustand 
kam,  die  Landes-  und  Provinzialsynoden  feierten^),  schwand 
in  den  geistlichen,  wie  weltlichen  Kreisen  bei  der  Unsicherheit 
des  Besitzes  und  Lebens,  mit  den  Zweifeln  über  den  Wert  des 
Irdischen  und  Bestehenden  moralische  Kraft  und  religiöses  Be- 
wusstsein.  Nichts  ist  begreiflicher,  als  wenn  fortwährend  über 
Religionsverachtung,  dogmatische  Verirrungen,  Zweifel  an  der 
Wirksamkeit  der  Heiligen  geklagt  wird.  Das  harte,  halbheid- 
nische Landvolk   kümmerte   sich   kaum   um   die  Gebote   der 


')  Concil.  Paris.  I,  c.  57;  III,  c.  3. 

')  Vgl.  bereits  für  841  eine  Urkunde  des  Bischofs  liambert  von  Brixen 
bei  Margarini,  BuUarium  Cassinense  (1670)  II,  25. 

»)  Constitutio  Riculfi  Suession.  episc.  v.  8S9,  Mansi  XVIII,  Sl  f. 
*)  Concü.  Vem.  v.  844,  LL.  I,  382. 
")  Ellendorf,  Karolinger  11,  542  ff. 


19 

Kirehe  und  machte  sieh  kein  Gewissen  daraus,  die  Heiligen- 
feste  iin¥^rdig  zu  begehen.*)  Abt  Odo  von  Cluni  eiferte  mehr- 
mals gegen  die,  welche  einem  Heiligen  Yenjngernng  seines 
Wertes  und  Einflusses  zusehreiben,  weil  er  keine  Wunder  mehr 
thue^):  es  gäbe  schon  Leute,  die  nichts  mehr  glaubten,  was 
sie  nicht  sehen  und  wahrnehmen  könnten.^)  Dass  es  auch  arg 
stand  um  die  Sonntagsheiligung  und  die  Teilnahme  an  den 
göttlichen  Mysterien,  dass  der  Kirchenbesuch  ungemein  nach- 
liess,  der  äussere  Schmuck  der  Gotteshäuser  verfiel  und  auf 
Altu^eräte  und  Decken  wenig  geachtet  wurde  ^),  ist  nur  zu 
verständlich. 

Die  Diener  der  Kirche  verloren  mehr  und  mehr  an  An- 
sehen im  Yolke.^)  Die  Priester  selbst,  meint  Odo,  machten 
den  Laien  den  Tisch  des  Herrn  verächtlich;  sie  Hessen  es  an 
Aehtang  vor  den  heiligen  Orten  fehlen  und  trieben  Spott  und 
Possen  in  den  Kirchen  Gottes.^^)  In  den  einträglichsten  Be- 
nifezweigen,  der  Gutsverwaltung  und  dem  Ausleihegeschäft, 
hatte  der  Glerns  sich  eingenistet.^)  Vermöge  seiner  ausschliess- 
Uehen  Bildung  erwies  er  sich  zu  allerlei  Geschäften  geeignet, 
in  denen  etwa  Kenntnis  des  Rechts  verbunden  mit  rühriger  In- 
telligenz die  meiste  Aussicht  auf  Erfolg  hatte.  Fröhliche  Ge- 
lage,  Betrieb  von  Handelsgeschäften,   Umgang  mit  Weibern, 


')  Andreae  Hirac.s.  Benedict!  V,  c.  12:  DtMrum  gern  agrestium^  läi 
semipagaman  animum  circa  theoricae  legis  gerit  cMum  etc. 

^  Odonis  abb.  Clun.  CoUationes  I,  Bibl.  Glun.  col.  175;  De  combustione 
eecl.  b.  Martini  Sermo  a.  a.  0.  col.  147;  Sermo  de  S.  Benedicto,  Bibl.  Floria- 
censis  p.  260:  Signorum  sam  inquisitorihus ,  qui  unumquemqiie  patretn 
sanctum  vd  potentem  vel  impotentem  ex  raritate  vel  midtiplicitate  eorun- 
dem  signorum  arbitrantur  iUa  dominica  exprobatio  consideranda  est,  quae 
dicU:  Generatio  mala  et  aduUera  signwn  quaerit. 

>)  OdoniB  Collat  III,  Bibl.  Clun.  col.  240. 

*)  GoU.  II,  a.  a.  0.  col.  207:  Quam  videlicet  negligentiam  et  ipsa  ec- 
desiae  fades  et  ipsa  vasa  altariSy  sed  et  linteamina  seu  quaelibet  cetera, 
quae  ad  itfum  dominicae  servitutis  pertinent,  manifeste  demonstrant 

•)  Virtutea  S.  Eugenii  c.  16  in  SS.  XV,  2,  p.  650:  Vilis  quidem  est  sacer- 
dotdlis  apud  malignes  ardo.  Ueber  die  Zeit  der  Abfassung  vgl.  Schnitze 
in  den  Forsch,  z.  D.  Gesch.  XXV,  p.  26S  ff.,  n.  SS.  XV,  2,  p.  646. 

*)  Vgl  Coli.  11,  col.  207;  De  combustione  eccl.  S.  Martini,  ib.  col.  155. 

')  Vgl  Goncil.  Paris.  I,  c.  28;  Göncil.  Meldense  v.  845,  c.  49,  Mansi 
XTV,  680;  Oapit.  Bodulphi  Bitur.  o.  35;  Concil.  Wormat.  v.  868,  c.  69,  Mansi 
XV,  881. 

2* 


20 

Yernachlässigang  der  Pilger  and  Armen  sind  dann  die  Punkte, 
welche  Hinkmar  zn  energischen  Verboten  an  seinen  Clerns  ver- 
anlassten^); gegen  dieselben  Vergehen  müssen  Theodnlph  von 
Orleans  2)  und  Riculf  von  Soissons*)  in  ihren  Sprengein  ein- 
schreiten. In  Bourges  erliess  Erzbischof  Rudolph  Bestimmungen, 
welche  über  die  kirchlichen  Verhältnisse  seiner  Diöcese  Auf- 
schluss  geben.^)  Wenige  Jahre  nach  dem  Normanneneinfall 
in  die  Touraine  858  Hess  auch  Erzbischof  Herard  von  Tours 
in  einer  Provinzialsynode  eine  Reihe  von  Beschlüssen  fassen^), 
die  in  einem  Gapitular  von  140  Canones  für  den  Clerus  seines 
Sprengeis  und  seine  Pfarrkindei*  vereinigt  wurden,  wie  er 
selbst  sagt,  in  Rücksicht  darauf,  dass  die  ihm  anvertraute 
Kirche  teils  durch  Nachlässigkeit,  Unthätigkeit  und  Sorglosig- 
keit der  leitenden  Priester,  teils  durch  den  Verfall  der  Zeit, 
zahllose  Schicksalsschläge  und  Niederlagen  angegriffen  und 
erschüttert  sei  und  was  am  meisten  zu  bedauern,  durch 
Schlingen  und  tägliche  Irrtümer  leide,  welche  die  Seelen  ver- 
stricken. Die  Verbote  weltlicher  Beschäftigungen  und  des  Ver- 
kehrs mit  Frauen  fehlen  auch  hier  nicht  Indessen  hatte  die 
Constitution  keinen  dauernden  Erfolg ;  gerade  über  die  Cleriker 
von  Tours  sind  wir  in  späterer  Zeit  gut  unterrichtet  Man  warf 
ihnen  vornehmlich  Hochmut,  Habsucht  und  Ueppigkeit  vor.^) 
„Die  Diener  der  Kirche  wenden  sich  weltlichen  Genüssen  zu", 
meint  Odo  von  Cluni,  der  einst  in  Tours  gelebt  hatte;  „es  bläht 
sie  ihr  Hochmut,  wie  sie  ihre  Habsucht  schwächt,  zerstreut  sie 
das  Vergnügen,  wie  ihre  Bosheit  sie  ängstigt,  entflammt  sie 
Zorn  und  trennt  sie  Zwietracht,  wie  Neid  und  schändliche 
Ueppigkeit  sie  morden.  Täglich  schmausen  sie  glänzend  und 
prunken  mit  feinen  Gewändern.  Das  der  Religion  geweihte 
Kleid  schämen  sie  sich  zwar  abzulegen  aus  Scheu  vor  übler 

0  V.  Noorden,  Hincmar  S.  114;  EUendorf  II,  582. 

2)  Haur^au,  Smgularit6s  hist  et  litt^r.,  Paris  1661,  p.  58  ff. 

°)  Constit  Riculfi  c.  6.  12.  13. 15.  16.  20,  Mansi  XVIII,  81  ff. 

*)  Mansi  XIV,  943  ff. 

«)  Capitula  Herardi  y.  858,  GaUia  Christ.  XIV,  instr.  col.  39. 

^)  Vgl.  die  Auszüge,  die  MabiUon,  Ann.  S.  Bened.  III,  301  aus  der 
Schrift  eines  Martinianas  monachus  aus  einem  Cod.  Rebac.  giebt.  Ducange, 
der  die  Schrift  benutzt,  betitelt  sie:  De  laude  et  institutione  monachorum; 
vgl.  Fabridus,  Bibl.  lat.  V,  34;  Hist.  Utt6r.  de  France  VI,  95.  —  Vgl.  Abbonis 
Carmen  de  hello  Parisiaco  II,  v.  596  ff.,  SS.  II,  p.  801. 


21 

Naebrede,  aber  bnnte  Farben  und  Weicbheit  rnttssen  es  an»- 
zeiehnen''.i)  Sie  tragen  Waffen  and  ziehen  zur  Jagd,  sie  trei- 
ben Geschäfte.^)  Sie  haben  Sehnid  an  der  Irreligiosität  des 
Volkes.^) 

Trotz  des  Interesses,  das  Karl  der  Kahle  persönlich  an 
wissenschaftlichen  Fragen  nahm,  trotz  der  Fürsorge,  die  er  für 
das  Gedeihen  litterarischer  und  theologischer  Bildung  auf- 
wandte^), verrät  doch  die  grosse  Roheit  in  der  wissenschaft- 
lieben Erziehung  des  Clerus  eine  mehr  und  mehr  um  sich 
greifende  Auflösung  der  Unterrichtsinstitute. ^)  Es  sind  fast  nur 
die  notwendigsten  Ritualbttcher,  die  der  Bischof  von  Soissons 
in  den  Händen  seiner  Cleriker  wissen  will:  vom  alten  Testa- 
ment soll  sich  jeder  wenigstens  das  erste  Buch,  die  Genesis, 
abschreiben,  damit  er  daraus  ersehe,  wie  die  Welt  geschaffen 
wnrde.^)  Bezeichnend  sind  auch  Fragen,  welche  zu  Bourges 
an  den  Priester  beim  Examen  gerichtet  wurden:  Wie  er  in  der 
Taufformel  männliches  und  weibliches  Geschlecht  unterscheide, 
die  Einzahl  oder  die  Mehrzahl.'') 

Die  grössten  Veränderungen  waren  in  diesem  Zeitraum 
im  Klosterwesen  vor  sich  gegangen.  Ein  Misstand,  der  nicht 
minder  die  Anfrechterhaltung  einer  geordneten  Wirtschaft,  als 
die  genaae  Befolgung  der  Regel  sehr  erschwerte,  wenn  nicht 
unmöglich  machte,  lag  in  der  Art  der  klösterlichen  Verwaltung, 
nach  welcher  eine  Reihe  von  Einzeleinnahmen  ftlr  eine  be- 
stimmte Verwendung  festgelegt  oder  einzelne  Gutsbezirke  zur 
Lieferung  bestimmter  Naturalabgaben  vei*pflichtet  waren.  Eine 


0  Odonis  Ck)l].  II,  a.  a.  0.  col.  190  ff.;  III,  a.  a.  0.  col.  232;  Martinianus 
moiuichus  a.  a.  0. 

')  Coli,  n,  col.  213;  Martin,  mon.  a.  a.  0. 

»)  Coli.  U,  col.  207.  208. 

')  Vgl.Delisle,  Cabinet  des  manuscrits  I,  5;  III,  234.  259.  320.  321; 
Uon  Maitre,  Les  ^coles  ^piscopales  et  monastiques,  Paris  1866,  p.  27  ff.; 
Labarte,  Hist.  des  arts  industriels  II,  121. 

*)  I^nnoi,  De  scolis  celebrioribus ...  in  occidentc  instauratis,  Ilam- 
burgl  1717,  p.  50  ff.;  v.  Noorden,  Hincmar  S.  115  ff. 

^)  Constit.  Riculfi  Sness.  c.  6  a.  a.  0. 

')  Lebeuf,  Recueil  de  divers  Berits  II,  27  hebt  aus  Cod.  Paris.  4439*» 
heraus;  Qtwnwdo  in  bapfisttia  discemis  nexum  masctdinum  et  feniininum? 
vel  numerum  pltiralem  et  sing^ilarem  ? 


/ 


22 

solche  VerwaltoDg  konnte  aber  nar  in  friedlichen  Zeiten  Be- 
stand haben;  jetzt,  wo  ein  furtwährendes  Schwanken  im  Be- 
sitzstände stattfand,  war  Verwirrang  anansbleiblich,  da  mit  dem 
Verlust  ganzer  Güter  gewisse  Bedürfnisse  ungedeckt  blieben. 
Ebenso  begreiflich  ist  es  aber,  dass  man  schliesslich  zu  Genuss- 
mitteln griff,  welche  die  Regel  verbot,  wenn  die  sonst  ttblichen 
nicht  in  der  gewohnten  Fülle  eingingen  oder  ganz  ausblieben, 
oder  unglückliche  Zeitnmstände  —  etwa  feindliche  Occnpation 
des  Landes  —  den  Betrieb  ländlicher  Culturen  lahm  legten.^)  So 
ist  denn  der  Durchbruch  der  Regel  die  notwendige  Folge  dieses 
Wirtschaftssystems,  und  war  das  Princip  erst  gebrochen,  so 
war  eine  weitere  Auflösung  unaufhaltbar.  Jeder  treibt  schliess- 
lich was  er  will.^)  Man  verlernte  allmählich  im  Genuss  vier- 
füssiger  Tiere  ^)  ein  Vergehen  gegen  die  Regel  zu  finden.  Hier 
und  da  war  eine  geradezu  üppige  Lebensweise  eingerissen^), 
und.  zwar  nicht  nur  in  der  Wahl  der  mannigfaltigsten  Nahrungs- 
mittel, sondern  auch  allmählich  in  der  Kleidung.  Die  Kloster- 
gewänder waren  natürlich  zu  rauh  und  zu  schlecht;  man  nahm 
kostbare  lange,  farbige,  mit  dem  Pallium  geschmückte,  auch 
blaue,  wie  Odo  ausdrücklich  von  den  Turoner  Mönchen  er- 
zählt, denn  Blau  war  die  Farbe  der  Narren.^)   In  der  Diöcese 

>)  Schon  in  den  Statuta  Risbac.  c.  29  (Capit.  reg.  Franc.  I,  229)  wird 
Fleischgenuss  gestattet:  st  evenerit  ex  qualicumque  necesaitate  mU  famis 
inopÜL 

«)  Odonis  CoU.  II,  BibL  Clun.  col.  192;  III,  col.  232. 

3)  Beispiele  aas  Autun,  Cormery  führt  Odo,  Coli.  III,  col.  234  ff.  an. 

*)  Ich  verweise  hier  auf  die  Urkunde  Karls  des  Kahlen  für  St  Denys, 
Mabillon,  Ann.  Ben.  III,  91:  ex  quibusdam  viUis  fratribus  suppeditatido 
cum  pulpastia  et  aupastiSj  sicut  a  longe  tempore  mos  fuit;  Constit  Ansegisi 
abbatis  in  den  Gesta  abb.  Fontanell.  SS.  U,  299 ;  femer  bezüglich  St.  Gallen 
auf  die  Eckehardi  Benedictiones  ad  mensas  ed.  Keller  in  den  Mittheilungen 
der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich  Bd.  III  u.  IV,  99  ff.;  Arx,  Gesch. 
des  Cantons  St.  Gallen  I,  178;  DUmmler  im  XII.  Bde.  der  Mittheilungen 
d.  antiq.  Ges.  in  Zürich;  Eckehardi  Casus  S.  Galii  II,  142.  Für  St.  Vannes 
auf  die  Consuetudines  S.  Vitoni  bei  Martene,  De  antiquis  ecclesiae  ritibus 
IV,  297;  Lamprecht,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  franz.  Wirthschaftslebens  im  1 1.  Jahrh. 
a.  a.  0.  S.  142.  Doch  bezieht  Lamprecht  das  dort  mitgeteilte  Menü  irrig 
auf  das  ganze  Jahr;  es  galt  nur  ftlr  Weihnachten,  wie  der  Zusammen- 
hang lehrt. 

^)  Odonis  Coli.  II,  BibL  Clun.  col.  192;  III,  col.  232:  Joh.  V.  Od.  III, 
c.  1;  Martinianus  monaehus  b.  Mabiüon,  Ann.  Bened.  III,  305.  Eine  blari- 
nen  cuculUi  hatte  ein  Mönch  von  Solcmes,  Od.  Coli.  III,  col.  234  ff. 


23 

Beüns  gab  es  noch  gegen  Ende  des  10*  Jahrhnnderts  Mönche, 
die  ohne  Sehen  golddarcb webte  Mützen  tragen,  ausländische 
Pelze  der  regulären  Kopf  bedecknng  vorzogen  und  in  der  Klei- 
dimg grossen  Anfwand  trieben.  Wunderliche  Moden,  in  denen 
sich  die  Formen  des  Unterkörpers  eng  ausprägten  und  die  den 
Mönchen  von  hinten  den  Anschein  von  Dirnen  gegeben  haben 
sollen  i)y  kamen  neben  weiten  Hosen  auf,  die  in  Folge  der 
Dorehsichtigkeit  und  Feinheit  des  Stoffes  den  äusseren '  An- 
stand verletzten.'^)  Auf  das  Schuhwerk  wurde  grosser  Wert 
gelegt  In  Tours  trug  man  die  Schuhe  farbig  und  gewichst, 
dass  sie  wie  Glas  glänzten  3),  in  Reims  möglichst  eng  und 
vom  geschnäbelt  Auch  Ohren  setzte  man  zur  Verschöne- 
rung an.4)  Natürlich  wurden  nun  die  klösterlichen  Offizien 
erst  recht  vernachlässigt^)  Hinter  prunkenden  Altargeräten  und 
Gefässen  verbarg  sich  die  frivole  und  hochmütige  Denkungs- 
weise  eines  entarteten  Mönchtums.^) 

In  den  meisten  Abteien  war  jedoch  in  diesen  Jahren  jede 
Spur  mönchischen  Lebens  zu  Grunde  gegangen.  .  Dann  nicht 
nur  waren  dieselben  bei  ihrer  isolierten  Lage  schutzlos  dem 
Ansturm  der  Barbaren  ausgesetzt,  sie  waren  auch  willen-  und 
wehrlose  Wertobjecte  in  den  Händen  der  Könige  und  Grossen 
geworden.  Der  weltliche  Adel,  dem  die  Masse  herrenlosen 
Gates  vor  allem  zufallen  musste,  verstand  es  in  zahllosen 
Fällen  sei  es  mit  Gewalt,  sei  es  auf  Grund  königlicher  Be- 
lehnung sich  in  den  tbatsächlichen  Besitz  heruntergekommener 
oder  verlassener  Abteien  und  ihrer  zerstreuten  Ländereien  zu 
setzen.  Nicht  wenige  untergeordnete  Kriegsleute  waren  damals 
emporgekommen  und  zu  Stellung  und  Besitz  gelangt.'^)    Dem 

^)  Riehen  Bist.  III,  c.  87:  Nam  tunicas  magni  ernptas  plurimum  cu- 
phmtf  quas  sie  ab  utroque  latere  stringunt  manidsque  et  giris  difßusntibuts 
diffundunt,  ut  artatis  chmihun  ei  protensia  natibus  potiua  meretriculis  quam 
manachia  a  tergo  aasimilenttir. 

«)  Rieh,  m,  e.  41. 

3)  Joh.  y.  Od.  a.  a.  0.;  Martin,  mon.  a.  a.  0. 

*)  Rieh,  m,  c.  39. 

^)  Vf^l.  Joh.  V.  Od.  III,  c.  1.  Die  Mönche  von  St.  Martin  in  Tours 
erhoben  sich  zu  den  nächtlichen  Laude»  am  heUen  Tage:  ne  aliquo  pede 
offenderent.         «)  Od.  Collat.  II,  col.  2ia. 

^)  Vgl.  den  Prologus  zur  Chronica  de  gestis  consulum  Andegav.  bei 
Marchegay  et  Salmon,  Chroniques  d'Anjou  1, 31 :  Igitur  tempore  Caroli  Calvi 


24 

Könige  gewährte  die  Menge  preisgegebenen  Eirchenbesitzes  die 
Mittel,  flieh  Anhänger  nnd  ergebene  Vasallen  zu  schaffen,  wie 
seine  Günstlinge  zu  belohnen;  es  war  nar  zn  verständlich,  dass 
die  gute  Gelegenheit,  welche  die  Zeit  Verhältnisse  boten,  den 
königlichen  Finanzen  mit  Hülfe  kirchlichen  Eigentums  an&u- 
helfen,  im  9.  Jahrhundert  mit  demselben  Eifer  ergriffen  wurde, 
mit  dem  sie  von  Karl  Martell  und  Pippin  einst  ähnlich  ausge- 
nützt worden  war.  Noch  in  anderer  Beziehung  wurden  Klöster 
vom  Kriegsadel  abhängig:  indem  nämlich  die  Mönche  Kloster- 
hufen öfter  lehnsweise  an  Kriegsleute  gegen  die  Verpflichtung 
militärischer  Verteidigung  ausgaben  >),  ging  in  der  Regel  der 
Lehnsbesitz  in  Allodienbesitz  über  und  wurde  so  —  mitunter 
freilich  nicht  ohne  die  heftigsten  Proteste  von  kirchlicher 
Seite  —  der  einstigen  Bestimmung  dauernd  entfremdet  In 
Italien  hatten  sich  unter  ähnlichen  Verhältnissen  die  niederen 
Leiheformen  mehr  entwickelt,  da  die  Klöster,  abgesehen  vom 
Verkauf,  durch  Verpfändung  und  libellarische  Pachtverträge 
ihren  augenblicklichen  Verlegenheiten  abzuhelfen  suchten,  je- 
doch dadurch  nicht  minder  in  Abhängigkeit  von  dem  waffen- 
mächtigen Landadel  gerieten.^)  Neben  den  Laien  beteiligten 
sich  nicht  selten  die  Bischöfe  an  der  Beraubung  der  Diöcesan- 
Stifter;  sie  betrachteten  das  Klostergut  als  privates  Eigentum, 
mit  dem  sie  ihre  Vasallen  ausstatteten  oder  ihre  Familien  ver- 


comjüures  novi  atqtie  ignobües  bono  et  honesto  nobilibm  potioreSj  clari  et 
magni  effecti  sunt;  qw)8  enim  appetentes  gloriae  müitaris  cofispiciebat, 
periculis  obiectare  et  per  eo8  fortunam  tentare  non  dubitabat;  Coursun, 
Gartul.  de  Bedon  nr.  321: 

Secularium  hottores 

Per  nonnuUos  dofninos 

Aliquando  derivando 

Pertingunt  ad  infimos. 

')  Vgl.  Cartul.  de  Saint-Pere  de  Chartres  1, 12;  Mirac.  S.  Bercharii  c.  8, 
MabilloD,  Acta  SS.  II,  812,  wo  1550  Ilufon  an  benachbarte  milites  ausge- 
geben wurden;  Chron.  S.  Michaelis  Virdun.  c.  32,  M.  G.  SS.  IV,  84;  Urk. 
Adalberos  I.  vom  Metz  von  12.  Dec.  933  bei  Calmet,  llist.  de  Lorraine  I, 
338:  quod  si  omneni  teneret  abbatiae  terram  (seil,  abbas)^  oporteret  et  satel- 
Utes  tenerej  cum  quibus  publice  müitaret. 

*)  Vgl.  Chron.  Casaur.  b.  Muratori  U,  b,  822;  Chron.  Vultum.  a.  a.  0. 
1,  b,  408.  In  Italien,  wo  der  Precarist  eine  grössere  Geldsumme  sofort 
dem  Ausleih  er  bezahlte,  war  dieser  Weg  allerdings  besonders  verlockend. 


25 

sorgten.^)  Bei  der  wirtBchaftlichen  ZerrUttang  vieler  Bisehofs- 
kirehen  wurde  Abteibesitz  häufig  zum  Unterhalt  von  Clerikem 
verwendet  und  in  zahllosen  Fällen  sehen  wir  vor  der  Reform 
in  den  Klöstern  Canoniker  ein  wenig  geordnetes,  durchaus 
kienhaftes  Leben  führen. 

Soweit  Klöster  nicht  gänzlich  aufgehört  hatten  zu  existieren, 
indem  die  Mönche  ihren  Untergang  fanden,  in  der  Gesammtheit 
aogzogen  oder  sich  zerstreuten,  um  die  Welt  wieder  aufzusuchen 
and  privates  Eigentum  an  Stelle  des  gemeinsamen  Besitzes  zu 
erwerben  ^)  oder  ihre  Beute  in  sicheren  Gewahrsam  zu  bringen  '^), 
war  in  den  meisten  Abteien  bittere  Armut  eingezogen.  Ihrer 
znm  Unterhalt  bestimmten  Güter  bis  auf  spärliche  Reste  be- 
raubt, fristeten  die  wenigen  Brüder  nicht  selten  ein  armseliges 
Dasein,  bedrängt  von  den  Lehnsleuten  4);  es  kam  schliesslich 
vor,  dass  sie,  um  sich  zu  erhalten,  den  Bauern  Ackerdienste 
verrichteten.^)  Es  ist  begreiflich,  dass  in  diesen  und  ähnlichen 
FäUen  eine  Grundbestimmung  der  Regel  nicht  mehr  aufrecht 
erhalten  werden  konnte :  das  Verbot  privaten  Eigentums.^)  Wir 
sehen  deshalb  überall  den  Klosterbesitz  verteilt,  jeden  einzelnen 
Mönch  in  Sorge  für  seinen  Unterhalt  Die  traurigsten  Zustände 
hatten  sich  aber  in  den  Abteien  ausgebildet,  die  in  Laienhände 
oder  unter  die  Leitung  irregulärer  Aebte  gekommen  waren :  hier 
wurde  jede  Erinnerung  an  die  einstige  Bestimmung  des  Ortes 
vernichtet  Weltliche  Beschäftigungen  zogen  ein.  Der  Besitzer 
schlug  seinen  Wohnsitz  in  der  Abtei  oder  in  der  Nähe  auf. 


0  Vgl.  ConcU.  Magont.  v.  888,  Mansi  XVIII,  61:  molestiaa . . .  quaa 
modemis  temporibus  contra  sacra  monasteria  per  qtwsdam  episcopos  recenter 
ordinatos.  Vita  Johaunis  abb.  Gorz.  c.  36.  05.  104.  11U;  Vita  S.  Gerardi 
abb.  Bron.  c.  21;  Letaldi  Mirac.  S.  Maximini  c.  23 ;  Lamprecht,  der  Character 
der  klösterlichen  Reformbewegung  Lothringens  im  10.  Jahrhundert  in  Picks 
Monatsschr.  VII,  228. 

')  Johannis  Vita  Odonis  III,  c.  2,  Mabillon,  Acta  SS.  V,  79. 

')  Richeri  Eist.  Senon.  II,  c.  18. 

*)  So  in  Moyenmoutier,  dem  Lothar  II.  1511  Hafen  entrissen  und  nur 
ein  einziges  Dörfchen  gelassen  hatte,  Mabillon,  Ann.  S.  Bened.  III,  84 ;  fUr 
Montierender  vgl.  Hirac.  S.  Bercharii  c.  8 ;  ftir  St.  Quentin  Hist.  Mosom. 
II,  c  2,  SS.  XIV,  631;  Q^r  St.  Mesmin  bei  Orleans  vgl.  Letaldi  Mirac.  S. 
Maximini  e.  23;  ftir  Gorze  Vita  Johannis  Gorz.  c.  95. 
.  *)  So  in  Senones,  Richeri  Hist.  Senon.  II,  c.  1 8. 

«)  Vgl  Od.  Coli.  U,  col.  213. 


26 

Ein  üppiges  Hofleben,  wie  es  beim  Adel  damals  üblieh  war, 
entfaltete  sieh.^)  Man  vernahm  Wafiengeklirr  und  das  Bellen 
der  Meute,  ganze  Familien  hatten  sich  in  den  heiligen  Bäumen 
eingenistet.  Der  Abt  und  die  Mönche  waren  verheiratet,  Kinder, 
Schwiegersöhne  und  Schwiegerväter  zehrten  vom  Klostergate  ^); 
das  gab  ein  Schmausen  und  Zechen.^)  Den  Landbesitz  über- 
trug man  an  Lehnsleute ;  man  wollte  sich  die  fröhlichen  Lebens- 
genüsse nicht  durch  militärische  Anstrengungen  verbittern  und 
verkümmern.^)  Mau  eilte  lieber  zum  Spiel  als  zur  Kirche.^) 
Hier  versuchten  die  Jünglinge  sich  mit  Schild  und  Stab,  da 
krächzten  die  Habichte  und  in  den  Häusern  der  Brüder  wieherten 
die  Pferde.^^)  Hier  und  da  richtete  man  wohl  Schneiderwerk- 
stätten für  die  Weiber  ein^)  und  anderwärts  hörte  man  den 
pfeifenden  Ton  des  Wollkamms  der  Weberinnen.  Die  neuen 
Herren  lebten  sehr  üppig.  Die  Damen  putzten  sich  gern  und 
wenn  die  Herrin  sich  im  Volke  sehen  liess,  so  that  sie  das 
nur  im  Gefolge  zahlreicher  Dienerinnen.^)  Es  war  nicht  noth- 
wendig,  dass  alles  in  einem  Hause  wohnte,  aber  alle  zehrten 
vom  Gold  und  Silber  und  den  Einkünften  der  Abtei.^)  Es 
wird  uns  von  Zusammenkünften  und  Conventikeln  erzählt^^^) 

Das  Resultat  der  geschilderten  Vorgänge  und  Zustände 
war  der  fast  gänzliche  Untergang  des  Mönchtums.  Am  Anfange 
des  10.  Jahrhunderts  gab  es  kaum  einige  reguläre  Mönche.  *>) 
In  Lothringen  wnsste  man  von  der  Benedictinerregel  überhaupt 
nichts  mehr^^);  in  ganz  Francien  konnten  Odo  und  Adhegrin 


*)  Concil.  Troslei.,  a.  a.  0.;  Mirac.  S.  Basoli  c.  11;  Letaldi  Mirac.  S. 
MAxim.  c.  23. 

^)  Dies.  Quellen,  dazu  Mirac.  S.  Bercharü  c.  8. 

3)  Bicheri  Hist.  Senon.  II,  c.  18. 

^)  Mirac.  S.  Bercharii  a.  a.  0. 

*)  Richeri  Hist.  Senon.  a.  a.  0. 

«)  Mirac.  S.  Maximini  c.  23. 

»)  Mirac.  S.  Basoli  c.  11. 

**)  Mirac.  S.  Maxim,  a.  a.  0. 

»)  Hist.  Mosom.  II,  c.  2. 

^°)  Mirac.  S.  Basoli  a.  a.  0.;  Mir.  S.  Maxim,  a.  a.  0. 
'*)  Letaldi  Mir.  S.  Maximini  c.  23:   Eo  autem  tempore  vix  aliqui  mo- 
nachortmi  mt^eniri  poterant,  qui  seaindum  regulärem  vwerent  sanctiancm. 
")  (^esta  episc.  Tullensinm  c.  31  (SS.  VIII,  639):  regulam  mncti  Betie- 
dicti  huiuft  regni  hahitatoribiis  omnibus  ignotam. 


27 

kein  Kloster  finden,  in  das  sie  hätten  treten  können.^)  In 
SüdfraDkreieh  stand  es  nicht  besser;  unaufhörlich  klagt  der 
hL  Gerald  von  Äurillac,  dass  er  keine  Mönche  finden  könne.^) 
Peter  der  Ehrwürdige  sehreibt  einmaP):  in  fast  ganz  Europa 
wäre  ausser  Tonsur  uud  Kutte  nichts  mönchisches  gewesen. 
Später  behauptete  man,  bis  auf  Odo  wäre  die  Benedictinerregel 
m  Francien,  wie  in  Burgund  unbekannt  gewesen,  nur  die  des 
hL  Columban  hätte  geherrscht  4). 

Während  dieser  ganzen  Entwicklung  sahen  die  mass- 
gebenden Kreise  im  Reiche,  der  König  und  die  hohe  Geistlich- 
keit nicht  unthätig  zu,  wenn  es  auch  nirgend  zu  energischen 
Massregeln,  um  dem  Verfall  zu  steuern,  gekommen  ist  und 
kommen  konnte.  Es  fehlte  an  der  nötigen  Geotralisation  der 
Regierung,  mehr  und  mehr  entzogen  die  localen  Vorgänge  sich 
den  Augen  des  Herrschers  und  der  Kirche,  so  sehr  auch 
letztere  —  wie  die  Entstehung  der  falschen  Decretalen  be- 
weist —  die  Einheit  der  Hierarchie  dem  umsichgreifenden  zer- 
störenden Einflnss  der  localen  Laiengewalten  entgegenzustellen 
bemttht  war. 

Dass  einen  kirchlich  frommen  Herrn,  wie  Karl  den  Kahlen, 
das  Leid,  welches  die  Klöster  traf,  tief  ergreifen  musste,  ist 
erklärlich.  Es  wird  uns  daher  mehrfach  übereinstimmend  be- 
richtet, der  König  habe  sehr  viel  Mühe  und  Geld  zur  Wieder- 
herstellung von  Kirchen  und  Klöstern  verwendet,  er  habe  nach 
Kräften  die  zerrüttete  Mönchsdisciplin  zu  heben,  zerstörte  und 
heruntergekommene  Abteien  wieder  zu  beleben  sich  bestrebt^), 

')  Joh.  Vita  Odonis  I,  c.  23 :  Interea  non  fuit  locus  tri  Franciae  fini- 
bu8f  mW  audieru7it,  fuisae  monasterium  .  .  .  Et  non  invenientes  regionis 
hcum  etc. ;  vgl.  auch  Syri  Vita  Maioli  II,  c.  6 :  Nam  regularis  vitae  disci- 
plinamj  quae  iam  pene  deciderat  per  veterum  negligentiaMj  prout  h,  Bene- 
dictm  eam  composuit  etc. 

')  Vgl.  Odonis  Vita  Geraldi  III,  c.  1:  soll  monachi  desuntj  soll  in- 
veniri  non  possunt» 

')  Petri  Venerab.  £pist.  VI,  15:  In  cunctis  paene  Europae  nostrae 
finibus  de  monacho  praeter  tonsuram  et  habitum  nihil. 

*)  Alberici  Tresfont.  Chron.,  SS.  XXIII,  760. 

')  Vita  Hngonis  Aednensis  c.  7  (Mabillon,  Acta  SS.  V,  p.  94):  Totam 
mim  paene  sui  reipublicae  regni  cenmim  in  huiusmodi  expensis  tribtiebant; 
C%oiL  S.  Benigni  Divion.  ed.  Bougaud  p.  \)bi    Carolus  Calvws  .  .  erga 


28 

und  in  der  That  lassen  sieb  einzelne  Beispiele  derartiger  Wirk- 
samkeit anführen.^)  Eine  umfassende  Reorganisation  des  Kloster- 
wesens stand  jedoch  nicht  mehr  in  seinen  Kräften,  er  beförderte 
im  Gegentheil  durch  die  politisch  notwendig  gewordene  Ein- 
ziehung klösterlichen  Besitzes  den  wachsenden  Verfall  erheblich. 
Der  hohen  Geistlichkeit  war  natttrlich  nicht  entgangen,  wie 
gefährlich  die  willkürliche  Verfttgung  der  Krone  über  Stifter 
und  Abteien  war,  die-  neuerdings  durch  Ludwig  den  Frommen 
begonnen,  während  des  Zwistes  seiner  Söhne  von  jedem  einzelnen 
derselben  in  noch  höherem  Masse  fortgesetzt  wurde  und  schon 
frühzeitig  Laien  in  den  Besitz  ehrwürdiger  Klöster  gebracht 
hatte.  Daher  ertönen  schon  October  844  auf  der  Synode  von 
Thionville  Rufe  aus  der  Geistlichkeit  an  die  Könige  Lothar, 
Ludwig  und  Karl,  die  vielen  Misstände,  die  in  die  Kirche 
sich  eingeschlichen,  zu  beseitigen,  den  Kirchen,  welche  im 
Zwiste  des  königlichen  Hauses  ihre  Oberhirten  verloren,  durch 
canonische  Ernennungen  ohne  simonistische  Umtriebe  geeignete 
Bischöfe  zu  setzen.-)  Es  wird  ihnen  vorgeworfen,  gegen  Ver- 
nunft und  Herkommen  einzelne,  besonders  ehrwürdige  Abteien 
in  Laienhände  gebracht  zu  haben;  man  fordert  die  Uebertra- 
gung  derselben  an  Männer  aus  dem  Gleriker-  und  Mönchs- 
stande, dementsprechend  die  der  Nonnenklöster  an  klösterlich 
erzogene  Frauen.^)  Ebenso  sollen  Canoniker-  und  Canonissen- 
anstalten,  wenn  sie  bisher  in  Laiengewalt  waren,  seitens  der 
Diöcesanbischöfe  mit  Zuhülfenahme  frommer  Aebte  wiederher- 
gestellt und  hinsichtlich  ihrer  Studien,  geistlichen  Uebungen  und 
ihres  Lebensunterhaltes  Erhebungen  vorgenommen  werden.^) 
Auch  auf  der  im  December  desselben  Jahres  zu  Vemeuil  versam- 
melten Synode  wird  gegen  das  Eindringen  der  Laien  in  geistliche 
Pfründen  und  die  erbliche  Verleihung  von  Kirchengnt  protestiert. 

cultum  ecclesiae  Dei  fuit  studiosissiimia ;  p.  99:  eccksiartwi  Dd  cuUor 
devot\i8  mnni  nisu  quo  potuit,  sUuiebat  in  cultu  religionis  depravata  cor- 
rigerCj  destmcta  reedificare,  conlapsa  crigere. 

^)  Vgl.  z.  B.  P6rard,  Recueil  de  plusieurs  pieces,  Paris  16G4,  p.  149 
für  St.  Benigne  v.  Dijon ;  zahlreiche  Urk.  Karls  des  Kahlen  für  St.  Martin 
in  Tours  bei  MabUle ,  La  pancarte  noire  de  St.  Martin  de  Tours,  Tours 
1866,  p.  156—160. 

')  M.  G.  Capit.  regum  Franc.  II  ed.  Boretins  et  Krause,  p.  144,  c.  .3. 

8)  Capit.  reg.  Franc,  a.  a,  0. 

*)  A.  a.  0.  c.  5,  p.  115. 


29 

Die  Bischöfe  sollen  den  Znstand  der  Klöster  durch  geeignete 
Männer  nntersnchen  lassen  und  Bericht  erstatten.  Die  Mönche, 
die  unnütz  nmherlaufen  und  ihr  Gelübde  brechen,  sollen  wieder 
auf  ihren  Platz  zurOckkehren  and  vom  Abte  in  regulärer  Weise 
anfgenommen  werden.  Die,  welche  Kriegsdienste  angenommen 
and  geheiratet  haben,  verfallen  öffentlicher  Busse.  Schon  sehen 
wir  hier  die  geistlichen  Kreise  über  Mangel  sich  erbittern,  schon 
ist  die  Armenpflege,  die  Aufnahme  der  Fremden  nicht  mehr  in 
Ordnung.i)  Auf  der  Reichsversammlung  zu  Epernay  im  Jahre 
846  erregt  dieser  Punkt  Karls  Interesse:  die  von  seinen  Vor- 
gängern errichteten  Fremdenherbergen  seien  vernichtet.  Nicht 
aar  Reisende  würden  nicht  aufgenommen,  sogar  die,  welche 
von  Kind  auf  dort  Gott  dienten,  würden  ausgewiesen ;  sie  müss- 
ten  von  Thür  zu  Thür  betteln  gehen.^) 

Endlich  im  Jahre  853  raffte  sich  Karl  auf  der  Synode  von 
Soissons  zu  einem  kühnen  Entschluss  auf;  die  Massregel,  die 
er  hier  ergriff,  um  eine  allgemeine  Klosterreform  zu  bewerk- 
stelligen, verrät  volles  Verständnis  fttr  die  Bedürfnisse  des 
Klosterwesens  und  wäre  vielleicht  von  Erfolg  begleitet  gewesen, 
wenn  nicht  im  selben  Jahre  gerade  die  Normannen  von  der 
Loire  einen  entsetzlichen  Raubzug  nach  der  Touraine  unter- 
nommen hätten  und  die  nächsten  Jahre  unter  verheerenden 
Anfällen  auf  verschiedene  Theile  des  westfränkischen  Reiches 
vergangen  wären.  Es  handelte  sich  darum,  ein  klares  Bild 
von  den  Klosterverhältnissen  zu  gewinnen.  Die  Boten,  die 
Karl  zum  Zwecke  der  geeigneten  Aufnahme  aussendet,  erhalten 
demnach  folgende  Instructionen.^)  Sie  werden  beauftragt,  die 
Einrichtungen  der  einzelnen  Klöster  zu  untersuchen,  zu  bessern, 
nötige  Bauten  anzuordnen,  verfallene  wiederherzustellen.  Lebens- 
unterhalt, Getränk,  Kleidung  und  jeglichen  Bedarf  sollen  sie 
nach  Massgabe  der  örtlichen  Beschaffenheit  und  Umstände  an- 
ordnen, ebenso  die  Aufnahme  von  Fremden  und  die  Pflege  der 
Armen.  Sie  schreiben  die  Zahl  der  Insassen  eines  jeden 
Klosters  auf;  nach  Zahl  der  Mönche  und  Beschaffenheit  des 
Ortes,  je  nachdem  einer  mehr  oder  weniger  ernähren  kann, 

»)  M.  G.  LL.  I,  888. 
>)  M.  G.  LL.  1, 388. 
*)  M.  G.  LL  I,  418. 


30 

sollen  Versetznngeii  nach  Beratung  mit  den  Bischöfen  und 
Vasallen  stattfinden.  Die  Missi  sollen  aber  anch  fragen,  wie 
gross  die  Zahl  der  Mönche  in  jedem  Kloster  zu  Zeiten  Karls 
des  Grossen  und  Ludwigs  des  Frommen  gewesen  sei  und  wana 
einzelne  Drte  durch  Normannen  oder  auf  andere  Weise  zerstört 
wurden,  wie  viel  aus  den  Mitteln  der  Anstalt  restaurirt  werden 
könnte,  damit  der  König  dann  seine  Bestimmungen  treffe.  Die 
Die  Missi  sollen  ferner  untersuchen,  welche  Klöster  von  frommen 
Leuten  auf  ihrem  Allod  gegründet  worden  waren  und  was 
diese  seinen  Vorfahren  gegen  das  Recht  der  Immmunität  über- 
tragen hätten.  Schliesslich  sollen  sie  zusammen  mit  den  Bi- 
schöfen Erkundigungen  einziehen  über  den  Zins,  der  von  den 
kleinen  Kapellen  und  Abteien  für  ihre  Kirchen  einkomme. 

Begreiflicherweise  war  dieser  Versuch  umsonst.  Karl 
sagte  selbst  einmal  verzweifelt,  vielleicht  mit  Rücksicht  auf 
jenes  Capitular:  die  Normanneneinfälle  hätten  die  begonnene 
Restauration  der  Kirche  unterbrochen.^)  Die  Auflösung  aller 
klösterlichen  Verhältnisse  wurde  dadurch  in  keiner  Weise  auf- 
gehalten ;  denn  bald  nachher  im  Jahre  855  ermahnen  Bischöfe 
und  Getreue  zu  Bonvenil  den  König  von  neuem,  so  schnell  und 
so  gut  irgend  möglich  für  Hebung  der  klösterlichen  Zustände 
zu  sorgen.^)  Auch  in  dem  Schreiben  der  westfränkischen  Bi- 
schöfe an  Ludwig  den  Deutschen  vom  Jahre  858  wird  die 
Klosterirage  berührt  und  namentlich  die  Rückgabe  derjenigen 
Abteien,  die  Karl  ans  jugendlichem  Unverstand,  schlauer  Be- 
rechnung oder  Furcht  nach  Beneiicialrecht  an  Laien  gebracht 
hat,  an  geeignete  Personen  gefordert  Durch  Wiederherstellung 
von  Armenpflege  und  Gastlichkeit,  Verbannung  alles  Weltlichen 
aus  den  mönchischen  Instituten,  strenge  Unterwerfnng  unter 
die  Bischöfe  glaubt  Hincmar  von  Reims  dem  weiteren  Verfall 
steuern  zu  können.^) 

Von  nun  an  hören  officielle  Vorschläge  oder  Forderungen 
hinsichtlich  einer  umfassenden  Klosterreform  auf;  man  hätte 
sie  in  Anbetracht  der  Umstände  für  Ironie  gehalten.  Das 
einzige,  was  man  auf  Synoden  oder  Reichstagen  vermag,  sind 


»)  Capit.  Pist.  V.  862,  LL.  I,  478. 
')  Baluze,  Capit.  reg.  Franc.  II,  77. 
«)  Baluze  II,  t02. 


31 

dringende  Anffordernngen  an  alle  Reicbsstände,  gegen  Räober 
Qod  Plünderer  vorzugeben,  die  in  der  allgemeinen  Anarchie 
ihr  Gewerbe  blttben  saben,  oder  sieb  zur  Abwebr  der  Ungläu- 
bigen zu  vereinigen.  1)  Selbstbilfe  und  ZusammenseblnsB  bebufs 
der  Verteidigung  ist  alles,  was  die  Regierung  anempfeblen 
kann.  Das  nnaufbörlicbe  Gesebrei  belebrt  uns  aber,  dass  alles 
in  den  Wind  ging,  dass  alle  Strafandrohungen  und  Proteste 
eitel  waren.    , 

Jetzt  beginnt  die  Verzweiflung;  der  fromme  K(5nig  und 
die  (^eistliebkeit  sind  in  tiefster  Zerknirschung.  Ein  dumpfes 
Geftthl  der  eigenen  Sündhaftigkeit  bemächtigt  sich  aller  Kreise. 
Gegenüber  der  furchtbaren  Verrohung  und  den  niederschmettern- 
den Unglücksfällen  beginnen  christliche  Gedanken  in  den  Herzen 
wieder  aufisukeimen.  „Frankreich  ist  öde  geworden*  sagt  Karl 
der  Kahle  im  Capitular  von  Pttres  862  ^)  «weil  wir  die  Blumen 
nnd  Früehte  #on  Glauben,  Liebe,  Hoffnung,  von  Demut,  Keusch- 
heit und  Massigkeit,  sowie  der  übrigen  Tugenden  vom  Acker 
unseres  Herzens  rissen  und  dafür  Unkraut  der  Sünde  säeten. 
Deswegen  sind  die  Bewohner  des  Landes  getödtet  und  aus- 
einandergejagt worden,  weil  wir  uns  selbst  durch  das  Schwert 
der  Sünde  tödteten  und  alles  Gute,  was  Gott  uns  an  natürlichem 
Geist,  Wissen,  Reichtum,  Ehren,  vornehmen  Familienverbindungen 
gewährte,  irdischen  Lüsten  dienstbar  machten  und  dem  Willen 
und  der  Absicht  Gottes  entfremdeten.  **  Sein  Enkel  Karlmann, 
der  Sohn  Ludwigs  des  Stammlers,  ruft  von  dem  gleichen  Gefühl 
der  Sündhaftigkeit  erfasst^):  «Wir  plündern  unsere  Brüder  und 
deshalb  rauben  die  Heiden  uns  und  unsere  Habe  aus.  Wie 
werden  wir  also  sicher  gegen  die  Feinde  der  heiligen  Kirche 
Gottes  und  unsere  Gegner  vorgehen  können,  da  in  unserm 
eignen  Hause  der  Raub  des  armen  Mannes  aufgespeichert  liegt? 
Und  wie  werden  wir  unsere  Feinde  besiegen  können,  da  das 
Blut  unserer  Brüder  von  unserm  Munde  rinnt  und  unsere  Hände 
YoU  von  Blut  sind  und  die  Arme  belastet  werden  durch  das 


>)  Capitul  Sparnac.  (846)  c.  67;  Capit.  Cerisiacnm  (857);  Capit.  in 
bami.  S.  Castor.  Confluent.  (860)  c.8;  Capit  Pist.  (862)  c.  2;  Capit.  Pist. 
(864)  c  2;  Capit.  Burgnnd.  (865)  c.  13;  Capit.  Vern.  (884)  Anfang;  Concil. 
Colon.,  Mansi  XVIII,  45;  Concil.  Magont.  888;  Concil.  Mett  888;  Concil. 
Trotlei.  909.  ^  LL.  1, 478. 

^  Capit.  Vemense  (884.  März)  LL.  I,  551. 


32 

Gewicht  des  Elends  und  des  Raubes,  da  unsere  ganze  geistige 
und  körperliche  Kraff;  zu  Grunde  geht.  Wir  werden  von  Gott 
nicht  erhört,  weil  das  Geschrei  und  die  Klagen  von  Armen 
und  Waisen,  Mündeln  und  Wittwen  unsere  Bitten  übertönen.*' 
Wenige  Jahre  später  hielt  der  Ostfranke  Arnulf  seinen  Refor* 
mationsreichstag  zu  Mainz.  In  der  Einleitung  zu  den  Be- 
schlüssen äussern  die  Väter  denselben  Gedanken.^)  Noch 
weiter  gehen  die  Bischöfe,  die  909  zu  Trosly  verstümmelt  waren : 
sie  nennen  die  Geissei  des  Herrn  zwar  wuchtig,  aber  noch 
schwächer,  als  sie  verdient  hätten.^)  Das  ganze  Volk  ist  Schuld 
an  dem  Verderben  sagen  die  Chronisten  und  Biographen  der 
Zeit.3)  Das  ist  die  Stimmung,  die  den  Ereignissen  gegenüber 
Platz  greift:  Normannen,  Ungarn  und  Sarrazenen  sind  Werk- 
zeuge in  der  Hand  Gottes. 

Gegen  Ende  des  Jahrhunderts,  nachdem  die  Gefahren  der 
Dänen  nachgelassen,  stumpfe  Apathie  sich  der  Clemüther  be« 
mächtigt  hat,  beginnt  man  sich  wieder  etwas  zu  regen.  Hincmar 
von  Reims  erhebt  in  dem  Synodalbriefe  von  Fimes  in  der 
Erzdiöcese  Reims  noch  einmal  seine  gewichtige  Stimme  bei 
König  Ludwig  für  Absendung  von  Königsboten  behufs  Unter- 
suchung der  Klosterverhältnisse  und  Abstellung  der  Miss- 
bräuche.^)  Die  Reformsynoden  von  Metz  und  Mainz  scheinen 
ein  viel  versprechender  Anfang  im  Ostreiche  zu  sein,  wo  der 
kräftige  Arnulf  den  Sitz  des  unfähigen  Karls  des  Dicken  ein- 
genommen hat.  Die  Mainzer  Versammlung  erkennt  zunächst 
an,  dass  man  lange  Zeit  weder  in  General-  noch  in  Frovinzial- 
synoden  vereinigt  war,  um  etwas  fllr  das  Wohl  der  Kirche 
Notwendiges  zu  beschliessen.  Sie  führt  sich  namentlich  den 
Zustand  des  gesammten  Klosterwesens  zum  Bewusstsein  und 
bestimmt  in  Bezug  auf  Klosterreform,  dass  Chorhermstiftem, 
Mönchs-  und  Nonnenabteien,  die  Clerikern  oder  Laien  gegeben 
wurden,  reguläre  Leiter  vorgesetzt  werden,  die  an  den  Bischöfen 


»)  Mansi  XVIII,  61. 

»)  Mansi  XVIII,  263  flf. 

3)  Vita  Ilugonis  Aed.  c.  4 ;  Mirac.  S.  Basoli  c.  7;  Vita  S.  Romani  abb. 
Autiss.  §  t3,  1. 1.  p.  15S-,  Epistola  Remigii  ad  Dadonem  b.  Mart^ne-Darand, 
GoU.  ampl.  I,  230. 

*)  V.  Noorden,  Hincmar  S  878;  Hefele,  ConziliengeBoh.  IV,  542. 


83 

ihre  Stütze  sncbeD  solltenj)  In  Frankreich  zieht  knrz  vor 
der  Gründmig  Clanis  das  Concil  von  Trosly  im  Jahre  909 
die  Samme  der  Entwicklung  des  9.  Jahrhunderts  und 
entwirft  ein  grossartiges  Gemälde  der  Zerrüttung  der  klöster- 
lichen Verhältnisse  zur  Zeit,  da  Herzog  Wilhelm  von  Aquitanien 
seine  welthistorische  That  unternimmt  Auch  hier  klagen  die 
Väter,  dass  die  heidnischen  Einfälle,  die  schweren  Wirren  im 
Reiche,  die  Belästigungen  falscher  Christen  synodale  Versamm- 
langen  verhindert  hätten.  Eine  traurige  Schilderung  der 
herrschenden  Verbrechen  führt  zu  dem  Schlüsse :  Die  christliche 
Religion  ist  im  Wanken,  die  Welt  ist  dem  Verderben  nahe. 
«Wie  die  Fische  des  Meeres  zerfleischen  die  Menschen  sich 
gegenseitig*^.  Die  Bischöfe  selbst  beschuldigen  sich  der  Ver- 
nachlässigung ihrer  Pflicht,  der  Predigt.  Es  wird  anerkannt, 
dass  reguläre  Vorschriften  in  den  Klöstern  nirgend  mehr  be- 
obachtet'  würden,  nirgend  canonische  Leiter  wären,  sondern 
fremde  Herren.  In  den  Capitularen  werde  verlangt,  dass  der 
Abt  mit  den  Mönchen  die  Regel  durchgehe:  wie  soll  das  ein 
Mensch  fertig  bringen,  meinen  die  Synodalen,  der  nicht  lesen 
kann  und  von  den  Einrichtungen  nichts  versteht?  Je  mehr 
Capitnlare,  Decrete,  Canonen  vergessen  würden,  desto  mehr 
gehe  es  abwärts.  Er  folgen  einige  allgemeine  Verordnungen, 
die  aber  mehr  frommen  Wünschen  gleichen,  als  ernstlichen 
Massregeln.  Man  verlangt  Einschränkung  des  Umherschweifens 
der  Mönche  und  ihrer  Prunksucht,  Einführung  religiösen  Lebens; 
man  giebt  gute  Ratschläge  Über  wirtschaftliche  Verwaltung.  2) 

Man  sieht,  es  lässt  sich  eine  nur  kurz  unterbrochene  Reihe 
von  Ermahnungen,  Befehlen,  lialben  oder  ganzen  Massregeln, 
Versuchen  einer  Reform  der  französischen,  erst  spät  auch  der 
ostfränkischen  Klöster,  die  nie  so  sehr  gelitten  hatten,  con- 
statieren.  Schliesslich  gab  es  auch  einzelne  Leute,  welche  den 
Mut  hatten,  in  dieser  Zeit  Klöster  neu  zu  stiften,  im  Adel 
Persönlichkeiten,  welche  im  allgemeinen  Untergang  kirchlicher 
Frömmigkeit  kirchlichen  Sinn  bewahrt  hatten  oder  die  in  wohl- 
thätiger  Reaction  gegen  den  materiellen  Geist  des  Jahrhunderts 
seelische  Befriedigung  in  der  Anlage  geistlicher  Orttndungen 


1)  Concil.  Magont.  a.  a.  0. 
*)  Concil.  Trosl.  a.  a.  0. 

SAckar,  Clanlaoenser.    I. 


34 

fanden.  Es  sind  die  ersten  Spnren  einer  aufsteigenden  Be- 
wegung, die  seit  der  Grttndnng  von  Cluni  einen  nageahnten 
Aufschwang  nahm.  Aber  es  ist  bemerkenswert,  dass  in  der 
Erzdiöcese  Bourges  und  den  angrenzenden  Gebieten  i-eligiöser 
Sinn  zuerst  sich  wieder  regte,  in  jenem  Landesteil,  der  von  den 
Barbaren  am  wenigsten  geschädigt  worden  war.  So  entstanden 
die  Klöster  Bnfee^),  das  Raimund  von  Limoges  stiftete,  Sessieu, 
das  seinen  Ursprung  dem  Abt  Aurelian  von  Ainay  verdankte  ^), 
St  Martin  von  Antun,  das  Graf  Badilo  wiederherstellte  3),  von 
dem  es  heisst,  er  sei  auch  als  Laie  den  heiligen  Männern  in 
jeder  Hinsicht  ebenbürtig  gewesen  und  der  schliesslich  selbst 
Mönch  wurde.*)  Damals  erhob  sich  Yabre  in  der  Diöcese 
Bourges,  eine  Familienstiftung  des  Grafen  Baimund  und  seiner 
Gemahlin  Berteiz^);  Graf  Gerard  von  Roussillon  und  seine  Fraa 
Berta  stellten  sogar  ihre  Stiftungen  Poutiöres  und  Vezelay  unter 
Verleihung  grosser  Freiheiten  863  unter  die  Herrschaft  und 
den  Schutz  des  Papstes.^)  Später  fällt  dann  die  Gründung  von 
Aurillac  durch  den  hl.  Grafen  Gerald ''),  einen  Mann,  dessen 
geistliches  Rittertum  Odo  von  Cluni  geschildert  hat,  und  als 
Graf  Wilhelm  der  Gute  von  Bordeaux  das  von  den  Normannen 
zerstörte  Ereuzkloster  wieder  neu  errichtete,  konnte  er  in  seiner 
Urkunde  sagen,  dass  überall  wieder  Klöster  hier  und  da  sich 
erhöben.8) 

Gegen  die  umstürzenden  Elemente  der  Zeit  rafft  sich  gerade 
der  Adel  zuerst  empor,  der  sich  selbst  so  stark  versündigt  hatte ; 
und  angewidert  von  den  Gräueln,  die  teils  um  sie  herum  noch 
vorgingen,  teils  in  aller  Erinnerung  standen,  fliehen  tiefere  Ge- 


>)  Acta  SS.  Bell.  April.  III,  480 ;  Habillon,  Acta  SS.  V,  89  v.  Jahre  845. 

>)  Mabiilon,  Ann.  Bened.  III,  75  (Lucae  1739)  v.  J.  859. 

«)  Vita  Hngonis  c.  7;  Mabmon,  A.  SS.  V,  89  v.  860. 

*)  Vita  Hngonis  c.  7. 

^)  MabUlon,  Ann.  Benod.  III,  90  y.  J.  862. 

")  Hist.  Vezeliac.  b.  D^Acheiy,  SpicUegiam  II,  498;  Chron.  Vezeliac. 
a.  838  b.  Labbe,  Nova  bibl.  man.  I,  394. 

»)  Vita  S.  Geraldi  II,  c.  4. 

^  Mabiilon,  Ann.  Bened.  III,  294  s.  J.  902:  Primoribus  itaque  in 
coetum  vocatis  ait  gravate  se  ferre,  qiwd  cum  iMque  monasteria  passim 
construerentuTj  ad  cidtwn  Dei  celebrandvm  monasticus  ordo  penitv»  Bur- 
digala  exsularet. 


35 

inttter  die  Kreise,  ans  deren  Mitte  das  Unbeil  über  die  Welt 
aasgebreitet  oder  genährt  ward,  oder  von  Rene  nnd  Mit- 
geftbl  mit  der  gelichteten  und  hungernden  Bevölkerung  erfasst, 
stellen  sie  wenigstens  ihre  Mittel  der  Kirche  zur  Verfügung, 
der  einzigen  lebendigen  Institution,  welche  im  Stande  war, 
eine  Reform  der  socialen  Verhältnisse  zu  bewirken.  Es  ist  ein 
erfreuliebes  Bild,  Männer  wie  Hugo  von  Autun,  Berno,  Wilhelm 
von  Aquitanien,  Fulco  von  Anjou  und  Odo,  die  sämmtlich  ans  dem 
Kriegsadel  hervorgegangen  waren,  für  die  Wiederbelebung 
mönchisehen  Geistes  wirken  zu  *  sehen.  Sie  alle  standen  an 
der  Wiege  von  Cluni. 


8* 


Erstes  Capitel. 

Berno  und  Odo. 


1.  Baume  und  die  Anfänge  von  Cluni. 

I. 

la  St  Savin  bei  Poitiers,  das  einst  von  Mönchen  aus  der 
Schule  Benedicts  von  Aniane  besiedelt  worden  war*),  erhielt 
sich  nach  späterer  Tradition  klösterliche  Zucht  auch  zu  einer 
Zeit,  als  dieselbe  in  den  meisten  andern  Klöstern  zu  Grunde 
ging.  Neu  belebt  wurde  sie  aber  namentlich  durch  die  flüchtigen 
Brüder  des  hl.  Maurus  von  Glanfeuil,  die  vor  den  Normannen 
ans  ihrem  Heim  hatten  weichen  müssen.^)  Als  dann  unter 
Karl  dem  Kahlen  Graf  Badilo  die  Wiederherstellung  der  von 
der  Königin  Brunhilde  gegründeten  und  reich  ausgestatteten 
Abtei  des  hl  Martin  von  Antun  unternahm,  wandte  er  sich, 
wie  es  heisst,  nach  St  Savin  •'^),  von  wo  achtzehn  Jünglinge 
—  unter  ihnen  Johannes,  Odo  und  Hugo  —  nach  Autun  über- 
siedelten. Hier  begannen  sie  nach  unserer  Quelle  mit  Hülfe 
Gottes  hundertfältige  Frucht  hervorzubringen,  die  Klostergebäude 
auszustatten,  in  der  Schweigsamkeit  und  in  den  Fasten  Strenge 
zu  üben,  Almosen  reichlich  zu  spenden,  Pilgern  und  Gästen 
freundliche  Aufnahme  zu  gewähren.^)  Hugo  von  Poitiers,  dessen 
Vater  ein  am  westfränkischen  Hofe  angesehener  Kriegsmann 
war,  ging  dem  Abt  Arnulf  zur  Seite;  wie  viele  andere  hatte 
auch  er  einst  weltlichem  Prunk  den  Rücken  gekehrt 


*)  Vita  S.  Benedict!  Anian.  c.  33. 

*)  Rodulfus  GUber  III,  c.  5,  §  1 7  ed.  Prou  p.  68 :  Erat  enim  veridica 
relatio  etc.;  V.  Hugonis  Aeduensis  c.  4  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  p.  93. 
»)  V.  Hugonis  c.  7;  vgl.  Rod.  Glaber  a.  a.  0. 
*)  V.  Hiig.  c.  8. 


37 

Durchaus  zweifelhaft  ist  nun  das  Verhältuis  des  Autuner 
Klosters  zu  dem  Mntterstift  Clanis,  der  Abtei  Baume  in  der 
Diöcese  Besannen.  Dass  Beziehungen  zwischen  Baume  und 
Si  Martin  bestanden  haben,  wird  nicht  nur  von  verschiedenen 
Seiten  überliefert '),  es  ist  auch  durchaus  wahrscheinlich  an- 
gesichts der  Thats^che,  dass  die  in  Baume  befolgten  Vorschriften 
die  des  hl.  Benedict  von  Aniane  waren,  wie  wir  noch  sehen 
werden.  Während  aber  nach  einer  unserer  Quellen  Baume  von 
Autuner  Mönchen  reformirt  wurde,  die  einen  von  ihnen,  Berno, 
zum  Abt  wählten  <),  erfahren  wir  von  anderer  Seite,  dass  Berno, 
ein  reicher  und  vornehmer  Burgunder^)  noch  Laie  war,  als  er 
mit  seinem  Vetter  Laifinus  auf  eigenem  Gri^nd  und  Boden  die 
Abtei  Gigny  im  Sprengel  Macon  gründete  *)  und  reichlich  aus- 
stattete. Erst  nachher  sei  er  in  Gigny  Mönch  und  Abt  ge- 
worden und  schliesslich  auch  in  den  Besitz  von  Baume  ge- 
kommen.^) Dass  Baume  später  von  Gigny  abhängig  war, 
bestätigen  auch  die  Urkunden,  aber  wenigstens  eine  von  ihnen 
begünstigt  die  Auffassung,  dass  die  Wiederherstellung  von 
Baume  vor  die  von  Gigny  fällt  und  dass  Berno,  der  bereits 
während  des  Aufbaues  dieser  Abtei  den  Abttitel  führt, 
vorher  anderwärts  das  Mönchskleid  genommen  hatte.^')    Danach 

0  Vita  Hog.  c.  12;  Rod.  61.  a.  a.  0. 

*)  V.  Hngonis  c.  12. 

^  Anonymi  Vita  Odonis  (saeo.  XI),  Neues  Archiv  XV,  114:  Fuit 
ex  Burgundia  oriundus  genere  adnwdum  clat-tssimiis ,  praediormn  etiani 
possessione  perquam  locupletissimtis;  Sigebert  Chron.  SS.  VI,  344  zu  S95  nennt 
ihn  gar:  ex  comite  abbas;  ebenso  der  späte  Franciscus  de  Rivo  im  Chron. 
CInntac.  ed.  Marrier  et  Quercetanus  col.  1630:  ex  comitibtis  Burgundiae; 
Habillon,  A.  SS.  V,  67:  ex  primoribtis  Burgundionum  Sequanorum. 

*)  Urk.  des  Papstes  Formosus  v.  Nov.  894,  Mabillon,  Acta  SS.  V,  72; 
Seheidias,  Origines  Guelficae  II,  108;  Jaff6-L.  2689. 

*)  Anon.  y.  Odonis  a.  a.  0. 

*)  Urk.  König  Rudolfs  v.  Bargund  (vgl  unten  p.  38)  bei  Baluze,  MisccUanea 
(1.  ed.)  II,  161.  162;  Mabillon,  a.  a.  0.  V,  69;  Orig.  Guelf.  II,  107  (Böhmer 
Nr.  I4S7):  Abt  Berno  bittet  den  König:  ut  quenidam  locum  Gigniaciim, 
quem  ipse  abbas  et  m  confratres  tenent  vel  C07i8truunt  regulariter  rebus 
proprictatia  nostrae  ditaremiis  u.  s.  w.  Er  giebt  daher  quanidam  ceüam, 
nomine  Baktumi^  vbi  fluvius  Salliae  mrgit,  quam  ipsi  nioriachi  prelibati 
ad  fundamentum  reaedificaverunt.  Mabillon  p.  70  bemerkt,  daraus  er- 
gebe sich,  dass  Berno  nicht,  wie  die  Vita  Hugonis  Aed.  berichte,  direct 
von  St  Martin  nach  Baume  gesandt,  sondern  erst  nach  Gigny  gekommen 
sei  —  eine  AnflGassung,  die  ich  nicht  teilen  kann. 


38 

dürfte  der  Sachverhalt  der  gewesen  sein,  dass  Beroo  allerdings 
als  Laie  noeh  den  Plan  der  Klostergrttndnng  fasste,  nm  dieselbe 
Zeit  aber,  sei  es  erst  zu  Autan  oder  bald  in  Baume,  die  Mönehs- 
gelttbde  ablegte,  wo  er  auch  Abt  wurde.  Erst  nachher  hätte 
er  dann  die  Leitung,  beziehungsweise  die  Besiedelung  von  Gigny 
übernommen. 

Die  neue  Abtei  St.  Feter  zu  Gigny  wurde  dem  Schutze  der 
römischen  Kirche  übergeben,  und  Berno  eilte  selbst  gegen 
Ende  des  Jahres  894  mit  der  Stiftungsurkunde  nach  Rom  und 
veranlasste  Papst  Formosus  in  einem  Privileg  die  Gründung 
und  die  rechtliche  Stellung  des  Klosters  anzuerkennen.  FormosuB 
verbriefte  die  freie  Abtwahl  und  sprach  das  Stift  von  den 
Zehntzahlungen  frei,  über  die  Berno  sich  beschwert  hatte. 
Endlich  bestätigte  der  Papst  bereits  in  derselben  Urkunde  den 
Besitz  der  kleinen  Celle  Baume  Oi  die  vermutlich  schon  vorher 
König  Rudolf  von  Burgund  auf  Bitten  Bernos  nebst  der  Celle 
des  hl.  Lautenus  dem  Abt  von  Gigny  geschenkt  hatte.^)  Der 
Besitz  von  Baume  wurde  später  noeh  einmal  von  einem  Lehns- 
mann der  Königin  Ermengard  von  Niederburgund,  die  für  ihren 
Sohn  Ludwig  die  Regentschaft  führte,  auf  Grund  einer  angeb- 
lichen Schenkung  desselben  angefochten;  im  Jahre  898  oder 
905  erfolgte  jedoch  die  Entscheidung  der  Königin  zu  Gunsten 
des  Abtes  von  Gigny.^) 


*)  Urk.  des  Formosus  a.  a.  0. 

>)  Die  Urk.  Rudolfs  ist  datiert  IV,  Idm  Decembris  a.  ab  hic.  D.  n. 
Jesu-Christi  904^  vidict  VI,  regnänte  D.  Rod.  reg,  a.  XVI.  Die  Daten 
sind  entweder  falsch,  oder  es  handelt  sich  nur  um  eine  Neuausfertigung 
der  Urkunde;  denn  einmal  ergiebt  sich  aus  der  oben  angeführten  Stelle, 
dass  Berno  noch  mit  dem  Bau  von  G.  beschäftigt  war,  als  Baume  bereits 
in  seinen  Besitz  kam,  zweitens  bestätigt  der  Papst  im  Jahre  894  bereits 
die  Celle  und  drittens  heisst  es  in  einem  Placitum  der  Königin  Ermen- 
garde  v.  898  od.  905 :  Balmam  cellam^  quam  olim  a  Rodulfo  rege2)er  praeceptum 
adquisierant  Scheidius,  Orig.  Guelf.  II,  p.  38  N.  aa  wollte  deshalb  das 
Datum  in  DCCCXCIVj  regnänte  etc.  a.  VI.  ändern.  Mabillon,  Ann.  Bened. 
III,  298  hält  die  Urk.  nur  für  eine  Bestätigung. 

')  Diese  Urkunde  ist  von  zwei  verschiedenen  Seiten  Überliefert,  bei 
Guichenon,  Bibl.  Sebusiana,  Lyon  1660  und  Mabillon  a.  a.  0.  p.  71,  beidemal 
mit  dem  Datum  DCCCLXXXXVIII  indict  VIII,  bei  Guichenon:  Ex 
gazophilacio  camerae  computorum  Farisietisi,  bei  Mabillon:  ex  ms.  €odice 
Petaviano.  Guichenon  setzte  889  an  den  Rand  und  Delalande,  Concil.  suppl. 
p.  308,  der  sie  ihm  nachdruckt,  nahm  bereits  DCCCLXXXIXm  den  Text  auf. 


39 

In  der  Folgezeit  sebeint  Berno  vorzugsweise  in  Bannie 
residiert  zu  haben.  Dass  das  klösterliebe  Leben  bier  blttbte 
und  dass  der  Raf  von  dem  gottgefälligen  Wandel  der  Brüder 
in  weite  Kreise  drang,  wird  uns  beriebtet,  indes  finden  wir 
doch  noch  weit  später  den  Abt  mit  einem  Theile  seiner  Mönebe 
im  Kampfe  nm  die  DnrcbfÜbrung  der  strengen  Vorscbriften, 
als  dass  wir  den  Yersicbernngen  unserer  späten  Quelle  so  ohne 
weiteres  Glauben  scbenken  könnten.  Üerno  selbst  war  freilieb 
aufs  eifrigste  bemttbt,  der  Regel  unbedingte  Anerkennung  zu 
Tersebaffen;  auf  jeden  Fall  bildeten  seine  Bestrebungen  in  jener 
Zeit  eine  rübmlicbe  Ausnahme.  Wie  uns  erzählt  wird  i),  besuehten 
Dienstmannen  des  Herzogs  Wilhelm  >on  Aquitanien  öfter  den 
Ort  und  da  sie  stets  freundliche  Aufnahme  bei  den  Mönchen 
fanden,  berichteten  sie  gern  ihrem  Herrn  von  dem  löblichen 
Sehaffen  und  Treiben  derselben. 

Herzog  Wilhelm  der  Fi'omme  war  der  Sohn  des  Grafen 
ßemard  II.  von  Auvergne,  dessen  Erbschaft  er  in  der  Auvergne, 
Yelai  und  Gothien  885  oder  886  antrat  Als  Herzog  Ramnulf 
von  Aquitanien  890  angeblich  in  Folge  des  ihm  von  König  Odo 
gereichten  Giftes  starb,  wurde  Wilhelm  dessen  Nachfolger  eben- 
fall&  In  der  nächsten  Zeit  verhielt  er  sich  mit  dem  Usurpator  '^), 
am  nach  dem  Tode  desselben  sich  wieder  Karl  dem  Einfältigen 
zu  nähern.  Schon  seit  dem  Frühjahr  894  finden  wir  den  Herzog 
in  der  Abtwttrde  des  weltlichen  Chorherrenstifts  St.  Julien  de 
Brionde^)  und  898  bemerkt  er  ausdrücklich,  dass  er  das  Amt 
als  ein  königliches  Geschenk  verwalte.-*)  Er  hatte  eine  Schwester 

Entscheidend  ist  fUr  ihn,  dass  Ludwig  in  der  Urk.  nicht  König  genannt  werde, 
was  er  890  wurde.  Die  Unterschrift  des  Bischofs  Isaac  von  Grenoble 
gestattet  jedoch  kaum  die  Urk.  vor  892  zu  setzen.  Incamationsjahr  und 
Indiction  stimmen  jedenfalls  nicht  zu  einander;  folgt  man  der  letzteren, 
so  kime  innerhalb  des  durch  die  Zeugenuntorschriften  begrünzten  Zeit- 
raumes V.  892—913  nur  das  Jahr  905  in  Betracht  Für  letzteres  Jahr 
würde  sprechen,  dass  nach  der  Urkunde  damals  die  Schenkung  von  Baume 
oltm  erfolgt  war.    So  datiert  auch  Mabillon,  Ann.  Bened.  III,  253. 

>)  V.  Hug.  Aed.  c.  13. 

<)  Hist.  de  Langued'oc  (nonv.  6d.)  III,  80. 

>)  Im  Cart  de  Brioude  Nr.  182  ed.  Doniol  finde  ich  ihn  zuerst  im  « 
U3n  S94  als  Abt  v.  Brioude;  vgl.  v.  Kalkstein,  Gesch.  des  franz.  König- 
tums unter  den  ersten  Capetingem  I,  p.  85. 

*)  Urk.  ▼.  898  bei  Baluze,  Hist.  de  la  maison  d'Auvergno  II,  pr.  10: 
M  ego  dono  regio  abbatiali  videor  fungere  officium. 


40 

Ludwigs  des  Blinden,  Ingelberga,  zur  GemahliD,  der  er  ver- 
mutlich die  Grafschaft  Macon  verdankte.  Mit  ihr  machte  er 
gemeinschaftlich  Schenkungen  an  St  Julien.  Hochangesehen 
war  seine  Stellung;  er  selbst  ftlhrt  unterschiedslos  den  Titel 
Graf,  Markgraf,  Herzog,  Fürst,  gewöhnlich  mehrere  dieser  Titel 
zugleich.  „Unsern  grossen  Markgrafen''  nennt  ihn  einmal 
König  Karl  ^);  er  rechnet  ihn  zu  den  ergebensten  Getreuen. 

Als  Wilhelm  die  Erzählung  seiner  Kriegsleute  hörte,  soll 
ihn  die  Lust  angewandelt  haben,  selbst  ein  Kloster  mit  Hülfe 
des  Abtes  Bemo  zu  gründen.  Sehr  legendarisch  klingt  die 
Geschichte  von  der  Begegnung  Bernos  und  des  Herzogs  in 
Cluni  im  Gau  von  Macon,  wo  derselbe  ausgedehnte  Jagdgründe ^) 
besass.  Wilhelm  wollte  sich,  wie  es  heisst,  nur  schwer  von 
diesem  Besitze  trennen,  den  Berno  für  überaus  geeignet  hielt 
für  eine  Klosteranlage;  er  habe  auf  die  Unruhe  des  Jagd- 
getümmels und  der  Hunde  hingewiesen  und  erst  dann  nach- 
gegeben, als  ihm  Berno  zurief:  ,|Dann  entferne  die  Hunde  von 
hier  und  setze  Mönche  an  ihre  Stelle  l'^  3) 

\  Schon  am  Anfang  des  9.  Jahrhunderts  stand  in  Cluni  eine 
Capelle,  mit  welcher  das  Dorf  im  Jahre  825  ans  dem  Besitze 
der  Kirche  Macon  gelegentlich  eines  Tausches  an  den  Grafen 
Warinus  von  Macon  und  seine  Gemahlin  Ava  gelangte.*)  Ver- 
mutlich durch  Erbschaft  kam  der  Ort  dann  in  die  Hände  der 
Schwester  Wilhelms,  die  ebenfalls  den  Namen  Ava  führte  und 
im  Jahre  893  am  9.  Nov;  in  einer  Schenkung  auf  Todfall  Cluni 
ihrem  Bruder  zuwies.*^)  Im  Jahre  910  finden  wir  diesen  im 
thatsächlichen  Besitz;  denn  am  11.  Sept.  dieses  Jahres  wurde 
die  Gründung  des  Klosters  im  Beisein  der  ganzen  Familie, 


0  Urk.  Karls  des  Einfältigen  c.  914,  Juli  7,  Hist.  de  Lang.  V,  col.  134 
nr.  4 1 :  7io8tri  magni  marchionis,  rwbis  per  omnia  devotissimoa  pUles  . . 

^)  Eine  Bestätigung  gewährt  Joh.  V.  Od.  II,  c.  3,  wonach  ein  Eber 
aus  dem  Walde  nach  dem  Kloster  läuft  und  dort  gefangen  wird. 

8)  V.  Hug.  c.  13. 

*)  Ragut,  Cartul.  de  St. -Vincent  de  Macon,  nr.  52.  55;  Bibl.  Clun. 
col.  13;  CHOL  I,  nr.  1.  4—6;   Mabillon,  Acta  SS.  V,  75. 

^)  Mabillon  a.  a.  0.  p.  76  mit  der  Datierung:  mense  Novendyii  sttb  die 
V.  Idu8  NovembriSf  amio  primo  certantibiM  duobus  regUms  de  rcgno,  Odone 
tndelicet  et  Karolo,  Auch  in  der  Stiftungsurk.  von  Cluni  heisst  es:  pro 
Av(uiae  nihilominn8j  quae  mihi  easdem  res  testamentariQ  iure  concessit 


41 

mehrerer    Bischöfe    nnd    zahlreicher   Laien    urkundlich    voll- 
zogen. 0 

Wie  unzählige  Male  frtther  oder  später  war  es  der  Gedanke, 
dass  die  VeiünsserQng  von  Gütern  zu  Gupsten  der  Kirche  nnd 
der  Armen  dem  Seelenheil  diene,  dass  die  Reichtümer  eines 
Mannes  die  Erlösung  seiner  Seele  seien,  der  den  Herzog  ver- 
anlasste, den  Apostßhi  Peter  und  Paul  die  Villa  Cluni  mit  Hof 
nnd  abhängigen  Hufen,  einer  Capelle  der  hl.  Jungfrau  und 
des  hL  Petrus  mit  allem  Zubehör  an  Villen,  Gapellen,  Wein- 
ländereien,  Feldern,  Wiesen,  Wäldern,  Wasserläufen,  Mühlen, 
Benten  nnd  Hörigen,  allen  Besitz,  den' er  von  seiner  Schwester 
erhalten  hatte,  abzutreten.  Dorthin  sollten  Mönche  unter  Bemos  * 
Herrschaft  gelegt  werden  mit  der  Verpflichtung  fttr  ihn,  seine 
Frau,  seine  Schwester  und  König  Odo,  seinen  einstigen  Lehns- 
herrn zu  beten,  und  sich  aufs  eifrigste  der  Armen  und  Bedürf-\ 
tigen,  Fremden  und  Pilger  anzunehmen.  Die  Apostel  Peter 
and  Paul,  sowie  der  Papst  werden  zum  Schutze  der  neuen 
Stiftung  angerufen  und  die  Frevler  mit  furchtbarem  Fluche 
bedroht  Das  wichtigste  aber  war,  dass  Wilhelm  der  Fromme 
die  Abtei  jeder  weltlichen  und  bischöflichen  Oberhoheit,  ja  selbst 
der  des  Papstes  entzog.  Keine  Macht  der  Welt  soll  irgendwie 
aber  den  Besitz  der  Abtei  verfügen,  und  dem  Kloster  einen 
Abt  aufdrängen  dürfen.  Nur  dem  Schutze,  nicht  der  Herrschaft^) 
des  römischen  Stuhls  übergiebt  Wilhelm  das  Stift,  indem  er 
demselben  einen  Recognitionszins  ^)  von  zehn  Solidi  auferlegte, 
der  alle  ftlnf  Jahre  in  Rom  entrichtet  und  dort  fttr  Beleuchtungs- 
zwecke verwendet  werden  sollte.*) 


«)  CHOL  I,  nr.  112. 

')  Diese  Anfüsssung  bestätigt  klar  die  Urk.  Rudolfs  vom  Sept.  027 
(CHOL  1, 288):  apostolicae  aedi  ad  tuendwnh,  non  ad  domvtiandMm  »ubbigavit. 
Die  Ansicht  Blumenstocks,  Der  päpstl.  Schatz,  Innsbruck  1890,  p.  78 ff., 
dass  der  Papst  die  in  seinen  Schutz  gegebenen  Klüster  zu  Eigentum  erhielte, 
kann  ich  demnach  und  aus  andern  Gr linden  nicht  ohne  Weiteres  billigen.  Es 
handelt  sich  nur  um  ein  mundschaftliches  Verhältnis  nach  deutschrechtiicher 
Attf&mnng.  Daher  auch  der  Zins,  mit  dem  Blumenstock  nichts  anzu&ngun 
weiss.    (Vgl.  Lamprecht,  Deutsche  Gesch.  I,  126.) 

*)  Ueber  den  Zins  vgl.  Waitz,  D.  VerflBussungsgesch.  VIT,  210 ;  Blumen- 
stock, Der  päpstliche  Schutz,  p.  89  ff. 

*)  Nach  der  Cfafonologia  Cluniac.  (Bibl.  Clun.  col.  1619),  einer  Quelle  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  1 1 .  Jahrhunderts,  wurde  Berao  durch  den  Erzbischof 


42 

Die  MaBsregel  entspricht  yollkommen  der  allgemeinen  Zeit- 
richtnng.  Schon  frtth  unter  Ludwig  dem  Fromn^en  und  nament- 
lich während  des  Zwistes  seiner  Söhne  hatte  der  Ueichscleras 
in  der  Einheit  und  Centralisierung  der  Kirche  das  beste  Mittel 
gefunden,  um  gegenüber  den  centrifngalen  Kräften,  gegenüber 
dem  thatsäehlichen  Zerfall  des  Reiches  Karls  des  Grossen,  den 
Gedanken  der  Reichseinbeit  aufrecht  zu  erhalten  und  namentlich 
den  einzelnen  kirchlichen  Gewalten  eine  feste  Stütze  und 
sicheren  Mittelpunkt  im  Kampfe  gegen  die  weltlichen  Local- 
gewalten  zu  gewähren.  Dar  traditionelle  Mittelpunkt  der  kirch- 
lichen Hierarchie  war  aber  Rom.  Jemehr  die  einzelnen  Kirchen 
in  dem  Ringen  mit  den  Mächten  des  Umsturzes  sich  selbt  über- 
lassen blieben,  je  weniger  der  König  im  Stande  war,  sicheren 
Schutz  zu  gewähren  ^),  desto  häufiger,  desto  dringender  mussten 
sie  ihre  Hoffnungen  auf  Rom  richten.  Indem  in  den  pseudoi- 
sidorischen  Decretalen  den  universellen  Ansprüchen  der  rö- 
mischen Kirche  die  weiteste  Geltung  und  grösste  Ausdehnung 
zugesprochen  wurde,  ward  einer  in  kirchlichen  Kreisen  vor- 
handenen lebhaften  Tendenz  nur  durch  ein  künstliches  Mittel 
Vorschub  geleistet  Für  die  Klöster  gewann  diese  Tendenz 
um  so  grössere  Bedeutung,  als  sie  am  meisten  der  Unabhängig- 
keit der  Existenz  bedurften  und  doch  am  wenigsten  vermocht 
hatten,  sich  diese  zu  sichern,  und  auch  insofern,  als  sie  in 
zahllosen  Fällen  gerade  unter  der  Willkür  und  dem  Druck  der 
Bischöfe  zu  leiden  hatten.  Als  Graf  Gerard  im  Jahre  863  die 
Klöster  Pouti^res  und  Yezelay  dem  Schutze  des  Papstes  über- 
trug, begründete  er  den  Act  mit  der  überhandnehmenden  Un- 
gerechtigkeit und  Habsucht,  welche  befürchten  lasse,  dass  irgend 
eine  Person  oder  auch  der  Bischof  der  Diöcese  störend  in  das 
Wahlrecht  der  Congregation  eingreife.'^)  Gegen  die  Bischöfe 
richteten  sich  vornehmlich  die  Exemtionen  und  Schutzprivilegien 
der  Päpste,  die  seit  der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  in  steigender 
Zahl  sich  nachweisen  lassen.^)    Für  die  Reformbewegung  ist 


Gedeon  v.  Besangon  zum  Abt  von  Cluni  ordiniert;  indes  bestritt  dios 
bereits  MabiUon,  da  Gedeon  Ende  des  8.  Jahrhunderts  Erzbischof  y.  B.  war. 

^)  Vgl.  die  AusfUhrangen  von  A.  Blumenstock,  Der  päpstliche  Schutz 
im  MitteUlter,  Innsbruck  1890,  S.  33  f. 

>)  Hist.  Vezellac.  bei  D'  Achery ,  Spicflegium  II,  498. 

')  Vergl.  Blumenstock  a.  a.  0.     Ganz  verkehrt  ist  natürlich  die 


43 

die  Anrnfang  des  päpstlichen  Schatzes  in  hohem  Grade  be- 
zeiebnend.  Man  wollte,  wie  bereits  die  Beispiele  Gignys  nnd 
Clanis  zeigen,  die  neaerstandenen  Stifter  von  vornherein  durch 
mögb'ehst  starke  Privilegien  sehtttzen.  Indem  die  reformierten  Ab- 
teien so  VOR  Anfang  an  ihre  Interessen  mit  denen  des  römischen 
Stahles  verknüpften,  wnrde  der  Grand  zu  einem  engeren  Ver- 
luUtnis  gelegt,  indem  jede  der  beiden  Parteien  die  Machtentwick- 
long  der  andern  mit  der  grössten  Befriedigung  verfolgen  mnsste. 

Es  war  ein  oder  zwei  Jahre  vor  der  Gründung  der  Abtei, 
908  oder  909,  als  Odo,  ein  früherer  Knappe  Wilhelms  von 
Aqoitanien  in  Gemeinschaft  mit  einem  Gefolgsmann  Fulcos  von 
Tours,  Adhegrin,  an  die  Pforten  der  Abtei  Baume  klopfte.  <) 
Sehon  früher  hatte  Adhegrin  einige  Zeit  die  Sitten  und  Ge- 
bräuche der  Mönche  beobachtet,  als  er  auf  einer  Pilgerreise 
nach  Rom  hier  Gastfreundschaft  genossen.  Er  war  umsomehr 
erfreut,  in  Baume  auf  treifliche  Einrichtungen  und  ernste  Be- 
folgung der  Regel  zu  stossen,  als  er  mit  Odo  bereits  vergeblich 
in  Franeien  nach  einem  regulären  Kloster  gesucht  hatte.^)  Er 
hatte  Odo  dann  von  seiner  Entdeckung  Mitteilung  gemacht;  mit 
ihm,  der   damals  schon  eine  Bibliothek  von  hundert  Bänden 


Äeosserung  Gfrürers,  Kirchengeschichte  III,  1335,  wir  hätten  es  in  Cluni 
mit  dem  ersten  Beispiel  einer  gänzlichen  Befreiung  aus  dem  bischöflichen 
Verbände  zu  thun.  Vgl.  dagegen  Epist.  Petri  Venerabiiis  I,  2$  (Bibl.  Ginn, 
col.  677):  Hoc  non  soll  Cluniacenses  obtinentj  sed  et  quampluribus  datum 
cemimw  et  lange  ante  Cluniacum  conditum  muUis  aliia  nwnasteriis  ab 
eadem  apostolica  sede  concessum  videmtis . . .  antiquiores  quoque  Eomanae 
ecckriae  jfrestUes  simili  de  causa  in  multis  a  iugo  episcoporum  libera  esse 
inonasteria  decreverant. 

>)  Johannis  V.  Odonia  I,  c.  22,  Mabillon,  Acta  SS.  V,  158;  Ademari  Bist. 
III,  26  lässt  Odo  mit  Tootolo  nach  Cluni  wandern :  Eo  tempore  adhvc  vi- 
vtnte  Turpione  episcopo  Odo  et  TeotolOy  canonici  sancti  Martini  illustrissimi, 
odimplentes  evangdicuni  praeceptum  derdictis  omnibus  pauperes  pauperum 
Christum  secuii  sunt  et  Cluniaco  sancto  halntu  ac  vita  induti  sunt.  Diese 
Nachrieht  ist  falsch,  abgesehen  davon,  dass  Odo  ja  in  Baume  Münch  wurde. 
Teotolo  ist  als  Decan  in  Tours  noch  910—927  nachzuweisen,  GaUia  Christ. 
XIV,  123;  vgl.  Bibl.  de  Tdcole  des  chartes  ser.  VI,  5,  p.  449.  455.  458. 
460,  Bd.  XLYI  (1885),  p.  379.  Das  richtige  hat  wohl  das  Chron.  Turon. 
Vagnum  bei  Salmon,  Recueil  de  chroniques  de  Touraine,  Tours  1859,  p. 
109:  Nee  fnora  Thetolo,  decanus  ecclesiae  beati  Martini  Turotiensis  sub 
Odane  abbate  Cluniacum  intrat  coenobium  ea  quae  mundi  9wnt  rdinquens, 

')  Job.  Vita  Odonis  a.  a.  0. 


44 

besass,  kam  er  nan  nach  dem  bargnndischen  Kloster,  am  hier 
Aufnahme  zu  finden.  Während  Adhegrin  jedoch  mit  Erlaubnis 
des  Abtes  sich  drei  Jahre  in  eine  Celle  einschloss,  die  er  dann  . 
mit  der  Einsiedelei  vertauschte,  blieb  Odo  unter  den  Mönchen,  i) 
Er  war  damals  dreissig  Jahre  alt  Es  ist  nicht  sicher 
ttberliefert,  wo  er  im  Jahre  878  oder  879«)  das  Licht  der  Welt 
erblickte.  Wahrscheinlich  stammte  er  jedoch  ans  dem  Gebiete 
von  Le  Mans.^)  Seine  Familie  war  fiilnkischen  Ursprungs,  sein 
Vater  Abbo,  ein  anssergewOhnlicher  Mann,  dem  die  antike 
Litteratar  und  die  Novellen  Justinians  nicht  fremd  waren, 
zeichnete  sich  durch  kirchliche  Gesinnung  vor  seinen  Zeit- 
genossen aus.  Seiner  Rechtskenntnis  wegen  wurde  er  bei 
Streitigkeiten  von  den  Parteien  häufig  um  seine  Entscheidung 
angegangen;  selbst  aus  der  Feme  kamen  die  Leute  zu  ihm.<) 
Von  Odos  sonstigen  Verwandten  ist  nur  ein  Bruder,  Namens 
Bemard,  nachzuweisen,  der  später  dem  Kloster  Cluni  eine  Kirche 
des  hl.  Petrus  im  Gau  von  Lyon  schenkte.^)  In  seiner  Kindheit 
ward  er  knapp  gehalten ;  ein  halbes  Pfund  Brot,  eine  handvoU 
Bohnen  und  ein  sehr  bescheidener  Trunk  bildeten  seine  täg- 
liche Nahrung.<^)    Nachdem  ein  Priester  den  ersten  Jugend- 

»)  Job.  VitÄ  Odonis  I,  c.  28. 

')  Da  Johannes  bemerkt,  dass  Odo  bei  seiner  Komreise  von  938 
sechzig  Jabr  alt  war,  ist  das  Geburt«jabr  leicht  zu  berecbnen.  Wenn 
Schnitze,  Forschungen  zur  Gescb.  der  Klosterreform,  Halle,  18S3,  p.  14 
das  Jahr  873  angiebt,  so  ist  das  wohl  nur  ein  Dnickfebler;  vgl.  Excurs  I. 

")  ^ Cyywmannica  regiofie  exortvs*  wbrd  er  in  der  Praef.  des  Cartul.  A 
von  Cluni  (Bibl.  nat  nouv.  acquis.  1 497  f.  37;  Beilage  I.)  genannt ;  Vita  Odonis  III, 
c.  8  beisst  er  Aquitanus;  bei  Bemard  v.  Cl.  (Hergott  a.a..  0.  p.  355):  Turotiia 
oriundus.  Ich  gebe  der  Nacbricht  des  Gart.  A  den  Vorzug  vor  der  Anon. 
Vita  Odonis  (Vgl.  N.  Archiv  XV,  114  n.  3),  nach  der  er  aus  Semur  stammen 
müsste,  der  Beziehungen  wegen,  die  Odo  zu  Fulco  von  Anjou  und  Tours 
hat  Dazu  passt  auch  besser  die  Bemerkung  des  Petrus  Venerabilis  (Mabillon, 
Acta  SS.  V,  68) :  qui  ab  tUtimis  paene  occidentis  finibus  .  .  .  egreasus.  Ich 
vermute,  dass  der  anonyme  Biograph  Saumur  an  d.  Loire  zwischen  Tours 
u.  Angers  mit  Semur,  dem  Geburtsort  des  Abtes  Hugo,  verwechselte. 

*)  Job.  Vita  Od.  I,  c.  3  u.  5.  Er  ist  wahrscheinlich  der  Abbo  kgislatoTj 
dessen  Signum  in  einer  Turoner  Urk.  v.  29.  Sept.  898  sich  findet,  Chron. 
des  comtes  d' Anjou,  Introd.  par  Mabille  p.  XCIII. 

»)  CHOL  I,  nr.  584. 

<*)  V.  Od.  I,  c.  16:  Su8te7itahatur  per  ideni  infantiae  suae  temptis 
media  panis  libra  et  fabe  puffiüo  atque  —  quod  est  contra  naturam  Fran- 
corum  —  perparvo  potu. 


45^ 

QDterricht  Odos  geleitet,  gab  ihn  der  Vater  an  den  Hof  Wilhelms 
von  Aqmtanien,  bei  dem  Abbo  Bdhon  lange  in  Folge  seiner 
riehterliehen  Thätigkdt  in  Gunst  stand,  nm  dem  Herzoge  zu 
dienen.  Jagd  und  KriegsUbnngen  traten  an  die  Stelle  der 
wiasenschaftlichen  Besehäftignng ,  bis  den  sechzehnjährigen 
Knaben  plötzlich  Bedenken  über  den  Stand  befielen,  den  er 
gewählt  hatte.  Drei  Jahre  qnälte  ihn  ein  heftiges  Kopfleiden, 
Ton  dem  er  erst  befreit  wurde,  als  er  zu  St  Martin  in  Tours 
sieb  seheeren  lies&O 

Es  kam  die  Zeit,  die  ihm  seine  spezifische  Richtung 
gab.  Tours  selbst  war  wegen  seiner  Lage  an  der  Loire  und 
der  Verehmng  des  weltberühmten  Heiligen  eine  der  besuchtesten 
nnd  ansehnlichsten  Städte  des  damaligen .  Frankreichs.  Ein 
starker  Zufluss  hoher  weltlicher  Würdenträger  fand  hier  statt; 
Könige  und  Fürsten  kamen  und  gingen,  standen  auch  wohl,  wie 
Alfons  IIL  Yon  Asturien,  mit  den  Chorherren  in  engem  Verkehr.^) 
Hit  diesen  selbst  war  freilieh  kein  Staat  zu  machen,  wie  wir 
bereits  sahen.  In  St  Martin  lag  damals  die  alte  Kaiserkrone  von 
Gold  und  Edelstein ;  dieselbe  erschieq  jetzt  als  ein  so  überflüssiger 
Sehatz,  dass  die  Chorherren  sie  nach  Spanien  verkauften,  als  sie, 
von  den  Normannen  gebrandschatzt,  Geld  brauchten.  Wie  wenig 
theologische  Bildung  bei  ihnen  zu  Hause  war,  erhellt  daraus, 
dass  sie  Ödo,  der  sich  mit  den  Auslegungen  der  Evangelien  und 
Propheten  beschäftigte,  von  der  Lectttre  dieser  dunklen  und 
verschlungenen  Schriften  abmahnten  3)  und  an  den  Psalter 
wiesen,  mit  dem  in  jener  Zeit  die  Laienknaben  sieh  beim  Unter- 
riebt begnügten.  *)  Odo  selbst  fand  einen  Gönner  in  dem  Vice- 
grafen  Fulco  von  Tours  und  Anjon>  der  ihm  neben  der  Kirche  des 
bL  Martin  eine  Celle  nebst  dem  täglichen  Unterhalt  zuwies  ^)  nnd 
ihn  auch  mit  Geld  unterstützte.^)  Zu  Fulco  hatte  Odo  schon 
früher  in  Beziehungen  gestanden ;  der  Vicegraf  soll  ihn  aufge- 
zogen haben.  ^)   Es  ist  jedoch  fraglich,  ob  das  auf  Ödos  früheste 


')  y.  Od.  I,  c.  It;  Chron.  Tnron.  magnnm  bei  Salmon  a.  a.  0.  p.  108. 

*)  Vgl.  den  Brief  des  Königs  y.  906  bei  Mabillon,  Ann.  Bened.  III,  302. 

*)  Joh.  V.  Odonis  I,c.n.  12. 

*)  Odonis  Y.  S.  Geraldi  I,  Bibl.  Clun.  col.  69. 

«)  Joh.  ViU  Odonis  I,  c.  11. 

*)  y.  Od.  If  c.  18.    Fulco  wkd  hier  sein  dominus  genannt 

^  yit»Od.  a.a.O.:  gut  ewn  mUrierat;  über  Fulco:  Mabille  a.a.0.p.LXI. 


46 

Jagend  oder  den  Aufenthalt  am  Hofe  von  Aqnitanien  za  be- 
ziehen ist  Naeb  einer  späteren  angioviniseben  Quelle  ist 
er  sogar  dnrch  Fnlcos  Einflnss  Sehnimeister  nnd  Cantor  in 
St.  Martin  geworden,  f)  während  er  yon  andrer  Seite  als  Propst^) 
oder  Aeditnas^)  des  Chorherrenstifts  bezeichnet  wird.  Dass 
Odo  sehon  damals  eine  angesehene  Stellung  in  Tours  einnahm, 
scheint  auch  sein  Biograph  anzudeuten,  wenn  er  berichtet, 
dass  sehr  viele  vornehme  Personen,  wenn  sie  nach  Tours 
kamen,  iUn  aufsuchten,  während  er  dnrch  seinen  Rat  nnd  seine 
Ermahnungen  ttberall  nützte.^) 

Von  Tours  machte  er  einen  Absteeher  nach  Paris,  wo  er 
bei  RemigiuB  jenen  Abriss  der  zehn  Kategorien  des  Aristoteles,  der 
unter  dem  Namen  Angnstins  als  Dialect  an  seinen  Sohn  Adeodat 
ging,  und  den  Marcianus  Capella  eifrig  studierte.^)  Nach 
Tours  zurückgekehrt  schrieb  er  auf  Bitten  der  Brüder  nnd 
ermuntert  dnrch  den  hl.  Gregor  selbst  einen  Auszug  aus  den 
vielgelesenen  Moralia  Gregors  des  Grossen.^)  Er  selbst  sagt, 
er  habe  den  ersten  Teil  des  Werkes  mit  solcher  Begeistemng 
gelesen,  dass  er  am  liebsten  das  ganze  Werk  verschlungen 
hätte.  Aber  sowohl  er,  als  namentlich  die  Chorherren  erlahmten 
doch  bei  der  Unerschöpflichkeit  des  Stoffes  nnd  der  Weit- 
schweifigkeit der  Darstellung.  Gregor  habe  nämlich,  wie  Odo 
in  der  Vorrede  zu  seinem  Werke  bemerkt,  zur  Erläuterung 
zahlreiche  Aussprüche  der  Kirchenväter  beigebracht,  die,  wie 

^)  Chronica  de  gestis  consuL  Andegav.  a.  a.  0.:  qui  vero  postmodum 
magister  scolae  et  precentor  eiuadem  eccUftiae  eodem  consule  adminictUante 
constittUus  est.  Danach  das  Chron.  Turon.  magnum  a.  a.  0.  p.  t08:  et  aicut 
quidam  asserunt  precentor  ecclesiae.  Dass  Odo  Schulmeister  in  Tours  war, 
ist  darum  sehr  wahrscbeinllch,  weil  sich  die  Chorherren  gerade  an  ihn 
wenden  mit  dem  Ersuchen,  einen  Auszug  aus  den  Moralien  des  Gregor 
zu  verfiftssen. 

')  Rod.  Glaber  III,  c.  5 :  qui  fuerat  sancti  Martini  Ttironis  ecclesiae 
prepositus. 

')  In  der  Praefatio  zum  Cart  A.  y.  Clunl  (Bibl.  nat.  n.  acq.  1497 
f  37)  wird  er  almi  Martini  Twronensis  basilice  aedituus  genannt       * 

0  Joh.  V.  Od.  I,  c.  16. 17. 

'^)  Joh.  V,  Od.  I,  c.  19;  August.  Opp.  ed.  Bened.,  Venet.  1729,  I,  821; 
des  Remigins  Interpretationen  des  Tractats  über  die  sieben  freien  Künste 
des  Marcianus  Capella  sind  handschriftlich  erhalten.  Man  sieht  daraus,  dass 
er  sich  stark  an  Johann  Scotus  Erigena  hielt;  ygl.  Hanreau,  Singularit^s 
histor.  et  littßr.  p.  143.  •)  V.  Odonis  I,  c.  20. 


47 

* 

alle  Kenner  der  bL  Schrift  wüssten,  der  fromme  Paterias  aus- 
gezogen and  in  besondere  Bände  gefasst  babe,  so  dass  nnr 
der  reine  Text  ttbrig  geblieben  sei.  Er  selbst  aber  habe  vor 
zwei  Jahren  ans  allen  'in  regnorum  libro^^)  vereinigten  Sen- 
tenzen der  Väter,  namentlieh  denen  Gregors  ein  kleines  Bach 
zasammengestelit  Indes  bewährte  sich  diese  Auslassang  der 
Belegstellen  nicht,  and  als  ihn  die  Chorherren  von  St.  Martin  mit 
der  Erklärang,  dass  sie  dem  massenhaften  Stoff  nicht  gewachsen 
seien,  immer  dringender  anfforderten ,  einen  Auszag  ans  dem 
Gesammtwerk  sn  verfassen,  entschloss  sich  Odo,  wenn  auch 
widerstrebend  and  offenbar  voll  Scheu,  eine  geheiligte  Autorität 
anzatasten,  zur  Erftlllung  des  Wunsches:  mit  Rücksicht  auf 
seine  körperliche  Gebrechlichkeit,  wie  er  sagt,  und  den  Nutzen 
Ar  seinesgleichen,  um  den  Inhalt  ganz  zu  verstehen  und  im 
Gedächtnis  zu  behalten.  Er  habe  sich  jeder  subjectiven  Ansicht 
enthalten,  bemerkt  Odo;  nur  auf  eine  Kürzung  kam  es  an,  bei 
der  der  Wortlaut  des  Originals  nach  Möglichkeit  beibehalten 
wurde.  In  einer  zweiten  Vorrede  vergleicht  er  seine  Thätig- 
keit  mit  der  eines  Blumen  suchenden  Mannes,  der  unfähig 
tömmiliche  mit  Blumen  geschmückten  Felder  ihres  Schmuckes 
zu  berauben,  nur  eine  geringe  Zahl  von  Blüten  pflückt,  so  viel 
seine  kleinen  Behälter  zu  fassen  vermögen.  Er  hatte  sich 
früh  mit  Virgil  beschäftigt,  allerdings,  um  ihn  bald  mit  den 
Auslegern  der  Evangelien  und  Propheten  zu  vertauschen, 
nachdem  ihn  ein  Traum  davon  abgeschreckt.^)  Aber  ganz 
ohne  antike  Bildung  ist  er  doch  nicht.  Er  citiert  einmal  die 
libri  gentilium,^)  ein  andermal  den  Terenz.^)  Er  ist  mit  der 
römischen  Geschichte  vertraut,  denn  er  erzählt  gelegentlich 
die  Geschichte  der  Lucrezia  und  Scipios  Protest  gegen  die 
Zerstörung  Carthagos. 

Das  weltliche  Treiben  der  Cleriker,  das  üppige  Leben, 
das  der  Fremdenzufluss  förderte,   mochten   ihm   dann  jenen 


')  Haureau  p.  151  versteht  darunter  mit  der  Hist.  litt^r.  de  France 
eiiiea  Commentar  zum  Buch  der  Künige,  der  bis  jetzt  unbekannt  ge- 
blieben sei. 

*)  Job.  V.  Odonis^I,  e.  12. 13;  ygl.  Du  M6ril,  Melanges  arcb^olog., 
Puis  1850,  p.  462. 

>)  <k>Uat  11,  col.  204. 

*)  Collat.  II,  col.  191. 


48 

Absehen  eingepflanzt  haben,  den  er  Beitdem  gegen  alles  hegte, 
was  mit  dem  Weltliehen,  dem  Trachten  nach  weltlichen  6e- 
t)  nUssen  zusammenhing.  Freigebig  nnd  voller  Mitleid  fttr  die 
Armnt  verschenkte  er  damals,  wie  später,  stets  unbekümmert 
um  seine  persönlichen  Verhältnisse,  seine  Habe  an  ArmeJ) 
Schon  in  Tours  als  Weltgeistlicher  lebte  er  teilweise  nach  der 
Benedictinerregel  drei  Jahre  lang.  Eine  robuste  Natur,  wie 
er  war  —  mit  sechzig  Jahren  noch  übertraf  er  die  Jugend  an 
rüstiger  Frische^)  —  schlief  er  auf  dem  Fussboden  in  seinen 
Kleidern,  nur  durch  eine  Decke  gegen  die  Kälte  geschtttsst^) 
•Des  Nachts  zog  er  sich  zurück  in  seine  Celle,  er  erhob  sieh 
dann  und  heimlich,  ohne  seine  ThUr  zu  verschliessen,  ging  er 
mit  seiner  Schreibtafel  zum  Grabe  des  hl.  Martin,  das  zwei 
tausend  Schritt  von  seiner  Wohnung  entfernt  war,  um  zu  beten. 
Zusammengekauert,  den  Hals  starr  und  eingezogen,  wehrte  er 
sich  gegen  Dämonen,  die  in  Gestalt  von  Füchsen  von  allen 
Seiten  auf  ihn  einzudringen  schienen.^) 

Diese  übersinnliche,  asketische  Richtung  gewann  endlich 
den  vollständigen  Sieg  über  ihn.  Er  fasste  den  Entschlnss, 
aus  dem  Weltleben  zu  flüchten  und  eine  Lebensweise,  die  er 
schon  als  Cleriker  angenommen,  in  der  Stille  eines  Klosters, 
vom  äusseren  Verkehr  abgeschnitten,  fortzusetzen.  Eben  da- 
mals fand  er  in  jenem  Kriegsroann  Fulcos,  Adhegrin,  einen 
Begleiter.  Es  war  kurz  vor  der  Gründung  Glnnis,  als  er  im 
Baume  Aufnahme  suchte:  man  wird  nicht  fehl  gehen  bei  den 
einstigen  Beziehungen  Odos  zu  Wilhelm  von  Aquitanien,  wenn 
man  jenem  bereits  einen  Anteil  an  dem  Zustandekommen  der 
neuen  Stiftung  beimisst  Vielleicht  schrieb  oder  verfasste  er 
auch  selbst  die  Gründungsurkunden) 

In  Baume  fand  Odo  den  Abt  mit  einer  mönchischen 
Oppositionspartei  im  Kampfe.    Wido,  ein  eigener  Verwandter «) 

>)  V.  Od.  I,  c.  14.  22;  II,  c.  7.  «)  Joh.  V.  Od.  I,  c.  14.  »)  Job. 
V.  Od.  I,  c.  14.  15.        *)  V.  Od.  I,  c.  14. 

^)  Unter  der  Urkunde  findet  sich:  Odo  levita  ad  vicem  canceüarii 
scripsi.  Schon  Mabillon  und  nach  ihm  Pignot,  Hist.  de  Clnny  I,  p.  17 
sprach  die  Vermutung  aus,  dass  dieser  kein  anderer  als  der  spätere  Abt 
von  Gluni  war. 

^)  Bemo  nennt  ihn  in  s.  Testament  (Bibl.  Clun.  col.  9):  nrnum  con- 
sanguineum;  Naigod  V.  Od.  c.  27  macht  ihn  bereits  zum  venei-abilia  nepos. 


49 

Bernos  Atand  an  ihrer  Spitze.  Man  beklagte  sieh  über  die 
Strenge  des  Abtes,  der  mit  harten  Strafen,  schnell  bei  der 
Hand  war  und  die  Zügel  straff  führte.  Während  Odo  und 
Adhegrin  noch  Gäste  im  Kloster  waren,  wurden  sie  von  den 
jüngeren  Mönchen  gewarnt,  dann  suchten  diese  den  bisherigen 
Canoniens  von  Tours  auf  ihre  Seite  zu  ziehen.  Als  sie  schliess- 
lich seine  Zuverlässigkeit  und  seinen  Einfluss  wahrnahmen  — 
er  Qben^hm  als  Scholasticus  die  Schule  <)  —  als  sie  ihn  in 
seinem  Gelübde  fest  erkannten,  bemühten  sie  sich  seine  Stellung 
dorch  Verleumdungen  zu  untergraben.^)  Die  Demut  jedoch 
nnd  die  Geduld,  mit  der  er  alles  trag,  stumpfte  auch  diese  gegen 
ihn  geschmiedeten  Waffen.^) 

So  standen  sieh  also  hier  die  Gegensätze  noch  schroff 
einander  gegenüber:  auf  der  einen  Seite  alte  Unsitten,  Wider- 
setzlichkeit und  Gewissenlosigkeit,  4)  auf  der  andern  Verzicht 
auf  jede  Regung  eines  persönlichen  Willens,  strenge  Befolgung 
der  klösterlichen  Vorschriften.  Man  mag  die  Gedanken  der 
früheren  Richtung,  die  sich  in  die  alte  bequeme  Wohllebigkeit 
eingewöhnt  hatte,  in  den  Worten  wiedererkennen,  die  der  schon 
früher  genannte  Mönch  von  St.  Martin  den  Gegnern  der  Reform 
in  den  Mund  legt:  »Warum  drängt  man*",  sagen  sie,  „diese 
Beobachtung  der  Regel  uns  mehr  auf,  als  andern?  Denn  in 
dem  einen  Kloster  lebt  man  so,  im  andern  so  und  man  ist 
ohne  Murren  und  Zwietracht,  wie  der  hl.  Benedict  es  vorschreibt. 
Das  ist  abergläubisches  Zeug,  das  jener  Betrüger  von  uns  ver- 
langt*^) So  lange  Berno  lebte,  glückte  es  ihm  nicht,  jene 
Opposition  zu  überwinden:  es  ist  aber  bezeichnend  für  das, 
was  man  von  Odo  erwartete,  wenn  nach  Bernos  Tode  aus 
Furcht  vor  ihm  ein  Teil  der  jüngeren  Mönche  die  Welt  wieder 
aufsuchte.  *) 

Worin  bestanden  aber  die  Forderungen  der  Reformmänner 
nnd  namentlich  die  Neuerungen  derselben  gegenüber  den  alten 
eingewurzelten  Missbräuchen  ? 


')  Joh.  V.  Od.  I,  c.  23. 

•)  Joh.  V.  Od.  I,  c.  29.  34:  mente  et  actione  iw^enes. 

>)  V.  Od.  I,  c.  38.  .H4. 

*)  Vgl.  Odonifl  Coli.  III,  Bibl.  Clun.  col.  232—234. 

*)  Martinianus  monach.,  Mabillon,  Ann.  S.  Bened.  III,  324. 

•)  Joh.  V.  Od.  I,  c.  34. 

Sftcknr,  ClrniUoensar.    I.  4 


50 

IL 

Ans  der  ersten  Zeit  Clunis  sind  uns  keine  Statuten  er- 
haltend) Wohl  aber  können  wir  ans  vereinzelten  Andeutungen 
noch  erkennen,  worauf  es  ankam. ^)  Bei  der  Reform  von  St 
Martin  in  Antun  wurde  den  Mönchen  vor  allem  Schweigsam- 
keit, strenge  Fasten,  Freigebigkeit  und  Gastlichkeit  zur  Pflicht 
gemacht  Der  Fürst  von  D6ols  verlangt  von  Bemos  Nach- 
folgern in  dem  von  ihm  reformirten  Kloster,  dass  dieselbe  Zahl 
von  Psalmen  gesungen,  dieselbe  Gastlichkeit  gettbt,  dieselbe  Ent- 
haltsamkeit bezüglich  des  Fleischgennsses  ausser  Fischen  bewahrt 
werde,  dass  die  Gewänder  nur  ihre  natürliche  Farbe  hätten, 
dass  die  Brüder  dem  Abte  gegenüber  und  sich  untereinander  den- 
selben Gehorsam  bezeugten,  sich  jedes  Schwures  enthielten  und 
durchaus  frei  von  jedem  Privatbesitz  seien.  •'^)  Die  Gräfin 
Adelheid  von  Burgund  bestimmt  929  bei  der  Gründung  von 
Romainmontier,  dass  die  dortigen  Mönche  in  Lebensweise  und 
Kleidung ,  Enthaltsamkeit ,  Psalmengesang ,  Schweigsanikeit, 
Gastfreundschaft,  gegenseitiger  Liebe,  Demut  und  Gehorsam 
den  Mönchen  des  Mutterklosters  glichen.  4)  Aehnliche  Wünsche 
spricht  dann  Bemo  selbst  in  seinem  Testament  aus:    Seine 


^)  Den  Standpunkt  der  Cluniacensergewohnheiten  zur  Zeit  OdÜos 
bezeichnet  die  Disciplina  Farfensis  (Hergott,  p.  H6— 132),  eine  im  Interesse 
der  Farfeser  Reform  unternommene  Aufzeichnung.  Noch  zur  Zeit  Hugos  I. 
von  Cluni  gab  es  keine  im  Zusammenbang  geschriebene  Consuetndines ; 
erst  damals  unternahm  ein  MOnch  v.  Cluni,  Bemard,  auf  Gnmd  der  Tradition 
und  einzelner  schriftlicher  Aufzeichnungen  eine  Znsammenstellung  (Herr- 
gott, p.  134— 364y  Wenig  später  erfolgte  eine  erneute  Aufzeichnung  der 
CoDsuetudines  durch  Udalrich  auf  Veranlassung  des  Abtes  Wilhelm  von 
Hirschau  (Migne,  Patrol.  149,  633).  FUr  die  früheren  Zeiten  sind  diese 
Berichte  nur  dann  zu  verwerten,  wenn  sie  Einrichtungen  behandeln,  die 
bereits  in  der  Reform  Benedicts  v.  Anianc  nachzuweisen  sind.  Ganz 
falsch  ist  die  Ansicht  Ladewigs,  Poppo  v.  Stablo  S.  15,  dass  die  Tradition 
Clunis  eine  eiserne  gewesen  sei  und  spätere  Nachrichten  also  auch  ftir 
frühere  Zeiten  Geltung  hätten.  Aus  der  Vorrede  des  Petrus  Venerabilis 
zu  seinen  Statuten  (Bibl.  Clun.  col.  1354),  ebenso  aus  dem  Dial.  inter 
Cluniac.  et  Cisterc.  bei  Martene,  Thes.  anecd.  V,  1585  u.  Bernardi  Cläre vall. 
Apolog.  ad  Guill.  abb.  c.  6.  9.  (Opp.  ed.  Mabilion  I,  538.  542)  geht  vielmehr 
gerade  das  Gegenteil  hervor. 

')  Dass  die  Ecbasis  captivi  ed.  Voigt  1875  hier  nicht  heranzuziehen 
ist,  hat  kürzlich  Zarncke  in  den  Verhandlungen  der  sächs.  Gesellschaft 
d.  Wissenschaften,  Philos.  bist.  Klasse  1890  gezeigt. 

8)  Vgl.  Beilage  H.  *)  CHCL  I,  n.  879. 


51 

Nachfolger  sollen  hJnRiehtlieh  des  PBalmengesanges,  in  der 
Beobachtung  des  Stillschweigens,  Lebensweise  und  Kleidung 
nnd  in  der  Verabscheuung  privaten  Eigentums  wenigstens  die 
bisherigen  Vorschriften  befolgen.*)  Somit  ergiebt  sich,  dass 
Besitzlosigkeit,  Gehorsam,  Schweigsamkeit,  Demut,  Enthaltsam- 
keit, Gastlichkeit  und  Psalmengesang  die  Punkte  waren,  auf 
die  es  vor  allem  ankam  nnd  dass  ftlr  Cluni  in  denselben 
bereits  eine  bestimmte  Norm  vorausgesetzt  wird. 

Diese  Norm  war  nun  in  Baume  und  in  den  von  dortaus 
reformierten  oder  neu  eingerichteten  Klöstern  keine  andere, 
ab  die  des  hl.  Benedict  von  Aniane,  wie  uns  ausdrücklich 
überliefert  wird.  2) 

Bei  der  Besprechung  seiner  Verdienste  wurde  bereits  be- 
merkt, dass  der  Grundsatz,  von  dem  er  ausging,  die  Not- 
wendigkeit einer  strengen,  einheitlichen  Durchführung  einer  und 
derselben  Regel  betraf  und  dass  er,  um  diese  Gemeinsamkeit 
kl58terlichen  Lebens  völlig  zu  ermöglichen,  in  einzelnen  Punkten, 
welche  die  Benedietinerregel  weniger  fest  bestimmte,  Erleich- 
terungen und  Ermässigungen  vornahm.  Die  erste  Forderung 
war  eben  Unterdrückung  jedes  persönlichen  Willens  gegenüber 
den  Vorschriften  der  Regel,  jeder  persönlichen  Neigung  und 
partienlaristischen  Bestrebung  und  im  Zusammenhange  damit, 
ab  notwendige  Consequenz,  unbedingter  Verzicht  auf  privates 
Eigentum.  Weder  ihre  Körper,  noch  ihre  Willensäusserungen 
sollen  die  Mönche  in  ihrer  Gewalt  haben,  sagt  die  alte  Regel.^) 
Mit  deutlicher  Anlehnung  an  diese  heisst  es  in  einem  Bericht 
über  Benedicts  von  Aniane  Abteien:  Die  Aebte  sorgen  in 
Kleidung  und  Nahrung  fttr  ihre  Klöster,  um  ihnen  jede  Ge- 


')  Testament  B's.  (Bibl.  Gl.  col.  9) :  tarn  in  psalmodia^  qwim  in  ob- 
servatione  silentiiy  sed  et  in  qxuditate  vict\i8  et  vestitm,  et  insuper  in 
contemptu  rerum  propriarum  u.  s.  w. 

')  Job.  V.  Od.  I,  c.  22:  Ftierunt  autetn  institutores  eiusdem  loci 
(Baume)  imitatores  cuiusdam  patris  Eutid;  c.  23:  Tpse  enim  pater  Heu- 
adus  imtituJtor  fuit  harum  conswiudinumy  quae  hactenus  in  nostria  mo- 
fMsfmts  habeniwr.  Die  nähere  Schilderung  der  Freundschaft  Ludwigs  des 
Oommen  und  die  Worte :  ex  quibtis  auctoritatibus  diversos  consttetudines 
»tmpsit  unoque  volumine  coUigavit  setzen  ausser  Zweifel,  dass  Benedict 
V.  Aniaoe,  der  Yor  seiner  Conversion  Witiza  hiess,  gemeint  ist 

")  Begula  S.  Bened.  c.  38:  quibus  ntc  corpora  8%ui  nee  voluntates 
licet  habere  in  propria  voluntate. 

4* 


52 

legenheit  zn  nehmeii,  sich  mit  materiellen  DingeD  zu  besebäf- 
tigen,  and  das  todbringende  Gift  anszaschliessen ,  das  in  der 
Aensserang  persönlicher  WUnscbe  liegt :  so  hoiR  man  die  Mönche 
für  ihren  Beruf  geeignet  zu  machen.^) 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  jede  Benedictinerreform  an 
diesen  Hauptgrundsatz  anknüpfen  musste.  Unendlich  oft  haben 
daher  Odo  und  seine  Geistesverwandten  eigenen  Willen  nnd 
vor  allem  eigenen  Besitz  fttr  den  schwersten  Sehaden  des 
Mönchtums  erklärt^)  Aus  einer  Reihe  von  Urkunden,  die  Odo 
sich  vom  Papste  für  Cluni,  D6ols,  Fleury  ausstellen  liess,  er- 
kennt man,  dass  die  wichtigste  und  erste  Forderung  der  Re- 
formatoren die  Gemeinsamkeit  des  Besitzes  war.  Auch  ein 
lothringischer  Reformmönch  bezeichnet  es  als  Hauptmerkmal 
der  Reform,  dass  keiner  etwas  zu  eigen  besitze,  dass  alles 
gemeinsam  sei.^)  In  der  Uebertretung  der  gemeinsamen  Vor- 
schriften, in  der  Hipgabe  der  Mönche  an  weltliche  Genüsse 
oder  persönliche  Wünsche  sieht  Odo  die  Apostasie,  die  dem 
Antichrist  vorauszugehen  hat.  Er  führt  eine  Reihe  von  Bei- 
spielen zumeist  aus  den  Berno  zur  Reform  übergebenen  Klöstern 
an,  welche  darthun  sollen,  dass  die,  welche  von  der  Regel 
abweichen  oder  persönliches  Eigentum  hielten,  hart  bestraft 


1)  Hergott,  VetuB  disciplina  monast,  Paris  1726,  p.  15:  ut  omnem  ei 
mundanae  ctirae  occasionem  tollant  et  pec^iliai-is  alicuius  atque  mumiii- 
rationis  mortiferum  virus  excludant  suaeqtie  professioni  idoneos  i-eddafit. 
Das  Schriftstück  ist  in  der  Reichenauer  Handschrift,  aus  der  Hergott  es 
ediert,  überschrieben:  Capitula,  qualiter  obaervationea  sacrae  in  nonnuUis 
habenturf  qttas  bonae  memoriae  Benedictus  8ecund%i8  in  coenobiis  »uis 
alumnia  höhere  inatituit,  Dass  wir  es  mit  einem  Bericht  zu  thun  haben, 
beweisen  u.  a.  die  Worte:  nhi  nihil  pictum  vel  variaium  atque  lineum 
vidimus. 

')  Vgl.  Od.  Coli,  n,  1.  1.  col.  213:  quibtis  nee  paastim  pedis  nee  ipsam 
8uam  voluntatem  in  potestate  stui  habere  pemiittitiir ;  Joh.  V.  Od.  II,  c.  23: 
Hortim  namque  conventus  potius  caupona  quam  eongregatio  rede  nuncu- 
patur,  quia  ibi  unvsquisque  id  agit  quod  libet  et  hoc  non  agit  quod  non 
licet . . .  hoc  denique  monachorum  genus  teterrimum  vocat  beatus  Bene- 
dictus; Discipl.  Farf.  II,  c.  47,  Hergott  p.  116. 

^)  Vita  S.  Wieberti  c.  4 :  in  quibus  illud  praecipuunh  erat,  %ä  nuUa  eis 
propriüj  sed  omnia  essent  conMiunia;  c.  8:  Et  ante  omnia  radicem  nuUorum 
et  malam  monacJiorum  novercam,  scilicet  proprietatum  concupiscentiam 
m%icrone  pastorali  extinxit. 


53 

worden.*)  In  der  Wiedereinführung  und  erneuten  Betonung 
dieser  wichtigsten  Vorschrift  des  Fleiligen  von  Nursia  liegt 
also  der  Angelpunkt  der  ganzen  Bewegung. 

Im  Möncbsleben  findet  der  eben  hervorgehobene  Grund- 
satz seinen  Ausdruck  in  dem  unbedingten  Gehorsam  der  Brüder 
dem  Abte  gegenüber.  Unverzüglichen  Gehorsam  bezeichnet 
die  Regel  als  die  erste  Stufe  der  Demut  ^)  ,Da  Gehorsam 
einzig  und  allein  oder  ganz  besonders  zur  Vollendung  des 
Mdnehes  gehört,  äussert  ein  Cluniaeenser,  .so  giebt  es  für 
ihn  keine  notwendigere  Kunst,  als  die  des  Gehorchens;  es 
sagen  sogar  einige,  dass  allein  derjenige  wirklichen  Gehorsam 
übt,  der  unverzüglich  ohne  Widerspruch  gehorcht.')*  Ein 
Mittel,  subjeetive  Regungen,  Unzufriedenheit  und  Empörungen 
zQ  verhindern,  sah  man  in  dem  Gebot  der  Schweigsamkeit 
Schon  in  der  Benedictinerregel  war  diese  Forderung  erhoben 
worden^);  doch  ist  es  mehr  Geschwätzigkeit,  die  vermieden 
werden  soll.  Die  Mönche,  welche  Mich  Aniane  oder  in  andere 
dem  Freunde  Ludwigs  des  Frommen  untergebene  Klöster 
kamen,  um  zu  lernen,  rühmten,  dass  im  Oratorium,  Sacrarium, 
Refeetorium  und  in  den  Klosterräumen,  hier  zur  Lesestunde, 
das  tiefste  Schweigen  herr^die  und  dass  das  nächtliche 
Schweigen  von  den  Mönchen  stets  bewahrt  wenle.^)  In  den 
Zeiten  des  Verfalls  war  diese  Forderung  vergessen  worden. 


0  Od.  Collat  III,  a.  a.  0.  col.  232—234.  £in  Mönch  Gauzlinns  wird 
von  den  Brüdern  von  D^ols  weggeschickt:  u^  vesteni  protintis  mtUaret 
nihilquc  proprium  ejinfide  haberet. 

')  Reg.  S.  Ben.  c.  5:  Primus  hUniilitatis  gradua  est  obedientia 
sine  mora. 

*)  Dialogus  inter  Chiniacenscm  et  Cisterciensem  bei  Mart6ne,  The- 
uorus  anecdot.  V,  1595:  Cum  oboedientia  vel  sola  vel  maocima  faciat  pey- 
fectimi  comobitamy  7mlla  scie^itia  nobis  est  mxigis  yvecessaria  quam  scire 
obedire.  Dicunt  quidam^  quoa  iüa  sola  sit  perfecta  obedientiay  quae  obedit 
nw  moraj  nihil  disaUiens.  In  den  früheren  Perioden  Clunis  war  diese 
Art  Yon  Gehbrsam  erforderlich,  wie  einzelne  Vorfälle  ans  den  Viten  der 
ersten  Aebtl^beweisen. 

*)  Reg.  S.  Bened.  c.  6.  42. 

*)  Capitnia  Benedicti  bei  Hergott  a.  a.  0.:  I.  In  oratorio  summum 
sümtium . . .  //.  In  sacrario  magnum  silentium  . . .  III.  In  refcctorio 
mmmwn  silentium ...  V.  In  claustris  hora  lectionis  summum  silefitium . . . 
VIL  ..iwctumum  silentium  semper  ab  eis  custodiri;  vgl.  auch  die  Stat. 
Miirb%p.  Mansi  XIV,  352 ;  Gapitula  Sangall.  c.  23,  Hergott  p.  35. 


54 

Der  Mönch  von  St.  Martin  bezeichnet  ihre  Wiederherstellang 
als  eine  Notwendigkeit  *)  Johannes,  der  Biograph  Odos  von 
Cluni,  meint  einmal,  ohne  die  Schweigsamkeit  sei  das  Mönchs- 
leben überhaupt  nichts  wert;  auch  sei  es  nichts  neues,  wie 
einige  UebelwoUende  behaupteten.^)  Wir  haben  schon  oben 
bemerkt,  dass  in  einigen  der  neureformirten  Abteien  bereits 
in  den  Urkunden  Schweigsamkeit  den  Mönchen  ausdrücklich 
zur  Pflicht  gemacht  wurde.  Man  sieht,  dass  man  darin  ein 
Merkmal  des  neuen  Mönchtums  zu  erkennen  hat 

lieber  die  in  Baume  herrschenden  Vorschriften  sind  wir 
unterrichtet  In  den  Compctenzstunden  der  Wochentage,  täg- 
lichen und  nächtlichen  OfiSzien,  Heiligenoctaven  wagte  niemand 
im  Kloster  zu  reden;  es  gilt  das  ebenso  von  den  zwölf  Lec- 
tionen.  Am  achten  Tage  nach  des  Herrn  Geburt  und  am 
Tage  der  Auferstehung  bewahrten  sie  Tag  und  Nacht  tiefste 
Stille.  Man  wollte  damit  das  ewige  Schweigen  bezeichnen.  3) 
Selbst  ausserhalb  des  Klosters  wurde  an  diesen  Vorschriften 
streng  festgehalten.^)  Es  ergab  sich  die  Notwendigkeit  für 
den  persönlichen  Verkehr,  soweit  er  unvermeidlich  war,  ein 
anderes  Mittel  anzuwenden.  Es  wird  uns  berichtet,  man  hätte 
sich  unter  Berno  in  Baume  schon  in  so  hohem  Grade  der 
Zeichensprache  bedient,  dass,  wenn  den  Mönchen  die  Sprache 
überhaupt  gefehlt  hätte,  die  erfundenen  Zeichen  für  jeglichen 
Fall  mönchischen  Lebens  ausgereicht  haben  würden.^)  Wir 
werden  auf  Grund  dieser  Nachricht  mit  vollem  Recht  annehmen 
können,  dass  die  grosse  Masse  der  im  11.  Jahrhundert  in  Gluni 
angewendeten  Hand- und  Gesichtsbewegungen  zur  Verständigung 
über  Lebensweise,  Kleidung,  Liturgie  und  Cultus,  Klosterleben  und 
Kirchenämter,  auch  über  abstracte  Begriffe  aller  Art  schon 
unter  Berno  in  Uebung  gewesen  ist^)  Immerhin  waren  trotz  der 


^)  Martin,  mon.  excerpta  a.  a.  0. 

*)  Joh.  V.  Od.  II,  c.  11:  . .  de  actn  BÜentUf  sine  quo  videlicet  pro 
nihilo  dticefida  est  vita  nwtuichi;  c.  12:  Diximiui  de  antiqtiis  vatibuH,  ut 
nullus  arbitretur  siletitium  moder^iis  teniporibus  fuisse  invetUuMj  sicut 
quidam  male  suspicantes  fatentur, 

')  Joh.  V.  Od.  I,  c.  32 :  Est  et  aliwi  inter  eos  taciturfiitatis  rtiodus; 
Ygl.  Wilhelmi  CoDstitut  Ilirsaug.  II,  c.  20,  Hergott  p.  324. 

*)  Vgl.  V.  Od.  II,  c.  10. 11.  *)  Joh.  V.  Od.  a.  a.  0. 

^)  Vgl.  Hcrgott  p.  169.  386  ff;  Martene,  De  antiquis  eccl  ritfbus, 
Antwerp.  1738,  IV,  826  ff. 


55 

Äasbildang  dieses  Verkehrsmittels  engeren  Beziehungen  ein- 
zeber  Mönehe  schon  durch  das  Verbot,  dass  zwei  Brttder 
allein  mit  einander  verkehrten*),  nnttberwindliche  Schranken 
gesetzt 

Zur  Anfrechterhaltung  dieser  Prinzipien  musste  dem  Abte 
eine  umfassende  Disziplinargewalt  zustehen.  Das  war  auch 
der  Fall  Der  eines  Vergehens  wegen  im  Capitel  nach  Ver- 
lesQDg  des  Martyrologiums,  des  Verses  und  der  Regelt)  auge- 
klagte Mönch  warf  sich  um  Verzeihung  flehend  dem  Abt  zu 
FOssen.  Nicht  eher,  als  bis  er  diese  erhalten,  durfte  er  seine 
Sache  vorbringen  und  auch  nachher  durfte  er  seine  Ansicht 
nicht  etwa  verteidigen.  3)  Hinsichtlich  der  Strafen  versprach 
man  sich  aber  mehr  Erfolg  von  milder  Behandlung,  als  von 
der  früher  vielfach  geübten  Strenge.  Bereits  Benedict  von 
Aniane  Hess  insofern  Milderungen  eintreten,  als  das  Gapitular 
Ton  817  verbot,  Brüder  vor  anderen  nackt  zu  peitschen,  und 
die  Heizung  des  Carcers  anordnete.^)  Wir  finden  in  Gluni 
später  ähnliche  Ermässigungen  wieder.^)  Wenn  jedoch  die 
widerspänstigen  Mönche  Bernos  über  harte  Geisselungen,  Ein- 
kerkerungen und  Fasten  klagten,  so  mochte  der  anderwärts 
meist  herrschenden  Ungebundenheit  gegenüber  auch  die  mil- 
deste Art  klösterlicher  Disciplin  hart  und  überflüssig  erscheinen.<^) 
Odos  Auftreten  ist  entschieden  milde  und  nachsichtig.    Es  fällt 

ihm  nicht  ein,  mit  aller  Strenge  gegen  die  an  weltliche  Ver- 

—        » 

^)  Job.  Y.  Od.  I,  c.  30 ;  vgl.  Regula  S.  Dunstani  bei  Migne,  Patrolog. 
lat  1. 137,  478. 

')  Capit  monach.  c.  69:  üt  ad  capittUum  primittis  martyrohgium 
legatur  et  dicatur  versuSj  quo  ailentiuM  aolvatur,  deUide  regula  atd  homdia 
qwidU)€t  legatur,  fwvissime  ^tu  autem  DonUne'  dicatur, 

»)  Vgl  V.  Od.  I,  c.  83.  36;  II,  23;  Capit.  monaoh.  c.  13:  Ui  cum  a 
quocumque  priore  8uo  increpatus  quis  eormi  fuerity  ^mea  adpa'  primo 
dicatj  dehine  pro8teme7i8  sc  iüius  pedibus  cum  cappa,  si  Iwbuerit,  veniam 
petat;  et  tunc  iubefUe  priore  aurgat  et  unde  interrogatm  fuerit  rationetn 
humiliter  reddai. 

*)  Capit  mouachoram  Aquisgr.  c.  14.  40. 

*)  In  dem  Dialog,  inter  Cluniac.  et  Cisterc.  bei  Martene,  Thes.  V,  1585 
wird  ein  vennutlich  älteres  Gebot  Odilo  zugeschrieben:  quod  mofiachus 
foedo  et  flagitioso  crimi7ie  lapsus  occuUe  puniatur,  si  aliquo  modo  occuÜaH 
possit,  während  später  die  Peitschungen  im  Capitel  stattfanden.  Vgl. 
PigDot,  Bist  de  Tordre  de  Cluny  II,  402. 

•)  Joh.  V.  Od.  I,  c.  29. 


56 

guUgungen  gewöhnten  Mönche  von  Fleury  vorzugehen  0;  nnd 
seine  Gespräche  mit  Johannes  verraten  in  einigen  Beziehungen 
überaus  freie  Auffassungen  in  den  ersten  Jahrzehnten  der  Abtei. 

Aus  der  ersten  Zeit  Baumes  und  Ginnis  besitzen  wir  auch 
einige  Nachrichten  über  das  innere  Klosterlehen.  Es  wurden 
während  der  Tag-  und  Nachtoflizien  stets  138  Psalmen  ge- 
sungen, mit  Ausnahme  der  Heilgenoctaven,  an  denen  die  Zahl 
auf  75  beschränkt  wuMe.  Wenn  man  später  die  Offizien  etwas 
erleichterte,  indem  man  der  Kleinmütigen  wegen  eine  Anzahl 
Psalmen  wegliess^),  so  äusserte  sich  darin  ein  Gedanke,  der 
auch  Benedict  von  Aniane  bei  seinen  Einrichtungen  geleitet 
hatte.  Auf  der  anderen  Seite  wurde  gerade  dem  Psalmen- 
gesang in  cluniacensischen  Abteien  besondere  Pflege  gewidmet. 
In  den  anianischen  Klöstern  des  9.  Jahrhunderts  wird  die 
feierliche  Ehrfurcht  gerühmt,  welche  beim  Psalmengesang 
herrsche.^)  Auf  seinen  Reisen  schritt  Odo  singend  dahin  and 
nötigte  seine  Begleiter  mit  einzustimmen.  4)  Auch  Migolus^) 
und  Odilo  wandten  dem  Psalter  besondere  Aufmerksamkeit 
zu;  von  letzterem  wird  erzählt,  dass,  wenn  ihn  .beim  Gesang 
der  Schlaf  überkam,  noch  ganz  unbewusst  Psalmentöne  seine 
Lippen  bewegten.^)  Auch  in  späteren  Gebräuohen  spielt  der 
Psalter  eine  bedeutende  Rolle.')  Ebenso  werden  in  den  mit 
Cluni  in  Zusammenhang  stehenden  Klöstern  Uebungen  darin 
besonders  hervorgehoben.^)  Sicherlich  ist  auch  die  Ordnung 
der  Gesänge  bei  den  Vigilien  bereits  in  den  ersten  Zeiten 
dieselbe,  die  in  späteren  Aufzeichnungen  erwähnt  wird.  Während 
die  Benedictinerregel  für  die  nächtlichen  Offizien  zwölf  Psalmen 


»)  Job.  V.  Od.  III,  c.  9. 

')  Job.  V.  Od.  I,  c.  32:  Etetiim  in  quotidianis  diebiis  inter  diei 
fwctisqtie  cursvs  CXXXVIII  cancbant  psalmos:  ex  qiiibiis  XIV  fW8 
'danpsimus  propter  pusiüaniniorum  anitnos.  Es  ist  fraglich,  ob  das  nos 
auf  Odo  oder  auf  die  römiscben  Abteien  gebt. 

3)  Capitula  Benedicti  bei  Hergott  a.  a.  0.:  In  oratorio  aummum 
sile^Uium,  summam  psalletidi  rcverentiam. 

*)  Job.  V.  Od.  II,  c.  5.  19.  »)  Syri  V.  Maioli  I,  c.  3. 

«)  Jotsaldi  V.  Odilonis  I,  c.  6. 

'')  Udahici  Consuetudines  I,  c.  18.  41.49;  Martine,  De  antiquis  eccl. 
ritibus  IV,  97. 

*)  Vgl.  V.  Jobannis  Gorz.  c.  81. 


57 

sowohl  fllr  den  Winter  als  für  den  Sommer  ansetzte  *),  findet 
sich  in  den  Handschriften  im  Anschlags  an  das  Aachener  Ca- 
pitalar  die  Bestimmung^),  dass  die  Mönche  des  Nachts  fünf 
Psalmen  Air  Könige  nnd  Freunde,  fttnf  fttr  die  Todten,  fünf 
ftir  die  Mönche  recitierten.  Dieselbe  Vorschrift  wird  im 
10.  Jahrhundert  in  Gorze  befolgt,  offenbar  schon  nach  clunia- 
censischem  Brauch,  wie  bei  den  späteren  Cluniacensern  mit 
der  Modifieation,  dass  diese  Z'ahlen  im  Winter  verdoppelt 
würden.^) 

Mit  besonderem  Eifer  scheint  man  bereits  früh  die  heilige 
Lectttre  in  Baume  nnd  Gluni  gepflegt  zu  haben.  So  lange 
man  bei  Tisch  sass,  wurde  in  Baume  gelesen.  4)  In  dem 
mehrfach  erwähnten  Bericht  über  anianensische  EinrichtuDgen 
erfahren  wir  von  der  allgemeinen  Pflege  der  Lesung  in  Bene- 
diets  Abteien.  ^)  Während  die  Benedictinerregel  für  die  Vigilien 
eine  beschränkte  Zahl  wohl  nur  kurzer  Lectionen  vorschriebt^), 
erfahren  wir,  dass  man  in  Cluni  später  in  einer  Woche  Sep- 
tnagesimae  die  ganze  Genesis  las,  in  sechs  Nächten  den 
Isajas  u.  s.  w.')    In  Gorze  vollendete  man  vom  1.  bis  15.  No- 

0  Reg.  S.  Ben.  c.  9.  10.  *)  Capit.  mon.  c.  Sl.  82. 

*)  Martine,  De  ant  eccl.  ritibus  IV,  19. 

*)  V.  Od.  I,  c.  30:  Tetnpore  vero  refectionis  nunquam  decrat  lectio; 
?gl.  I,  c.  35. 

*)  Capit.  Bened.  a.  a.  0.:  F.  In  claustris  hora  lectionia  summum  «i- 
leniiwn  ä  sunimum  Studium  lectionia  ab  omnibus  habcri;  Capit.  Sangall. 
(Hergott  p.  35)  c.  15:  üt  in  refectorio  hora  refectionia  nuUius  nisi  lectoris 
cox  audiatur;  c.  24:  üt  certis  teniporibua  occupentwr  in  opere  manuumf 
certis  in  lectione  divina. 

')  Reg.  S.  Ben.  c.  9.  10.  Im  Winter  waren  es  drei  Lectionen,  im 
Sommer  sollte  nur  ein  Stück  aus  dem  alten  Testament  aaswendig  gesagt 
werden.  Bereits  Abt  Theudemar  schrieb  darüber  an  Karl  d.  Grossen 
(Jaff6,  Bibl.  IV,  359) :  Si  quem  autem  movetj  quare  beatus  Benedictus  esttüis 
tempore  cottidianis  diebu^  ad  noctumum  officium  unam  tantum  de  veteri 
testametUo  Uctionem  legi  praeceperitj  cognoscat  necdum  eo  tempore  in  Bomana 
ecclesiüj  sicut  nunc  leguntur,  sacras  scripturas  legi  mos  fuisse, 

^)  Pignot,  Hist.  de  Cluny  IL  392  ff.;  vgl.  Disciplina  Farf.  c.  32.  39. 
45  bei  Hergott  p.  74.  80.  85.  Im  Cod.  Paris,  lat.  13371,  saec.  X,  f.  87—96 
ist  enthalten:  Incipit  Breviarius  lectionum per  annum  seeundum  Cluniaciim, 
Das  Veneichnis  der  Lectionen  betrifft  nnr  die  Sonn-  und  Festtage,  auch 
die  der  Heiligen.  An  den  allgemein  kirchlichen  Festen,  wie  Weihnachten, 
Ostern  und  den  übrigen  Sonntagen  Werden  meist  biblische  Texte  gelesen. 
Am  1.  Adventssonntage  wird  mit  Isaias  begonnen  und  bis  II,  4  ultra  ad 


58 

vember  des  Nachts  sämmtliche  Propheten.*)  Man  kann  aus 
diesen  MitteilaDgen  sehliessen,  dass  die  prinzipielle  Betonung 
der  nllchtlichen  Lectüre  sehon  zu  den  ältesten  Merkmalen  der 
reformirten  Klöster  gehörte. 

Ebenso  wie  auf  andern  Gebieten  knüpfte  die  Reform  auch 
in  Bezug  auf  Kleidung  und  Nährung  an  das  Capitular  Ludwigs 
des  Frommen  an.  lieber  die  erstere  war  817  manches  be- 
stimmt worden.  Sie  sollte  weder  zu  fein,  noch  zu  schlecht 
sein,  sondern  von  mittlerer  Gttte.^)  Während  die  Benedietiner- 
regel  dem  jeweiligen  Abte  sehr  viel  Freiheit  ttberliess,  der 
alles  Notwendige  gewähren  sollte,  die  Zahl  der  Gewänder 
aber  auf  CucuUa,  Tuniea  und  Scapulare,  ein  ärmelloses 
Kleidungsstück  für  die  Arbeit  normirte,  eracheint  in  dem 
Aachener  Capitular  die  Camisia,  die  durch  einen  Gürtel  fest- 
gehalten wurde  ^),  während  das  Scapulare  anscheinend  fortfiel. 
Da  sich  dieselbe  Eigentümlichkeit  im  11.  Jahrhundert  in  den 
Aufzeichnungen  von  Farfa^),  und  bei  Bernard  von  Gluni  findet^), 
unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  dieselbe  bereits  den  ältesten 
Institutionen  Bernos  angehörte.  Die  Namen  einzelner  Kleidungs- 
stücke hatten  aber  ofifenbar  schon  zur  Zeit  Benedicts  von 
Aniane  ihre  Bedeutung  verändert.  Aus  dem  Scapulare  war 
die  GucuUa  geworden,  ein  ärmelloses  Gewand,  das  aber 
jetzt  den  ganzen  Körper  bis  an  die  Fnssknöchel  bedeckte^), 
das  als  besonderes  Merkmal  der  Cluniacenser  galt  und  ihnen 


proditmi  gelesen;  am  2.  Adventssonntag  von  Is.  VI,  1  bis  VIII,  8;  am 
3.  von  Is.  X,  1  bis  XI,  12;  am  4.  von  XIII,  1  bis  XIV,  25  u.  s.  w.;  an 
den  Ueiligenfesten  wurden  auf  die  Heiligen  bezügliche  Texte  gelesen. 

*)  V.  Johannis  Gorz.  c.  Sl. 

*)  Capit.  mon.  Aquisgr.  c.20;  die  Statuta  Murbac.  bemerken  dazu: 
übi  iungetidum  capcrina  vestimentüf  seu  serico  circmfisuta  omnino  mo- 
nachü  hiterdicta  atmt  (Mansi  XIV,  351). 

^)  Capit  mon.  Aquisgr.  c.  22:  vi  camiaias  diuis  et  tunicas  duas  et 
cucuUas  duas  . . .  unvsquiaque  monachorum  habeat. 

*)  Discipl.  Farf.  c.  4,  Hergott  p.  90. 

**)  Bemardi  Ordo  I,  c.  6,  Hergott  p.  146  ^  vgl.  Pignot  II,  431. 

^)  Vgl.  Discipl.  Farf.  a.  a.  0. :  CuctdUif  quae  nostro  singulariter  con- 
v&iiit  ordini ...  id  est  tuniea  sine  manicis  etc. ;  Dialogus  inter  Cluniac. 
et  Cisterc.  bei  Martene,  Thes.  V,  1593:  illa  vestis,  quam  cucuUam  appeUatis 
nee  cu>culla  est,  nee  scapulare.  Cu,culla  noti  est,  quia  cum  eareat  numicis, 
non  Juibet  sex  älas  secandwm  praeceptum  Bonifatii  papae^  scapulare  non 
est,  ^ia  non  tanttm  scapulum,  sed  etiam  brachia  tegit. 


59 

später  als  regelwidrig  zam  Vorwarf  gemacht  warde;  die  frühere 
CacttUa  ward  zum  Hemde,  das  auch  des  Nachts  getragen  wurde, 
während  die  Regel  in  ganzer  Kleidung  zu  schlafen  befahlJ) 
Unter  der  mit  Capaze  versehenen  daniacensischen  Caculla  wurde 
die  Tunica  getragen,  die  erst  im  Laufe  des  11.  Jahrhunderts 
Froeeus  genannt  wurdet),  ein  weites  faltenreiches  Gewand  mit 
langen  Aermeln.  So  wich  die  Kleidung  der  Cluniacenser  von 
der  Regel  allerdings  beträchtlich  ab.  Während  das  Scapulare 
nur  eine  Art  Kragen  war,  der  in  Streifen  auf  das  Untergewand 
herabfiel,  war  sicherlich  schon  unter  Benedict  von  Aniane  die 
ärmellose,  aber  sonst  den  ganzen  Körper  bedeckende  GucuUa 
daraas  geworden.  So  konnte  man  später,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  den  Cluniaeensern  allerdings  ihre  zwei  Röcke  zum 
Vorwurf  machen.  Die  Farfeser  Vorschriften,  welche  den  un- 
gefähren Standpunkt  der  cluniacensischen  Gebräuche  zu  An- 
fang des  11.  Jahrhunderts  bezeichnen,  sprechen  den  Gebrauch 
der  Femoralien  ebenso  wie  das  Aachener  Gapitular  allen 
Mönchen  zu,  während  die  Benedictinerregel  sie  nur  den  auf 
der  Reise  befindlichen  gewährte.  3)  Wenn  wir  ferner  in  einer 
Glosse  Eckehards  von  St  Gallen,  die  gegen  die  cluniacen- 
sischen Reformmönche  gerichtet  war,  noch  auf  tausend  Dinge 
verwiesen  finden,  ,mit  welchen  unsere  Schismatiker  Gott  in 
ihren  Erfindungen  reizen'*'^),  so  werden  wir  daran  denken, 
dass  schon  Benedict  von  Aniane  seinen  Mönchen  zwei  Hemden, 
zwei  Tuniken,  zwei  Cucullen,  zwei  resp.  drei  Gappen,  vier 
paar  Fusslappen,   zwei  paar  Hosen,   Gamaschen  bis  zu  den 


*)  Dialogus  inter  Cluniac.  et  Cisterc.  a.  a.  0.  col.  1650;  für  die  frühere 
Zeit  bestätigt  durch  Joh.  V.  Od.  I,  c.  15:  impegit  (Odo)  in  eundern  locum, 
in  quo  praecepttmi  est  monachis,  ut  donnire  debeant  vestiti;  n  am  plane 
noH  intellige7i8  eundem  sensum  per  triennium  iacuit  veatitus. 

^  In  der  Discipl.  Farf.  heisst  sie  noch  tunica;  die  Bezeichnung 
froccus  tritt  dann  bei  Bemard  im  Ordo  Cluniac.  I,  c.  6,  Hergott  p.  146 
aaf.  Eckehard  v.  St.  Gallen  (Hattemer,  Sprachschätze  II,  p.  222  n.  5)  spricht 
von  den  duobus  roccis  der  Cluniacenser. 

*)  Disciplina  Farf.  c.  4  (Hergott  p.  90):  femoralia,  quae  S.  Benedictus 
muxsnt  Uer  agentibu8  .  .  .  omnibua  concedantwr;  Regula  S.  Ben.  c.  55; 
Capic  mon.  Aquisgr.  c.  22.  Vgl.  Tbeudemari  abb.  Gass.  epist.  ad  Karolum: 
Habent  autem  patres  nostri  et  duplicia  femoraUa;  Petri  Ven.  ep.  I,  28. 

*)  Hattemer,  St.  Galler  Sprachschätze  H,  222  n.  5.  Ausführlicher 
wird  darüber  an  anderer  Stelle  gesprochen  werden. 


60 

Knöcheln,  zwei  paar  Strumpfbänder,  fttr  den  Sommer  Aermel*), 
für  den  Winter  Handsohabe  von  Hammelfell  oder  Mnffe, 
zwei  paar  Schuhe  für  den  täglichen  Gebrauch,  für  die  Sommer- 
nächte Pantinen,  fttr  den  Winter  Holzschuhe  zugestanden  hat.^) 
Dieselben  oder  doch  annähernd  ähnliche  Erleichterungen  finden 
wir  in  Farfa^);  wir  werden  sie  auch  fttr  die  ersten  Zeiten  der 
Reform  voraussetzen  dttrfen.  Man  hielt  übrigens  in  Cluni  auf 
Köi-perpflege  und  Sauberkeit  der  Kleidung,  und  war  weit  ent- 
fernt, eine  asketische  Vernachlässigung  des  Aeusseren  zu 
billigen.^) 

Eine  eigentümliche  Einrichtung,  die  bereits  früh  in  clunia- 
ceusischen  Klöstern  nachweisbar  ist,  betrifft  die  Reinigung  des 
Schuhwerks  am  Sonnabend.  Sowohl  die  Benedictinerregel, 
als  das  Capitular  von  817  schweigen  darüber.^)  Als  Odo  einst 
in  Begleitung  weniger  Brüder  in  ein  Kloster  kam,  begann 
einer  derselben  bei  der  Vorbereitung  am  Sonnabend  Abend 
seine  Schuhe  zu  waschen.  Einer  der  einheimischen  Mönche 
brach  erzürnt  das  Schweigen:  ,Wo  befiehlt  denn  der  heilige 
Benedict  den  Mönchen  ihre  Sandalen  zu  reinigen  ?  *  Wie  ernst 
man  die  Sache  nahm,  beweist  die  lange  Begründung,  mit  der 
Odos  Biograph  Johannes  jene  Einrichtung  verteidigt.«)  In 
Gorze  finden  wir  sie  ebenfalls  und  zwar  mit  der  bezeichnenden 
Bemerkung  erwähnt:  „nach  einer  zwar  alten,  damals  jedoch 
neuerdings  erst  zu  uns  gebrachten  Sitte.^"^)  Auch  der  hl. 
Dunstan  nahm  diese  Vorschrift  ausdrücklich  in  seine  Kloster- 


^)  qttas  vrdgo  wantos  appellamus, 

>)  Capit.  mon.  Aquisgr.  c.  22. 

8)  Vgl.  Discipl.  Farf  c.  47,  p.  116. 

*)  Vgl.  V.  Od.  II,  c.  23;  hypocritae  werden  die  schmutzigen  Vertreter 
einer  asketischeren  Richtung  genannt. 

^)  Allerdings  reinigte  Benedict  v.  Aniane  aus  Demut  die  Schuhe 
der  schlafenden  Brüder,  V.  Bened.  c.  7. 

')  Joh.  V.  Od.  II,  c.  23.  Johannes  meint,  man  wolle  nur  die  Schuhe 
nicht  waschen,  um  sie  in  irgend  einen  Winkel  zu  werfen,  wo  sie  den 
Armen  nichts  mehr  nutzten,  während  der  hl.  Benedict  vorschreibe,  alles 
Abgelegte  den  Armen  zu  geben.  Vgl.  Vetus  consuet.  Floriac.  bei  Joh. 
de  Bosco,  Bibl.  Floriac.  p.  392;  Consuet.  S.  Vitoni  bei  Martene,  De  antiq. 
eccl.  rit.  IV,  851. 

')  V.  Joh.  Gorz.  c,  63:  ex  more  antiquo  quidem^  sed  tunc  noviter 
nohis  tradito. 


61 

regel  auf,    welche   auf  den   Oewohnheiten  von  St.  Peter  in 
Geot  und  Flenry  bernhteJ) 

Hinsicbtlieh  der  Emähmng  bildete  ein  Pnnkt  ein  wesent- 
liches Moment  fUr  die  Scheidung  der  reformierten  Mönche  von 
denen,  welche  in  der  alten  faulen  Art  verharrt  hatten.  Es 
handelt  sich  um  den  Genuss  von  Fleisch  und  namentlich  vier- 
füssiger  Tiere,  welchen  die  Regel  untersagte.  Wie  der  Abt 
von  Aniane  das  Verbot  Benedicts  in  dem  Aachener  Gapitular 
?on  neuem  aufstellen  liess  und  nur  den  Kranken  erlaubte,  Feder- 
vieh zu  essen  ^);  so  lebten  dieselben  Yorschriftien  mit  der  £r- 
oeuerung  des  Klosterlebens  wieder  auf.^)  Berno  und  Odo^), 
wie  die  lothringischen  Reformatoren  wandten  alle  ihre  Energie 
auf  die  Aastreibung  damit  unvereinbarer  Gelüste.  Johannes, 
Odos  Sehttler,  sagt  einmal,  der  Fehler  liege  nicht  in  der  Speise, 
sondern  in  dem  Verlangen  danach.^)  Und  mit  Recht;  denn 
war  nicht  durch  das  Fleischverbot  die  Abwendung  von  allen 
fleischlichen  Genüssen  symbolisiert,  welche  das  reformatorische 
Mönehtnm  so  mächtig  durchdrang?  In  der  Zeichensprache 
Bernards  von  Gluni  findet  sich  daher  auch  kdn  Ausdruck  für 
Fleisch  oder  ein  Fleischgericht.  Vielmehr  ass  man  in  Gluni 
und  den  verwandten  Stiftern  Bohnen,  Eier,  Käse,  Gemüse,  Back- 
werk und  Fische.*)  Als  Getränk  kam  namentlich  Wein  in 
Betracht  Eine  Erleichterung,  welche  das  Gapitular  von  817 
gewährt  hatte,  die  Anwendung  tierischen  Fettes  statt  des  in 
der  Regel  vorgeschriebenen  Oeles,  das  in  manchen  Gegenden 


*)  Regula  S.  Dunstani  bei  Migne  t.  137,  484:  Si  adbbatum  fuerit, 
singuli  . . .  lavent  etiam  cakeoa,  quUms  expedierit;  col.  500:  Calceamentorum 
unetiOf  reatimentorum  abhUio  et  aquae  administratio  non  aspemetur,  sed  ab 
vniverais  . . .  tempore  opportuno  corumete  peragatur. 

')  Capit  mon.  Aquisgr.  c.  8;  Stat  Mnrbac.,  Mansi  XIV,  350.  In 
Honte  Cassino  kam  zu  Karls  des  Grossen  Zeit  Geflügel  überhaupt  zu 
Weümaehten  und  Ostern  auf  den  Tisch;  vgl.  den  Brief  Theudemars  bei 
Jaff^,  Bibl.  IV,  361. 

*)  Dass  der  Genuss  von  Geflügel  in  der  ersten  Zeit  in  Cluni  ver- 
boten war,  e^ebt  sieh  z.  B.  aus  Joh.  Y.  Od.  III,  c.  8. 

0  Joh.  V.  Odonis  III,  c.  2—7;  Petri  Venerabilis  epist.  VI,  15. 

'^  Joh.  V.  Od.  III,  c.  4:  non  esse  in  cibo  tnfium,  sed  in  appetitu. 

')  Petrus  Venerabilis  nennt  Epist  VI,  15  als  altcluniacensische 
Speisen:  fabay  easeus,  ova,  ipsi  etiam  pisces;  vgl.  Bemardi  Ordo  Gluniac. 
I,  c.  6,  Hergott  p.  147  ff. 


62 

schwer  zu  beschalTen  war,  ist  anch  in  Cluni  angenommeD 
worden 0;  sonst  sind  Milderungen  zur  Fastenzeit'),  für  Kranke 
and  solche,  die  zur  Ader  gelassen  worden  3),  sowohl  bei  Benedict 
von  Aniane  als  in  Clnni  eingetreten.  Nach  der  Begel  sollte 
der  Abt  mit  den  Gästen  speisen^);  das  Aachener  Capitular  hat 
hier  eine  Bestimmnng  des  Heiligen  von  Narsia  geradezu  ver- 
kehrt; der  Platz  des  Abtes  solle  fortan  im  Refectorinm  bei 
den  Brüdern  sein.^)  Anch  diese  Bestimmnng  hat  in  Clnni 
Geltnng  erlangt  nnd  ist  im  12.  Jahrhundert,  als  man  den 
Zusammenhang  nicht  mehr  kannte,  den  Glnniacensem  zum 
schweren  Vorwurf  gemacht  worden.*)  Der  Abt  präsidierte  bei 
Tische  und  gab  das  Zeichen  zu  Beginn  und  Ende  der  Lesnng; 
nach  derselben  durfte  niemand  mehr  essen,  nicht  efumal  die 
Brocken,  die  jeder  gegen  Ende  der  Mahlzeit  an  seinem  Platz 
zu  sammeln  hatte.'') 

Wir  glauben  nachgewiesen  zu  haben,  dass  das  Verdienst 
Bernos  und  Odos  darin  besteht,  die  Benedictinerregel  mit  den 
Ergänzungen  des  Aachener  Gapitulars  und  anianischer  Ein- 
richtungen, wenn  auch  unter  eigenen  Modificationen  wieder  zu 
einer  Wahrheit  gemacht  und  weiter  verbreitet  zu  haben.  Die 
Benedictinerregel,  sowie  sie  die  Reformatoren  des  10.  Jahr- 
hunderts in  ihren  Abteien  einführten,  war  also  nicht  die  reine. 


1)  Gapit  mon.  c.  22;  Bern.  Clftrevall.  Apol.  c.  6,  §  12  a.a.O.  col.  538; 
Pignot  II,  420  ff. 

>)  Capit.  mon.  c.  18;  Die  Münche  von  Autnn,  die  aus  dem  anianen- 
sischen  St.  Savin  hervorgegangen,  haben  unter  ihren  Grundsätzen:  idtt- 
niorum  parsmaniam.  Vgl.  Veter.  consuet.  Floriac,  Bibl.  Floriac.  p.  392 : 
In  quadragesima  libra  panis  maioi'  solito  et  delicior  et  vintan  melius 
quam  alio  tempore  debet  esse;  Pignot  II,  425. 

>)  Capit.  mon.  c.  1 1 ;  Vita  Joh.  Gorz.  c.  82.  92 ;  Pignot  II,  434.  Sowohl 
in  Aniane,  als  in  Cluni  war  die  Zeit  des  Aderlasses  unbestimmt  und  der 
Entscheidung  des  Abtes  überlassen  worden.   Vgl.  Joh.  V.  Od.  III,  c.  5. 

*)  lieg.  S.  Bened.  c.  50:  Mensa  ahhatis  cum  Jwspitibtw  et  peregrinis 
Sit  semper, 

°)  Capit.  monach.  c.  27.  Dass  man  sich  übrigens  auch  früher  nicht 
immer  an  die  Vorschrift  des  hl.  Benedict  gehalten  hatte,  vgl.  in  den  Stat 
Murbac.  c.  22,  1. 1.  col.  352. 

«)  Dialog,  inter  Cluniac.  et  Cisterc,  Martene  V,  1607;^etri  Vener.  ep. 
I,  28.   Für  die  frühere  Zeit  bestätigt  durch  Joh.  V.  Od.  I,  c.  35. 
!  ')  Vgl.  Joh.  V.  Od.       c.  30.  35. 


63 

nnverfälBchte,  sondern  enthielt  jene  früheren  Ergänzungen  ans 
der  Zeit  Ludwig  des  Frommen  nnd  damit  die  Keime  zu  einer 
Weiterentwicklung,  welche  früher  oder  später  zu  einem  Gegensatz 
gegen  die  alte  Kegel  führen  musste.  So  lange  die  claniacensischen 
Gewohnheiten  annähernd  die  einzige  überdies  noch  schwankende 
Form  enthielten,  in  welcher  die  Regel  Benedicts  anffcrat,  waren 
gegnerische  Angriffe  fast  ausgeschlossen.  Erst  mit  der  Ausbildung 
derselben  nach  ihrer  eigentümlichen  Richtung  und  der  Zunahme 
der  Kenntnis  von  Benedicts  echtem  Statut  erhob  sich  eine  starke 
Opposition  gegen dieUebertreterderm6nchischenRicht8chnur,eine 
Opposition,  die  in  dem  Hass  nnd  der  Missgunst  gegen  die  wachsende 
Macht  der  französischen  Mönche  stets  neue  Nahrung  fand. 

IIL 

Die  regen  Bemühungen  Bernos  wurden  von  dem  hohen 
Adel  der  benachbarten  Gegenden  anerkannt.  Die  Laien,  die 
Bonst  von  kirchlicher  Frömmigkeit  nichts  wissen  wollten,  hielten 
doch,  yne  Odo  einmal  sagt,  einen  Menschen,  dessen  tiefe 
Religiosität  sie  erst  einmal  erkannt  hatten,  nicht  wenig  hoch.i) 
Eine  Bestätigung  gewähren  die  zahlreichen  Schenkungen,  die 
schon  zu  Bernos  Zeiten  an  Cluni  getnacht  wurden,  nicht  weniger 
als  die  Uebertragungen  einzelner  Klöster  an  den  Abt  von  Gigny, 
Baume  und  Cluni  mit  der  Bedingung,  sie  in  gleicher  Weise 
einzurichten. 

Nur  wenige  Jahre  nach  der  Gründung  von  Cluni  folgte 
ein  Lehnsmann  Wilhelms  von  Aquitanien,  Ebbe  von  Döols, 
dem  Vorgang  desselben,  indem  er  Berno  eine  Abtei,  die  er  im 
Jahre  917  in  seiner  Burg  Däols  gegründet^)  und  drei  Jahr 
später  hatte  weihen  lassen^),  zur  Leitung  übertrug.  Er  gab 
ihr  einen  Freiheitsbrief^  der  dem  für  Cluni  ausgestellten  fast 
wörtlich  gleicht^),  so  dass  wir  hier  die  Wirkung  des  einmal 

^)  Odonis  Coli.  II.  a.  a.  0.  col.  208 :  Quod  ex  his  apparetj  qwmiam 
«/m  laicif  qui  eos  despiciunty  si  quem  forte  repererint,  quem  religiostim 
endantf  nan  mediocriter  venerari  solent, 

')  Chron.  Vezeliac.  bei  Labbe,  Nova  manuscr.  bibl.  I,  395;  Ghron. 
Tnron.  abbrev.  bei  Salmon,  Chroniques  de  Touraine  p.  1S4;  Adomari  Hist 
III,  c.  2t;  Hngouis  Flor,  modern.  Franc,  actus,  SS.  IX,  377;  Vita  S.  Ge- 
Bnlfi  n,  c  17,  BibL  Floriac.  II,  43 ;  Hist.  patriarch.  Bituric.  c.  52,  Labbe  II,  71. 

*)  Chron.  Dolense  ad  a.  920,  Labbe  I,  315. 

0  HF.  IX,  713;  Hist  patriarch.  Bituric.  a.  a.  0. 


64 

gegebenen  Beispiels  auf  das  deutlichste  zn  erkennen  vermögen. 
Auch  hier  wurde  dem  Papst  die  alleinige  Herrschaft  eingeräumt. 
Ebbo  schützte  aber  nicht  nur  die  Abtei  durch  Privilegien,  be- 
dachte sie  nicht  nur  reich  mit  Schenkungen;  es  kam  ihm 
namentlich  darauf  an,  filrderhin  seitens  seiner  Erben  jeden 
Einspruch  zu  beseitigen  und  Bestrebungen,  welche  auf  Ent- 
ziehung des  legierten  Besitzes  zielten,  zu  verhindern,  sowie  die 
Einrichtungen  Bernos  zu  erhalten.  In  letzterer  Hinsicht  ver- 
pflichtete er  in  einer  langen  Urkunde,  die  er  mit  seiner  Ge- 
mahlin ausstellte,  den  Nachfolger  Bernos  darauf  zu  halten,  dass 
dieselbe  Anzahl  von  Psalmen  gesungen,  dieselbe  Gastlichkeit 
geübt  werde,  derselbe  Verzicht  auf  Fleischgenuss  ausser  Fischen 
bestehen  bleibe.  Die  Gewänder  sollen  nur  ihre  natürliche  Farbe 
haben,  denselben  Gehorsam  sollten  die  Brttder  dem  Abte,  so- 
wie sich  gegenseitig  leisten;  sie  sollten  sich  jedes  Eides  ent- 
halten, der  Schweigsamkeit  und  Beschaulichkeit  nachgehen  und 
keinerlei  Privateigentum  besitzen.  In  diesen,  wie  in  allen 
andern  Gewohnheiten  sollten  sie  dasselbe  Mass  beobachten. 
Da  die  Abtei  D^ols  das  Recht  der  freien  Abtwahl  beeiass,  wollte 
Ebbo  durch  die  eben  erwähnten  genauen  Bestimmungen  den 
nach  Bernos  Tode  gewählten  Abt  auf  die  von  jenem  eingeführten 
klösterlichen  Gewohnheiten  fttr  die  Zukunft  verpflichten.  Endlich 
bestätigte  der  Lehnsherr  Ebbos,  Wilhelm  von  Aquitanien,  die 
Reform,  ftlgte  Schenkungen  im  Gau  von  Bourges  hinzu  und 
verbot  jegliche  Yeräusserung  und  jede  Beanspruchung  von 
Kirchengnt.1)  • 

In  derselben  Diöcese,  wenig  nördlich  von  D6ols  lag  die 
Abtei  Massay,  die  ebenfalls  an  Berno  gelangte.^)  Wie  das  ge- 
schah und  durch  wen,  wissen  wir  nicht.  Dass  diese  Ueber- 
tragung  aber  nur  eine  persönliche  und  dem  Kloster  das  Recht 
der  freien  Abtwahl  verblieben  war,  werden  wir  daraus  ermessen 
können,  dass  hier  im  Jahre  933  ein  Abt  Odo  ordiniert  wird, 
der  mit  dem  Abte  von  Cluni  nicht  identisch  zu  sein  scheint.^) 


>)  Vgl.  die  Urkunden  Beilage  n. 

')  Sie  wird  in  dem  unten  zu  besprechenden  Testament  Bernos  aufgeführt. 

3)  Breve  Chron.  Masciac.  (LAbbe  II,  73:i)  935 :  Odo  abbas  ordinatur,  — 
967 :  VIII  Id.  Jun.  sie  obiit  Odo  abbas  bonae  memoriae.  Wenn  diese  Angaben 
richtig  sind,  könnte  der  hier  genannte  Odo  mit  dem  unsrigen  nicht  identisch 
sein.    Merkwürdig  bliebe  dabei  immerhin,  dass  Odo  von  GlunI,  dem  die 


65 

Hatte  Odo  schon  zn  Lebzeiten  Bernos  die  Angrifife  der 
Opposition  mit  tragen  helfen,  welche  sich  gegen  den  Abt  in 
den  ihm  untergebenen  Stiftern  erhoben  hatte,  so  ist  es  be- 
greiflich, das8,  als  dieser  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  daran 
dachte,  einen  Nachfolger  zu  bestimmen,  seine  Blicke  auf  den 
JQDgen  Freund  fielen.  Schon  vorher  hatte  er  ihm  gegen  seinen 
Willen  durch  den  Bischof  Turpio  von  Limoges,  der  Bemo  be- 
Irenndet  war,  die  priesterlichen  Weihen  erteilen  lassend)  Nachdem 
Berao  vor  den  benachbarten  Bischöfen  seine  Wttrde  niedergelegt 
batte,  erfolgte  etwa  924  ^)  die  Wahl  Odos,  der  anfänglich  wider- 
strebte, dann  aber  durch  den  Erzbischof  Berengar  von  Besangen 
die  Weihe  erhielt.^)  Er  vermochte  sich  jedoch  in  Baume  nicht 
zn  halten.  Die  alten  Gegner  erhoben  sich  gegen  ihn,  jetzt 
ihrer  Pflichten  gegen  Bemo  los  und  ledig,  und  zwangen  ihn 
dnreh  ihre  Umtriebe,  nach  Cluni  überzusiedeln.  Während  die 
jftngeren  Mönche  dasWeltleben  teilweise  wieder  aufsuchten,  folgten 
die  älteren  ihm  nach  der  neuen  Wohnstätte.  Der  Gegensatz 
und  der  Bruch,  der  nun  erfolgt  war,  schien  offenbar  so.  wenig 
mehr  zu  überbrücken,  dass  Bemo  unter  dem  Dmcke  seines 
Verwandten  Wide  im  Januar  927  die  Trennung  rechtskräftig 
machte,  indem  er  kurz  vor  seinem  Tode  die  von  ihm  be- 
herrschten Abteien  zwischen  den  Vertretern  der  beiden  Rich- 
tongen  verteilte.^)  Es  ist  beachtenswert,  dass  die  Klöster,  welche 


Abtei  Dach  Bernos  Tode  zufiel,  noch  bei  Lebzeiten  hier  einem  anderen 
Abte  Platz  machte. 

«)  V.  Od.  I,  c.  37. 

*)  Nach  Job.  Y.  Od.  I,  c.  3  ist  Odo  15  Jahr  Mönch  gewesen.  Job. 
meint  zwar  I^  c.  3S,  dass  Bemo  intra  modicum  temp\w  starb ;  indes  ist  er 
über  Odos  Wahl  schlecht  unterrichtet. 

>)  Vgl.  Chronologia  abb.  Clnniac,  Bibl.  Ginn.  col.  1618  und  ChiiTlet, 
Vesontio  II,  t77.  Die  Cbronol.  nennt  ihn  allerdings  Bemnin,  indes  hat 
dieser  etwa  hundert  Jahr  früher  regiert. 

*)  Die  Darstellung  stützt  sich  auf  die  Vita  Od.  u.  das  in  der  Bibl. 
Clun.  coL  9  gedruckte  Testament  Bernos.  Die  Vita  Od.  I,  c.  38  spricht 
nur  von  der  V^ahl  Odos  und  fährt  11,  c.  1  fort:  Igitwr  pater  Odo  dectus 
H  abba  ordinatuSj  mox  contra  cum  praedicti  veterani  persecutores  insw- 
gunt.  nie  Oiäem  malena  locum  dare  et  beate  qiiieacere  quam  contentiose 
rirertj  derelicto  eodem  ffionasterio  et  quaequae  ibi  fuerant  a  domino 
Bernone  parat a  atque  ei  paterno  more  tradita,  abiit  Cluniacum 
etc.  Das  Testament  Bernos  kennt  Johannes  nicht;  erst  der  anonyme 
Biograph  sah  sich  genötigt,  nach  dieser  Richtung  die  Darstellung  zu 

8»oknri  ClmiiaoenMr.    L  5 


66 

im  privatrechtlichen  Besitz  Oignys  and  seines  Abtes  sich  be- 
fanden, Baume,  die  Gelle  des  hl.  Lantenns  und  die  Abbatia 
Aethicensis,  Moutier-en-Bresse>),  nebst  dem  Stammkloster  anf 
Allodialland  an  Wido  fielen,  so  dass  dieser  thatsächlich  Nach- 
folger im  Familienerbe  wurde.  Es  ist  deshalb  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  seine  Opposition  gegen  Bemo  und  Odo  die 
Rettung  seiner  Erbschaft  nicht  zum  wenigsten  bezweckte.  Ver- 
mutlich war  er  ein  Nachkomme  jenes  Laifinns,  in  dessen 
Gemeinschaft;  und  mit  dessen  Besitz  Berno  an  die  Gründung 
von  Gigny  gegangen  war,  vermutlich  darum  hatte  Wido  gehofft 
Bemos  Nachfolger  zu  werden:  dann  hatte  er  allerdings  alle 
Veranlassung,  das  Auftreten  und  den  Einfluss  Odos  mit  allen 
Mitteln  zu  bekämpfen. 

In  den  andern  Abteien,  Cluni,  Döols,  Massay,  die  sämmtlich 
zur  selbständigen  Abtwahl  berechtigt  waren,  hatte  die  Wahl 
Odos  erst  vorhergehen  müssen.^)  Wie  nun  die  älteren  Mönche 
von  Baume,  Odos  Freunde,  mit  nach  Cluni  ttbersiedelten,  so 
war  ^urch  diese  Scheidung  Odo  und  seinen  Klöstern  schon 
ihre  bestimmte  Richtung  vorgeschrieben.  Berno  hatte  selbst 
Cluni  fttr  seine  Grabstätte  ausersehen  und  wie  sehr  ihm  dieses 


modifizieren  (N.  Archiv  XV,  113.  116).  Mit  der  Urkunde  Bemos  lässt  sich 
die  Darstellung  des  Johannes  nur  wie  oben  vereinigen,  da  man  nicht  an- 
nehmen kann,  dass  Odo  sich  etwa  nach  Bemos  Tode  gegen  die  Be- 
stimmungen des  Testaments  widerrechtlich  in  den  Besitz  der  Wido  zuge- 
teilten Abteien  gesetzt  hat,  aus  denen  er  dann  vertrieben  worden  wäre. 
Dagegen  spräche  ausser  dem,  was  wir  über  seinen  Charakter  wissen, 
vor  allem  die  Thatsache,  dass  nach  dem  Hinscheiden  Bemos  zwischen 
Odo  und  Wido  nur  ein  Streit  über  den  Hof  Alfracta,  wie  wir  bald  sehen 
werden,  sich  erhebt.  Bemo  erscheint  in  den  Urk.  zuletzt  926,  6.  Aug. 
(CHOL  I,  nr.  273);  Odo  zuerst  April  926  (CHCL  I,  nr.  283).  Bruel  will  die 
Datierang:  anno  III,  regnante  BodiUfo  rege  mit  Hinweis  darauf,  dass 
Bemo  erst  am  13.  Jan.  927  gestorben  sei,  in  anno  IUI  ändern  und  die 
Urk.  927  April  setzen.  Indes  ist  das  natürlich  ganz  willkürlich.  Da  Odo 
bereits  vor  Bemos  Tode  zum  Abt  gewählt  wurde,  ist  es  nicht  auffällig, 
dass  er  bereits  926  als  Abt  auftritt  Der  Todestag  Bemos  Id.  Jan.  im 
Necrol.  ViUar.  (Bibl.  nat.  nouv.  acquis.  348):  Depositio  damni  Ber- 
nonis  abbatis  (Beilage  IV.). 

^)  Vgl.  Stramberg  bei  Ersch  und  Gruber  s.  v.  Odo;  Richard,  Hist. 
des  dioceses  de  Besan^on  et  de  Saint-Claude  I  (Besan^on  1847),  p.  96  n.  2. 

')  Bemo  drückt  sich  in  seinem  Testament  vorsichtig  aus:  Odo 
Chmiaeum  etc. . . .  auacipiat.  Eine  Originalurk.  Odos  als  Abt  von  Döois 
V.  März  939  befindet  sich  in  Paris,  Arch.  nation.  E.  16. 


67 

Stift  am  Herzen  lag,  beweist  seine  Bitte,  die  späteren  Brttder 
?on  Ciuni  and  den  Ort  selbst  nicht  zu  enterben,  wenn  Gott 
ihm  Gedeihen  schenke.    In  seiner  Urkunde  beschwor  er  Fürsten 
nnd  Lehnsherren,  sieh  seinen  Erlass  in  einem  Convent  vorlesen 
zn  lassen  nnd  die  durch  königliche  und  päpstliche  Urkunden 
privilegierten  Rechte  zu  achten.    Den  beiden  Aebten  legt  er 
Einigkeit  und  genaue  Befolgung  seiner  Vorschriften  ans  Herz.') 
Aber  noch  sollten  die  Streitigkeiten  zwischen  beiden  Parteien 
nicht  mhen.    Der  alte  Abt  von  Gigny,  der  am  18.  Jan.  927 
das  Zeitliche  segnete,  hatte  in  seinem  Testament  n.  a.  auch 
einen  Ort  Alfracta,  der  sich  im  Besitz  des  Stammklosters  befand, 
an  Clani  überwiesen,   das  damals  noch  in  durchaus  unvoll- 
kommenem   Zustande    und    sehr   arm    war.     Obgleich    nun 
König  Rudolf  von   Frankreich   bereits   am  0.  Sept.  927   die 
Uebertragung  Bernos  bestätigt  hattet),  focht  Wido  das  Testa- 
ment an,  indem   er,  gestützt  auf  einen  Satz  des  canonischen 
Rechts,  welcher  die  Einziehung  von  Kirchen-  und  Klöstergtttem 
nur  auf  eine  beschränkte  Zeit  gestattet,  den  Einwand  erhob, 
dass  die  Angabe  des  Termins  in  jenem  Schriftstück  unterblieben 
sei ;  er  entriss  der  Abtei  Gluni  mit  Gewalt  den  genannten  Hof. 
Schliesslich  kam  die  Sache  vor  den  Papst,  nachdem  Odo  wahr- 
scheinlich selbst  appelliert  hatte.    Man  kann  nicht  sagen,  dass 
die  Entscheidung  Johanns  X.  für  Clnni  günstig  ausgefallen  sei. 
In   einem   Schreiben   vom   Jahre  928   an   König  Rudolf  von 
Frankreich,  den  Erzbischof  Wido  von  Lyon,  die  Bischöfe  von 
Chalon  und  Mäeon,  die  Grafen  Hugo  und  Giselbert^),  denen 
er  Cluni  empfahl,  wurde  in  der  Bestimmung,  dass  das  Dorf 


>)  Testament  Bernos  a.  a.  0.  Characteristisch  sind  die  Unterschriften : 
Signum  Widonis  modemi  dbbatiSj  qui  hoc  consensit.  Signum  Odonis 
abbatis. 

•)  CHOL  r,  nr.  285:  quae  dicittir  la  Fracta,  q'uam  praefatus  Bemo 
de  Gigniaco  subtrahens  ad  Cluniacum . .  .  licenter  convertit^  eo  tenore  quo 
ipse  constituit, 

^)  Jaff(6-L.  nr.  357S;  Bnllarinm  Gluniacense  ed.  Symon  1680  p.  2  ge- 
druckt, wo  die  Urkunde  fiilsdilich  Johann  XI.  zugeschrieben  wird.  Vgl 
Mabillon,  Acta  SS.  V,  72.  Eine  ganz  leere  Hypothese  steUt  Gingins-la- 
Sarraz  im  Archiv  f.  schweizer.  Geschichte  IX,  1 50  auf,  wenn  er  den  Brief 
des  Papstes  filr  eine  Folge  der  Unterredung  hält,  die  im  Jahre  928  K5nig 
Hugo  von  Italien  mit  Rudolf  von  Frankreich  hatte  nnd  eines  Bttndnisses, 
das  kurz  vorher  zwischen  Hugo  und  dem  Papste  geschlossen  worden  war. 

5* 


68 

Alfracta  80  lange  im  Besitz  Glnnis  bleiben  solle,  als  von 
den  dortigen  Mönchen,  welche  in  Gigny  Profess  abgelegt  haben 
oder  dargebracht  worden,  jemand  lebe,  der  Einwand  Widos 
nicht  nur  formell  anerkannt,  sondern  zugleich  damit  ausge- 
sprochen, dass  das  Recht,  welches  Gluni  auf  den  bezeichneten 
Ort  überhaupt  habe,  nur  auf  dem  Aufenthalt  gigniacensischer 
Brüder  daselbst  beruhe.  Auf  eine  besondere  Hinneigung  Johanns 
zu  Gluni  und  seinen  Tendenzen  lässt  sich  also  aus  diesem 
Briefe  nichts  schliessen  ^),  zumal  bei  der  geringen  Bedeutung 
des  Klösterchens  die  Bestrebungen  der  Insassen  noch  wenig 
hervorgetreten  sein  können.  Und  ebensowenig  kann  das 
Freiheitsprivileg  Glunis  die  päpstliche  Entscheidung  beeinflusst 
haben,  denn  der  Papst  bemerkt  ausdrücklich,  dass  beide  Klöster 
unter  päpstlicher  Herrschaft  stünden.^)  Wenigstens  verzichtete 
Wide  gegen  den  jährliehen  Zins  von  zwölf  Denaren,  den  der 
Papst  festgesetzt  hatte,  auf  den  geraubten  Besitz,  den  er 
schliesslich  am  21.  Januar  935  ftlr  alle  Zeiten  den  Mönchen 
von  Gluni  zugestand.^) 

Gluni  war  in  Folge  des  Todes  Wilhelms  von  Aqnitanien  un- 
vollendet geblieben.*)  Noch  erhoben  sich,  so  zu  sagen,  die  Grund- 
mauern des  Baues,  den  Berno  sofort  begonnen  hatte,  im  Jahre  918 
nicht  über  die  Oberfläche  des  Bodens.*)  Die  Mittel,  welche  die 
Abtei  besass,  waren  beschränkt  Schon  die  Mitgift  des  Herzogs  wird 
als  sehr  unbedeutend  bezeichnet.  Herrengut  scheint  im  Anfang 
ganz  gefehlt  zu  haben.^)  Zu  den  ftinfzehn  Höfen,  auf  denen 
Zinsbauern  sassen''),  war  zwar  durch  Berno  einiges  hinzu- 
gekommen, indes  wuchs  die  Zahl  der  Mönche,  deren  anfangs 


1)  Wie  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  III,  306  will. 

')  Ballarium  Claniac  a.  a.  0.:  no8,  ad  qtwrum  dispositionem  utraq^ie 
loca  pertinent. 

3)  CHOL  I,  nr.  425. 

*)  Testam.  Bemonis  a.  a.  0.:  morte  domni  GviUelmi  quondam  inclyti 
dticis  atque  nunc  mea  imperfectus  deseritur. 

fi)  Anonymi  V.  Od.  (N.  Arch.  XV,  110):  Sed  heu,  pro  dolor!  necdum 
eiu8  superficies,  ut  ita  loq%iamw,  cemit%w  et  iam  sui  auctoris^  immo  potius 
parentis  gloriosissimi  viddicet  ducis  morte  viduatur, 

^)  Vita  Hugonis  Aeduensis  c.  7. 

7)  BodalfoB  Glaber,  Hiat.  III,  c.  6. 


69 

nur  zwölf  waren,  in  höherem  Grade,  als  das  VermögeD.^  Bereits 
in  den  ersten  Jahren  wurde  der  geringe  Besitz  noch  angefochten ; 
Herzog  Wilhelm  selbst  mnsste  am  30.  Oet.  913  auf  einem 
Gerichtstage  der  Abtei  ihr  gutes  Recht .  verschaffen.^)  Auch 
Berno  hatte  den  Bau  nicht  zu  Ende  führen  können  ^)  und  hinter- 
liess  die  Abtei  in  den  dürftigsten  Verhältnissen.^)  Odo  geriet 
daher  in  grosse  Verlegenheit  hinsichtlich  der  Vollendung  der- 
selben ^)  und  hatte  es  ntir  den  GeldnnterstUtzungen  seiner  aqui- 
tamsehen  Freunde  zu  danken^),  wenn  es  ihm  doch  möglich 
war,  den  unterbrochenen  Bau  wieder  aufzunehmen  und  in 
koizer  Zeit  den  Bischof,  wohl  den  von  Besannen,  zur  Weihe 
des  Bethauses  zu  laden,  die  mit  grossem  Pomp  vollzogen  wurde.^) 
Dass  die  Mönche  zeitweise  in  Geldnot  waren,  ersehen  wir  auch 
aus  einer  Urkunde,  in  der  sie  einmal,  was  unerhört  ist,  Wein- 
land  für  60  solidi  verpfänden.») 

Indes  wirkte  da»  Beispiel  des  frommen  Herzogs  an- 
feuernd auf  den  benachbarten  Adel.  Seine  Vasallen  weihen 
um  seiner  und  seines  Neffen  Seelenheil  einzelne  Grundstücke 
dem  hL  Petrus  von  Cluni  ^)  und  ebenso  thaten  andere  ländliche 
Grundbesitzer.  Am  9.  September  927  beseitigte  König  Budolf 
von  Frankreich  zum  ersten  Male  die  Rechte  der  Abtei  gemäss 
den  Bestimmungen  der  Stiftungsurkunde  und  sprach  seine 
Freude  über  die  Gründung  aus.  Die  freie  Abtwahl,  die  Sicher- 
heit des  freien,  keiner  Herrschaft  unterworfenen  Besitzes  und  der 
abhängigen  Leute  des  Stiftes  gegen  irgend  welche  Herrschafts- 
aete  andrer  wird  yerbriefk.    Die  auf  Herrengut  fälligen  Zehnten 


*)  Testam.  Bemonis  a.  a.  0.:  Et  certe  pauperior  est  possessione  et 
nwnerosa  fratemitate .  . . 

«)  CHOL  I,  nr.  192. 

')  S.  Note  3.  Dass  in  der  letzten  Zeit  Bemos  in  Cluni  noch  gebaut 
wurde,  ergiebt  sich  aus  CHCL  I,  nr.  269  (926  Mai):  Qw>d  videlicet  monas- 
teritm  iusm  ac  supplemento  piiasimi  hone  memorie  Willelmi  senioriSj 
comüis  decenter  in  ipsorum  apostolorum  honore  sub  jyrovidefitia  Bemonia 
venerabilis  abbaiis  comtruitur.    Das  Präsens  construitur  auQh  in  nr.  270. 

')  Anon.  Vita  a.  a.  0. :  Cluniacum  yytonasteritmi,  utpote  adhitc  spatio 
temporis  tenerrimum  et  posse^one  panpeyt'itnnni. 

*)  V.  Od.  II,  c.  2;  Anon.  Vita  a.  a.  0.:  Sed  qiiia,  nt  diocimmf  adhuc 
loci«  erat  pauperrinms  in  proximoj  dum  deficit  ce7i8tiSj  intet^niittittir  opm. 

*)  Job.  V.  Od.  II,  c.  2:  3000  solidi  wurden  ihm  aus  Gothien  geschickt. 

')  II,  c.  8.  ")  CHCL  I,  nr.  854.  »)  a.  a.  0.  nr.  214.  270. 


70 

sollen  sie  zam  Nntzen  ihres  Hospizes  verwendeD.  Schon  damals 
erhielten  die  Mönche  Zollfreiheit  auf  den  Märkten,  das  Recht 
auf  den  abhängigen  Hnfen  Zehnten  zn  erheben  und  das 
Terraticnm  in  ganzem  Umfange  anch  von  den  Wäldern  nnd 
Forsten,  von  denen  sie  nur  einen  Teil  wirklich  besassen.*) 
Immerhin  nennen  sich  jedoch  die  Mönche  von  Glani  noch  im 
Jahre  932  eine  sehr  kleine  Genossenschaft^)  und  in  der  That 
scheint  das  Privileg  Johanns  XL  vom  März  931 3)  dies  zu  be* 
stätigen;  nur  eine  geringe  Zahl  von  Ländereien  und  Gapellen 
kann  die  Abtei  damals  besessen  haben. 

Dennoch  ist  gerade  die  Urkunde  des  Papstes  von  höchster 
Bedeutung.  Denn  abgesehen  davon,  dass  sie  die  in  dem 
Privileg  Wilhelms  von  Aquitanien  gewährten  Freiheiten  be- 
stätigt und  die  päpstliche  Schutzherrschaft  gewährleistet,  enthält 
sie  geradezu  die  Anerkennung  des  reformatorischen  Zweckes, 
den  Odo  von  jetzt  ab  verfolgte,  Vollmachten  und  Bechte,  welche 
der  Beform  ebenso  nützlich  waren,  als  sie  dem  Herkommen 
widersprachen.  Was  vorher  nur  ungern  geduldet,  ausnahmsweise 
privilegiert  worden,  wurde  Cluni  vom  Papste  urkundlich  zuge- 
standen 4):  Odo  erhielt  einmal  das  Recht  Klöster  unter  seine 
Herrschaft  zu  nehmen,  um  sie  zu  reformieren;  andererseits 
sollten  Mönche  aus  fremden  Abteien  nach  Cluni  kommen  dürfen, 
um  Klosterzucht  zu  üben,  wenn  ihnen  ihr  Abt  den  regulären 
Unterhalt  zur  Unterdrückung  privaten  Eigentums  versage,  nnd 
zwar  auf  so  lange,  bis  das  betreffende  Kloster  die  Beform 
annähme.'*^)  Die  Mönche  irregulärer  Stifter  wurden  also  ein- 
fach der  Gehorsamspflicht  gegen  ihre  Oberen  entbunden,  und 
dem  Abte  von  Gluni  die  Möglichkeit  gewährt,  seinen  Befor- 


0  a.  a.  0.  nr.  285. 

^)  a.  a.  0.  nr.  408:  parvula  videlicet  Clunienaium  fratrum  societas, 

»)  Jaff6-L.  nr.  8584. 

*)  Die  Goncilien  verboten,  dass  ein  Abt  mehrere  Klöster  leite,  vgl. 
Conc.  Agath.  c.  38,  Decret.  Pseudois.  ed.  Iltnschius  p.  334 ;  vgl  MabUlon, 
Acta  SS.  V,»67.  Ebenfalls  im  Conc.  Agath.  c.  27  ist  untersagt,  dass  ein 
Abt  einen  fremden  Mönch  nisi  abbatis  sui  aut  pemmsu  aut  voluntate 
aufoehme. 

B)  Bnllarium  Clnniac.  p.  1 :  Si  aittem  coenobUmh  aliquod  ex  voluntate 
illoruin,  ad  qiwrum  diapositionem  pertinere  videturj  in  sua  ditione  ad  me- 
liorandum  siiscipere  ccmueritis,  nostram  licentiam  ex  lioc  habeatis  . .  .  Et 
quia,  siciit  nimis  compertum  est,  tarn  paene  cunda  mo7ui8teria  a  suo  pro- 


71 

iDifionaiweek  auch  in  weiteren  Kreisen  zu  verfolgen.  Von  der 
Planmässigkeit,   mit  der   Odo   von  Anfang  an   seinem  Ziele 
entgegenging,  zeugt  es  aber,  dass  er  zar  selben  Zeit  sich  von 
Johann  XI.    das   gleiche   Privileg  flir  D6o1b   verbriefen  liess. 
Auch  hier  wnrde   neben   der  Freiheit  von  jeder  Herrschaft, 
der  freien  Abtwahl,  dem  Zehntrecht  und  der  Fischereigerechtig- 
keit an   den  zn  den  klösterlichen  Mühlen  führenden  Wasser- 
länfen  die  Erlaubnis  gewährt,  wie  in  Glani,  Mönche  ans  jedem 
beUebigen  Kloster  aufzunehmen,  welchen  ihr  Abt  den  vorge- 
aehriebenen  Unterhalt  behufe  Abschaffung  persönlichen  Eigen- 
toms  nicht  gewähre.  0   Als  später  das  Kloster  des  hl.  Benedict 
an  der  Loire  unter  Odos  Leitung  gelangte,  Hess  dieser  dasselbe 
Privileg  auf  Fleury  ausdehnen 2)  —  ein  neuer  Beweis,  dass 
man  in  der  Abschwörung  persönlichen  Eigentums  das  wich- 
tigste Merkmal  des  neuen  reformatorisehen  Mönchtnms  zu  er- 
blicken hat 

So  war  von  jetzt  an  der  römische  Stuhl  fttr  die  Fortschritte 
der  Beform  interessiert  Zum  ersten  Mal  wurde  die  Absicht 
und  die  Berechtigung  einer  Propaganda  ausgesprochen. 


2.  Reformthätigkeit  Odos. 

Burgund. 

In  dem  Masse,   als  der  weltliche  Adel  von  dem  tiefen 
Geflihl  der  Sündhaftigkeit  ergriffen,  von  dem  Bewusstsein  der 

pimto  prtievaricanturf  concedimuSj  tU,  8%  quia  monachus  ex  quolibet  manasterio 
ad  vettram  converaationem  solo  dumtaxat  mdiorandae  vitae  stvidio  Irans- 
migrare  voluerit,  ctti  viddicet  awus  abbas  regulärem  sumptwn  ad  depeUendam 
proprietaiem  habendi  ministrare  neglexerit,  susdpere  vobis  liceai,  quousque 
monasterii  sui  conversatio  emendetur. 

0  Jaff6-L.  nr.  3585 ;  Neues  Archiv  XI,  S79 :  Forro  si  quis  monachus 
ex  quolibet  nwnasterio  ad  vistram  conversationem  solo  dumtaxat  mdio- 
randae vidae  studio  transmigrare  volueritj  cui  viddicet  abbas  suus  regu- 
lärem sumptum  ad  depellendam  proprietatem  habendi  ministrare  neglexerit, 
swcipere  vobis  liceaty  quousque  monasterii  sui  conversatio  ad  regulärem 
propositum  reparetur.  Zum  Zeichen  der  römischen  Schutzherrschaft  sollen 
alle  fünf  Jahr,  wie  von  Cluni,  5  Solidi  nach  Rom  gezahlt  werden. 

*)  Jafifi6-L.  nr.  3606.  Im  Kloster  des  hl.  Benedict  ist  jenes  Recht 
schon  UD  9.  Jahrhundert  uachzu weisen,  Arch.  hist  de  la  Gironde  V,  159. 


72 

Vergäoglichkeit  des  Irdischen  und  der  Notwendigkeit,  bei 
Zeiten  fUr  das  Seelenheil  zn  sorgen,  erfasst  wurde,  fand  Clnni 
anter  seinen  Mitgliedern  mehr  and  mehr  Förderer.  Nicht  nar 
die  Bischöfe  von  Mäcon  drängten  Gefühle  des  Neides  und  des 
Unbehagens,  die  sie  etwa  über  die  selbständige  Entwickelang 
der  Abtei  empfinden  mochten,  zarttck,  auch  die  Grafen  der 
benachbarten  Gaae  beugten  sich  in  Demnt  vor  der  Heils- 
wahrheit des  Evangeliums  und  vor  der  siegreichen  Kraft  der 
cluniacensischen  Gebete.  Graf  Letald  von  Mäcon,  der  nach- 
einander Ermengardis,  Berta  und  Bichildis  zur  Ehe  genommen 
hatte,  half  in  häufigen  Schenkungen  den  Klosterbesitz  ver- 
mehren ^)  und  ebenfalls  im  Hinblick  auf  die  Hinfälligkeit  dieses 
Lebens  und  die  ewige  Seligkeit  entäusserte  sich  Graf  Gauzfred, 
wohl  von  Nevers,  einzelner  Besitzungen  in  den  Gauen  von 
Mäcon  und  Antun.  ^)  Der  Vicegraf  Batburnus  von  Lyon  blieb 
hinter  den  Standesgenossen  nicht  zurück  3)  und  sein  Nachfolger 
Ademar  gab  wenigstens  Angriffe  auf  cluniacensischen  Besitz 
auf,  als  er  von  dem  besseren  Rechte  der  Abtei  belehrt  wurde.^) 
Besonders  lebhaftes  Interesse  nahm  das  burgundische  Königs- 
haus an  der  kleinen  Abtei  an  der  Grosne. 

Es  ist  da  Adelheid,  die  Gemahlin  des  Richard  Judiciarius 
von  Burgund,  in  den  Vordergrund  zu  stellen.  Um  sie  gruppieren 
sich  die  verschiedenen  Familien,  war  sie  doch  die  Schwester 
Rudolfs  I.  von  Juraburgund,  die  Mutter  Rudolfs  von  Frank- 
reich, Hugos  des  Schwarzen  und  Bosos.  Auch  Willa,  die  Ge- 
mahlin Hugos  von  .der  Provence,  des  späteren  Königs  von 
Italien,    stand    zu   ihr   in   verwandtschaftlichem   Verhältnis.^) 


«)  CHCL  I,  nr.  432  (April  935).  625  (März  943).  655  (Febr.  944). 
680  (März  946).    728;  II,  nr.  976  (S.Mai  955?).    1044  (4.  Jan.  958). 

«)  a.  a.  0.  I,  nr.  446  (8.  April  936).  nr.  449  (Juni  936).  511  (Juli  940). 

3)  I,  nr.  546  (1.  Oct.  942).  *)  I,  nr.  656  (28.  März  944). 

^)  Nach  Gingins-ia-Sarraz  (Archiv  f.  Schweiz.  Gesch.  IX,  219)  ist  ihre 
Herkunft  unbekannt ;  Chorier,  Bist,  de  Dauphine  I,  503  bezeichnet  sie  als 
Tochter  Rudolfs  L  von  Burgund.  L^art  de  v6rifier  les  dates  kennt 
sie  nicht.  Dass  sie  mit  Adelheid  verwandt  war,  zeigt  ihre  Erwähnung 
in  der  Urkunde  für  Romainmoutier  mitten  unter  den  Verwandten.  Es 
kann  wohl  nur  sie  gemeint  sein,  obwohl  sie  hier  regina  heisst,  ein  Tit«l, 
der  ihr  thatsächlich  nicht  zukommt,  da  sie  starb,  bevor  Hugo  König 
wurde.  Immerhin  kann  ein  derartiger  Anachronismus  in  mittelalterlichen 
Urkunden  nicht  auffallen. 


73 

Zwar  urknndet  der  König  von  Frankreich  bereits  am  9.  Sept.  927 
Air  ODser  Kloster,  doch  zeigt  seine  Matter  Adelheid  zuerst  in  der 
Urkonde,  durch  welche  am  24.  Jani  929  die  Abtei  Romainmoatier 
derLeitnng  Odos  ttbergeben  wurde,  ein  bestimmt  ausgesprochenes 
Interesse  ftLr  die  reformatorischen  Bestrebungen  Clunis. 

Den  Namen  hatte  das  Stift,  dessen  Erbauer  Chlodwig  war, 
angeblich  yon  Papst  Stephan  IL  empfangen,  der  während  seines 
französischen  Aufenthaltes  hier  abgestiegen  war.  i)  Später  war 
die  Abtei,  wie  yiele  andere,  durch  die  Bedrückungen  des  um- 
wohnenden Adels  zu  Grande  gegangen,  bis  sie  im  Jahre  888 
durch  König  Rudolf  I.  von  Burgund  in  den  Besitz  seiner 
Schwester  Adelheid  gelangte.^)  Die  Gi^fin,  welche  nach  dem 
Grebraueh  der  Zeit  sich  als  Aebtissin  der  in  ihrem  Besitz  be- 
findlichen Abtei  bezeichnet,  muss  genauere  Kenntnis  yon  dem 
Wirken  und  Schaffen  der  cluniacensischen  Brttder  erhalten 
haben.  Odo  wurde  zur  Reform  des  yerfallenen  Stiftes  aufge- 
fordert und  die  Uebertragung  am  24.  Juni  929  yoUzogen.  Die 
Mönche  yon  Romainmoatier  sollen  in  Lebensweise  und  Kleidung, 
Enthaltsamkeit,  hinsichtlich  der  Pflege  des  Psaimengesanges, 
der  Schweigsamkeit,  Gastfreundschaft,  gegenseitiger  Liebe, 
Demut  und  Gehorsam  den  Brttdern  yon  Cluni  nacheifern.  Sie 
sollen  mit  diesen  gleichsam  nur  eine  Congregation  bilden.  In 
der  Hand  des  gemeinsamen  Abtes  soll  es  stehen,  beliebig 
Mönche  aus  einem  der  beiden  Klöster  in  das  andere  zu  ver- 
setzen und  ebenso  den  Besitz  beider  beliebig  zu  übertragen. 
Das  stärkste  Band  der  Gemeinschaft  erhofft;  die  hohe  Stifterin 
von  der  Bestimmung,  dass  auch  die  guten  Werke  und  Gebete 
der  einen,  den  Wohlthätern  der  andern  Abtei,  speciell  der 
Gräfin  und  ihrem  Hause,  zu  Gute  kämen.  Durch  die  Erwähnung 
Bämmtlicher  Familienmitglieder,  deren  Seelenheil  durch  die 
Stiftung  gefördert  werden  solle,  wird  diese  zu  einem  Familien- 
heiligtum erhoben.  Adelheid  hat  ein  starkes  Vertrauen  zur 
cluniacensischen  Zucht.  Beide  Klöster  sollen  stets  unter  einem 
Abte  stehen,  gemeinschaftlich  sollen  die  Brüder  die  Wahl  vor- 
nehmen, völlige  Gleichheit  wird  zur  Bedingung.^) 

1)  Cartnlaire  de   Romainmoutier  ed.  Gingins-la-Sarraz   in   den  M6- 
iDoires  et  documents  de  la  Suisse  Romande  III,  417. 

")  a.a.O.  p.  577;  Hidber,  Schweizerisches  Urkiindenregister  nr.  821. 
*)  CHOL  I,  nr.  379;  Hidber  nr.  1000, 


t--' 


74 

Hugo  der  Schwarze  teilte  die  Wünsche  und  Oeflihle  der 
Matter.  Er  war  der  Lehnsherr  der  Grafen  von  Macon.  Letald 
nennt  ihn  951  , seinen  Herrn,  den  berühmten  Erzgrafen.*  0 
Fast  überall,  wo  am  bargnndischen  oder  französischen  Hofe 
die  Mönche  von  Glnni  als  Bittsteller  erscheinen,  widmet  ihnen 
Hugo  seine  Fürbitte  und  seinen  Einfluss.  Zuerst  interveniert 
er  gemeinschaftlich  mit  der  Königin  Emma  bei  deren 
Gemahl,  König  Rudolf  von  Frankreich,  am  1.  Juli  931.^) 
Nachdem  er  dann  nach  einem  Kampfe  mit  seinem  Schwager 
Giselbert,  dem  Nachfolger  Richards  im  Herzogtum  Borgund, 
einen  Teil  dieses  Gebietes  gewonnen  hatte  3)  und  in  Folge 
eines  Krieges  mit  Ludwig  IV.  von  Frankreich  das  Herzogtum 
mit  Hugo  dem  Grossen  zu  teilen  gezwungen  war^),  bat  er 
am  30.  Juni  939  König  Ludwig,  der  Abtei  Cluni  alle  ihre 
Rechte  und  Besitzungen  zu  verbriefen.  Damals  wurde  er  von 
Ludwig  IV.  —  ein  Zeichen  der  Versöhnung  —  als  „unser  ge- 
treuer Hugo,  Richards  Sohn,  der  erlauchteste  Mann  und  Mark- 
graf" bezeichnet.^)  Auch  am  Hofe  seines  Blutsverwandten, 
Konrads  von  Hochburgund,  findet  er  sich  im  Frühjahr  943 
ein^),  um  fttr  den  Abt  von  Cluni  zu  intervenieren  und  vor 
seinem  Richterstuhl  verzichtete  Ademar  von  Lyon  auf  die 
den  Cluniacensern  streitig  gemachten  Güter.'')  Am  1.  Juli 
946  erscheint  er  dann  wieder  in  nicht  weniger  als  drei 
Urkunden^)  unter  den  Intervenienten  bei  Ludwig  IV,   naeh- 


^)  Baluze,  Hist.  de  la  maison  d'Auvergne  II,  pr.  7.  Vgl.  auch  a.  a.  0. 
pr.  6  (ürk.  v.  Sept.  987)  und  CHCL  II,  nr.  980. 

»)  CHCL  I,  nr.  397.  898. 

3)  L'art  de  v6rifier  les  dates  XI,  85. 

*)  V.  Kalckstein,  Geschichte  dBs  franz.  Königtums  unter  den  ersten 
Capctingern  I,  199. 

'^)  CHCL  I,  nr.  499 :  fidelis  noster  HugOy  filiu8  Ricliardif  vir  iüu- 
strissitnus  et  marchio.  Daraus  geht  deutlich  hervor,  dass  Hugo  der  Schwarze 
Markgraf  war,  was  Gingins-la-Sarraz  (Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  VUI,  91) 
zu  leugnen  scheint    Vgl.  auch  Bresslau,  Jahrbücher  Konrads  IL,  li,  85. 

6)  CHCL  I,  nr.  622.  627.  628  von  März  und  April  943.  Er  ist  jeden- 
falls der  Hugo  comes  et  consangidneus  noster.  Das  erste  Mal  wird  nur 
seine  Anwesenheit  erwähnt. 

^)  CHCL  I,  nr.  656  v.  28.  März  944:  S,  Hugonis  comitis  et  tnarchianis. 

«)  a.  a.  0.  I,  nr.  688—690  (vgl.  Bibl.  Cluniac.  coL  277);  Kalck- 
stein I,  256. 


75 

dem  dieser  nach  dem  Siege  über  seine  Gegner  ganz  Francien 
erobert  hatte. 

Aqnitanien. 

Der  Mittelpunkt  des  Herzogtums  Aquitanien  wechselte,  je 
Daehdem  die  Grafen  von  Auvergne,  Toulouse  oder  Poitou  die 
Herrschaft  über  ihre  Stammesgenossen  gewonnen  und  den 
Herzogtitel  angenommen  hatten.  Zn  Odos  Zeiten  war  die 
Äovergne,  deren  Grafenhause  Wilhelm  der  Fromme  angehörte, 
das  Centrum  des  geistigen  und  politischen  Lebens. 

Schon  Iwrz  nach  der  Gründung  Clunis  hatte  der  Herzog, 
wie  wir  sahen,  Gelegenheit,  den  Besitz  der  Abtei  zu  schützen.^) 
Er  bewies  weiter  seinen  religiösen  Sinn,  indem  er  im  Nov.  917 
den  Plan  fasste,  auf  seinem  Ailod  Sauxillanges  eine  Kirche 
zn  bauen.  2)  Da  raffte  ihn  am  6.  Juli  918  der  Tod  hinweg. 
Sdn  Leib  ward  in  der  Kirche  von  Brioude  bestattet,  eines 
CanonikercoUegiats,  dem  er  als  Laienabt  vorgestanden  hatte.^) 
Sein  Neffe  Wilhelm  folgte  ihm  in  den  Grafschaften  Auvergne, 
Velai  und  Mäcon,  während  Graf  Baimund  von  Toulouse  die 
Ihrkgrafschaft  Gothien  erbte.  ^)  Am  30.  Sept.  918  tritt  bereits 
.Wilhelm  von  Gottes  Gnaden  Graf,  Nachfolger  Wilhelms  des 
Aelteren*  als  Abt  von  St.  Julien  de  Brioude  auf.^)  Das  Ghor- 
herrenstift  war  damals  in  arger  Verfassung ;  Cleriker  und  Laien 
hatten  den  geistlichen  Besitz  für  Privatzwecke  verschwendet, 
bis  am  23.  Dee.  919  der  jüngere  Wilhelm,  der  sich  jetzt  Herzog 
von  Aquitanien  nennt,  durch  eine  Verordnung,  nach  der  aller 
Besitz  gemeinsam  bleiben  solle,  dem  unerträglichen  Zustande 
ein  Ende  machte.*) 

In  politischer  Hinsicht  standen  diese  auvergnatisehen 
Grafen  zum  Hause  der  Karolinger.  Wilhelm  II.  hatte  Händel 
mit  König  Rudolf);   als  er  dann  am  16.  Dec.  926  starb,  er- 


0  ».  a.  0.  I,  nr.  192  v.  SO.  Oct.  913. 
')  Balaze,  Bist,  de  la  maison  d'Auvergne  II,  pr.  12. 
*)  Vgl.  das  Register  bei  Doniol,  Gartul.  de  Brioude  u.  oben  S.  39. 
*)  Vaissette,  Bist,  de  Langued'oc  IV,  24  ff. 
^)  Doniol  nr.  318;  Baluze  U,  pr.  17. 
*)  Balaze  H,  pr.  18. 

^  Woldemar  Uppert,   Gesch.  des   westfränkischen  Reiches  unter 
KOaig  Rudolf,  Leipziger  Dissert  1886,  p.  29.  39.  57. 


76 

kannte  anch  sein  Bruder  Acfred  das  Königtum  des  Burgunders 
nicht  an.  Er  war  empört  über  die  Schmach,  die  Karl  dem 
Einfältigen  zu  Teil  wurde. «)  Nach  Acfreds  Ende  927  oder 
Anfang  928  erfolgtem  Tode  nahmen  die  einzelnen  Gebietsteile 
eine  mehr  selbständige  Entwicklung.  Erst  in  dieser  Zeit  erfolgt 
hier  die  Einwirkung  der  klösterlichen  Reformbewegung. 

Im  10.  Jahrhundert  gab  es  keine  selbständigen  Grafen  von 
Limoges,  sondern  nur  Vicegrafen,  die  für  die  Herzöge  von  Aqui- 
tanien  die  Verwaltung  führten^);  während  der  bischöfliche  Stuhl 


*)  Vgl.  Doniol  nr.  89:  anno  tertio  que  (!)  Karolus  rex  per  infidoa 
Francos  dehonestatus  est;  nr.  107:  anno  primo  regnante  Bodulpho  rege  et 
Carolo  (!)  in  custodia  tenente;  nr.  315:  anno  quarto  quo  Francidae  in- 
honestaverunt  regem  suum  Karolum  et  contra  legem  siM  Bodulfttm  in 
regem  elegerunt;  nr.  327:  anno  quarto,  quo  infideles  Franci  principem  suum 
Karolum  propria  sede  eocturbaverunt  et  Bodulfiim  elegerunt,  Boberto  itUer- 
fecto;  CHOL  I,  nr.  286  (v.  927):  apud  Celsiniacas  anno  V,  quod  infideles 
Franci  regetn  suum  Karolum  dehonestaverunt  et  Rodulfum  in  principem 
elegerunt. 

*)  Delocbe,  Etndes  sur  la  g6ographie  historique  de  la  Gaule,  et 
sp^dalement  sur  les  divlsions  territoriales  du  Limousin  au  moyen  age 
in  d.  Mdmoires  präsentes  k  PAcadSmie  des  inscript.  2  Ser.  IV,  2.  part, 
p.  116  meint,  seit  etwa  861  wäre  der  Titel  d.  Grafen  y.  Limoges  stets 
mit  der  herzoglichen  Würde  v.  Aquit.  verbunden  gewesen,  lieber  die 
Vicegrafen  von  Limousin  vgl.  Deloche  a.  a.  0.  p.  143;  Pfister,  Etudes  sur 
Robert  le  Pieux  p.  273  ff.  Es  sagt  allerdings  Ademar  III,  25,  dass  Wil- 
helm, Ebals  Sohn,  Graf  von  Auvergne,  Velai,  Limoges  und  Poitiers  wurde. 
Was  Velai  und  Auvergne  betrifft,  so  ist  das  zunächst  nicht  richtig,  da 
die  Grafsch.  Velai  dem  Bischöfe  v.  Puy  gehörte,  wie  wir  weiter  unten 
sehen  werden,  in  d.  Auvergne  Wilhelm  aber  erst  Anfang  der  fünfziger 
Jahre  anerkannt  wurde  (CHCL  I,  nr.  825).  Was  die  Grafschaften 
Limoges  und  Poitiers  angeht,  so  hatte  er  sie  offenbar  mit  seinem  Bruder, 
dem  späteren  Bischöfe  v.  Limoges,  gemeinsam.  In  einer  Urk.  für  Ebalus 
V. Limoges  (Gallia  christ.  II,  instr.  col.  1 70)  heisst  es:  pro  quadam  terra  nostrac 
dioeceseo8  in  suo  episcopio  et  coniitatu  consistchte,  dann  col.  171  in  d.  Urk. 
betreffs  d.  Restauration  v.  St.  Maxentius  nennt  sich  Eblo,  cpiscopus 
Lemovice  civitatis  et  coincs  Pictavonwn,  annuente  fratre  ejus  \yillelmo 
duce  Aquitarwrum.  In  einer  Urk.  f.  d.  Kloster  St.  Ililarius  v.  Poitiers 
(Poitiers  942)  gehen  Ludwig  IV.  an :  Guillelmus  cotnes  et  marchio  et  frater 
episcopus  Kbohis  etc.  (IIF.  IX,  595).  Einer  derartigen  Gemeinsamkeit 
d.  Würden  begegnet  man  bei  Wilhelm  Taillefer  von  AngoulSme  und 
Bemard  v.  Perigueux,  von  denen  Ademar  IIl,  23  sagt:  conimuncm  habuerunf 
totum  honorem  eorum  ipse  et  Bemardus  consanguiifsus  ejus.    In  der  That 


77 

meist  von  Männern  besetzt  war,  die  selbst  aus  dem  höchsten 
Adel,  mit  diesem  gemeinschafUiebe  Interessen  hatten.  Zur  Zeit, 
als  Odo  die  Klosterreform  kräftig  in  die  Hand  nahm ,  zeigte 
«eh  auch  in  Aquitanien  das  Bestreben,  die  heruntergekommenen 
geistlichen  Stifter  wieder  in  die  Höhe  zu  bringen  und  nicht 
das  mindeste  Verdienst,  dass  die  cluniacensischen  Principien 
im  Westen  Frankreichs  Anklang  fanden,  wird  man  dem  Bi- 
sehofe Turpio  von  Limoges,  dem  Oheim  des  Vicegrafen  Robert 
von  AubuBBon,  zusehreiben  müssen.  Es  war  eine  alte  Freund- 
schaft zwischen  ihm  und  Odo.  Turpio  hatte  den  wider- 
strebenden Mönch  zum  Priester  geweiht  und,  als  er  einst  ttber 
die  Schlechtigkeit  des  Clerus  klagte,  zur  Abfassung  seiner 
drei  Bücher  über  Jeremias  veranlasst  0  Eine  tiefe  Ueber- 
einstimmung  in  der  Beurteilung  des  Irdischen  verband  beide.^) 
Wir  finden  beider  Unterschrift  einmal  in  einer  Urkunde  für 
ein  Canonikerstift  in  der  Auvergne.^)  Dass  Odo  Auch  Turpios 
Bruder  Aimo  nahe  stand,  wird  von  Ademar  von  Chabannes  aus- 
dTttcklieh  hervorgehoben^):  auf  Aimos  Aufforderung  schrieb 
jener  das  Leben  des  hl.  Oerald  von  Aurillac  Von  Turpio 
und  Aimo,  der  damals  Abt  von  Tülle  war,  wurde  nun  Odo  in 
Aurillac  zum  Abte  erhoben.^) 

Es  hatten  hier  zuletzt  zwei  lüderliche  Achte  eine  solche 
Misswirtsehaft  getrieben,  dass  beide  Männer,  trotz  des  päpst^ 


refoHDiren  sie  dann  gemeinschaftlich  St.  Eparch  bei  Angonl^me  und 
Wilhelm  schenkt  a.  a.  eine  Kirche  in  Periguenx  (Ademar  III,  24).  —  Die 
Vicegrafischaft  Limoges  war  übrigens  erblich.  Von  Ademar,  dem  Sohn  d. 
Vicegr.  Wido  v.  L.,  heisst  es  Mir.  S.  Bened.  ed.  Certain  p.  136:  Namque 
Lenwvudnis  nequaquam  contenttts  facuUatibuSf  ex  patema  sM  hereditate 
iwt  8uppetentibu8, 

»)  V.  Od.  I,  c.  37. 

*)  Vgl.  die  AroDga  einer  Urk.  Turpios  Gallia  Chr.  II,  instr.  167.  Sehr 
schlecht  wird  er  übrigens  in  der  Hist  monast  Userc.  bei  Baluze,  Hist. 
Tnt,  coL  826  ff.  beurteilt. 

*)  Urk.  f.  S.  Vincentius  de  Cantella  VII  Kai.  April  a.  ab  ine.  936  ind. 
Vif  a.  VIII  regn,  Ludov.  Franc,  etc.,  Gallia  Chr.  11  instr.  6. 

*)  Commemoratio  abb.  S.  Martialis  Lemoy.  bei  Labbe  I,  272:  Hie 
omiciHam  habuit  cum  aancto  Odone  abbatej  cui  imsit  edere  vitam  sancti 
Qtraldi. 

^)  Chron.  Anreliacense  bei  Mabillon,  Vetera  Analecta  II,  349:  Odo 
tenerabüia  abba»  tercivs  AwrüiacenaiB  et  Cluniaeenm  rogatue  a  Twrpione 
Lemovieenn  epitcopo  et  ab  Aimone  TtUelenae  abbate . . 


I 

J 


78 

liehen  Sehutzes,  den  dieses  Kloster  seit  seiner  Grttndang  ge- 
noss,  und  obgleich  Papst  Johann  XI.  noeh  dem  letzten  der 
Aebte  die  Immunität  der  Abtei  und  die  römische  Schatz- 
herrschaft bestätigt  hatte,  dem  Treiben  ein  Ende  zu  machen 
beschlossen.  Odo  setzte  hier  in  dem  Mönche  Arnulf  einen 
Nebenabt  ein^),  d.  h.  einen  Stellvertreter,  der  unter  seiner 
Aufsicht  die  gewöhnlichen  Abtgeschäfte  versah,  die  er  nicht 
selbst  ttbernehmen  konnte:  er  galt  aber,  wie  in  den  anderen 
Klöstern,  wo  er  dieselbe  Einrichtung  traf,  ofGciell  als  Abt  und 
unter  ihm  urkundete  König  Rudolf  von  Frankreich  fttr  die 
Freiheit  von  Aurillae.^) 

Gewiss  hatte  Odo  seinem  Freunde  Aimo  femer  die  Ueber- 
tragung  des  von  ihm  geleiteten  Klosters  TuUe  zu  danken.  Dasselbe 
war  nämlich  auf  Bitten  des  Vicegrafen  Ademar  von  Turenne^), 
der  den  Ort  bis  dahin  in  Besitz  hatte,  und  mit  Unterstützung 
des  Grafen  f^bolus  durch  König  Rudolf  dem  «sehr  frommen  Abte 
Aimo**  zur  Restauration  übergeben  und  dem  Kloster  St  Savin 
von  Poitiers  unterstellt  worden.  Als  sich  indes  diese  Unter- 
werfung als  nachteilig  herausstellte,  nahm  Rudolf  am  13.  Dec. 
933  dieselbe  zurück  und  erklärte  TuUe  von  jeder  Herrschaft 
frei.  Damals  muss  Odo  schon  seit  drei  Jahren  Aimo  ersetzt 
habend),  und  es  ist  bei  der  Tendenz,  die  in  den  chmiacensischen 
Reformen  überall  hervortritt,  nur  zu  wahrscheinlich,  dass  er 


1)  Chron.  Aureliac.  &.  a.  0.:  Kaimi  coabbatem  ArmUfum. 

^)  Chr.  Anrel.  a.  a.  0.  Bei  Lippert,  Rudolf  v.  Frankreich,  fehlt 
das  Regest. 

')  Mit  König  Odo  zerfiel  die  Grafschaft  Limoges  in  drei  Hanptteile, 
zwei  Vicecomitate  des  oberen  und  des  unteren  Teiles,  und  eine  Mark- 
grafschaft Die  VicegiUfl.  Gewalt  im  unteren  Teil  iibte  seit  der  Zeit 
Ademar  aus  dem  Geschlecht  der  Herren  von  Turenne,  selbst  Burgherr 
von  Echelles,  Baluze,  Hist.  Tutel,  p.  17. 18. 

*)  Wir  finden  Odo  im  Juli  des  8.  Jahres  und  Mai  des  9.  Jahres 
Rudolfs:  tmde  modemo  tempore  damnus  Odo  Ahhas  wna  cvtm  norma  mo- 
nachorum  ibidem  Deo  .  . .  praeessc  videtur.  Das  8.  Jahr  Rudolfs  geht  vom 
13.  Juli  930  bis  12.  Juli  93t  (vgl.  Lippert  p.  106).  Ist  die  erstgenannte 
Urk.  b.  Baluze,  Hist.  Tut.  pr.  358  vor  d.  12.  Juli  ausgestellt,  so  ist  die 
Jahreszahl  931,  ist  sie  nach  dem  13.  ausgestellt,  so  ist  die  Jahreszahl  930. 
Die  Urkunden  b.  Baluze,  Hist  Tutel,  pr.  353.  In  den  Urk.  v.  8.  Jahre 
(also  13.  Juli  930  bis  12.  Juli  931)  b.  Baluze  p.  827  u.  340  ist  Aimo  noch 
Abt.  Irrtlimlieher  Weise  IKsst  Baluze  p.  26  Odo  erst  Abt  von  Tolle, 
dann  von  Cluni  werden. 


79 

den  ändernden  Beschlnss  des  Königs  durchsetzte.  Er  hatte 
aneh  bereits  Adacins  zu  seinem  Nebenabt  ernannt.  Der  Vogt 
und  Sachwalter  des  Klosters  blieb  noch  Ademar,  der  anch  mit 
Erlaubnis  des  Abtes  einen  Teil  des  Besitzes  behielt ;  aber  nach 
semem  Tode  sollte  dieser  an  das  Kloster  fallen  nnd  dieses 
einen  anderen  Advokaten  sich  wählen  dürfen,  i)  Adacins  ge- 
hörte za  den  Heisspomen  der  Reform^),  er  ist  vielleicht  jener 
Priester  Adacins,  der  im  Jahre  930  mit  seiner  Mntter  Eiminildis 
fkir  Tnlle  nrknndete.^)  Rndolf  erwies  sich  übrigens  der  Abtei 
weiter  günstig:  am  13.  Sepi  935  verlieh  er  derselben  die  Bnrg 
Uxellodannm  in  Qnierzy,  deren  Niederreissnng  er  befahl,  da 
sie  den  Klosterleuten  lästig  wurde.  ^)  Vor  seinem  Tode  machte 
endlieh  der  Vicegraf  Ademar,  der  keinen  legitimen  Erben 
hatte,  eine  grosse  Schenkung  an  TuUe^),  „fUr  unsern  KOnig 
Rodulfus  und  unsern  Lehnsherrn,  den  Grafen  Ebalns,  mit 
deren  Einwilligung  wir  das  alles  vollendet  haben.*'  Graf 
Ebolus  nnd  sein  Sohn  Wilhelm  unterschrieben  die  Urkunde. 
Nun  blühte  das  Kloster  unter  Adacins  Leitung  erfreulich.  Der 
Grundbesitz  wuchs  und  der  Ruf  der  Abtei  stieg  von  Tag  zu 
Tage.  Nicht  nur  wurde  Adacins,  dessen  weitere  Wirksamkeit 
wir  bald  verfolgen,  mit  der  Reform  anderer  Abteien  betraut, 
sondern  aueh  nach  seinem  Tode  Jahrhunderte  später  war  das 
Ansehen  des  Klosters  befestigt  <^) 


1)  Bainze  pr.  325. 

*)  Joh.  vit.  Odon.  II,  c.  1 2 :  Ärchembaldta  . . .  Adelasiua,  viri  nempe 
opinatissimi  et  miiUorum  monachorum  patres  effecti, 

*)  Urk.  Baluze  pr.  327. 

*)  Lippert,  Reg.  22. 

^  Ans  dieser  Urk.  b.  Baluze,  Hist.  Tntel.,  pr.  333  und  der 
Rudolfe  V.  933  ersiebt  man  übrigens:  1)  dass  Ebolus  und  Rudolf  auch 
nach  932,  wo  dieser  jenem  angeblich  das  Herzogtum  Aquit.  genommen 
haben  soll,  einander  durchaus  nahe  stehen,  2)  dass  er  ilberall  nur 
Cornea  heisst,  woraus  hervorgeht,  dass  er  Herzog  v.  Aquit.  nicht  war, 
3)  dass  er  nicht  Graf  y.  Auvergne  u.  Poitiers,  wie  Ademar  sagt,  sondern 
TOD  Limoges  n.  Poitiers  war.  Was  die  Anerkennung  Rudolfs  als  König 
betrifft,  so  sagt  Lippert  p.  29  mit  Unrecht,  in  TuIle  gehen  die  Urk.  v. 
6.— 15.  Jahre  Rudolfs.  Allerdings  hat  eine  Urk.  pr.  351:  a.  VI.  regn.  Rod. 
rege.  Indes  ist  die  Zahl  sicher  falsch,  da  sich  d.  Abt  Adaeius,  der  erst 
9S3  auftritt,  damit  nicht  vereinigen  lässt.  Man  hat  wahrscheinlich  XI 
ni  lesen. 

•)  Vgl.  Balnze,  Hist  Tnt  p.  81  ff. 


80 

AdaciuB  warde  nuD  auch  Abt  in  einem  Stift,  das  einem 
etwas  anderen  Kreise  angehörte,  dem  der  Grafen  von  Angoaleme 
und  Perigueux.  Bernard  von  Perigueux  war  ein  Sohn  des 
Grafen  Wilhelm  und  ein  Bruder  Alduins  von  Limoges.  Er 
verwaltete  dann  mit  seinem  Vetter  Wilhelm  Taillefer,  dem 
Sohne  Alduins  von  Angouleme,  Angouleme  und  Perigueux, 
während  sein  Schwager  Ademar,  der  Bemards  Schwester  Sancia 
zur  Frau  hatte,  Graf  von  Poitiers  war.  Wilhelm  und  Bernard 
folgten  dem  Zuge  der  Zeit,  indem  sie  nach  der  Basiliea 
St.  Eparch  wieder  die  Mönche  zurückriefen  und  mit  den  Grafen 
und  Yicegrafen  ihrer  Territorien  dem  Kloster  eine  Schenkungs- 
urkunde ausstellten.^)  Bald  nachdem  Odo  und  dann  Adacius  das 
Kloster  Tülle  übernommen  hatten,  beabsichtigte  Graf  Beniard  und 
seine  Gemahlin  Gersindis  die  Abtei  Sarlat,  die  verfallen  war, 
einer  gleichen  Reform  zu  unterwerfen.  Odo  und  Adacius 
fUhrten  auf  ihre  Aufforderung  reformierte  Mönche  dahin.  In 
ähnlicher  Weise  wie  TuUe  wird  Sarlat  von  jeder  Hen-sehaft 
losgesprochen  und  nur  dem  Könige  zum  Schutze  anvertraut, 
aber  wichtig  ist,  dass  bei  jeder  Abtwahl  der  Einfluss  des 
Abtes  von  Cluni  gewahrt  bleibt,  durch  die  Bestimmung,  dass 
stets  sein  Rat  und  seine  Einwilligung  eingeholt  werden  mttsse.^) 
Derselbe  Graf  Bernard  von  Perigueux  hatte  auch  die  Abtei 
des  hl.  Sorus  in  Genouillac  in  Besitz.  Da  sie  ebenfalls  in 
Verfall  geraten  war,  entsagte  er  mit  Zustimmung  seiner  Familie 
seiner  Rechte  und  wies  das  Kloster  Adacius  und  dessen 
Mönchen  zu  dauerndem  Eigentum  zu,  bewilligte  freie  Abtwahl 
und  stellte  das  Stift  ohne  irgend  welche  Leistungen  in  den  Schutz 
des  Königs.^) 

In  denselben  Kreis  von  Klosterreformen  gehört  nun  auch  die 
von  Lezat,  obgleich  diese  Abtei  im  Gebiete  der  Grafen  von 
Toulouse  liegt.  Aber  einmal  hatte  Raimund  Pontius  mit  ihr 
nichts  zu  thun,  andererseits  finden  wir  unsern  Adacius  hier  als 


0  Adern.  Ilist.  III,  23  u.  24. 

*)  Urk.Bernards  Gallia  Chr.  IT,  instr.  495  a.  Mab.,  An.  Ben.  III,  405  ff.: 
«f  videlicet  ipsi  et  SHCcessores  eorum  tarn  coenobinm  giMtn  totam  abhatitan 
sine  Ulla  contradictione  teneant  et  possideant, 

s)  An.  Ben.  III,  419.  Gedr.  ist  die  Urk.  b.  Baluze,  Hist.  Tntel.  p.  30. 
(Vgl.  auch  p.  26.)  and  Archives  histor.  de  la  Gironde  V,  171.  Der  Heraus- 
geber weiss  mit  der  Urk.  nichts  anzufangen  and  setzt  sie  c.  970. 


81 

Abt,  80  dass  wir  an  dieser  Stelle  am  besten  von  ihr  reden. 
Naeh  dem  Chartular  von  Lezat  gründete  sie  der  Vieomte  Atto 
Benedict  von  Beziers,  während  seine  Frau  Amalie,  da  beide 
kinderlos  waren,  die  Abtei  Mas-6amier  stiftetet)  Er  ist  wohl 
der  Vicegraf  Ato,  der  in  Urkunden  der  Kirchen  von  Narbonne 
und  Beziers  937  2),  940  3),  942  4)  erscheint  und  auch  Ato  Vetulus 
deAmbiledo  genannt  wird.^)  Wir  finden  Adacius  944  <^),  948^) 
und  Juli  949  in  Lezat  ^)  Er  hatte  offenbar  einen  Nebenabt  Daniel, 
der  im  Febr.  und  April  945  nachweisbar  ist^)  Sein  Nachfolger 
—  Adacius  starb  im  Herbst  949 1^)  —  war  Guarinus,  der  vielleicht 
gegen  Ende  des  Jahrhunderts  noch  am  Leben  war.^^) 

Im  Jahre  936  ward  Aimo  Abt  von  St.  Martialis  in  Limoges, 
in  welcher  Stellung  er  am  9.  Mai  942  starb.  ^^)  Ohne  Zweifel 
war  um  jene  Zeit  St.  Martialis  cluniacensisch  geworden; 
wenigstens  finden  wir  einen  Freundschaf  tsvertrag,  den  Odo 
als  Abt  von  Fleury  im  Februar  942  mit  den  Achten  Aimo  von 
St  Martialis  und  Gerald  v.  Solignac  bei  Limoges  abschloss,  des 
Inhaltes,  dass  ihre  Klöster  eine  Regel  befolgen  und  als  ein 
einziger  Verband  angesehen  werden  sollen,  was  doch  nur  dann 
yerBtändlich  ist,  wenn  man  annimmt,  dass  die  beiden  aqui- 
tanisehen  Abteien  früher  oder  jetzt  cluniacensische  Institutionen 
angenommen  haben.  Ja  man  kann  mit  einiger  Sicherheit  schliessen, 
dass  sie  von  Fleury  aus,  auf  das  wir  zurückkommen,  reformiert 
worden  sind.  ^3) 

')  Hiat.  d.  Langued'oc  IV,  586.         «)  H.  d.  L.  V,  nr.  64. 

^  nr.  69.  *)  nr.  71.  »)  nr.  248.  •)  nr.  73.  "O  nr.  77. 

•)  Mab.  An.  Ben.  III,  419.  •)  H.  d.  L.  V,  nr.  76,  1  und  2. 

'^)  Juli  949  ist  er  noch  Abt  v.  Lezat;  Nov.  949  ist  bereits  sein  Nach- 
folger Bemard  Abt  v.  Tülle.    Vgl.  Br6quigny,  Table  chronoL  I,  417. 

'*)  (Derselbe?)  Guarinns  ist  nachzuweisen  961,  965,  gegen  997  H.  d. 
L  V,  nr.  96.  102.  182. 

*')  Diese  Zahlen  ergeben  sich  ans  der  Commemoratio  abb.  S.  Martialis. 
Danach  starb  Wilhelm  der  Fromme  im  19.  Jahre  der  20jährigen  Regierung 
des  Abtes  Fnlbert;  da  aber  Wilhelm  918  das  Zeitliche  segnete,  endete 
Fulbert  919.  Sein  Nachfolger  Stephan  ist  17  Jahr  Abt,  also  bis  936  und 
xwir  bis  zum  14.  Nov.  Da  nun  Aimo  6  Jahre  Abt  ist  und  am  9.  Mai 
stirbt,  folgt,  dass  sein  Todestag  der  9.  Mai  942  war.  Dasselbe  Jahr  wird  ge- 
sichert durch  die  Angabe,  dass  Turpio  tertio  post  obitum  eius  anno  gestorben 
sei  und  da  dessen  Todesjahr  944  feststeht,  kommen  wir  wieder  auf  942. 

")  Epist.  Floriac.  fratr.  b.  Mab.,  Ann.  Ben.  ni,  427. 

Saoknr,  Climiaoenier.    I.  6 


82 

In  seiner  Stellung  als  Abt  von  St.  Martialis  finden  wir 
Aimo  dann  mit  unter  denen  aufgeführt,  mit  deren  Einwilligung 
und  auf  deren  Rat  Turpio  die  Reform  von  St.  Augustin  in 
Limoges  dem  Abte  Martin  von  St.  Cyprian  bei  Poitiers  Uber- 
trug.i)  St.  Cyprian  war  Anfang  der  dreissiger  Jahre  durch  den 
Bischof  Froterius  erbaut  worden^);  in  den  letzten  Tagen  des 
Jahres  936  hatte  der  Erzbischof  von  Tours,  Odos  Freund 
Teotolo,  die  Weihe  vorgenommen,  wahrscheinlich  in  Odos 
Gegenwart.^)  Woher  der  erste  Abt  Martin  stammte,  wissen  wir 
nicht  genau ;  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  aus  einem  der 
von  Odo  reformierten  Klöster.  Nun  finden  wir  etwa  von 
936 — 942  nach  Martin  einen  Abt  Aimo  hier  4):  da  unterliegt 
es  wohl  keinem  Zweifel,  dass  es  der  Bruder  des  Bischofs  von 
Limoges  war.  Die  Vermutung  nun,  dass  auch  Martin  Be- 
ziehungen zu  Cluni  hatte,  wird  abgesehen  davon,  dass  Turpio 
und  Aimo  seine  Gönner  sind,  dass  Odos  Freund  Teotolo  das 
Kloster  St.  Cyprian  weihte,  um  so  wahrscheinlicher,  als  der 
zweite  Nebenabt  des  Martin  in  St.  Augustin  —  der  erste  hiess 
Richard  —  jener  Adacius  war,  den  wir  bereits  mehrfach  zu 
erwähnen  hatten;  zudem  ist  es  nur  zu  wahrscheinlich,  dass 
der  Bischof  von  Limoges,  der  gewiss  keine  Veranlassung  hatte, 
mit  der  Thätigkeit  Odos  und  seiner  Schttler  unzufrieden  zu 
sein,  geti'achtet  haben  wird,  in  den  verschiedenen  Klöstern 
seines  Bischofsitzes  eine  einheitliche  Regel  einzufl)hi-en. 

Dürfen  wir  also  vermuten,  dass  Martin  den  cluniacenslsehen 
Reformatoren  irgendwie  nahe  stand,  so  bietet  sich  ftlr  uns 
eine  neue  Perspective  durch  den  Hinblick  auf  einige  andere 
Reformen,  die  von  Martin  ausgingen.  Es  handelt  sich  hier 
um  die  Klöster  St.  Jean  d^Ang^ly^)  in  Aquitanien  und  Jnmi^ges 
in  der  Normandie.  Ersteres,  das  einst  in  hohem  Ansehen  im 
9.  Jahrhundert,  später  schwer  gelitten  hatte,  verdankte  seine 
Restitution  dem  Herzog  Wilhelm  von  Aquitanien,  dem  Sohne 
des  Ebolus,  der  die  Abtei  besonders  verehrte  und  beschenkte. 
Ludwig  IV.  nahm  sie  ein  Jahr  nach  der  Uebergabe  an  Martin, 

1)  Vgl.  Mab.,  Ann.  Ben.  III,  8flt. 

»)  Cart.  d.  St.  Cyprien  ( Archives  bist,  de  Poitou  III,  1 874)  nr.  3  (982—936). 

»)  Cart.  d.  St.  Cypr.  nr.  4.    Es  findet  sieb  ein  &  Odonis  auf  d.  Urk. 

*)  Cart.  d.  St.  Cypr.  nr.  184.  242.  290.  422. 

^)  Sandau,  Saint- Jean  d'Ang61y  1886  ist  ftir  uns  wertlos. 


83 

am  7.  Jaouar  942,  in  seinen  Sehatz  und  bestätigte  die  von 
Wilhelm  den  Mönchen  gewährte  freie  Abtwahl,  i)  Von  grösserer 
Bedentang  war  Martins  Einwirken  in  Jumiöges,  weil  wir  hier 
zun  ersten  Mal  die  Herzöge  von  der  Normandie,  welche  sich 
spater  als  besonders  eifrige  Begünstiger  des  Klosterwesens 
erwiesen,  fttr  die  Herstellung  mönchischer  Institute  eintreten 
sehen.  Herzog  Wilhelm  hatte  sich  Martin  mit  zwölf  Mönchen 
durch  seine  Schwester,  die  Gemahlin  Wilhelms  von  Aqnitanien, 
kommen  lassen  und  war  nun  so  froh  über  ihre  Ankunft;,  wie  es 
heisst,  dass  er  selbst  den  Oedanken  hegte,  die  Kutte  zu  nehmen, 
was  ihm  der  Abt  indessen  auf  das  Entschiedenste  untersagte.  2) 
Das  waren  die  Fortschritte,  welche  die  Reform  im  west- 
lichen Aquitanien  machte;  wir  sehen  die  Grafen  von  Poitiers 
und  Limoges,  AngoulSme  und  P^rigueux  für  sie  eintreten. 
Was  den  Osten  des  Landes  betrifft,  so  stand  er  in  der  zweiten 
Hälfte  der  dreissiger  Jahre  unter  dem  Einflüsse  Raimunds 
Pontius  von  Toulouse.  Auch  in  kirchlicher  Beziehung  sehen 
wir  ihn  an  der  Spitze  der  Bewegung;  mit  seiner  Bewilligung 
und  auf  seine  Initiative  ziehen  die  regulären  Mönche  in  ver- 
sehiedene  Klöster  des  Landes  siegreich  ein. 

Nach  dem  Tode  Acfreds  war  die  Grafschaft  Auvergne 
verwaist  Der  Herzog  ernannte  dem  Sterben  nahe  die  Vice- 
grafen  Robertus  und  Dalmacius  und  andere  der  auvergnatischen 
Vieegrafenfamilie  angehörige  Edle  zu  Testamentsvollstreckern.^) 
Indes  erscheint  wieder  im  November  930  Acfreds  Bruder 
Bemard  hier  als  Graf  *)  In  jener  Zeit  erheben  sich  die  Vice- 
grafen  von  Auvergne,  Brioude  und  anderen  Gauen  zu  grösserer 
Bedeutung.^)   Während  Dalmacius,  der,  wie  es  scheint,  Vicomte 

')  MabiUon,  Ann.  Bened.  III,  417;  Gallia  Christ.  IV,  pr.  48;  Chron. 
S.  Maxentii  (Chron.  des  ^glises  d'Anjou  p.  379)  ad  a.  944:  qtiod  coenobium 
ipse  dux  muÜwn  diligebat  et  magnia  honoribus  ditaverat, 

*)  Guiilelmi  Gemmetic.  Bist.  Nortmann.  III,  c.  7  u.  8  bei  Duchesne, 
Hist.  Kortmann.  SS.  p.  286;  Ordericas  Vitalis  ed.  Prevost  II,  p.  8  u.  361; 
Robert  de  Torigni  ed.  Delisle  I,  16;  II,  192. 

')  Balaze,  Hist  d.  1.  mais.  d'Auv.  II,  pr.  20.       *)  Baluze  U,  pr.  24. 

')  Wir  finden  gleichzeitig  in  der  Auvergne  mehrere  Yicegrafen.  So 
unterachreiben  die  Urk.  des  Acfred  für  Sanxiilanges  Robert,  Dalmacius, 
und  zwei  Wilhelm  als  Yicegrafen  (Bai.  II,  pr.  21).  Die  zweite  Gemahlin 
Roberts  I.,  Aldegardis,  war  die  Tochter  eines  Yicegrafen  Hucbert  (Bai.  11, 39), 

6* 


84 

von  Brioude  war,  den  Abttitel  annimmt  i),  den  er  während  der 
Regierang  des  Wilhelm  Capnt-Stnpae  führt,  gründet  Robert  I. 
von  Auvergne,  dessen  Vater  Ostorgins,  dessen  Matter  Asenda 
waren  ^),  ein  angesehenes  Geschlecht.  Er  selbst  hatte  vier 
Brüder  3),  die  in  den  anvergnatisehen  Urkanden  hänfig  nach- 
zuweisen sind,  and  von  seinen  beiden  Frauen  Adalgardis^) 
und  Hildegardis  oder  Aldegardis^),  welche  letztere  ebenfalls 
einem  vicegräflichen  Hanse  entstammte,  hatte  er  drei  Söhne, 
von  denen  der  eine,  Stephan,  den  bischöflichen  Stahl  von 
Clermont  bestieg,  während  Robert  seinem  Vater  in  der  Würde 
des  Vicegrafen  folgte.  Wie  sehr  diese  Familie  im  Laufe  des 
Jahrhunderts  emporstieg,  kann  man  daraas  ermessen,  dass 
Roberts  II.  Sohn  Wido  Mitte  der  achtziger  Jahre  sich  zum 
Grafen  erhob®)  und  in  den  Urkunden  als  „Unser  Verteidiger*') 
und  „Fürst  der  Auvergnaten"  ^)  bezeichnet  wird. 

80  dass  wir  in  diesen  Vicegrafen  Vertreter  des  Grafen  v.  Auvergne  in 
den  verschiedenen  Unterabteilungen  zu  sehen  haben.  Nun  figuriert  der 
Viceg^f  Dalmacius  auch  als  Abt  z.  St.  Julien  de  Brioude  (Vgl.  die  Urk. 
betreffs  Chanteuge  b.  Baluze  II,  pr.  15),  als  welcher  er  dann  regelmässig 
in  Urk.  v.  Brioude  auftritt,  so  dass  man  annehmen  muss,  dass  er  als 
Vicegraf  die  sonst  den  Grafen  v.  Brioude  zustehende  Würde  bekleidet. 
Nach  Deloche  p.  127  ff.  sind  unter  der  grossen  Grafschaft  Auvergne  zu 
unterscheiden  mehrere  Unterabteilungen,  Comitate  zweiter  Ordnung,  wie 
er  sie  nennt:  Brioude,  Turluron,  Tallende  und  Nonnette.  Indes  finde  ich 
im  Cartul.  de  Brioude  ed.  Doniol  Nonatensis  nirgend  als  comitatus,  son- 
dern nur  als  vicaria  bezeichnet  und  zwar  als  UnterabteUung  der  Comitate 
Brioude  und  TaUende,  so  dass  Nonnette  wohl  zu  streichen  ist.   Vgl.  p.  lOff. 

')  Dalmacius  abbas  begegnet  während  der  ganzen  Herrschaft  Wiih. 
Caput  Stupae  v.  957—983  als  Abt  v.  S.  Julien.    Vgl.  d.  Cart  de  Brioude. 

«)  Baluze  II,  pr.  27. 

8)  Baluze  II,  pr.  34.  35.  Robert  ist  916.  928.  927.  945.  c.  950  nachzu- 
weisen, Baluze  II,  pr.  34.  36  und  CHCL.  I,  nr.  286  u.  792. 

*)  Sie  begegnet  zuerst  am  17.  Jan.  923  (Baluze  II,  pr.  36)  B.  datiert 
aber  falsch  922;  der  17.  Jan.  fiel  923,  nicht  922  auf  einen  Freitag.  Ganz 
verfehlt  ist  die  Ansicht  von  Baluze  I,  27,  sie  sei  die  Schwester  des  erst 
962  geborenen  Odilo  von  Cluni  gewesen. 

»)  Um  950,  CHCL  I,  nr.  792.  962,  Balnze  II,  pr.  35. 

^)  Bis  c.  983  begegnet  Wilhelm  als  Graf,  Doniol  nr.  299.  Mai  980  ist 
Wido  noch  Vicegraf,  CHCL  II,  nr.  1525.  In  mehr.  Urk.  aus  der  Zeit  Lothars 
aber  schon  als  Graf:  Baluze  II,  pr.  41.  42;  Cart.  de  Sauxillanges  nr.  93.  340. 
Mithin  ist  er  c.  985  Graf  v.  Auv.  geworden. 

'')  S,  Widoni  comitis  defensoris  noatri  bei  Baluze  II,  pr.  41. 

«)  princeps  Arvemorum  ebenda  pr.  41. 


85 

Als  Anfang  der  dreissiger  Jahre  Raimnnd  Pontins  den 
benoglichen  Titel  von  Aqnitanien  annahm,  befand  er  sieh  mit 
diesen  anvergnatisehen  Adelsgesehleehtern  im  besten  Einklänge. 
Es  zeigte  sieh  das,  als  der  Propst  Cnnebert  von  St  Julien 
nach  Beratung  mit  seinen  Brüdern  und  dem  Decan  Hector 
daran  ging,  statt  des  CanonikercoUegiats,  das  sein  Vater  Claudius 
stiften  wollte,  ein  Mönchskloster  zu  errichten.  Denn  man  hatte 
sich  überzeugt,  dass  „bei  der  abnehmenden  Liebesthätigkeit 
UDd  der  immer  höher  steigenden  Flut  der  Ungerechtigkeit 
alle  Ordnung  der  Dinge  so  verwirrt  wäre,  dass  es  unmöglich 
sei,  vollständig  nach  der  canonischen  Regel  zu  leben,  daher 
wenigstens  die  Unterstützung  regulärer  Mönche  auf  göttliche 
Anerkennung  rechnen  dürfe.*  Es  zeigt  sich  nun,  wie  enge 
Bande  diese  kirchlichen  und  weltlichen  Kreise  der  Grafschaft 
verband:  Raimund  „der  Fürst  der  Aquitanier*',  der  Bischof 
Amaldus  von  Clermont,  der  Abt  und  Vicegraf  Robert  I.  und 
seine  Familie,  der  Adel  des  ganzen  Landes  wurde  befragt 
ond  gab  freudig  seine  Einwilligung  zur  Gründung  der  Abtei 
Cbanteuge.  Man  beschloss  die  Ausführung  Abt  Odo  zu  über- 
tragen; aber  da  er  auswärts  zu  sehr  beschäftigt  war  —  um 
diese  Zeit,  im  Juli  936,  wohl  in  Italien  —  wandte  man  sich 
an  seinen  Schüler  Arnulf  von  Aurillac.  In  der  am  28.  Juli  936 
ausgestellten  Stiftungsurkunde ')  wurde  den  Mönchen  nach 
Arnulfe  Tode  freie  Abtwahl  und  Freiheit  von  jeder  fremden 
Jurisdiction  gesichert  Am  5.  Dec.  941  bestätigte  Ludwig  IV. 
die  Besitzungen  des  Klosters.^) 

In  gleicher  Weise  im  Einverständnis  mit  Raimund  Pontius^) 
and  dem  anvergnatisehen  Adel  ging  Bischof  Arnald  auf  An- 
drängen des  Abtes  Bemard  an  die  Einftlhrung  duniacensischer 
Mönche  in  die  Abtei  St  AUyre  von  Clermont,  die  zwar  einen 
Abt  besass,  indes  ihrer  alten  Besitzungen  beraubt,  nicht  mehr 
emporkommen  konnte.  Auch  diese  Abtei  behielt  Odo  nicht, 
wir  finden  in  derselben  im  Jahre  937  bereits  Mancidius. 
Woher  dieser  kam,  ist  ungewiss,  indes  scheint  er  wohl  ein 
Mönch  ans  Aurillac  gewesen  zu  sein,  wie  wir  überhaupt  in 

0  ürk.  V.  28.  Juli  936  b.  Baluze  XI,  pr.  15. 
«)  H.  de  Langned.  V,  nr.  70, 
>)  GaUia  Chr.  H,  254  £. 


86 

diesen  Gebieten,  die  von  Baimnnd  Pontius  abhingen,  die  Sehnle 
Arnnlfs  reformatoriscb  thätig  finden. 

So  war  es  auch,  als  im  Jahre  937  „der  Primarch  und 
Herzog  der  Aqmtaner'^,  wie  sich  Raimund  Pontius  nennt,  mit 
seiner  Gemahlin  Gersindis  ein  Benedictinerkloster  St.  Pontius 
in  seinem  Erblande  bei  Narbonne  zu  errichten  beschloss.  Aus 
Aurillac  unter  Abt  Arnulf  liess  er  einige  Mönche  kommen, 
deren  einer,  Otgar,  von  mehreren  Bischöfen  die  Abtweihe  erhielt 
Das  Kloster  wurde  dem  römischen  Stuhl  unterworfen  und  zum 
Zeichen  dafür  ein  fünfjähriger  Zins  von  10  Solidi  festgesetzt. 
Zur  Weihe  der  Kirche  kamen  der  Bischof  Aimerich  v.  Narbonne, 
die  Bischöfe  von  Garcassonne,  Beziers,  Lodöve  zusammen, 
welche  die  Störer  des  klösterlichen  Friedens  mit  dem  Banne 
bedrohten,  eine  Bestimmung,  welche  die  Goncilsväter  von  Ausöre 
bestätigten.  Unter  den  Unterschriften  der  damals  ausgestellten 
Urkunde  bemerkt  man  einen  Odonus  indignus  abba,  neben  der 
Unterschrift  des  Abtes  Arnulf.')  Es  kann  wohl  kaum  einem 
Zweifel  unterliegen,  dass  wir  in  ihm  Odo  von  Gluni  zu  erkennen 
haben.  2)  Wir  finden  ttbrigens  sein  Signum  —  wie  es  scheint  — 
bereits  in  einer  früheren  Dotationsurkunde  des  Raimund  Pontius 
für  Saint-Pons  de  Thomi^res  vom  Nov.  936. 5)  In  einer  Urkunde 
vom  4.  April  939,  in  der  Ludwig  IV.  es  aussprach,  dass  die 
Mönche  in  keines  Richters  Gewalt  sein  sollten,  als  der  Rainmnds 
und  des  Klosterabtes,  erscheint  Odo  als  alleiniger  Abt 4)  and 
es  ist  daraus  sicher  zu  schliessen,  dass  er,  wie  anderwärts, 
die  Oberaufsicht  und  die  offizielle  Vertretung  sich  auch  in 
Bezug  auf  St.-Pons  vorbehalten  hatte.  Im  August  940  befand 
sieh  der  Abt  von  Cluni  wahrscheinlich  auf  einer  Synode  von 
Narbonne,  wo  Bischof  Aimericus  von  Narbonne  und  Rodoald 
von  Beziers  fUr  Raimunds  Kloster  urkundeten.  ^) 


*)  Hist.  de  Lang.  V,  nr.  65  §  176.  S,  Odonus  indignus  abbüf  S.  Amulfi 
indigni  abbatis. 

^)  Schon  Vaissöte,  H.  d.  L.  III,  p.  ]20  hat  die  Vermutung  ausge- 
sprochen. 

3)  H.  d.  L.  V,  nr.  63  §  173. 

*)  H.  d.  L.  V,  nr.  65:  ubi  praeest  domnus  Oddo  abba;  Die  Mönche  in 
keines  Richters  Gewalt:  nisi  ipsius  Rainmndi  et  abbatis  ejusdem  loci. 

^)  H.  d.  L.  V,  nr.  69.  In  der  Urk.  des  Aimericus  ist  Abt  Odo  unter- 
schrieben; in  der  Bodoaids,  sonst  mit  denselben  Unterschriften:  ein  Abt 
Eldo,    Gewiss  ist  hier  Odo  zu  lesen. 


87 

Sehen  wir,  wie  Raiinand  Pontius  in  der  Aavergne  Aner- 
keoDang  seiner  Würde  fand,  so  waren  dagegen  die  gräflichen 
Buchte  von  Velai  bereits  anter  Herzog  Wilhelm  IL  duroh  König 
Rudolf  von  Frankreich  im  Jahre  924  auf  den  Bischof  von 
Pay  übergegangen,  t)  Das  ist  offenbar  auch  der  Grund,  dass 
wir  von  einer  Mitwirkung  Raimunds  bei  der  Wiederherstellung  der 
alten,  ursprünglich  königlichen,  damals  im  Besitze  des  Bischofs 
befindliehen  Abtei  St.-Ghaffre  du  Monastier  nichts  hören. 
Bisehof  Wido  hatte  dieselbe  mit  Hilfe  Karls  des  Kahlen  in 
seine  Gewalt  bekommen^)  und  bis  auf  nichts  heruntergebracht^) 
Erst  sein  Nachfolger  Godescalc  unternahm  es  mit  Zustimmung 
des  Grafen  und  Markgrafen  Geilinus,  in  dessen  Gebieten 
Valence  nnd  Die  die  Abtei  grosse  Grnndliegenschaften  hatte, 
das  Kloster,  aus  dem  mit  Verlust  des  Besitzes  religiöses  Leben 
Tersehwnnden  war,  nach  der  Regel  Benedicts  zu  reformieren. 
Aach  hier  wandte  man  sich  an  Abt  Arnulf  von  Aurillac,  der 
in  dem  Mönche  Dalmatius,  über  den  er  die  Oberherrschaft 
behielt,  sich  einen  Stellvertreter  setzte.  Gewisse  religiöse 
Uebungen  fUr  ihn,  seine  Nachfolger  und  die  Abgeschiedenen 
waren  die  einzigen  Leistungen,  die  der  Bischof  den  Mönchen 
zur  Pflicht  machte.^) 

Dalmatius  verstand  es,  den  Grundbesitz  des  Klosters  zu 
Termebren  und  dasselbe  zu  neuer  Blüte  zu  erheben.^)  Dass 
er  neben  den  geistlichen  die  praktischen  Gesichtspunkte  seiner 
Gesinnungsgenossen  teilte,  lässt  sich  auch  aus  seinem  Ver- 
halten bei  der  Reform  von  Sainte-Enimie  erkennen.  In  der 
Absicht,  diese  Abtei   auf  ihren  früheren  Wohlstand  zurückzu- 


')  Oallia  cbr.  II,  instr.  221 :  untversa,  qwie  ibidem  ad  dominium  et 
potestatem  comitia  hactenus  pertinuisse  visa  sunt  etc. .  . .  consentiente 
fiddi  nostro  Guiüelmo  coniite  pro  remedio  animae  ChuiUelmi  avunculi  sui 
etc. . .  lU  mdlus  comes^  aut  judex  publicus  aut  aliqtui  aaecularis  potestas 
ihi  audeat  aliquam  exactionem  facere.  Hier  923.  —  Dat.  8.  April  924 
H.  d.  L.  V,  p.  146  nr.  49. 

«)  ürk.  V.  876  bei  Chevallier,  Chron.  S.  Tbeofridi  (1888),  app.  p.  168. 

^  VkI.  Cbron.  S.  Theofredi  c.  9  und  Chartiil  S.  Theofr.  c.  73  ed. 
ChevalKer  1888,  p.  9  u.  57. 

')  Vgl.  die  Urk.  Gallia  Christ  II,  instr.  259.  260;  Mabillon,  De  re 
diplom.  I,  589;  Chron.  S.  Theofr.  c.  58  a.  a.  0.  p.  47. 

')  Vgl.  Chron.  S.  Theofr.  c.  lü,  p.  9;  Chartul,  S.  Theofr.  e.  74flF. 
a.  a.  0.  p.  57— 6ü. 


88 

bringen,  bat  Bischof  Stephan  von  Mende  den  Abt  von  St.  Chaffre, 
den  Ort  anter  seine  Herrschaft  zu  nehmen  and  regalare  Brttder 
anzusiedeln.  Die  Antwort,  die  der  Abt.  gab,  ist  sehr  bezeich- 
nend, da  er  sichere  Bürgschaft  daftlr  verlangte,  dass  der  Ort 
im  erblichen  Besitz  von  St.  Theofried  bleibe  and  dass  die 
Aebte  dieses  Klosters  völlig  freies  Verftlgangsrecht  über  die 
Abtei  der  hl.  Enimia  hätten:  er  habe  nicht  Lust,  sagte  Dal- 
matias,  in  fremden  Angelegenheiten  oder  unter  der  Herrschaft 
eines  anderen  zu  arbeiten.  Nach  einigem  Zögern  entschloss 
sich  der  Bischof  zu  diesem  Zugeständnis.  Als  er  nun  gerade 
mit  Raimund  Pontius  und  mehreren  Clerikern  eine  Romfahrt 
plante,  schloss  sich  ihnen  Dalmatins  an,  um  zur  grösseren 
Sicherheit  die  Bestätigung  der  Uebertragung  durch  Agapit  II. 
zu  erlangen.  In  Gegenwart  zahlreicher  Bischöfe  und  des 
römischen  Stadttyrannen  Alberichs  IL  wurde  dem  Papst  die 
Sache  vorgetragen  und  von  diesem  nach  dem  Willen  des 
Abtes  geregelt.  1) 

Von  zwei  Punkten  aus  hatte  sich  also  die  Reform  vor- 
nehmlich in  Aqnitanien  verbreitet,  von  TuUe  und  Aurillac. 
Während  Odo,  nachdem  der  Grund  einmal  gelegt  war,  nur 
noch  vorübergehend  persönlich  eingriff,  pflanzten  zwei  seiner 
Schüler  Adacius  und  Arnulf  die  Bewegung  fort.  Sie  traten 
nur  als  seine  Stellvertreter  auf,  aber  da  die  von  ihnen  refor- 
mierten Abteien  meist  wieder  eine  selbständige  Stellung  be- 
haupteten, entfielen  die  Fäden  ihren  Händen.  Mit  Cluni  blieb 
keines  der  Klöster,  die  damals  sich  wieder  erhoben  hatten, 
in  engerer  Verbindung. 

Nördliches  Frankreich. 

Während  hier  im  Süden  die  Reform  selbständig  ihren 
Weg  von  Kloster  zu  Kloster  nahm,  glückte  es  Odo  auch  im 
Norden  Frankreichs  festen  Fuss  zu  fassen. 

Die  Abtei  Fleury,  St.-B6noit-sur-Loire,  teilte  im  9.  und  im 
Anfange  des  10.  Jahrhunderts  das  Schicksal  der  meisten  fran- 
zösischen Klöster.  DieNormannen  unternahmen  mehrere  Angriffe^) 


1)  Urk.  Stephans  v.  S.  Mai  951  in  der  Bist,  de  Langued  V,  nr.  80,  §  91, 
p.  211 ;  ChartuL  S.  Theofr.  c.  375  a.  a.  0.  p.  130. 

3)  Mirac.  S.  Bened.  I,  c.  34  ed.  Certain  p.  75;  c.  41,  p.  87;  II,  c.  2,  p.  96. 


89 

anf  das  alt  bertthmte,  im  Besiize  der  Gebeine  des  hl.  Benedict 
befindliehe  Kloster,  brannten  und  verwüsteten  es,  und  zwangen 
die  Mönche  zu  verschiedenen  Malen  mit  dem  Heiligen  zu 
flüchten.  Die  Grossen  des  Landes,  wie  der  Graf  Odo  von 
Orleans  1),  Hessen  es  an  Bedrückungen  nicht  fehlen;  entferntere 
Besitzungen  wurden  die  Beute  der  in  der  Nähe  hausenden 
Eriegsleute.^)  Noch  unter  Lambert,  der  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten des  10.  Jahrhunderts  die  Abtei  leitete,  drangen  die 
Nonnannen  auf  dieselbe  ein.  Nach  seinem  Tode  hatten  die 
Brttder  eine  Zeit  lang  gar  keinen  regulären  Abi^)  Sie  waren  völlig 
yerweltlicht,  die  Gewohnheit  des  Fleischgenusses,  den  die  Regel 
90  verpönte,  war  fest  eingewurzelt.  Sie  ritten  auf  Pferden 
herum,  verstanden  mit  allerlei  Waffen  umzugehen  und  verfügten 
nach  Belieben  über  den  bereits  verteilten  Klosterbesitz.  ^) 

In  dieser  Zeit  —  es  war  um  das  Jahr  930  —  war  es 
wieder  ein  Mann  von  hohem  Adel,  der  eine  Reform  ins  Auge 
fasste.  Graf  Elisiernus^)  hatte  die  Abtei  von  König  Rudolf, 
unter  dessen  Schutz  sie  stand,  in  Lehenbesitz  erhalten^)  und 
wandte  sich  nun  an  Odo  von  Cluni  mit  der  Bitte,  hier  refor- 
matorisch einzugreifen.  Ein  besonderes  Verdienst  an  der  Reform 
kam  dem  Herzog  Hugo  von  Francien^)  zu,  ohne  dass  wir  im 
Stande  wären,  dasselbe  genauer  zu  bestimmen. 


1)  Vgl.  Mirac.  S.  Benedict!  I,  c.  20,  p.  47. 

^  II,  c.  8,  p.  99. 

')  n,  c.  4:  Äbbate  Laniberto  camis  sarcina  exonerato,  aliqtiafUo 
interiecto  tempore  . . .  Odo  . . 

*)  V.  Odonis  III,  e.  8.  9. 

*)  So  nennt  er  sich  in  einer  Urk.  fttr  Flenry  vom  Nov.  942  bei 
Mabillon,  Ann.  Bened.  III,  app.  659,  während  er  in  der  V.  Odonis  Elisiardua 
beisst;  er  hat  zwei  Kinder,  einen  Sohn  Joseph  und  eine  verheiratete 
Tochter  Elisabeth.  In  einer  Urk.  v.  29.  März  945  Urkunden  die  Könige 
Hogo  und  Lothar  für  einen  Grafen  Elisiardus  und  seine  Gemahlin  Botlindis, 
Hist  patr.  Hon.  XUI,  951. 

*)  y.  Od.  III,  c.  8 :  aiidiens  infamiam  horutn  monachorumj  praedictam 
oibatiam  a  Rodulfo  rege  Francorum  petiit  et  accepit,  acceptamque  patri 
N08tro  tradidit.  Es  ist  anzunehmen,  dass  der  Graf  die  Abtei  schon  in 
Uhenbesitz  hatte  und  nach  Abt  Lambert  Laienabt  von  Fleury  war. 

')  Vgl.  die  Urk.  Leos  VII.  v.  Jan.  988  für  Fleury  (J.-L.  nr.  3606) :  comperi- 
»w,  quod  ßiu8  noster  Odo  venerabilis  abbas  in  hoc  monasterio  et  venerabilis 
vir  HugOj  videlicet  d%uc  Francorum,  ibidem  nuper  stabilienmt. 


90 

VoD  AarillacOi  wo  er  sich  gerade  aufhielt  kam  der  Abt 
Anfang  der  dreissiger  Jahre  in  Begleitung  einiger  Grafen  und 
Bischöfe  vor  das  Kloster.  Vergebens  verschanzten  sich  die 
Mönche  wie  auf  einer  Burg  und  wehrten  sich  mit  Wurfgeschossen 
und  Schilden  —  sie  erklärten  lieber  sterben  zu  wollen,  als 
einen  Abt  sich  aufdrängen  zu  lassen  — ;  vergebens  brachte 
Wulfald,  der  Unterhändler,  päpstliche  und  königliche  Privilegien 
herbei,  laut  denen  keiner  von  einer  andern  Congregation  das 
Recht  habe,  das  Kloster  zu  leiten;  vergebens  waren  die  Aus- 
wege, die  sie  planten,  den  König  zu  Hülfe  zu  rufen  oder  den 
Abt  zu  ermorden:  als  Odo  auf  einem  Esel  angeritten  kam, 
als  einige  oben  im  Kloster  ihn  erkannten,  und  vielleicht  auch 
unter  dem  Zwange  der  Verhältnisse  —  gaben  die  Mönche 
ihren  Widerstand  auf.  2)  So  kam  Odo  in  den  Besitz  von 
Fleury.  Von  einer  wirklichen  Umstimmung  und  Bekehrung 
der  Mönche  konnte  in  der  ersten  Zeit  keine  Rede  sein.  Odo 
hatte  noch  schwer  mit  ihnen  zu  kämpfen,  da  sie  weder  den 
Fleischgenuss,  noch  das  persönliche  Eigentum  aufgeben  wollten, 
und  ihn  durch  die  fortdauernde  Verschleuderung  von  Kloster- 
gUtern  sogar  in  grosse  Verlegenheit  betreffs  des  Lebensunter- 
haltes brachten.^)  Odo  weilte  seitdem  öfter  in  Fleury.  Bis 
auf  seine  Zeit  hatte  nach  römischer  Sitte  der  hl.  Benedict  in 
einem  Bleisarge  unter  einem  gewaltigen  Steinhaufen  in  der 
Erde  verborgen  gelegen ;  jetzt  liess  Odo,  um  die  Hingebung  der 
Brttder  für  ihn  zu  heben,  die  Steine  wegschaffen  und  in  der 
Höhe  der  Sarglage  eine  Grypta  anlegen,  über  der  er  einen 
Altar  des  hl.  Martin,  seines  Schutzheiligen,  errichtete.^)  In 
Fleury  hielt  der  Abt  eine  später  viel  gerühmte,  noch  erhaltene 
Predigt  auf  den  hl.  Benedict.*)    Papst  Leo  VIL  empfing  die 


^)  Mirac.  S.  Bencd.  II,  c.  4.  Auch  die  V.  Od.  III,  c.  8  deutet  an, 
dass  Odo  von  Aqaitanien  kam.  Der  Aufenthalt  in  Aurillac  bezeichnet 
sicherlich  den  Zeitpunkt  der  Reform  dieses  Klosters.  AuriUac  erhielt 
Odo  jedenfalls  vor  933  (vgl.  oben  S.  78) ;  ferner  wissen  wir,  dass  von  Fleury 
aus  die  Beform  bereits  934,  wenn  nicht  früher,  nach  St.  Evre  in  Toul  kam. 
£s  folgt  daraus,  dass  man  die  Reform  von  Fleury  an  den  Anfang  der 
dreissiger  Jahre  zu  setzen  hat. 

«)  V.  Od.  m,  c.  8.  »)  V.  Od.  III,  c.  9. 

*)  Mirac  S.  Ben.  VIII,  c.  16,  p.  275. 

^)  Mirac.  S.  Ben.  ü,  c.  4 ;  Aimoini  Sermo  in  festivitate  S.  Bened., 
bei  Johannes  a  Bosco,   Bibl.  Floriac.  p.  290;    vgl.  Haur6au,  Singularit^s 


91 

Knnde  von  der  Reform  mit  grosser  Freade.  In  der  Urkunde, 
in  der  er  dieselbe  im  Januar  938  bestätigt,  spricht  er  die 
Ueberzeugang  aus,  dass,  wenn  in  jenem  Kloster,  das  gleichsam 
Haupt  und  Anfang,  die  religiöse  Diseiplin  wieder  blühe,  auch 
die  Übrigen  wie  die  Glieder  desselben  Körpers  sich  wieder 
erheben  würden.^) 

Das  Kloster  ward  lediglich  der  Herrschaft  des  Königs 
unterworfen  und  uncanonische,  simonistische  Erhebung  des 
Abtes  verboten.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  Odo  damals  die 
Reform  noch  keineswegs  fUr  gesichert  hielt:  der  Papst  bedroht 
diejenigen  Mönche  oder  andern  Personen,  welche  durch  Störung 
der  Abtwahl,  Verletzung  des  Besitzstandes  und  Hemmung  der 
TOD  den  neuen  Brüdern  befolgten  klösterlichen  Lebensweise 
sieh  hinderlich  und  gegnerisch  erweisen,  mit  dem  Anathem. 
Es  wird  auf  die  Gemeinsamkeit  des  Besitzes  der  grösste  Wert 
gelegt  Mit  Bttcksicht  darauf,  dass  mitunter  Mönche  in  einigen 
Klöstern  darüber  klagen,  dass  sie  weder  selbst  ohne  persön- 
liches Eigentum  bestehen  können,  noch  andere,  die  es  zu  haben 
wünschen,  zu  bessern  im  Stande  sind,  bestimmt  der  Papst  auf 
Odos  Anregung,  ähnlich  wie  früher  fUr  Cluni  und  D^ols,  dass 
denen,  die  ihr  Leben  bessern  und  in  jenem  Kloster  studieren 
wollten,  die  Erlaubnis  von  ihren  Aebten  erteilt  würde,  und  zwar 
80  lange,  bis  in  ihren  Abteien  die  religiöse  Ordnung  wieder 
beigestellt  sei.  Um  dieselbe  Zeit  wohl  richtete  Leo  VU.  an 
die  Erzbischöfe  Teotolo  von  Tours,  Gerunco  von  Bourges, 
Gerlan  von  Sens  und  Artald  von  Reims  ein  Schreiben,  worin 
er  über  den  Umsturz  der  menschliehen  Ordnung  und  den 
Untergang  der  der  Religion  geweihten  Orte  klagt,  sich  mit 
der  Geistlichkeit  selbst  der  Vernachlässigung  der  religiösen 
Pflichten  beschuldigt,  und  schliesslich  die  Erzbischöfe  auffordert, 
die  Angreifer  des  Besitzes  von  Fleury  zu  excommunideren.^) 

Hatte  Odo,  wie  wir  sahen,  bei  der  Durchführung  der 
Reform  in  Fleury  mit  Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  so  hinderte 


histor.  et  iitt^r.  p.  171.  —  Sie  ist  gedruckt  Bibi.  Cluniac.  col.  138;  Bibl. 
Floriie.  p.  258;  Migne,  Patrol.  lat.  138,  721. 

*)  J.-L.  8606;  HF  IX,  220:  Spes  nobis  inest j  qula^  si  in  illo  coenobio, 
T^  t9t  qtiaai  caput  ac  principium,  observantia  religiosa  refioruerit,  cetera 
^rcwm^mqtie  poHta  quasi  membra  convtüescant. 

')  Archives  bist,  de  la  Gironde  Y,  152;  J.-L.  nr.  8610. 


92 

das  doch  nicht,  dass  eben  in  dieser  Zeit  ein  Mönch  von  Fleury 
von  Odo  znm  Abt  von  St.  Pierre-le-Vif  in  Sens  erhoben  wnrde: 
einer  Abtei,  die  eben  erst  im  März  937  bei  dem  grossen  Einfall 
der  Ungarn  verwüstet  worden  war,  nachdem  Abt  Samson  mit 
den  Mönchen  die  Reliquien  in  die  Stadt  gerettet  hatte.  ^)  Als 
sich  Alles  wieder  beruhigt  hatte,  verlangten  die  Brüder  vom 
Bischöfe  die  Rückgabe  ihrer  Heiligen  nnd  obgleich  dieser  sich 
anfangs  weigerte,  so  setzten  sie  ihren  Willen  doch  durch. 2) 
Auf  Samson,  der  bald  darauf  starb,  folgte  Odo,  der  im  Ein- 
verständniss  mit  dem  Erzbischof  Wilhelm  und  den  Mönchen 
der  Abtei  einen  Floriacenser,  Arigaud,  vorsetzte.  Kurz  nachher 
segnete  Wilhelm  das  Zeitliche,  am  14.  August  938.^) 

Das  letzte  der  nordfranzösischen  Klöster,  das  durch  Odo 
seiner  Bestimmung  zurückgegeben  wurde,  war  St.  Julien  in 
Tours.  Auch  dieses  Kloster  hatten  die  Barbaren  stark  mit- 
genommen. Fast  hundert  Jahre  ruhte  hier  mönchisches  Leben, 
da  bei  dem  Verlust  aller  Güter  niemand  bis  auf  Erzbischof 
Teotolo  an  die  Wiederherstellung  der  Abtei  dachte.*)  Den 
ersten  Schritt  dazu  that  Teotolo,  ein  ehemaliger  Mönch  von 
Cluni,  indem  er  fttr  die  Sicherheit  des  Stiftes  alle  Rechte  be- 
stätigen liess,  teils  selbst  neu  verbriefte  und  noch  im  Jahre 
933  einen  Nachtrag  machte,  als  er  bemerkte,  dass  über  ein- 
zelne Dinge,  die  Farochialrechte  der  Abtei  und  gewisse  Ein- 
künfte, Bestimmungen  fehlten.^)  Im  Jahre  937 <^)  beschloss  er  den 


1)  Chron.S.PetriVivib6iDuru,Bibl.hi8t.derYonnelI,482f.  Hier  wird 
anscheinend  die  Zerstörung  ins  Jahr  938  gesetzt.  Was  soll  sich  nicht  aber  alles 
in  der  Zeit  bis  zum  14.  August  938,  da  der  Erzbischof  starb,  ereignet  haben ! 
Der  Abzug  der  Ungarn,  die  Rückkehr  der  Brüder,  die  Weigerung  des 
Erzbischofis,  die  Reliquien  wieder  zu  geben,  die  Berufung  Odos.  Da  der 
Ungameinfall  sonst  937  bezeugt  ist,  gehören  auch  die  das  Kloster  be- 
treffenden Ereignisse  in  dieses  Jahr. 

»)  Odoranni  Translatio  S.  Saviniani  bei  Dum  II,  356—360 :  Migne  1 42, 789. 

»)  Chron.  S.  Petri  a.  a.  0. ;  Arigauds  Nachfolger  sind  Dachelm  und 
Archengarius. 

*)  Brevis  bist.  S.  Julian!  Turon.  bei  Salmon,  Chroniques  de  Touraine 
p.  222 :  monasterium  aiUem  sancti  Juliani  usque  ad  tempora . .  .  vocutun 
monachali  officio  mansit;  vgl.  Pfister,  Etudes  sur  Robert  le  Pieux,  Docum. 
in6d.  nr.  VI,  p.  LH. 

B)  Urk.  in  der  Bibl.  de  Töcole  des  chartes  1885,  p.  389. 

•)  Brev.  bist  S.  Jul.  a.  a.  0.  p.  223. 


93 

Wiederaaf bau ;  es  ist  selbstverstftndlieh ,  dass  keinem  andern 
als  Odo  die  Reform  anvertraut  wurde.  Teotolo  selbst,  ein 
durchaus  reformatorisch  gesinnter  Mann,  stattete  allein  und  in 
Gemeinschaft  mit  seiner  Schwester  Gersindis  seine  Neugrttndung 
mit  Grundbesitz  reichlich  aus^);  noch  vor  der  Vollendung  des 
Baues  schenkte  Hugo  der  Grosse  von  Francien  der  Abtei 
einige  Güter  und  im  April  940  gaben  die  Chorherren  von 
Si  Martin,  zu  denen  sowohl  Teotolo,  als  Odo  einst  gehört 
hatten,  Grundbesitz  ab.^)  Bereits  bei  Beginn  des  Baues 
strömten  vornehme  Cleriker  und  Laien,  von  der  Bewegung 
ergriffen,  herbei,  um  sich  Gott  zu  weihen. 3)  Wahrscheinlich 
Anfang  der  vierziger  Jahre  griff  Odo  hier  ein ;  von  Fleury  aus 
kam  er  nach  Tours.  *)  Unter  der  Gunst  des  Erzbischofs  blühte 
das  Kloster  auf;  als  Odo  von  seiner  letzten  Romreise  heim- 
kehrte, fand  er  bereits  über  vierzig  Mönche  vor.^)  Die  Weihe 
der  Kirche,  die  erst  am  17.  August  948*  erfolgte <^),  erlebte  er 
nicht  mehr. 

Odo  in  Italien. 

In  Italien  hatten  sich  im  Laufe  des  9.  Jahrhundert  noch 
entsetzlichere  Zustände  als  in  Frankreich  herausgebildet. 
Bereite  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  befand  sich  der  Clerus 
auf  dem  Wege  der  Verweltlichung ;  die  Wahl  der  Landgeistlichen 
war  vielfach  in  den  Händen  des  Laienadels,  der  seine  Crea- 
tnren  zu  Seelsorgern  erhob,  um  dann  mit  ihnen  gemein- 
sehaftiich  die  Kirchen  ihrer  Einkünfte  zu  berauben.^)  Mit 
Bistümern  und  geistlichen  Aemtern  wurde  ein  wahrer  Handel 
getrieben,  bei  der  Gewissenlosigkeit,  welche  als  die  Folge  der 


0  Vgl.  die  Urk.  v.  Aug.  941  ii.  April  943  ebenda  p.  397.  401.  407; 
Brev.  bist.  a.  a.  0. 

*)  Mabillon,  Ann.  Bened.  III,  app.  p.  657. 

*)  Brevis  bist.  S.  JuL  a.  a.  0.;  vgl.  Bibl.  de  T^ole  des  chartes  1885 
(Bd.  46)  p.  392.  398. 

*)  Br.  bist  p.  225 :  qui  tunc  apud  sanctum  Benedictum  tnorabattir. 

*)  Br.  bist  S.  JuL  a.  a.  0. 

*)  Br.  hist.  S.  Jul.  a.  a.  0.;  Cbron.  Turon.  abbrey.  bei  Salmon  p.  184: 
941.  Abbatia  S.  Jidiani  Turonensis  aedificatur.  Seine  Nachfolger  waren 
(Georgias  und  Ingenald. 

^  CapituL  episc.  Papiae  edita  (845—850)  c.  4,  Gapit.  reg.  Franc.  II,  82. 


Ö4 

fortwährenden  Kämpfe  unter  den  Prätendenten  und  der  Ungarn- 
and  Sarrazenenverwttstang  überall  sieh  geltend  machte.  Von 
freier  Wahl  des  Glerus  und  Volkes  war  nicht  mehr  die  Rede. 
Kinder  wurden  auf  die  Bisehofssttihle  erhoben  und  ihnen  mit 
Mühe  die  Antworten  eingedrillt,  welche  sie  auf  die  canonischen 
Fragen  zu  geben  hatten.  Die  Kirehengüter  verflogen  in  alle 
Winde.  Selbstversföndlich  ruhten  die  regelmässigen  Versamm- 
lungen des  Glerus.  Die  Simonie  wurzelte  gerade  in  Italien 
so  tief  ein,  dass  man  allmählich  verlernte,  ein  Vergehen  darin 
zu  sehen.  1) 

Während  die  vornehmen  Laien,  die  ihre  Privatkapellen 
in  der  Nähe  ihrer  Paläste  hatten,  den  Besuch  der  Pfarrkirchen 
aufgaben  und  damit  den  Ermahnungen  der  Prediger  sich  ent- 
zogen^), teilten  Bischöfe  und  niedere  Geistliche  die  scurrilen 
Freuden  des  schaulustigen  Volkes,  pflegten  das  Waidwerk  und 
andere  vornehme  Vergnügungen  und  huldigten  den  Genüssen 
einer  leckeren  Tafel.  ^)  In  einer  unerhört  üppigen  Lebensweise 
untergruben  die  hohen  geistlichen  Herren  ihre  Sittlichkeit^), 
während  die  Domcleriker  mit  ihren  Mädchen  oder  Frauen  auf 
Kosten  des  Pfründengutes  ein  unregelmässiges,  anstössiges, 
mitunter  auch  ärmliches  Hauswesen  führten.^) 

Ebenso  gewissenlos  und  frivol,  als  unwissend  war  zeit- 
weise diese  Geistlichkeit  Mangel  an  Schulen  und  Geld, 
Willkür  in  der  Besetzung  der  Kirchenämter,  welche  auf  eine 
gediegene  Vorbildung  keinen  Wert  legte,  roher  Materialismus 
hatten  den  gleichen  Anteil  an  dem  Verfall  geistlicher  Bildung.^) 


0  Vgl.  Schultz,  Atto  V.  Vercelli,  Götting.  Dissert  1886;  A.  Dresdner, 
Kultur-  und  Sittengeschichte  der  it&l. Geistlichkeit  im  10.  u.  lt.  Jahrh.,  S.51  ff. 

')  Capit.  episc.  Pap.  c.  S. 

>)  Karoli  II.  Capit.  Pap.  (876)  c.  10,  Capit  II,  S.  102;  Synodus  Pap 
c.  3.  4,  p.  117;  Maassen,  Eine  Mailänder  Synode  vom  Jahre  863,  Wiener 
Sitzungsber.  49,  306,  c.  6. 

*)  Ratheri  Veron.  Opp.  ed.  Ballerinii,  Praeloqu.  V,  6.  9.  10.  11;  vgl. 
Vogel,  Rather  v.  Verona  I,  43flF.;  Schultz,  Atto  v.  Vercelli  S.  40 ff.;  Werner, 
Gerbert  v.  Aurillac  S.  11—17;  Reuter,  GescL  der  religiösen  Aufklärung 
I,  73 ff.;  Dresdner,  Kultur-  und  Sittengesch.  S.  362 ff. 

*)  Ratheri  Sermo  XI  ed.  Ballerinii  col.  639 ;  Lib.  de  nuptu  cniusdam 
illicito  col.  427;  Synodica  col.  412 ;  vgl.  Dümmler,  Anselm  der  Peripathetiker 
p.  8  n.  2;  Schultz,  Atto  S.  46;  Dresdner  S.  317. 

«)  Vgl.  Dresdner  S.  174  ff. 


95 

Ebenso  unchriBtlich  als  heidnisch,  wussten  sie  eher  von  den 
heidnischen  Göttern,  als  von  der  Bedeutung  des  Sonntags.^) 
Heidnische  Gebräuche  und  Erinnerungen  lebten  noch  aller 
Orten ^);  seltsame  anthropomorphistische  Irrlehren  tauchten  unter 
dem  Clerus  auf.  3) 

Die  Klöster  befanden  sich  in  dieser  Zeit  in  keinem 
besseren  Zustande,  als  in  Frankreich.  Schonten  die  eigenen 
Bischöfe  Mönchs-  und  Frauenklöster  ihrer  Sprengel  bereits  im 
9.  Jahrhundert  nicht,  so  machten  die  Sarrazenen  fast  ttberall 
einem  geordneten  Elosterwesen  ein  Ende.  Die  Mönche  ver- 
liessen  mit  ihren  Schätzen  und  Reliquien,  wenn  sie  sie  nicht 
vergruben,  die  Abteien,  suchten  im  Ganzen  *)  oder  in  einzelnen 
Trupps  an  verschiedenen  Orten  eine  Zuflucht^),  wo  sie  ent- 
weder dem  Feinde  zum  Opfer  fielen,  oder  in  gelockerter  Zucht 
verweltlichten.«)  Die  Besitzungen  lagen  verwüstet,  verwahr- 
lost Wo  nicht  die  Grossen  sich  wie  Raubvögel  auf  das 
verlassene  Kirchengut  gestürzt  hatten,  war  doch  die  ansässige 
Bevölkerung  gelichtet  oder  verschwunden,  so  dass  jede  Boden- 
bestellung aufhörte.^)  Was  die  Sarrazenen  an  Gebäuden  mit- 
unter verschont,  fiel  christlichen  Marodeuren,  die  hungrig  das 
Land  durchstreiften,  zum  Opfer.  ^)  In  der  Not  wurden  Abteien, 
wie  Monte  Gassino,  S.  Vincenzo  am  Volturno,  Peschiera  von  dem 
Landadel  abhängig,  indem  die  Kachlässigkeit  der  Achte  die  Ver- 
schleuderung des  Kirchengutes  beförderte.  Hier  und  da  erhoben 
sieh  zwar  im  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts  schon  wieder 
Klöster  zu  neuem  Leben;  es  fehlte  nicht  an  wohlmeinenden 
Aebten,  die  sich  mit  Eifer  an  die  Wiedereinbringung  des  verlorenen 


0  Vgl.  Batheri  Synodica  col.  409.  410.  4 18. 

>)  Vgl.  Dfimmler,  Anselm  S.  7  n.  38 ;  Schultz,  Atto  S.  45 ;  Dreadner 
S.  26.3  ff. 

>)  Rstheri  Veron.  sermo  II.  de  qnadragesima,  col.  593.  596. 

*)  z.  B.  die  Cassinenser. 

»)  z.  B.  Destr.  Farf.  c.  3,  SS.  XI,  534. 

«)  V.  Job.  Gorz.  c.  20,  SS.  IV,  342:  aed  et  vix  in  ipsa  Italia  midie- 
batur,  in  qt40  regtUaris  vitae  diligentia  servaretur;  Odo  wird  von  s.  Schiller 
JobaDDca  gefragt:  9%  taniMm  intra  Italiae  fines  moimisticus  ordo  corruisset 
(V.  Od.  m,  c.  1). 

')  Vgl.  Chron.  Vultiim.  bei  Muratori,  SS.  rer.  Ital.  I,  b,  418. 

«)  Destr.  Farf.  c.  3,  SS.  XI,  533:  accidit,  ut  quidam  latrunculi 
ehriatianif  qui  kiic  iUttcqtie  diacurrebant  inopiae  causa,  ihi  devenirent  noctu. 


96 

Besitzes  machten.  Aber  der  Mangel  an  Arbeitskräften^)  ftlr 
die  Bewirtschaftung  und  die  immer  sich  wiederholenden  Un- 
fälle, die  Ueberzahl  der  Schlechten  und  Gewaltthätigen  ver- 
hinderte eine  stete  gedeihliche  Entwickelung.  In  Monte  Gassino 
scheint  um  das  Jahr  930  nur  noch  eine  kleine  Schaar  gerade 
Spuren  eines  regulären  Lebens  bewahrt  zu  haben  ^),  während 
die  grössere  Zahl  der  Brüder  auf  den  Rat  des  Abtes  Johannes 
einer  Einladung  der  capuanischen  Fürsten  nach  Gapna  gefolgt 
war.  Atenulf  und  Landulf  schalteten  jetzt  frei  im  Patrimonium 
des  hl.  Benedict,  während  unter  der  milderen  Luft  von  Gapua 
die  klösterliche  Disciplin  sich  lockerte  und  die  Mönche  ihre 
Gelübde  arg  vergassen.^)  In  Farfa  hatten  sich  die  Mönche 
vor  den  Sarrazenen  in  drei  Abteilungen  geflüchtet:  erst  Baffred, 
den  König  Hugo  eingesetzt  haben  soll,  begann  den  Wieder- 
aufbau der  Abtei  und  bemühte  sich,  den  alten  Besitzstand 
derselben  wieder  zusammenzubringen;  seine  Ermordung  durch 
Campo  und  Hildebrand  machte  auch  dieser  kurzen  Blüte  von 
Farfa  ein  jähes  Ende.^)  In  Subiaco  hatten  die  Sarrazenen 
arg  gehaust;  mit  allem  beweglichen  Eigentum  des  Klosters 
waren  die  Urkunden  sämmtlich  ein  Raub  der  Flammen  ge- 
worden.^) Die  Abtei  am  Voltumo  war  durch  die  Sarrazenen 
ebenfalls  in  solche  Bedrängnis  gekommen,  dass  die  Mönche 
zufrieden  waren,  als  die  Fürsten  von  Gapua  ihnen  ein  Terrain 
zum  Klosterbau  übergaben.^)  Um  nur  in  den  Besitz  von  Geld 
zu  gelangen  zur  Vollendung  des  Baues  und  Loskaufung  der 


1)  Chron.  Vultum.  a.  a.  0. 

*)  y.  Johannis  Gorz.  c.  25:  cumque  ipsis  servis  Dei  aliquod  dies 
renun-atus  sancti  propositi  (im  Text  falsch  praepositi)  vestigia,  que  ibi 
nonnuUa  supererantf  curiosüis  exploravit.  Wohl  unrichtig  ist,  wenn 
Johannes  Biograph  die  Abtei  ^ congregatione  monachorum  frequentem'  nennt; 
es  können  damals  nur  einzelne  Mönche  sieb  in  dem  Stammkloster  aufge- 
halten haben,  da  der  Abt  mit  den  Brüdern,  wie  wir  wissen,  in  Gapua 
lebte.  Oder  sollte  der  Besuch  Johanns  noch  vor  die  Uebersiedelung  zu 
setzen  sein? 

3)  Epist.  Agapiti  II.  ad  Landulfnm  bei  Gattula^  Hist.  abbat.  Cassin., 
Venetüs  1738,  I,  190;  Migne  133,  913;  Tosti,  Storia  della  badia  di  Monte- 
Gassino,  Napoli  1842  t  143. 

*)  Destr.  Farf.  c.  5. 

»)  Urk.  Leos  VII.  v.  11.  Juli  936,  Regist.  Subiac.  n.  17. 

ö)  Ghron.  Vultum.,  Muratori  I,  b,  408. 


97 

in  sarrazenische  GefangenschafI;  geratenen  Brüder,  wurde 
lebendes  und  totes  Inventar  zu  jedem  Preise  auf  Emphyteuse 
aosgeliehen.  Auch  hier  folgte  im  Anfange  des  10.  Jahrhunderts 
eine  allmähliche  Erholung.  In  trostloser  Lage  waren  die 
römischen  Klöster  in  der  Zeit,  in  der  eine  Theodora  und 
Marozia  Rom  und  den  römischen  Stuhl  beherrschten;  es  ist 
begreiflich,  dass  für  die  römischen  Abteien  nichts  geschah. 
Dann  erhob  sich  Alberich,  Marozias  Sohn,  zum  Stadttyrannen : 
,er  war  zu  schrecklich",  sagt  ein  römischer  Mönch  ^);  , schwer 
lastete  sein  Joch  auf  den  Römern  und  auf  dem  heiligen 
apostolischen  Stuhl/  Weltliche  und  geistliche  Gewalt  riss  er  an 
sich  im  Patrimonium  Petri ;  höchstens  nach  aussen  gestattete  er  den 
Päpsten  einige  Freiheit.^)  Die  Klöster  hatte  er  völlig  in  seiner 
Herrschaft.  Die  Güter  waren  im  Besitz  seiner  Dienstmannen  ^), 
oder  von  dem  benachbarten  Landadel  weggenommen  worden.^) 
Die  Gebäude  waren  verfallen,  nur  in  wenigen  mochten  über- 
haupt noch  Mönche  in  karger  Lebensweise,  roher  Unbildung^) 
nnd  wilder  Regellosigkeit <^)  ihr  Dasein  Fristen;  in  anderen 
waren  gewiss  Chorherren''),  wie  so  häufig,  an  ihre  Stelle 
getreten. 

In  dieser  Zeit  kam  Odo  nach  Rom.  In  dem  Königreiche 
Ludwigs  des  Blinden  hatte  sich  nach  dem  Tode  seines  Vaters 
Theobald  Graf  Hugo  solches  Ansehen  zu  erwerben  gewusst, 
dass  er  die  erste  Stelle  an  der  Seite  des  Königs  einnahm.^) 
Seinen   Kämpfen    gegen    die  Sarrazenen,    welche   im  Streite 

')  Benedict!  Chron.  c.  32,  SS.  III,  p.  716. 

')  Vgl.  Gregorovius,  die  Münzen  Alberichs,  des  Fürsten  und  Senators 
der  RiSmer,  Müncbener  Sitzungsber.  Phil.-bist.  Gl.  1885,  p.  27—45. 

*)  Benedicti  Chron.  c  33,  SS.  III,  716:  et  rebus  ecclesiarum  in  hassa- 
Mico  a  fidelibus  prindpis  fuerat  concessa, 

')  ib.:  rebus  vero  monasteriorumj  que  ablata  erant  dtidum  a  pravis 
hominibus. 

*)  Das  zeigt  die  Sprache  Benedicts. 

•)  Bened.  Chron.  c.  33 :  tnaocime  servitot'e^  huiw  monasterii  cama- 
littr  rivant;  Destr.  Farf.  c.  7:  ad  regulärem  reducet'e  normam,  quam 
(oniserafU  in  vastatione  praedicta  paganorum;  für  St.  Hellas  in  Nepi  vgl. 
Job.  V.  Od.  III,  c.  7. 

0  Ans  einer  dieser  Abteien,  vielleicht  St.  Paul,  brachte  er  den 
Ctnonicus  Johannes  nach  Cluni. 

*)  Gingins-Ia-Sarraz  im  Arch.  f.  schweizer.  Gesch.  IX,  115. 

Saokar,  ClnniMMiiMr.    I.  7 


98 

der  Parteien  von  der  einen  ins  Land  gerufen  worden  waren  0 
nnd  sich  in  den  Jahren  912 — 920  naeh  den  Seealpen  und  den 
angrenzenden  Gebieten  gestürzt  hatten,  ging  ein  reger  Eifer 
für  die  Wiederherstellung  der  Klöster,  welche  unter  den  Ver- 
heerungen am  meisten  gelitten  hatten,  zur  Seite.  ^)  Inzwischen 
intrignierte  er  in  Italien;  seine  verwandtschaftlichen  Verbin- 
dungen mit  den  Herren  von  Toscana  und  Ivrea,  das  Wirken 
seiner  Mutter  nnd  seiner  Schwester  bei  den  italienischen 
Grossen  und  Bischöfen,  die  gedrückte  Lage  der  Päpste  unter 
der  Herrschaft  Alberichs  und  namentlich  Johanns  X.  Be- 
günstigung unterstützten  ein  Unternehmen,  das  ebenso  gewagt 
war,  als  es  Macht  und  Ruhm  versprach.  Im  Jahre  926  empfing 
Hugo  die  italienische  Königskrone.  Durch  die  Heirat  mit 
Marozia,  welche  den  römischen  Stuhl  beherrschte,  verstand  er 
seinen  Einfluss  in  Rom  zu  sichern. 

Erst  in  der  folgenden  Zeit  ist  er,  so  viel  wir  wissen, 
einige  Male  für  Cluni  eingetreten.  Im  Juni  932  vereinigte  er 
seine  Bitten  mit  denen  des  Abtes,  um  von  Johann  XI.  die 
Bestätigung  des  Besitzstandes  von  Cluni  zu  erwirken.^)  In 
derselben  Urkunde  überwies  der  Papst  an  Cluni  die  Abtei 
Charlieu,  die  von  Johann  VIII.  am  12.  Juli  878  in  den  päpst- 
lichen Schutz  aufgenommen  worden  war*);  vermutlich  hat  man 
vorzüglich  in  dieser  Uebertragung  einen  Erfolg  seiner  Fürsprache 
zu  erblicken.  Zwei  Jahre  später  nrkundeten  Hugo  und  sein  Sohn 
Lothar  zu  Gunsten  unserer  Abtei,  der  sie  die  Höfe  Savigneux  und 
Ambörieu  überwiesen.*)  Sie  gingen  selbst  den  römischen  Stuhl  mit 
der  Bitte  an,  jene  Schenkung  mit  den  dazu  gehörigen  Kirchen, 
Ländereien,  Weinbergen,  Häusern,  Feldern,  Wiesen  und  Weiden, 
Obst-  und  Fruchtgärten,  Brunnen,  Quellen,  Bächen  u.  s.  w.  zu 
bestätigen.  <^)    Und  wieder  sehen  wir  die  beiden  Könige  für 

^)  Liutprandi  Antapod.  I,  c.  4. 

»)  St.  Peter  in  Vienne:  Urk.  Hugos  v.  914  in  HF  IX,  B89:  ff  u* 
ipse  locus  in  pristinimi  quondam  statum  et  nionachorum  habitatione^n 
penitusposset  restitui  et  reforrnari . . .  libentissimo  reddidi  animo;  Romans: 
Arch.  f.  Schweiz.  Gesch.  IX,  127;  St.  Andr6-le-Bas,  das  er  920,  Dec.  23 
beschenkt,  Forsch,  z.  D.  Gesch.  X,  32S;  vgl.  auch  Chorier,  Hist.  de 
Dauphine  I  (1878)  552  ff;  5Ü3. 

3)  J.-L.  nr.  3568  v.  25.  Jnni  932;  Bibl.  Clun.  p.  2. 

*)  J,-L.  nr.  3175;  N.  Arch.  XI,  473. 

»)  CHOL  I,  417,  «)  J.-L.  nr.  3598. 


99 

Odo  bemüht,  als  Leo  VII.  im  Januar  938  die  Freiheit  Clunis 
Yon  jeder  weltliehen  Herrschaft,  sowie  die  freie  Abtwahl  in 
einer  Urkunde  verbriefte:  »aus  Liebe  ftlr  unsere  Söhne "*,  wie 
der  Papst  sieh  ausdrückt,  ,,die  Könige  Hugo  und  Lothar,  die 
wie  wir  vernommen  haben,  jenen  Ort  sehr  begünstigen.*^  i) 

Inzwischen  hatte  die  Entzweiung  mit  Alberich,  dem  Sohne 
der  Marozia,  den  König  im  Jahre  932  genötigt,  die  Stadt  zu 
yerlassen,  in  der  sein  Stiefsohn  von  nun  an  Alleinherrscher 
war.  Rachedürstend  sann  er  darauf,  sich  wieder  in  den  Besitz 
Roms  zu  setzen.  Er  rückte  vor  die  Stadt  und  indem  er  das 
umliegende  Gebiet  verheerte,  bedrängte  er  Alberich  einige 
Jahre  vergeblich  durch  fortwährende  Angriflfe.^)  Wann  Odo 
damals  nach  Italien  kam,  ob  ihn  einer  der  beiden  Gegner 
oder  der  Papst  mit  der  Friedensvermittelung  beauftragte,  oder 
ob  er  ans  freien  Stücken,  nur  um  den  Frieden  herzustellen 
vnd  die  Stadt  von  der  feindlichen  Bedrängnis  zu  befreien, 
mh  der  Aufgabe  unterzog,  Alberich  und  Hugo  zu  versöhnen, 
wissen  wir  nicht.  Beide  Parteien,  von  denen  die  eine  Mangel 
an  Nahrungsmitteln  und  Pferden  litt,  die  andere  durch  die 
Belagerung  schwer  geschädigt  wurde,  mochten  das  gleiche 
Interesse  am  Frieden  haben.  Ungewiss  ist  aber,  ob  Odo  um 
die  Beendigung  des  Krieges  im  Jahre  936  verdient  war*),  der 
damit  absehloss,  dass  Hugo  seine  Tochter  Alda  dem  Gegner  zur 
Ehe  gab,  selbst  aber  auf  den  Besitz  Roms,  sei  es  freiwillig, 
sei  es  gezwungen,  verzichtete.^) 

Immerhin  sehen  wir  Odo  damals  zum  ersten  Male  in  Rom 
f&r  die  Reformsache  wirken ;  seit  dieser  Zeit  fasst  die  Reform 
festen  Fuss  auf  römischem  Gebiet.    Es  ist  sehr  bemerkenswert, 


')  J.-L.  BF.  8605 ;  Bull.  Clun.  p.  -I :  deinde  etiam  pro  dilectione  filiomm 
«osfromm,  videlicet  regum  Hugonis  atque  filii  ipsitis  Lothariij  qni  locum 
ipsum,  ut  audivirmiSj  multum  fovent. 

*)  Liatprandi  Antapod.  III,  c.  45;  IV,  c.  2;  Flodoardi  Ann.  933: 
fl«^  rex  Ttaliae  Roniam  obsidet. 

*)  V.  Od.  II,  c.  9:  Tempore  praeterito  dum  Romuleam  urbem  ob 
inimidtiam  AWerici  iam  fati  prificipis  praedictus  Hugo  rex  obsideret, 
coepii  tue  intra  extraque  discurrere,  et  pacis  concordiaeque  monita  inter 
Htrosque  disneniinare,  quatenu8  posnet  fwoi-em  praedicti  regis  uedare  et 
praedictam  urbeni  tiieri  a  tanta  obsidi&ne.  Die  Belagerung  dauerte  drei 
J&hre;  in  welche  Zeit  Odoa  Verhandlung  fällt,  wissen  wir  nicht. 

*)  Liutprandi  Antapod.  IV,  c.  3;  Flodoardi  Ann.  9S6. 

7* 


100 

dass  gerade  Alberich,  der  die  Päpste  jeder  politischen  Sorge 
enthob,  die  Bestrebungen  Odos  so  lebhaft  begünstigte.  Das^ 
er  es  lediglich  aus  religiöser  Gesinnung  gethan  habe,  fällt 
einer  Natur  wie  der  seinigen  gegenüber  schwer  zu  glauben. 
Vielmehr  wird  ihn  bei  der  Rückgabe  von  Kirchengut  und  der 
Beförderung  der  Reform  auch  die  Absicht  geleitet  haben,  die 
auf  den  Klostergütern  hausenden  Barone  und  seine  eigenen 
auf  Klosterländereien  sitzenden  Dienstmannen,  die  ihm  schliess- 
lich nur  selbst  gefährlich  werden  konnten,  zu  vertreiben  und 
dem  wüsten  Raubgesindel  vor  den  Thoren  Roms  und  in  der 
Campagna^)  die  friedliche  Culturarbeit  frommer  Klosterbrüder 
entgegenzusetzen.  So  viel  scheint  immerhin  sicher,  dass  er 
und  nicht  etwa  die  Päpste,  die  nur  auf  seinen  Wink  handelten, 
die  Reform  ins  Leben  riefen.  Er,  der  Schreckliche,  .begann 
ein  Pfleger  der  Klöster  zu  sein'' 2),  sagt  in  seiner  naiven  Aus- 
drncksweise  ein  ungebildeter  Mönch  von  St.  Andreas.  Und 
Leo  VIL,  der  allerdings  ganz  in  seiner  Gewalt  war,  nennt  ihn 
einmal 3)  «den  barmherzigen  Albericus,  unsern  geliebten  geist- 
lichen Sohn  und  ruhmreichen  Fürsten  der  Römer,  der  getroffen 
durch  die  Reue  des  Herrn  feurigen  Sinnes  allen  in  heiligen 
Orten  Gott  Dienenden  selbst  dient.*' 

Eine  ganze  Anzahl  unter  römischer  Herrschaft  stehender 
Abteien  wurde  unter  Mitwirkung  Odos  neu  aufgebaut,  wieder- 
hergestellt und  von  der  Regel  ergebenen  Klosterbrüdern  be- 
siedelt Es  wird  uns  berichtet,  dass  Alberich  den  Abt  von 
Cluni  zum  Oberabt  über  sämmtliche  römische  und  Rom  be- 
nachbarte Klöster  gesetzt  habe.^)    Diese  Thätigkeit  des  Abtes 


*)  Beispiele  in  Joh.  V.  Odonis  II,  c.  9.  10.  19.  20;  Od.  Coli.  U,  c.  29. 
Die  Räuber  müssen  ein  ganzes  Gebiet  oceupiert  haben,  von  dem  aus  sie 
Ausfalle  machten.   Vgl.  V.  Od.  II,  c.  20 :  Her  haben»  mxta  praedomwn  fines. 

')  Benedicti  Chron.  c.  33. 

3)  Urk.  V.  2.  Aug.  937  im  Reg.  Sublac.  nr.  16,  p.  45;  Iffitttr  quia 
tnisericors  Albericus  conpu7ictu8  domini  conp%mctione,  noster  dilectus  spiri- 
tualis  filius  et  gloriosus  princeps  Bomanorum  cognovimi4S ,  illum  ardenti 
aninio  otnnibus  sanctia  in  locis  diligenter  Deo  sennentibm  desetTire  et 
indigenti  largifluam  ad  cenovii  tUilitatetn  copiam  prevere, 

♦)  Destr.  Farf.  c.  7,  SS.  XI,  p.  536:  Ut  de  Gaüia  faceret  venire  Oddonem 
aanctum  abbatetn,  qui  tunc  temporis  Clunia4:iim  gtibemabat  monasteri%wn, 
quod  lAsque hodie viget in  religione ;  et  eum  archimandritam  constituit 
super  euncta  ntonasteria  Eomae  adiacentia. 


101 

Ton  Clani,  der  fast  jährlich  seitdem  nach  Rom  kam,  ist  in 
den  einzelnen  Fällen  chronologisch  meist  nicht  mehr  festzu- 
stellen. 

Das  erste  römische  Kloster,  das  seine  Einwirkung  erfahr, 
scheint  St.  Panl  gewesen  zn  sein.  Die  Reform  desselben  wird 
bald  Alberich  t),  bald  Leo  VII.  and  seinen  „  Ständen ''^)  zage- 
schrieben;  aber  Leo  handelte  ja  nur  im  Einverständnis  mit 
dem  Stadtherm  and  hatte  vermatlich  mit  Odo  unterhandelt, 
der  im  Sommer  936  seine  Reise  antrat.  Noch  im  Juni  desselben 
Jahres  weilte  er  bei  seinem  Freunde  Adhegrin,  der  noch 
immer  in  der  Einsiedelei  ein  kärgliches  Dasein  fristete,  um 
sich  Rat  zu  holen.  Damals  berichtete  Adhegrin  über  eine 
seltsame  Vision  des  hl.  Martin,  der  ihm  am  19.  Juni,  demselben 
Tage,  an  dem  Ludwig  IV.  von  Frankreich  zum  König  gesalbt 
wurde,  erschienen  war. 3)  In  St.  Paul,  wo  Odo  von  jetzt  ab 
wohl  alljährlich  weilte^),  wurde  einer  seiner  Schüler,  Balduin, 
znm  Abt  erhoben.^)  Alberich  Oberwies  dem  Abte  von  Cluni 
auch  seinen  Palast  auf  dem  Aventin,  in  dem  er  selbst  geboren 
war,    zur    Stiftung    eines    Klosters  <^),    dessen    Abt    ebenfalls 


0  Benedioti  Ghron.  c.  33. 

*)  Joh.  V.  Od.  I,  c.  27:  Ante  hoc  fere  quinquennitMn  dum  pater 
Odo  Eomam  pergeret,  %d  monasterium  intra  ecclesiam  beatissimi  PaiUi 
apostolif  ut  olim  fuerat^  reaedificarety  cogente  domno  papa  et  universis 
ordinibus  sacrae  sedis  . . .  Ueber  die  Reform  auch  Dest.  Farf.  c.  7: 
Monasterium  in  sancto  Pmdo  maiore  tutic  ordinavit. 

')  Allerdings  wird  I,  c.  27  nicht  ausdrücklich  gesagt,  dass  Odo  in 
demselben  Jahre  da  war.  Der  Sinn  der  Erzählung  ist  aber  der,  dass  der 
hL  Martin  dem  Eremiten  am  Rrünungstage  Ludwigs  erschienen  sei  und 
ihn  aof  das  betreffende  Ereignis  aufmerksam  gemacht  habe.  Dann  heisst 
es  weiter:  Ad  probandam  tarnen  kuiua  rei  fidetn  adfuit  pater  Odo  fide- 
Imimwi  arbiter,  qui  dietn  illum  et  horam  annotari  iiissit  et  ita  postmodum 
omnia  diligenter  requirens  facta  reperit,  ut  ipse  praedixit  Das  hatte 
nur  einen  Sinn,  wenn  es  unmittelbar  nach  der  Vision  geschah.  Dazu  kommt, 
dass  Adhegrin  alle  Sonn-  und  Festtage  nach  Cluni  kam;  er  würde  also 
Odo  die  Vision  längst  erzählt  gehabt  haben,  wenn  man  die  Reise  wegen 
des  ante  hoc  fere  quinquennium  938  setzen  wollte  mit  Rücksicht  darauf,  dass 
Johannes  im  Jahre  943  schrieb.  Wie  das  fere  andeutet,  war  der  Autor 
über  den  Zeitpunkt  nicht  ganz  im  klaren. 

*)  940:  V.  Od.  11,  c.  22;  942:  V.  Od.  II,  c.  21. 

*)  II,  c.  21.  22;  vgl.  Destr.  Farf.  c.  7;  Leo  Ost.  I,  c.  58;  II,  c.  1. 

•)  Destr.  Farf.  c.  7:  suamque  donium  propriam,  ubi  ipse  natus  est, 
Homae  positam  in  Aventino  monte  concessit  ad  mofi^erium  construendwn, 


102 

Baldnin  wurde  0;  hier  erhob  sich  die  Abtei  St.  Maria,  in  der 
später  die  Aebte  von  Clnni,  vermatlich  wegen  der  hier  vor- 
handenen geeigneten  Räumlichkeiten,  regelmässig  abstiegen. 
Andere  römische  Abteien,  die  Odo  reformierte,  waren  St.  Lorenz 
ausserhalb  der  Stadtmauer  im  Osten  und  Santa  Agnete  eben- 
falls im  Osten  der  Stadt.  3)  Von  einigen  anderen  von  Alberieh 
ins  Werk  gesetzten  Reformen  wissen  wir,  ohne  von  Odos 
Tbätigkeit  unterrichtet  zu  werden,  die  doch  zweifellos  überall 
anzunehmen  ist 

So  erfolgte  in  dieser  Zeit  die  Beform  des  römischen 
Klosters  St.  Andreas^)  auf  dem  Glivus  Scaurus,  dessen  Güter 
Vasallen  des  Fürsten  als  Lehen  in  Besitz  hatten,  während  die 
Mönche  ein  wenig  ehrbares  Leben  führten.  Zum  Abt  erhob 
Alberich  Leo,  der  zuletzt  Arzt  und  Priester  an  der  Kirche 
St.  Philipp  und  Jakob  gewesen  war.  Alberich  restituierte  der 
Abtei  den  alten  Besitz  mit  den  Klöstern  St.  Silvester  und 
St.  Stephan  in  Mariano,  während  Leo  St.  Andreas  mit  Festungs- 
werken und  Türmen  befestigte  und  auch  ausserhalb  Roms 
Grundbesitz  erwarb.  In  Nepi  hatte  das  Kloster  eine  Gelle 
des  hl.  Gratilian,  eine  andere  in  Rom  unweit  der  Kirche 
St.  Apollinaris.  Auf  dem  Scaurusberge  errichtete  der  Abt  in  Ver- 
bindung mit  seinem  Kloster  eine  Kirche  der  hl.  Jungfrau;  er 
restaurierte  endlich  die  Kirchen  des  hl.  Andreas  an  der  Tiber 


quod  tiaqiie  ad  praesens  stare  videttMr  in  honore  safictae  Mariae . . ;  942  in 
Aventino  monasterio  fxiit  nach  V.  Od.  II,  c.  21.  Das  Kloster  liegt  auf  dem 
westlich  nach  dem  Flusse  abfallenden  Abhänge  des  Berges. 

*)  Destr.  Farf.  c.  7 :  Ihi  denique  praeposuit  discipuluM  suum  vcfiera- 
bilern  abbateni  Balduimim.    Vgl.  V.  Od.  II,  c.  21. 

*)  Destr.  Farf.  c.  7;  Bened.  Chron.  c.  33:  Aedificavit  niofiastenum 
sa^icti  Laurentii  tn  agro  Verano  et  mo7iasterium  sancti  Pauli  apostoli, 
rebus  vero  fnonasteriorum  que  ablata  erant  dudum  a  pravis  honiinibuSj 
restituit,  Benedict  nennt  Odo  gar  nicht;  er  weiss  nur  von  Alberichs 
Bestrebungen.  Da  wir  nun  bei  einer  Anzalil  der  von  ihm  genannten 
Abteien  von  Odos  Tbätigkeit  wissen,  so  werden  wir  mit  Recht  sie  auch 
da  annehmen  können,  wo  eine  anderweitige  Bestätigung  zufällig  fehlt. 

3)  Das  folgende  nach  Bened.  Chron.  c.  33.  Von  Johannes  wird  die 
Abtei  V.  Od.  II,  c.  9  erwähnt:  Interea  quadam  rfic,  dum  iuxta  tnonaMerittm 
beati  Andreae  apostoli  iret,  qtwd  Ad'Clivimi'Scauri  dicitnr  ex  nomine .  .  . 
Wir  werden  um  so  eher  geneigt  sein,  Odos  Beteiligung  an  der  Reform 
anzunehmen. 


103 

nod  St.  Angelo  auf  dem  Monte  Grifianello.  Damals  verdankte 
aach  die  von  den  Sarrazenen  eingeäseheii;e  Abtei  Sabiaeo 
Älbericbs  Anregung  ibre  Beform.  Am  11.  Jali  936  erneuerte 
der  Papst  die  verbrannten  Privilegien,  bestätigte  Besitz  nnd 
Rechte  und  sprach  seine  Absicht  einer  Wiederherstellung  des 
Klosters  aus,  „ftir  welches  auch  die  irdische  Liebe  des  er- 
lauchten Mannes  und  seines  inniggeliebten  getreuen  Alberich 
in  der  Glut  himmlischer  Liebe  entflammt  sei.*"  ^)    Am  2.  August 

937  sprach  Leo  der  Abtei  das  Castell  Subiaco^),  am  9.  Febr. 

938  das  Kloster  auf  dem  Monte  Gelio^),  beidemal  wieder  auf 
Intervention  Alberichs  zu.  Im  nächsten  Jahre  bestimmte  der 
Papst  wieder  Güter  ftlr  die  Wiederherstellung  des  Ortes  und 
den  Unterhalt  der  Mönche.^)  Noch  in  demselben  Monate,  im 
Mai  939,  gewährte  er  die  Erlaubnis,  für  sacramentale  Hand- 
langen einen  beliebigen  Bischof  dem  römischen  Stuhl  vor- 
zuschlagen. ^)  Und  zwei  Jahre  später,  am  25.  Juni  941, 
arknndeten  bereits  die  Könige  Hugo  und  Lothar  im  Kloster 
der  hl.  Agnes  vor  der  Stadt  flir  Subiaco.  *)  Wie  sehr  Alberich 
wirklich  die  Landbarone  und  Dienstmannen  in  Schranken  hielt 
and  die  Klöster  schützte,  erhellt  aus  den  Beschwerden  der 
Mönche  von  Subiaco,  welche  im  Mai  958  über  die  Unbilden 
klagten,  die  sie  seit  dem  Tode  des  Herrn  Alberich  durch  die 
Bargmannen  von  Subiaco  litten.')  Damals  war  die  Abtei 
mächtig  und  reich ;  neben  dem  ausgedehnten  Grundbesitz 
standen  die  Klöster  der  hl.  Barbara  und  des  hl.  Erasmus  unter 
dem  Abte  von  Subiaco.  967  werden  die  Abteien  S.  Angelo 
und  St.  Michael  am  Sangro  neben  anderen  Gellen  als  Depen- 
denzen  aufgeführt.^)  Vielleicht  ist  der  Abt  Leo,  der  Subiaco 
bis  959  leitete,  identisch  mit  dem  gleichnamigen  römischen 
Abt  von  St  Andreas  auf  dem  Scaurusberge,  den  Alberich 
seitdem  besonders  protegierte. 

*)  U  regesto  Sublacense  ed.  L.  Allodi  e  G.  Levi,  Roma  1S85  n.  17, 
p.  46:  ubi  etiam  amor  magnifici  viri  ac  dilectisainio  nostro  fideli  Alberici 
CQfykdifi  ardore  flagraturj  tarn  eius  subgeatio^iij  quamque  et  twatrCy 
clementie,  vigilanti  animo  . . .    J.-L.  3597. 

*)  Ibid.  n.  16,  p.  43.  ^)  ib.  n.  24,  p.  63. 

*)  ib.  n.  19,  p.  52:  pro  restauratione  eittsdem  sancH  loci  et  fnibsten- 
tatüme  monaclwrum.    Ürk.  v.  27.  Mai  939.    J.-L.  3619. 

»)  n.  23,  p.  62.  0)  jj  1^  p.  3.  7)  n.  20,  p.  54. 

*)  Urk.  Ottos  L  V.  11.  Januar  967,  II  reg.  Snblac.  n.  8,  p.  4. 


104 

Sieher  bezeugt  ist  OdoB  persönliehe  Wirksamkeit  bei  der 
Beform  des  St.  Eliasklosters  in  Nepi,  wo  auch  die  Mönche 
vom  Scaurusberge  Grundstücke  hatten.  Odo  ordinierte  hier 
einen  seiner  Mönche  Theodoardus  zum  Propst,  der  mit  den 
Brüdern,  die  am  Fleisehgenuss  festhielten,  bitter  zu  kämpfen 
hatte.*)  Und  ebenso  wird  uns  von  einem  allerdings  vorläufig 
vergebliehen  Versuch  Odos,  in  Farfa  Wandel  zu  schaffen,  be- 
richtet. Hier  führten  Campo  und  Hildebrand,  die  Mörder  des 
Abtes  Ratfred,  eine  wahre  Schandwirtschaft,  der  eine  verhei- 
ratet im  Kloster,  gevnssenlos  Abteigttter  verschleudernd  und 
seine  Familie  damit  versorgend,  der  andere  auf  fetten  Pfründen 
mit  Söhnen,  Töchtern  und  Dirnen  vom  Klosterbesitz  zehrend.  ^) 
Während  nun  nach  der  einen  Nachricht  Farfa  von  Älberich 
dem  Abte  vom  Andreaskloster  unterstellt  wurde  ^),  ordnete 
nach  der  anderen  Odo  seine  Mönche  nach  Farfa  ^)  ab,  um  dem 
Treiben  Campos  ein  Ende  zu  machen.  Natürlich  jagte  der 
Besuch  dem  biederen  Abte  einen  nicht  gelinden  Schrecken  ein ; 
man  erzählte,  er  habe  in  seiner  Wut  die  Absicht  gehabt,  die 
fremden  Brüder  in  den  Betten  mit  Messern  umbringen  zu  lassen. 
Wie  das  Verhältnis  zum  Kloster  des  hl.  Andreas  aufzufassen 
ist,  ist  sehr  zweifelhaft;  man  wird  an  Versuche,  von  dort  aus 


*)  V.  Od.  III,  c.  7:  Eodem  quoque  tempore  concessit  nobis  iam  prefattis 
Älbericits  princepa  monasterium  sancti  Heliae,  qui  Subpentonia  dicitur  .  .  . 
Uo8  quo8  ibi  repperimus  nwnachoSf  i\on  quibamus  eos  si^trcüiere  ab  esu 
carnis.  Ordmarit  auteni  pater  noster  in  eodetn  cenobio  prepositum  unum 
ex  7W8tri8  fratribus  nomine  Tfiex)doarduni.  Die  Reform  dieses  Klosters 
scheint  940  erfolgt  zu  sein,  da  Johannes  im  c.  6,  an  das  er  die  Erzählung 
anschliesst,  von  seiner  und  Odos  Trennung  gesprochen  hat,  die  damals 
erfolgte. 

ä)  Destr.  Farf.  c.  5.  6.  Vgl.  über  Campo  den  Catal.  abbat.  Farf. 
SS.  XI,  586;  II  regesto  di  Farfa  di  Gregorio  di  Catino  edd.  Giorgi  e 
Balzani,  III  (Roma  1883)  n.  407,  p.  85.  —  Ueber  Hildebrand  Catal.  abb. 
a.  a.  0.;  Reg.  Farf.  n.  406,  p.  84.  Vgl.  Jung,  Forsch,  z.  D.  Gesch. 
XIV,  426.  • 

^)  Bened.  Chron.  c.  33:  Addens  eis  nwnasteriumj  qui  diciturÄcutianum, 
qiii  est  in  more  sancte  Dei  genitricis  setnperque  virginis  Marie  territorio 
Savinense.  Erat  cnim  quedam  Campo  abbas  in  hunc  mo7ia8teriOf  cum 
fratribiLS  suis,  liibricosns  suis  corporibus.  Ita  Leonem  in  suis  regimcn 
erexit  duobv>8  annis.  Leider  wehrt  sich  die  Rohheit  des  Lateins  gegen 
jede  genaue  Wortkritik. 

*)  Destr.  Farf.  c.  7. 


105 

in  Farfa  Ordnnng  zu  schaffen,  zu  denken  haben.  ^  Sret  im 
Jahre  947  2)  warf  Älberieh  Gampo  ans  Farfa  herans,  indem  er 
hier  Dagibert  von  Camae  ab  Abt  einsetzte,  jedenfalls  einen 
Mann,  der  vollständig  der  reformatorischen  Richtung  angehörte. 
Freilich  banste  der  eine  der  beiden  Spiessgesellen  noch  lange 
auf  Abteigtttem  and  trotz  der  Bemühnngen  Alberichs,  die  von 
Hildebrand  entrissenen  Besitzungen  wieder  beizubringen,  gelang 
es  erst  im  Jahre  971  ^),  nachdem  auch  Dagibert  952  durch  Qift 
geendet  hatte,  den  alten  Sünder  zu  beseitigen. 

Lässt  sich  auch  Odos  Wirksamkeit  nicht  bei  allen  diesen 
Reformen  bestimmt  nachweisen,  so  berechtigt  doch  seine 
Stellang  zu  Alberich,  das  Ineinandergreifen  der  einzelnen 
Factoren  und  die  Berichte  der  Quellen  auf  einen  bedeutsamen 
Einflass  seinerseits  zu  schliessen,  namentlich  wenn  wir  an- 
nehmen, dass  ihm  Alberich  die  Oberleitung  aller  römischen 
Abteien  anvertraut  habe.  Dazu  kommt,  dass  von  jetzt  ab 
zahlreiche  Urkunden  Leos  VII.  für  seine  enge  Verbindung  mit 
dem  römischen  Stuhl  und  seinen  Einflnss  auf  denselben  zeugen. 

Vielleicht  war  es  schon  auf  der  ersten  Reise,  als  ihm  der 
Papst  zwischen  dem  1.  Sept.  936  und  dem  31.  August  937  mit 
Berufung  auf  das  Rechtsverhältnis,  in  welchem  Cluni  zum  rö- 
mischen Stuhle  stand,  in  drei  verschiedenen  Urkunden  die  Höfe 
Savigneux  und  Amb^rieu  —  diese  auf  Intervention  der  Könige  Hugo 
and  Lothar  —  ferner  die  Gurtes  Escutiola  und  Gaviniae  bestätigte, 
Besitzungen,  welche  wohl  besonders  angefeindet  und  deshalb  von 
Leo  gegen  Belästigungen  energisch  in  Schutz  genommen  wurden.^) 
Im  Janaar  938  war  Odo  sicher  persönlich  wieder  in  Rom.  Er 
erhielt  vom  Papste  eine  Urkunde  ftir  Gluni^),  in  welcher  die 
Freiheit  der  Abtei  von  jeder  andern,  als  der  päpstlichen 
Herrschaft  verbrieft,  das  Wahlrecht  der  Mönche  und  die 
Immunität  der  Besitzungen,  namentlich  der  Gharlieus  bestätigt 
wurde.    Ebenso  Hess  er  sich  die  Rechte  und  Besitzungen  von 


*)  Vgl.  Giorg],  U  regcsto  di  Farfa,  Archivio  della  societa  Romana 
di  Btoria  patria  II  (1879),  418. 

»)  Destr.  Farf  c.  8;  Reg.  Farf.  III,  n.  408,  p.  85. 

»)  Durch  Otto  L;  Reg.  Farf.  III,  n.  426,  p.  97. 

*)  J.-L.  3598 — 3600;  quod  iuri  satwtae  Ronianae  atque  apostolicae 
ecclesiae  nobisque  subiectum  est. 

»)  J.-L.  3605. 


106 

D^ols  von  neuem  Bichern  nad  ia  dieselbe  ürkande  die  Be* 
stimmang  anfnehmen,  dass  nach  seinem  Tode  ein  Abt  gewählt 
werde,  welcher  die  früher  getroffenen  Einrichtungen  in  gött- 
lichen, wie  menschlichen  Dingen  aufrecht  erhielte,  die  gemein- 
same Lebensweise  bewahre  und  den  Brüdern  nach  Kräften 
mehr  zu  nützen,  als  über  sie  zu  herrschen  strebe.^)  Nicht 
minder  sorgte  Odo  fttr  Fleury;  am  9.  Januar  stellte  ihm  der 
Papst  die  obenerwähnte  Urkunde  aus  und  sicher  in  derselben 
Zeit  erliess  er  das  Schreiben  an  die  Erzbischöfe  von  Tours, 
Sens,  Bonrges  und  Keims,  welches  den  Schutz  und  die 
Sicherheit  des  floriacensischen  Besitzes  bezweckte.^)  Ein 
Brief,  der  teilweise  an  dieselben  Kirchenfllrsten,  aber  auch  an 
viele  andere  gerichtet  ist  und  sich  auf  die  Sicherheit  des 
eben  durch  Arnulf,  vermutlich  den  Schüler  Odos,  reformierten 
Klosters  St.  Maria  di  Bipoll  bezieht^),  düi-fte  nicht  weniger 
dem  Einfluss  Odos  zu  verdanken  sein.  Ganz  zweifellos  war 
er  es  aber,  der  den  Papst  zu  einem  Schreiben  an  Herzog  Hugo, 
den  Abt  von  St.  Martin  *)  in  Tours  veranlasste.  Nachdem  nämlich 
die  Chorherren  von  Si  Martin  in  die  Stadt  verlegt  worden 
waren,  hatte  das  Kloster  von  dem  Zulauf  von  Weibern  nicht 
freigehalten  werden  können.  Auch  die  Ummauerung  des 
Stifts  namentlich  zum  Schutz  gegen  Feuersgefahr  hatte  nach 
der  angedeuteten  Richtung  nicht  nur  nichts  genützt,  sondern 
die  Sache  noch  verschlimmert,  da  bei  der  Nachlässigkeit  der 
Pförtner  die  Frauen  um  Wasser  zu  schöpfen  in  den  Burghof 
eindrangen  oder  nach  Belieben  ein-  und  ausgingen.  Odo  hatte 
an  diesem  Uebelstande  solchen  Anstoss  genommen,  dass  er  ihn 
in  einer  um  diese  Zeit,  wahrscheinlich  im  Jahre  937  gehaltenen 
Predigt  über  den  kurz  vorher  erfolgten  Brand  von  St.  Martin 
in  Tours  zur  Sprache  brachte.^)  Da  der  Papst  eben  in  dem- 
selben Monat,  in  welchem  er  so  oft  für  Odo  urkundete,  in  ganz 
ähnlichen  Wendungen  als  dieser  sich  an  den  Abt  von  St.  Martin 


»)  J.-L.  3603.  5.  Jan.  Gedruckt  Neues  Arch.  XI,  S.  3S0 :  qui  consue- 
ttidines  a  prioribus  histitutas  tarn  in  divinis  actibus,  quam  et  in  hunianis 
plenarie  conservetj  ut  siciU  dictum  est,  c(fnimuniter  vivat  et  fratribiiSj  prout 
poturritj  prodesse  magis  qiuim  praeesse  st^ideaf. 

s)  Siehe  oben  S.  91. 

3)  J.-L.  3611.  *)  J.-L.  3604. 

ß)  Vgl.  Excurs  IL 


107 

mit  der  Forderong,  dem  Unwesen  ein  Ende  za  machen,  wandte, 
unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  Odo  den  apostolischen 
Vater  hier  inspirirte.  Ganz  seiner  Einwirkung  entspricht  das 
Lob,  das  der  Papst  in  der  Urkunde  dem  hl  Martin  und  seinem 
berttbmten  Collegiatstift  zollt,  indem  er  schliesslich  bemerkt,  dass 
der  Ort,  an  dem  der  hl.  Martin  ruhe,  yon  alters  her  nicht 
nur  beim  gewöhnlichen  Volke,  sondern  auch  bei  den  erlauch- 
testen Königen  und  Fürsten  Gegenstand  grosser  Verehrung 
war,  „wie  einige  von  Euch  aus  persönlicher  Kenntnis  wissen/  ^) 
Da  uns  genau  dasselbe  Odos  Biograph  Johannas,  der  es  von 
Odo  selbst  hatte,  erzählt,  so  kann  über  den  Gewährsmann  des 
Papstes  ein  Zweifel  nicht  mehr  obwalten. 

Hinter  allen  diesen  Urkunden  —  so  ziemlich  den  einzigen, 
die  Leo  VIL  in  dieser  Zeit  ausstellte  —  steckt  also  e  i  n  Mann, 
nämlich  Odo.  Zugleich  aber  tritt  in  ihnen  der  Schmerz  des 
Papstes  über  die  unglücklichen  Zeitereignisse,  seine  Freude 
ttber  die  Beform  einzelner  Abteien'^),  das  Bewusstsein  seiner 
Pflicht,  nach  Kräften  Schutz  zu  gewähren,  das  Gefühl  für  die 
Notwendigkeit  einer  rührigen  Propoganda  in  einer  Form  hervor, 
die  nmsomehr  zwingt,  überall  an  Odos  persönliche  Einwirkung 
zu  denken,  als  der  Papst  meist  sich  auf  glaubwürdige  Berichte 
direkt  berufte)  nnd  wie  in  der  Urkunde  fllr  St.  Maiiiin  auf 
Lebensumstände  unseres  Abtes  unzweifelhaft  anspielt.  Man 
wird  daraus  ermessen,  wie  sehr  wahrscheinlich  Odo  als  der 
wirkliche  Urheber  der  von  Leo  VII.  und  Alberich  unterstützten 
Reform  anzusehen  ist,  nicht  nur  als  das  Werkzeug  oder  der 
Berater  dieser  beiden. 

Gelegentlich  dieses  Aufenthaltes  in  Bom,  Anfang  938, 
nahm  er,  wie  ich  glaube^),  aus  einem  der  ihm  übergebenen, 
zuletzt  von  weltlich  lebenden  Chorherren  bewohnten  Stiftern 


*)  Nam  et  ipse  sacer  locwtf  ubi  quiesdt,  in  magna  reverentia  etmm 
ob  aiUiquis  dichte  non  solum  apud  vulgares,  sed  et  apud  exceUentissintos 
Ttgt»  ac  principea  fuit,  sicut  nonnulli  vestrum  videndo  8ciu7it. 

*)  In  einer  Urk.  fllr  Orleans  (J.-L,  3607;  N.  Arch.  XI,  382)  bemerkt 
er:  dum  venerabilia  loca  ad  melioreni  statum  noatro  faefint  amtniniculo 
ftparata. 

•)  So:  sicut  certa  verissimaque  relatione  coniperimus  in  d.  Urk.  fllr 
Flenry  u.  S.  Maria  di  Ripoll;  ut  enim  audimmits  in  der  Urk.  ftir  Tours. 

*)  Vgl.  Excurs  I, 


108 

den  CanoDieus  Johannes  mit  Üb  nach  Pavia.  Er  übergab  ihn 
hier  dem  Prior  Hiidebrand  >)  von  Gluni  zur  weiteren  Äusbildang, 
während  er  selbst  kurze  Zeit  von  König  Hngo  in  der  Abtei 
St  Peter  Ciel  d'oro  aufgehalten  wurde,  höchst  wahrscheinlich, 
um  sie  zu  reformiren  oder  doch  mit  seinem  Rate  zu  dienen. 
Zwischen  Hugo  und  Alberich  war  Odo  schon  einmal  als  diplo- 
matischer Unterhändler  hin-  und  hergegangen.  Nach  dem 
Friedensschluss  hatte  der  König  fttr  ihn  beim  Papste  inter- 
veniert —  vielleicht  gar  in  Rom  selbst  — ,  auch  hatte  der  Papst 
Hugo  und  Lothar  zu  Liebe  ftir  Cluni  geurknndet,.  und  eben 
erst  im  Januar  938  hatte  Leo  aus  Liebe  zu  ihnen  die  Privi- 
legien Clunis  bestätigt  Jetzt  sehen  wir  Hugo  der  Thätigkeit 
des  Abtes  seine  Hauptstadt  eröffnen. 

Während  dieser  Zeit  hatte  der  Krieg  zwischen  Alberich 
und  Hugo,  der  die  ewige  Stadt  alljährlich  bedrängte,  keines- 
wegs geruht.  Ende  desselben  Jahres,  938  2),  muss  Leo  den  Abt  mit 
einer  neuen  Gesandtschaft  zwischen  Hugo  und  Alberich  beauf- 
tragt haben. 3)  Odo  nahm  von  Cluni  auf  der  Reise,  die  er 
damals  nach  Rom  antrat,  den  jungen  Johannes  als  Begleiter 
mit  Zur  Reisegesellschaft  gehörte  auch  der  Bischof  Gerald  von 
Riez.  Der  Weg  ftlhrte  über  den  Mont-Cenis.*)  Im  Januar^) 
zogen  Odo  und  Johannes  von  Rom  aus  im  Auftrage  des  Papstes 


')  Joh.  V.  Od.  I,  0.  4.  *)  Vgl.  Excura  I. 

*)  Joh.  V.  Od.  II,  c.  7 ;  Si*b  idcni  tempus  'Italiam  missi  swnus  a  Leone 
sunwio  jwntificej  ut  pacis  legatmie  fungerefnur  inter  Hugoneni  Ixingo- 
hardorum  regetn  et  Albericiim  Romanae  urbis  xmncipcm.  Der  Vf.  hat  vorber 
I,  c.  4  gesagt,  dass' Odo  ihn,  den  Johannes,  non  mnlto  post  nach  Rom 
zurückführte.  Da  Leo  VII.  im  Juli  9B9  starb,  ist  die  Gesandtschaft 
wenigstens  noch  in  diesem  Jahre  abgegangen.  Es  handelt  sich  nicht  um 
einfache  Vermittelung  zwischen  dem  in  Rom  befindlichen  Alberich  und 
dem  die  Stadt  bedrängenden  Hugo,  sondern  um  eine  legatio  zwischen 
Rom  und  Oberitalien. 

*)  V.  Od.  II,  ß:  Illo  enim  tetupore  qiio  cum  Creraldo  Regiermb 
ecckbiae  epiacopo  Cotias  transivimus  Alpes  et  Sofnam  venimvs  paritcr . . . 
Da  Johannes  c.  7  anschliesst:  Stib  idetn  temjn^s  Italiam  missi  sumtis,  so 
nehme  ich  an,  dass  er  von  derselben  Reise  spricht  Es  kommt  ihm  ja 
nie  darauf  an,  Odos  italienische  Reisen  zu  schildern,  sondern  nur  Charaoter- 
zUge  zu  illustrieren,  die  er  an  irgend  ein  Ereignis  anknüpft.  Johannes 
ist  offenbar  nur  einmal  mit  Odo  nach  Italien  gekommen,  um  dort  zu  bleiben. 

*)  c.  8 :  Fiebat  atäe^n  iatud  (iter)  duobua  mensibiis,  Januario  videlicet 
et  FebruaHo. 


109 

zn  König  Hugo,  am  mit  ihm  zu  nnterhandeln,  und  zwar 
dareh  Tuscien  über  das  schneereiche  Gebirge  des  Monte  Amiata. 
Nach  einigen  Fährlichkeiten  kam  man  bis  Siena,  wo  die 
Hungersnot,  die  damals  Italien  durchwtttete^),  Schaaren  von 
Annen  und  Elenden  auf  die  Laadstrassen  trieb,  die  dann  die 
Fremden  bettelnd  begleiteten.  In  solcher  Gefolgschaft  zog 
auch  Odo^)  darcb  die  verzweifelte  Stadt;  aufs  tiefste  erschüttert 
und  ergriffen  ging  er  mit  dem  Reisegeld,  das  ursprünglich 
30  Solidi  betrug  und  schon  auf  weniger  als  die  Hälfte  reduciert 
war,  so  freigebig  um,  dass  sein  Begleiter  Johannes  den  Rest 
in  Sicherheit  zu  bringen  suchte.  Glücklicherweise  begegnete 
man  unterwegs  einem  cluniacensischen  Mönch,  dem  Presbyter 
Petras,  der  auf  der  Reise  nach  Rom  begriffen,  mit  seinen 
Mitteln  aushelfen  konnte.  Wohin  die  Gesandtschaft  ging,  wissen 
wir  nicht  genau ;  Hugo  befand  sich  wohl  in  seiner  Hauptstadt 
Paria.  Ebensowenig  sind  wir  über  die  Verhandlungen  unf^r- 
ricbtet. 

Nach  Erledigung  der  Geschäfte,  mit  denen  Odo  beauftragt 
war,  wurde  die  Rückreise  nach  Rom  angetreten.  Diesmal 
nötigten  die  Begleiter  den  Abt,  des  Winters  wegen  den  be- 
schwerlichen über  die  Gebirge  führenden  Weg  aufzugeben  und 
am  Meere  entlang  zu  ziehen.  Auf  der  Heimreise  berührte  man 
das  Castell  di  Pietra  und  den  eine  Tagereise  südlich  liegenden 
Ort  Buriano,  in  der  Nähe  der  Küste,  etwas  östlich  vom  Golf 
Ton  Piombiuo.3)  Auf  dieser  Gesandschaftsreise  sagte  Odo 
seinem  Begleiter  Johannes,  dass  er  Prior  werden  würde.  Es 
i»t  anzunehmen,  dass  das  nicht  lange  nachher  geschah.  Auch 
kann  kein  Zweifel  sein,  dass  Johannes  dieses  Amt  in  Rom 
bekleidete,  wie  man  richtig  vermutet  hat,  in  St.  Paul  unter 

*)  Liutpr.  Antapod.  V,  c.  2:  Hoc  in  tempore  ^  ut  ipsi  bene  nostis, 
9ol  magnam  et  cvmtis  terrxbUeni  passua  est  eclipsinj  sexta  feriaj  ho^'a 
diei  tertia.  Das  war  am  19.  Juli  939.  Sed  et  in  Ttalia  octo  contimiis 
noetUms  mirae  mafftiitudinia  cometa  apparuit .  .  .  subsecuturam  non  multo 
post  fametn  portendens,  quae  magnitiidine  sui  misere  vastabat  Italiam, 
Die  Hungersnot  ist  zu  940  bezeugt;  indessen  kann  dieselbe  sehr  wohl 
schon  das  Jahr  vorher  in  einzelnen  Orten  ausgebrochen  sein.  Vgl. 
Excnrs  I. 

*)  V.  Od.  II,  c.  7 :  quasi  praecinctus  miles  ad  beUtim  ineedebat  stipattta 
cuneis  pauperum. 

')  Siehe  Excors  I. 


110 

Abt  BalduiD,  den  er  öfter  erwähnt,  ebenso  wie  das  genannte 
Kloster. 

Hier  ist  er  auch  im  Jahre  940  wieder  mit  Odo  gewesen*), 
der  damals  von  Abt  Baldnin  gebeten  wurde,  das  Werk,  das 
Gallns  und  Posthumian  in  Dialogform  über  das  Leben  des 
hl.  Martin  yerfasst  hatten,  zn  glossiren  und  zu  verbessern. 
Während  Johannes  aber,  wie  es  seheint,  von  nun  an  in  Rom 
blieb,  pilgerte  Odo  nach  dem  Monte-Gargano,  der  berühmten 
Wallfartsstätte,  um  dort  zu  beten. 2)  Von  Salerno  ab,  wo  er 
vermutlich  auch  fttr  die  Beform  thätig  war,  begleiteten  ihn 
zwei  Priester  nach  dem  hl.  Orte  zu  einer  Zeit,  als  es  häufig 
regnete.^)  Damals,  sei  es  auf  dem  Wege,  sei  es  auf  dem  Berge 
des  hl.  Michael  selbst,  begegnete  er  dem  Bischof  Johann  von 
Kola,  der  ihm  traurig  klagte,  dass  er  schon  zwei  Mal  in  Rom 
gewesen  sei,  ohne  in  Folge  des  Widerstandes  seiner  Gegner 
die  Ordination  zum  Bischöfe  erreicht  zu  haben.  Der  Abt,  der 
vermutlich  im  Stande  war,  durch  seine  Beziehungen  in  Rom 
fttr  den  Bischof  zu  wirken,  riet  diesem,  sein  Glück  ein  drittes 
Mal  zu  versuchen.  Innerhalb  vierzehn  Tagen  sah  Johann 
von  Nola  seinen  Wunsch  erfüllt.*) 

Im  Jahre  941  ^)  kam  Odo  wieder  nach  Italien.  Er  durch- 
wanderte diesmal  in  seines  Schülers  Gesellschaft  die  heiligen 
Orte  innerhalb  und  ausserhalb  Roms,  ein  Sechziger,  aber  noch  so 
rüstig,  dass  seine  jüngeren  Begleiter  kaum  nachkommen  konnten. 
Es  war  höchst  wahrscheinlich  auf  der  Rückkehr  von  dieser 
Reise®),  als  er  über  den  Pass  des  grossen  St.  Bernhard  ziehend 

*)  II,  c.  22:  Ante  hoc  triennium  dum  e^semus  apud  Beatum  PaiUnm 
Bjomae  ....  *)  V.  Odonis  II,  c.  15. 

5)  Recension  B  der  V.  Odonis  c.  3  (N.  Arch.  XV,  111):  rfiio  preshiteri 
ex  hoc  urbe  Salemitana  comitati  sunt  eum  . . 

*)  V.  Od.  II,  c.  15. 

'^)  V.  Od.  I,  c.  16:  Praeteritis  nmnque  his  duobus  annis  cum  simul 
loca  sanctorum,  quae  smit  iiitra  et  extra  urbetn  Bomanif  ointionis  causa 
frequentareinus.   Diese  Stelle  hat  v.  Heinemann  nicht  mit  excerpiert  SS.  XV. 

®)  Vita  Od.  II,  c.  18:  Sub  eodem  tempore  competit  iüi  Rmnam 
oratio nis  gratia  venire.  Sed  non  multo  post  dum  jiatriam  revei-tereturj 
inter  Burdonum  Alpes . . .  Nalgodi  V.  Od.  c.  42  verlegt  das  Ereignis  in  die 
Appe^minas  Alpes,  Indes  beweisen  die  V.  S.  Geraldi  II,  c.  17,  Vita  Gerardi 
Bron.  c.  22  und  Petri  Damiani  Iter  Gall.  c.  7  (Mai,  Nova  patrum  bibl.  VI,  b,  198) 
.  dass  die  Ma^rones  oder  Man*uci  am  Mons  Jovis  gewohnt  haben. 


111 

in  den  sehneereicheD  Alpeo,  über  die  ihn  and  sein  Gefolge  die 
Marronen,  ein  bekanntes  Ftthrervolk,  geleiteten,  einen  Unfall  erlitt. 

Hago  nnd  Lothar  bedrängten  in  dieser  Zeit  wiederum  die 
Hauptstadt.  So  befanden  sie  sich  am  25.  Juni  941  im  Kloster 
der  hl.  Agnes  vor  Rom,  wo  sie  auf  Anregung  des  Bischofs 
Siegfried  von  Parma  fttr  Subiaco  urkundeten.  ^)  Bei  seinem 
Ansehen  sowohl  bei  Hugo,  als  bei  Alberich  war  wieder  Odo 
der  geeignetste  Vermittler,  dessen  Thätigkeit  diesmal  doch  so 
bedeutsam  war,  dass  ein  ostfranzösiseher  Chronist  sie  in  seinem 
Geschichtswerk  anmerkte.  2)  Von  dieser  Reise  des  Jahres  942 
wissen  wir  noch,  dass  Odo  sich  am  15.  August,  am  Tage  von  Maria 
Himmelfart  im  Marienkloster  auf  dem  Aventin  aufhielt  und  hier 
von  Abt  Balduin  gebeten  wurde,  an  jenem  Tage  die  Messe  zu 
celebrieren  und  den  Freunden  das  Abendmahl  zu  reichen. 
Nach  einigem  Zögern  willigte  er  ein,  wurde  aber  wegen  des 
bevorstehenden  Todes  zweier  Brüder  von  St.  Paul,  von  denen 
der  eine  ein  Vetter  des  Johannes  war,  während  der  heiligen 
Handlung  nach  jenem  Kloster  abgerufen.  Johannes  befand 
sich  zur  Zeit  in  Neapel,  wohin  er  in  Geschäften  seines  Klosters 
gegangen  war.  Als  er  zu  Schiff  zurückkehrte  und  in  Porto 
anlegte,  erzählten  ihm  einige  vornehme  Männer,  die  aus  Rom 
hierhergekommen  waren,  unter  anderem  diese  Geschichte.^) 

Odo  war  damals  zum  letzten  Male  jenseits  der  Alpen.  Während 
seiner  zahlreichen  Reisen,  auf  denen  er  nicht  nur  Leo  VII,  sondern 
auch  seinen  Nachfolger  Stephan  VIII.  für  seine  Sache  gewann  <), 
war  er  von  Kloster  zu  Kloster  gezogen  und  hatte  bald  hier  bald 
dortfüreineWiederbelebung  klösterlichen  Sinnes  gewirkt.  In  Rom 
hatten  sich  die  Abteien  St.  Paul,  St  Maria,  St.  Andreas,  St.  Lau- 
rentias  und  Sta.  Agnete  aus  ihren  Trümmern  wieder  erhoben,  in 
Sobiaeo  und  St.  Elias  in  Nepi  zog  neues  Leben  ein.  In  Ober- 
italien dürfen  wir  Odos  Reformthätigkeit  wenigstens  für  das 
Paveser  Kloster  St.  Peter  annehmen.  In  Farfa  schlug  zwar 
sein  Versuch  fehl,  die  Abtei  dem  Verderben  zu  entreissen,  aber 
wenig  später  glückte  es  doch  der  Reform,  hier  festen  Fuss 


<)  II  regesto  Sublac.  n.  1,  p.  3. 

»)  Flodoardi  Ann.  942  (SS.  III,  389):  Dommis  Odo  abbas  pro  pace 
agnida  inier  Hugonem  regem  Italiae  et  Albricuni  Romanum  patHcium 
apud  eurulem  regem  laborahat, 

■)  V.  Od.  II,  c.  21.    *)  Vgl.  Beilage  II:  Stephan  an  Gerunco  v.  Bourges. 


112 

zu  fassen.  Ohne  Frage  stellten  sich  an  den  meisten  Orten 
Schwierigkeiten  einer  .schnellen  Wiederherstellung  von  klöster- 
licher Zucht  und  einer  sofortigen  Wiedergewinnung  des  ver- 
lorenen Besitzes  entgegen.  Es  mangelte  anscheinend  mitunter 
an  Mönchen  1),  sehr  oft  aber  an  Arbeitskräften,  um  das  wttst 
liegende  Land  zu  bewirtschaften.  Nicht  alles  wird  Odo  hier 
gethan  haben,  aber  es  war  schon  viel  wert,  dass  er  an  vielen 
Orten  die  Anregung  gegeben  hat,  dass  er  verstanden  hat,  die 
Grossen  für  seine  Sache  zu  gewinnen,  dass  er  einen  Stamm 
von  Schülern,  die  ihn  verehrten  und  seine  Grundsätze  kannten, 
zurttckliess.  Bereits  unter  ihm  war  die  Reform  nach  Unter- 
italien gedrungen.  In  Salerno,  wo  er  vielleicht  auf  einer  seiner 
letzten  italienischen  Reisen  weilte  und  in  klösterlichen  Ange- 
legenheiten thätig  war,  hielt  sein  treuer  Schüler  Johannes  sein 
Gedächtnis  aufrecht :  hier  kannte  ihn  wohl  auch  persönlich  der 
fürstliche  Hausminister  Johannes.  2)  Wir  hören,  dass  auch  im 
Fürstentum  Benevent  die  angeseheneren  Klöster  seinem  Einfluss 
unterworfen  waren  ^),  eine  Nachricht,  ftlr  welche  wir  eine  Be- 
stätigung darin  finden  können,  dass  im  Jahre  943  seine 
Antiphonen  auf  den  hl.  Martin  in  Benevent  sich  befanden.^) 
Auch  das  Stammkloster  des  Benedictinerordens,  Monte  Cassino, 


0  So  in  St.  Paul.  Papst  A^apit  II.  bittet  Einold  von  Gorze:  aliqtws 
Mi  religiosoSj  quoa  in  monasterio  benti  Paidij  qtwd  tunc  in  monasticum 
ordinetn  transferre  tnoliebatuVj  cum  auxilio  regia  Albrici  coüocaretj  frans- 
mitti  (Y.  Joh.  Gorz.  c.  53).  Auf  Gnind  dieser  Nachricht  hat  man  ange- 
nomiuen,  dass  die  erste  Reform  Odos  sich  nicht  bewährte  und  Agapit 
sich  nun  nach  Gorze  wandte  behufs  einer  neuen  Reform  (Schultze,  Forsch. 
S.  44).  Angesichts  der  Thatsache,  dass  der  vielgerUhmte  Baldnin  Monte 
Cassino,  St.  Paul  und  St.  Maria  damals  leitete,  ist  an  einen  Verfall  nnd 
eine  neue  Reform  nicht  zu  denken.  Der  Satz  qviod  twnc  in  monastiaim 
ordinetn  transfen-e  inoliebatur  ist  jedenfalls  nur  ein  erläuternder  Zusatz 
des  Autors.  Es  kam  nicht  selten  vor,  dass  bei  Reformen  Mönche  aus 
verschiedenen  Klüstern  vereinig^  wurden;  man  nahm  sie,  woher  man 
konnte.  Deshalb  wendet  sich  auch  Agapit  an  Gorze,  das  in  gutem  Rufe 
stand.    An  eine  nochmalige  Reform  ist  jedoch  nicht  zu  denken. 

')  V.  Od.,  prologus:   sacri  SnUmitani  palatii  exactorem  Johannem. 

3)  Rod.  Glaber  III,  c.  5  §  18:  Hie  enim  in  tanttim  huiiis  ituttituti 
propagator  extitit,  \d  a  Beneventana  pivrintia  queque  habebantur  in  Italia 
et  in  Galliis  \isque  Oceanum  mare  potiora  nwtiasteria  illius  dicioni  gratu- 
larentur  esse  subiecta. 

*)  Joh.  y.  Od.  I,  c.  10:  Betinentur  hactenus  Beneventi, 


konnte  sich  seinem  Einfluss  nicht  entziehen.  Hier  ist  nach 
glaubwürdiger  Nachricht  noch  zu  Odos  Lebzeiten  sein  Schüler 
Baldoin,  der  bereits  die  Klöster  St  Paul  und  St.  Maria  leitete, 
Abt  geworden.  0  Als  dieser  das  Amt  übernahm,  sassen  die 
Brüder  noch  in  Gapua.  Auf  seine  Veranlassung  forderte  Agapit 
den  Fürsten  Landulf  IL  auf,  den  Besitz  des  hl.  Benedict  Airder 
ungestört  zu  lassen,  mahnte  der  Papst  die  Mönche,  deren  Zucht 
sich  gelockert  hatte,  nach  dem  Bergkloster  des  hl.  Benedict  zurück- 
zukehren.^) Am  2L  Januar  944  bestätigte  er  Balduin  den  Besitz 
der  Abtei,  das  Recht  der  freien  Abtwahl  und  die  Unabhängigkeit 
von  bischöflicher  Gewalt^)  Wahrscheinlich  ist  Majelpotus, 
der  bereits  943  als  Abt  in  Monte  Cassino  erscheint^),  sein 
Nebenabt  ^),  ebenso  wie  dessen  Nachfolger  Aligemus,  der  in 
einem  der  unter  Balduin  stehenden  römischen  Klöster,  in 
St.  Paul<^)  oder  St.  Maria '^)  auf  dem  Aventin  noch  unter  Odos 
Augen  in  die  Mönchspflichten  eingeweiht  worden  war.    Er  war 

^)  Destr.  Farf.  c.  7:  Cassinense  quoque  monasterium  aub  iüitis  ma- 
gisterio  ad  norfnam  regidaria  ordinia  reductum  est . . .  Ihi  denique  prae- 
posuit  discipulufn  suum  venerabileni  abbateni  Balduinum.  Leo  von  Ostia 
weiss  alierdings  nichts  davon,  bei  ihm  wird  Balduin  erst  948  Abt  von 
Monte  Cassino;  erst  von  Marinns  II.  erhält  er  St.  Paul  (Ghron.  Gass.  I, 
e.  58),  während  wir  aus  der  Y.  Od.  und  der  Destr.  Farf.  von  dem  umge- 
kehrten Verhältnis  unterrichtet  werden.  Man  merkt  die  Absicht,  zu  ver- 
ballen, dass  Monte  Cassino  von  aussen  reformirt  worden,  namentlich  von 
den  französischen  Mönchen  und  dem  Abt  von  Fleuiy,  das  Leo  so  hasst, 
weil  die  Floriacenser  behaupteten,  den  hl.  Benedict  zu  besitzen.  Da  er 
gegen  die  Floriacenser  sogar  Papstbullen  fälscht  und  gefälschte  verwertet, 
um  ihre  Angaben  zurückzuweisen,  so  werden  wir  ihm  hinsichtlich  der 
Reform  durch  Balduin  auch  keinen  Glauben  schenken  dürfen. 

•)  Gattnla,  Eist  abb.  Cassin.  I,  p.  190.  «)  Gattula  I,  p.  94. 

*)  Es  ist  characteristisch  fllr  Leo,  dass  er  bereits  948  Majelpotus 
die  Abtwllrde  zugesteht,  während  die  Papstnrkunden  doch  die  längere 
Herrschaft  Balduins  erweisen,  als  ob  er  den  unbequemen  Balduin  bald 
wieder  los  werden  wollte.  £r  widerspricht  sich  aber  selbst,  wenn  er  II, 
c.  1  die  Münche  von  Capua  nach  Monte  Cassino  unter  Balduin  zurück- 
kehren lässt,  zur  Zeit  Agapits,  der  von  946—954  regierte. 

^  Wie  Mabillon,  Ann.  Ben.  III  z.  J.  944  wohl  mit  Recht  vermutet. 
In  der  Abtreihe,  die  Tosti,  Storia  della  badia  di  Monte-Cassino  III,  858 
giebt,  ist  Balduin  Abt  von  948  —  947,  Majelpotus  von  948  —  949  Oct., 
Aligem  949—986  Nov.  «)  Nach  Leo  Cass.  II,  c.  1. 

')  Nach  Destr.  Farf.  c.  7 :  cui  siiccesait  condisciptUus  aJtque  coabbaa 
Aligemus  cUmificus  patefj  quem  ipse  a  primaevo  erudierat  regulari  tramite 
in  supra  memorato  Aventino  monasterio. 

Sftoknr,  Claniftoenfler.    I.  8 


114 

ein  Neapolitaner  von  vornehmer  Abkunft  i),  den  die  ßrttder 
mit  Zuziehung  der  benachbarten  Aebte,  so  des  Leo  von  St  Vin- 
cenzo  am  Voltumo^)  nach  Balduins  Tode  zum  Abt  wählten.  Er 
legte  erst  wieder  den  Grund  zu  einer  neuen  Blttte  von  Monte 
Cassino,  sorgte  für  die  Vollendung  der  lange  begonnenen  Bauten, 
betrieb  rtthrig  den  Wiedererwerb  des  abhanden  gekommenen 
Besitzes  und  bewirkte  eine  neue  landwirtschaftliche  Kultur 
durch  Ansiedelung  ganzer  Familien  auf  den  verödeten  Land- 
strichen. Unter  ihm  blühte  auch  das  klösterliche  religiöse 
Leben  wieder  empor.  ^)  Bei  der  mächtigen  Ausdehnung,  welche 
der  Grundbesitz  der  bedeutenderen  mittelitalischen  Abteien 
hatte,  bei  der  grossen  Zahl  von  Kirchen  und  Klöstern,  die 
jedem  einzelnen  untergeben  waren,  wollte  die  Beform  des 
Hauptklosters  viel  bedeuten.  Christliche  Gesittung  wurde  über 
weite  Gebiete  getragen;  ernste  Arbeit  verlieh  wieder  die 
moralische  Kraft,  die  so  vielen  abhanden  gekommen  war. 


3.   Odos  Tod  und  Persönlichkeit. 

Während  des  letzten  Aufenthaltes  in  Bom  im  Sommer  942 
holte  Abt  Odo  sich  den  Keim  zur  Todeskrankheit.  Er  begann 
zu  fiebein  und  Todesahnungen  umschwebten  den  bis  in  sein 
hohes  Alter  unermüdlichen  Streiter  Gottes.  Er  sehnte  sich 
nach  der  Stätte,  an  der  er  seine  Jugend  verbracht;  d^m 
Heiligen,  dem  er  sein  Leben  geweiht,  wollte  er  seine  Seele 
anvertrauen.  4)  Odo  stand  gerade  in  den  letzten  Jahren  seines 
Lebens  wieder  in  regeren  Beziehungen  zu  Tours,  wo  einer 
seiner  Freunde,  der  einstige  Decan  von  St.  Martin  und  spätere 
Mönch  von  Cluni,  Teotolo,  die  erzbischöfiiche  Würde  bekleidete. 
Er  beauftragte  den  Abt  um  diese  Zeit  mit  der  Keform  von  St 
Julien.«^)   Im  Jahre  937«),  oflFenbar^)  zum  St  Martinsfeste,  weilte 

*)  Leo  Gass.  II,  c.  1. 

«)  Chron.  Vulturn.  b.  Muratori,  SS.  rer.  Ital.  I,  b,  422:  Si«6  hoc 
tempore  Aligemus  constituitur  abbas  sancti  Benedictif  ad  cuius  electionnn 
inmtatus  est  praedictus  venerabilis  abbas  Leo  et  ipsiiis  consilio  ordinattu  est. 

»)  Vgl.  Vita  S.  Nili  c.  72  ff. ;  Gattula  I,  90. 

*)  Job.  V.  Od.  III,  c.  12.  «)  Siehe  oben  S.  92. 

')  V.  Od.  I,  c.  10:  Ecce  enim  sunt  evoluti  haud  plus  quam  sex  anni 
d.  h.  da  der  Autor  943  schrieb,  im  Jahre  987. 

^)  a.  a.  0.:  qui  eius  temporis  longiores  noctes  .  . . 


115 

dieser  am  Grabe  des  heiligen  Bischofs  und  dichtete  auf 
Verlangen  der  Chorherren  drei  Hymnen  und  zwölf  Antiphonen 
ihm  zu  Ehren.  Um  dieselbe  Zeit^  brannte  die  prächtige 
Basiliea  des  hl.  Martin  zum  dritten  Mal  nieder  zum  Schrecken 
der  Bewohner  von  Tours  und  der  ganzen  Provinz.  Man  begann 
den  Schutzheiligen  zu  schmähen  und  seinen  Wert  anzuzweifeln, 
weil  er  seinen  Dom  nicht  zu  schützen  vermöge  2),  als  Odo  er- 
schien, um  in  einer  längeren  Predigt  diese  Vorwürfe  zurück- 
zuweisen und  die  Grösse  des  hl.  Martin  zu  preisen,  den  selbst 
die  Römer  so  hoch  sehätzten,  dass  sie  die  Romreisen  derjenigen 
flir  überflüssig  hielten,  die  in  der  Nähe  seines  Tempels  weilten.') 
Wenn  alle  Könige  und  Cäsaren  der  Welt  durch  öffentliche 
Erlasse  die  allgemeine  Verehrung  des  Heiligen  forderten,  so 
könnten  sie  gar  nicht  verlangen,  dass  dieselbe  so  allgemein, 
80  feierlich  sei,  als  jetzt.  ^)  Zugleich  nahm  Odo  Gelegenheit, 
die  Chorherren  mit  Bitterkeit  anzugreifen,  durch  deren  Ver- 
nachlässigung die  Stätte  an  Heiligkeit  verloren  habe,  die  aus 
dem  Domplatz,  welchen  die  Wohnhäuser  der  Cleriker  umgaben^), 
eine  aligemeine  Verkehrsstrasse  gemacht  haben,  trotzdem  eine 
Mauer  ihn  abschloss,  und  die  den  Frauen  ungehinderten  Zugang 
zum  Kloster  gestatten.^)  Noch  in  einer  anderen  kürzeren  am 
Tage  des  hl.  Martin  gehaltenen  Predigt'),  die  aber  zeitlich 
nicht  zu  bestimmen  ist,  tritt  Odos  Verehrung  für  diesen  hervor. 
Anf  Schritt  und  Tritt  hielt  er  ihn  im  Herzen ,  trug  ihn  auf 
den  Lippen  und  folgte  ihm  im  Handeln.^) 

Am   Tage   des   hl.  Martin   im  Jahre  942  schritt  Odo  in 
Tonrs  mit  seinen  Mönchen  von  St.  Julien   nach  der  Gruft  des 


»)  S.  Excurs  II. 

*)  äermo  de  eombnstione  basilicae  beati  Martini,  Bibl.  Glun.  col.  14ß; 
Mipie  138,  7.33:  Tandem  ad  hoc  ventum  est,  ut  ad  doloris  augmentum 
dicerdur,  quod  nonnulli  beato  Martino  detraherent,  quasi  qui  non  posset 
incfndium  repriwerej  quo  domum  suam  toties  pertnisiaset  igne  depasci, 

')  col.  148:  ut  hanc  etiam  Rotnae  laudaH  audwerimus^  quibusdam 
Romanis  dicentibus:  Quia  non  esset  necesse  Romam  pi'oficiscif  qui  teinplo 
htati  Martini  morerentwr  vicinari  (?) 

*)  col.  157.  158. 

*)  eol.  159:   domuncidis  clericorum  illaeMs  per  gyrum  remanentibus, 

•)  col.  148. 

0  Gedr.  bei  Martöne,  Thesaiurus  V,  617;  Migne  133,  749. 

•)  V.  Od.  I,  c.  10:   corde  retentans,  ore  praedicans,  operibw  sequens, 

8* 


116 

Heiligen  zur  Abhaltung  der  Matatinen.  Heftiger  Fieberfrost 
ergriff  ihn ;  schnell  worden  die  Offizien  beendet,  krank  kehrte 
er  in  das  Kloster  zurück  und  fand  neben  der  Kirche  des 
hl.  Albin  sein  Krankenlager.  Noch  auf  dem  Sterbebette 
dichtete  er  Verse  auf  den  hl.  Martin.  Erzbischof  Teotolo  kam 
und  klagte  über  das  nahe  Ende;  Odo  tröstete  ihn.  Endlich 
am  18.  November  liess  er  sich,  nach  Empfang  des  Abendmahls, 
in  die  benachbarte  Kirche  tragen,  in  der  er  am  selben  Tage 
unter  Ermahnungen  und  Segenssprüchen  fttr  die  Mönche,  die 
zahlreich  sein  Lager  umstanden,  seinen  Geist  aushauchte. 
Seine  Grabstätte  fand  er  in  der  Crypta  des  hl.  Julian  zur 
rechten  Seite  unter  dem  Altar  des  Märtyrers.^) 

MitOdo  war  ein  Mann  von  seltener  geistiger  und  sittlicher  Tiefe 
dahingegangen.  Seine  Lehrerwaren  neben  anderen  Kirchenvätern 
hauptsächlich  Augustin  und  Gregor  der  Grosse.  Seine  erhabene 
Lebensanschauung  gab  ihm  die  Kraft  der  Worte  und  den  ge- 
wichtigen Einst,  mit  dem  er  die  Schlechtigkeiten  seiner  Zeit  geisselt 
Wie  ein  Prophet  tritt  er  inmitten  der  Verrohung  auf,  niemanden 
schonend,  weder  die  Grossen  und  Mächtigen,  noch  den  Clerns, 
noch  das  Volk.  Rücksichtslos  und  fast  cynisch,  aber  voller 
Energie  und  Empfindung  ist  seine  Sprache.^)  „Weltlichen  Adel 
schafft  nicht  Natur,  sondern  der  Ehrgeiz",  meint  er^);  «Schlage 
alle  Bücher  des  Altertums  auf,  stets  wirst  Du  die  Mächtigeren 
als  die  Schlechteren  finden."  In  seiner  Abwendung  von  allem 
Sinnlichen  geht  er  mit  Augustin  so  weit,  auch  die  eheliche 
Umarmung  fttr  sündhaft  zu  halten.^)     »Könnte  ich  doch  alle 

»)  Job.  V.  Od.  III,  c.  12;  Nalgodi  V.  Od.  c.  53  falsch  945;  Flodoardi 
Ann.  942;  Brevis  hist.  B.  Julian!  Turon.  ed.  Salmon  p.  225;  danach  Chron. 
Turon.  magnum  p.  113;  Chron.  Turon.  abbrev.  p.  185,  fälschlich  945; 
ebenso  &]sch  Chronologia  abb.  Gluniac.  (Bibl.  Clun.  col.  1618)  944;  Chron. 
DoL  942;  Martyrol.  Villar.  (Bibl.  nat.  nouv.  acquis.  348  saec.  Xu)  f.  88: 
XIIIl  K.  Dec.  Ipso  die  transit^is  beatissimi  Oddonis  Cluniacensis  abbatis 
mundissimae  vitae  viri. 

')  Vgl.  Haur6au,  Singularit^s  p.  175. 

')  CoUat.  III,  col.  240 :  NobilitcUem  quippe  mundafiam  non  naturaj  sed 
an^itio  praestitit .  .  .  col.  241 :  Chnnes  libroa  antiquitatum  consideraj  pöten- 
tiores  semper  invenies  peiores. 

*)  Coli.  11,  col.  204 :  8i  ergo  tanta  est  culpa  in  coniugcdi  concubitu,  ut 
infans  pro  illa  sola  pimiri  debeat^  quanta  in  stupro  est  vel  in  poUutionej 
quae  ad  solam  libidinem  explendam  paJtraJtwr, 


117 

Weiber  in  dieser  Provinz,  die  in  fleischlichen  Banden  liegen, 
denselben  entreissen  und  für  das  ewige  Heil  gewinnen^,  ruft 
er  einmal  noch  als  Mönch,  i)  Diese  Gesinnung  ist  die  begreif- 
liche Reaktion  gegen  die  Sittenlosigkeit  seiner  Tage,  die  selbst 
die  Sehen  vor  der  Heiligkeit  geweihter  Orte  tiberwand.  2)  Um 
so  grösser  erscheint  ihm  dafür  wieder  die  Keuschheit  in  den 
Kreisen  des  weltlichen  Adels  3),  von  dem  er  sonst  so  schlecht 
zn  sprechen  pflegte. 

Das  wichtigste  Problem  war  ihm  die  Stellung  des 
Uebels  in  der  göttlichen  Weltordnung.  „Von  Natur  giebt  es 
kein  Uebel*,  sagt  Odo^),  „an  sich  ist  nichts  schlecht."  Gott 
verwandle  nur  die  Dinge,  die  er  gut  schuf,  in  Strafen  und 
Leiden,  wenn  wir  sie  schlecht  anwenden.  Das  ist  das  kosmo- 
physische  Uebel.  Aber  an  dem  moralischen  Uebel  ist  der 
Teufel  schuld ;  er  reisst  Gottes  Wort  aus  dem  Herzen  und  ver- 
strickt seine  Opfer  in  die  Laster  des  Hochmuts,  der  Ueppigkeit 
Qud  der  Bosheit.^)  Die  dritte  Art  des  Uebels  fügen  die  Menschen 
durch  Verfolgung,  Schaden  und  Schmach  sich  selbst  gegen- 
seitig«) zu.  Zwei  Generationen  unterscheidet  er,  die  eine, 
welche  von  Abel  abstamme,  die  Guten,  die  andere,  deren 
Ahn  Kain  sei,  die  Schlechten.  Beide  zerfallen  wieder  in  je 
zwei  Klassen:  die  offenkundig  Schlechten  und  die  heimlich 
Schlechten  auf  der  einen,  die  Vollkommenen,  denen  das  Erden- 
leben nur  der  Uebergang  zum  Himmel  ist,  und  die  weniger 
Vollkommenen,  die  ohne  schlecht  zu  sein  an  irdischen  Dingen 
haften,  auf  der  anderen  Seite.'') 

Im  Leben  gehen  beide  Klassen  neben  einander  her  und 
erleben  unterschiedslos  Gutes  und  Böses,  Freud  und  Leid. 
Man  wundert  sich,  dass  es  den  Guten  oft  elend,  den  Schlechten 
oft  gut  geht  Odo  meint  —  und  hierin  liegt  ein  Lieblings- 
thema seiner  Philosophie  —  dass  die  Guten  auf  Erden  für 
ihre  kleinen  unvermeidlichen  Sünden  bestraft  würden,  um  desto 
geläuterter  in  den  Himmel  zu  kommen,  die  Schlechten  er- 
freuen sich  hier  der  Barmherzigkeit  Gottes,  aber  das  Gericht 
Christi    schliesst    sie    von    den    ewigen    Gütern    aus.^)     Ein 

')  Job.  V.  Od.  I,  36:  Et  utinam  omnes  mulieres  in  hoc  provincia 
commorante8f  qwie  catttali  vinculo  retinentur,  potuisaem  lucri  facere. 

«)  Collat.  II,  col  204.     8)  V.  S.  Geraldi  I,  c.  4.      *)  Coli.  I,  col.  166. 
«)  I,  col.  167. 168.    6)  I,  col.  170  ff.    ">)  I,  col.  170—189.     »)  HI,  col.  245  f. 


118 

andeimaP)  lägst  er  zwar  diese  Deutang  za,  meint  aber  doch, 
dass  es  unterschiedslos  fllr  Gate  und  Böse  Gutes  und  Böses 
gäbe  und  dann  wisse  man  nicht,  ob  die  Guten  mit  dem  Guten 
belohnt  oder  die  Schlechten  mit  dem  Bösen  gebessert  werden 
sollen. 

Mit  dieser  Theorie  beantwortet  Odo  die  irrigen  An- 
schauungen der  Menge,  die  immer  geneigt  ist,  Gott  und  den 
Heiligen  die  Schuld  an  den  Unglücksfällen  der  Zeit  beizu- 
messen. Man  spricht  ihnen  ihre  Wunderkraft  ab,  da  keine 
Wunder  mehr  geschähen.  Odo  meint,  in  der  ersten  Zeit  der 
Kirche  seien  sie  notwendig  gewesen,  jetzt  aber  nicht  mehr.^), 
Es  geschehe  auch  wegen  der  nahen  Ankunft  des  Antichrist, 
denn  dann  werde  sich  zeigen,  wer  im  Hinblick  auf  die  himm- 
lischen Freuden  zum  Glauben  halte,  und  wer  nur  um  materieller 
Wunder  willen  demselben  treu  bleibe.  Die  Genossen  des  Anti- 
christ würden  schon  Wunder  thun  und  dann  würden  sich  seine 
Anhänger  von  den  wahrhaft  Gläubigen  trennen.  3)  Dass  die 
Zeit  des  Antichrist  nahe,  ist  eine  Anschauung,  die  Odo  in 
seinen  früheren  Schriften  zu  wiederholten  Malen  aussprach.^) 
Sonst  behauptet  er  auch  hinsichtlich  des  Aufhörens  der  Wunder, 
dass  die  Ungeheuerlichkeit  der  Sünden  daran  schuld  sei.'^) 
Im  übrigen  legte  weder  Odo  noch  einer  von  seinen  Gesinnungs- 
genossen^) oder  Nachfolgern  Wert  auf  Mirakel  und  Zeichen, 
oder  gar  nächtliche  Visionen.^) 

Bei  ihm  lag  der  Kernpunkt  des  ganzen  Unheils  in  dem 
Aufhören  der  kirchlichen  Disciplin.  Neben  den  falschen 
Priestern,  die  nur  zum  Schein  Gott  dienen  und  sich  weltlichen 


^)  Sermo  de  combust.  eccl.  b.  Martini,  Bibl.  Glun.  col.  152;  Migne 
133,  740. 

*)  Collat.  I,  col.  175;  Sermo  de  combustione  S.  Mart.  col.  157. 

^)  Collat.  a.  a.  0.;  Sermo  de  S.  Bened.,  Bibl.  Clun.  col.  139. 

*)  Collat.  a.  a.  0.  col.  175;  V.  S.  Geraldi  II,  c.  10:  huftafite  iam  tempore 
Antichristi;  Sermo  de  S.  Benedicto,  Bibl.  Clun.  col.  139:  instante  iam 
tempore  Aivtichristi. 

«)  Sermo  de  S.  Ben.  col.  139. 

«)  Vgl.  Job.  V.  Od.  I,  c.  14;  V.  Johannis  Gorz.  praef.  SS.  IV,  338; 
Jotsaldi  V.  Odil.  II,  praef.;  V.  S.  Abbonis  praef. 

')  Vgl.  Coli.  III,  col.  235:  Si  aomnio  fides  adhibenda  est .  , .  Sermo  de 
combust.,  Bibl.  Clnn.  col.  150:  Venim  hi  sominis  et  nulla  forte  vel  rai^a 
fides  adhibenda  est. 


119 

Genflasen  hingeben^),  rufen  die  Laien,  welche  sich  den  kirch- 
liehen Strafen  entziehen,  seinen  Zorn  hervor.  2)  Er  betont  aber 
dabei  ansdrttcklich  die  Gültigkeit  sacramentaler  Handlungen, 
wie  der  Excommunication  auch  schlechter  Priester,  ebenso  wie 
er  auf  der  anderen  Seite  bestreitet,  dass  der  Sünder  das  hl. 
Abendmahl  in  Wirklichkeit  empfange.^)  Denn  wenn  Christus 
es  ist,  der  das  Sacrament  reicht,  so  ist  natürlich  die  Person 
des  Priesters  gleichgültig,  andererseits  entscheidet  der  Herr, 
wem  die  Handlung  zum  Heil  gereichen  soll,  wem  nicht. 

Die  Disciplin  ist  Odo  auch  im  Mönchsleben  das  wichtigste 
Erfordernis,  ein  und  alles.  Aufgehen  des  Einzelwillens  in  den 
des  Gesetzes,  Verzicht  auf  persönliches  Eigentum,  strenge  Be- 
folgung der  Regel  wurden  schon  früher  als  Hauptmerkmale 
der  Reform  bezeichnet.  Aber  mehr  als  irgend  ein  anderer 
hatte  er  die  Vorschriften  der  Regel  sich  zur  Norm  genommen. 

Wo  er  stand  und  ging,  stets  hatte  er  aus  Gewohnheit  das 
Haupt  gesenkt  und  die  Augen  nach  unten  gerichtet:  man 
nannte  ihn  im  Scherz  den  „Gräber."  *)  Er  war  eine  bis  ans 
Ende  kräftige  Natur  und  deshalb  im  Stande,  so  häufig  die  be- 
schwerlichsten Reisen  zu  unternehmen.  Dabei  war  er  furcht- 
los, obgleich  sein  Leben  öfter  in  Not  war.  Psalmensingend 
schritt  er  mit  den  Seinen  dahin  und  trotzte  so  voll  Gottver- 
trauen jeglicher  Gefahr,  s)  Im  persönlichen  Verkehr  war  er 
jovial,  mitteilsam  und  wohlwollend.  Er  wusste  scharf  zu 
tadeln <^),  aber  auch  zu  scherzen.^)  Sein  hervorstechendster 
und  bewunderungswürdigster  Zug  ist  aber  seine  wahrhafte 
Herzensgute,  seine  unversiegbare  Freigebigkeit,  seine  unendliche 
Menschenliebe.  Sein  Ideal  war  der  hl.  Martin,  der  seinen 
Mantel  zerteilte  und  die  eine  Hälfte  dem  Armen  gab.  Odo 
handelte  nicht  anders.  Für  die  Armen  hatte  er  immer  Mittel 
zur  Verfügung^);  die  Blinden  und  Lahmen,  meinte  er,  das 
wären    die   Pförtner   zum   Paradiese.^)    Niemals  nahm  er  auf 


>)  I,  col.  182;  II,  190.  «)  I,  col.  172.  «)  II,  col.  209. 

«)  Job.  V.  Od.  II,  c.  9;  vgl.  II,  c.  6.  *)  V.  Od.  II,  c.  19. 

•)  V.  Od.  II,  c.  7 :  nie  auteni  coepit  nobis  tanta  et  talia  verba  . .  dicere, 
quanta  et  qtialia  nunquam  aitdivi  a]b  ineunte  aetate  nee  spero  nie  ultra  audire. 

')  V.  Od.  II,  c.  7:  Verba  enim  sua  omni  exstiUatiofie  erant  plenn; 
lorutio  vero  mui  prae  nimio  gaudio  ridere  nos  cogebnt;  vgl.  II,  c.  19. 

•)  II,  c.  4.  ö)  II,  c.  5. 


120 

seine  Person  Rtteksieht.  Schon  in  Tours  verteilte  er  seinen 
Besitz.  Auf  seinen  Beisen  achtete  er  weder  seiner  noch  seiner 
Begleiter  Bedürfnisse.  Er  gab  mit  vollen  Händen,  kaufte  za 
hohen  Preisen.  ^)  Wo  ihm  ein  altes  Weib  oder  ein  alter  Mann 
begegnete,  so  liess  er  sie  aufsitzen,  während  er  zu  Fuss  neben- 
herging. 2)  Er  befolgte  das  Wort  „Liebet  Eure  Feinde*,  indem 
er  seine  Liebe  und  Freigebigkeit  sogar  auf  die  Elenden  aus- 
dehnte, die  ihm  nach  dem  Leben  oder  nach  der  Habe 
trachteten.  ^) 

Ein  Mann,  der  wie  er  die  Lehren  Christi  wieder  zur  Wahr- 
heit machte,  musste  die  Bewunderung  aller  derer  hervor- 
rufen, die  ihn  kannten.  „Er  war  wie  ein  Eckstein,  Engel 
und  Mensch,  freigebig  und  angenehm",  sagt  sein  Schüler  von 
ihm.  Nicht  nur  seine  Mönche  küssten  heimlich  seine  Kleider: 
wenn  er  in  die  Peterskirche  trat,  so  liefen  ihm  Geistliche  und 
betende  Pilger  nach  und  führten  die  Fransen  seines  Mantels 
zum  Munde.  Und  wenn  er  auswich,  so  folgten  sie  ihm  wie 
seine  Verfolger.*) 


»)  Vgl.  V.  Od.  n,  c.  4.  7.  8.  »)  U,  c.  6. 

3)  II,  c.  9.  10.  «)  Job.  V.  Od.  II,  c.  5. 


Zweites  Capitel. 

Lothringische  Reformen. 

L  Gerhard  von  Brogne  und  die  Reform  in  Nieder- 
lothringen und  Flandern. 

Niederlothringen. 

Um  dieselbe  Zeit,  als  Odo  von  Clnni  in  Mittelfrankreich  und 
Italien  auf  den  wüsten  Stätten  des  Klosterlebens  von  neuem  die 
Nonnen  der  alten  Regel  einzupflanzen  suchte,  that  sich  in  den 
niederen  Gegenden  der  deutsch -französischen  Grenzlande  ein 
neuer  Reformherd  auf.  Die  Bewegung,  die  von  dem  nieder- 
lothringisehen  Kloster  Brogne  sich  ausbreitete,  steht,  so  viel  wir 
wissen,  fast  ganz  ausser  jedem  Zusammenhange  mit  der  französi- 
schen Reform.  Spontan  erhebt  sich  hier,  wie  aller  Orten  der  Geist  der 
Beli^osität  in  einzelnen  Köpfen  und  da  die  Reformkreise  einander 
kaum  berührten,  so  bildete  sich  hier  eine  selbständige  Richtung  aus. 
Das  Erwachen  aus  dem  wüsten  Traume  des  vergangenen  Jahr- 
hunderts hatte  eben  überall  ähnliche  Gesinnungen  hervorgerufen: 
ein  weltflüchtiger,  dem  inneren  Seelenleben  zugeneigter  Zug 
durchdrang  die  Gemüter  und,  wie  wir  mehrfach  sahen,  waren 
es  gerade  Männer  der  höheren  Stände,  welche  vor  dem  Unheil, 
das  ihre  Standesgenossen  vornehmlich  angerichtet,  schaudernd 
zarttckwichen.  Auch  Gerhard,  das  Haupt  der  niederlothringischen 
Reformbewegung,  fast  der  erste  in  diesen  Gegenden,  der  einem 
regulären  Klosterleben  sich  zuneigte^),  gehörte  diesen  Kreisen 


0  Folcuini  Gesta  abb.  S.  Bertini  c.  107  (SS.  XIII.):  qui  pene  solus  et 
primus  in  occiduis  pariibus  uUimia  tempori  btisregularis  vitae  normam  ser- 
tabat.  Die  Litteratur  über  ibn  ist  am  vollständigsten  bei  Berliere,  Monasticon 
Beige  I  (1890),  28ff.  verzeichnet 


122 

an:  er  stammte  ans  einem  edlen  fränkischen  Geschlecht^),  das 
im  Lomatschgau  begütert  war.  Von  Vaters  Seite  —  letzterer 
hiess  Sancias  —  soll  er  dem  anstrasischen  Herzogsgeschlecht  des 
Hagano  verwandt  gewesen  sein,  während  seine  Mutter  Plectradis 
eine  Schwester  des  Bischofs  Stephan  von  Lttttich  genannt  wird.^) 
Er  widmete  sich,  wie  es  das  Standesvomrteil  mit  sich  brachte, 
dem  Kriegerhandwerke  und  ähnlich,  wie  Odo,  kam  auch  er 
als  Knabe  bereits  an  den  Hof  eines  angesehenen  Kriegsmannes, 
des  Grafen  Berengar  von  Namnr.  Kriegstüchtigkeit  und  Klug- 
heit erwarben  ihm  in  so  hohem  Grade  die  Freundschaft  und 
das  Vertrauen  desselben,  dass  er  auf  die  Verwaltung  der  Graf- 
schaft einen  bedeutenden  Einfluss  erhielt  und  der  Graf  ihm 
die  schwierigeren  und  discreteren  Geschäfte  übertrug. '^  Dabei 
neigte  er  sich  bereits  so  sehr  dem  geistlichen  Leben  zu,  dass 
er  mit  der  Erlaubnis  seines  Vaters  und  seiner  Freunde  auf 
einem  ererbten  AUod  Brogne,  wo  schon  seit  der  Zeit  des 
ältesten  Pipin  ein  kleines,  jetzt  verfallenes  Gotteshaus  stand,  ein 
Collegiatstift  einzurichten  beschloss.  "^j  Im  Jahre  914  wurde  der 
Bau  begonnen,  nachdem  dem  Jünglinge,  wie  sein  Biograph  erzählt, 
die  Apostelftlrsten  Peter  und  Paul  in  einer  Vision  den  Befehl 
dazu  erteilt  und  den  hl.  Eugenius  zum  Schutzpatron  bestimmt 
hatten.^)     Ein    Jahr    später    kam    Gerhard    als    Gesandter 

0  Yirtutes  S.  Eugenii  c.  2  (SS.  XV,  2,  647):  quidam  nobilissimus 
Sicatnber.  Vita  S.  Gerardi  c.  1  (SS.  XV,  2,  656) :  ingcnuis  atque  orthodoxis 
parefitibm  . .  .    Claris  quidem  natalibua  enituit. 

>)  V.  S.  Ger.  c.  1.  Von  Schultee,  Forsch,  z.  D.  Gesch.  XXV,  226  in  Zweifel 
gezogen,  doch  ohne  genügenden  Grund.  Seinen  Vater  Sancius  und  seinen 
Bruder  Wido  nennt  eine  Urkunde  Gerhards,  Annales  de  la  soci^t^  arch. 
de  Namur  V,  418.  Ueber  die  Echtheit  derselben  vgl.  v.  Heinemann  im 
N.  Archiv  XV,  592.    Vgl.  v.  Kalckstein,  Capetingcr  I,  142. 

')  V.  S.  Ger.  c.  2 :  Is  ejus  ad  arbitrium  comitatus  .negotia  dispontbat, 
sibique  prae  ceteris  difficiliora  et  secretiora  committebat  etc. 

*)  Virtutes  S.  Eng.  c.  2. 

5)  V.  S.  Ger.  c.  4.  —  Nach  Virt  S.  Eug.  c.  8.  9.  erfolgte  der  Bau 
ein  Jahr  bevor  die  Reliquien  des  hl.  Eugen  kamen.  In  den  Ann.  Bland. 
913  heisst  es:  Hoc  anno  cepit  abbas  Gerardiis  edificare  Braoniense  coe- 
nobintHj  et  in  anno  2.  corpus  beati  Eugenii  episcopi  et  martyris  de 
coenobio  sancti  Dyonisii  ibi  translatum  est  ab  ipso  Gerardo.  Zunächst 
ist  hier  zu  bemerken,  dass  danach  das  2.  Jahr  einfach  nach  mittelalterl. 
Zählung  als  das  nächstfolgende  914  zu  nehmen  ist,  was  Schnitze  p.  233 
übersieht.    Dann  aber  sind,  wie  sich  noch  herausstellen  wird,  die  Ann. 


123 

6«reogars  zu  dem  Orafen  Bobert  von  Paris,  dem  Laienabt  von 
Si  Denis  ^);  unterwegs  kehrte  er  zanäcbst  in  Deuil  ein,  einem 
Elösterchen,  das  jetzt  ein  gewisser  Leadegar  leitete  and  in 
dem  einstmals  der  bl.  Engen  vor  seiner  Ueberfübrung  naeb 
St  Denis  gernbt  batte.  Uebergab  ibm  Leadegar  ein  Kästeben 
mit  Ueiiigenreliquien,  in  denen  aaeh  ein  Knöebelcben  des  bl. 
Eugen  sieh  fand,  so  kaufte  sieb  Gerbard  bald  darauf  in  St. 
Denis,  wo  er  sein  Absteigequartier  aufseblug.  fttr  eine  be- 
deutende Samme  den  ganzen  Leib  des  Märtyrers.^)  Man  war 
in  zablreiehen  einst  boebangesebenen  und  altebrwürdigen 
Stiftern  so  bettelarm  geworden,  dass  der  Verkauf  von  Reliquien 
noeb  als  ein  günstiger  Ausweg  in  der  Kot  angesehen  werden 
konnte.  Nachdem  Gerbard  so  einen  Schutzpatron  fllr  seine 
Kirehe  erworben  batte,  erfolgte  die  feierliche  Translation  nach 
Brogne^),  der  anfangs  der  Bischof  Stephan  von  Lüttich  Hinder- 
nisse in  den  Weg  setzte,  da  man  in  seiner  Umgebung  sich  an 
der  danklen  Herkunft  des  Heiligen  stiess.  Eine  Krankheit, 
die  seiner  Geringschätzung  desselben  zugeschrieben  wurde, 
brachte  jedoch  den  Bischof  nicht  nur  wieder  auf  den  rechten 
Weg,  sondern  er  liess  sogar  auf  einer  Provinzialsynode  die 
Heiligkeit  des  Eugenius  allseitig  anerkennen  und  einen  allge- 
meinen Festtag  fttr  den  neuen  Heiligen  festsetzen;  zudem  sprach 
er  Brogne  von  den  Leistungen  an  die  Lütticher  Kirche  frei.  4) 


Bland,  in  dieser  Zeit  durchweg  um  ein  Jahr  zurück,  so  dass  ich  die  Er- 
richtung der  Kirche  914,  die  Translation  915  setze. 

»)  V.  S.  Ger.  c.  5. 

*)  Virtutes  S.  Eng.  c.  2.  3:  datis  sacrosancto  Uli  loco  pro  poase 
munerilms  impetravit.  Bezeichnend  ist,  dass  er  gerade  an  den  Laienabt 
von  St.  Denis  gesandt  wird:  er  wird  ihm  vornehmlich  den  neuen  Erwerb 
verschafft  haben.  Die  Vita  Gerardi  schreibt  die  Virtutes  aus,  motiviert 
aber  den  Erwerb  der  Reliquien  durch  das  Versprechen  Gerhards,  in  St. 
Denis  Mönch  zu  werden,  was  Schultze  genügend  zurückgewiesen  hat; 
er  irrt  aber  vollständig,  wenn  er  zu  beweisen  sucht,  dass  Gerhard  über- 
haupt nicht  Mönch  in  St.  Denis  gewesen  sei  (vgl.  Excurs  IV).  In  d. 
Fragment  sermon.  de  adventu  et  transl.  S.  Eug.,  Anal.  Boll.  V,  395  ist 
die  Zeit  bestimmt:  Temporibus  Charoli  reclusi,  Tlieodidpho  regente  epis- 
copatum  Farisiace^isnUf  atque  Roherti  comitis  et  abbatw  praedicti  nw- 
tiasteriij  quarta  kakndarum  Augmtarum,  datwni  cM  sanctum  corpus  etc. 

^  Sermo  de  adventu  a.  a,  0.  XV  KaL  Sept. 

*)  Virt.  S.  Eug.  c.  .^—6. 


124 

Nanmehr  konnte  Gerhard  an  die  Einftthmng  von  Clerikem 
gehen.  1)  Es  mochte  die  Fertigstellang  der  Bauten  und  die 
neue  Einrichtung  die  nächsten  Jahre  in  Anspruch  genommen 
haben,  als  er  sich  mit  dem  Gedanken  zu  tragen  begann,  das 
Canonikerstift  in  ein  Benedictinerkloster  zu  verwandeln  und 
selbst  die  Kutte  zu  nehmen.  Am  2.  Juni  919  sprach  er  die 
Absicht  in  einer  Urkunde  aus,  in  welcher  er  einzelne  Besitzungen 
dem  zu  gründenden  Stifte  yermacht.^)  Er  hatte  in  St.  Denis 
vor  wenigen  Jahren  das  Klosterleben  beobachtet  und  mag  den 
Wunsch  dort  zuerst  gefasst  haben,  die  Bande  zu  lösen,  die  ihn  an 
die  Welt  fesselten,  und  in  der  ehrwürdigen  Abtei  selbst  die  Kloster- 
gelübde abzulegen.  Von  einem  Manne,  der  aus  einer  glänzenden 
Lebensstellung,  um  einem  tiefen  Herzensbedttrfiiis  zu  genügen, 
in  ein  Kloster  tritt,  um  sich  den  Kasteiungen  eines  Büsser- 
lebens  hingeben  zu  können,  darf  man  von  vornherein  annehmen, 
dass  er  mit  Uebereifer  sich  den  schweren  Forderungen  der 
Regel  wird  unterworfen  haben.  Es  ist  deshalb  begreiflich, 
wenn  die  Heiligengeschichtschreiber  immer  und  immer  wieder 
oft  mit  denselben  Phrasen  die  entsagungsvolle  Frömmigkeit 
und  Askese  ihrer  Helden  ausmalen.  An  Wahrheit  verlieren 
diese  Darstellungen  im  Allgemeinen  deshalb  nicht,  dass  sie 
überall  wiederkehren ;  denn  sie  sind  logisch,  wie  psychologisch 
begründet.  Auch  Gerhard  stürzte  sich  freudig  in  seine  neuen 
Pflichten:  er  soll  sogar  in  St.  Denis  erst  die  Anfangsgründe 
im  Lesen  und  Schreiben  gelernt  haben.  3)  All  seinen  Besitz  in 
Lothringen  mit  Brogne  übertrug  er  dem  Kloster,  in  das  er  eintrat; 
es  sollte  offenbar  nur  eine  D6pendance  von  St  Denis  werden.*) 


^)  Dass  urspr.  Cleriker  hier  instaUiert  waren,  bestätigen  V.  G.  und 
Virt.  S.  Eug.   Berühre  p.  SO  n.  3  bestreitet  es  aus  unzureichenden  Gründen. 

■)  Annal.  de  Namur  V,  418:  aliquas  res  meas  ad  ecclesiam  ubi  cupio 
construere  nionasterium  ac  me  ipsum  in  servitio  omnipotentis  Dei  milita- 
turum  condonare. 

')  V.  G.  c.  9 :  litteratim  prinui  percurrit  elementa  seu  guinquenuis 
puertUus.  Schnitze  p.  229  hält  das  fUr  unwahrscheinlich  bei  der  Vertrauens- 
stellung, die  er  bei  dem  Grafen  einnahm.  Ich  will  nicht  auf  der  Richtig- 
keit der  Notiz  bestehen,  indes  halte  ich  sie  bei  einem  Kriegsmann  der 
Zeit  ftir  nicht  unmt)glich,  zumal  bei  dem  Mangel  an  Klöstern  Schulen 
sicher  in  vielen  Gegenden  ganz  fehlten. 

*)  V.  G.  c.  9 :  tradifis  videlicet  ad  eundem  lonini  q\me  si«'  juris  erant 
in  Lothariensi  provincia. 


125 

Id  rascher  Folge  erhielt  er  von  den  Pariser  Bisehöfen  die  Weihen 
znm  Akolythos,  Sabdiaeon,  Diacon,  endlieh  927  zum  Priester. 

Schon  vorher  moss  er  St.  Denis  verlassen  haben,  denn 
bereits  am  18.  Dec.  923  anterhandelte  er  in  Toars  als  Abt 
von  Brogne.^)  Vielleicht  wurde  er  von  dort  selbst  beanfkragt, 
Mönche  an  Stelle  der  Cleriker  nach  Brogne  za  fllhren.  Wenigstens 
kehrte  er  mit  einer  Anzahl  geeigneter  Brüder  und  theologischen 
Bttchern  von  St  Denis  in  die  Heimat  zurück.  2)  Eine  Zeitlang 
führte  er  selbst  die  Abtwttrde  über  die  an  Stelle  der  Cleriker 
getretenen  Mönche.  Vermutlich  erfolgte  auch  in  dieser  Zeit 
die  feierliche  Weihe  des  Klosters  durch  den  Bischof  Richer 
von  Lttttich.3)  Als  ihn  dann  der  Zulauf  des  Volkes,  dem 
die  Entstehung  eines  regulären  Benedictinerklosters  damals 
noch  etwas  neues  war,  belästigte,  wählte  er  Prioren,  mit 
denen  er  seine  Lasten  teilte,  und  zog  sich  in  eine  stille  Celle 
bei  der  Kirche  zurück.  4) 

Gerhard  kann  sich  seiner  Ruhe  nicht  sehr  lange  erfreut 
haben,  denn  bereits  im  Jahre  931^)  war  Herzog  Giselbert  von 
Lothringen  auf  ihn  aufmerksam  geworden.  Es  war  zur  Zeit 
in  Lothringen  etwas  unerhörtes,  dass  jemand  und  noch  dazu 
ein  Mann  aus  vornehmem  Stande  sich  dem  lange  vernach- 
lässigten Geiste  des  kirchlichen  Lebens  wieder  zuwandte  und 
an  cUe  Wiederherstellung  der  fast  unbekannten  Benedictiner- 
regel  ging,  um  sie  mit  Kraft  und  Einsicht  durchzuführen. 
Weder  in  den  oberlothringischen  Diöcesen,  noch  im  Trierschen 
hatte  die  Reform  bereits  begonnen.  Die  Grossen,  Giselbert 
nicht  ausgenommen,  bekleideten  noch  als  Laien  die  Abtwürden 
der  in  ihren  Besitz  gelangten  Abteien,  die  kaum  eine  Spur 
regulären  Klosterlebens  aufwiesen,  und  befriedigten  durch 
deren  Güter  entweder  ihre  eigenen  Bedürfnisse  oder  die  ihrer 
Lehnsleute,  deren  kriegerischer  Hülfe  sie  bei  der  Unruhe  der 


')  Vgl.  die  Urk.  GaUia  Chr.  XIV,  instr.  col.  60. 

^  V.  G.  c.  32:  Accepit  secundi  ordinia  personas  duodecim  ad  ntifnet*t«m 
apottolicum,  scüicet  bonos  doctoreSj  morum  info^matores,  disciplinae  regu- 
larU  observatores.  Accepit  libros  iüius  temporiSf  quo r um  aliquem 
ego  vidi. 

^)  Sermo  de  adventn  a.  a.  0.  p.  895 :  VIII  Kai.  Martii  benedixit  nova 
oraUmi  aedificia. 

*)  V.  G.  c.  17.  »)  An.  Bland.  981. 


126 

Zeiten  nicht  entbehren  konnten.  >)  Herzog  Giselbert  war  einer 
der  ersten,  welche  an  eine  Restauration  der  Klöster  dachten. 
Mochte  er  auch  der  wiedererwachenden  mehr  kirchlichen 
Strömung  sich  nicht  entziehen  können,  so  darf  man  doch  an- 
nehmen ,  dass  der  Umschwung  nicht  ohne  Berechnung  seitens 
der  Machthaber  geschah.  Es  war  ein  Schlag,  der  die  Kriegs- 
leute derselben  in  erster  Reihe  traf,  da  sie  die  Stiftsgttter 
zum  Teil  zu  Lehen  erhalten  hatten.  Es  scheint,  dass  man 
ihr  Einnisten  auf  diesen  habe  verhindern  wollen,  was  für  ihre 
Lehnsherrn  unzweifelhaft  mit  Gefahren  verknttpft  war.  In  der 
Zeit  aber,  wo  die  Bevölkerung  sich  mehr  und  mehr  den  Heils- 
lehren der  Kirche  wieder  zuwandte  und  diese  selbst  durch 
die  allmähliche,  mit  dem  Verschwinden  der  Kriegswolken 
sich  vollziehende  Sicherung  ihres  Besitzes  an  Macht  und 
Einfluss  wieder  gewann,  war  selbst  fttr  die  mächtigsten  Herren 
die  moralische  wie  materielle  Unterstützung  der  kirchlichen 
Kreise  ein  nicht  zu  unterschätzender  Vorteil.  Die  Heiligen 
begannen  wieder  eine  grosse  Rolle  zu  spielen:  in  den  Quellen 
wird  fast  jede  derartige  von  einem  grossen  Fürsten  unter- 
nommene Klosterreform  durch  eine  Vision  des  betreflfenden 
Heiligen  motiviert.  Die  armen  vergessenen,  geraubten,  meist 
fern  von  ihrer  Grabstätte  weilenden  Schutzpatrone  erschienen 
selbst  den  weltlichen  Herren  der  ihnen  geweihten  Stifter, 
und  erflehten  oder  befahlen  die  Wiederherstellung  derselben. 
So  kam  es  in  St.  Ghislain.  Das  kleine  Kloster  war  in 
den  Zeiten  des  Verfalles  in  den  Besitz  von  Clerikern  geraten, 
die  unbekümmert  um  kirchliche  Satzungen,  jeder  ftlr  seine 
Rechnung,  mit  ihren  Frauen  ein  ebenso  weltliches,  wie  an- 
stössiges  Leben  zubrachten.  Bettelnd  führten  sie  den  Leib 
des  Heiligen  auf  den  Landstrassen  herum,  der  eine  Zeit  lang 
in  Maubeuge  unrechtmässiger  Weise  sich  befunden  hatte  und 
dann  mit  Hülfe  des  Bischofs  Stephan  von  Cambrai  wieder- 
gewonnen war^),  und  liessen  die  milden  Gaben,  welche  St 
Gislen  vom  Volke  gespendet  wurden,  ohne  Scheu  in  ihre  Säckel 


*)  V.  Ger.  c.  17:   quaedam  scilicet  praedia  aubtrahens  sibi  militihvi 
quae  non  panca  expenderat  beneficii  gratia  tnilitantibus, 

»)  Mirac.  S.  Gisleni  saec.  X,  c.  5,  SS.  XV,  2,  577;  Beinen  Mirae. 
c.  3  a.  a.  0.  p.  581  f.  Die  Vita  Gerardi  c.  17  nimmt  das  Verdienst  fttr 
Gerhard  in  Ansprach.    Vgl.  Scliultze  a.  a.  0.  S.  247. 


127 

gleiten.  0  Endlich  soll  der  Heilige  dem  Herzog  Giselbert  im 
Schlafe  erschienen  sein  und  ihn  aufgefordert  haben,  ihm  einen 
Schild  gegen  die  unaufhörlichen  Angriffe  zum  Schutze  seines 
Heiligtums  zu  verschaffen:  damit  meinte  er  den  Abt  Gerhard 
von  Brogne.^) 

Sei  es  nun,  dass  Giselbert  persönlich  auf  einer  Versamm- 
lung zu  Dinant  an  der  Maas  Gelegenheit  hatte,  mit  Gerhard 
zn  sprechen  3),  sei  es,  dass  erst  Boten,  der  Bischof  von  Cambrai 
und  Graf  Bainer  III.  vom  Hennegau,  mit  dem  Abte  verhan- 
delten 4),  jedenfalls  erklärte  er  sich  im  Jahre  931  •'^),  wenn  auch 
nach  Widerstreben,  zur  Uebernahme  und  Reform  von  St.  Ghislain 
bereit  Der  Herzog  sorgte  ftlr  den  nötigen  Unterhalt  der  nun- 
mehr angesiedelten  Benedictiner,  indem  er  zu  Gunsten  des 
Stiftes  seinen  Dienstmannen  einige  Güter  entzog.^) 

Flandern. 

Der  eigentliche  Gründer  der  späteren  Macht  des  flandrischen 
Staates  war  Arnulf,  genannt  der  Alte  oder  der  Grosse.  Von 
väterlicher  Seite  mit  den  Karolingern,  von  mütterlicher  mit 
dem   englischen  Königshause  verwandt,   war  er  ebenso  sehr 


»)  Reinen  Mir.  S.  Gisleni  c.  10,  SS.  XV,  2,  583. 

>)  Relneri  Mirac.  c.  10;  Vita  Gerardi  c.  1 5. 

^)  Nach  der  Darstellung  Reinerd  a.  a.  0. 

*)  Wie  die  Vita  Gerardi  berichtet.  Hier  wird  als  Gesandter  der 
Bischof  Thiedo  v.  Cambrai  genannt,  der  erst  964—976  dieser  Kirche  vor- 
stand. Offenbar  stammt  gerade  diese  Stelle  aus  der  verlorenen  Vita  prior, 
die  971/972  verfasst  wurde,  da  eher  ein  gleichzeitiger  Autor  darauf  kommen 
konnte,  diesen  Namen  irrig  einzusetzen,  als  der  spätere  Bearbeiter,  der 
bereits  die  Miracel  Reiners  hier  benutzt  hätte.  Da  sich  in  demselben 
Abschnitt  auch  die  Notiz  ttber  Reiner  vom  Hennegau  findet:  nunc  usque 
exulat  in  ignotis  regionibuSf  die  ebenfalls  der  ersten  Vita  angehört,  so 
nehme  ich  an,  dass  die  Version  der  heutigen  Vita  Gerardi  bereits  der 
ersten  angehOrte  und  bin  nicht  geneigt,  wie  Schnitze,  sie  ganz  zn  ver- 
werfen. Auch  darin  ist  die  Vita  Ger.  den  Miracula  Reiners  vorzuziehen, 
wenn  nach  jener  St.  Ghislain  das  erste  von  G.  reformirte  Stift  war, 
wahrend  nach  der  andern  Quelle  G.  zur  Zeit  schon  viele  Abteien  geleitet 
Uitte.  Irrig  meint  S.,  die  Vita  habe  spätere  Mirac.  S.  G.  benutzt,  eine 
Annahme,  die  schon  v.  Heinemann  SS.  XV,  2,  66S  zurückwies.  Die  Vita 
geht  teils  auf  die  Mir.  Reiners  oder  seine  Unterlagen  (vgl.  SS.  XV,  2,  576) 
teils  auf  die  alte  Vita  Gerardi  zurück. 

*)  Ann.  Bland.  931.  <)  Vita  Gerardi  o.  17. 


128 

durch  Herrschertugenden  und  Reichtum,  als  gewaltige  physische 
Kraft  ausgezeichnet  0  Er  hatte  mit  der  Herrschaft  ttber  das 
Land  auch  den  Besitz  der  zahlreichen  Abteien  des  Reiches 
geerbt,  die  allerdings  zur  Zeit  sich  in  beklagenswertem  Znstande 
befanden.  Das  ganze  am  Meere  liegende  Gebiet  war  seiner 
Bebauer  beraubt  und  glich  einer  Einöde.^)  Die  Besitzungen 
der  Klöster  waren  unter  den  Gütern  des  Markgrafen  aufge- 
gangen, während  die  Klosterheiligen  nach  der  Zerstörung  ihrer 
Heiligtümer  noch  kein  Heim  wieder  gefunden  hatten. 

Die  beiden  bedeutendsten  Stifter  waren  bis  dahin  St.  Peter 
auf  dem  blandinischen  Berge  und  St.  Bavo  gewesen.  Jedes 
von  ihnen  behauptete  das  ältere  zu  sein  mit  derjenigen 
Kirche,  welche  der  hl.  Amandus  innerhalb  der  Burg  Gent  dem 
hl.  Petrus  gestiftet  hatte.  ^)  Beide  Klöster  waren  völlig  in 
Verfall  geraten.  In  St  Bavo  hatte  das  Feuer  nur  dürftige 
Mauerreste  verschont,  die  jetzt  mit  dichten  Dornen  und 
Unkraut  bedeckt  waren ;  solche  Spuren  hatte  die  Einäscherung 
der  Abtei  durch  die  Normannen  und  ihre  Ueberwinterung 
dreissig  Jahre  später  in  Gent  hinterlassen.  ^)  Mit  den  Reliquien 
waren  die  Mönche  noch  zur  rechten  Zeit  erst  nach  St  Omer, 
dann  nach  Laon  geflohen  ^),  wo  der  hl.  Bavo  und  die  hl.  Pha- 
raildis  auch  später  noch  ruhten.  Das  Schwesterkloster  auf  dem 
Mont-Blandain  war  von  weltlichen  Clerikern  in  Besitz  genommen, 
während  die  Ländereien  durch  Raub  und  Vernachlässigung  auf 
nichts  herabgebracht  waren.^)  Das  dritte  der  grossen  flandrischen 
Klöster  St  Bertin  war  zwar  noch  in  den  Händen  von  Mönchen, 


»)  Vita  S.  Bertulfi  Betic.  c.  23,  SS.  XV,  2,  625;  Vita  Gerardi  c.  19. 

*)  Mirac.  S.  Bavonis  I,  c.  7,  SS.  XV,  2,  593:  Et  quoniam  eotenus  ut 
totiis  circumiacens  paguSj  ita  et  Gandensia  coenobii  hcw  pene  videbatur 
similior  deserto  vacuatus  cuUoribus, 

')  Ueber  diesen  interessanten  Streit  vgl.  die  ausführliche  Darlegung 
bei  Holder-Egger,  Zu  den  Heiligengesch.  des  Genter  St.  Bavosklosters, 
Waitz-Aufsätze  1S86,  p.  634  ff.  —  Zu  bemerken  ist,  dass  der  von  H.-£. 
im  N.  A.  X  als  ineditum  gedruckte  Brief  Odvins  v.  St.  Bavo  an  Adelwin 
V.  Mont-Blandain  kurz  vorher  in  d.  Analecta  Bolland.  III,  189  zum  Abdruck 
gelangte. 

*)  Mirac.  S.  Bav.  I,  c.  7.    Vgl.  Ann.  S.  Bav.  851  u.  880. 

ß)  An.  S.  Bav.  846,  858. 

^)  Vgl  van  Lokeren,  Chartes  et  docnments  de  St.-Pierre  I,  nr.  1 5,  p.  1 6  ff. : 
rebtiSj  qiie  partim  per  violentiam,  partim  per  negligentiam  ablote  sunt. 


129 

die  namentHoh  unter  dem  Volk  ungemein  viel  Anhang  hatten, 
aber  ein  regulärer  Abt  fehlte;  dagegen  konnte  Arnulfs  Gemahlin 
es  trotz  der  entgegenstehenden  Klostervorsehriften  durchsetzen, 
die  geheiligten  Bäume  zu  betreten  und  am  Grabe  des  hl. 
Bertinus  zu  beten.  Sowohl  sie,  als  der  Graf  erwiesen  dem 
Kloster  in  der  Folge  Wohlthaten^);  es  ist  jedenfalls  diejenige 
nnter  den  flandrischen  Abteien  gewesen,  die  bei  Beginn  der 
Reformbewegung  sich  noch  im  leidlichsten  Zustande  befand. 

Der  erste,  der  auf  diese  Verhältnisse  aufmerksam  wurde, 
war  der  Bischof  Transmar  von  Noyon,  ein  reformatorisch  ge- 
ginnter Mann.  Er  fasste  zuerst  den  Gedanken  einer  Wieder- 
herstellung des  St.  Bavoklosters  und  schrieb  darüber  dem 
Markgrafen  einen  Brief:  er  wolle  eine  Leiter  errichten,  auf 
welcher  sie  beide  in  leichtem  Fluge  den  Himmel  erklimmen 
könnten.^)  Auch  an  mündlichen  Ermahnungen  liess  der  fromme 
Bischof  es  nicht  fehlen  und  so  rang  er  Arnulf  wirklich  die 
Einwilligung  ab.  Es  ist  dunkel,  wie  man  gerade  auf  Gerhard 
als  den  geeigneten  Beformator  kam,  aber  es  ist  doch  anzu- 
nehmen, dass  Transmar  bereits  den  Abt  von  Brogne  kannte, 
ehe  er  überhaupt  darauf  verfiel,  die  Beform  in  Flandern  zu 
beginnen.  Die  Vita  freilich  erzählt,  Gerhard  habe  den  Grafen 
einmal  von  einem  Steinleiden  geheilt,  dessen  Beseitigung 
geschickte  Aerzte  vergeblich  versucht  hätten.^)  Im*  Jahre  937 
erschien  Gerhard^),  aber  die  Bestauratiou  des  Stiftes  nahm 
mehrere  Jahre  in  Anspruch.  Zwei  Jahre  später  erfolgte  erst 
die  Translation  der  nach  Laon  geflüchteten  Heiligenreliqnien, 
am  19.  September  zunächst  nach  der  Kirche  im  neuen  K!astell, 
weil  die  St.  Peterskirche  noch  nicht  vollständig  wieder  her- 
gestellt war^),  und  erst  im  nächsten  Jahre  konnte  die  feierliche 
Uebertragnng  unter  grossem  Menschenzulauf  nach  St  Bavo 
erfolgen :  freilich  hatte  der  Abt  auf  Verlangen  des  Markgrafen 


0  Folcuini  Gesta  abb.  S.  Bert.  c.  106. 

')  Mirac.  S.  Bav.  c.  7:  mandavit  litteris  (vJb  in  acriptis  exxis  re- 
perimw)  super  hoc  negotio  Amulfo  marchiso,  ad  quem  idetn  locns  ex  regio 
pertin^xU  beneficiOf  sc  scilicet  scdUvm  velle  erigere,  per  quam  uterque  levi 
rolatu  cadum  poaset  conscendere. 

»)  V.  Gemrdi  c.  19.  *)  An.  S.  Bav.  937. 

<0  An.  S.  Bav.  939;  nach  Job.  de  ThUrode  c.  11,  SS.  XXV,  567 
geschih  das  940. 

Bftokvr,  ClnniaoooMr.    L  9 


130 

einen  Teil  der  Reliquien  in  der  Bargkapelle  lassen  müssen.^) 
An  den  Wiederaufbau  und  die  Vergrösserung  des  Kloster- 
gebäudes konnte  man  indes  erst  im  Jahre  946  gehen.  ^) 

Inzwischen  war  auch  die  Reform  von  Mont-Blandain  ins 
Werk  gesetzt  worden.  Hatte  Arnulf  einmal  den  Anfang  ge- 
macht, so  lag  es  nahe,  gerade  dasjenige  Stift  einem  regulären 
Klosterleben  und  einem  auf  sicherem  Grundbesitz  beitihenden 
Gedeihen  zuzuführen,  das  durch  die  Gräber  der  Vorfahren  dem 
Markgrafen  und  seiner  Familie  ganz  besonders  teuer  sein 
musste.  Mit  dem  Beispiel  des  Judas  Maccabäus  vor  Augen, 
der  den  von  Antiochus  zerstörten  Tempel  von  Jerusalem 
wieder  aufbaute,  sann  er,  wie  er  selbst  einmal  bezeugt, 
Tag  und  Nacht  darauf,  die  Familienstiftung  aus  ihrem 
Verfall  zu  erheben:  wie  aus  einem  schweren  Traume  erwacht 
—  so  bezeichnet  er  den  Umschwung  in  der  Gesinnung,  den 
er  in  seinem  religiösen  Bewusstsein  erlitten.^)  Er  holte  die 
Erlaubnis  König  Ludwigs  IV.  ein  und  verhandelte  mit  Bischof 
Transmar  von  Noyon  durch  Boten,  indem  er  ihn  bat,  nach  Gent  zu 
kommen.  Da  der  Prälat  aber  durch  Hofdienst  verhindert  war, 
erschien  ein  Stellvertreter,  der  Archidiacon  Bernacer,  am  24.  Juni 
941  vor  dem  Grafen.*)  Nunmehr  wurden  die  Cleriker  von 
Mont-Blai)dain  aufgefordert,  das  Mönchskleid  zu  nehmen.^)  Be- 
greif lichei'weise  erregte  der  Umschwung  die  grösste  Erbitterung; 
Gerhard  stiess  auf  energischen  Widerstand^);  doch  zerstreuten 
sich  schliesslich  die  meisten  der  verweltlichten  Chorherren  und 
die  Ordination  der  Mönche  durch  den  Archidiacon  und  Abt 
Gerhard  konnte  erfolgen,  während  der  Markgraf  in  umfassender 
Weise  die  Restitution  der  Klostergüter  begann  und  das  Stift, 
wenn  auch  nicht  mit  dem  einstmals  besessenen  Areal,  so  doch 


»)  An.  S.  Bav.  940 ;  vgl.  Mir.  S.  Bav.  c.  7. 

«)  An  S.  Bav.  946. 

^  van  Lokeren,  Charles  et  doc.  nr.  18.,  Urk.  Arnulfs  v.  8.  Juli  942: 
exsurgens  quasi  a  gravi  somno  excitatuSy  cepi  cogitatione  tadta  meciim 
diebus  noctibusque  revolvere  etc.  ' 

*)  Das  Jahr  941  geben  die  Ann.  Bland,  und  der  Liber  ccnsualis 
(SS.  XV ,  2,  645  n.  **) :  8.  Iduum  Jidiarum  anno  dorn,  incam.  dorn.  941. 

^)  V.  Lokeren  a.  a.  0.  nr.  16. 

')  V.  Ger.  c.  20  weiss  sogar  von  Mordabsiebten. 


131 

io  angemesseaer  Weise  aiisstatteteJ)  Tin  selben  Jahr  noch  gab 
Transmar  bei  seiner  Anwesenheit  in  Gent  dem  St.  Peterskloster 
den  Segen  nnd  sprach  für  den  Ort  nnd  seinen  Besitz  die 
bisehöflicbe  Immnnität  ans.^)  Damit  war  aber  noch  nicht  der 
Gmnd  gelegt  für  das  weitere  Anfbltthen  der  Familienstiftung. 
Ueberhänfte  Arnulf  und  seine  Gemahlin  Zeit  seines  Lebens 
dieselbe  nait  Schenkungen  3),  so  betrieb  er  auch  die  Herbei- 
{lebaffung  von  Heiligenreliquien,  welche  dem  Kloster  in  der  Be- 
völkerung erst  das  rechte  Ansehen  gewähren  konnten.  Im 
Herbst  des  Jahres  944^)  begaben  sich  Markgraf  Arnulf  und 
Abt  Gerbard  mit  einer  Sehaar  von  Mönchen  und  Clerikem 
nach  Boalogne,  wo  vor  etwa  hundert  Jahren  die  Gebeine  der 
hl.  Wandregisil,  Ansbert  und  Wulfram  in  Sicherheit  gebracht 
worden  waren.  Am  3.  September  langte  der  Zug  mit  den 
Heiligen,  die  es  an  Wundem  nicht  fehlen  Hessen,  und  zahllosen 
kleinen  Reliquien  in  Mont-Blandain  an ;  auf  dem  ganzen  Wege 
hatte  die  flandrische  Bevölkerung  mit  ihrer  Geistlichkeit  den- 
selben die  höchsten  Ehren  erwiesen.*)  In  Gent  nahm  die  Be- 
satzung der  Burg,  wie  das  Stadtvolk  regen  Anteil  an  der  Feier ; 
unter  Gesängen  zog  die  Mönchsschaar  des  Klosters  auf  dem 
Berge,  voran  der  Bischof  von  Noyon,  der  Proeession  entgegen.«) 
Zu  Ehren  der  Heiligen  begann  jetzt  im  Herbst  das  Erdreich 
auf  dem  Mont-BIandain  wie  im  FrOhUng  zu  spriessen  und  zu 
keimen  nnd  die  Bäume  bedeckten  sich  mit  frischem  Grttn.'^) 


^)  V.  Lokeren  nr.  15:  reatitiUis  eis  quibusdam  rebus;  nr.  16:  redditis 
in  heato  loco  ablatis  decimis  et  terria  rogatu  tnagni  comitis;  nr.  18:  ei 
9i  non  omniaf  saltem  reddidi  aliqua  que  predecessomm  meorum  tempore 
imle  8wit  abstracta  .  .  .  Hec  cuncta  licet  Quantität e  et  mwnero  videantur 
permodica;  nr.  21  (Ludwig  IV):  reddidit . .  quaadam  re»,  quamvis  non  omnes. 

•)  V.  Lokeren  nr.  15.  16. 

')  V.  Lokeren  nr.  18.  22.  23.  29.  30.  31. 

*)  Das  Jahr  giebt  der  Sermo  de  adventn  SS.  Wandregisili,  Ansbert! 
et  VulfraDni  c.  20  (SS.  XV,  2,  631)  und  die  An.  Bland.  944;  Gatal.  abb.  Bland, 
a.  a.  0.  p.  645 :  3.  anno  suh  Gerardo  abbate. 

«)  Sermo  de  adventu  c.  14—19:  SS.  XV,  2,  628—630. 

«)  Sermo  c.  20. 

*)  Sermo  c.  21.  —  Die  Translatio  erwähnt  auch  die  V.  Ger.  c.  20 
Ä.  a.  0.  S.  671,  bemerkt  aber:  angtista  refugit  nostrae  narrationis  angustiaj 
pratsertim  cum  hactenus  tota  idipsum  protestetur  Flandrensis  provincia. 
Dts  kAan  nattlrlieh  nur  aus  der  Vita  prior  stammen,  zumal  ganz  deutlich  da- 
dueh  bezeugt  ist,  dass  die  Translatio  noch  nicht  besonders  geschrieben  war. 

9» 


132 

Eine  neue  Basilica  erhob  sich  statt  der  alten,  welche  nicht  mehr 
ansreichte,  reich  mit  liegendem  Besitz  und  Gold-  nnd  Silber- 
schätzen aasgestattet J)  Endlich  erfolgte,  ein  wenig  später,  am 
3.  Dec,  ebenfalls  aus  Boulogne,  die  Translation  der  hll.  Ber- 
tulfas  und  Gudwalo  und  anderer  Reliquien,  die  ebenfalls  in  der 
neuen  Kirche  in  der  östlichen  Absis  ihre  Ruhestätte  fanden.^) 

Wenige  Monate,  bevor  Markgraf  Arnulf  und  Abt  Gerhard 
die  Translation  der  genannten  Heiligen  nach  dem  blandinischen 
Berge  vornahmen,  waren  beide  an  die  Reform  der  dritten  der 
grossen  flandrischen  Abteien  gegangen.  Der  Abt  wurde  be- 
auftragt, mit  den  Mönchen  von  St.  Bertin  zu  verhandeln,  am 
sie  auf  den  rechten  Weg  zu  geleiten.  Als  sie  aber  mit  Hart- 
näckigkeit sich  jeder  Aendernng  entgegenstellten,  erfolgte  am 
15.  April  944  ihre  Ausweisung  und  die  Einführung  regulärer 
Mönche,  die  Gerhard  aus  verschiedenen  Orten  zusammengebracht 
hatte.  Aber  die  Bevölkerung  ergriff  offen  Partei  für  die  alten 
Brüder  und  war  geneigt,  sich  mit  Gewalt  gegen  die  Ankömm- 
linge und  den  Abt  zu  erheben.  Schliesslich  siegte  doch  die 
neue  Richtung ;  die  früheren  Insassen  schieden  unter  dem  Geleit 
des  Volkes  und  siedelten  zum  grossen  Teil  nach  England  über, 
wo  König  Ethelstan,  der  besondere  Anhänglichkeit  an  St.  Bertin 
hatte,  wo  sein  Bruder  Edwin  bestattet  war,  ihnen  ein  neues 
Heim  bereitete.  Immerhin  waren  es  noch  neun  Mönche,  die 
nach  ihrem  alten  Kloster  zurückkehrten,  entschlossen,  sich  der 
neuen  Ordnung  zu  fligen.^)  Aber  Abt  Gerhard,  der,  wie  wir 
wissen,  gerade  damals  durch  die  Blandinienser  stark  in  An- 
spruch genommen  war,  behielt  die  Abtwürde  von  St.  Bertin 
nicht,  sondern  setzte  eine  provisorische  Leitung  ein,  die  aus 
einem  Mönche  von  St  Evre,  Agilo,  und  Womar,  einem  Blan- 
dinienser, bestand.*)    Nach  Agilos  Tode  jedoch,  947,  erfolgte 


^)  Sermo  c.  22. 

«)  c.  23;  VitÄ  S.  Bertulfi  c.  30,  SS.  XV,  2,  637.    Vgl.  Schultze  p.  243. 

>)  Folcuini  Gestaabb.  S.  Bert.  c.  107;  nach  den  Ann.  Bland,  erfolgte 
die  Ordination  Gerhards  in  St.  Bertin  945. 

*)  Folc.  Gesta  a.  a.  0.:  Agiloni  quodam  aancti  Apri  monacho  Toletanae 
civitatis  cimi  Womaro  Blandi7iii  monasterii  monacho^  non  cwn  aJbbatis 
nomine^  regularia  vitae  regimeth  comite  ivtbentt  et  Qerardo  abbate  con- 
sentiente  concessum  est.  St.  Evre  bei  Toul  war  schon  vorher  von  Fleoiy 
auB  reformiert  worden. 


133 

die  endgültige  Consecration  Widos,  eines  Neffen  des  Abtes 
Gerbard,  anf  dessen  eifriges  Betreiben.  Wido  wurde  jedoch 
bald  jngendlieher  Thorheiten  bei  dem  Markgrafen  angeschuldigt 
Dod  der  Abtei  beraubt,  die  nunmehr  Hildebrand,  einem  Neffen 
Arnulfs,  übergeben  wurde,  der  am  17.  März  950  durch  den 
Bisebof  Wiefried  von  Tb^rouanne  die  Weihe  erhielt.  Der 
Markgraf  sorgte  in  der  Folgezeit  für  den  Erwerb  und  die  Trans- 
lation TOD  Heiligenleibem  und  Rückgabe  von  Eirchengut.  Ein 
sächsischer  Canonicus,  der  nach  der  flandrischen  Abtei  geflüchtet 
war,  ein  gelehrter  Mann,  übernahm  die  Leitung  der  Schule.^) 

Mit  grosser  Schnelligkeit  hatte  sich  in  den  flandrischen 
Abteien  der  Umschwung  vollzogen.  Der  Markgraf,  der  im  An- 
fange seiner  Berrschaft  die  Anschauungen  und  Gesinnungen 
des  Eriegsadels  teilte,  der  über  die  Landesstifter  schaltete  und 
waltete  and  ihre  Ländereien  an  Vasallen  weggegeben  hatte  ^), 
wurde  schliesslich  durch  das  Verdienst  des  Bischof  Transmar 
and  das  Gerhards  von  Brogne  völlig  den  kirchlichen  Befoim- 
ideen  gewonnen,  so  dass  er  von  dem  säcularisirten  Besitz  so- 
viel als  möglich  zurückgab  und  auch  für  die  Beschaffung  von 
Reliquien  sorgte.  Namentlich  auf  Mont-Blandain  hörte  er  nicht 
anf^  Gunstbeweise  zu  häufen;  auch  sein  Schwiegersohn  Graf  Wich- 
mann beschenkte  nach  dem  Tode  seiner  Gattin,  der  Tochter 
Arnulfs,  zu  ihrem  Seelenheil  das  Familienkloster.  ^) 

Die  Wirksamkeit  Gerhards  ist  jedoch  damit  noch  nicht 
erschöpft.  Sicher  ist,  dass  auch  St.  Amand,  sehr  wahrscheinlich, 
dass  St  Omer  ihm  eine  geistliche  Wiederbelebung  verdankten. 
In  beiden  FäUen  scheint  ebenfaUs  Arnulf  ein  nicht  geringes 
Verdienst  beanspruchen  zu  dürfen.  Am  1.  Juni  952  berief  er 
zur  Weihe  des  Abtes  Leudericus  von  St.  Amand  die  Bischöfe 
Fulbert  von  Cambrai  und  Rudolf  von  Noyon ;  von  Achten  aber 
fanden  sich  Gerhard  von  Brogne,  Hildebrand  von  St.  Bertin 
und  Bemer  von  Homblieres  ein,  lauter  entschiedene  Vertreter 
der   reformatorischen    Richtung.^)      Der    Markgraf    erstattete 


1)  Folcuini  Gesta  c.  108. 

*)  Epist  Odelboldi  abb.  S.  Bavonis  ad  Otgivam,  Miraeus,  Opp.  dipl. 
I,  348.  8)  V.  Lokeren  nr.  32  v.  18.  Oct.  962. 

*)  Annal.  Einen,  maj.  952;  An.  Elnon.  min.  952.  Schnitze  bat  über- 
sehen, dass  Ledricus  in  einer  Urk.  Lothars  v.  11.  Dec.  954  als  Abt  unter 
der  Botmässigkeit  Womars  bezeichnet  wird.    S.  Excurs  IV. 


134 

alle  Besitzungen  der  Abtei  zurttck  und  übertrug  vieles  von  seinem 
Eigentum.  Leuderiebs  Regiment  war  nur  von  kurzer  Dauer: 
er  starb  bereits  956.  >)  Die  glücklichen  Erfolge,  die  Arnulf 
mit  der  Klosterreform  bereite  in  den  drei  grossen  Klöstern 
seines  Landes  in  den  vierziger  Jahren  erzielt  hatte,  veranlassten 
vielleicht  König  Ludwig  IV.  im  Jahre  949  St.  Omer,  das  seit 
der  Zerstörung  durch  die  Normannen  ohne  Leiter  blieb,  Arnulf 
von  Flandern  zu  übergeben.  Ein  gewisser  Adelard  empfing 
als  erster  Propst  die  Abtei  von  Arnulf  und  leitete  sie  von 
950 — 967,  in  welchem  Jahre  Adalwin  folgte,  bis  er  982  Abt 
von  St  Bavo  wurde.  Man  wird  kaum  zweifeln  dürfen,  dass 
auch  bei  dieser  Reform  Gerhard  beteiligt  war,  da  die  Aebte 
von  St  Bertin  die  Oberaufsicht  führten,  wie  der  Propsttitel 
der  Vorsteher  von  St  Omer  vermuten  lässt  Es  kommt  dazu, 
dass  einer  derselben  später  auf  den  Abtsitz  von  St  Bavo  ge- 
langt, woraus  zu  schliessen,  dass  er  der  Schule  Gerhards  von 
Brogne  angehörte.  2) 

Man  hat  Gerhard  von  Brogne  eine  ausgedehntere  Thätig- 
keit  in  der  Reimser  Diöcese  auf  Grund  einer  Notiz  der 
Klostergeschichte  vonMouzon^)  zuschreiben  wollen,  sicher  mit 
Unrecht  Das  Kloster  Saint-Remi,  dessen  Abt  Gerhard  danach 
gewesen  sein  soll,  wurde,  wie  wir  sehen  werden,  945  von 
Fleury  aus  reformiert,  die  Abtreihe  ist  vollständig  bestimmt 
und  vorher  war  bei  den  politischen  Verwickelungen,  deren 
Mittelpunkt  Reims  war,  an  eine  Reform  dieses  Klosters  nicht 
zu  denken.  Entstanden  mag  die  Nachricht  dadurch  sein,  dass 
wir  später  einen  Schüler  Gerhards,  Letald,  als  Abt  von  Tin-le- 
Moutier  und  Mouzon  finden,  ohne  sicher  angeben  zu  können, 
wie  er  dahin  gelangt  ist  Möglich  ist  allerdings,  dass  die 
Stifter  des  erstgenannten  kleinen  Klösterchens  Graf  Stephan 
und  Fredelindis  sich  an  Gerhard  wandten,  der  aber  dann 
sicher  nicht  Abt  von  Saint-Remi  gewesen  ist    üeber  Letald 


»)  An.  Elnon.  956. 

«)  Vgl.  Lamberti  S.  Audomari  Series  abb.  S.  Bertin.  SS.  XIII,  390. 
Hier  wird  die  Uebersiedeliing  Alwins  nach  Gent  bereits  975  gesetzt. 

^)  Eist.  Mosom.  c.  2,  SS.  XIV,  610:  Hunc  ergo  per  consilium  domni 
Gerardi  abbatiSy  viri  vitaeque  venerabiliSj  qui  tunc  temporis  pro  merito  sui 
nominis  et  religiosae  conversationis  plusibus  in  Franda  preerai  monachortmi 
cenobiiSf  inter  qtuie  et  tnonaaterii  Sancti  Eetnigii  curam  agebat. 


135 

irerden  wir  an  anderer  SteUe  zu  reden  haben:  hier  genügt 
es,  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Bichtnug  Gerhards  nicht  auf 
Lothringen  und  Flandern  beschränkt  blieb  und  dass  sich 
Spuren  von  Wirkungen  auch  in  Frankreich  uachweisen  lassen. 
In  der  Normandie  scheiterten  zwar  vorläufig  noch  die  Versuche 
Gerhards,  festen  Fuss  zu  fassen,  sicherlich,  weil  bei  der  erst 
za  kurz  verflossenen  Christianisierung  der  Bevölkerung  weder 
der  Hof,  noch  das  Volk  für  kirchliche  Reformideen  reif  war. 
Wenig  glaubwürdig  aber  ist  die  Nachricht  einer  normannischen 
Quelle,  Gerhard  habe  dem  Herzog  Richard  die  Zurückgabe 
der  Gebeine  des  hl.  Wandregisil  versprochen,  die,  wie  vnr 
wissen,  von  Boulogne  nach  Mont-BIandain  übertragen  wurden, 
wenn  er  dem  Kloster  St  Wandrille  die  einst  besessenen  Be- 
sitzungen restituiere.  1)  Die  aus  diesem  Stift  nach  Gent  ge- 
brachten Reliquien  bildeten  den  Hauptschatz  des  Klosters,  bei 
dessen  Erwerbung  der  Graf  wie  der  Abt  den  grössten  Eifer 
entwickelten.  Wie  hätte  er  jetzt  ein  solches  Anerbieten  machen 
sollen,  das  ihn  Arnulf  gegenüber  vollständig  biosstellen  konnte 
—  man  müsste  denn  annehmen,  dass  es  nur  auf  einen  Betrug 
dem  Herzoge  oder  dem  Grafen  gegenüber  abgesehen  war.  Glückte 
es  aber  auch  Gerhard  noch  nicht,  reformatorischen  Sinn  in 
der  Normandie  anzupflanzen,  so  erfolgte  doch  wenige  Jahre  nach 
seinem  Tode  die  Uebertragung  der  Keime  aus  einem  der 
Genter  Klöster  nach  dem  nördlichen  Frankreich,  wovon  aber 
hier  noch  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Bis  in  das  Jahr  953^)  hatte  Gerhard  die  Abtwürde  der 
beiden  Genter  Stifter  behauptet  und  auch  über  die  übrigen 
reformierten  Klöster  des  Reiches  seine  Autorität  bewahrt.  In 
diesem  Jahre  verbreitete  sich  in  Folge  des  Aufstandes  Ludolfs 
von  Schwaben,  Konrads  von  Lothringen  und  des  Erzbischofs 
Friedrich  von  Mainz  das  Kriegsfeuer  über  das  ganze  Reich; 
namentlich  aber  die  westlichen  Gebiete,  Lothringen  war  in 
heftiger  Erregung.  Wir  wissen,  dass  Gerhard,  als  er  nach 
St  Denis  ins  Kloster  ging,  seine  sämmtlichen  lothringischen 
Besitzungen,  darunter  auch  Brogne  dem  französischen  Kloster 


*)  Vgl.  Mirac.  S.  Wulfr.  c.  3,  d»Achery,  Spicil.  II,  285. 
*)  An.  Bland.  958 ;  An.  S.  Bav.  953. 


136 

ttbergab,  obgleich  jenes  im  Ltttticher  Sprengel  lag.  Nunmehr 
bei  dem  ausbrechenden  Kriegsgetttmmel  schien  es  dringend  not- 
wendig, das  Kloster  Brogne  loszukaufen  und  seinem  natürlichen 
Beschützer,  dem  Bischöfe  von  Lttttich,  zu  untergeben,  da  die 
Mönche  von  St  Denis  natürlich  in  keiner  Weise  dem  fem 
gelegenen  Stift  ihren  Schutz  angedeihen  lassen  konnten.  Es 
gelang  Gerhard  in  der  That  mit  Hülfe  der  von  Arnulf  er- 
worbenen Geldmittel  das  Abhängigkeitsverhältnis  zu  lösen  und 
die  kleine  unbedeutende  Abtei  in  die  Hände  des  Bischofs 
Farabert  zu  bringen,  der  seinerseits  zum  Dank  dafür  dem 
neuen  Schützlinge  zwanzig  Hufen  Ackerland  überwies.  Nun 
kehrte  Gerhard  noch  einmal  nach  Flandern  zurück,  besuchte 
die  Stifter,  die  unter  seiner  Herrschaft  gestanden  hatten  und 
setzte  über  St  Peter  und  St.  Bavo  eben  jenen  Womar,  der 
vorübergehend  eine  ähnliche  Stellung  in  St  Bertin  eingenommen 
hatte;  in  Cambrai  erhielt  er  durch  den  Bischof  Fülbert  die 
Weihe.  9  Aber  nicht*  nur  die  beiden  Genter  Klöster  kamen 
unter  seine  specielle  Leitung,  auch  die  Abhängigkeit  anderer 
flandrischer  Klöster,  wie  St.  Bertin,  St  Vaast,  St  Amand  dauerte 
unter  Gerhards  Nachfolger  fort.  2) 

Er  war  ein  noch  junger  Mann,  wenig  über  dreissig  Jahr  alt') 


^)  AUes  nach  Y.  Ger.  c.  21.  Schnitze  verwirft  die  ganze  Erzählung 
und  er  muss  es,  da  er  ja  leugnet,  dass  Gerhard  überhaupt  in  St.  Denis  war. 
Wir  haben  letzteres  (Excurs  IV.)  nachzuweisen  gesucht,  indem  wir  zeigten, 
dass  die  chronolog.  Daten  der  Vita  sich  als  völlig  richtig  erwiesen.  Ebenso 
ist  es  mit  diesen  Nachrichten.  Die  Vita  beschreibt  hier  heftige 
Kämpf e,  unter  denen  nur  diejenigen  von  953  gemeint  sein  können.  953 
lobte  auch  Bischof  Farabert  noch,  der  hier  genannt  wird,  953  dankt  Ger- 
hard in  der  That  ab.  Dagegen  verwerfe  ich  den  Bericht  über  die  römische 
Reise,  die  Gerhard  unternommen  haben  soll,  um  de  rebus  et  liberalitcUe 
ejusdetn  nionasterii  authenticos  apices  confirmantis  decreti  zu  erlangen. 
Der  Autor  benutzt  nämlich  eine  Urkunde  eines  Papstes  Stephan,  der  zu  dieser 
Zeit  nicht  regierte;  nun  ist  uns  ein  unechtes  Diplom  eines  Papstes 
Stephan  erhalten  (vgl.  v.  Heinemann,  N.  Arch.  XV,  594).  Da  aber  na- 
mentlich die  Zeugenreihe  in  demselben  übereinstimmt  mit  der  Notiz  der 
Vita,  nach  der  Gerhard  die  Erlaubnis  erhielt,  ut  omnes  subscriberent  epis- 
copi,  per  quos  repatriando  speraret  ipse  reverti,  so  ist  kaum  zu  bezweifeln, 
dass  der  Autor  sich  hier  auf  die  falsche  Urkunde  stützt.  Die  römische 
Reise  verliert  dadurch  jede  Bestätigung. 

*)  Vgl.  die  Urk.  Lothars  f.  St.  Bavo  v.  11 .  Dec.  954  (Serrure,  Gart,  de 
St.-Bavon  nr.  5^^,  p.  5).  ^)  Nach  den  Ann.  Bland,  ist  er  922  geb. 


137 

und  seit  fttnfzehn  Jahren  bereits  darch  die  Priesterwürde  geehrt  0; 
erst  942  hatte  er  auf  dem  Mont-BkiDdaiii  die  Kntte  genommen.  ^) 
Während  nun  hier  seiner  Einsetzung  keine  Hindernisse  in  den 
Weg  traten,  gab  es  anseheinend  in  St.  Bavo  eine  Partei  unter 
den  Mönehen,  die  gegen  die  Personalunion  mit  dem  Schwester- 
kloster  war  und  gegen  Womar  einen  andern  Abt  auf  den  Schild 
hob,  einen  gewissen  Hugo.  Indes  wandte  sich  Womar  bereits  ein 
Jahr  nach  seiner  Ordination  an  den  Abt  Einold  von  Gorze,  Humbert 
von  St  Evre  und  andere  reformatorisch  gesinnte  Klosteräbte:  auf 
deren  Betreiben  Graf  Arnulf  und  sein  Sohn  den  König  von  Frank- 
reich mit  der  Bitte  angingen,  die  Klosterleitung  Womar  zu  be- 
stätigen. Mit  aller  Entschiedenheit  erklärte  Ludwig  d'Outremer 
sich  für  den  Günstling  des  markgräflichen  Hauses  3),  aber  die 
Opposition  dauerte  offenbar  fort,  denn  noch  im  Jahre  967 
wandte  sich  König  Lothar  in  einem  Diplom  fbr  St.  Bavo,  in 
welchem  er  nach  Arnulfs  Tode  die  Rechte  und  Besitzungen  der 
Abtei  bestätigte  und  für  die  in  Frankreich  gelegenen  Güter 
Immunität  gewährte,  gegen  die  schlechten  Umtriebe,  welche  die 
Klostermhe  stören  und  lieh  dem  Abt  Womar  und  seinen 
Mönchen  den  Schutz  seiner  Autorität^)  Warum  die  Stellung 
Womars  in  St  Bavo  eine  sehr  missliche  sein  musste,  ist  ganz 


1)  An.  Bland.  938.  >)  An.  Bland.  942. 

^  Urk.  Lothars  v.  954  bei  Serrure  a.  a.  0. :  Habeant  sane  potestatem 
eligendi  abbatem  regiUariteTf  quemcu/nique  degerint:  ita  tarnen,  ut  his 
qui  in  praesetUi  tempore  ejtisdeni  coenobii  regimen  regidariter  suscepwse 
dignoscitur,  dominus  sdlicet  Womarus,  omnium  opjw'nentium  se  insidiiSj  ab 
ejmdeni  loci  patemitate  nunqtiam  jyrivari  valeai.  Sowohl  Schultze,  als 
Holder-Egger  haben  erkannt,  dass  diese  entschiedene  Verteidigung  Womars 
eine  kräftige  Opposition  gegen  seine  Person  in  St.  Bavo  voraussetze. 
Sehultze  geht  aber  gewiss  fehl,  wenn  er  in  den  Gegnern  eine  reform- 
feindliche Partei  sieht.  Da  St.  Bavo  völlig  neu  eingerichtet  wurde  und 
kein  Stamm  alter  Mönche  vorhanden,  so  wüsste  man  nicht,  woher  diese 
Feinde  der  Reform  kommen  sollten.  Dagegen  ist  mit  Holder-Egger  an- 
zunehmen, dass  man  in  St.  Bavo  für  Selbständigkeit  war  und  es  scheint 
das  bei  der  Rivalität  zwischen  den  Genter  Klöstern  ein  sehr  begreif- 
licher Wunsch, 

*)  ürk.  Lothars  v.  5.  Mai  967,  Serrure  nr.  6*,  p.  7:  Praecaventes  itaque 
antiqui  hostis  insidias^  quibus  servorum  dei  quietem  conturbare  et  muUiforma 
eaüiditate  molestari  nitituTf  reverendo  abbati  Womaro  et  ejusdem  sancti  loci 
fratribus  hanc  nostrae  auctoritaiis  tutelam  contra  venttwae  perturbationis 
jacuUif  opponendam  conceMtmus, 


138 

klar:  St.  Peter  war  unstreitig  das  bevorzngtere  und  begttnstigtere 
beider  Klöster.  Auf  der  audem  Seite  erhoben  die  St  Bavos- 
mönche  den  Anspruch  auf  höheres  Alter  ftlr  ihr  Kloster,  das 
in  ihren  Augen  die  Gründung  des  hl.  Amandus  in  der  Burg 
Gent  war.  Daran  knüpfte  sich  gerade  unter  Abt  Womar  jene 
langwierige  Rivalität  zwischen  beiden  Abteien,  die  Fälschungen 
verschiedener  Art  zu  Tage  förderte  und  da  die  Brttder  von 
St  Bavo  die  schwächeren  waren,  so  ist  es  sehr  begreiflich, 
dass  Womar  fttr  die  Blttte  von  Mont-Blandain  mit  verantwortlich 
gemacht  wurde.  Indes  hatte  jener  Hugo,  den  die  St  Bavonianer 
für  ihren  Abt  ansahen,  endlich  965  für  gut  befunden  zu  re- 
signieren. ^)  Da  bald  darauf  die  Neuverbriefung  des  Stifts  ftlr 
Womar  durch  den  französischen  König  erfolgte,  so  ist  anzu- 
nehmen, dass  fllrder  der  Widerstand  niedergeschlagen  wurde, 
zumal  von  weiteren  Umtrieben  nichts  bekannt  ist.  Die  beiden 
Klöster  erfreuten  sich  übrigens  unter  Abt  Womar  auch  der 
Gunst  der  deutschen  Kaiser ;  dieselben  waren  unermüdlich  be- 
strebt, die  Rechte  und  Freiheiten  der  Klosterländereien  zu  er- 
weitern. Restituierte  Otto  II.  am  21.  Jan.  974  und  18.  Jan.  976 
ehemals  im  Besitze  von  St  Bavo  gewesene  Güter  ^),  so  gewährte 
Otto  I.  am  22.  Jan.  966  einigen  Gütern  des  blandinisohen 
Klosters  innerhalb  der  deutschen  Reichsgrenzen  Immunität  3), 
was  sein  Nachfolger  am  28.  Febr.  977  bestätigte.^)  Im  selben 
Jahre  hob  der  Kaiser  alle  Zölle  auf,  die  bis  dahin  im  Reiche 
von  den  Klosterleuten  von  St  Peter  eingetrieben  wurden.*) 

Am  27.  Aug.  980  segnete  Womar  das  Zeitliche«)  und  Wido, 
der  bis  dahin  unter  jenem  wahrscheinlich  Probst  von  St  Bavo 
gewesen  war"),  folgte  als  gemeinschaftlicher  Abt  der  beiden 
Genter  Abteien.  Auch  jetzt  wieder  stellten  sich  augen- 
scheinlich der  gemeinschaftlichen  Verwaltung  Schwierigkeiten 
entgegen,  denn  bereits  zwei  Jahre  später  resignierte  er  in  St 
Bavo.^)    Auf  dem  Mont-Blandain  gewann  er  dagegen  offenbar 

»)  An.  S.  Bav.  965. 

')  van   Lokeren,    Hlst.    de   l'abbaye  de   Saint-Bavon,   Gand    1S55- 
Analyse  des  chartes  et  docum.  p.  2;  M.  6.  DO  II,  nr.  69.  125;  St.  617.  691. 
>)  v.  Lokeren,  Chart,  et  doc.  de  St. -Pierre  nr.  40;  DO  I,  nr.  317;  St  395. 
*)  V.  Lokeren  nr.  50;  DO  II,  nr.  145;  St.  694. 
»)  V.  Lokeren  nr.  49;  DO  II,  nr.  149;  St  697a. 
•)  Nach  d.  Berechn.  v.  Holder-Egger  a.  a.  0.  p.  661. 
'')  Nach  Holder-Eggers  Annahme  p.  662  ff.  ")  An.  S.  Bav.  982. 


139 

grosses  Ansehen:  ostentatiT  bezeichneten  die  Mönche  dieses 
Klosters  ihn  in  ihren  Annalen,  wo  sie  sich  sonst  aller  Epitheta 
enthielten,  als  den  weisen  Wido  nnd  Wido  frommen  Ange- 
denkens. ^)  Als  Wido  nach  einigen  Jahren  986  aus  dem  Leben 
schied,  da  wählten  denn  seine  Mönche  nicht  mehr  den  Abt 
von  St  Bayo  zu  ihrem  Abt:  beide  Klöster  blieben  fortan  nn- 
vereinigt,  aber  ihre  Beziehungen  blieben  auch  weiter  die  engsten, 
wenn  auch  feindseligsten:  denn  sie  stritten  ein  Jahrhundert 
lang  um  die  Ehre  des  Alters  und  um  den  Ruhm  ihrer 
Heiligengebeine. 

Wir  haben  nur  noch  einen  Blick  auf  St.  Bertin  zu  werfen, 
wo  wir  Hildebrand,  den  Neffen  Arnulfs,  als  Abt  verliessen; 
er  kam  um  die  Zeit,  da  Gerhard  sich  von  den  Amtsgeschäften 
zurückzog,  nach  St.  Vaast,  dessen  Reform  der  Markgraf  eben 
so  eifrig,  als  die  der  anderen  flandrischen  Stifter  betrieb.  Die 
Widerstrebenden  mussten  wieder  von  dannen  weichen ;  über  den 
Geschäften  und  neuen  Einrichtungen  vernachlässigte  Hildebrand 
aber  St  Bertin,  so  dass  dort,  wenn  auch  gegen  den  Willen 
der  Brttder,  durch  Arnulf  ein  gewisser  Reginald  zum  Abte 
erhoben  und  am  21.  März  954  ordiniert  ward,  dem  es  auch 
gelang,  sich  die  Liebe  der  Mönche  zu  erwerben.  Als  aber  der 
neue  Leiter  in  eine  schwere  unheilbare  Krankheit  verfiel,  wurde 
auf  Betreiben  des  Grafen  zunächst  nur  ein  provisorischer 
Vorsteher  ernannt,  da  Arnulf  doch  den  Plan  hatte,  seinen 
Neffen  Hildebrand  wieder  nach  St.  Bertin  zu  berufen.  Und 
so  geschah  es.  Im  Jahre  962  trat  Hildebrand  zum  zweiten 
Mal  die  Abtwürde  des  westflandrischen  Klosters  an. 2) 

Die  Reform  in  Flandern  nahm  ihren  Weg,  ohne  von 
der  von  Cluni  ausgehenden  Bewegung  näher  abhängig  zu 
werden.  Indes  hatte  keine  von  den  damals  bestehenden 
RichtuDgen  einen  so  exclusiven  Charakter,  dass  eine  leise 
Bertihrnng  ausgeschlossen  gewesen  wäre.  In  St  Bertin  treffen 
wu*  doch  einen  Mönch  von  St.  Evre  kurze  Zeit  am  Ruder  und 

0  An.  Bland.  981:  svccessit  sapiens  Wido;  986:  Obiit  Wido  piae 
memoria^;  Catalogus  abb.  Bland.  (SS.  XV,  2,  H45):  Post  hunc  Wido  sapiens. 

*)  Folc.  Gesta  abb.  S.  Bert.  c.  100.  —  Schnitze  p.  245  irrt  sich  hier, 
wenn  er  unmittelbar  auf  Wido  Womar  als  Abt  von  St.  Bertin  folgen  und 
erst  081  nach  W.'s  Tode  Ilildebrand  Abt  dieses  Klosters  werden  lässt. 


140 

dieses  Kloster  stand,  wie  wir  noch  sehen  werden,  seiner  reforma- 
torisefaen  Richtung  nach  zu  Fleury  in  nahem  Verhältnis.  Womar 
von  St.  Bavo  und  St.  Peter  begegnet  mehr  als  einmal  in  Beziehungen 
zu  den  Metzer  Reformatoren,  die  ihren  Ausgangspunkt  in  Gorze 
nahmen.  Der  Erzbischot  Dunstan  TonCanterbury  componierte  seine 
Klosterregel  aus  den  Vorschriften  von  Fleury  und  St.  Peter  auf  dem 
blandinischen  Berge  und  schliesslich  verschmolz  sich  die  Genter 
Bewegung  in  der  Normandie  mit  der  cluniacensischen,  die 
hier  von  Wilhelm  von  Dijon  geleitet  wurde.  Es  fand  offenbar 
hier  überall  ein  Geben  und  Nehmen  statt,  das  schon  durch 
den  ewigen  Wechsel  der  Mönche  in  diesen  Klöstern  und  den 
fortwährenden  Zufluss  neuer  Elemente  aus  anderen  Gebieten 
bedingt  wurde.  Freilich  gewährt  die  Durchführung  der  neuen 
Tendenzen  ganz  äusserlich  betrachtet  in  den  verschiedenen  Re- 
formbezirken ein  unterschiedliches  Ansehen ;  aber  man  darf  nicht 
vergessen,  dass  diese  Besonderheiten  weniger  durch  eine  innere 
der  betreffenden  reformatorischen  Richtung  innewohnende  Kraft, 
als  durch  recht  äusserliche  und  zufällige  Umstände  hervorgerufen 
wurden.  So  lag  der  Grund  der  ganz  besonderen  Reliquienver- 
ehrung und  der  Bemühungen,  die  alten  Reliquien  in  den  Klöstern 
aufzuhäufen,  die  in  Flandern  sich  bemerklich  machen,  offenbar 
einzig  und  allein  darin,  dass  wir  es  überaU  mit  alten  Stiftern 
der  Merowingerzeit  mit  ihren  zahllosen  irischen  Heiligen  zu  thnn 
haben,  deren  Besitz  von  jeher  als  der  Beweistitel  des  Alters  und 
des  Ansehens  der  Abteien  galt.  Kamen  nun  noch  Rivalitäten, 
wie  zwischen  den  Genter  Klöstern  hinzu,  in  denen  möglichst 
zahlreiche  Heiligengebeine  fUr  ebensoviel  Argumente  angesehen 
wurden,  so  wird  man  dieses  Hervortreten  der  Reliquiensucht  ge- 
wiss nicht  als  eine  Eigentttmlichkeit  des  Gerhard'schen  Reform- 
geistes ^)  betrachten,  sondern  auf  die  zurälligen  Umstände,  die  sie 
bedingten,  zurückzuführen  haben. 

Von  grösserer  Wichtigkeit  für  das  Gedeihen  der  Klöster 
und  den  Fortschritt  der  Reform  ist  die  mehr  oder  weniger 
grosse  Freiheit,  welche  man  den  Stiftern  selbst  überlässi  In 
Flandern  ist  die  Reform  durchaus  das  Werk  des  Markgrafen 
Arnulf.  Er  ist  der  Herr  über  die  reformierten  Abteien,  nicht 
nur  der  Lehnsherr,  sondern  der  Besitzer.  Er  giebt  sie  nicht 
aus  den  Händen ;  dagegen  veranlasst  er  den  Bischof  von  Noyon, 

^)  Wie  Schnitze  p.  256  meint. 


141 

Stifter,  wie  die  von  Mont-Blandain  und  St  Bavo  von  der 
bisehöflichen  Jnrisdiction  za  befreien.  Sie  kommen  dadurch 
um  so  fester  in  seine  Gewali  Es  erfolgt  auch  kein  Abtwechsel 
ohne  ihn.  Ihm  zur  Seite  steht  Gerhard ;  so  lange  er  in  Flandern 
thätig  ist,  steht  er  an  der  Spitze  des  gesammten  Klosterwesens. 
Beide,  der  Abt  und  der  Graf  verfahren  bei  ihren  Abtein- 
setzungen, Translationen  und  Reformen  gemeinschaftlich.  Bald 
giebt  der  eine,  bald  der  andere  die  Anregung.  Nicht  nur 
über  die  Genter  Klöster,  sondern  auch  über  die,  welche  er 
nicht  unmittelbar  leitet,  behält  Gerhard  eine  höhere  Aufsicht 
Er  nimmt  bei  Arnulf  die  Stellung  eines  Procurators  f&r  das 
flandrische  Klosterwesen  ein,  eine  Befugnis,  die  auch  auf  seinen 
SehtUer  Womar  übergeht  Diese  eentralisierende  Verwaltung 
hatte  indes  nicht  lange  Bestand.  Wir  wissen,  dass  sich  sogar 
schon  in  St  Bavo  Selbständigkeitsgelttste  regten  und  als  nun 
962  Markgraf  Arnulf  seinem  um  drei  Jahre  ^)  ihm  im  Tode  vorauf- 
gegangenen Freunde  Gerhard  folgte,  zerriss  eigentlich  das 
letzte  Band,  das  jene  Vereinigung  von  Klöstern  zusammenhielt 
Die  Wirkungen  der  Beform  hielten  darum  nicht  lange  vor: 
hatten  Arnulf  und  Gerhard  bei  der  Besetzung  der  Abtstühle 
natürlich  die  Candidaten  in  erster  Reihe  auf  ihre  mönchischen 
und  organisatorischen  Qualitäten  geprüft,  so  liess  die  freiere 
Entwickelung  des  Klosterwesens  mehr  persönlichen  Rivalitäten 
Spielraum.  So  kam  es,  dass  es  in  der  ersten  Hälfte  des 
nächsten  Jahrhunderts  kein  Kloster  in  Flandera  gab,  dass 
nicht  der  von  Richard  von  St  Vannes  und  Poppo  von  Stablo 
in  Gang  gesetzten  Reform  bedurft  hätte. 


2.  Oberlothringen. 

Kirchliche  Zustände. 
Seit  dem  Vertrage  von  Fouron  im  Jahre  878,  der  die 
Teilung  Lothringens  in  der  Abkunft  von  Mersen  nochmals  be- 
stätigte, erlebte  das  Land  die  wunderlichsten  Schicksale;  es 
war  eine  ganz  unberechenbare  Zeit  War  es  auch  nach  dem 
Tode  Karls  des  Kahlen  und  seines  Sohnes  des  Stammlers  an 
Deutschland  gefallen,  dessen  König,  ein  unechter  Karolinger, 
in  Frankreich   das  Entsoheidungswort  führte,   so   liebäugelte 

^)  Vita  Gerardi  c.  22,  am  3.  Oct  959. 


142 

dann  der  lothringische  Adel  fortwährend  mit  den  westliehen 
Nachbarn  und  begünstigte  endlieh  die  französische  Erobemng 
Karls  des  Einfältigen.  Dann  wieder  änderte  sich  das  Spiel. 
Raginars  Sohn  Giselbert  wasste  in  einer  schwankenden  Politik 
seinen  Wert  zu  erhöhen  i),  empörte  sich  erst  gegen  den  west- 
fränkischen Karl  nnd  Hess  sich  schliesslich  von  König  Hein- 
rich durch  die  Anerkennung  als  Herzog  nnd  eine  Heirats- 
verbindung mit  dem  sächsischen  Hanse  gewinnen.  Aber  die 
Verwickelungen  zwischen  den  Vasallen  der  beiden  Könige  von 
Deutschland  und  Frankreich  hatten  damit  kein  Ende.  An  der 
französischen  Grenze  tobte  der  Kampf  zwischen  den  Grossen. 
Heribert  von  Virmandois  und  Giselbert,  Boso  uäd  Hugo  von 
Francien  befehden  einander,  wechseln  die  Parteien;  Rudolf 
und  Heinrich  greifen  unter  Umständen  ein.  Man  streitet  um 
Vesten,  brennt  und  mordet  Die  politische  Lage  wird  ganz 
verwirrt;  einmal  sehen  wir  Heribert  von  Virmandois  als  Va- 
sallen Heinrichs,  dann  gehen  die  Lothringer  unter  Giselbert 
zu  Ludwig  d'Outremer  über.  Und  schliesslich  endet  der  eine 
Akt  des  grossen  Kampfschauspiels  mit  einer  doppelten  Ver- 
mählung: Hugo  von  Francien  heiratet  die  Haduwid,  Ludwig 
die  Gerberga,  nachdem  der  Held,  der  letzteren  Gemahl,  seinen 
Tod  gefunden.  2) 

In  diesen  unruhigen  Zeiten  erwächst  die  Reform  der 
lothringischen  Abteien.  Da  hier  der  Episcopat  weit  mehr  als 
in  Frankreich,  wo  die  äusseren  Einwirkungen  viel  drückender 
waren,  seinen  Einfluss  und  seine  Macht,  wenigstens  in  den 
oberlothringischen  Diöcesen,  zu  erhalten  gewusst  hatte,  war  es 
von  Bedeutung,  welche  Stellung  die  Bisehöfe  in  den  ununter- 
brochenen Händeln  einnahmen,  in  wie  weit  überhaupt  die 
politischen  Ereignisse  und  der  Wechsel  der  Oberlehnsherren 
geeignet  waren,  auf  die  klösterlichen  Verhältnisse  einzuwirken. 
Eine  wichtige  Epoche  bezeichnet  hier  die  Zeit  der  französischen 
Herrschaft.  Gelang  es  Karl  dem  Einfältigen,  auf  die  wichtigeren 
lothringischen  Bischofssitze  französisch  gesinnte  Männer  einzu- 
schieben, so  konnte  er  dadurch  den  Besitz  des  Landes  umsomehr 


>)  Vgl.  Widukind  I,  c.  30. 
>)  Flodoardi  Ann.  928  —  939. 


143 

fBr  gesichert  ansehen,  als  die  Bischöfe  an  den  grossen  Familien 
des  Landes  meist  einen  starken  Bückbalt  hatten.  Er  erzwingt 
die  Wahl  Riehers,  des  Bruders  des  Grafen  Matfried  und  Gerard, 
gegen  den  von  König  Heinrich  unterstützten  Hilduin  von  Lttttich  ^); 
der  Erzbischof  von  Trier  Rotger  ist  der  Kanzler  des  französischen 
Königs  nnd  in  seiner  Haltung  gewiss  unverdächtig.^)  In  Toni 
ward  922  Ganzlin  Bischof,  nachdem  er  Notar  zur  Zeit  Rotgers  ge- 
wesen war,  der  ihn  zweifellos  in  Verbindung  mit  dem  Capitel  auf 
den  Snifragansitz  beförderte^);  er  stammte  ausserdem  aus  vor- 
nehmer fränkischer  Familie.  0  Auf  dem  Stuhle  zu  Metz  sass  bis 
927  Wiegrich,  ein  erbitterter  Feind  Heinrichs,  dessen  Angriffen  er 
sich  widersetzte^),  auch  Adalbero,  der  aus  einem  der  ersten 
lothringischen  Geschlechter  hervorging,  kam  gewiss  im  Gegensatz 
zu  König  Heinrich  empor,  nachdem  dieser  vorher  einen  Eremiten 
der  Bürgerschaft  gegen  ihren  Willen  aufgedrungen  hatte  <^);  der 


0  Folcuini  Gesta  Lobb.  c.  19. 

>)  Vgl  die  zahlreichen  Urk.  Karls  des  Einnütigen  mit  seiner  Re- 
Cognition  HF  IX ;  Bresslau,  Urkundenlehre  I,  S05  n.  3. 

')  Zum  letzten  Mal  erscheint  er  in  einer  Urk.  vom  4.  März  922 
HF  IX,  554.  Sie  fällt  in  die  Zeit  des  Interregnums  in  Toul  nach 
Drogos  Tode.  Hier  heisst  es:  Canonici  saneti  Stephani  urbis  Leuchonmi 
prapii'io  orbati  patrono  nostram  expetierunt  cUnientiatn  obsecranteSy  ut 
Privilegium  viüarum  .  . .  confifmaremtis.  Am  17.  MSrz  922  wird  ein  Gauzlin 
zum  Bischof  von  Toni  gewühlt.  Schwerlich  kann  gezweifelt  werden,  dass 
der  lothringische  Erzkanzler,  der  zugleich  Metropolitan  von  Toul  war,  im 
Einverständnis  mit  König  und  Capitel  den  westfränkischen  Notar  zu  seinem 
Suffragan  machte. 

*)  Mirac.  S.  Apri  c  30:  Qui  Francorum  nobili  sanguine  ortus;  Mirac. 
S.  Mansneti,  SS.  IV,  510:   nobüisaiinis  Francorum  natalihus  ortus. 

»)  Waitz,  Heinrich  I,  1863,  p.  76. 

•)  Flod.  Ann.  927 ;  Mirac.  S.  Glodes.  SS.  IV,  837 ;  Hugo  Flavin.  SS. 
VUI,  359.  Schnitze,  Forschungen  zur  Gesch.  der  Klosterreform  p.  30 
meint  zwar,  Heinrich  habe  Adalbero  eingesetzt;  doch  lässt  sich  das  leicht 
widerlegen.  Vit  Joh.  Gorz.  c.  90 :  consensu  omnium  publiciaque  ecclesiae 
legitimisque  suffragiis  »uBtoUituir;  Flodoardi  Ann.  927:  haec  synodw  eon- 
gregata  omnes  iUiva  sceleris  auctores  excommunicavit  et  Addlberonem  laco 
^us  substituit  Hier  ist  zunächst  von  einem  Eingreifen  Heinrichs  nicht 
die  Rede ;  die  einstimmige  Wahl  Adalberos  von  den  in  Metz  Berechtigten 
lässt  von  vornherein  auf  einen  Gegensatz  gegen  Heinrich  schliessen, 
dessen  GUnstling  ja  soeben  mit  Schimpf  und  Schande  behandelt  worden 
war.  Hatte  Heinrich  in  diesen  Jahren  das  Princip  verfolgt,  Sachsen  oder 
Alemannen  auf  die  lothringischen  Bischofsstuhle  zu  bringen  —  auch  Benno 


144 

Bischof  unterhielt  noch  lange  Beziehungen  zn  Boso,  dem  Bruder 
des  Königs  Rudolf  von  Frankreich.  ^) 

Bemerkenswert  ist,  dass  die  Anfänge  der  Reform  in  jene 
Zeit  fallen,  in  welcher  Lothringen  in  deutschem  Besitz  und 
Herzog  Giselbert  zu  Heinrich  und  Otto  in  freundschaftlichem 
Verhältnis  stand,  dass  der  Aufstand  Giselberts  auch  die  ober- 
lothringischen Bischöfe,  namentlich  die  von  Toul  und  Metz 
wieder  auf  seine  Seite  gegen  den  sächsischen  König  rief^) 
und  dass  eine  kräftige  Förderung  der  Reform,  ihr  Gedeihen 
und  ihre  Verbreitung  erst  dann  erfolgte,  als  Ton  französischer 
Seite  nichts  mehr  zu  hoffen  und  das  Uebergewicht  Ottos  des 
Grossen  über  Frankreich  über  alle  Zweifel  erhaben  war,  als 
durch  Bestätigung  des  neuen  Klosterstandes,  seine  Reformen 
und  Besitzungen  durch  die  Ottonen,  die  Beruhigung  des  be- 
weglichen Adels  solidere  Grundlagen  des  Friedens  geschaffen 
wurden.  Denn  so  lange  die  Bischöfe  selbst  vor  der  Herstellung 
sicherer  Verhältnisse  den  Besitz  ihrer  Kirchen  als  Familien- 
besitz betrachteten,  durch  ihre  Verbindung  mit  dem  lothringischen 
Adel  in  dessen  Fehden  und  Interessen  lebten  und  aufgingen, 
gezwungen  waren,  durch  Kirchen-  und  Klostergut  die  Hülfe 
kriegerischer  Herren  zu  erkaufen,  konnten  sie  dem  regulären 
Klosterwesen  nicht  geneigt  sein,  da  gerade  Güter,  die  zum 
Unterhalt  von  Mönchen  bestimmt  waren,  den  Hauptbestand 
ihrer  materiellen  Mittel  ausmachten. 

Es  ist  dann  nicht  mehr  auffällig,  wenn  wir  hören,  dass 
Richer  von  Lüttich,  der  selbst  aus  dem  Mönchsstande  hervor- 
gegangen, als  Bischof  den  Mönchen  sehr  ungnädig  gesinnt 
war 3),  dass  der  Erzbischof  von  Trier  kein  Verständnis  ftlr  das 


war  ein  Schwabe  —  so  entspricht  es  ganz  unserer  Annahme,  wenn  die 
Metzer  ein  Mitglied  einer  der  ersten  lothringischen  Familien,  eben  Adalbero 
erkoren,  der  seinen  der  deutschen  resp.  sächsischen  Herrschaft  abgeneigten 
nationalen  Sinn  bei  Giselberts  Aufstande  deutlich  zeigte.  Wenn  es  also 
Mirac.  S.  Glodesind.  a.  a.  0.  heisst:  Inde  a  principe  dectione  petita  et 
impetrata  virum  magnum  . .  .  sancta  sedes  adepta  est,  so  kann  das  nur 
heissen,  dass  Heinrich  verzichten  musste,  ihnen  einen  Bischof  zu  geben 
und  dass  er  auf  ihr  Verlangen  ihnen  das  Wahlrecht  überliess. 

»)  V.  Joh.  Gorz.  c.  104. 

>)  Vgl.  Dfimmler,  Otto  der  Grosse  p.  77  ff.  86  ff.   108  ff.   115  ff. 

*)  Folcnini  Gesta  Lobb.  c.  19. 


145 

Klosterwesen  zeigte,  wenn  er  seinem  Bruder  Bertold  die  St. 
Martinsabtei  gab,  deren  Besitz  dann  noch  zerstückelt  wurde, 
dass  die  Bisehöfe  Adalbero  von  Metz  und  der  von  Strassbnrg, 
wohl  Utho.  Ober  die  jttngst  gegründete,  trefflich  eingerichtete 
Abtei  des  hL  Deieolus  herfielen,  wobei  es  dem  einen  um  die 
geistliche  Herrschaft,  dem  andern  um  den  materiellen  Besitz 
zu  thnn  warO^  dass  eben  jener  Adalbero,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  gegen  die  Mönche  von  Gorze  wenig  freundlich  verfahrt, 
dass  Ganzlin  von  Toul,  der  mit  den  Gütern  von  St  Evre  seinen 
Clerus  unterhielt,  den  Mönchen  später  noch  Ackerland  nicht 
herausgeben  wollte,  dass  auch  Bischof  Berengar  von  Verdun 
erst  nach  einer  langjährigen  Regierung,  gedrängt  von  dem 
reformatorischen  Clerus,  sich  zu  einer  Reform  und  Wieder- 
herstellung von  St  Vannes  verstand. 

In  Oberlothringen  hatte  die  Unsicherheit  der  Zeiten,  das 
wüste  Chaos  der  Verhältnisse,  aus  dem  kein  Ausweg  sich 
zeigte,  zu  einer  Verzweiflung  an  der  Dauer  und  dem  Wert 
irdischer  Güter  geführt,  welche  nur  in  der  Abwendung  vom 
Weltleben,  in  der  Beschäftigung  mit  dem  Uebersinnlichen 
Heilung  finden  konnte.  Naturen  wie  Odo  von  Cluni  tauchen 
überall  auf,  auch  hier  gerade  im  Clerus;  in  Toul,  Metz  und 
Verdun  regen  sich  die  Geister.  Primicere,  Diacone,  Cantoren 
der  verschiedenen  Kirchen  streben  mit  Gewalt  aus  den  wider- 
lichen Zuständen  herauszukommen,  drängen  und  agitieren  für 
eine  Reform  der  kirchlichen  Verhältnisse.  Die  einen  ziehen 
sieb  vom  Weltleben  zurück  und  suchen  in  der  Einsamkeit,  in 
stiller  Beschaulichkeit,  in  der  Negation  menschlicher  Triebe 
seelischen  Frieden  und  seelisches  Glück,  andere  durchstreifen 
Länder,  um  ein  Kloster  zu  finden,  in  dem  sie  in  romantischer 
Abwendung  von  praktischer  Thätigkeit  und  materiellen  Interessen 
den  verlorenen  Gleichmut  des  Geistes  wieder  zu  gewinnen  ver- 
mögen. In  den  drei  Bistümern  knüpfen  sich  Bande  der  Freund- 
schaft um  die  gleichgesinnten  Männer;  sie  kommen  zusammen, 
lernen  von  einander,  regen  sich  an,  suchen  Bundesgenossen 
und  als  ihre  Vorbereitungen  und  Agitationen  beendigt,  gehen 
sie  an  die  widerwilligen  Bischöfe  heran,  zwingen  sie  moralisch, 


»)  V.  S.  Deicoli  c.  15,  SS.  XV,  2,  680. 
Saoknr,  Clnnlacenier.    I.  10 


146 

ihnen  zu  willfahren,  die  weltliehen  Lehnsleute  von  den  Kloster- 
gtttern  zu  jagen,  diese  selbst  ihrer  ursprünglichen  Bestimmung 
zurückzugeben. 

Das  Band,  welches  diese  Leute  verknüpft,  ist  ihre  aske- 
tische Stimmung.  In  Toul  fristete  der  Erzdiacon  Einold,  ein 
litterarisch  hochgebildeter  Mann  von  Vermögen,  in  einer  Celle 
ein  kärgliches  Leben  wie  ein  Einsiedler;  er  hatte  alles  den 
Armen  vertheilt  und  wurde  nun  von  Bischof  Gauzlin  erhalten.') 
Ein  anderer  Cleriker  Berner  war  so  unbeugsam,  dass  er  auch 
höheren  Personen  nicht  nachgab;  er  ging  in  seiner  Sittenstrenge 
so  weit,  dass  er  sich  nicht  einmal  auf  einen  Platz  setzte,  auf 
dem  er  vorher  ein  Weib  hatte  sitzen  sehen.^)  Er  kam  nach 
Warimberts  Tode  an  die  Kirche  St.  Salvator  in  Metz.  Angilram, 
dem  Archidiacon  der  Touler  Kirche  und  Primicer  des  dortigen 
Capitels,  einem  reichen  Manne,  welcher  der  Kirche  Toul  viel 
Grundbesitz  schenkte  und  dafür  Kirchengut  in  Precarei  erhielt^), 
war  es  schon  als  Weltgeistlichem  ein  leichtes,  zwei  Tage 
hintereinander  zu  fasten.  Mit  grossen  Schätzen  kam  er  später 
nach  Gorze,  um  sich  nach  einigen  Irrungen  einer  unerhörten 
Askese  hinzugeben.*) 

Unter  den  Metzern  war  der  bekannteste  Johannes,  gebürtig 
aus  Vandi^res,  einer  einst  königlichen  Villa,  teils  auf  Metzer, 
teils  auf  Touler  Gebiet.^)  Sein  Vater,  der  ein  hohes  Alter 
erreichte,  brachte  es  durch  redliches  Schaffen  zu  Vermögen. 
Er  war  schon  bejahrt,  als  er  das  junge  Weib  freite,  das  ihn 
mit  drei  Söhnen  beschenkte,  deren  ältester  Johannes  hiess. 
Nachdem  dieser  über  die  ersten  Anfangsgründe  hinweg  war, 
kam  er  nach  Metz  in  die  Schule,  um  darauf  einige  Zeit  im 
Kloster  St.  Mihiel  an  der  Mosel  unter  dem  Scholasticus  Hilde- 
bold,  einem  Schüler  des  Remigius,  grammatische  Stadien  zu 

*)  V.  Job.  Gorz.  c.  29.  Er  erscheint  noch  931/932  in  Toul;  vgl.  eine 
PrecarienverleihuDg  Gauzlins  mit  der  .Datumzeile:  Agetialdua  aanpsi 
regnante  Heinrico  regCf  ordinatio7iis  X.  domni  Gatizlini  episcopi  in  den 
M^moires  de  la  societ^  d^arch6ol.  lorraine  2.  s^r.  I,  271. 

«)  V.  Joh.  Gorz.  c.  16. 

3)  Vgl.  die  ürk.  v.  912  u.  923  in  den  Memoires  de  la  soci^te  d^arcbeol. 
lorr.  2.  ser.  IV,  p.  133  f.  Ein  Neflfe  Angilrams  wird  in  deu  beiden  Ur- 
kunden Huno,  in  einer  andern  undatierten  Hardoinus  genannt. 

*)  V.  Joh.  Gorz.  c.  61—63. 

*)  Das  folgende  ganz  nach  der  V.  Joh.  Gorz.  c.  9—17. 


147 

trdbeD,  allerdings  ohne  rechten  Erfolg,  wie  Johannes  später 
gelbst  gestand J)  Nach  dem  Tode  seines  Vaters  und  der 
Wiederverheiratnng  der  noch  jugendlichen  Mutter  blieb  ihm 
die  Sorge  für  die  Brüder  und  fttr  das  Familienerbe.  2)  Diese 
Zeit  bis  zum  Mannesalter,  die  er  zu  Hause  zubrachte,  war  fttr 
Johannes  nach  manchen  Seiten  hin  fruchtbringend;  er  knüpfte 
Verbindangen  mit  hohen  weltlichen  und  geistliehen  Personen 
an,  verkehrte  Jahre  lang  im  Hause  des  damals  sehr  ange- 
sehenen und  in  den  Geschäften  bewanderten  Grafen  Bichwin, 
der  ihm  als  Laienabt  der  Nonnenabtei  St.  Peter  in  Metz^)  auch 
die  Kirehe  des  diesem  Kloster  gehörigen  Heimatsdorfes  über- 
wies, und  ebenso  schätzte  ihn  Bischof  Dado  von  Verdun,  der  ihn 
ganz  zu  sich  herüberzuziehen  strebte.^)  Ein  Edelmann  Werner 
an  der  Grenze  von  Toul  machte  ihn  zum  Pfarrer  von  St.  Lorenz 
in  Fontenai  an  der  Mosel ;  so  kam  er  häufig  nach  Toul  selbst. 
Bis  dahin  hatte  er  so  gut  als  nichts  gelernt.  Jetzt  erst  begann 
er  den  Schulcursus  des  Donat  bei  dem  gelehrten  Diacon 
Bemer  von  Toul  von  neuem  und  wandte  seither  seine  warme 
Fürsorge  der  Kirche  St.  Lorenz  zu.  Als  Patron  der  Kirche 
seines  Heimatortes,  welcher  mit  jener  Eigentum  der  Nonnen 
von  St  Peter  in  Metz  war,  versah  er  das  Amt  eines  Hebdo- 
roadars  bei  denselben,  auch  hatte  er  ein  Haus  in  der  Stadt 
Jetzt  brachte  ihn  die  Strenge  der  Nonne  Geisa  um  seinen 
Seelenfrieden.  Mit  brennender  Begier  stürzte  er  sich  mit  den 
frommen  Schwestern  in  die  heilige  Lektüre.  Jahrelang  trieben 
ihn  dann  Zweifel  und  innere  Kämpfe  erst  in  die  Argonnen 
in  die  Einsiedelei  zu  einem  Eremiten  Lambert,  über  den  selbst 
das  naive  Volk,  das  bei  dem  wunderlichen  Heiligen  zusammen- 
strömte, ein  Lächeln  nicht  zurückhalten  konnte.  <^)  Dann  trieb 
es  ihn  nach  Italien,  wo  er  vergeblich  nach  einem  regulären 
Kloster  suchte.*)  Dazwischen  fastete  er,  betete  er,  wachte  er. 
Mit  Begeisterung  gab  er  sich  jetzt  ganz  seinen  religiösen  Ge- 
fttblen  hin,  der  Wonne  der  Askese,  in  der  er  schwelgte. 


0  c.  10.  »)  c.  11. 

')  Vgl.  die  ürk.  desselben  v.  1 .  Febr.  91 8  in  der  Hist.  de  Metz  III,  pr.  56. 
♦)  c.  12. 

*)  V.  Job.  Gorz.  c.  22:  ti^  qui  forte  infirmiorum  eum  conspexeratf  risum 
teuere  vix  poaset. 

«)  V.  Job.  c.  21—24. 

10* 


148 

^In  Metz  hatte  Johannes  Gesinnungsgenossen  <)  an  den 
Cantoren  Radland  von  St  Stephan  2),  Warimbert  von  St.  Sal- 
vator,  an  den  Clerikern  Salecho  von  St.  Martin '0,  Radincus 
von  St  Symphorian  und  Bernacer  4),  der  im  Bttchersehreiben, 
Singen  und  Rechnen  gerühmt  ward.  Er  war  auch  der  Begleiter 
Johanns  auf  der  italienischen  Reise;  mit  ihm  besuchte  er  den 
Monte  Gargauo,  Monte  Cassino  und  die  Mönche  von  St  Salvator 
in  Neapel;  beide  bewunderten  den  rauchenden  Vesuv. 

Auch  in  Verdun  gab  es  gleich  tiefe  Gemttter.  Hier  lebte 
als  Reclusns  ein  gewisser  Humbert  Bei  ihm  erschien  einst 
der  in  schwere  Seelenkämpfe  verstrickte  Johannes  ftlr 
einige  Tage;  er  soll  seitdem  sich  gänzlich  des  Fleisch- 
genusses enthalten  haben.  Humbert  fand  sich  dann  seinerseits 
in  den  Argonnen  ein,  wo  Johannes  sich  neben  Lambert  eine 
Einsiedelei  gegründet  hatte.  ^)  Ein  ander  Mal  kam  er  zufällig 
nach  Toul,  wo  er  Einold  aufsuchte;  beide  beschlossen  ein 
Eremitenleben  s^u  beginnen.  Heimlich  verliessen  sie  die  Stadt, 
überschritten  die  Mosel  und  fanden  in  dem  nahen  Walde  eine 
Höhle,  in  der  sie  sich  einrichteten.  Sie  blieben  nicht  lange 
allein.  Allerlei  Volk  kam  sie  zu  suchen;  endlich  redete  man 
ihnen  ihre  närrischen  Gedanken  aus,  da  die  Lage  des  Ortes 
so  unpraktisch  gewählt  war,  dass  man  Lebensmittel  nur  mit 
der  grössten  Mühe  hinschaffen  konnte.  So  besannen  sieh 
beide  eines  Besseren:  Humbert  kehrte  nach  Verdun,  Einold 
nach  Toul  zurück.«)  In  Verdun  bildeten  wahrscheinlich  die 
vor  den  Dänen  flüchtigen  Britten,  die  Bischof  Dado  in 
Montfaucon  aufgenommen  hatte,  ein  wichtiges  Ferment  für 
den  reformatorischen  Geist  der  Diöcese.  Einer  von  ihnen, 
Andreas,  ein  gelehrter  und  frommer  Mann,  trat  Johannes 
ebenfalls  nahe.^) 

Aber  dieser  nnbezwingliche  Drang  nach  Erlösung,  Befrei- 
ung von  Zweifeln  und  Kämpfen,  der  Oberall  auf  Widerstand 


*)  V.  Job.  c.  20.  33. 

')  £^  erscheint  in  einer  Urk.  des  Bischofs  Robert  von  Metz  v.  899 
und  918,  Bist,  de  Metz  III,  51.  56. 

")  Nachzuweisen  910  a.  a.  0.  pr.  53. 

0  Findet  sich  in  Metzer  Urk.  v.  912.  914,  Bist,  de  Metz  pr.  54.  56. 
Er  schrieb  später  945,  Mai  17  eine  Qorzer  Urk.  a.  a.  0.  pr.  64. 

*)  V.  Joh.  Qorz.  c.  23.  «)  ib.  c.  31.  ^)  ib.  c.  28. 


149 

stiess,  wuchs  mit  den  Schwierigkeiten  and  machte  sieh  in  einer 
mystisch-tiefsinnigen  Schwärmerei  Lnft:  endlich  fasst  man  einen 
EntschlnsB.  Die  Gleichgesinnten,  die  in  Conventikehi  nnd  Ver- 
Sammlungen  zusammenkommen,  in  denen  man  sich  im  Aus- 
harren sl&rkt  und  ermatigt,  in  denen  Johannes  von  seinen 
Wanderfahrten  von  den  unbebauten  und  doch  fruchtbaren 
Strecken  um  Benevent,  berichtet  i),  wollen  Lothringen  verlassen. 
Sie  verzweifeln  an  der  Möglichkeit,  die  Bischöfe,  die  nicht  un- 
abhängig sind,  zu  gewinnen;  ohne  sie  zu  benachrichtigen,  ob- 
wohl sie  als  Cleriker  ihre  Untergebenen  sind,  verlangen  sie 
aasznwandem,  sich  in  Italien  unter  einer  milderen  Sonne,  wohl 
vertrauend  auf  die  Menge  unbebauten  Landes,  das  der  Be- 
siedelang bedurfte  2),  ein  Kloster  nach  ihrem  Sinne  zu  er- 
richten.^) 

Da  traten  Zwischenf&lle  ein;  einer  der  Verbündeten, 
Radincus,  hatte  Bedenken,  dass  man  ohne  Wissen  des 
Bischofs  die  Aemter  im  Stich  lasse,  dann  soll  der  Eremit 
Lambert,  durch  Bernacer  benachrichtigt,  von  dem  Wunsche 
beseelt,  die  wenigen  Männer  der  Reform  im  Lande  zu  halten, 
dem  Bischof  Adalbero  von  Metz  Mitteilung  gemacht  haben.^) 
Nur  durch  ein  fein  abgekartetes  Intriguen  spiel  konnte  der 
Bischof  gewonnen  werden.  Dass  die  Brüder  von  diesem  nach 
ihren  Wünschen  gefragt,  auf  Lamberts  Rat  gerade  Gorze  als 
den  geeignetsten  Punkt  ftlr  ein  Kloster  bezeichneten,  hatte  seinen 
Grund  darin,  dass  die  Güter  dieser  ehemaligen  Abtei  im  Leheu- 
besitz  einiger  Laien,  besonders  des  Grafen  Adalbert  sich  be- 
fanden. Willigte  Adalbero  ein,  gewährte  er  den  Clerikem 
Gorze  zur  Wiederherstellung  und  Besiedelung,  so  musste  er 
unbedingt  mit  seinem  ganzen  System  brechen;  er  musste  das 
Klostergnt  dem  Adel  entziehen,  es  auf  einen  Kampf  ankommen 
lassen;  that  er  es  nicht,  so  war  man  seiner  Pflichten  gegen 

0  Vit.  Job.  Gorz.  c.  33:  Cum  hia  veluti  in  quibusdam  coelestium 
disciplinarum  scholiSj  sanctorum  ingenionmi  viribus  se  ipsos  coiidie  in 
studiis  ounnium  probatorum  virtutum  exercenteSj  duo  ipsi  viri  praecipui 
fJut  lectionibus  aut  orationibus  aut  certe  mutuis  ad  coclestia  cohortationibus 
^iiai^tebayit,  ipsosqtie  cum  quibus  versabantur  ad  majora  sui  imitatioTK 
(wipliwt  atque  amplius  provocabant. 

»)  VkI.  z.  B.  Chron.  Viilturn.  bei  Muratori  SS.  rer.  Ital.  I,  b,  422. 

3)  V.  Job.  c.  34.  *)  ib.  c.  35— 3S. 


150 

ihn  ledig,  man  hatte  den  Versaeh  gemacht  und  hatte  das  Recht, 
sich  über  die  ankirchliche  Gesinnung  Adalberos  zu  beklagen. 
Die  stürmischen  Bitten  seiner  Umgebung  zwangen  den  Bischof 
zwar,  nachzugeben,  aber  wie  wenig  man  ihm  traute,  wie  wenig 
man  seine  Willfährigkeit  erwartet  hatte,  wie  sehr  man  an  einer 
Besserung  der  Verhältnisse  im  Vaterlande  verzweifelte,  beweist 
der  Umstand  am  besten,  dass  auch  jetzt  noch  ein  Teil  zögerte 
und  zur  Auswanderung  geneigt  war,  bis  man  sich  schliesslich 
doch  noch  einigte,  nach  Gorze  überzusiedeln. 

Gorze. 

Das  Kloster  Gorze,  die  einst  bochangesebene  Stiftung  des 
hl.  Chrodegaugus,  war  unter  den  letzten  Bischöfen  vollständig 
heruntergekommen ;  es  bot  den  Anblick  einer  öden  und  wüsten 
Stätte,  um  die  Altäre  lagerte  Mist  von  Eseln  und  anderen 
Thieren,  ein  paar  Mönche  nur  noch  der  Kleidung  nach  führten 
ein  ärmliches  Dasein.^)  Während  am  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
noch  selbständige  Aebte  in  Gorze  auftraten,  erscheint  910  Bi- 
schof Robert  als  alleiniger  Abt,  neben  ihm  endlich  912  und 
914  Wigericus,  vielleicht  derselbe,  der  bald  darauf  917  den 
bischöflichen  Stuhl  selbst  bestieg.^)  Unter  ihm  erfolgte  der 
eigentliche  Verfall  Der  Ungarneinfall  im  Jahre  919  zwang 
die  Mönche  mit  ihrem  Schutzheiligen  Gorgonius  in  St.  Salvator 
zu  Metz  Schutz  zu  suchen,  weil  das  Kloster  nicht  ummauert 
war.^]  Damals  flog  auch  der  Klosterbesitz  in  alle  Winde.  Das 
lang  besessene  Moivron  gab  der  Bischof  in  Precarbesitz  aus; 
ein  vornehmer  Mann  Folmar  trug  es  zu  Lehen.*)  Andere  Be- 
sitzungen, Eplonis-villa  und  Bellum  Campnm,  Lehen,  die  unter 
Wigerich  an  Gorze  zurückfallen  mussten,  beliess  der  Bischof  gegen 
Zins  der  Gattin  des  letztverstorbenen  Lehnsmannes,  bis  sie  erst 


»)  V.  Job.  Gorz.  c.  36.  39;  Mirac.  S.  Gorgonii  c.  8,  SS.  IV,  p.  241. 

^)  Im  Jahre  884  and  886  finden  wir  noch  einen  Abt  Lodovicus,  Hist. 
de  Metz  III,  pr.  44.  47 ;  899  scheint  unter  Bischof  Robert  noch  ein  Abt 
Rudolf  existiert  zu  haben  (ib.  p.  52).  In  der  Urkunde  der  Richilde  von 
910  heisst  es  pr.  52:  cui  dommis  Roberht^s  sanctae  Metensis  ecclesine  epis- 
copus  praeease  videtv/r;  912  gab  es  Mönche  und  einen  Abt  Wigericus  oder 
Widericus  in  Gorze  pr.  54,  ebenso  914  pr.  55.  Möglicherweise  war  es 
auch  der  Vater  des  Bischofs  Adalbero  I.  als  Laienabt. 

')  Mirac.  S.  Gorg.  c.  7. 

*)  ürk.  Adalberos,  Hist.  de  Metz  III,  pr.  60, 


151 

darch  den  Sprach .  des  Herzogs  Friedrich  von  Lothringen  959 
an  den  Abt  znrückfieleD.^)  Bas  ttbrige  war  zum  grössten  Teil 
im  Lehnbesitz  des  Grafen  Adalbert,  eines  wilden  nnd  trotzigen 
Kriegsmannes,  der  dem  Bischöfe  Kriegsdienste  that;  es  ist 
jedenfalls  derselbe,  der  922  als  Senior  and  Abt  von  Gorze  er- 
scheint 2);  er  ward  darum  der  erbittertste  Feind  der  Reform. 
Andere  Güter  hatte  der  Pfalzgraf  Amadens,  ein  bischöflicher 
Vasall,  teils  als  Beneiicinm,  teils  als  Precarbesitz  ^),  wir  finden 
ihn  auch  als  Vogt  des  Bistums  Metz.^) 

Ein  sehr  übles  Streiflicht  fällt  aber  auf  die  Verwaltung 
des  Bistums  seitens  Adalberos  durch  sein  Verhältnis  zu  seinen 
Stiefbrüdern.  Adalbero  befand  sich  in  sehr  misslicher  Lage. 
Durch  die  zweite  Heirat  seiner  Mutter  mit  dem  Grafen  Riehwin, 
den  wir  als  Gönner  des  Johannes  zu  erwähnen  hatten,  büsste 
er  nämlich  sein  Vermögen  ein ;  mittellos  wie  er  war,  wurde  er 
jetzt  offenbar  von  den  Söhnen  seiner  Mutter  und  Richwins  ab- 
hängig. Vielleicht  gaben  sie  ihm  das  Geld,  sich  auf  den 
Bischofsstuhl  von  Metz  zu  schwingen,  denn  es  erregte  zur  Zeit 
fast  allgemeines  Erstaunen,  dass  er,  der  vermögenslose  Mann, 
die  Stimmen  der  Wähler  auf  sich  zu  lenken  vermochte.^) 
Wenigstens  entspricht  das  folgende  durchaus  dieser  Vermutung, 
es  wird  ausdrücklich  erzählt,  seine  Stiefbrüder  hätten  Kirchen- 
besitz in  Händen  gehabt,  dessen  Einziehung  weder  recht 
noch  ratsam  war;  Adalbero  ward  von  ihnen  —  Gozelinus 
wird  nur  mit  Namen  genannt  —  förmlich  tyrannisiert.^)    Mit 

»)  Eist  de  Metz  III,  pr.  74. 

«)  Die  ürk.  v.  922,  Eist  de  Metz  III,  pr.  58  nennt  ihn  im  Text: 
venerabilem  virum  nomine  Adalbertum;  er  unterschreibt  S.  Adelberti 
senioris  sive  abbatis  ipsiua  ccTiobii. 

*)  y.  Joh.  c.  HO;  Mirac.  S.  Gorgonii  c.  15;  Döring,  Beiträge  zur 
älteren  Gesch.  des  Bistums  Metz,  Innsbruck  1886,  p.  120. 

*)  ürk.  Adalberos  v.  936,  Eist,  de  Metz  III,  pr.  60:  nostri  advocati 
comitisque  palatii;  Döring  p.  14;  Ein  Signum  Hamedei  912  a.  a.  0.  pr.  54; 
918  pr.  57. 

•)  V.  Joh.  c.  40 :  ipse  Adalbero  praeter  spem  omnivm ...  ob  rei 
familiaria  inopiamf  qua  secundis  matris  nuptiis  laborabat,  censu  aliqiumto 
tcnuior . .  sustollitur. 

•)  V.  Joh.  Gorz.  c.  110:  Causa  vero  erat^  quod  in  his  difficilia  vide- 
batWj  quod  fratres  ei  plures  ex  matre  erant  et  eis  usque  ad  id  temporis 
parum  consulere  potuerat^  pluribtis  res  episcopii  retinentibuSy  quos  privare 
nee  itis  nee  consilium  erat  —  tanto  robore  ex  superiorihus  episcoporum 


152 

m 

naiver  Ofifenheit  meint  eine  nnserer  Haaptquellen,  AdalberoB 
Feindschaft  gegen  das  Kloster  Gorze  rühre  daher,  weil  er  sich 
geärgert  habe,  von  einem  von  ihm  so  lange  besessenen  Orte, 
wie  Gorze,  weichen  zu  mttssen.i]  Dazu  hatte  sich  der  bm- 
gnndische  Graf  Boso,  König  Rudolfs  Bruder,  von  seinem  Castell 
Vitry  aus  auf  gorzische  Güter,  so  Vanoux,  geworfen,  auf  die 
er  Erbansprüche  zu  haben  vorgab.  Zu  Adalbero  stand  Boso 
in  sehr  nahen  Beziehungen,  —  hatte  dieser  doch  Adalberos 
Sache  gegen  seinen  Stiefvater  Richwin  als  die  seinige  betrachtet 
und  den  Grafen  ermordet  2)  —  bis  im  Jahre  931  beide  in  ihren 
politischen  Richtungen  sich  trennten  3);  da  930  Vitry  wieder  in 
den  Besitz  Bosos  gelangte,  so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  die  Verheerung  der  gorzischen  Güter  ein  Racheakt  gegen 
Adalbero  war,  der  damals  bei  König  Heinrich  verharrte.^)  Der 
Bischof  musste  also  in  die  grösste  Verlegenheit  kommen.  Was 
seine  Familie  sich  angeeignet  hatte,  wollte  und  konnte  er  nicht 
herausgeben,  seinen  Lehnsleuten  durfte  er  nicht  kündigen,  weil 
er  einmal  in  den  unruhigen  Zeiten  ihrer  Hilfe  bedurfte  und 
andererseits,  während  er  kein  Mittel  besass,  sie  zur  Verzicht- 
leistung auf  die  Lehen  zu  zwingen,  ihre  Feindschaft  fürchten 
musste.  Interessant  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  ist  der  Ausdruck 
der  Restitutionsurkunde.^)  Adalbero  meint,  es  wäre  vorteilhafter 
für  den  Abt  und  das  Kloster,  wenn  die  Mönche  nicht  mehr 
hätten,  als  sie  zum  Unterhalt  bedurften;  denn  ausgedehnte 
Ländereien  hätten  die  Haltung  von  Dienstleuten  behufs  Ver- 


relms  fractis  nitebantur  —  et  ideo  hac  vel  qualibet  occasiotie  ipsis  gemuinis 
qiw  quid  largiretwr,  expectahat.  Gauzlin  erklärte  (c.  114):  nionachis  omnia 
undiqtte  abunde  sufficere,  suis  magis  eutn  debere  consulere. 

^)  Mirac.  S.  Gorg.  c.  10:  Dolebat  enim  se  quam  maxime  a  loco  diu 
possesso  ac  praevcdide  sibi  socifUo  eniinus  fugari. 

'^)  Vgl.  W.  Lippert,  Zu  dem  Necrologium  S.  Vitoni  Virdunensis,  N. 
Arch.  XV,  608  flf.  Sein  Todestag  ist  der  14.  März  nach  dem  Necrol.  S.  Vit, 
N.  Arch.  XV,  608. 

3)  Flodoardi  Ann.  931;   V.  Joh.  Gorz.  c.  104;   Mirac.  S.  Gorg.  c.  12. 

^)  Flodoardi  Ann.  930.  Auch  sonst  verfuhr  Boso  gegen  die  ihm 
feindlichen  Bischöfe  in  ähnlicher  Weise  Fiod.  928.  931.  932. 

»)  Urk.  Adalberos  v.  12.  Dec.  933  bei  Calmet,  Ilist.  de  Lorraine  I, 
388:  Quodsi  omnem  teneret  abbatiae  terram,  opporteret  et  satellites  tenere, 
cum  quibus  publice  niilitaret;  sin  autem  nil  amplius  teneret j  nisi  quod 
ad  fratrum  mensam  pertineret^  nulluni  deberet  sn^rntinm  nisi  fratribus 
ministrare  et  religioni  providere. 


153 

teidiguiig  zur  Folge,  im  andern  Falle  aber  könnte  der  Abt  sieh 
der  Obhut  der  Brüder  and  dem  Dienste  Gottes  widmen.  Zwar 
erklärt  der  Bisehof  weiter,  er  habe  von  der  Wahrheit  der  Ge- 
sinnangen  jener  Bittsteller  ttberzengt,  so  viel  er  angenblieklich 
im  Stande  gewesen,  dem  Kloster  restituiert  and  die  angereehter 
Weise  entzogenen  Besitzungen  wiedergegeben,  aber  thatsächlich 
war  es  doch  recht  wenig,  so  dass  bereits  in  den  ersten  Jahren 
die  Brüder  in  bittere  Not  gerieten. 

Im  Jahre  933  war  alles  zum  Einzug  bereit  ^);  im  December 
ward  die  Urkunde  ausgestellt.  Selbstverständlich  wahrt  sich 
der  Bischof  das  Recht  der  Oberaufsicht.  In  Bezug  auf  die 
Abtwahl  bestimmt  er,  dass  der  Congregation  zwar  völlige  Freiheit 
bleiben  solle,  dagegen  behielt  er  sich  in  dem  Falle,  dass  unter 
den  Gorzer  Mönchen  sich  kein  geeigneter  fände,  das  Recht 
vor,  einen  Abt  seiner  Wahl  zu  setzen.  Diesmal  wählten  die 
neuen  Insassen  einstimmig  mit  Bewilligung  des  Bischofs  den 
Toaler  Archidiacon  Einold  zum  Abte. 

In  der  ersten  Zeit  vertrug  man  sich  leidlich ;  als  aber  mit 
der  Vermehrung  der  Mönche  die  Klostergttter  zum  Unterhalt 
nichi  mehr  ausreichten,  brach  auch  der  Conflict  mit  dem  Bi- 
sehofe aus,  der  den  Brttdern  immer  noch  einige  Besitzungen 
vorenthielt,  weil  er  bei  der  Unruhe  der  Zeitverhältnisse  nicht 
im  Stande  war,  sie  seinen  Lehnsleuten  zu  entziehen.  Man  be- 
schloss  endlich  Adalbero  aufzukündigen  und  in  dem  von  Herzog 
Giselbert  eben  wieder  neu  eingerichteten  St  Maximin  in  Trier, 
das  unter  Ogo  stand,  Unterkommen  zu  suchen.^)  Aber  Einold 
mahnte  zur  Besonnenheit  und  mit  verjüngtem  Eifer  verschärfte 
man  die  Lebensweise.^)  Fast  drei  Jahre  hatte  der  Bischof 
sich  von  seiner  Abtei  femgehalten,  als  die  Erscheinung  des 
hl.  Gorgonins,  der  ihm  zurief:  „Ein  gutes  Werk  hast  du  be- 
gonnen, aber  vom  begonnenen  bist  du  allzuschnell  wieder  ab- 
gefallen", und  die  Bemühungen  des  Johannes,  der  die  ganze 

»)  V.  Job.  Gera.  c.  43. 

')  Es  muss  etwa  036  oder  937  gewesen  sein,  da  einmal  nach  der 
V.  Joh.  c.  97  Giselbert  noch  lebt,  andererseits  sowohl  nach  der  Vita,  als 
nach  den  Hirac.  S.  Gorg.  c.  10  der  Bischof  den  Brildem  drei  Jahre  lan^ 
feindlich  gesinnt  war. 

«)  V.  Joh.  c.  95.  96. 


154 

wirtschaftliche  Verwaltung  übernommen  hatte,  Adalbero  zur 
Heraasgabe  des  lange  begehrten  Warengaeville,  das  im  Lehen- 
besitze Gozelins  sich  befand,  nötigte  i)  und  somit  die  Wieder- 
Versöhnung  anbahnte;  bald  folgte  der  Heimfall  von  Lagney- 
ville  und  Moulins,  aber  erst  nachdem  sich  der  hL  Petras  ins 
Mittel  gelegt  hatte,  wider  Willen  des  Bischofs.^)  Etwas  später 
wohl  gab  er  im  Einverständnis  mit  dem  Lehnsträger  Folmar 
und  dem  Pfalzgrafen  Hamadeus  reuig  Moivron  zurück,  nachdem 
die  Schwierigkeiten  gehoben  waren,  welche  die  Restitution  ver- 
zögert hatten^),  und  endlich  nach  dem  Tode  des  Hamadeus 
gegen  950^),  was  dieser  an  Lehen  von  der  Abtei  besass. 
„Dankt  dem  hl.  Märtyrer,  nicht  mir*,  soll  er,  durch  unruhige 
Träume  zur  Nachgiebigkeit  veranlasst,  gesagt  haben,  „denn 
nicht  freiwillig,  sondern  auf  sein  Verlangen  habe  ich  so  ge- 
handelt"^) Vor  seinem  Tode  gab  auch  Graf  Boso  den  Mönchen 
von  Gorze  nach.<^)  Vergleichen  wir  das,  was  Adalbero  der 
Abtei  bei  der  Reform  933  zuwies  mit  der  Summe  der  Besitzungen, 
welche  Otto  L  945  bestätigt,  so  erkennen  wir,  dass  es  ein 
verschwindend  kleiner  Teil  war,  mit  dem  die  Mönche  sich 
anfangs  begnügen  mussten  und  dass  die  völlige  Restauration 
in  Folge  der  eigentümlichen  politischen  und  finanziellen  Ver- 
hältnisse erst  sehr  allmählich  von  Statten  ging.  Um  die  Hebung 
des  materiellen  Wohlstandes  der  Abtei  erwarb  sich  damals 
Johannes  ein  unbestrittenes  Verdienst.  Er  hatte  keine  leichte 
Stellung:  während  er  den  schwersten  Vorwürfen  der  Brüder 
ausgesetzt  war  —  man  nannte  ihn  Heuchler,  Geizhals  und 
Betrüger,  man  warf  ihm  den  Aufenthalt  seiner  Matter  im  Kloster 
vor  '*)  —  so  war  er  es,  der  durch  seine  Sendungen  zu  Adalbero 


1)  V.  Job.  c.  97—102;  Mirac.  S.  Gorg.  c.  10. 

>)  V.  Job.  c.  103;  Mirac.  S.  Gorg.  c.  11. 

^)  Urk.  Adalberos,  Hist.  de  Metz  III,  pr.  60:  sola  difficuUaa  resütebcU . . 
abiecta  impossibilitate. 

*)  Döring,  Beiträge  zur  alt.  Geschichte  des  Bistums  Metz,  Innsbmck 
1886,  p.  18. 

*)  Mirac.  S.  Gorg.  c.  15:  quoniam  non  aponte  mea,  sed  ipsiua  cogente 
imptUsu  hoc  ago;  vgl.  Hist.  S.  Amulfi  Mett,  SS.  XXIV,  544:  Adalberonej 
qui  ctmi  prius  acquiescere  noüetj  postmodum  visionUms  sancti  Petri  terri- 
tu8f  cuncta  perficiebat. 

«)  V.  Job.  Gorz.  c.  104;  Mirac.  S.  Gorg.  c.  12. 

')  V.  Job.  c.  76 :  Ecce  et  geneceum  claustrum  motKichoruni  fecisti. 


155 

und  Graf  Boso,  den  Zorn  der  ungern  Gemahnten  ttber  sieh  er- 
gehen lassen  und  die  Kastanien  ans  dem  Fener  holen  mnsste. 
Die  niedrigsten  durften  ihn  beleidigen  —  er  warf  sieh,  ohne 
ihnen  zu  antworten,  um  Verzeihung  bittend  zur  Erde;  er  trug 
die  ganze  Last  der  Verwaltung.  Hatten  Anfangs  die  Mönche 
Not  gelitten,  so  gelang  es  seinem  gerechten  und  umsichtigen 
Geschäftsverfahren,  bedeutende  Ueberschüsse  zu  erzielen;  eine 
FtUle  von  Einkünften  ergab  sich  aus  dem  Acker-  und  Weinbau, 
aus  Mtthlenbetrieb,  Fisch-  und  Vogelzucht;  das  Salzbergwerk 
in  Wie  brachte  er  wieder  in  Gang.^)  Es  war  ein  Beweis  ftlr 
die  Anerkennung  seiner  praktischen  Tüchtigkeit,  dass  man  Jo- 
hannes 953  die  Mission  nach  Cordova  an  den  Hof  des  Califen 
Abderrahman  anvertraute.^) 

Wahrscheinlich  die  politischen  Feindseligkeiten  zwischen 
Bischof  Adalbero  und  König  Otto  schoben  ^)  die  Anerkennung 
der  Beform  und  die  Bestätigung  der  Besitzungen  von  Gorze  durch 
letzteren  bis  zum  13.  Juli  945  ^)  hinaus,  nachdem  schon  im  Juni 
938  Papst  Leo  VIT.  die  Urkunde  des  Bischofs  ratifiziert  hatte.^) 
In  dieser  Zeit  besserte  sich  auch  das  Verhältnis  Adalberos  zu 
Abt  Einold;  wir  sehen  den  Abt  jetzt  in  engen  Beziehungen 
zum  Bischöfe  von  Metz;  947  nahm  dieser  ihn  mit  auf  die  Sy- 
node von  Verdun«),  der  auch  Bischof  Gauzlin  von  Toul  bei- 
wohnte. Die  feindliche  Stellung  Adalberos  zu  Conrad  dem 
Bothen  war  fttr  das  Schicksal  von  Gorze  bei  dessen  Aufstand 
von  Bedeutung.  Man  sah  es  als  ein  Verdienst  des  hl.  Gorgo- 
nius  an,  dass  der  Herzog  das  Kloster  in  Frieden  liess^);  aber 
Flodoard  berichtet  uns  doch  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit 
von  Einolds  Vermittelung  bei  dem  Empörer^);  bis  zum  Kloster 
waren  die  •Ungarn,  von  Conrad  herbeigerufen,  bereits  vor- 
gedrungen.   Einold  starb  hochangesehen  am  18.  oder  19.  Aug! 


*)  V.  Job.  c.  88.  89. 

*)  Vgl.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen  I,  299. 

')  Nach  Stumpf  p.  61  und  Sickel,  Dipl.  Ott.  I,  p.  150  ist  die  Urk. 
Ottos  von  936  (Hist.  de  Metz  III,  pr.  59)  unecht  und  nur  aus  dem  Original 
voD  945  entnommen. 

*)  M.  G.  Dipl.  Ott.  I,  n.  70,  p.  150;  "Stumpf  114. 

*)  J.-L.  3609;  gedr.  v.  Fflugk-Harttung,  Acta  pont.  Rom.  I,  nr.  8.  . 

<)  Flodoardi  Ann.  947. 

*)  Mirac.  S.  Gorg.  c.  20.  •)  Flod.  Ann.  958. 


156 

959.^)  Ihm  folgte  Johannes  als  Abt;  sein  Tod  ist  auf  den 
30.  März  974  2)  zu  setzen.  Die  Aebte  der  Metzer  Klöster,  Ka- 
droe  von  St.  Clemens,  Berhardas  von  St.  Martin,  Hudo  und 
Adelmodus  umstanden  sein  Sterbelager. 

* 
Saint-Evre. 

Die  geistige  Sti-ömung,  die  wir  in  Oberlothringen  beob- 
achteten, hat  jedenfalls  kurz  nach  der  Wiederherstellung  mön- 
chischen Lebens  im  Metzer  Sprengel  auch  den  Bischof  Gauzlin 
von  Toul  veranlasst,  den  ruhebedürftigen,  beschaulichen  Ge- 
mütern seiner  Diöcese  ein  Asyl  zu  eröffnen.  Aber  Gauzlin 
selbst,  in  dessen  Adern  französisches  Blut  floss  und  der  wohl 
mit  Frankreich  noch  vielfach  in  Verbindung  stand,  scheint 
mehr  als  Adalbero  an  der  Förderung  klösterlicher  Interessen 
Anteil  genommen  zu  haben.  Von  dem  Rufe  der  vorzüglichen 
Disciplin  in  der  eben  reformierten  Abtei  Fleury  an  der  Loire 
veranlasst,  begab  er  sich  in  dieses  Kloster,  um  die  in  Lothringen 
fast  unbekannte  Benedictinerregel  und  die  bereits  schriftlich 
fixierten  Statuten  in  die  Heimat  zu  bringen ;  bereichert  durch  die 

1)  Dümmler,  Otto  der  Grosse  S.  802. 

')  Authentische  Nachricht  über  sein  Ende  und  seinen  Todestag  giebt 
die  V.  Joh.  Gorz.  im  Prologus.  Es  heisst  hier,  dass  er  inicio  sanctae  qua^ 
dragesimae  prima  ipsa  die  post  horam  vespertine  refectionis  erkrankte  und 
post  quintam  exinde  diem  starb.  Ferner  erfahren  wir,  dass  es  quadra- 
gesimus  siquidem  in  sancto  proposito  anntis  ei  tunc  erat,  in  dem  er  starb. 
Nun  ist  die  Einführung  der  Reform  in  Gorze  durch  die  Urk.  Adalberos 
auf  den  12.  Dec.  933  fixiert,  das  40.  Jahr  reicht  also  v.  12.  Dec.  973  bis 
ll.Dec.  974.  Schon  dadiurch  kämen  wir,  da  Johannes  in  der  Fastenzeit 
starb,  auf  974.  Bestätigt  wird  dieses  Jahr  im  Gegensatz  :Ai  dem  bisher 
angenommenen  973  dadurch,  dass  Johannes  in  einer  Urk.  Ottos  IL  v.  973 
Aug.  22  noch  erscheint  (D.  Ott.  II  nr.  54),  einer  Urkunde,  die  über  allen  Zweifel 
erhaben  zu  sein  scheint.  Femer  aber  kommt  Johannes  auch  in  einer  Urk. 
des  unedierten  Cartul.  de  Gorze  (Cod.  Paris  lat  5436,  f.  55)  vom  4.  Non. 
Jun.  973  vor,  so  dass  ausser  Frage  steht,  dass  er  vor  974  nicht  ge- 
storben ist  Was  den  Tag  anbetrifft,  so  deutet  der  Autor  durch  das 
prima  ipsa  die  m.  E.  zweifellos  an,  dass  er  wirklich  den  ersten  Tag  der 
Fasten  d.  h.  den  Aschermittwoch  meint.  Dieser  fiel  im  Jahre  974  auf  den 
auf  den  25.  März  und  der  fünfte  Tag  danach  war  der  30.  März.  Entferntere, 
dem  widersprechende  Quellen,  die  Schnitze,  der  sich  filr  den  7.  Febr.  973 
entscheidet.  Forsch.  S.  36  aufzählt,  können  demgegenüber,  was  oben  be- 
merkt ist,  nichts  ausmachen. 


157 

ErfahrangeD,  die  er  in  Fleuiy  gemacht,  ging  er  daran,  das 
Haoptkloster  der  Diöeese  St.  Evre  zu  reformieren.^) 

Aach  hier  hatte  der  Verlauf  stürmischer  Jahre  Verhältnisse 
geschaffen,  die  einer  Verbesserung  dringend  bedurften  und  deren 
Entwirrung  Gauzlin  nicht  viel  weniger  Schwierigkeiten,  als 
Adalbero  gemacht  haben  dürfte.  Lothar  I.  hatte  St.  Evre  in 
Ermangelung  anderer  Besitzungen  seinen  Vasallen  als  Lehen 
verteilt  und  so  der  Touler  Kirche,  der  die  Abtei  bis  dahin 
untertbänig  war,  entzogen.  Kurz  vor  seinem  Tode  befahl  er 
die  Rückgabe,  die  sein  Sohn  Lothar  II.  im  Jahre  858  bewerk- 
stelligte.^) Doch  erst  885  ward  eine  Restauration  von  Karl 
dem  Dicken  unternommen,  wobei  nicht  unbedeutende  Leistungen 
an  den  Bischof  festgesetzt  wurden.^)  Das  Bistum  muss  auf 
diese  Einkünfte  im  hohen  Grade  angewiesen  gewesen  sein,  da 
Bisehof  Amald  laute  Klagen  wegen  der  Armut  der  Touler 
Kirche  erhob,  als  ihm  König  Arnulf  von  neuem  die  Abteien 
St  Evre  und  St  Germain  entzogen  hatte.  Der  König  hatte  ein 
Einsehen,  er  gab  wieder,  was  er  genommen.^)  Um  dieselbe 
Zeit  hausten  die  übel  berüchtigten  Grafen  Stephan,  Gerhard 
und  Madfried  mit  Raub  und  Brand  im  Touler  Sprengel.  Die 
Klöster  St  Mauritius  und  St  Evre  rissen  sie  an  sich,  indem 
sie  ein  Erbrecht  auf  die  Vogtei  derselben  vorgaben.  Die  Frei- 
heit der  Stadt  gefährdeten  sie  aufs  höchste,  da  sie  in  ihrer 


0  Miracula  S.  Bercharii,  SS.  IV,  487 :  descriptionem  omnis  monasticae 
conversationis  .  . .  supradictam  quoque  regulam  beatipatria  aecum  deferens; 
▼gl.  Gesta  episc.  TuU.  c.  31:  mttu  Dei  regulam  aancti  Benedicti  huius 
regni  habitatoribua  omnibua  ignotam,  diu  quaeaitam  proculque  inventam 
aancti  Apri  inatituit  loco;  Mir.  S.  Apri  c  30.  Merkwürdiger  Weise  hat 
Schultze  diesen  Zusammenhang  mit  der  floriacensischen  Reform  vüllig 
Übersehen,  obgleich  hier  Dümmler,  Otto  der  Grosse,  bereits  das  richtige 
hat.  Auch  Lamprecht,  Der  Charakter  der  lothringischen  RIosterreform  in 
Pick's  Monatsschrift  für  die  Geschichte  Westdeutschlands  VII,  94  verkennt 
die  Verbindung  der  lothringischen  Reform  mit  der  cluniacensischen. 

*)  Die  bei  Calmet,  Hist  de  Lorraine  I,  363  gedruckte  Urk.  ist  irr- 
ttlmlich  vom  Herausgeber  957  datiert,  da  er  sie  auf  den  französischen 
Lothar  bezieht.  Dass  sie  vielmehr  Lothar  II.  angehört,  beweist  der  Um- 
stand, dass  Lothar  seinen  Vater:  genüor  piae  recordationia  Hlotariua 
quondam  piiaaimua  Äuguatua  nennt,  abgesehen  davon,  dass  das  Dictat 
den  Urkunden  Lothars  II.  entspricht  und  auch  der  Kanzler  Erkanbold 
recognosciert.    Sie  gehurt  danach  ins  Jahr  858,  6.  Aug.;  Boehmer-M.  1250. 

>)  Calmet  I,  317;  6.-M.  1661.  *)  Calmet  I,  323;  B.-M.  1833. 


158 

Nähe  Castelle  errichteteD,  von  denen  aus  sie  die  Bürger  be- 
lästigten. Arnulf  half  ab  und  die  Befestigungen  mnssten  auf- 
gegeben werden.  1)  Nach  diesen  bösen  Zeiten  kamen  bessere 
unter  Ludelm;  er  begann  die  zerstörten  Gotteshäuser  wieder 
aufzubauen  und  verschaffte  ihnen  wieder  Besitz.^)  Auf  der 
andern  Seite  war  aber  er  es  wieder  gerade,  der  die  Besitzungen 
der  Klöster  an  sieh  riss  und  nach  Gutdünken  verteilte.^)  So 
konnten  auch  die  Mönche  von  St.  tiVre  offenbar  nicht  empor- 
kommen :  Drogo  weigerte  sich  sogar,  ihren  Heiligen  herauszugeben, 
bis  ihn  die  Brüder  heimlich  stahlen  und  sorgsam  verbargen  *) ; 
die  Besitzungen  der  Abtei  nährten  den  Clerus  von  Toni.  Der 
Bischof  hatte  bisher  in  unstatthafter  Weise  über  den  Ort  ver- 
fügt, als  endlich  Gauzlin  auf  den  Rat  der  angesehensten 
Männer  seines  Sprengeis,  zweifellos  des  reformatorisch  gesinnten 
Clerus,  auf  die  ehemals  der  Abtei  St.  Evre  gehörigen  Güter 
verzichtete.  Wahrscheinlich  hat  die  Reform  934  oder  935 
stattgefunden.^)      Zum    Abt    machte    Gauzlin    den    Archim- 


')  B.-M.  1850;  Calmet  I,  325,  ürk.  Arnulfs  v.  894;  Gesta  episc.  Tiill. 
c.  29,  SS.  Vm,  638. 

>)  Gesta  episc.  TuU.  c.  29. 

^)  Mirac.  S.  Apri  c.  20:  tanquam  8iui  sibi  accipiem  et  libitu  diapertiens. 

*)  Gesta  episc.  Tüll.  c.  30 ;  Mirac.  S.  Apri  c.  24—29. 

*)  Die  Urk.  Calmet  I,  842  trägt  das  Datum :  V.  Id.  oct  anno  episcopahis 
ejus  XIII  indict.  Villi  anno  ab  incam.  doniini  DCCCCXXXVlj  anno 
vero  XI  Henrici  ghriosi  Regis.  Hier  stimmt  nun  fast  nichts  zusammen. 
Wir  müssen  zur  Kritik  noch  eine  andere  Urkunde  hinzuziehen,  die  für 
Bouxi^res,  datiert:  Idih.  Jan.  regnante  Othone  Rege,  ordinationis  nostrae 
anno  decimo  tercio.  Calmet  schrieb  hier  985,  Sicher  ist,  dass  die  Urkunde 
fiir  St.  Evre  vor  die  fdr  Boux.  fallt,  denn  erstens  wird  in  dieser  die 
Reform  von  St.  Evre  bereits  als  durchgeführt  und  Erchambold  oder 
Archimbald  als  Abt  erwähnt,  zweitens  aber  liegt  auf  der  Hand,  dass  die 
Datierungen  Oct.  936  mit  Heinrichs  Regierung,  Jan.  935  mit  Ottos  Re- 
gierung unmöglich  sind.  Deutet  man  nun  das  1 1 .  Jahr  Heinrichs  auf  die 
Zeit  seiner  Herrschaft  in  Lothringen,  so  würde  Ende  935  schon  in  das 
11.  Jahr  fallen.  Dazu  stimmt  die  Nachricht  in  den  Mirac.  S.  Apri  c.  30, 
dass  die  Reform  von  St.  Evre  im  14.  Jahre  von  Gauzlins  Ordination 
stattfand:  wir  kämen  also  auf  Oct.  935.  Noch  früher  setzen  die  Annal. 
S.  Benigni  (SS.  V,  40)  die  Reform:  934.  Conversio  monachorum  S.  ApH. 
Vielleicht  kann  man  die  Nachricht  bei  Flodoard:  934.  Religio  regvlae 
monachorum  in  quibuadam  monasteriis  per  regnum  Lothariae  reparatur 
auch  auf  Saint-£^vre  beziehen.  Wir  werden  später  noch  einen  Grund  an- 
führen, der  zu  einer  frühen  Ansetzung  der  Reform  nötigt. 


159 

bald.i)  In  der  Urknnde,  die  hierüber  ausgestellt  wnrde,  behielt 
sieh  der  Bischof  nicht  nur  die  unbedingte  Oberhoheit  über  die 
Abtei  vor,  sondern  er  machte  die  Gültigkeit  der  Abtwahl  von 
seiner  Bestätigung  abhängig,  und  wollte  dann  selbst  sogar,  ähn- 
lich wie  Adalbero,  das  Amt  des  Abtes  aus  einem  andern  Kloster 
besetzen,  wenn  unter  den  Mönchen  von  St  Evre  er  keine  ihm 
genehme  Persönlichkeit  fände.  Kein  Abt  solle  es  jemals 
wagen,  die  Abtei  der  Jurisdiction  des  Bischofs  von  Toul  zu 
entziehen.^) 

Schon  in  den  nächsten  Jahren  wuchs  die  Zahl  der  Mönche 
beträchtlich;  der  zum  Unterhalt  derselben  bestimmte  Besitz 
reichte  bald  nicht  mehr  aus  und  Gauzlin  musste  sich  ent- 
schliessen,  die  Einkünfte  etwas  zu  vermehren.^)  Wie  es  die 
Lage  ihres  Ortes  mit  sich  brachte,  scheinen  die  Mönche  eifrig 
Weinbau  und  Fischzucht  getrieben  zu  haben.*)  Wahrscheinlich 
übten  sie  fleissig,  was  der  Bischof  ihnen  zur  Bedingung  gemacht 
hatte;  gaben  jeden  persönlichen  Willen  auf  und  machten  die 
Benedictinerregel  zum  unverbrüchlichen  Gesetz,  pflegten  Gast- 
freundschaft und  beteten  täglich  den  Psalm  De  profnndis  für 
das  Seelenheil  des  Stifters. 

Erst  am  3.  August  947  hat  Otto  I.  dem  Kloster  die  ihm 
vom  Bischof  zugewiesenen  Güter  bestätigt.^)     Vermutlich  fand 

')  Der  erste  Abt  von  Fleury  (942  bis  c.  945)  tragt  denselben  Namen. 
Man  hat  sie  beide  für  identisch  gehalten.  Schnitze  entscheidet  sieb, 
Forsch,  p.  48  dagegen,  aber  aus  einem  nicht  triftigen  Grunde,  wenn  er 
meint,  dass  das  sonst  in  der  Urk.  gesagt  worden  wäre.  In  der  Urk.  z.  B., 
in  der  Leo  VII.  zum  ersten  Mal  die  Reform  von  Fleury  bestätigt,  steht 
kein  Wort  davon,  dass  Odo  auch  Abt  von  Cluni  war.  Im  Gegenteil, 
man  vermied  die  Nennung  der  verschiedenen  Klöster  in  den  Urkunden, 
einmal  um  eine  Verdunkelung  hinsichtlich  des  rechtlichen  Verhält- 
nisses der  betreffenden  Abteien  zu  verhindern,  femer  wahrscheinlich  aus 
kirchenrechtlichen  Gründen,  da  die  Leitung  mehrerer  Abteien  durch  einen 
Abt  von  den  Concilen  üfter  verboten  worden  war.  Im  übrigen  war 
z.  Z.,  als  St.  Evre  reformiert  wurde,  A.  noch  gar  nicht  Abt  v.  Fleury. 

>)  Calmet  I,  342. 

')  Calmet  I,  348.  Urk.  Gauzlins  v.  23.  Dec.  940:  cognovimuSy  quia 
8ub  venerabili  abbate  Archembaldo  . .  .  et  grex  domini  gradatitn  cresceretf 
et  subfftantia  monasterii  valde  effugeret,  necposset  vivere  de  rebus  eiusdem 
ecclesiae;    vgl.  Hugo  Flav.  SS.  VIII,  859. 

*)  CahnetI,  302;  IIF  IX,  278;  Dipl.  Ott.  I,  nr.  92,  p.  174. 

ß)  Dipl.  Ott.  I,  nr.  92. 


160 

in  dieser  Zeit  eine  Versöhnung  zwischen  dem  Könige  und 
Gauzlin  statt,  den  wir  damals  wieder  znerst  auf  der  Synode 
von  Verdun  politisch  thätig  findend)  Es  lässt  sich  nicht  mehr 
bestimmen,  wann  Archembald  starb.  Sein  Nachfolger  hiess 
Humbert.  Von  Bauern  geboren,  nicht  ohne  Vermögen,  bestimmte 
ihn  in  seiner  Jugend  ein  Wunder,  sich  Gott  zu  weihen.  Nach 
einer  Bomreise,  die  er  aus  religiösen  Beweggründen  unter- 
nommen, beschloss  er,  in  Verdun  als  Reclusus  ein  zurück- 
gezogenes Leben  zu  führen.  Er  trat  dann  in  Gorze  ein,  einer 
jener  gottergebenen  Eiferer,  die  wir  bereits  kennen  gelernt 
haben,  bis  er  nach  St.  Evre  kam,  wo  er  bis  zu  seinem  Tode 
nach  Archembald  den  Abtstab  führte.^) 

Gorze  und  Cluni. 

Scheinbar  spontan  hatte  sich  in  den  oberlothringischen 
Diöeesen  eine  Bewegung  erhoben,  die  sich  schliesslich  so  kräf- 
tigte, dass  sie  im  Stande  war,  auf  die  vielfach  gefesselten  und 
abhängigen  Bischöfe  einen  mächtigen  Druck  auszuüben.  In 
Bezug  auf  die  Touler  Reform  ist  der  Zusammenhang  mit  der 
französischen  unzweifelhaft  bewiesen.  Kurz  nach  der  Ueber- 
nahme  durch  Odo  beginnt  Fleury  einen  Einfluss  nach  Osten 
hin  auszuüben,  der  in  den  nächsten  Jahrzehnten  noch  bedeutend 
steigen  sollte.  Die  Frage  ist:  wie  steht  es  mit  Gorze?  Sicherlich 
lassen  sich   cluniacensische  Einwirkungen  hier  in  Fülle  nach- 


1)  Flodoardi  Ann.  947;  Hist.  Rhem.  eccl.  IV,  c.  34,  SS.  XIII,  588. 

*)  Vita  Job.  Gorz.  c.  50— 52.  Dieser  Ilumbert  ist  von  dem  späteren 
gleichnamigen  Abte  von  St.  Vannes  zu  trennen.  Nirgend  findet  sich  in 
den  massgebenden  Quellen  etwas  von  ihrer  Identität.  Da  Humbert  von 
St.  Vannes  952  das  Kloster  übernahm,  der  von  St.  Evre  957  (CalmetI,  364) 
und  965  (Mirac.  S.  Mansueti  c.  10)  sich  nachweisen  lässt,  so  müsste,  wenn 
beide  eine  Person  wären,  dieselbe  beide  Abteien  zugleich  geleitet  haben, 
und  das  hätte  weder  in  den  Quellen  von  Toul,  noch  in  denen  von  Verdun 
unerwähnt  bleiben  können.  Wenn  es  Vita  Joh.  Gorz.  c.  52  heisst:  ubi 
(S.  Apr.)  et  in  aira  gregis  dominici  quievit,  so  starb  und  ruhte,  wie  ans 
Hugo  Flav.  SS.  VIII,  307  und  An.  S.  Benig.  973  geschlossen  werden 
darf,  der  Abt  von  S.  Vannes  in  Verdun.  Wenn  nun  die  erst  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  geschriebene  Continuat.  c.  2  der  Gesta  ep.  Virdun. 
(SS.  IV,  45)  sagt:  tmw  temporis  divini  amoris  instinctu  apud  sanctvm 
Aprum  Tullo  nwnachum  ipsiqtie  loco  jam  a  Deo  patrem  factum,  so  beruht 
das  wohl  auf  einer  Verwechselung  beider  Aebte,  zumal  der  Abt  von 
St.  Vannes  auch  Mönch  von  St.  Evre  war. 


161 

weisen ;  nur  ist  kaum  an  eine  unmittelbare  Uebertragung  fran- 
zösischer Klostergewohnheiten  zu  denken;  hier  und  da,  all- 
mählich, haben  fremde  Institutionen  in  der  Metzer  Abtei  Eingang 
gefunden.  Was  hier  zunächst  in  die  Augen  fallt,  ist  die  Selb- 
ständigkeit, welche  die  einzelnen  Mitglieder  sich  in  der  Beob- 
achtung ihrer  religiösen  Pflichten  bewahrt  haben.  Hier  war 
in  der  ersten  Zeit  die  Gefahr  einer  allmählichen  Ermattung, 
die  Folgen  ungezügelter  Wünsche  nicht  zu  fürchten,  da  im 
Gegenteil  die  strengen  Selbstpeinigungen  zu  ganz  unerhörter 
Härte  sich  zu  steigern  schienen  und  jene  Männer  die  ersten 
Mönche  waren,  die  aus  glühendstem  Eifer  Profess  abgelegt 
hatten.  Einold  selbst  ging  in  seinen  Anstrengungen  nicht  über 
seine  Kräfte^),  ganz  anders  Angilram^),  Ansteus^),  Jobannes. 
Letzterer  nahm  für  sich  einen  erbittei*ten  Kampf  gegen  den 
Schlaf  auf;  er  fastete  bei  Brot  und  Wasser  mit  wunderbarer 
Standhaftigkeit;  dabei  wirtschaftete  er  in  Küche  und  Keller 
allein  ohne  Gehülfen.^)  In  ganz  andrer  Weise  wie  bei  Odo 
tritt  hier  der  Spiritualismus  auf;  ihm  ist  es  nur  um  eine  gleich- 
massige  Disciplin,  eine  moralische  Läuterung  zu  thun,  in  Gorze 
verfällt  man  ins  Extrem  und  sieht  im  Materiellen  ein  Werk 
des  Teufels. 

Neben  diesen  Anschauungen,  die  denen  der  ersten  Clunia- 
censer  fremd  sind,  finden  sich  aber  Institutionen,  die  einen 
deutlichen  Einfluss  von  französischer  Seite  verraten.  Den  voll- 
gültigsten Beweis  haben  wir  in  der  Einführung  des  Schuh- 
wasehens,  einer  Cluni  eigentümlichen  Einrichtung,  von  der 
es  in  Gorze  heisst,  „dass  sie  zwar  alt,  aber  neuerdings 
erst  wieder  uns  überbracht  sei."*)  Wir  wiederholen  dann,  was 
wir  schon  erwähnten,  dass  in  Cluni  wie  in  Gorze  ein  bedeu- 
tendes Gewicht  auf  Psalmengesang  und  nächtliche  Leetüre 
gelegt  wurde,  dass  hier  wie  dort  sich  derselbe  Modus  in  Bezug 
auf  die  Einteilung  der  Yigilien  findet,  und  wenn  Johannes  Bio- 
graph hinsichtlich  der  nächtlichen  Gesänge,  Gebete  und  Lectionen 
sagt,  diese  seien  damals  an  Zahl,  Länge  und  Vortrag  vielfach 


0  V.  Job.  Gorz.  c.  92.  98.  «)  V.  Job.  c.  62—64. 

»)  V.  Job.  c.  66—68.  *)  V.  Job.  c.  72—94. 

^)  V.  Joh.  c.  63:   ex  nuyi-e  arUiquo  quidem^  sed  timc  novit  er  nob%8 
tradito. 

SftokiiT,  ClimiftoaiiB«.    I.  H 


162 

erweitert  worden  ^\  so  wttsste  ich  nicht,  worauf  diese  Bemerkung 
mehr  Bezug  haben  sollte,  als  auf  die  schon  mannigfach  ver- 
breiteten cluniaeensischen  Einrichtungen.  Dann  finden  wir 
aber  auch  einmal  auf  eine  „mildere  Regel*  verwiesen  2),  als 
Johannes  sein  beständiges  Fasten  aufgab  und  nur  zwei  Fasten- 
zeiten im  Jahre  vor  Weihnachten  und  vor  Ostern  annahm,  ganz 
wie  man  es  in  Cluni  später  übte;  hier  wie  dort  waren  die 
Modi  innerhalb  dieser  Zeiträume  den  Mönchen  freigestellt.  Die 
Beobachtung  der  Stunden  zur  Nachtzeit  durch  den  Stand  der 
Gestirne  ist  in  cluniaeensischen  und  floriacensischen  Riten  bis 
auf  Bernard  von  Cluni  zu  finden;  auch  in  Gorze  beobachtet 
Johannes  als  Prior  den  Himmel,  während  sonst  die  abgelaufene 
Zeit  nach  dem  Schwinden  der  Wachskerzen,  nach  Wasseruhren 
und  dem  Hahnenruf  bemessen  wnrde.^)  Nicht  minder  ist  die 
verschärfte  Demut  der  Mönche  dem  Abte  gegenüber  ein  Cha- 
racteristicum  der  Clnniacenser;  sie  wird  im  Aachener  Capitular 
besonders  betont,  bei  Johannes  von  Gorze  erreicht  sie  ihren 
Höhepunkt. 

Auch  ohne  diese  Anzeichen  würde  man  mannigfache  An- 
regungen von  dem  nahe  gelegenen  Toul  ans  annehmen  müssen. 
Aber  sie  lassen  sich  für  Gorze  noch  besonders  belegen.  Wir  er- 
fahren, dass  in  diesem  Kloster  Mönche  aus  Griechenland, 
Burgund,  England,  Metz,  Toul,  Verdun  zusammenströmten  4); 
und  bei  der  schnellen  Verbreitung  des  Rufes  unserer  Abtei 
mochte  auch  wenigstens  in  Bezug  auf  locale  Verhältnisse  der 
rhetorischen  Uebertreibung  etwas  wahres  zu  Grunde  liegen: 
niemand  habe  geglaubt,  den  Anfang  der  Conversion  gemacht 
zu  haben,  der  nicht  in  die  Gorzer  Regel  eingedrungen  sei.^) 
Kaddroe,  ein  Schotte,  der  in  Fleury  Mönch  gewesen  war,  ward 


*)  V.  Job.  c.  81:  Quae  tunc  temporis  utique  ut  ferventUms  conver- 
saiionis  initiis  et  numero  et  longitudine  et  mora  dicendi  muüiplicitis 
extendebantur. 

')  V.  Job.  c.  93:  itaqus  regulam  tolerabiliorem  dsawnpsit. 

3)  Martine  et  Durand,  De  monachorum  ritibus  I,  1  ff.;  vgl.  BibL 
Floriac.  p.  88. 

*)  Mirac.  S.  Gorgomi  c.  26:  atque  de  ofnnibua  saeculis  istuc  congre- 
gavit  de  Oraecia  viddicet,  Burgundia  ac  de  penitus  toto  divisis  orbe 
BritanniSf  MettenaUmSf  TuüensibuSf  Verdunensibus. 

*)  V.  S.  Wigberti  c.  8:  nee  quisqaam  vel  initium  conversionis  se 
credebat  anipuiaaef  cui  non  contigerat  Oorziensi  regula  initiatum  esse. 


163 

von  Adalbero  einem  Metzer  Kloster  vorgestellt*);  zweifellos  fand 
anter  diesen  Abteien  ein  fortwährender  Anstanscb  statt.  Noch 
war  auch  die  Cluniaeenserregel  nicht  in  der  Weise  ausgebildet 
und  fixiert,  wie  später  nnter  Hugo.  In  Glani  selbst  war  die 
Tradition  durehaus  schwankend,  noch  schieden  die  Glnnia- 
eenser  sich  nicht  streng  von  den  übrigen  Mönchen.  Agapit  II. 
bemft  Gorzer  Mönche  nach  dem  cluniacensischen  St.  Panl; 
Hnmbert  von  Gorze  wird  in  St.  Evre  Mönch  und  bald  Abt,  in 
Wanlsort  wirken  der  floriacensisch*e  Kaddroe  und  der  gor- 
zensische  Malcalan  friedlich  nebeneinander,  letzterer  leitete 
später  die  nach  Laon  überfllhrten  Mönche  von  Fleury.  Von 
Bnrgund  und  Toni  mögen  vielfach  Gorzer  Einrichtungen  modifi- 
eiert  worden  sein,  während  eine  directe  Uebertragung  vollstän- 
diger Gewohnheiten  nicht  nachzuweisen  ist. 

Von  den  beiden  behandelten  Abteien  aus  verbreitet  sich  neues 
mönehisches  Leben  und  klösterliche  Zucht  nach  verschiedenen 
Riehtungen  durch  Lothringen  von  Kloster  zu  Kloster.  Wir 
verfolgen  zunächst  die  von  Gorze  ausgehenden  Reformen. 


Gorzer  Reformen. 

DiÖeese  Metz. 

Nachdem  für  die  gottbegeisterten  Eifrer  in  der  Abtei  Gorae 
ein  Asyl  geschaffen  war,  in  dem  sie  ihren  Neigungen  nach- 
gehen konnte,  lag  vor  der  Hand  die  Notwendigkeit  neuer 
Klostereinriehtnngen  nicht  vor.  Auch  waren  die  politischen 
Unruhen,  die  sich  Ende  der  dreissiger  Jahre  wieder  erhoben, 
die  Teilnahme  Adalberos  an  Giselberts  Aufstande  gegen  Otto 
den  Grossen,  einer  gedeihlichen  und  schnellen  Förderung  der 
Mönehsstifter  nicht  hold.  So  kam  es,  dass  erst  im  Jahre  941 
oder  942  der  Bischof  von  Metz  die  Canoniker  vertrieb,  die  in 
Si  Arnulf  ein  weltliches,  wenig  ehrbare«  Leben  ftthrten;  eine 
That,  die  ihm  mit  allgemeinem  Dank  gelohnt  ward.  Die  einzig 
Unzufriedenen  waren  die  Chorherren  selbst;  sie  appellierten 
an  den  König  und  beklagten  sich  Über  die  Entziehung  ihres 
Eigentums.  Doch  Otto  wies  sie  zurück,  bestätigte  die 
Reform    und   Aribert,   ein  Mönch   von  Gorze,  übernahm    un- 


')  Vgl.  unten  ä.  183. 

n 


164 

gestört  die  Leitung  der  in  dem  Kloster  angesiedelten  Brttder ') ; 
leider  starb  er  bereits  nach  zwei  Jahren^),  worauf  Adalbero  ihm 
einen  Nachfolger  in  einem  Verwandten  Einolds  ersah,  in  Ansteus, 
der  frtlher  Archidiacon,  zuletzt  Deean  in  Gorze  gewesen  war, 
einem  Mann  von  ausserordentlicher  Beredtsamkeit,  der  in 
technischen  Künsten  so  erfahren  war,  dass  er  niemandes  Kritik 
zu  scheuen  brauchte.  Seine  Kenntnisse  verwertete  er  alsbald 
bei  dem  prächtigen  Neubau  des  Gellerariums  und  des  Fremden- 
hospizes, das  um  so  notwendiger  war,  als  in  St.  Arnulf,  das 
nahe  der  Stadt  lag,  reger  Fremdenverkehr  herrschte,  wie  er 
denn  überhaupt  sich  um  die  Aufbesserung  der  verfallenen 
Anstalten  verdient  machte.  Er  erfreute  sieh  dabei  der  ma- 
teriellen Unterstützung  Adalberos.  Daneben  war  er  ein  vor- 
trefflicher Verwalter  und  Landwirt,  der  durch  Regelung  von 
Feldbau  und  Forstkultur,  Wein-  und  Wiesenwirtschaft  die  Ein- 
künfte erheblich  steigerte.  Aber  auch  er  hatte  unter  den 
Verwirrungen  des  Jahres  953  zu  leiden;  eine  Mauer,  die  er 
gegen  die  Ungarn  um  das  Kloster  angelegt,  musste  bis  zum 
nächsten  Jahre  unvollendet  bleiben.*)  Als  er  nach  einer 
sechzehnjährigen  Herrschaft  am  7.  September  960  starb,  folgte 
ihm  einer  seiner  Mönche,  Johannes,  dessen  Gelehrsamkeit  sogar 
Sachsen  und  Bayern  in  die  Klosterschule  von  St.  Arnulf  lockte 
und  der  sich  —  er  schrieb  das  Leben  des  Johannes  von  Gorze, 
die  Vita  und  Mirakel  der  hl.  Glodesindis  —  durch  litterarische 
Arbeiten  und  musikalische  Gompositionen  einen  Namen  erwarb.^) 


»)  V.  Job.  Gorz.  c.  67;  Calmet  I,  349  Urk.  Adalberos  von  942;  Dipl. 
Ott.  I,  n.  45,  p.  130.  Urk.  Ariberts  in  Eist.  S.  Arnulfi,  SS.  XXIV,  542; 
Chron.  S.  Clementis,  SS.  XXIV,  498;  Notae  S.  Arnulfi  zu  929  Vgl.  Wich- 
mann im  Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  lothr.  Gesch.  II  (1890),  306  fr. 

•)  Eist.  S.  Amulfi  p.  542:  Iste  non  tenuit  nisi  duobua  annis  ecclesiam 
pastoralem. 

5)  V.  Joh.  Gorz.  c.  66.  67.  Vgl.  dazu  die  Urk.  Adalberos  ftlr  Ansteus 
vom  24.  Nov.  952,  Eist,  de  Metz  lU,  pr.  69. 

*)  Bist.  S.  Arnulfi  a.  a.  0.;  vgl.  Schnitze,  War  Johann  von  Gorze 
historischer  Schriftsteller?  N.  Archiv  IX,  497—512,  dem  ich  zustimme, 
wenn  er  die  V.  Glodes.  u.  die  Miracula  S.  Glodes.  für  Jobann  v.  St  Amulf 
in  Anspruch  nimmt.  Die  Vita  u.  die  Mirac.  sind  mit  der  V.  Johannis  Gorz. 
im  Cod.  Paris  1.  13766  saec.  XI  enthalten  und  die  V.  S.  Glodes.  über- 
schrieben :  P'tvlogus  dornni  Johannis  abbatis  in  vitam  sanctae  Glodesindis 
virginis  a  ae  editam. 


16b 

Zwei  Metzer  Nonnenklöster  wurden  von  Adalbero  refor- 
miert; und  hier  scheint  sich  der  Bischof  etwas  freigebiger 
gezeigt  zn  haben.  Die  Reformen  von  St.  Glodesindis  nnd  St. 
Peter  fallen  aber  bereits  in  eine  spätere  Zeit,  in  der  die  Bähe 
in  Lothringen  wieder  hergestellt  und  an  eine  Gefahr  von 
Seiten  Frankreichs  nicht  mehr  za  denken  war.  St.  Glodesindis 
hatte  ihre  wesentlichsten  Güter  an  den  Landadel  verloren  und 
war  aller  Mittel  entblösst.  Am  6.  October  945  *)  wies  endlich 
der  Bischof  der  Abtei  alle  früheren  Besitzungen  wieder  zu, 
namentlich  eine  Menge  Weinberge,  ferner  das  Marienkloster 
von  Hasti^re  an  der  Maas.  Aebtissin  wurde  Adalberos  Nichte 
Himeltrud,  die  951  an  die  vollständige  Wiederherstellung  der 
Klostergebäude  ging.  2)  Bereits  969  wurden  die  Nonnen  von 
St  Glodesindis  aus  Hasti^re  durch  Bischof  Dietrich  I.  von 
Metz  vertrieben,  der  diesen  Ort  mit  Waulsort  verband.  3)  Weit 
später,  am  3.  Juni  960  bestätigte  der  Kaiser  auf  Bitten  Adalberos 
und  seines  Bruders,  des  Herzogs  Friedrich,  die  an  das  kaiser- 
liche Hoflager  nach  Cöln  gekommen  waren,  die  Einführung  der 
Benedictinenregel  in  St.  Peter;  und  Otto  verordnete,  dass  die 
Leiterin  Uadnwid  oder  Hawid  von  nun  an  mit  ihren  Nonnen 
ein  echt  mönchisches  Leben  fahrten.  4)  Und  in  der  That  hielt 
Hawid,  was  man  von  ihr  hoffen  durfte:  Kaddroe  meinte,  er 
habe  nie  eine  ähnliche  Frau  gefunden.^)  Sie  starb  zwischen 
977  nnd  993«)  am  13.  Februar.  ?) 

Biöcese  TonL 

Den  Uebergang  zu  den  Gorzer  Reformen  im  Sprengel  von 
Toul  bildet  füglich  die  von  Senones,  wo  wir  Adalbero  von 
Metz  und  Gauzlin  von  Toul  in  gemeinschaftlicher  Thätigkeit 
finden.     Denn   war  letzterer   der   geistliche   Oberhirt  des   in 


»)  Calmet  I,  369.  «)  V.  Deoderici  I.  c.  6;  Calmet  I,  382. 

^)  Vgl.  Sackur,  Der  Rechtsstreit  der  Klüstor  Waulsort  und  Hastiere 
in  der  Deutschen  Zeitschr.  f.  Geschichtswissensch.  II  (1889),  346. 

*)  Dipl.  Ott.  I,  n.  210. 

*)  V.  Kaddroe  c.  31.  34. 

•)  Dipl.  Ott.  II,  n.  159,  p.  179  v.  U.  Mai  977  begegnet  sie  noch;  in 
der  Urk.  Ottos  III.  vom  21.  März  993  ist  Ilyrmentnid  Aebtissin,  Hist.  de 
Metz  III,  pr.  S2. 

^  Necrol.  S.  Petri  in  der  Voyage  litteraire  des  deux  B6n6dictins  II,  115. 


166 

seiner  Diöcese  gelegenen  Klosters,  so  waren  die  Ländereien 
desselben  ursprünglich  Lehen  der  Kirche  Metz.  Unter  Abt 
Adalhard  ging  die  Abtei  sowohl  in  sittlicher,  wie  in  wirtschaft- 
licher Beziehung  ihrem  Rain  entgegen.  Güter,  Renten,  Servi- 
tute wurden  verschleudert  und  statt  der  geistlichen  Uebungen 
stürzte  man  sich  in  weltliche  Lust,  bis  Armut  die  Brüder  zu 
Knechtsdiensten  nötigte.  Sechs  Aebte  sahen  diesen  Znstand 
mit  an,  bis  einer  der  Mönche  Rambert  in  grosser  Entrüstung 
nach  dem  damals  kräftig  blühenden  Gorze  sich  begab,  wo  er 
gefesselt  von  dem  geordneten  Klosterleben  nach  Hülfe  aus- 
schaute für  seine  verirrten  Brüder.  Der  damalige  Abt  von 
Senones  Ranger,  ein  vernünftiger  Mann,  machte  ihn  zum  Probst 
und  als  er  wenige  Jahre  darauf  starb,  wählte  der  Convent 
Rambert  zum  Abt.  In  der  festen  Absicht,  die  Institutionen 
von  Gorze  einzufahren,  Hess  er  sich  durch  den  Bischof  von 
Metz  den  zeitlichen  Besitz  der  Abtei,  durch  Gauzlin  von  Toni 
die  geistliche  Ordination  erteilen.^)  Vielleicht  geschah  dies 
im  Jahre  938;  damals  im  December  ging  er  angeblich  mit 
seiner  Gongregation  den  Bischof  Adalbero  mit  der  Bitte  an, 
die  früheren  Schenkungen  der  Metzer  Bischöfe  von  neuem  zu 
bestätigen.^)  Aber  auf  der  Stelle  fand  er  Widerstand  unter 
seinen  Mönchen;  auf  den  Rat  des  Metzer  Bischofs  holte  er 
Abt  Einold  zu  Hülfe.  Als  man  am  Ende  den  Brüdern  die 
Wahl  liess,  sich  entweder  zu  fügen  oder  das  Kloster  zu  ver- 
lassen, wählten  nur  vier  das  letztere.  Am  11.  Juni  948  hat 
dann  Otto  I.  auf  der  Synode  zu  Ingelheim  den  Besitzstand  von 
Senones  durch  eine  Urkunde  gesichert.  3) 

Das  zweite  bedeutendere  Kloster  im  Touler  Sprengel,  das 
den  Metzer  Reformatoren  seine  Wiederbelebung  verdankte, 
war  Moyenmoutier.  Seit  unter  Zwentibold  Weltgeistliche  hinein- 
gelegt wurden,  wanderte  die  Stiftung  durch  verschiedene 
Laienhände;  die  Grafen  Hasuma,  Richwin,  Otto,  Boso,  Ainard, 
Giselbert  und  Friedrich  von  Lothringen  hatten  sie  nacheinander 
im  Besitz;   das  Klostergut  war  in  alle  Winde  verschleudert 


0  Riehen  bist.  Senon.  II,  c.  18. 

3)  Gallia  Christ.  XIII,  453.    Urk.  v.  30.  Dec.  938,  als  unecht  erwiesen 
V.  Wichmann  a.  a.  0. 

8)  Dipl.  Ott.  I,  n.  103, 


167 

und  nur  vereinzelte  Cleriker  haasten  hier  and  in  den  benach- 
barten Abteien.  <)  Erst  als  der  Zufall  zam  deutsehen  Reich 
in  Lothringen  einigermassen  geordnete  Zustände  bewirkte, 
ward  auch  die  verminderte  Zahl  der  Canoniker  wieder  ergänzt. 
Endlieh  wandte  sich  der  Mönch  Adalbert  von  Gorze,  ein  mit 
dem  lothringischen  Adel  blutsverwandter  Mann,  mit  Unter- 
stützung des  Grafen  Giselbert  an  Herzog  Friedrich  von  Loth- 
ringen, der  im  Besitz  von  Moyenmoutier  war.  Er  willigte  in 
die  Reform  und  Adalbert  selbst  wurde  beauftragt,  die  klöster- 
liche Ordnung  in  jener  Abtei  wieder  einzuführen.  Einolds 
erfahrener  Rat  kam  auch  ihm  zu  Gute;  er  war  es,  der  dem 
neuen  Abte  zwei  bewährte  Gorzer  Mönche,  den  einstigen 
Metzer  Primicer  Blidulf^),  einen  durch  Adel  der  Geburt  wie 
Reichtum  ausgezeichneten  Mann,  und  dessen  Freund  Gundeloch 
mitgab,  welcher  früher  in  Fulda  und  St.  Maximin  gelebt  hatte 
und  nach  Gorze  gekommen  war,  als  Einold  bereits  die  Leitung 
übernommen  hatte.  ^)  Beide  waren  dann  von  Bischof  Ogo  von 
Ltittich  nach  seinem  Bischofsitz  berufen  worden,  von  wo  sie 
aber  bereits  947  nach  Ogos  Tode  nach  Gorze  zurückkehrten. 
In  die  letzten  Jahre  des  sechsten  Jahrzehnts  dürfte  ihre  Ueber- 
siedelung  nach  Moyenmoutier  zu  setzen  sein.'^)  Wie  lange 
Blidulf  in  diesem  Kloster  blieb,  ist  nicht  bestimmbar;  er  zog 
später  das  Einsiedlerleben  vor  und  baute  sich  eine  Celle  auf 
einem  Berge  in  den  Yogesen,  die  er  Belmont  nannte^);  bald 
Behaarten  sich  Mönche  um  ihn,  einige  Einkünfte  verschaffte 
er  und  Wohnhäuser  erhoben  sich.  Vermutlich  ging  Gundeloch 
mit,  von  seinen  anderen  Genossen  werden  Wilhelm  und  Acharich 
genannt,  dessen  Frömmigkeit  zu  Ehren  der  Ort  später  seinen 
[Namen  erhielt.  Die  neue  Celle  ward  dann  dem  Kloster 
Moyenmoutier  zugevriesen   und  untergeben,  aber  die  Mönche, 


')  Cbron.  Mediani  Monast.  c.  6;  Riehen  bist.  SenoD.  II,  c.  7. 

')  Ein  S.  Blidulfi  findet  sich  in  einer  Gorzer  Urk.  von  914,  Hist.  de 
Metz  in,  pr.  56. 

")  Chron.  Mediani  Monast.  c.  7;  V.  Joh.  Gorz.  c.  69;  Gnndelahc  wird 
erwähnt  unter  den  siebzig  Mönchen,  die  zur  Zeit  Ogos  (934—945)  in 
St.  Maximin  lebten,  SS.  XIII,  302. 

•)  V.  Joh.  Gorz.  c.  70. 

*)  V.  Joh.  Gorz.  c.  69:  in  remotioribm  Vosagi;  Richer  II,  9:  in 
vaUe  Lebrath. 


168 

die  von  dort  ans  übersiedelten,  liessen  den  Ort  verfallen. i) 
Eine  andere  Abtei,  die  von  Moyenmontier  aus  reformiert  wurde, 
ist  die  des  hl.  Deodat,  Saint-Di^,  wo  nach  dem  Tode  des 
letzten  Abtes  Adalbert  von  Moyenmoutier  die  Leitung  und 
Reform  ttbernahm.  Er  setzte  einen  Mönch  seines  Klosters, 
Encherbertns,  zum  Abt,  der  aber  das  Klostergut  in  einer  Weise 
verschwendete,  dass  Herzog  Friedrich  ihn  zur  Abdankung  zwang 
und  seine  Mönche  herausjagte.  Wie  Kater  von  Verona  zog  er 
Canoniker  jetzt  den  ungeratenen  Mönchen  vor.^)  Moyenmoutier 
übrigens  und  St  Di6  gehörten  noch  nach  der  Reform  dem 
Herzoge  Friedrich  und  gingen  erst  in  den  Besitz  der  Touler 
Kirche  über,  als  Bischof  Gerhard  sich  bei  Otto  III.  über  die 
Anlage  des  Gasteils  Bar,  das  Friedrich  auf  Kirchengut  in 
Bosonville  errichtet  hatte,  beklagte.^)  Auf  diese  Weise  behielt 
der  Herzog  vorläufig,  was  er  sich  unrechtmässiger  Weise  an- 
gemasst  hatte ;  dem  Kloster  St  Mihiel  im  Gau  von  Verdun  nahm 
er  ebenfalls  zur  Ausstattung  des  Gasteils  den  dritten  Teil  seines 
Gutes  weg  und  mit  den  Mönchen  von  St  Denis  schloss  er 
einen  vorteilhaften  Tausch,  welcher  ihn  in  den  Besitz  der  ihm 
günstiger  gelegenen  Orte  Neuville,  Laymont  und  Revigny 
brachte.   So  hatte  der  Herzog,  der  Bruder  Bischof  Adalberos  III, 


*)  Wir  haben  folgende  Nachrichten:  Vita  Joh.  Gorz.  c.  70  nennt 
die  Metzer  Blidulf  und  Giindeloch  und  erzählt  ohne  Erwähnung 
ihres  Aufenthalts  in  Moyenmoutier  von  ihrer  Einsiedelei ;  das  Chron.  Med. 
Mon.  c.  7  kennt  Blidulf  und  Gundeloch  nur  in  ihren  Beziehungen  zu 
Moyenmoutier;  Rieh.  hist.  Öen.  II,  c.  9  lasst  Blidulf  und  Acharich  in  die 
Einsiedelei  gehen.  Hier  ist  zunächst  anzuerkennen,  dass  an  der  Identität 
der  verschiedenen  Blidulfe  nicht  zu  zweifeln  ist,  da  sowohl  in  der 
Vit.  Joh.  Gorz.  a.  a.  0.,  als  im  Chr.  Med.  Mon.  Bildulf  als  Primicer  von 
Metz  bezeichnet  wird.  Indes  sehen  Mabillon,  und  nach  ihm  Schnitze, 
Forschungen  etc.  p.  47  in  Vit.  Joh.  Gorz.  und  Rieh.  hist.  Sen.  einen  Wider- 
spruch, weil  die  eiue  Quelle  Blidulfs  Begleiter  Gundeloch,  die  andere 
Acharich  nennt.  Thatsächlich  besteht  aber  gar  kein  Widerspruch.  Dass 
Blidulf  mehrere  Gefährten  in  der  Einsiedelei  hatte  —  einer  wird  noch 
genannt,  Wilhelm  —  berichtet  Richer ;  es  ist  also  gar  nicht  ausgeschlossen, 
dass  Gundeloch  unter  ihnen  war.  Und  wenn  die  Vita  Joh.  Gorz.  gerade 
Gundeloch  als  seinen  Begleiter  nennt,  so  war  es  ihr  doch  nur  um  Gorzer 
MOnche  zu  thun;  andere  namhaft  zu  machen,  hatte  der  Verfasser  keinen 
Grund,  vielleicht  kannte  er  sie  auch  nicht. 

*)  Richer  hist.  Senon.  II,  c.  10  nennt  die  Jahreszahl  942,  doch  ist 
das  jedenfalls  viel  zu  früh.  ^)  Stumpf  872. 


169 

der  ohnehin  durch  seine  Vermählang  mit  der  Schwester  Hngo 
Capets  eine  mächtige  Stütze  sich  geschaffen,  eine  feste  Position 
aas  dem  Besitztum  dreier  Klöster.^) 

Diöcese  LIittich. 

Umfangreicher  war  die  Thätigkeit  Gorzer  Mönche,  wirk- 
samer Gorzer  Einflüsse  im  Maasgebiet,  im  Sprengel  von  Lüttich. 
Bischof  Richer  (920 — 945),  von  dem  man  erzählt,  dass  er  den 
Mönchen  nicht  günstig  gewesen  sei,  hat  doch  nicht  nur  in 
seiner  eigenen  Bischofsstadt  das  von  den  Normannen  zerstörte 
Peterskloster  wieder  hergestellt  2),  sondern  hat  auch  bereitwillig 
den  neuen  Klosterinstitutionen  von  Metz  in  seiner  Diöcese  das 
Thor  geöffnet. 

Im  Jahre  937  fand  die  Wiederherstellung  des  Doppel- 
klosters Stablo-Malmedy  statt.  Seit  dem  Anfange  des  Jahr- 
hunderts von  den  Dänen  verbrannt,  dann  in  den  Händen  von 
nicht  weniger  als  fünf  Laienäbten  ^),  endlich  unter  der  Herr- 
schaft des  Bischofs  Richer,  standen  die  beiden  Abteien  unter 
verschiedenen  Pröbsten,  welche  ihre  Aemter  gegen  Geld- 
sammen erkaufen  mussten^),  bis  sich  das  im  Jahre  937  mit 
der  Uebemahme  der  verfallenen  Abteien  durch  den  Mönch 
Odilo  änderte.*)  Von  vornehmer  Geburt  und  nicht  ohne  Ver- 
mögen, diente  er  als  Cleriker  in  Verdun,  ehe  er  in  Gorze  das 
Mönchskleid  nahm.<^)  Glänzender  und  grösser  als  früher,  erhob 
sich  das  Kloster  von  Grund  auf  wieder  aus  seinen  Ruinen. '') 


»)  Chron.  Med.  Monast.  c.  10;  Chron.  S.  Mich.  Virdun.  c.  7. 

«)  Gesta  abb.  Lobb.  c.  19,  SS.  IV,  63;  Aegidins  Aiireavall.  c.  37.  42, 
SS.  XXV,  49.  52. 

3)  Noch  am  8.  Jani  935  interveniert  Giselbert  für  Stablo,  Dipl. 
Ott.  I,  n.  40. 

*)  Dipl.  Ott.  I,  n.  167:  quia  oKw,  anteqtumi  praefatus  dbha  ibi  ordi- 
natwf  fuissetf  attdivinitis  ea  per  pecuniae  amoreni  suh  cura  praepositorum 
ab  invicem  fuisse  separata.  Es  wird  daher  verboten:  nt  nullns  per  pecuniae 
falsitatem  (üiquam  introducere  in  eisdem  andeat  personam, 

»)  Ann.  Stabul.  987;  Series  abb.  StabuL,  SS.  Xm,  293. 

«)  V.  Job.  Gorz.  c.  56. 

»)  Nanratio  de  dedicatione  eccl.  Stabul.  bei  Martene  et  Durand,  Coli, 
ampl.  II,  62:  praedictum  monasterium  ab  invisa  gente  Danornm  ejst  com- 
hiistum  et  ideo  carutn  niinante  ab  abbate  Odilone  propensiori  opere  atq^ie 
eminentiori  in  ipsis  fundamentia  est  restauratum. 


170 

Es  ist  jedenfalls  ein  Beweis  fttr  sein  Ansehen,  wenn  wir  Odilo 
im  Jahre  947  mit  seinem  Bischof  auf  der  Synode  von  Verdun 
finden  9;  mehrmals  hat  König  Otto  fllr  ihn  genrknndet/^)  Aber 
im  hohen  Alter  noch  erlebte  er  das  Unglück,  dass  die  Güter 
seiner  Abtei  durch  den  lothringischen  Grafen  Emmo,  einen 
Parteigänger  Conrads,  verwüstet  wurden.  Halbgebrochen 
kam  er  953  schutzflehend  an  Brunos  Hof  nach  Aachen.  Hülfe 
ward  ihm  zu  Teil.  Der  Bruder  Ottos  liess  Emmo  einfangen 
und  sein  Castell  ward  genommen.^)  Vielleicht  aus  Gram  starb 
Odilo  noch  im  selben  Jahre.  Sein  Nachfolger  hiess  Werinfried, 
der  bis  980  den  Krummstab  von  Stablo  führte.^) 

Sehr  wenig  wissen  wir  über  die  Reform  von  St.  Hubert. 
Wohl  um  dieselbe  Zeit,  da  er  Stablo  reformierte,  wandte  sich 
Richer  von  Lüttich  an  Bischof  Adalbero ;  als  geeignete  Persön- 
lichkeit schlug  dieser  seinen  Oheim  Friedrich  vor,  dem  man 
um  so  eher  Kenntnis  der  Ortsverhältnisse  zutrauen  konnte,  als 
er  bereits  seine  ersten  Jugendjahre  in  diesem  Kloster  zugebracht 
hatte.  Aber  der  weiter  um  sich  greifende  Verfall  von  St.  Hubert 
hatte  ihn  nach  dem  Beispiel  seiner  vornehmen  Verwandten  dem 
ritterlichen  Leben  wieder  zugeführt,  bis  er  in  dem  Kloster  seines 
Neffen,  in  Gorze,  wiederum  das  Mönchskleid  nahm  und  schliess- 
lich zum  Probst  erhoben  wurde.  Nur  kurze  Zeit  kann  er 
St  Hubert  geleitet  haben,  denn  bereits  am  23.  Oct.  942  ereilte 
ihn  der  Tod  in  Trier,  wo  er  einer  Kirchweih  beiwohnte.^) 

Westlich  von  St.  Hubert  an  der  Maas  lag  Gembloux. 
Hier  hatte  um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  ein  Kriegsmann 
aus  dem  darvensischen  Gau,  Wigbert,  der  wie  mancher  seiner 
Genossen  mit  seinem  Stande  zerfallen  war,  unter  Mitwirkung 
seiner  Grossmutter  Gisela  ein  Kloster  gegründet.  Das  Gut, 
auf  welchem  das  Stift  sich  erhob,  war  königliches  Fiscalland, 


»)  Flodoardi  Aon.  947;  Bist.  Rhem.  IV,  c.  84. 

*)  Dipl.  Ott.  I,  n.  118.  167.  »)  V.  Brunonis  altera  c.  9. 

*)  Ann.  Stabul.  953.  980.  Am  31.  Oct.  953  erscheint  Warinfried 
zuerst  als  Abt,  Wauters,  Table  chron.  I,  362.  Es  ergiebt  sich  daraus, 
dass  die  Urk.  v.  8.  Aug.  954  und  2.  Mai  956  bei  Wauters  I,  362.  363,  in 
denen  Odilo  noch  als  Abt  auftritt,  unmöglich  richtig  datiert  sind. 

ö)  V.  Job.  Gorz.  c.  55.  74;  Ann.  Trever.  942;  Necrol.  S.  Maxim. 
(Hontheim,  Prodromus  II,  989):  X  Kai,  Nov.  Fridericus  abbas;  Necrol. 
Epternac.  (N.  Arch.  XV,  136);  Fi-idericus  diaconus  et  abbas  sancti  ünperti. 


171 

das  den  Vorfahren  Wigberts  zu  Lehen  gegeben  war  nnd 
eigentlich  widerrechtlich  jetzt  in  den  Besitz  der  Kirche  über- 
ging.') Mit  Hülfe  des  Canonikers  Erluin  ging  Wigbert  an  die 
Errichtung  Fon  Gebäuden  nnd  die  Heranziehnng  von  Mönchen, 
während  er  selbst  sich  nach  Gorze  begab,  „dem  Bienenhaus 
der  Mönche'',  um  sich  unter  Einold  in  das  Mönchsleben  ein- 
fuhren zu  lassen.^)  Einmal  nur  kehrte  er  nach  seiner  Heimat 
zurück,  wo  er  seinen  Freund  Erluin  zum  Abt 3)  machte,  um  dann 
in  Gorze  unter  Fasten,  Wachen  und  Beten  sein  Leben  zu  ver- 
bringen. Erst  nachträglich  legalisierte  Otto  L,  vielleicht  am 
20.  Sept.  946,  den  Uebergang  des  königlichen  Besitzes  in  den 
der  Kirche,  nachdem  er  auf  den  ewigen  Gewinn,  der  ihm  aus 
der  fremden  Stiftung  erwachsen  würde,  aufmerksam  gemacht 
worden  war.*) 

Während  Wigbert  in  Gorze  nur  den  mönchischen  Pflichten 
lebte,  ruhte  die  Leitung  von  Gembloux  auf  den  Schultern 
Erluins.  Er  hatte  leider  wenig  Glück  mit  der  Führung  der 
Geschäfte;  es  zeigte  sich,  dass  der  frühere  Weltgeistliche 
nicht  die  geeignete  Person  war,  einem  neuem  Stift  wirksam 
vorzustehen.  Gelang  es  ihm  auch  auf  Veranlassung  des  Grafen 
Raginer  vom  Hennegau  in  dem  St  Vincenzkloster  zu  Soignies 
zwischen  Brüssel  und  Valenciennes  statt  der  Chorherren  refor- 
mierte Mönche  einzuführen,  so  soheiterte  sein  Unternehmen  in 
Lobbes  doch  vollständig. 

Dieses  Stift  hatte  von  863  bis  955  keine  regulären  Aebte 
und  die  Lütticher  Bischöfe,  in  deren  Gewalt  die  Abtei  sich 
befand,  hatten  immer  mehr  ihre  wirtschaftlichen  Vorteile,  als 
das  religiöse  Moment  im  Auge.  Erluin  fand  in  Lobbes  er- 
bitterten Widerstand,  da  man  sich  eben  so  sehr  an  seiner 
niederen  Herkunft,  als  daran  stiess,  dass  er  aus  einem  fremden 


»)  Sigeber«  V.  Wieberti  c.  11.,  SS.  VUI,  512. 

«)  V.  Wieberti  e.  1—3,  p.  SüSflf.j  vgl.  Hist.  elev.  S.  Wieberti  e.  I: 
40  annoa  in  bonorum  operum  consutnniovit  exercitio, 

')  V.Wieb,  c.  10:  nam  ad  cUvearium  monachorum,  scilicet  Gorziam 
regressus..;  Catal.  abb.  Gemblac.  SS.  XIII,  291. 

*)  V.  Wieb.  c.  10;  die  Urk,  Dipl.  Ott.  I,  n.  82  ist  unecht;  vielleicht 
ist  aber  das  Datum  —  eine  echte  Urk.  hat  es  ja  doch  gegeben  —  einer 
echten  Vorlage  entnommen.  Eine  Schenkung  an  (lembloux  bei  Miraeus, 
Opp.  dipl.  I,  141. 


172 

Kloster  berbeigeftthrt  ward,  nm  die  zügellosen  Möncbe  zu 
vorscbriftsmäsBiger  Lebensweise  zu  zwingen.  Das  Ende  war, 
dass  er  zwei  Jahre  darauf,  am  20.  Oct.  957  geblendet  und 
eines  Teiles  seiner  Zunge  beraubt  nach  Gembloux  zurückkehren 
musste.*)  Unfähig  wie  er  war,  vermochte  er  hier  den  feind- 
lichen Unternehmungen  Heribrands  von  Mawolt,  des  Schwagers 
Wigberts,  der  Erbansprüche  auf  Gembloux  erhob,  nicht  zu 
widerstehen.  Bald  wandelten  weltliche  Herren  in  den  Kloster- 
räumen; die  klösterliche  Ruhe  unterbrach  jetzt  das  Wiehern 
der  Pferde.2) 

Wigbert  musste  selbst  sein  Kloster  bei  Metz  verlassen, 
um  die  Gegner  zu  besänftigen  3),  nachdem  er  schon  vorher 
in  diesen  Gebieten  den  Ungarn  das  Evangelium  gepredigt 
hatte. ^)  Eine  interessante  Persönlichkeit  ist  er  immerhin: 
so  fasst  er  den  Plan,  die  Laien  in  den  Kreis  der  kirchlichen 
Bestrebungen  zu  ziehen  und  veranlasst  fromme  und  gläubige 
Leute,  einen  Verein  zu  gründen,  in  welchem  die  frommen 
Handlungen  des  einen  der  ganzen  Gemeinschaft  zu  Gute  kommen 
sollen:  ein  Institut,  den  klösterlichen  Confraternitäten  nach- 
gebildet.*) Er  starb  am  23.  Mai  962  in  Gorze.«)  Wie  sehr 
sein  Nachfolger  Erluin  sich  seine  Tendenzen  zu  eigen  gemacht 
hatte,  ersieht  man  daraus,  dass  er  das  Jahr  darauf  mit 
Aletrann,  der  seit  960  die  Abtwtirde  in  Lobbes  bekleidete  und 
mit  der  Einführung  strenger  Zucht  mehr  Glück  hatte,  einen 
Verbrüderungsvertrag  abschloss.') 

Nachdem  am  25.  März  983  Papst  Benedict  VII.  die  Schutz- 
herrschaft des  römischen  Stuhles  über  Gembloux  in  einem 
Privileg  ausgesprochen  hatte  •»),  starb  Erluin  am  10.  August  987, 
Nach  der  kurzen  Amtsführung  seines  Nachfolgers  Heriward, 
wurde  am  23.  Dec.  090  ein  Zögling  von  Gorze,  Erluin  IL 
ordiniert,  ein  Vei^wandter  seines  gleichnamigen  Vorgängers 
und  der  Oheim  des  Bischofs  Erluin  von  Gambrai.  Trotzdem 
löste  sich  unter  ihm  gerade  die  Disciplin,  man  strebte  wieder 

0  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  15.  «)  V.  S.  Wieb.  c.  13. 

3)  ib.  c.  12.  *)  ib.  c.  VI  «)  ib.  c.  15. 

«)  c.  17;  Ann.  Laub.  963. 

')  V.  Wieb.  e.  19;  Folciiini  Gesta  Lobb.  c.  27. 

«)  J.-L.  2921;  Miraeiis,  Opp.  Dipl.  I,  507;  V.  S.  Wieberti  c.  11. 


173 

nach  EigeDtnm  nnd  ein  freieres  Leben  ergötzte  die  Brüder 
des  Klosters J) 

An  einer  andern  Stelle  werden  die  Verdienste  der  Nach- 
folger Bischof  Adalberos  I.  um  die  Klöster  ihrer  Diöcese  zar 
Besprechung  gelangen.  Dass  er  selbst  nur  gezwungen  und 
sehr  allmählich  sich  den  Forderungen  der  Zeit  anbequemte, 
haben  wir  betont.  Die  späteren  Quellen,  die  in  ihm  „den 
Grossen "2)^  ^den  Vater  der  Mönche",  »den  Wiederhersteller 
der  heiligen  Religion''^)  feiern,  stehen  doch  unter  dem  Eindruck 
des  zwar  nicht  gegen  seinen  Willen,  aber  doch  anfänglich 
ohne  seine  Initiative  Gewordenen.  Bezeichnend  ist  sein  Ver- 
halten zu  St.  Trond,  einer  der  Metzer  Kirche  gehörigen  *)  im 
Lütticher  Sprengel  gelegenen  Abtei.  Hier  hatte  sich  nach  der 
Zerstörung  durch  die  Normannen  einst  Otto  I.  etwa  939  des 
Klosters  erbarmt  und  ohne  Zuthun  des  Bischofs  von  den 
Brüdern  einen  gewissen  Rainar  zum  Abte  wählen  lassen.  Bald 
traten  jedoch  Reibungen  zwischen  Rainar  nnd  Adalbero 
ein,  die  allerdings  später  beigelegt  wurden,  nachdem  auch 
hier  der  hl.  Trudo  sich  ins  Mittel  gelegt  hatte.  Aber  für 
Adalberos  Stellung  zur  Reform  ist  doch  bezeichnend,  dass 
der  Bischof  nach  Rainars  Tode  944  gar  keinen  Abt  mehr 
wählen  liess,  anstatt  sich  etwa  nach  Gorze  zu  wenden,  dagegen 
von  nun  an  in  eigner  Person  den  Abt  spielte.^) 

Hervorgehoben  zu  werden  verdient  aber  namentlich,  in 
welcher  Weise  das  Familienelement  bei  den  Metzer  Reformen 
hervortritt     Wir    sahen    den    Bischof    von    seinen    Brüdern 


0  Qesta  abb.  Gemblac.  c.  15;  er  starb  am  26.  Mai  1012. 

')  Constantini  V.  Adalberonis  11,  c.  1. 

')  Sigeb.  V.  Deoderici  c.  3 ;  vgl.  Sigeb.  V.  Wieberti  c.  8. 

*)  Stepelini  Mirac.  S.  Trud.  c.  2,  MabUlon,  Acta  SS.  VI,  2. 

^)  Vgl.  neben  den  Mirac.  S.  Trud.  a.  a.  0.  die  Gesta  abb.  Trudon. 
cont  in,  in  SS.  X,  375,  wo  c.  10  einige  Urkunden  eingefügt  sind,  in 
welchen  Adalbero  ^episcopus  et  dbbaa*  genannt  wird;  vgl.  Miraens,  Opp. 
dipl  I,  505.  Schnitze,  Forsch,  p.  42  meint  zwar:  „er  wird  doch  gewiss 
hier  Gorzer  Reform  eingeführt  haben.^  Aber  da  er  selbst  die  Abtwttrde 
übernahm,  ist  gerade  das  Gegenteil  anzunehmen.  Denn  er  behielt  das 
Kloster  natürlich  aus  keinem  anderen  Grunde  unter  seiner  speciellen 
Herrschaft,  als  weil  er  auf  den  materiellen  Besitz  nicht  verzichten  konnte 
oder  wollte.  Da  aber  die  Regel  die  Identität  von  Abt  und  Bischof  in 
dem  Falle,  dass  der  Bischof  nicht  dem  Benedictinerorden  angehörte,  aus- 
lehliesst,  so  kann  hier  von  keiner  Benedictinerreform  die  Rede  sein. 


174 

terrorisirt;  als  er  dann  endlich  dem  Wirken  der  Reformmänner 
freien  Lauf  lassen  musste,  machte  er  in  St.  Hubert  seinen  Oheim 
Friedrieh  zum  Abt,  dem  er  schon  vorher  eine  hohe  Stellung 
in  Gorze  verschafft  hatte,  in  St  Glodesindis  erkor  er  seine 
Nichte  Himelti'ud  zur  Aebtissin;  Adalbert  von  Moyenmoutier 
war  dem  lothringischen  Adel  blutsverwandt,  Odilo  von  Stablo, 
Blidulf  von  Metz  waren  aus  vornehmen  lothringischen  Familien 
hervorgegangen  und  von  Adalbero  wohl  aus  verwandtschaftlichen 
oder  politischen  Rücksichten  befördert  worden.  Das  Einwirken 
Gorzer  Reform  im  Touler  Sprengel  vermittelte  Adalberos  Bruder, 
der  Herzog  Friedrich  von  Lothringen,  der  auch  bei  der  Reform 
von  St.  Peter  dem  Bischöfe  am  Hofe  Ottos  zur  Seite  stand. 


Reformen  von  Saint-Evre. 

Biöeese  Toni. 
In  erster  Reihe  auf  den  Sprengel  von  Toul  erstreckten  sieh 
die  Klosterreformen,  welche  das  floriacensische  St.  Evre  zum 
Ausgangspunkte  hatten.  Kurz  nach  der  Wiederherstellung 
dieser  Abtei  ging  man  daran,  das  Nonnenkloster  Bouxi^res  zu 
restauriren  und  zu  reformiren.  Es  wird  erzählt,  dass  der  Bruder 
Bischof  Gauzlins  auf  der  Jagd  bei  der  Verfolgung  eines  Ebers 
an  eine  von  Gebäuden  umgebene  zerstörte  Kirche  auf  dem 
HUgel  von  Bouxi^res  geraten  sei;  wenige  vereinzelte  Nonnen 
fllhrten  hier  ein  karges,  gotterfttlltes  Leben.  Durch  ihn,  be- 
richtet man,  habe  der  Bischof  über  sie  erfahren  und  darauf 
mit  Hülfe  Archembalds,  des  Abtes  von  St.  Evre,  eine  Wieder- 
herstellung des  verfallenen  Klosters  bewerkstelligt  ^  Zur 
Aebtissin  machte  Gauzlin  Rothilde,  der  er  für  den  Lebenunterhalt 
der  Nonnen  Güter  aus  dem  Besitze  der  Kirche  Toul  bestimmte. 
Sie  erhielten  das  freie  Wahlrecht  der  Aebtissin,  blieben 
aber  durchaus  der  Jurisdiction  des  Bischofs  unterworfen.^)  Was 
Rothilde  betrifft,  so  gehörte  sie  bereits  jenem  pietistischen  Kreise 
an,  welcher  die  lothringischen  Reformen  veranlasste,  und  stand 


>)  Gesta  episc.  Tiill.  c.  31. 

>)  Calmet  I,  340.  Da  die  Urk.  Idibus  Jan.  regnante  Otkone  rege 
datiert  ist,  kann  sie  frUbesteus  in  den  Januar  937  gesetzt  werden.  Vgl. 
oben  S.  158  n.  5. 


175 

in  näherer  Verbindung  mit  Humbert,  dem  spätem  Abte  von 
St  E?re.  Die  Bestätigung  der  Wiederherstellung  von  Bouxi6res 
durch  Papst  Stephan  VIII.,  dem  Arehembald  selbst  Mitteilung 
gemacht  hatte,  erfolgte  im  December  941.»)  Otto  I.  verbriefte 
dann  mehrere  Mal  den  Besitz  und  die  Rechte  von  Bonxi^res 
sowohl  Gauzlin^)  als  seinem  Nachfolger  Gerhard.^)  Wie  es 
scheint,  war  das  Nonnenkloster  Gauzlins  Liebliugsschöpfung; 
hierhin  brachte  man  ihn  nach  seinem  Tode  am  7.  September 
962;  hier  ward  er  beigesetzt.^)  Auch  Gerhard  legte  auf  die  Ge- 
bete der  Nonnen  ersichtlich  grossen  Wert. 

In  unmittelbarem  Zusammenhange  mit  St.  Evre  steht  auch 
die  Reform  von  St.  Mansuy.  Auch  hier  trat  Arehembald  als 
Reformatorauf,  indem  einige  Mönche  des  Mutterklosters  über- 
siedelten, von  Pröpsten  regiert  und,  da  St.  Mansuy  keine  eigenen 
Mittel  hatte,  auf  Kosten  von  St  Evre  erhalten  wurden.^)  Einer 
dieser  Pröpste,  ein  Mönch  von  St.  Evre,  wird  uns  mit  Namen 
genannt,  es  war  der  ebenso  sittenstrenge  als  bescheidene 
Grimatüdus.^)  Erst  Gerhard  blieb  es  vorbehalten,  St.  Mansuy 
die  Selbständigkeit  wiederzugeben  und  die  Zucht  zu  erneuern, 
welche  unter  der  Abhängigkeit  von  St,  Evre  vernachlässigt 
worden  war.  Von  Religion  war  wenig  mehr  zu  spüren  und 
die  Gebäude  in  schlechtem  Zustande,  als  Gerhard  Adam,  einen 
Sohn  der  Touler  Kirche,  zum  Abte  machte,  und  mit  Hülfe 
Humberts  von  St  Evre  eine  gründliche  Reform  vornahm.')  Am 
selben  Tage,  am  2.  Juni  965,  bestätigte  Kaiser  Otto  zu  Cöln 
die  Wiederherstellung  von  Bouxiöres  und  St  Mansuy.^) 


')  J'-L.  3167;  Calmet  I,  350:  Cognoscentes  igitwr  per  venerabilem 
abbatem  Arckembaldum. 

•)  Dipl.  Ott.  I,  XL  211,  p.  291  am  4.  Juni  968.  Die  freie  Wahl  der 
Aebtissin,  die  Schultze  p.  46  in  Bezug  auf  diese  Urk.  hervorhebt,  finden 
wir  bereits  in  der  Reformurkunde  gesichert. 

")  Dipl.  Ott.  I,  n.  288. 

*)  Hiracnla  S.  Mansaeti  c.  9,  SS.  IV,  511. 

')  Mirac.  S.  Mansueti  pro!. 

')  Mirac.  S.  Hans.  c.  8 ;  noch  im  Jahre  947  ist  Mansny  im  Besitz  von 
Salnt-Evre,  vgl.  Schnitze,  Forsch,  p.  49. 

')  Calmet  I,  pr.  289.  Ürk.  v.  15.  Oct.  982:  Adam  vocatunij  nostrae 
ecclenae  flliumj  disciplinis  regtdaribus  educatvm;  Mirac.  S.  Mans.  c.  10: 
Eumberti  consilio,  qui  tunc  temporis  beati  Apri  gloriose  regebat  monastei'ium, 

")  Dipl.  Ott  I,  n.  289. 


176 

Diöeese  Langrres. 

Die  aasftlhrliehsten  Nachriehten  sind  uns  erhalten  ttber 
die  Reform  von  Montierender,  das  im  Sprengel  von  Langres 
lag.  Sie  ma88  spätestens  935  stattgefunden  haben. <)  Die 
Wiederherstellung  Fleurys  lenkte  die  Blicke  weltlicher  Macht- 
haber auf  die  angeordneten  Zustände  in  dem  benachbarten 
Kloster,  wo,  wie  auch  sonst,  Mönche  mit  ihren  Frauen,  Schwieger- 
vätern und  Schwiegersöhnen  das  Klostergut  verwirtschafteten. 
Jetzt  wurde  der  letzte  dieser  Scheinäbte,  Benzo,  vertrieben; 
er  floh  nach  Moutier-la-Celle.^)  Seine  Mönche  stoben  ausein- 
ander vor  der  verhassten  Regel,  die  auf  Veranlassung  des 
Bischofs  von  Toul,  der  zuletzt  im  Besitz  von  Derf  war^),  mit 
dessen   Brüdern   und   dem   Abte  Alberich   von  Reims,   einem 

• 

ehemaligen  Mönche  von  St  Evre,  ihren  Einzug  nahm.  Al- 
berich fand  eine  Stütze  an  Adso,  einem  Sohne  reicher  Eltern 
aus  dem  Jura^),  den  einst  Gauzlin  mit  Rücksicht  auf  seine 
Gelehrsamkeit  und  kirchliche  Tüchtigkeit  aus  dem  Kloster 
Luxueil  nach  Toul  geführt  hatte,  wo  er  Vorsteher  des 
Domcapitels    wurde.  ^)      Er    begleitete    Alberich    bereits    nach 

*)  Das  Cartul.  S.  Berch.  Mont  (Cod.  Paris.  1.  nouv.  acq.  1251  u.  1252, 
saec.  XIX)  enthält  f.  38  eine  bereits  von  Mabillon  (Ann.  Ben.  III,  399) 
citierte  Urkunde,  in  der  folgendes  steht:  Notum  sit  omnibits  tarn  prae- 
sentihiis  quam  futuriSj  qualiter  Roffredus  venu  ad  inclitwn  Bosoneni 
comitetn  et  abhaietn  Dervenais  monasterii  sancti  Petri  et  aancti  Bercharii 
nomine  Albriciim  et  petiit  etc.  Alberich  war  der  neue  Abt  von  Montier- 
ender. Da  nun  Graf  Boso,  wie  schon  Mabillon  richtig  bemerkt,  nach 
Flodoard  935  stirbt,  so  muss  die  Einführung  der  Reform  in  M.  spätestens 
in  dieses  Jahr  und  die  von  St.  Evre  früher  fallen.  Da  Mabillon  letztere 
aber  erst  936  setzt  —  irrig,  wie  wir  oben  S.  158  n.  5  bemerkt  —  so  gerät  er 
in  grosse  Verlegenheit  und  kommt  auf  den  absonderlichen  Einfall,  dass 
Herzog  Richard  von  Burgund  zwei  Söhne  namens  Boso  hatte,  von  denen 
der  eine  935  gefallen,  der  andere  der  in  der  Urk.  genannte  sei:  ein  Aus- 
weg, wie  er  ungeschickter  nicht  hätte  gefunden  werden  künnen.  Schultze 
p.  49  geht  über  die  Reform  von  M.  mit  einer  kurzen  Notiz  hinweg. 

*)  Mirac.  S.  Berch.  c.  8  u.  9.  In:  Hinc  itaque  exardescentibm  etiam 
tyrannicis  principilma  inordinatoa  actus  bezieht  Mabillon  die  principes 
wohl  nicht  mit  Unrecht  auf  König  Rudolph  und  seinen  Bruder  Boso. 

8)  Gesta  episc.  Tüll.  c.  33. 

*)  Irrtümlich  bezeichnet  ihn  das  Chron.  S.  Benigni  ed.  Bougaud  p.  130 
als  Aquitanicua  genere. 

'^)  Mirac.  S.  Berch.  c.  11:  ad  tnagisterium  aacH  ordinia  wird  er  in 
Toul  erhoben. 


177 

MontiertnderJ)  Als  er  nach  AlberichB  Tode  die  Leitung  von 
Montierender  übernommen  —  Ende  967  oder  Anfang  968  *)  — 
entwickelte  er  eine  ungemein  rege  Thätigkeit  nach  den  ver- 
sehiedensten  Seiten  hin;  er  legte  den  Grund  zu  einer  neuen, 
prächtigen  Basiiica  und  bemühte  sich  mit  Hülfe  des  Grafen 
Heribert  von  Troyes  verlorenes  Kirchengut  wieder  zu  erwerben ; 
die  Privilegien,  die  der  böse  Abt  Benzo  aus  Rache  mitgenommen 
hatte,  gab  dessen  Nachfolger  in  Moutier-la-Celle,  Odo,  bereitwillig 
znrück.3)  Reges  litterarisches  Leben  ging  mit  strenger  Kloster- 
zacht Hand  in  Hand.  Adso  selbst  schrieb  mehrere  Heiligen- 
leben und  Mirakelbücher,  über  den  Antichrist  einen  berühmten 
Tractat  an  die  Königin  Gerberga  von  Frankreich,  und  mehrere 
theologische  Werke,  die  auch  in  weiteren  Kreisen  Anklang 
fanden.^)  Mit  Gerbert  von  Aurillac  stand  er  in  Briefwechsel, 
aus  dessen  erhaltenen  Resten  Adsos  Interesse  fttr  litterarische 
und  antike  Studien  deutlich  hervorgeht.*)  Im  Jahre  990  berief 
ihn  der  Bischof  Bruno  von  Langres  zur  Reform  von  Saint-B6- 
nigne  in  Dijon.«)  Aber  nicht  nur  Klöstern  und  Abteien  widmete 
er  seine  Thätigkeit,  er  traf  z.  B.  für  den  Clerus  von  Troyes 


^)  Sein  Signum  befindet  sich  bereits  auf  der  obenerwähnten  Urkunde 
Ton  spätestens  935:  Adsonis  monachi. 

*)  In  einer  ürk.  datiert  piidie  kl.  aug.  anno  XIIII  regnante  domno 
Lothario  rege  feliciter  findet  sich  noch :  S.  Albrici  praepositi,  S.  Adsonis 
monachi.  (Cart.  S.  Berch.  Bibl.  n.  nouv.  acq.  1251,  fol.  32.)  —  Dagegen  er- 
scheint Abt  Adso  in  einer  Urkunde  von  XVI  kl.  febr.  a.  XIIII  regn. 
domno  Lothario  (ibidem  fol.  27.)  Er  ist  also  zwischen  dem  1.  Aug.  967 
und  dem  17.  Jan.  968  Abt  geworden.  Vgl.  Mabillon,  Ann.  Ben.  III,  553, 
der  die  zuletzt  genannte  Urk.  bereits  benutzt,  und  danach  Wattenbach, 
D.  Geschichtsq.  I,  351.  Sie  steht  auch  im  Cart.  de  Montierender  (Coli. 
des  princ.  cartul.  du  diocese  de  Troyes  IV,  1878),  wo  sie  jedoch  gleich 
auf  eine  Urk.  v.  876  folgt 

3)  Hirac.  S.  Berch.  c.  11. 

*)  Hirac.  S.  Berch.  c.  11.  Ueber  seine  Schriften  wird  an  anderer 
Stelle  gehandelt  werden. 

*)  Epist.  Gerberti  8,  ed.  J.  Havet  p.  6:  Istoriam  Julii  Cesaris  a 
domno  Azone  abbate  Dervensi  ad  rescribendum  nobis  adquirite.  Gerbert 
an  Erzbischof  Adalbero  kurz  nach  dem  20.  Juni  983.  Ungefähr  drei  Jahre 
später  fordert  er  ihn  auf,  nach  Reims  zu  kommen:  Carissima  vobis  ac 
nobia  librorum  rolumina  vestrum  iter  sint  comitantia.  Epist.  81  a.  a.  0. 
p.  74.  Adso  wohnte  auch  der  Disputation  Gerberts  und  Othrics  bei, 
Richeri  Hist.  III,  c.  57. 

*)  Chron.  S.  Benign!  ed.  Bougaad  p.  130. 

Saekar,  ClanUcenaer.  1.  \2 


178 

mehrere  wichtige  liturgische  EinrichtnngeD.*)  Besonders  hoch 
hielt  ihn  der  Bischof  Manasse  von  Troyes;  als  Gefährte  seines 
Bruders,  des  Grafen  Hilduin  von  Champagne,  eines  rohen  und 
gewaltthätigen  Kriegsmannes,  unternahm  er  992  eine  Pilgerfahrt 
nach  Jerusalem,  von  einem  Mönche  und  einigen  dienenden 
Brüdern  bis  zum  Meere  begleitet,  von  wo  er,  im  Begriff  nach 
Babylon  zu  segeln,  die  letzten  schriftlichen  Grüsse  nach  Hause 
sandte.  Er  sollte  nicht  mehr  zurückkehren.  Auf  offenem  Meere 
atmete  er  aus  und  wurde  am  fünften  Tage  nach  dem  Hafen 
der  Insel  Astilia  gebracht,  wo  er  sein  Grab  fand.^) 

Diöcese  Yerdun« 

Adalbero  und  Gauzlin  hatten  sich  dem  Drängen  ihrer 
Cleriker  nicht  verschliessen  können;  wohl  aber  waren  aus  dem 
Sprengel  von  Verdun  weltflUchtige  Gemüter  ausgewandert,  hatten 
in  Gorze  und  in  St.  Evre  Zuflucht  und  Frieden  gesucht,  ohne 
dass  Bischof  Bernuin  von  Verdun  sich  genötigt  gesehen  hätte, 
den  sehnsüchtigen  Wünschen  jener  Männer  Rechnung  zu  tragen. 
Während  allerwegen  in  Lothringen  die  neubelebte  religiöse 
Gesinnung  in  Gründungen  und  Restaurationen  von  Klöstern 
sich  verewigte,  schien  diese  Periode  des  Sturmes  und  Dranges 
über  Verdun  spurlos  vorüberzugehen.  Noch  um  die  Mitte 
des  zehnten  Jahrhunderts  lebten  Cleriker  in  St.  Vannes,  dem 
Hauptkloster  der  Diöcese.  Als  aber  immer  wieder  mönchisch 
beanlagte  Naturen  die  Heimat  verliessen,  beschloss  Bischof 
Berengar,  ein  Mann  aus  edlem  Geschlecht,  der  940  den  Bi- 
schofsitz bestiegen  hatte,  im  Jahre  951  im  Einverständnis  mit 
Clerus  und  Adel  das  Kloster  des  hl.  Vitonus  der  Benedictiner- 
reform  zu  unterwerfen.  3)  Aus  Kirchengut  und  Privatver- 
mögen dotierte  er  die  neue  Abtei,  gewährte  geeignete  Wirt- 
Schaftsräume  und   machte  einen  Mönch  von   St.  Evre,  Hum- 


^)  Im  Jahre  990  cedierte  ihm  der  Bischof  v.  Troyes  drei  Altäre  in 
seiner  Diöcese  (Cart.  S.  Berch.  Bibl.  nat.  n.  acq.  1251  f.  32'). 

*)  Mirac.  S.  Berch.  c.  11.  Zuletzt  begegnet  Adso  im  Cart.  de  Mon- 
tierender (Coli,  des  princ.  cart.  du  diöcese  de  Troyes  IV,  1878)  in  n.  18 
vom  9.  April  991. 

')  Gesta  episc.  Virdun.  cont  c.  2;  Translatio  S.  Firmini,  SS.  XV,  2, 
804;  Ann.  S.  Benigni  951   (SS.  V,  40);  Hugo  Flavin.  SS.  VIII,   358.  359. 


179 

bert,  zam  Abte,  der  von  Kind  auf  in  der  Verduner  Domschnle 
erzogen,  eine  Pfründe  dieser  Kirche  genossen  hatte J)  Am 
21.  Januar  952  bestätigte  König  Otto  zu  Pavia  die  Wieder- 
einführung der  Mönehe  nnd  den  Besitz  von  St.  Vannes.^)  Als 
Berater  nnd  Gönner  des  Bischofs  Berengar  erscheinen  Kon- 
rad von  Lothringen,  Erzbischof  Kobert  von  Trier,  Gauzlin 
von  Toni  nnd  Adalbero  von  Metz.  Zwischen  den  Reformatoren 
der  einzelnen  oberlothringischen  Diöcesen  bestand,  wie  wir 
bereits  bemerkten,  ein  fortwährender  Verkehr  nnd  Austausch; 
so  ging  anch  jetzt  wieder  Abt  Humbert  in  Gemeinschaft  mit 
Einold  an  die  Erhebung  der  Gebeine  des  hl.  Finnin  auf  Ver- 
anlassung des  Bischofs.^)  Wie  in  Gorze,  reichte  auch  in 
St  Vannes  das  von  diesem  zugewiesene  Gut  nicht  aus,  um 
die  Mönche  zu  unterhalten.  Als  Berengar  am  12.  August  959^) 
das  Zeitliche  gesegnet  hatte,  war  sein  Nachfolger  Wigfried 
mehrere  Mal  genötigt,  den  Mangel  leidenden  Brüdern  zu  Hülfe 
zu  kommen.  Wir  sehen  übrigens,  dass  zu  seiner  Zeit  das 
Kloster  restauriert  oder  durch  Neubauten  vergrössert  wurde ; 
denn  auf  Verlangen  der  Mönche  bestimmte  der  Bischof,  dass 
die  hörigen  Leute  neben  andern  Frohnden  auch  den  Mauer- 
anstrich zu  besorgen  hätten.*)  Am  4.  Dec.  973  starb  Humbert«) 
Unter  seinen  Nachfolgern  that  sich  anscheinend  nur  einer  hervor, 


*)  Urk.  BereDfi^ars  v.  952  bei  Hago  v.  Flav.  a.  a.  0. 

*)  Nach  v.Sickel,  Dipl.  Ott.  n.  140,  p.  219  wäre  bereits  951  derUrkunden- 
entwurf  aufgesetzt,  aber  erst  nach  königlicher  Bestätigang  vollzogen  und 
die  Jahreszahl  952  hinzugefügt  worden.  —  Auf  Berengars  Bitten  bestätigte 
Papst  Johann  XII.  am  9.  Jan.  956  die  Privilegien  und  Besitzungen  der 
AbteL  Doch  ist  die  Form  der  Urk.  verdächtig,  die  Datienmg  sicher  ver- 
derbt. Ungewöhnlich  ist  ghriosi  äbbatis  Humbertij  das  an  Mirac.  S.  Man- 
sueti  c.  10:  Humberti  consiliOj  gui  timc  temporis  beati  Apri  gloriose 
regebat  monasterium  erinnert  Der  Kanzler  und  Bibliothecar  heisst  in 
der  Urk.  Martinus  statt  Marinu8\  J.-L.  3676. 

»)  Transl.  S.  Firmini,  SS.  XV,  2,  805. 

*)  Necrol.  S.  Vitoni  (N.  Arch.  XV,  130):  II.  Id.  Aug.  Anno  incam. 
dam.  nongentesimo  quinquagesimo  nono  obiit  recolendae  memorie  dominus 
Berengarius  episcopus  Virdunensis  et  monachuSj  nobilis  instittitor  huius 
hei,  qui  eiectis  clericis  hoc  in  loco  monachos  introdi*xit  etc. 

^)  Gartul.  de  S.  Vannes  (Cod.  Paris,  lat.  5435  f.  10  u.  11). 

')  Ann.  S.  Benigni  973:  Obitus  domni  Hwnberti  abhatis  2  Non. 
Deeembr.  primi  äbbatis  monasterii  sancti  Vitoni. 

12* 


180 

Adelard,  dessen  reiche  Zuwendungen  die  dankbaren  Mönche 
im  Necrologium  ausdrücklich  hervorhoben.^) 

Fraglich  ist,  ob  in  der  Diöcese  Verdun  ausser  dem  Haupt- 
kloster des  hl.  Vitonus  noch  ein  anderes  Stift  eine  Wieder- 
belebung erfuhr.  Bezüglich  der  Abtei  St.  Mihiel  an  der  Mosel 
haben  wir  zwar  eine  auf  eine  Reform  und  Wiederherstellung  in 
dieser  Zeit  hinweisende  Nachricht  2);  da  jedoch  der  Bericht 
voller  Anachronismen  ist  und  weder  Personen  noch  Zahlen  zu 
einander  passen,  so  ist  es  fraglich,  ob  man  ihm  überhaupt 
etwas  historisches  entnehmen  darf.  Aber  auch  die  Abtei 
St.  Vannes  hielt  sich  nicht  auf  ihrer  Höhe.  Wir  werden  später 
sehen,  vrie  gerade  in  Verdun  wirtschaftliche  und  politische  Ver- 
hältnisse neben  der  Unfähigkeit  der  Aebte,  eine  wirkliche  Blüte 
religiösen  Strebens  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  nicht  auf- 
kommen liessen.3) 


»)  Necrol.  S.  Vit  (N.  Arch.  XV,  132):  XIII.  Kl  Jan.  Addardua, 
abbas  huim  locij  qui  nobis  muUa  bona  contulit  et  ea  que  habemm  aptid 
Habonis  cwrtem. 

')  Vgl.  Beilage  III:  Hec  autem  admodiatio  fuit  facta  per  venera- 
bilem  abbatem  Stephanum  predictutn  et  suum  conventum  propriis  honiinibtis 
8ui  tnonasterii  anno  inoamcUionis  dotninice  nongentesimo  quinquagesimo 
septimo  die  qtuirto  mensia  Octobri8  regnante  Henrico  pritno,  qui  vetua 
monasterium  reatoravit  anno  imperii  sui  secundo.  Da  von  Stephan  vorher 
gesagt  ist:  qui  postea  fuit  epiacopus  Tungrenais^  so  ist  mit  der  Notiz 
nichts  anzufangen,  indem  nämlich  Stephan  von  Lüttich  von  903—920 
regierte. 

')  Vgl.  meine  Dissertation,  Riebard,  Abt  von  St.  Vannes,  Breslau 
1886,  S.  6. 


Drittes  CapiteL 

Reformen  in  Nordfrankreich. 


1.    Schottenrefonru 

Die  beiden  Richtungen,  die  von  Gorze  und  Flenry,  die 
in  den  oberlothringischen  Sprengein  friedlich  nebeneinander 
wirkten,  eroberten  auch  gemeinschaftlich  ein  Gebiet  an  der 
Somme,  im  Centrnm  der  Kirchenprovinz  Reims,  allerdings 
nnr  mittelbar  durch  die  Ansiedelung  irisch-schottischer  in  Gorze 
und  Fleury  gebildeter  Mönche. 

In  der  Grafschaft  Virmandois,  die  unter  Grafen  stand, 
welche  zugleich  Laienäbte  von  St.  Quentin  waren,  lebte  um 
die  Zeit,  mit  der  wir  uns  beschäftigen,  ein  vornehmer  und  an- 
gesehener Mann  namens  Eilbert,  dessen  Gemahlin  Uersindis,  wie  es 
scheint,  bereits  vorher  an  einen  Grafen  verheiratet  warJ)  Schon 
am  Anfang  des  Jahrhunderts  hatte  ein  Graf  Hadericus  mit  seiner 
Frau  Hersindis  die  alte  Marienkirche  in  Waulsort  an  der  Maas 
wiederherstellen  lassen  und  durch  die  dorthin  übertragenen  Ge- 
beine des  hl.  Eloquius  geehrt.  Sie  ist  wohl  mit  Eilberts  Gattin 
identisch  —  wenn  nicht  etwa  ihre  Mutter  oder  sonstige  Ver- 
wandte —  die  am  Anfang  der  vierziger  Jahre  die  Wieder- 
herstellung und  Einrichtung  der  Abteien  Saint-Michel  en  Ti^r- 
ache,  Waulsort,  Hombliöres  und  Bucilly  bewerkstelligte. 


>)  Vita  et  transl.  S.  Eloquii  in  den  Analectes  p.  servir  &  Phist.  de 
Belg.  y,  344  ff.;  vgl.  Sackur,  Der  Rechtsstreit  der  Klüster  Waulsort  und 
Hastiere.  D.  Zeitschr.  f.  Geschicbtswissensch.  n  (1889)  p.  342,  wo  die  An- 
sicht, dass  Hadericus  der  erste  Gemahl  der  Hersinde  war,  zu  bestimmt 
ausgesprochen  ist.  Es  ist  immerhin  möglich,  dass  Hadericus  irrig  flir 
Ellbert  genannt  ist. 


182 

Im  Walde  von  Ti^rache,  im  Sprengel  von  Laon,  hatte 
Hersindis  mit  Unterstützung  des  Cierikers  Heribert  die  alte  ver- 
fallene Kirche  des  hl.  Michael  wieder  aufbessern  lassen,  die 
nach  ihrer  Herstellung  das  Ziel  zahlreicher  Pilger  wurde.  Unter 
diesen  kamen  einst  mehrere  Schotten  und  Iren,  von  denen 
Kaddroe,  Malcalan^)  und  Forannan^)  mit  Namen  genannt  werden, 
über  Camden  und  Boulogne  nach  jenem  Heiligtum  und  da  sie 
einen  Ort  zu  gemeinsamer  Niederlassung  suchten,  liesseu  sie 
sich  durch  die  günstige  Lage  des  Ortes  verleiten,  zur 
Freude  Uersindens  und  Eilberts  in  Ti^rache  sich  anzusiedeln. 
Gegen  einen  jährlichen  Zins  überliess  ihnen  der  Bischof  von 
Laon  am  5.  Febr.  945  die  Kirche  des  Erzengels.'"^)  Ehe  jedoch 
eine  feste  klösterliche  Einrichtung  getroffen  wurde  ^),  gingen 
Kaddroe  und  Malcalan,  vielleicht  auch  Forannan,  nach  an- 
gesehenen Benedictinerklöstern ,  Kaddroe  nach  Fleury,  Mal- 
calan^), in  dessen  Begleitung  sich  möglicher  Weise  Forauuan 
befand  <^),  nach  Gorze,  um  als  Mönche  die  dortigen  Einrichtungen 
zu  studieren  und  für  die  neue  Stiftung  zu  verwerten.  Nach 
ihrer  Rückkehr  nach  St.  Michel  übernahm  Malcalan  das  Amt 
des  Abtes '),  nachdem  Kaddroe,  ein  Mann,  der  noch  in  der 
Heimat  Gelegenheit  hatte,  litterarisehen  Studien  nachzugehen, 


*)  In  der  Vita  Kaddroae  c.  4  flf. 

*)  V.  Forannani,  über  welche  vgl.  meine  Abhdlg.  Über  den  Rechts- 
streit der  Klöster  W.  und  Hast.  a.  a.  0.  p.  349  ff.  Warum  weder  sie,  noch 
die  Hist  Waiciod.  zu  verwerten  ist,  habe  ich  an  derselben  Stelle  S.  349  ff. 
und  369  ff.  ausgeführt.  Das  ist  auch  der  Grund,  weshalb  ich  auf  Lahaye, 
Etüde  sur  Pabbaye  de  Waulsort,  Liege  1890  nicht  eingehe.  Vgl.  D.  Zeit- 
schrift f.  Gesch.  V,  156  ff. 

8)  Urk.  Radulfs  v.  Laon  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  879. 

*)  Schnitze  kennt  die  Urk.  v.  945  nicht,  sonst  würde  er  nicht  auf 
den  Einfall  gekommen  sein,  S.  53  die  Ankunft  der  Schotten  auf  935 — 936 
anzusetzen.    Vgl.  übrigens  S.  1S5  n.  I,  was  zu  Kadroes  Tod  bemerkt  ist. 

*)  V.  Kaddroae  c.  2():  Tnterea  devotionis  demderio  crescente  monasticae 
religwni  coepenint  rtspirare.  Unde  . .  domina  illa  Malchalatium  Gorziam^ 
acilicet  disciplinatui  ven^'abilis  Agetialdi,  Kaddroe  vero  Floriacum,  ubi 
Erkembcddus  vir  magnae  religionis  praeeratj  direxit  Ambo  ergo  quod 
cupierant  assecutij  Machalantia  apud  patreni  Agenaldum  monachum  pro- 
fessus  cstj  Kaddroe  vero  die  coyiversionis  Pauli  Apostoli  apud  Floriacum 
coram  domino  Erchambaldo  habitum  et  animum  mofuichaleni  induit. 

«)  V.  Forannani  c.  6;  vgl.  D.  Zeitschr.  f.  Gesch.  IL  S.  354. 

')  V.  Kaddroae  c.  4. 


188 

scholastische  Wissenschaft  und  Astronomie  za  treiben,  der  dort 
schon  des  höchsten  Ansehens  sieh  erfreut  haben  soll,  auf  diese 
Wttrde  verzichtet  hatte. 

Um  dieselbe  Zeit  ging  von  denselben  Schotten  eine  andere 
Gründung  mit  Unterstützung  Eilberts  und  seiner  Gemahlin  aus: 
Wanlsort  im  Sprengel  von  Lttttich,  wo  der  hl.  Eloquins  durch 
die  Wunder,  die  er  that,  grosse  Menschenmengen  anlockte.*) 
Es  ist  nicht  ganz  sicher,  ob  hier  wieder  Malcalan  oder  Foran- 
nan, was  wahrscheinlicher  ist,  zuerst  Abt  wurde.  Als  solcher 
erseheint  dieser  wenigstens  in  einer  zwar  schlecht  ttberlieferten, 
inhaltlich  aber  unanfechtbaren  Urkunde  des  Grafen  Kobert  von 
Namur  vom  2.  Juni  946.^)  Es  ist  femer  fraglich,  ob  bereits 
Kaddroe,  der  anfangs  das  Amt  eines  Propstes  übernommen  hatte^), 
den  Abtstab  führte,  als  Otto  I.  am  19.  Sepi  946  auf  Intervention 
des  Herzogs  Friedrich  von  Lothringen  und  Ogos  von  Lttttich 
die  neue  Schottenstiflung  und  ihre  Besitzungen  bestätigte  und 
bestimmte,  dass  sie  immerdar  der  Pflege  von  Pilgern  und  Armen 
gewidmet  sein  und  so  lange  einer  von  den  Fremden  lebe,  dieser 
das  Amt  des  Abtes  bekleiden  solle.  ^) 

Da  war  es  entscheidend,  dass  nach  einigen  Jahren,  spä- 
testens 953^),  der  Ruf  von  Eaddroes  Tüchtigkeit  zu  Bischof 
Adalbero  von  Metz  drang.^)  Er  beriet  sich  mit  den  Häuptern 
des  Benedictinerordens  in  seiner  Diöcese,  Einold  von  Gorze 
und  Ansteus  von  St.  Arnulf;  auf  ihre  dringenden  Bitten  über- 
nahm der  Abt  von  Wanlsort  die  Beform  und  Leitung  des  in 
seinen  wirtschaftlichen  Verhältnissen  verfallenen  Metzer  Klosters 
St  Clemens.     So  hielten  Schottenmönche  ihren  ersten  Einzug 

»)  Vgl.  meine  Abhdlg.  a.  a.  0.  p.  843. 

*)  Martine,  Coli.  ampl.  I,  287.  Ueber  diese  von  Bresslau,  N.  Arch« 
VIII,  597;  Forsch,  z.  D.  Gesch.  XXVI,  'M ;  Urkundenlehre  I,  531  n.  16 
angefochtene  Urkunde  vgl.  m.  Abhdlg.  S.  843  n.  1  u.  S.  880  n.  2. 

»)  V.  Kaddroae  c.  21. 

*)  Dipl.  Ott.  I,  n.  81;  St.  18S.  Vgl.  Dtimmler,  Otto  der  Grosse  S.  152 
n.  2.  Da  es  in  der  V.  Kaddroae  c.  21  heisst:  Rege  tunc,  poat  Augwto  Ottone 
cogente  vix  acquievit,  ut  ausciperet  fwmen  abbatiSf  so  kann  man  Ottos 
Einwirkung  vielleicht  in  diese  Zeit  setzen. 

*)  Vgl.  Mabillon,  Acta  SS.  V,  487;  Schnitze,  Forsch,  z.  Geschichte 
d.  Klosterref.  S.  53. 

*)  V.  Kaddroae  c.  24—26 :  vgl.  Carmen  de  sanctis  ecclesiae  Mett.  ed. 
Dtimmler,  N.  Arch.  V,  434  ff. 


184 

in  den  Sprengel  von  Metz.  Vor  seinem  Weggange  aus  Wanls^ 
ort  hatte  er  auf  Verlangen  der  Brttder  über  die  Abtei  einen 
Leiter  gesetzt,  der  sich  jedoch  nicht  bewährte.  Sei  es,  dass 
dieser  den  Abttitel  führte,  sei  es,  dass  er  nur  als  Propst  fangierte, 
jedenfalls  hatte  Kaddroe  sich  ein  Aufsichtsrecht  über  Waulsort 
und  damit  das  eigentliche  Begiment  vorbehalten  0»  wenn  er 
auch  selbst  in  St  Clemens  residierte.  In  Metz  kam  nun  Kad- 
droe in  fortwährende  Berührung  mit  den  dortigen  Beformäbten 
der  Gorzer  Schule.  Persönlich  nahe  stand  er  Abt  Johann  von 
Gorze,  an  dessen  Todtenbett  wir  ihn  unter  den  Getreuen 
finden^);  er  kam  in  Berührung  mit  Womar  von  St.  Bavo,  der 
dem  Kreise  Gerhards  von  Brogne,  und  Aletramm  von  Lobbes, 
welcher  dem  des  Wigbert  von  Gembloux  angehörte.^)  Er  war 
ein  rühriger  Mann ;  er  visitiert  die  ihm  anvertrauten  Stifter  — 
ausser  Waulsort  stand  das  Nonnenkloster  St.  Peter  zu  Bucilly, 
das  Hersinde  gegründet  hatte,  unter  seiner  Aufsicht  4)  —  und 
unterhandelt  im  Interesse  von  St.  Clemens  mit  Herzog  Friedrich 
von  Lothringen.  Er  ist  der  Wundermann  seines  Kreises.  Nicht 
nur  gelegentlich  und  zufällig  vollbringt  er  wunderbare  Dinge: 
er  geht  zu  Johann  von  Gorze,  der  schwerkrank  darniederliegt 
und  zwingt  ihn,  Fleisch  zu  essen,  damit  er  genese^);  man  holt 
ihn  zu  den  Nonnen  von  St  Peter  in  Metz,  um  einer  Besessenen 
den  Teufel  auszutreiben.^^) 

Es  ist  gewiss  nicht  ohne  sein  Zuthun'  geschehen,  dass 
Otto  I.  nach  Eilberts  Tode  die  Abtei  Waulsort,  die  in  könig- 
lichem Besitz  und  Schutz  sich  befand,  seinem  getreuen  Vetter, 
dem  Bischof  Theoderich  von  Metz  durch  kaiserliche  Urkunde 
am  16.  Dec.  969  zu  Pavia  Überwies.')  Der  Bischof  von  Metz 
aber  verband  in  der  Folgezeit  aus  Erkenntlichkeit  mit  Waulsort 
ein  kleines  verfallenes  Stift  Hasti^re,  das  zuletzt  den  Nonnen 
von  St.  Glodesindis  gehört  hatte.^) 


^)  V.  Kaddroae  c.  25:  His  qui  renianiferant  sevundum  voluntatem  iUorum 
patreni  praefecit  etc. . .  c.  26:  Interea  contigitj  tU  Waldodorum  visitaret . . 

')  V.  Joh.  Gorz.  prol. 

3)  V.  Kaddroae  c.  25.  *)  ib.  c.  23.  «)  ib.  c.  30.  «)  c.  28. 

')  Dipl.  Ott.  I,  n.  381 ;  St.  477.  Dass  Eiibert  tot  war,  geht  aus  dem 
Satze:  queni  vir  quondam  illustris  EiWertiis  . , .  fundarit  hervor.  Vgl. 
D.  Zeitschr.  f.  Gesch.  II,  345  u.  V,  157. 

«)  Sigeb.  V.  Deoderici  c.  6,  SS.  IV,  467.    S.  oben  S.  165. 


185 

Kadroe  starb  nicht  lange  nach  Johannes  von  Oorze,  vermat- 
lich  im  Jahre  978.^)  Damals  nämlich  befand  sich  die  Kaiserin 
Adelheid  auf  dem  Wege  nach  Italien.  Als  sie  nach  Erstein  im 
Elsass  kam,  liess  sie  Kaddroe  von  Metz  aus  zn  sich  bescheiden. 
Vier  Tage  blieb  er  bei  der  Fürstin ;  anf  dem  Bückwege  ereilte  ihn 
der  Tod.  Er  überlebte  vielleicht  Malcadan,  der  inzwischen  St  Michel 
verwaltet  hatte.  Obgleich  er  in  Gorze  sein  Noviziat  absolviert, 
80  hinderte  das  doch  nicht,  dass  er  im  Jahre  961  zwölf  floria- 
censisehen  Mönchen,  die  nach  dem  St  Vincenzkloster  in  Laon 
kamen,  vorgesetzt  wurde.  Hier  hatte  anfangs  Bischof  Adelel- 
mus,  um  dem  weiteren  Verfall  zu  steuern,  zwölf  Chorherren 
angesiedelt;  als  es  jedoch  um  so  schneller  abwärts  ging,  ent- 
schloss  sich  Bischof  Borico  zur  Benedictinerreform.^)  Wie  so 
häufig,  hatten  auch  hier  die  Mönche  in  der  ersten  Zeit  mit 
Mangel  zu  kämpfen,  dem  Bischof  Borico  erst  973  abhalf.^)    975 


>)  Schultze  S.  53  setzt  seinen  Tod  965/966,  weil  Kaddroe  nach  Vita 
Kaddr.  c.  84  kurz  vorher  mit  der  Kaiserin  Adelheid  zusammengetroffen 
sein  soll,  die  auf  dem  Wege  nach  Italien  war.  Aber  seine  Berechnung, 
and  damit  die  Zeitansetzung  der  Ankunft  der  Schotten  wird  ohne  weiteres 
dadurch  umgestossen,  dass  Kaddroe  noch  am  Totenbette  Johanns  v.  Gorze 
weilt,  der  im  März  974  starb  (V.  Joh.  Gorz.  prol.;  vgl.  oben  S.  156.), 
eine  Thatsache,  die  Seh.  nur  vergass,  da  er  sich  auf  derselben  Seite  eben 
erst  auf  die  betreffende  Stelle  berufen  hatte.  Natürlich  fallen  alle  Fol- 
gerungen in  Bezug  auf  Geburtsjahr,  Ankunft,  Aufenthalt  in  Fleury.  Da 
nun  die  Kaiserin  erst  978  wieder  nach  Italien  geht  (Ann.  Magdeburg. 
978  j  vgl.  Wimmer,  Kaiserin  Adelheid,  Programm  zum  Jahresberichte  Über 
das  K.  neue  Gymnasium  zu  Regensburg  1889,  S.  84,  wo  die  V.  Kaddroe 
nicht  citiert  wird),  so  ist  die  V.  Kaddroe  wenigstens  nicht  weit  von  der 
Wahrheit  entfernt,  wenn  sie  bemerkt,  dass  er  post  septuagesinmm  vitae 
et  tricesimum  annum  peregrinationis  »uae  starb. 

»)  Chron.  S.  Vinc.  Laudun.  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  541 ;  Urk. 
Roricos  V.  1.  Oct.  961  bei  Marlot,  Metropolis  Remensis  U,  9;  Gousset, 
Leg  actes  de  la  prov.  ^ccl.  de  Reims  1  (1842)  6'20:  evocatis  igitur  a  nw- 
fuisterio  sancti  Befiedicti  supra  Ligerim  sito  duodecim  monachis  eis  vene- 
rabilem  Melchanum  praefeci  abbatem. 

^)  Im  Jahre  973  beurkundet  Bischof  Rorico,  dass  Mekalannua  veneror 
bilis  abbas  monasterii  sancti  Vincentii  .  .  .  saepissinie  nostram  postulavit 
mansuettulinemj  at  sibi  caterveqiie  sub  se  posite,  que  ad  (luodenariunn  mo- 
nachorum  numerum  incepta  fwstro  bonorutnqtic  hominum  adiutoHo  excre- 
terai,  tale  praeberenius  stibsidiumj  ne  constitutus  egestate  inimorari  cogerctur 
n%tmeru8  neve  quod  metuehat  quandoque  ad  nichiluni  deveniret  (Coli. 
Moreau  Paris.  XI,  106). 


186 

bestätigte  König  Lothar  die  Einflihniog  der  Brüder  von  Flenry.^) 
Nicht  lange  darauf  starb  Malealan  am  21.  Januar  978  in  St.  Michel, 
wo  er  auch  der  Erde  tibergeben  wurde.^) 

Durchweg  sehen  wir  hier  floriacensische  und  Gorzer  Ein- 
flüsse in  wechselseitigen  Wirkungen.  Von  einer  festen  Tradi- 
tion ist  auf  keiner  Seite  die  Rede.  Die  Aebte  verfahren  eclectisch ; 
räumte  die  Benedictinerregel  ja  ihrem  Ermessen  einen  breiten 
Spielraum  ein.  In  den  mannigfaltigsten  Variationen  erscheinen 
unzweifelhaft,  je  nach  der  Art  der  Mönche  und  Lage  der  Orte, 
die  klösterlichen  Einrichtungen,  eine  Vermengung  und  Ver- 
mischung, die  dadurch  jedenfalls  erleichtert  wurde,  dass  schon 
in  den  ersten  Zeiten  in  Gorze  cluniacensische  Einwirkungen 
erfolgten,  welche  die  Gewohnheiten  dieses  Klosters  denen  von 
Cluni  durchaus  nahe  gebracht  haben  dürften. 

Inzwischen  war  das  Kloster  des  hl.  Benedict  an  der  Loire 
selbst  zu  einem  mächtigen  Beformherde  geworden. 


2.    Die  floriacensische  Reform. 

Kirchenprovinz  Beims. 

Die  Wiederbelebung  der  geistlichen  und  materiellen  Kräfte 
in  der  Kirchenprovinz  Reims  nach  den  schweren  Schlägen  des 
nennten  Jahrhunderts  kann  man  vom  Erzbischof  Heriveus  an 
datieren,  der  nach  der  Ermordung  seines  Vorgängers  Fulco 
das  neue  Jahrhundert  durch  eine  rührige  Thätigkeit  einweihte, 
die  sich  sowohl  auf  die  Wiedererlangung  der  der  Kirche  ver- 
loren gegangenen  Güter  erstreckte,  als  auch  auf  eine  erhöhte 
Hingabe  an  alle  die  geistlichen  Pflichten,  welche  sein  hohes 
Kirchenamt  ihm  auferlegte.  Es  entsprach  dem  Charakter  seiner 
Herrschaft,  dass  jetzt  der  Provinzialheilige  Remigius  wieder 
in  sein  Kloster  übertragen  wurde,  dass  Heriveus  das  Gasteil 
Mouzon   und   andere   Orte   neu   befestigte,   zerstörte   Kirchen 


1)  Marlot  II,  11. 

«)  Flodoardi  Ann.  app.  978;  Necrol.  S.  Remigii  XII  Kai.  Febr.  — 
Sein  Nachfolger  in  St.  Vincenz  hiess  Barland;  vgl.  die  Urk.  Adalberos  v. 
Laon  c.  980  bei  Marlot  II,  31 ;  andere  Urk.  v.  978  und  979  in  der  Coli. 
Moreau  XII,  22.  82. 


187 

restaarierie  und  wieder  mit  Schätzen  füllte.  Er  hielt  Synoden 
mit  seinen  Snffraganen,  welche  die  Bekehraug  und  die  Be- 
rabigaog  der  Normannen  znm  Zweck  hatten,  and  eine  neue 
Grandlage  für  das  Gedeihen  staatlicher  Entwiekelang  sehalBfen 
sollten.  Sein  Nachfolger  Sealf,  der  nur  karze  Zeit  auf  dem 
Bischofsstnhle  sass,  trat  in  die  Fasstapfen  des  Heriveus;  er 
ummauerte  das  Kloster  St.  Bemi,  errichtete  ein  Gasteil  und 
schmückte  den  bischöflichen  Palast  mit  Malereien.  Nach  seinem 
Tode  erfolgte  die  tumultuariscbe  Erhebung  des  ftlnQährigen 
Hago,  des  Sohnes  Heriberts  von  Virmandois.  Noch  einmal 
mussten  die  Mönche  von  St.  Remi  im  Jahre  926  vor  den 
Uagam  mit  ihrem  Heiligtum  in  die  Stadt  weichen.  Von  nun 
an  ward  Reims  Mittelpunkt  der  politischen  Ereignisse,  welche 
durch  die  Verhältnisse  des  französischen  Königs  zu  seinen 
Vasallen  und  zum  Reiche  hervorgerufen  wurden.  Die  Metropole 
sah  abwechselnd  bald  den  Sohn  Heriberts,  bald  den  Günstling 
des  Königs,  Artold,  die  Herrschaft  führen;  vor  ihren  Mauern 
kämpften  König  Rudolph  und  Ludwig  IV.  mit  den  mächtigsten 
Grossen,  Hugo  von  Francien  und  dem  Grafen  von  Virmandois 
und  verheerten  das  Land  weit  und  breit  Endlich  rief  Gerberga, 
Ludwigs  Gemahlin,  ihren  Bruder,  König  Otto,  über  den  Rhein 
und  ihren  vereinten  Anstrengungen,  den  Rechtsprüchen  der 
Synoden  von  Verdun  und  Ingelheim  verdankte  Artold  endlich 
seine  Befestigung  auf  dem  erzbischöflichen  Stuhle  zu  Reims.  >) 

Es  ist  begreiflich,  dass,  jemehr  sich  die  Verwickelungen 
nud  Couflikte  einer  Lösung  näheiiien,  der  Gedanke  einer  Re- 
form der  klösterlichen  Institute  mehr  und  mehr  sich  Bahn 
brach ;  nicht  minder,  dass  gerade  das  Kloster  des  hl.  Remigius 
es  war,  in  welchem  die  neuen  Ideen  zuerst  Verwirklichung 
fanden.  Unter  Mitwirkung  des  Abtes  Archembald  von  Fleury 
geschah  es  im  Jahre  945,  dass  auf  Befehl  des  Erzbischofs 
Hugo  die  längst  vergessenen  Satzungen  des  hl.  Benedict 
wieder  eingeführt  und  der  Mönch  Hincmar  von  St.  Remi 
zum    Abte    ordiniert   wurde.*')     Wie   alle  jene  Reformatoren, 

0  Flodoardi  Eist.  Rhem.  IV,  c.  10-32. 

«)  Cod.  ms.  Remig.  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  346:  Anno  ab  incar- 
natione  Daniini  946  regula  sancti  Benedicti,  quae  dvdwn  defeceratj  restituta 
est  in    manasterio  sancti  liemigiif  iubente  Hugone,    Heriherti  filiOf  cum 


188 

zog  auch  Hincmar  den  Wiedererwerb  abhanden  gekommener  Be- 
sitzungen im  hohen  Masse  in  den  Kreis  seiner  Thätigkeit  und 
es  gelang  ihm,  seinem  Kloster  namentlich  die  lothringischen 
Güter  zarückzner werben,  die  schon  einmal  in  die  Gewalt 
Werners,  des  Vaters  Konrads  von  Lothringen  gelangt,  dann 
an  Herivens  von  Reims  zurückgekommen,  endlich  durch  den 
Erzbischof  Ai*told  und  den  genannten  Konrad  in  den  Lehens- 
besitz des  Dienstmannes  Ragimbald  gewandert  warenJ)  Zwei- 
mal verbriefte  Otto  L  dem  Abte  Hincmar  dieses  Eigentum,  sowie 
den  Besitz  der  Abtei  Kusel,  am  9.  September  952  und  am 
23.  Mai  965.2)  f\1t  das  französische  Königtum  hatte  die  Grab- 
stätte des  hl  Remigius  seit  seinem  Entstehen  eine  hohe  Be- 
deutung; auch  jetzt  zeigte  sich  die  traditionelle  Anhänglichkeit 
des  karolingischen  Hauses.  Gerberga,  die  Mutter  Lothars, 
die  schon  bei  der  Reform  nicht  unbeteiligt  war^),  widmete  dem 
Kloster  eine  besondere  Zuneignng:  hier  fand  sie  auch  eine 
Ruhestätte  neben  ihrem  Gemahl  König  Ludwig.^)  Hier  ward 
der  junge  Lothar  gekrönt  und  gewährte  am  27.  März  dem 
Kloster  St.  Remi  volle  Immunität  von  Zöllen  und  Steuern.*) 
Hincmar  starb  am  5.  März  967.«)  Seine  Nachfolger  waren 
Hugo,  welcher  am  4.  August  970  und  Rudolf,  der  am  30.  August 
983  aus  dem  Leben  schied.  Unter  des  letzteren  Herrschaft, 
der  ein  Zeitgenosse  des  Erzbischofs  Adalbero  war,  trat  St. 
Remi  von  neuem  an  die  Spitze,  in  den  Vordergrund  der  re- 
formatorischen und  klösterlichen  Bewegung.  Am  23.  April  972 
bestätigte  Johann  XIII.  auf  Adalberos  Bitten  dem  „Erzkloster" 


consilio  Erchamboldi  abbatis  sancii  Benedwti,  ordinato  ibi  Hincmaro 
sancti  Remigii  monacho;  Flod.  Hist.  Rhem.  IV,  c.  32;  Alberic.  Tresfont. 
Chron.  ad  a.  945,  SS.  XXIII,  764. 

*)  Flod.  Hist.  Rhem.  I,  c.  20:  Hinanaro  abbafi  ac  ceteris  wonachis 
ad  supplemmitum  victus  attribuit  (sc.  Artoldus). 

2)  Dipl.  Ott.  I,  n.  156.  286. 

')  Nach  Alberich  von  TroisfoDtaines  erfolgte  die  Reform  per  reginam 
Franciae  Gerbergam. 

*)  Vgl.  Epitaphium  Gerbergae  HF  IX,  lü4;  Adso  von  Montierender 
nennt  sie  in  der  Praefatio  seines  Tractatus  de  Antichristo:  monachorum 
mater. 

»)  Urk.  V.  27.  März  953  bei  Marlot,  Metrop.  Rhem.  I,  556;  Böhmer  2024. 

«)  Necrol.  Rhem.  S.  Non  Mart.,  Mabillon,  Ann.  Ben.  lü,  442;  vgl. 
Abbatum  S.  Remigii  catalogus  bei  Marlot  I,  350. 


189 

die  Freiheit  von  königlicher  und  bischöflicher  Gewalt  nnd 
Tcrbriefte  ihm  neben  den  übrigen  Besitzungen  die  Abtei  St 
Timotheus^,  welche  Adalbero  den  Mönchen  kurz  vorher  zu 
gastliehen  Zwecken  verliehen  hatte.^) 

Keine  geringe  Einwirkung  ttbte  die  Reform  von  St.  Remi 
auf  die  andern  Klöster  der  Provinz.  Drei  Jahre  darauf  kam 
Hombliöres  an  die  Reihe.  Eilbert  und  seine  Gemahlin  Hersinde, 
die  Förderer  der  schottischen  Reformatoren,  hatten  das  Kloster 
für  Nonnen  Anfang  der  vierziger  Jahre  errichtet;  eine  prächtige 
Basilika  zeugte  von  der  Frömmigkeit  der  Stifter.^)  Die  erste 
Aebtissin  war  Berta;  ehemals  verheiratet,  hatte  sie  nach  dem 
Tode  ihres  Gemahls  alle  Werbungen  ausgeschlagen,  um  in  dem 
Marienkloster  zu  Reims  den  Schleier  zu  nehmen.  Eine  fttr  ihre 
Person  strenge,  den  klösterlichen  Pflichten  mit  Hingebung  nach- 
gehende Frau,  war  sie  doch  nicht  im  Stande,  dem  zügellosen  Leben 
einzelner  Nonnen  in  Hombli6res  zu  steuern.^)  Noch  am  10.  April 
947  urkundete  zwar  Bischof  Transmar  von  Noyon  für  sie  auf 
den  Rat  König  Ludwigs,  des  Erzbisehofs  von  Reims  und  zahl- 
reicher Bischöfe,  die  sich  damals  in  des  Königs  Umgebung  in 
Laon  befanden^),  nachdem  das  Jahr  vorher  die  feierliche  Er- 
hebung der  hl.  Hunegundis  stattgefunden  hattet);  doch  schon 
im  nächsten  Jahre  948  sah  man  sieh  bei  der  Zuehtlosigkeit, 
die  in  Hombliöres  eingerissen  war,  genötigt,  die  Nonnen  durch 
Mönche  zu  ersetzen.  Zu  dem  Zwecke  gab  Eilbert  die  Abtei, 
die  er  nur  zu  Lehen  besass,  an  den  Grafen  Adalbert  von 
Virmandois  zurück,  der  sie  der  Herrschaft  des  Königs  unter- 
warf, damit  dieser  Kraft  seiner  Autorität  die  Umwandlung 
vollziehe.  Allgemein  war  man  dafür.  Die  Grafen  Adalbert 
und  Begenold  ebenso,  wie  der  Erzbischof  von  Reims  und  die 


»)  J.-L.  8763,  HF  IX,  240.    Vgl.  Riehen  bist  III,  c.  26-29. 

s)  ürk.  Adalberos  v.  970  bei  Marlot  ü,  2. 

»)  Eist  Walciodor.  c.  11,  SS.  XIV,  509. 

*)  Prologas  ad  transl&tionem  S.  Hanegnndis  a.  Bemero  bei  Mabillon, 
Acta  SS.  V,  216:  mirae  abatinentiae,  victricis  patientieie .  .  .  iejuniis  et 
viffiliis  et  orationibua  convenienter  intenta .  . .  qyi,a»dani  sanctimoniales, 
quae  inibi  per  misera  camaliB  desiderii  lenocinia  twrpissime  vohäabanhir. 
In  der  Urkunde  Ludwigs  von  948  heisst  es,  dass  die  Nonnen  non  mtis 
honesU  lebten. 

<)  Colliette,  M^moires  p.  serv.  k  Phist  de  Virmandois  I,  561. 

^  Bemeii  Tranal.  S.  Hnneg.  c.  8:  am  7.  Nov.  946. 


190 

Bischöfe  Wido  und  Gibuin;  Abt  Hinemar  und  seine  Congre- 
gation  begünstigten  die  Reform,  so  dass  am  1.  Oct.  am  Feste  des 
hl.  Remigias  der  König  die  Einführung  der  Mönche  beurkunden 
konnte.  1)  Nachdem  auch  König  Lothar  auf  Bitten  des  Abtes 
Berner  die  Rechte  und  den  Besitz  der  Abtei  bestätigt  2),  ver- 
briefte Agapit  II.  die  Freiheit  des  Klosters  von  jeder  welt- 
lichen Herrschaft.  Kein  Laie  dürfe  dasselbe  in  seinen  Besitz 
bringen;  jeder  Versuch,  auf  simonistiscbe  Weise  dahin  zu  ge- 
langen, wird  mit  dem  Bann  bedroht.^) 

Der  neue  Abt  Berner  verstand  es  weiterhin,  nicht  nur 
den  Wohlstand  des  Klosters  zu  fördern,  in  dem  er  sich  durch 
die  Königin  Gerberga  ein  Besitztum  der  Abtei  St.  Maria  zu 
Soissons,  das  sie  als  Lehen  des  Grafen  Adalbert  von  Virmandois 
in  ihrer  Hand  hatte,  zuweisen  4)  oder  von  Johann  XII.  am 
2.  Jan.  956  die  Reform  und  die  klösterliche  Freiheit  bestätigen  s) 
Hess  —  vermutlich  war  er  es,  der  die  überkommenen  Institu- 
tionen durch  Ansiedelung  von  Mönchen  bei  der  Kirche  des 
hl.  Qnintinus  auf  einer  Sommeinsel  <*)  und  durch  Uebertragnng 
nach  Mont-St.-Quentin,  wo  erst  die  Canoniker  vertrieben  wurden, 
verbreitete.  Dieses  Stift,  das  einst  zu  Dagoberts  Zeit  von 
einem  Iren  gegründet  worden  war,  war  im  Laufe  der  Jahr- 


>)  Urk.  Ludwigs  v.  1.  October  948  HF  IX,  605;  Marlot  I,  578; 
Mabillon,  Acta  SS.  II,  984;  Colliette  I,  562;  B.  2018;  vgl.  Ann.  S.  Quintini 
Verom.  950:  Adventu8  monachorum  Humolariae. 

')  Colliette  I,  563.  Die  Urk.  Lothars  undatiert,  aber  gewiss  vor  der 
Urk.  des  Papstes  ausgestellt. 

3)  J.-L.  3672;  gedr.  bei  Hemeraeus,  Augusta  Viromandonim,  Paris 
1643,  p.  96;  Colliette  I,  563. 

*)  Urk.  der  Gerberga  o.  Jahr  HF  IX,  665;  Mabillon,  Do  re 
diplom.  I,  571.  »)  J.-L.  3675. 

^)  Ann.  S.  Quintini  963:  Hoc  anno  catervida  monachorum  in  Insula 
constituta  est;  Cbron.  S.  Medardi  Suess.  (d'Acbery,  Spicil.  I,  48S)  965: 
Monachi  apud  sanctum  Quintinum  in  instUa  ponuntur;  Sigeb.  Anct. 
Ursicamp.  964:  Hoc  tempore  eeclesia  S.  Quintini  martyriSj  qtiae  est  in 
insula  super  flumum  Somene  sita  cenobium  monachorum  paucorum  facta 
est.  Procedente  vet-o  tempore  crescente  numero  fratrum  et  aucta  possessione 
redituumy  etiam  abbatia  esse  coepit.  Der  Reformator  dieser  Abtei  war 
ein  Cleriker  Anselm,  der  sie  vom  Grafen  Adalbert  erhielt;  vgl.  Mirac. 
S.  Quintini  bei  Colliette,  M^moires  I,  570.  983  begegnet  hier  ein  Abt 
Arnold  (Hemeraeus  pr.  32);  1043  und  1047  Gerard  (Hemeraeus  pr.  86); 
ebenso  1051 ;  vgl.  Translat.  S.  Hunegnndis  o.  3  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  224. 


191 

hnnderte  dnreh  Sorglosigkeit  and  feindliche  Verheerangen  so 
beruntergekommen,  dass  kaum  noch  Spuren  der  alten  An- 
siedelnng  bestanden.  Graf  Adalbei-t  nnternahm  die  Wieder- 
bersteünng,  setzte  den  Abt  nnd  dotierte  die  Abtei  nach  dem 
Rate  seiner  Getreuen.^)  Aach  hier  wurde  jeder  weltliehe  Ein- 
griff unter  dem  Vorwande  von  schuldigen  Leistungen  und 
Vogteireehten  abgewiesen  und  die  Rechtspflege  ausschliesslich 
in  die  Hände  des  Abtes  gelegt.    Berner  starb  etwa  im  Jahre  982. 

Im  Jahre  952  fand  die  Reform  von  St  Basle  statt.  Auch 
hier  erscheint  Hincmar  als  Reformator,  allerdings  im  Verein 
mit  Rotmar  von  Hautvillers.^)  In  dieser  Abtei  hatte  Artold, 
als  sein  Rival  Hugo  auf  dem  Reimser  Stuhle  vom  Papste  an- 
erkannt worden  war,  seinen  Wohnsitz  aufgeschlagen.^)  Gleriker 
hausten  hier  in  fürchterlicher  Weise;  noch  schlimmer  war  es, 
als  ein  Laie  das  Kloster  in  seine  Hände  bekam.  Wo  ehemals 
Abt  nnd  Mönche  sassen,  wirtschaftete  Laienvolk  roh  und  ge- 
ränschvoU.^)  Artold  vertrieb  das  Gesindel  und  ftthrte  Mönche 
ein,  deren  Abt  Odoleus  wurde.  Auf  Verwendung  der  Königin 
Gerberga  begünstigte  Lothar  die  Reform  und  bestätigte  sie, 
wie  den  Besitz  der  Abtei  am  21.  Mai  955.^)  Odoleus  leitete 
St  Basle  bis  etwa  970.«)  Auf  ihn  folgte  vielleicht  Frodoard '), 
dann  Adso^),  der  mit  seinem  gleichnamigen  Amtsgenossen  von 
Montierender  eng  befreundet  war  und  ihn  zur  Abfassung  des 
Lebens  und  der  Wunder  des  hl.  Basolus  veranlasste.^) 

So  mochte  sich  der  Klosterzustand  im  Reimser  Sprengel 
im  einzelneu  schon  etwas  gebessert  haben:  im  Allgemeinen 
war  er  noch  gar  jämmerlich  bis  in  die  Zeit  des  Erzbischofs 


>)  Urk.  Adalberts  ohne  Datum  HF  IX,  735;  Colliette  I,  573. 
Vgl  Mabillon,  Acta  SS.  V,  215.  Dio  Conarmation  des  Bischof  Leudulfus 
von  Noyon  scheint  erst  nachtr'äglich  zugefügt  zu  sein:  Ego  Leudulfus 
Yermanden»is  ac  Noviomensia  ecclesiae  e^iacopua  rdegi,  «ubacripsi,  con- 
firmavi.    Vgl  Ezcurs  III. 

*)  Fiodoardi  Ann.  952.  >)  Fiod.  Bist  Rhem.  IV,  c.  29. 

*)  Adsonis  Mirac.  S.  Basoli  c.  11. 

>)  Urk.  Lothars  bei  Marlot  I,  594;  Böhmer  n.  2031. 

*)  Ein  Odoleus  erscheint  in  der  Urls.  Adalberos  für  Mouzon  von  971 
als  Abt  von  St  MMard  de  Soissons  neben  Adso  von  St.  Basle  (SS.  XIV, 
616)  der  möglicherweise  mit  Odoleus  von  St.  Basle  identisch  ist 

^  Marlot  I,  598.  *)  Vgl.  s.  Epitaph  bei  Marlot  I,  &96. 

•)  Mirac.  S.  Bercharii  eil. 


192 

Adalbero..  Während  die  kurze  Zwisehenregierung  Odalrichs, 
des  GanoDikers  von  Metz,  für  die  Reform  unergiebig  war,  wenn 
aach  der  Erzbischof  sich  bemühte,  den  kleinen  Raabadel  in 
Schranken  zn  halten  >),  so  kam  mit  Adalbero,  dem  Sohne  des 
Ardennergrafen  Gotfried,  ein  Mann  auf  den  Metropolitansitz, 
der,  wie  später  seine  ganze  Familie  der  neuen  mönchischen 
Richtung  im  höchsten  Grade  zugethan  war.  Das  klösterliche 
Princip  der  Gemtitsvertiefung,  geistiger  Isolierung  bei  commu- 
nistischer  Lebensweise  war  bei  ihm  so  sehr  in  den  Vorder- 
grund getreten,  dass  er  auch  bei  seinen  Canonikern  ähnliche 
Grundsätze  zur  Durchführung  zu  bringen  suchte.  Bau-  und 
verbesserungslustig,  wie  alle  diese  Reformatoren,  restaurierte 
und  schmückte  er  die  Kathedralkirche  von  Reims.  Begreiflicher- 
weise waren  die  Mönche  seine  Lieblinge,  ganz  besonders  die 
von  St.  Remi,  denen  zu  Liebe  er  972  eigens  nach  Rom  zu 
Papst  Johann  XIIL  reiste.^) 

Schon  kurze  Zeit  nach  Antritt  seiner  Regierung  brachte 
er  seine  Gesinnung  durch  die  Reformen  von  Mouzon  und  St 
Thierri  zum  Ausdruck.  In  dem  erstgenannten  Kloster  hatte 
Heriveus  von  Reims  die  Nonnen  durch  Gleriker  ersetzt,  die 
aber  ein  so  wenig  geistliches  Leben  führten,  dass  Adalbero 
ihre  Ausweisung  beschloss.  Da  gab  es  ein  kleines,  von  nur 
acht  Mönchen  und  einem  Abte  bewohntes  Kloster  des  hl. 
Quintin,  nach  dem  kleinen  Bache,  der  vorüber  floss,  Thin-le- 
Moutier  genannt,  das  Gerhard  von  Brogne  einst  in  seine  Herr- 
schaft gebracht  und  unter  seinen  Schüler  Letald  gestellt  haben 
soll;  da  es  sehr  arm  war,  glaubte  der  Erzbischof  nach  jeder 
Richtung  hin  klug  zu  handeln,  wenn  er  an  Stelle  der  Gleriker 
die  armen,  aber  frommen  Mönche  von  Thin-le-Moutier  in  Mouzon 
ansiedele.  Es  gelang  ihm,  für  seinen  Plan  den  Abt  Rudolf 
von  St.  Remi  zu  gewinnen,  der  den  Tausch  an  den  Gonvent 


*)  Richeri  bist.  III,  c.  19:  Fcictvsque  praesul  mox  tirannos,  qui  siuie 
aecclesiae  res  pervaserantj  ut  ad  aatisfaciendum  redeant,  iure  aecclesiastico 
advocat. 

^)  Richeri  bist.  III,  c.  22.  25:  Monachonim  quoque  mores  q^ianta 
dilectione  et  industria  correxit  atque  a  seciUi  habitu  distinxitj  sat  dicere 
non  est . , .  praecipua  tarnen  beati  Eemigii  Francorum  patroni  monacJws 
caritate  extoüebat;  v/nde  et  eorum  res  stabüiri  in  posterum  cupienSy  Bomam 
concessit. 


193 

braebte,  da  St.  Qaentin  unter  dem  Hanptkloster  der  Diöcese 
gestanden  hatte.  Trotz  des  Widerspruehs  der  jüngeren  Brttder 
setzte  er  seine  Absieht  dareh  und  der  Tanseh  wnrde  gesetz- 
mässig  abgesehlossen.  Jetzt  erst  wurde  Abt  Letald  benach- 
riehtigt  nnd  während  der  Erzbischof  in  Monzon  den  Glerikem 
die  Wahl  stellte,  entweder  auszuwandern  oder  sich  der  neuen 
Regel  zu  fbgen,  stand  der  Abt  mit  seinen  Brüdern  bereits  vor 
der  Pforte.  Die  meisten  nahmen  ihren  Abschied.  In  längerer 
Bede  ermahnte  Adalbero  die  neuen  Insassen,  nicht  ihren  Vor- 
gängern zu  folgen,  sondern  die  Benedictinerregel  zur  Richt- 
schnur zu  nehmen;  und  nicht  nur  beschenkte  er  die  Abtei 
reich  mit  Kirchengut,  er  versprach  auch,  vorausgesetzt  die 
Einwilligung  seines  Bruders  Gotfried,  seine  AUodien  im  Metzer 
Sprengel  Nachdem  die  Einführung  am  7.  November  971  er- 
folgt war^),  gingen  nach  Weihnachten  Gesandte  nach  Rom 
und  baten  um  Bestätigung  der  Privilegien,  die  Johann  XIIL 
am  23.  April  972  gewährte  2);  im  Mai  973  fand  die  Vorlesung 
der  Urkunden  auf  der  Synode  zu  St.  Marie  in  Tardenois  statt.») 
Letald  starb  am  19.  Juni  997;  sein  Nachfolger  war  Boso^), 
unter  dem  am  18.  Juni  999  die  Weihe  des  Altars  durch  Erz- 
bischof Arnulf  erfolgte.*) 

Um  dieselbe  Zeit  etwa  wurde  St.  Thierri  reformiert  In 
der  Gewalt  des  Grafen  Rotger,  sicher  desselben,  dem  König 
Ludwig,  um  ihn  gegen  seine  Feinde  zu  gewinnen,  die  Graf- 
schaft Laon  verliehen  hatte  <^),  lebten  hier  zuletzt  nach  seinem 
Willen  und  ihrem  Belieben  zwölf  Präbendare.  Schlau  wusste 
ihm  der  Erzbischof  das  Kloster  zu  entwinden  und  unter  Airafd, 
einem  Mönche  von  St  Remi,  zog  nach  Vertreibung  der  Chor- 
herren neues  Klosterleben  in  die  gottverlassenen  Räume.  St 
Thierri  blieb  der  Hauptkirche  untergeben.  ^)    Güter  und  Grund- 

0  Alles  nach  der  Bist,  monast.  Mosom.  II,  c.  2  ff.,  SS.  XIY,  609  ff;  vgl. 
Ann.  MoBom.  969.  Die  Urk.  Adalberos  auch  HF  IX,  732;  sie  ist  unter- 
schrieben von  den  Aebten  Rudolf  von  Saint -Rem!  und  Adso  von  Saint- 
Basle. 

*)  J.-L.  3762;  HF  IX,  239;  Gousset,  Les  actes  de  la  prov.  6ccl. 
de  Reims  I,  622. 

*)  Eist  Mosom.  II,  c.  7;  Gousset  p.  624. 

^)  Ann.  Mosom.  997;  Hist.  Mosom.  III,  c.  21. 

«)  Hist.  Mosom.  III,  c.  21.  •)  Dttmmler,  Otto  der  Grosse  S.  119. 

«)  Mirac.  S.  Theoderici  abb.  HF  IX,  129;  Hist  Mosom.  I,  c.  9. 

S*ekor,  Clanimoonaw.    I.  t3 


194 

stttcke,  die  frtther  im  Besitz  des  Klosters  gewesen  waren, 
brachte  Adalbero  zum  Unterhalt  der  Mönche  zusammen.  ^  Be- 
stätigt wurde  die  Reform  am  26.  Mai  974  von  König  Lothar: 
der  Abt  nahm  zwar  eine  selbständige  Stellung  ein,  indes  mit 
Vorbehalt  der  erzbischöf liehen  Ehre;  ausser  einem  Zins  von 
ISVs  Solidus  sollten  die  Mönche  frei  sein  von  allen  Auf- 
lagen und  Steuern.^)  Am  19.  April  975  fand  die  Erhebung 
des  hl.  Theodorich  durch  Adalbero  statt  und  seine  Grablegung 
in  einem  silbernen  Sarcophag.^)  Airard  erfreute  sich  ttbrigens 
der  besonderen  Gunst  des  Erzbischofs,  der  sich  seiner  in  den 
politischen  Verwickelungen  unter  den  letzten  französischen 
Karolingern  als  Unterhändler  bediente^);  auch  mit  Gerbert 
stand  er  in  litterarischen  Beziehungen.  Auf  Airard  folgte  980 
Christian,  dann  Adso  von  Montierender,  der  992,  wie  erwähnt, 
auf  einer  Pilgerreise  starb.^) 

Diese  Reformen  waren  das  Ergebnis,  der  Ausfluss  der 
Gesinnungen,  welche  der  Erzbischof  jetzt  allerwegen  zur  Geltung 
brachte.  Auf  der  Provinzialsynode  zu  Mont-Notre-Dame  im 
Gau  Tardenois,  die  unter  Vorsitz  Adalberos  Anfang  973  statt- 
fand, wurde  viel  in  Klostersachen  verhandelt;  er  selbst  stellte 
eifrige  Nachforschungen  an  über  den  religiösen  Eifer  der 
Mönche,  da  die  ursprüngliche  Strenge  vielfach  einer  lässigen 
Beobachtung  der  Regel  gewichen  war.  Nirgend  hat  man  die 
Reform  so  systematisch  und  mit  so  viel  Ernst  in  die  Hand 
genommen:  eine  Versammlung  der  Reimser  Achte  ward  ein- 
berufen. Den  Zweck  derselben  sprach  Adalbero  selbst  in  der 
Eröffnungsrede  des  Gongresses  aus:  der  Uneinigkeit  in  der 
Auffassung  der  Regel  ein  Ende  zu  machen,  ein  einheitliches 
Statut,  Sinn  und  Willen  herzustellen  und  damit  zahlreiche 
Missbräuche,  die  zu  Tage  getreten  waren,  abzuschneiden. 
Rudolf,  der  Abt  von   St  Remi,  der  Primas  des  reimsischen 


<)  Bist.  Mosern.  II,  c.  8. 

')  Urk.  bei  Marlot  II,  c.  19:  honore  archiepiscopi  servato.  B.  2047. 

>)  Martyr.  Rhem.  bei  Marlot  II,  o.  21. 

*)  Gerberti  Epist.  34  (Havet  p.  33) :  MuUa  cartia  non  credimuSf  quae 
legaJtis  committim'U8j  ut  huic  abbati  Ayrardo  sibi  intimo  pater  meus  Adal- 
bero Bemorum  archiepiscopus  vobis  per  omnia  fidua  mUUa  commiait,  de 
statu  et  pace  regnorum  vobiacutn  habenda.    Vgl.  Epist.  60,  Bavet  p.  59. 

*)  Marlot  II,  24;  vgl  GaUia  cbrist.  IX,  184. 


195 

Mönchtnms  war  Referent;  ganz  unerhörte  Zustände  kamen  zur 
Sprache:  die  Versammlnng  erfahr  von  den  widersinnigen 
Trachten,  dem  törichten  Lnxns  nnd  weitgehenden  Aasschwei- 
fnngen  einer  Anzahl  von  Mönchen.  Wenn  auch  das  Einzelne 
den  besonderen  Beratungen  Überlassen  wurde,  so  hatte  doch 
der  Erzbisehof  der  ganzen  Bewegung  für  seine  Provinz  die 
Direetion  gegeben.  Es  wird  berichtet,  dass  seine  Bemühungen 
von  vortrefflichem  Erfolge  begleitet  waren  i);  und  es  war  dies 
um  so  wertvoller,  als  die  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  aus- 
brechenden stürmischen  Unruhen,  die  wieder  Reims  zum  Herde 
hatten,  nicht  nur  eine  gedeihliche  Reform  unmöglich  gemacht, 
sondern  im  Klosterwesen  die  ärgste  Zerrüttung  herbeigeführt 
hätten,  wenn  nicht  ihre  Keime  durch  Adalbero  rechtzeitig  ver- 
nichtet worden  wären. 

Andere  Reformen  Fleurys. 

Schon  Abt  Odo  und  sein  Nachfolger  in  Fleury,  Archem- 
bald,  hatten,  wie  wir  gesehen,  in  Oberlothringen  und  der 
Reimser  Kirchenprovinz  eine  bedeutende  Reformtätigkeit  ent- 
faltet Zwar  sehen  wir  sie  persönlich  ausserhalb  ihres  Klosters 
in  diesen  Gegenden  kaum  auftreten,  aber  die  Hoffnung,  die 
Leo  VII.  einmal  aussprach,  dass,  wenn  erst  das  Kloster  des 
hl.  Benedict  wieder  neues  Leben  empfangen  habe,  die  andern 
Stifter  seines  Ordens  bald  nachfolgen  würden,  schien  sich 
deutlieh  zu  bewahrheiten.  Bei  der  Bedeutung,  die  diese  Abtei 
als  die  Ruhestätte  des  grossen  Mönchsheiligen  hatte,  war  es 
also  von  ungeheurem  Wert,  dass  sie  in  die  Hände  des  Abtes 
von  Cluni  gelangte,  der,  wie  er  von  dem  burgundischen  Kloster 
den  Süden,  so  von  Fleury  aus  den  Norden  des  Landes  eroberte. 

Die  reformatorischen  Kräfte  des  Loireklosters  erlahmten 
auch  unter  Wulfald,  Archembalds  Nachfolger,  nicht.  Er  war 
offenbar  derselbe  Mönch,  der  einst  dem  Abte  von  Guni  gegen- 
über als  Unterhändler  die  Rechte  der  störrischen  Klosterbrüder 
zu  wahren  versucht  hatte.  2)    Als  er  etwa  im  Jahre  945  3)  die 


I)  Vgl.  Richeri  Bist.  HI,  c.  30—41. 
*)  Joh.  V.  Odonis  III,  c.  8. 

*)  Da  die  Translatioii  des  hl.  Paulus  von  Orleans  durch  den  Bischof 
Mabbo  voo  St.  Pol,  der  c.  945  starb,  schon  unter  Wul&ld  stattfand  (Mirac. 

18* 


196 

Leitung  der  Abtei  übernahm,  zeigte  er  sieh  als  einen  energischen, 
rührigen  Mann  im  Sinne  der  ßeformpartei,  ebenso  wie  er  es 
vorher  im  Interesse  des  alten  Regimes  gewesen  war.  Er  um- 
gab Fleury  mit  einer  Ringmauer,  bewirkte  die  Translation  des 
hl.  Paulus  von  Orleans  nach  seinem  Kloster  und  brachte  den 
hl.  Benedict,  der  in  der  Grypta  geruht  hatte,  zusammen  mit 
St  Paulus  feierlich  an  einem  6.  August  nach  der  oberen  Kirche.^) 
Dass  er  aber  keine  von  den  beschaulichen,  einem  mystischen 
Triebe  zu  Gott  folgenden,  innerlichen  Naturen  war,  vermag 
man  daraus  zu  schliessen,  dass  er  im  Jahre  962,  als  Clerus 
und  Volk  ihn  in  Ghartres  zum  Bischöfe  erkor,  die  Wahl  an- 
nahm. Hier  hatte  man  bei  der  Reform  der  Abtei  Saint- 
Pöre  Gelegenheit  seine  Tüchtigkeit  schätzen  zu  lernen;  man 
rühmte  ihn  auch  später  in  Ghartres. 

In  Saint-Pöre  aber  kam  es  auf  folgende  Weise  zur  Reform. 
Der  Normannenansturm  hatte  hier  im  Jahre  858  die  traurigsten 
Spuren  hinterlassen.  Mönche  und  Gleriker  waren  getödtet, 
verödet  lag  die  Stätte,  bis  Bischof  Hagano^  der  am  24.  Dec  941 
starbt),  die  Abtei  von  Grund  auf  neu  erbaute  und  Gleriker 
hineinlegte.  Aber  diese  Weltgeistlichen  leitete  ein  Mann, 
Alveus,  der,  wie  er  selbst  der  strengen  Zucht  sich  befleissigte, 
nichts  sehnlicher  wünschte,  als  an  Stelle  der  Ghorherren  regu- 
läre Benedictinermönehe  zu  sehen.  Jene  gingen  zu  sehr  irdischen 
Dingen  nach  und  führten  kein  sehr  canonisches  Leben,  so  dass 
Bischof  Raginfred,  der  ein  frommes  Werk  erfüllen  wollte,  behufis 
Umwandlung  des  Stifts  sich  mit  Alveus  ins  Einvernehmen  setzte. 
Er  holte  Wulfald  von  Fleury  herbei;  Alveus  aber  ging  für  drei 
Jahre  nach  Fleury,  um  die  klösterlichen  Einrichtungen  zu  studie- 
ren, und  kehrte  mit  zwölf  floriacensischen  Mönchen  auf  des 
Bischofs  Veranlassung  von  dort  heim.^)    Die  Reform  erfolgte 

S.  Bened.  lU,  c.  tl),  andrerseits  945  Kaddroe  unter  Archembald  in  Fleury 
Mönch  war,  945  auch  z.  Z.  Archembalds  die  Reform  von  St.  R6mi  erfolgte, 
so  ergiebt  sich  ungefähr  sein  Todesjahr. 

^)  Mirac.  S.  Bened.  ed.  Certain  II,  c.  4,  p.  102;  III,  c.  11,  p.  155; 
VII,  c.  16,  p.  275. 

>)  Necrol.  Carnot.  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  279  ff. 

>)  Cartuhiire  de  Saint -Pere  de  Ghartres  ed.  Gu^rardl,  10.  50  ff.  Die 
Darstellung  der  Vorrede  des  Cartulars  weicht  von  der  der  Urk.  Ragen- 
freds  ab;  dort  ist  nur  von  Alveus^  Aufenthalt  in  Fleury,  hier  nur  von 
Wulfidds  Eingreifen  die  Rede. 


197 

gegen  950-,  in  einer  Urknnde  gab  Raginfred  alle  entzogenen 
Begitznngen  znrttck,  weder  von  weltlieher  noeh  geistlieher  Seite 
sollen  die  Mönehe  beunruhigt,  weder  Steuern  noeh  Zehnten 
ihnen  abgefordert  werden.  Alveus  leitete  die  Abtei  etwa  bis 
in  die  ersten  Jahre  des  siebenten  Jahrzehnts;  sein  Todestag 
ist  der  17.  oder  18.  August^)  Erst  unter  einem  seiner  Nach- 
folger erhielten  die  Brttder  von  König  Lothar  einen  Immunitäts- 
brief. ^)  Nach  Alveus  Übernahmen  Arembert  und  Widbert  die 
Jjeitnng,  von  denen  der  letztere  bereits  von  Bisehof  Wulfald 
geweiht  wurde,  fttr  reiehe  Schenkungen  sorgte,  litterarisch 
thätig  war  und  um  980  aus  dem  Leben  schied,  s) 

In  enge  Beziehungen  zu  Fleury  trat  während  Wulfaids 
Regiment  auch  die  Abtei  Saint-Fleurant  de  Saumur.  In  Folge 
der  Normanneneinfälle  waren  die  Mönche  von  Montglonne^) 
an  der  unteren  Loire  mit  ihrem  Heiligen  nach  Saint-Godon 
geflohen.  Später  kamen  sie  mit  dem  hl.  Florentius,  man  weiss 
nicht  wie,  nach  Tournus,  während  ihr  altes  Heimatsstift  ver- 
fiel Durch  Absalon,  einen  alten  Jünger  des  hl.  Florentius, 
soll  dann  der  Heilige  von  Tournus  entfllhrt  und  nach  der 
Barg  Saumur  gebracht  worden  sein.^)  Nachdem  endlich  Friede 
zu  hoffen,  tauchte  der  Plan  auf,  das  Kloster  Saint-Fleurant, 
dessen  Ländereien  natürlich  in  die  Hände  von  Fürsten  und 
Adeligen  übergegangen  waren  ^),  wiederherzustellen;  aber  auf 
den  Rat  des  Grafen  Theobald  von  Blois  wurde  die  neue  Abtei 
nicht  auf  dem  gefährdeten  Montglonne,  sondern  in  Saumur 
angelegt  und  der  Klosterheilige  aus  dem  Gastell  übertragen.^) 


>)  Sein  Todesjahr  ermittelt  sich  dadurch,  dass  unter  Bischof  Arduin 
Ton  Chartres  960 — 962  Arembert  auf  Alyeus  folgte;  die  Angaben  Über 
seinen  Todestag  aus  Necrologien  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V  a.  a.  0. 

>)  Gu^rard,  Cartul.  do  Saint -P^re  I,  81. 

»)  ib.  1,  54 ;  Mab.,  Acta  SS.  V  a.  a.  0. 

*)  lieber  den  Brand  der  Abtei  durch  die  Bretagner  vgl.  Versus 
de  eversione  monasteril  Glonnensis  ed.  Dümmler,  Poetae  lat.  med.  aevi 
II,  146  ff. 

')  Aelterer  Bericht  eingeschaltet  in  die  Ilist.  S.  Florentii  Salmur.  bei 
Harobegay  et  Mabille,  Chroniques  d'Anjou  p.  284.  Ueber  die  Unglaub- 
wUrdigkeit  der  ausführlicheren  Erzählung  vgl.  Introduction  p.  XXVIII. 

*)  Vgl.  ein  Placitum  v.  Sept.  958  bei  Baluze,  Hist  de  la  maison 
d'Auvergne  II,  pr.  23. 

^  Bist.  S.  Florentii  Salmur.  a.  a.  0.  p.  233.  234. 


198 

Der  Graf,  der  sieh  von  den  Kirehensefaätzen  manehes  zartick- 
behielt,  förderte  doeh  die  nene  Stiftung  nieht  nur  durch  Re- 
stitution früheren  Besitzes  und  Befreiung  der  Kirche  von  welt- 
lichen Leistungen,  sondern  auch  durch  Ansiedlung  von  floria- 
censischen  Mönchen  >),  zu  deren  Abt  um  das  Jahr  950  Elias 
de  Liniaeo  erhoben  wurde.  Aber  er  starb  kurze  Zeit  darauf, 
am  13.  März  956,  in  Folge  eines  Sturzes  vom  Pferde.^)  Amal- 
bert,  der  ihm  folgte,  war  ein  Mönch  von  Fleury,  derselbe,  der 
fünfundzwanzig  Jahre  später  Abt  in  Saint-B£noit-sur-Loire  selbst 
wurde.  Er  erwarb  sich  namentlich  grosse  Verdienste  um  den 
Bau  und  die  Ausschmückung  der  Kirche  von  Saint-Fleurant, 
während  die  Wunder  des  Schutzpatrons  zahlreiche  Laien  an- 
lockten, die  selbst  ins  Kloster  traten  oder  ihre  Söhne  Gott 
weihten.  Unter  ihm  liess  Graf  Theobald  an  einem  21.  Mai 
die  Basilica  durch  den  Erzbischof  von  Tours  und  den  Bischof 
von  Angers  weihen  und  die  Gebeine  des  hl.  Florentius  bei- 
setzen.'^) Daneben  bemühte  sich  Amalbert,  die  alten  Rechte 
der  Abtei  wieder  geltend  zu  machen,  namentlich  ihre  Freiheit 
von  jeder  weltlichen  Gerichtsbarkeit,  die  Zollfreiheit,  die  von 
altersher  ihre  Waaren  auf  allen  Flüssen  des  Reiches  genossen. 
Er  bat  deshalb  mit  den  Brüdern  um  die  Bestätigung  der 
Privilegien  durch  Theobald,  dem  sie  sieh  dafür  verpflichteten, 
ihn  in  die  Zahl  der  Brüder  aufzunehmen  und  für  ihn  zu  beten.^) 
Als  Amalbert  am  11.  April  985  oder  986  gestorben  war,  wählten 
die  Mönche  einen  der  ihrigen,  Robert  von  Blois,  der  später 
auch  Abt  von  Micy  wurde.^)  Auf  sein  Verlangen  bestimmte 
Papst  Johann  XVIII.  im  April  1004  die  Rechte  des  Klosters 
dahin,  dass  es  Niemandem  unterworfen  sein  solle,  ausser  den 
Erben  des  Grafen  Theobald;  niemand  dürfe  ihm  neue  Lasten 
auferlegen  ausser  denen,  welche  der  Erzbischof  Arduin  von 
Tours  und  Graf  Odo,  Theobalds  Sohn,  vorgeschrieben  hätten. 
Von  einem  luterdict,  das  etwa  den  Gau  von  Seiten  der  Bischöfe 


')  a.  a.  0.  p.  240 :  Ex  saficti  Bet^dicti  Floriacetms  monasterio  rdi- 
<fio808  fratres  adduxit, 

*)  a.  a.  0.;  Breve  Chron.  S.  Florentii  (a.  a.  0.  p.  186)  956:  Amalbertua 
abbas  efficitur. 

^)  Hist.  S.  Florentii  Salmur  a.  a  0.  p.  243. 

*)  Vgl.  das  Plac.  bei  Baluze  a.  a.  0. 

^)  Hist.  S.  Flor.  p.  252. 


199 

träfe,  solle  das  Kloster  befreit  bleiben.  0  £s  lag  in  dem 
Privileg  eine  Aufhebung  gewisser  Verpflichtungen  dem  Bisehofe 
gegenüber  und  thatsäehlich  hatte  Rainald  von  Angers  Abt  Robert 
und  seine  Abtei  schon  994  von  allen  Leistungen  losgesprochen, 
ausgenommen  wenn  er  oder  seine  Nachfolger  durch  die  Be- 
sitEungen  der  Abtei  hindurchzögen.  2)  Unter  Abt  Robert  kam 
das  Kloster  St.  Michael  in  der  Einöde,  das  der  Vicegraf 
Aimericus  von  Thouars,  dessen  ganze  Familie  sich  um  Saint- 
Fleurant  verdient  machte^),  im  Lehenbesitz  hatte,  an  dieses 
Stift  mit  der  Bestimmung,  dass  dessen  Aebte  auch  die  von 
St  Michael  seien  und  dieses  unter  der  Herrschaft;  jener  stttnde.^) 
Robert,  der  namentlich  fttr  Vermehrung  der  Klosterschätze 
sorgte,  starb  in  Saint-Mesmin  bei  Orleans  am  8.  August  1011.^) 

Inzwischen  war  Wulfald  in  Fleury  durch  Abt  Richard  er- 
setzt worden.  Er  sorgte  für  die  Sicherstellung  der  Rechte  der 
Abtei,  indem  am  5.  Juni  967  König  Lothar  die  von  seinem 
Vorgänger  dem  Kloster  bewilligten  Gtiter  bestätigte  und  dieses 
selbst  in  seinen  besonderen  Königschutz  nahm.<^)  Auch  von 
Benedict  VIII.  erhielt  der  Abt  ein  wichtiges  am  8.  November 
080  zu  Ravenna  ausgestelltes  Privileg  über  die  Freiheiten  der 
Abtei  und  ihren  Besitz''),  über  das  wir  an  anderer  Stelle  noch 

*)  Die  Bulle  Johannes  XIII,  Bist  S.  Flor.  p.  254;  J.-L.  3941;  vgl. 
MabilloD,  Ann.  Ben.  IV,  26. 

')  excepto  cum  ipse  eiusqtui  succesaorea  per  abbatiam  sancti  FloretUii 
transirent. 

^  Nach  den  Cliartes  poltev.  de  Tabbayc  de  Saint  -  Florent  pres  Sau- 
mur  (Archives  hist.  de  Poitou  II),  nr.  34.  35.  3H  u.  dem  CartuL  de  S.  Cyprten, 
p.  164.  166.  167.  172  ist  die  Genealogie  dieses  Hauses  folgende: 

Aimericus 

Gem.  Hildegardis 

(955—966) 

Radnlfus  Tetboldus  Aimericus  Gaufred 

Gem.Aremburgis  Gem.  Eluis  Gem.  Ainoris 

(1004—1015)  (994-995)  (1021-1058) 

I  • ^ ' 

Aimericus         Aimericus  Savaricus       Raduifus         Gaufred 

(1004—1015)  Gem.Aremgardis  (1021—1058)  (1021—1058)   (1021—1058). 

«)  Gallia  christ  II,  410;  Hist  Florentii  Salm.  p.  259. 
»)  Hist  Flor.  p.  263;  Brcve  Chron.  Florentii  1011. 
•)  HF  IX,  631 ;  Boehmer  nr.  2048.  2044. 
')  J.-L.  3803. 


200 

reden  werden.  Unter  Riebard  brannte  die  Basiliea  St  Peter 
Wunderbarer  Weise  ohne  Schaden  fttr  die  benachbarten  Bau- 
lichkeiten nieder  und  wenige  Jahre  später  984  ereilte  die 
Kirche  St.  Maria  und  St  Benedict  dasselbe  Schicksal  Aber 
nach  drei  Jahren  war  mit  Hülfe  des  Baumeisters  üominicus 
der  Schade  wieder  beseitigt^)  Auch  unter  Richard  gingen 
floriacensische  Mönche  als  Pioniere  der  Reform  in  fremde 
Stifter. 

Nur  wenige  Meilen  unterhalb  Fleury  lag  an  der  Loire  die 
Abtei  Saint-Mesmin  bei  Orleans.  Im  Anfangt)  des  10.  Jahr- 
hunderts die  Residenz  eines  Laienabts,  der  die  armen  Mönche 
fürchterlich  plagte,  dann  im  Besitze  eines  brittischen  Bischofs 
um  nichts  gehoben,  kam  die  Abtei  942  auf  Veranlassung  des- 
Bischofs  Ermenthäus  von  Orleans  an  Abt  Anno  von  lumiöges. 
Zwar  begann  jetzt  wieder  reguläres  Leben,  aber  noch  immer 
war  die  Not  im  Hause.  Nach  Annos  Tode  am  6.  Januar  972, 
kam  der  Bischof  mit  Richard  von  Fleury  zur  Beisetzung  nach 
Saint-Mesmin  und  da  Ermenthäus  an  einer  unheilbaren  Krank- 
heit litt,  nahm  er  schliesslich  selbst  das  Mönchsgewand. 
Ermenthäus,  den  man  gern  selbst  zum  Abt  gehabt  hätte,  be- 
trieb vielmehr  die  Wahl  eines  Mönches  von  Fleury,  Hermenald, 
dessen  Erhebung  aber  die  Brüder  von  Saint -Mesmin  ver- 
eitelten. Schliesslich  setzte  der  Bischof  doch  durch,  dass  der 
Decan  Amalrich  von  Fleury  die  Abtwürde  erhielt  Es  war 
das  Mitte  Januar  973;  bald  darauf  am  1.  April  974  starb  der 
Bischof.  Auch  sein  Nachfolger  Arnulf  L.  nahm  sich  des  Klosters 
freundlich  an  und  verschaffte  sogar  ein  päpstliches  Privileg, 
welches  den  Erlass  jeglicher  Abgaben  an  die  Kathedralkirche 
bestätigte  und  das  Wahlrecht  der  Brüder  sicherte. 

Amalrichs  Nachfolger  war  Robert,  gegen  den  sich  die 
Mönche  einst  in  einer  Empörung  erhoben,  als  deren  Seele 
Letald  angesehen  wurde,  ein  alter  Freund  Abbos  von  Fleury. 


1)  Mirac.  S.  Bened.  U,  c.  10,  p.  113;  Ann.  Fioriac.  974. 

^)  Das  folgende  aus  Letald!  Mirac.  S.  Maxim,  c.  22—41.  Die  Zahlen 
werden  durch  folgende  Berechnung  gefunden.  Ermenthäus  starb  am 
1.  April  974;  da  er  nach  c.  40  25  Monate  in  Saint- Mesmin  lebte,  so  resig- 
nierte er  Antang  März  972;  die  Angabe  der  30jährigen  Leitung  Annos 
tührt  auf  die  Zeit  seines  Amtsantritts,  Anfang  942. 


201 

Fllr  das  scbliiDioBte  hielt  es  dieser,  wie  er  in  einem  Mahnbrief 
an  die  Brüder  schrieb,  dass  sie  den  Bischof  Fnlco  von  Orleans 
gegen  ihren  Abt  anriefen.^)  Robert  war  zugleich  Abt  von 
Saint-Flenrant,  wie  Amalrich  gleichzeitig  Saint- Mesmin  nnd 
Plenry  geleitet  hatte.  Er  starb  am  8.  Aug.  1011. 2)  Als  Albert 
ihm  folgte,  waren,  wie  der  Abt  Johann  XUI.  mitteilte,  die 
finanziellen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Klosters  so 
zerrttttet,  dass  kein  Mönch  hier  weiter  hätte  leben  können; 
znm  Glück  hatte  man  eine  tre£f  liehe  Freundin  an  der  Königin 
von  Frankreich.*)  Was  die  rechtliche  Stellung  von  Saint- 
Mesmin  betrifft,  so  war  die  Abtei  schon  nach  dem  Tode  des 
Abtes  Letald  in  den  Besitz  des  Bischofs  von  Orleans  ge- 
kommen^); wir  finden  sie  daher  in  einer  Urkunde  Hugo  Capets 
unter  etwa  dreissig  Klöstern  und  Zellen  aufgezählt,  welche  der 
Herrschaft  Arnulfs  II.  unterstauden.^)  1022  bestätigte  König 
Robert  in  Orleans,  wo  er  der  Synode  gegen  die  dreizehn 
Maniehäer  beiwohnte,  die  Rechte  der  Abtei  und  bewilligte  auch 
hier  Freiheit  von  weltlicher  Jurisdiction.*)  Abt  Albert  stand 
weiterbin  zum  Königshause  in  Beziehung;  bei  der  Einweihung 
der  Kirche  des  hl.  Anianus  in  Orleans,  die  durch  König  Roberts 
Anwesenheit  besonderen  Glanz  erhielt,  erschien  der  Abt  von 
Micy  und  benützte  die  Gelegenheit  für  sein  Kloster,  welchem 
der  König  besonders  zugetan  war,  die  Gebeine  des  hl.  Euspicius 
zu  erbitten.^) 

Die  Abtei  Fleury  hatte  mehrere  Filialklöster,  die  ihr  seit 
eher  vollständig   untergeben   waren,   Pressy  in   der  Diöcese 


')  Vgl.  Abbonis  epist.  11  ad  fratres  Miciac,  Migne  139,  430. 

«)  Vgl.  oben  S.  199. 

')  Alberti  Miciac.  epist.  ad.  Job.  XIII  bei  Migne  139,  439:  in  tantiun 
postmodtmi  disaipcUiis  pervasione  malorum,  ut  ntUltut  vivere  potuerit 
monachtM. 

*)  Letaldi  Mirac.  S.  Max.  c.  22:  Co'tttigit  atdem  obeunte  Letaldo 
abbate  locum  patris  Maximini  in  epicopi  Theoderici  dominitfm  devenire, 

6)  HF  X,  557. 

^  HF  X,  605;  Migne  141,  961;  MabilL  Annales  Bened.  IV,  app.  648: 
quando  Stephanus  here9iarchu8  et  coniplices  eiu8  damnaJti  8wnt  et  arsi  sunt 
Aurelianis. 

^)  Hist  translat.  reliq.  S.  £u8picii,  HF  X,  370:  vom  Könige  heisst 
es :    Miciacejise  coeiwbium  pUmmvun  diligena. 


202 

Aütan^,  Sacerge  im  Departement  de  llndre')  and  La  Bäole') 
in  der  Gascogne.  Diesen  letzteren  Besitz  aufrechtzuerhalten, 
war  jedoch  wegen  der  entfernten  Lage  nicht  möglich  gewesen, 
ebensowenig  als  die  klösterliche  Zucht,  die  früher  hier  bestan- 
den hatte.  Um  so  bereitwilliger  ergriff  Richard  die  Gelegenheit, 
den  Ort  wiederzugewinnen,  als  der  Herzog  Wilhelm  Sancfaez  und 
Bischof  Gumbold  von  Gascogne  die  Wiederherstellung  und  Wieder- 
belebung des  Klosters  in  Aussicht  nahmen.  Es  war  im  Jahre  977, 
als  beide,  die  Söhne  des  Sanzia-Garzia,  daran  gingen,  das  Kloster 
St.  Peter  in  Squirs,  das  seit  der  Normanenzeit  brach  lag,  in  geord- 
neten Zustand  zu  versetzen.  Mit  Einwilligung  ihrer  Verwandten 
und  Getreuen  sandten  sie  einen  Cleriker  zu  Abt  Riehard  von 
Fleury  mit  der  Bitte,  entweder  selbst  zu  kommen,  oder  Mönche 
zu  senden,  um  die  verfallene  Abtei  wieder  herzustellen.  Gern 
folgte  Richard  dieser  Aufforderung,  gründete  eine  Ansiedlung 
im  Gau  AUiardeys  und  konstituirte  eine  Verfassung  der  Golonie, 
die  vom  Bischöfe  beschworen  wurde.  Das  Bedeutsamste  war, 
dass  jene  neue  Stiftung  so  weit  von  Fleury  abhängig  wurde, 
dass  diese  Abtei  völlig  freies  Dispositionsrecht  über  dieselbe 
behielt. 4)  Das  Kloster,  welches  den  Namen  Regula,  La  Röole 
erhielt,  erfreute  sich  zwar  weiter  der  Gunst  der  Stifter*),  machte 
aber  dem  Abte  von  Fleury  viel  zu  schaffen  wegen  der  unauf- 
hörlichen Reibereien  zwischen  den  angesiedelten  Mönchen  und 
den  Landesbewohnem. 


')  Vgl.  Mirac.  S.  Beoed.  III,  c.  15  p.  161. 

«)  Vgl.  Mirac.  S.  Bened.  III,  c.  4  p.  133. 

3)  Vgl.  darüber  V.  Abbonis  c.  20. 

*)  Urk.  Gumbolds  und  Wilhelms  Sanchcz  bei  Petrus  deMarca,  Hist. 
de  B^ani,  Paris  1640,  p.  210  und  Labbe,  Nova  bibl.  II,  743.  Sie  geben: 
de  iure  nostro  in  ins  et  ditionem  praefati  monasterii  Floriacensis  das 
Kloster  Squirs  ita  ut  ab  hodiema  die  in  amnilnis  quidquid  abhas  et  fratres 
eiusdeni  coenobii  facerc  vohierintj  liberam  in  omnibus  haheant  potestatem. 
Vgl.  V.  Abbonis  c.  16;  über  die  Lage  des  Ortes  c.  20.  Bei  Labbe  steht 
ein  aus  späterer  Zeit  stammendes  Hof-  resp.  Stadtrecht  desselben.  In  der 
Nähe  standen  die  Trümmer  eines  von  Karl  dem  Grossen  errichteten 
Castells  gegen  die  Spanier  Cassignol;  vgl.  V.  Abb.  c.  20,  Mirac.  S.  Bened. 
U,  c.  1,  p.  05.  Benedict  VII.  bestätigt  in  der  Urk.  v.  980:  locum  Patri- 
ciaccnsem  scilicet  aud  Caput  cerviuntj  locum  etiam  Regvle  huius  Richardi 
abbatis  tempore  sancto  Benedicto  redditumy  quoniam  in  his  precipue  ordo 
monusticus  religiöse  conservatur. 

»)  Urk.  V.  978  bei  Petrus  de  Marca  p.  211. 


ao8 

Hit  dem  Ende  der  Herrschaft  Richards  hatte  sich  Flenry 
xa  einem  Ansehen  erhoben,  das  dem  Clunis  hinsichtlich  der 
reformatorisehen  Bedeatnng  wenig  nachstehen  mochte.  Wir 
sehen  nm  diese  Zeit  Mönche  aas  beiden  Klöstern  fttr  die 
Wiederernenemng  mönchischer  Zncht  in  St  Peter  zu  Sens  ge- 
meinschaftlichen Einflnss  ttben.  Bald  nachdem  hier  Odo  von 
Cluni  das  erste  Mal  die  Reform  vollendet,  verschleuderte  Abt 
Notrann  Kirchen  and  Dörfer,  die  Zierniten  mehrer  Abteien, 
die  er  leitete.  Da  die  Mönche  von  Sens  wegen  Mangel  an 
Lebensnnterhalt  nmherschweiften,  ging  der  Ort  seinem  Rain 
entgegen;  noch  trauriger  sah  es  aus,  als  der  Erzbischof 
Archembald  das  Klostergebäade  nicht  nur  für  seine  Zwecke 
in  Besitz  nahm,  sondern  sogar  mit  Hunden,  Habichten  und 
Maitressen  bezog,  als  zwölf  Brüder  von  fünfzehn  in  einer  Nacht 
ihren  Tod  fanden  und  das  Amt  eines  Abtes  seit  Notranns 
Ableben  unbesetzt  blieb.*  Es  war  noch  ein  Glück,  dass  ein 
Kriegsmann  Frodo  den  Klosterschatz  und  das  Archiv  fttr 
bessere  Zeiten  in  Sicherheit  brachte,  dass  Erzbischof  Anastasins, 
Archembalds  Nachfolger,  wieder  den  Versuch  einer  Nenbelebung 
des  Klosters  machte.  Die  wirkliche  Reform  und  Wiederher- 
stellnng  in  die  alten  Verhältnisse  verzögerte  sich  jedoch  bis  auf 
Sewin,  welcher  der  Abtei  nicht  nur  einen  Teil  ihres  früheren  Be- 
sitzes, endlich  auch  den  ganzen  herausgab  —  was  umsomehr 
sagen  wollte,  als  die  erzbischöflichen  Güter  unter  Dienstleute  ge- 
kommen waren  —  sondern  auch  in  seinem  Schwestersohn  Rainard, 
einem  Mönche  von  St  Columba,  einen  regulären  Abt  setzte  und 
aus  Fleury  und  Gluui  Mönche  heranzog,  nach  deren  Vorgang 
Rainard  die  neuen  Einrichtungen  treffen  sollte.^)  In  seinen 
Anschauungen  erinnert  Sewin  lebhaft  an  Adalbero  von  Reims; 
ihn  hatte  der  moderne  scharf  ausgeprägte  Mönchsgeist  so  sehr 
erfasst,  dass  er  seit  seiner  Priesterweihe,  so  lange  er  lebte, 

>)  Chron.  S.  Petri  Vivi  Senon.  bei  Dura,  Bibl  bist,  de  PYonne  II,  486: 
Belinquens  vero  domwn  mamf  qaae  erat  cid  tisum  archiepiacoporumy  habi- 
tavit  in  clamtro  monachorumf  vendicans  sibi  refectoriunif  in  quo  habitare 
cotpit  cum  meretr%cibu8.  Bemanserunt  autem  XV  monachij  ex  quibus  XII 
una  nocte  sunt  defuncti  etc. 

*)  Chron.  S.  Petri  p.  491 :  Postea  adduxit  nionachoa  reguläres  ex 
ooenoboi  sancti  Benedicti  et  Sancti  Petri  CluniacensiSf  quorum  exemplo 
ipse  Bainardua  in  melius  proficeret,  Vergl.  Odoranni  Chron.  S.  Petri  sum 
Jfthre  999. 


204 

weder  Fleisch  ass,  noch  sieh  in  Linnen  kleidete.  Begreif  lieher- 
weise war  er  dem  Kloster  St  Peter,  dessen  zweiter  Grttnder  er 
hätte  heissen  können,  besonders  zugetan;  er  räumte  dem  Abte 
in  der  kirchliehen  Rangordnung  seines  Episcopats  die  zweite 
Stelle  ein  und  machte  ihn  zum  Primas  sämmtlicher  Achte  seines 
Sprengeis.  TrefiFlich  leitete  Rainard  in  vollem  ßewusstseia 
seiner  Pflichten  die  ihm  vertraute  Abtei  bis  zu  seinem  im 
Jahre  1015  erfolgten  Tode. 

Sehen  wir  von  der  in  floriacensischem  Besitz  befindlichen 
Abtei  La  R^ole  ab,  so  erstreckte  sich  die  reformatorische 
Wirkung  Fleurys  auf  das  nördliche  und  östliche  Frankreich 
und  Oberlothringen.  Freilich  war  mit  dem  Tode  Archembalds 
die  Hauptblttte  der  Reform  vorüber.  Nachdem  die  Erzdiöcese 
Reims  die  Anregung  empfangen  hatte,  nachdem  floriacensische 
Einrichtungen  einmal  nach  Toul  verpflanzt  waren,  hört  die 
direete  Einwirkung  fast  auf  und  nur  noch  in  einzelnen  Fällen, 
wie  von  den  benachbarten  Abteien  der  Touraine  aus,  wandte 
man  sich  noch  unmittelbar  an  das  Kloster  des  hl.  Benedict  So 
fehlt  auch  in  der  Folgezeit  der  grosse  Zug  einer  systematisch 
unternommenen  Reform.  Die  Achte  regierten  meist  kurze  Zeit 
und  waren  Geschöpfe  des  Hofes.  Im  Verhältnis  zu  den  Königen 
werden  wir  sie  später  noch  kennen  lernen;  fttr  jetzt  aber  wenden 
wir  uns  wieder  dem  Stammkloster  der  Reform:  Cluni  zu. 


Viertes  Capitel. 

Aymard  und  Majolus. 

1.  Cluni  bis  zum  Tode  Aymards. 

Aymard. 

Ueber  die  Wahl  Aymards,  des  Nachfolgers  Odos,  sind  wir 
schlecht  unterrichtet  Dass  Odo  ihn  vor  seinem  Tode  nicht 
designiert  hat,  wie  er  seinerseits  von  Bemo  für  die  Abtwürde 
vorher  bezeichnet  wurde,  scheint  einmal  das  Übereinstimmende 
Schweigen  der  meisten  Quellen  oder  auch  die  gegenteiligen 
Nachrichten  einiger  andern  darüber  ebenso  zu  bestätigen,  als 
die  legendarische,  erst  aus  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hunderts stammende  Erzählung,  nach  welcher  Aymard,  der 
während  des  Wahlactes  aus  seinem  Verwaltungsbezirk  ein  mit 
Fischen  beladenes  Pferd  fbhrend,  zu  Fuss  in  Cluni  eintraf, 
seiner  Demut  wegen  von  den  Brüdern  zum  Abt  erkoren  wurde J) 

*)  In  der  praef.  zum  Cartular  Odos  (Bibl.  nat  nouv.  acq.  1497)  i  37 
wird  erzählt:  sujpprema  sorte  preventi*8  confsuljtatione  fratrvm  requisitus, 
quis  ex  tanto  coüegio  ceteris  praeficeretwr,  aUo  flamine  afflatua  »ic  ad  eoa 
respandiase  fertur:  *No8tra  in  hoCf  o  filiif  vaciüante  censura  Christi 
demini  larga  non  deerit  prudentia,  quae  et  domui  suae  sanctum  providebit 
pastorem  et  vohis  rogantibus  famtdis  dignum  non  denegabit  pastorem'. 
Quod  8cüi  cet  sane  conaiderantihus  sole  htcidiiM  patet^  dum  vita  et 
eonvertoHo  domni  Haymardi  saHa  ahtmde  experimentvm  praebet.  Nach 
ChronoL  abb.  Clnniac.  zu  944,  Bibl.  Clun.  col.  1618  sagte  Odo  vor  b.  Tode 
befragt:  Chmiacum  suae  diapositioni  reaervavü  Detis  nee  nostrae  ordi- 
nationi  hoc  in  re  tmbditur  locus.  In  keiner  der  in  Betracht  kommenden 
Quellen:  OdU.  V.  Maioli;  Rod.  Glaber  III,  c  5;  Sigeb.  Gembl.  Ghron.  zu 
937;  Chron.  Lemovic  zu  941;  Petri  Damiani  epist  U,  14;  Richardi  Pictav. 
Ghron.  bei  Mnratori,  Antiq.  Ital.  IV,  1082;  Aiberici  Chron.,  SS.  XXm,  762 
findet  sich  eine  Andeutung,  dass  Odo  den  Aymtnd  bezeichnet  habe  oder 
dieser  bei  Lebzeiten  Odo's  von  den  München  gewählt  worden  sei  Wenn 
W.  Schnitze,  Forschungen  S.  18  auf  eine  Urk.  (CHOL  I,  nr.  546)  verweist 
mit  dem  Datum  die  sabbato  Kaiendis  Octubris  annoa  IUI.  regnante  Gowrado 


206 

Nieht  weniger  spricht  gegen  eine  vorherige  Designation  der 
Umstand,  dass  die  Mönche  anscheinend  die  Absicht  hatten 
den  Propst  Hildebrand  zum  Nachfolger  Odos  zu  machen  0, 
eine  Ehre,  die  jener  ablehnte.  Auch  können  einige  Urkunden, 
in  denen  Aymard  zu  Odos  Zeit  bereits  als  Abt  auftritt,  gegen 
unsere  Meinung  nicht  sprechen:  denn  die  richtige  Datierung 
derselben  vorausgesetzt  2),  wäre  dne  zeitweise  Vertretung  Odos 
während  seiner  Reisen  mit  der  Annahme  wohl  vereinbar,  dass 
der  Abt,  der  nach  kurzem  Kranksein  fern  von  seinem  Kloster 
starb,  eine  definitive  Entscheidung  vor  seinem  Ableben  nicht 
mehr  zu  treffen  vermochte. 

Wenn  sich  nun  auch  die  Wahlhandlung  schwerlich  so 
volkogen  haben  wird,  wie  unsere  späte  Quelle,  die  für  die 
älteren  Zeiten  wenig  zuverlässig  ist,  schildert,  so  ist  doch  zu 
vermuten,  dass  bei  Aymards  Erhebung  in  der  That  seine  wirth- 
sehaftliche  Tüchtigkeit  und  sein  practischer  Sinn  den  Ausschlag 
gegeben  haben.  Diese  Eigenschaften  werden  an  ihm  beson- 
ders gerühmt  neben  seiner  Sittenstrenge  und  Gottergebenheit^), 


regCj  deren  erste  Daten  auf  den  1.  Oct.  942  weisen,  deren  Königs  jähre 
aber  nicht  passen,  so  kann  dieselbe  bei  der  unsicheren  Datierung  un- 
möglich den  andern  Quellen  gegenüber  in  Betracht  kommen,  geschweige 
Aolass  zu  so  weitgehenden  Hypothesen  geben,  wie  sie  Seh.  S.  19  u.  67 
aufstellt.  Denn  da  die  Regierangsjahre  nicht  stimmen,  so  kann  man  die 
Urk.  natürlich  ebensogut  ins  Jahr  953  setzen,  In  welchem  der  1.  Oct. 
(Schulze  falsch  10.  Oct.  1)  ebenfalls  auf  einen  Sonnabend  fiel 

^)  Odilonis  V.  Maioli,  Migne  142,947:  Hie  cum  esset  ex  prioribua 
Cluniensihus  mofwchis  et  ei'usdem  monasterii  prciepositus j  bis  invitatuSy 
ut  officium  abbatiae  su^dperetj  sed  noluitf  quia  semper  plus  obedire  quam 
praedperef  et  magis  subesse  quam  praeesse  voluit.  Diese  zweimalige  Auf- 
forderung kann  nur  nach  Odo's  Tode  erfolgt  sein,  vor  der  Wahl  Aymards 
und  dann,  als  schliesslich  Majolus  Abt  wurde. 

')  Die  erste  Urk.  (GBGL  1,  nr.  486)  dat.:  die  domimco,  V  idus 
mareii  .  .  anno  I  regnante  Lucdovico  rege  erregt  Bedenken  wegen  der 
nicht  passenden  Königsjahre.  Die  zweite  Urk.  nr.  496 :  mense  februario, 
annos  III  Ludovico  rege  bietet  hinsichtlich  des  Datums  zwar  keine  Hand- 
habe zur  Kritik:  aber  bei  den  zahllosen  Fehlem  gerade  in  den  KOnigs- 
Jahren  cluniacensischer  Urkunden  wUrde  ich  aus  einer  nur  nach  Königs- 
jahren  datierten  Urkunde  keinerlei  sichere  Sohlttsse  zu  ziehen  wagen. 

>)  Odilonis  Y.  S.  Maioli  col.  946 :  Hie  in  auffmentatione  praediorum 
et  acquisitione  temparalis  commodi  adeo  stiidiosus  fuit  et  in  observatiane 
satis  devotus;  Rod.  Giaber  III,  c.  5:  qui  non  licet  adeo  famosissimus 
re^ularis  tarnen  obserwmtiae  non  impar  cuaios. 


207 

und  wirklich  kann  er  für  den  eigentlicheD  GrttDder  der  materiellen 
Mittel  Clnnis  angesehen  werden,  wenn  es  ihm  auch  während 
geiner  kurzen  Amtaftthrang  versagt  blieb,  fttr  die  Ausbreitung 
der  Reform  und  das  Ansehen  der  Abtei  erhebliches  zu  leisten. 
Bedenkt  man,  dass  diese  während  Odos  Amtszeit  wenigstens 
zeitweise  sich  in  bedrängten  wirthschaftlichen  Verhältnissen 
befunden  hat,  so  begreift  man  leicht,  dass  bei  einer  Neuwahl 
mehr  practische  Fähigkeiten,  als  litterarische  Bildung  und 
geistige  Grösse  fttr  den  Gonvent  der  Mönche  bestimmend  ge- 
wesen sein  können. 

Immerhin  finden  wir  das  Interesse  der  Könige  von  Bur- 
gund  und  Frankreich  weiter  fttr  das  Kloster  wirksam.  Im 
Jahre  943  urkundete  König  Konrad  viermal  fttr  Cluni;  das 
erste  Mal  am  28.  März  oder  Juni  erkannte  derselbe  auf  eine 
Klage  der  Brüder  gegen  seinen  Verwandten,  den  Grafen  Karl 
von  Vienne,  der  ihnen  Besitz  streitig  gemacht  hatte,  den  sie 
einem  Bruder  des  Erzbischofs  Sobbo  von  Vienne  verdankten, 
das  Recht  der  Abtei  an^i  in  den  andern  bestätigte  er  neue 
Schenkungen.^)  Ebenfalls  vier  Urkunden  erhielten  sie  von 
Ludwig  IV.  von  Frankreich,  von  denen  drei  am  1.  Juli  946, 
eine  am  8.  Juni  950  ausgestellt  wnrde.^) 

Auch  ist  die  Congregation  von  Cluni  za  Aymards  Zeit 
um  einige  Klöster  gewachsen.  Im  Jahre  949  finden  wir  die 
Abteien  St  Johann  und  St  Martin  in  Mäcon  in  seinem  Besitze.^) 


^)  CHOL  I,  nr.  622 ;  zu  den  dort  angegebenen  Drnckorten  kommen 
Orig.  Guelf.  II,  128. 

*)  CHOL  I,  nr.  627.  628  v.  2S.  April  948  u.  Orig.  Guelf.  II,  117.  129; 
CHCL  I,  nr.  631  v.  18.  Mai  94:i.  »)  CHOL  I  nr.  688-690.  774. 

*)  Agapitll.  bestätigt  (Bullarium  Claniac.  p.  5;  J.-L.  3648):  abbaiias 
sancti  Johannis  atque  heati  Martini  in  subu/rbio  Matisconi  aitas;  sie  werden 
auch  später  im  Privileg  Gregors  V.,  Bull.  Clan.  p.  10  aufgezählt  Zu 
Aymards  Zeit  wurde  auch  die  Abtei  St.  Martin  in  Autun  den  Reform- 
tendenzen Cluni's  unterworfen.  Es  ist  zwar  eine  bunte  Gesellschaft,  die 
sieh  f&r  die  Reform  bei  Ludwig  IV.  verwendet:  Erzbischof  Artald  von 
Reims,  Grauzlin  von  Toul,  Hincmar  von  Saint -Remi  unter  andern  und 
die  Mönche  von  Cluni.  Aymards  Name  wird  nicht  genannt.  Man  erkennt 
doch  die  Solidarität  dieser  Reformmäoner  vcrscliiedener  Richtungen.  Abt 
wurde  Hnmbert.  Vgl.  die  undatierte  Urk.  Ludwigs  IV.  HF  IX,  606. 
Dureh  die  Erwähnung  des  Bischofs  Hildebold  v.  Ghalon  und  Hincman 
V.  Reims  wird  die  Zeit  auf  etwa  945—949  oder  etwas  später  begrenzt. 


208 

Von  grösserer  Bedentnng  war  es,  dass  Bischof  Stephan  von 
Glermont  Aymard  die  Abtei  SanxiilaDges  unterstellte. 

Zuerst  hatte  Wilhelm  der  Fromme  Ende  917  hier  eine 
Kirche  errichtet  i),  zehn  Jahre  später,  am  11.  Oct  927  erfolgte 
die  Gründung  eines  Chorherrenstiftes,  in  dem  Tag  und  Nacht 
unermttdlich  zwölf  Canoniker  Gott  lobsingen  sollten.^)  Anfang 
des  Jahres  950  reifte  in  dem  Bischöfe  von  Glermont  der  Ent- 
schluss  die  Stiftung  dem  Abte  von  Cluni  zur  Errichtung  eines 
Benediktinerklosters  und  Einführung  regulärer  Mönche  zu  Über- 
geben. So  berief  er  denn  Aymard  5),  während  König  Ludwig 
von  Frankreich  am  3.  Febr.  950  die  Erlaubnis  zu  dieser  Um- 
wandlung erteilte.^)  Etwas  früher  hatte  bereits  Hildegardis, 
die  Gemahlin  des  Vicegrafen  Robert  I.  von  Auvergne,  mehrere 
Dörfer  gespendet  zum  Bau  der  Kirchen  und  Unterhalt  der 
Mönche,  die  man  eben  in  das  neue  Kloster  gebracht  hatte ^), 
ebenso  schenkte  Bischof  Stephan  eine  Kirche.<^)  Das  Kloster 
wurde  wieder  unmittelbar  dem  Schutz  des  römischen  Stuhles 
unterworfen.  In  der  That  hatte  Papst  Agapit  IL  bald  Gelegen- 
heit sieh  desselben  anzunehmen,  indem  er  ein  energisches 
Ausschreiben  gegen  die  Kirchenräuber  erliess  und  den  Diöcesan- 
bischof  zur  Excommunication  der  Frevler  aufforderte.^)  Gerade 
in  den  fünfziger  Jahren  litt  die  Auvergne  unter  den  Fehden 
der  Barone,  sogar  nachdem  bereits  im  Jahre  952  die  anvergna- 
tischen  Grossen  Wilhelm  Flachshaupt  gehuldigt  hatten.^)  Erst 
958  kam  mit  Stephans  Hülfe  ein  Friede  zu  Stande.») 

^)  Gartulaire  de  Sauxülanges  nr.  146,  p.  135.  Balaze^  Bist  g^n. 
d'Auvergne  n,  pr.  12. 

>)  Gart,  de  Saux.  df.  13,  p.  49;  CHOL  I,  nr.  286.  Die  Stiftung  soll 
frei  sein  von  jeder  kirchlichen  oder  weltlichen  Herrschaft,  keinem 
HeUigen,  sondern  nur  Gott  unterworfen  sein. 

»)  CHOL  I,  nr.  792.  *)  a.  a.  0.  nr.  763. 

^)  Gart  de  Saux.  nr.  428,  p.  326  u.  949. 

^)  a.  a.  0.  nr.  481  mit  dem  wohl  unrichtigen  8.  Jahre  Ludwigs  IV.,  da 
Aymard  damals  noch  gar  nicht  Abt  y.  S.  war. 

')  Gart,  de  Saux.  nr.  14,  p.  51. 

«)  Gallia  Ghrist.  ü,  256 ;  CHGL  I,  nr.  825. 

^)  Vgl.  Goll.  Moreau  IX,  46  (Bibl.  nation.):  Anno  incamoHonis 
dominice  DCCCLVIII  indictione  prima  decidente  in  ipso  annOj  %it  prin- 
cipea  Arvemorum  invicem  ae  rebellarentj  sed  domino  adiuvante  et  Stephano 
Arvemorum  episcopo  regnante  pax,  que  omnia  auperat^  intra  fines  nostros 
reg(nat).    Urk.  vom  Sept  des  4.  Jahres  Lothars. 


209 

Zar  Zeit,  als  SanxillangeB  ein  Kloster  wurde,  leitete  aber 
Aymard  wahrscheinlich  nicht  mehr  allein  die  Abtei  Clnni. 
Bereits  nach  einer  siebenjährigen  Amtsftlhrung,  wie  es  scheint, 
nötigte  ihn  körperliches  Gebrechen,  sich  nach  einem  Sub- 
stituten umzusehen.^)  Ob  er  Majolus  damals  nur  designierte 
oder  die  Brttder  diesen  wählten,  ist  ungewiss.  Jedenfalls  hatte 
der  junge  Mönch  zunächst  nur  selten  Gelegenheit,  Aymard  in 
den  Amtsgeschäften  als  Abt  zu  vertreten.  Erst  eine  ^eihe  von 
Jahren  später,  vielleicht  im  Jahre  954^),  berief  er,  erblindet  und 
mit  dem  zunehmenden  Alter  seiner  Körperkräfte  beraubt^)  den 
Convent  der  Brttder,  der  den  Majolus  auf  Aymards  Vorschlag 
einstimmig  zum  Abt  erwählte;  nach  anfänglicher  Weigerung 
nahm  dieser  die  Wahl  an,  die  durch  die  benachbarten  Bischöfe, 
f^len  und  Aebte  bestätigt  wurde.  Die  Weihe  vollzog  der 
Bischof  Hildebold  von  Ghalon,  der  dem  Kloster  so  nahe  stand, 
dass  er  sogar  ein  Gedicht  zu  Ehren  Odos  verfasste. 

Majolus. 

Majolus*)  ward  frühestens  im  Jahre  910^)  in  sehr  vornehmer 
Familie  zu  Avignon*)  geboren.  Sein  Vater  Fulcher,  ein  Kriegs- 
mann von  Verstand  und  Tugend''),  hatte  von  väterlicher  Seite 
grossen  Grundbesitz  geerbt  und  diesen  noch  vermehrt,  so  dass 
er  in  den  Grafschaften  Riez,  Apt,  Aix  und  Sisteron  ausge- 
dehnte Ländereien  mit  Dörfern  und  Kirchen  beherrschte.  Ob- 
gleich Fulcher,  noch  ehe  sein  Sohn  Majolus  den  geistlichen 
Stand  wählte,  dem  Kloster  Gluni  reiche  Besitzungen  zuwies, 
kam  noch  immer  eine  stattliche  Erbschaft  auf  seine  Söhne 
Majolus  und  Gyricus,  die  schliesslich,  wenn  auch  auf  Umwegen, 


»)  Vgl.  Excurs  V. 

«)  Vgl.  Excurs  V. 

9)  Die  BestaUungsorkaiide  CHOL  II,  nr.  883. 

*)  Ogerdias,  Hist.  de  S.  Mayol,  1877  ist  fUr  wissenschaftliche  Zwecke 
gänzlich  unbrauchbar. 

*)  Der  Heirathscontract  ist  v.  S.  Dec.  909  datirt,  CHGL  I,  nr.  105. 

•)  Syri  V.  Maioli  c  1 :  «r  Avennicorum  oppido;  Anon.  V.  Maioli 
(Bibl.  Clun.  coL  1783):  oppidanorum  Avennicorum  alumntut.  Nach  Petrus 
Damiani  epist  II,  14  und  Chronicon  Cluniac,  Bibl.  Clun.  coi.  1635  ist  er 
in  Valensolle  geboren. 

")  Vgl  OdUonis  V.  Maioli  Ende. 

Sftokur,  Clanijioenwr.    I.  14 


210 

ebenfalls  dem  französischen  Kloster  znfielJ)  Während  der  Vater 
des  Majolns  aas  römischem  Geschlecht  stammte^),  scheint  die 
Mutter  Raimodis  fränkischer  oder  bargandischer  Abkunft  ge- 
wesen zu  sein.  Vielleicht  ist  sie  identisch^),  mit  der  Gemahlin 
des  Vicegrafen  Majolus  von  Narbonne,  der  wenige  Jahre  vor 
911  gestorben  sein  dürfte.  Wir  besitzen  noch  den  Heirats- 
contract  vom  Jahre  909,  in  welchem  Fulcher  seiner  Gattin  das 
reiche  I}eiratsgat  im  Betrage  von  100  Hufen  und  50  Leib- 
eigenen zuweist^) 

Es  ist  fraglich,  welcher  von  beiden  Söhnen  der  ältere  war; 
von  Cyricus  wissen  wir  nur,  dass  er  im  Jahre  959  oder  960 
noch  lebte.^)  Jedenfalls  war  Majolus  der  beanlagtere.  Schon 
in  seiner  Kindheit  gab  er  Beweise  seiner  Frühreife  und  er- 
weckte bei  seinen  Zeitgenossen  grosse  Erwartungen.*) 

Die  Jugendjahre  waren  die  traurigsten  ftir  die  unteren 
Rhonegegenden.  Als  die  Sarrazenen  die  westlichen  Alpenpässe 
besetzt  hielten  und  von  da  die  umliegenden  Länder  plündernd 
und  brennend  durchzogen,  stoben  die  Uewohner  erschreckt 
auseinander. '')  Auch  Majolus  verliess  nach  dem  Tode  seiner 
Eltern®)  —  vielleicht  waren  sie  bei  einem  Ueberfalle  umge- 

>)  Vgl.  MabiUon,  Acta  SS.  V,  741—743;  CHOL  ü,  nr.  1071,  11.  Juli 
959  bis  10.  Juli  960. 

')  In  CHCL  I,  nr.  106  sagt  Fulcher:  iwcta  legem  meam  Bomanam 
sei  ihm  Raimodis  angetraut;  daraus  scheint  zu  schliessen,  dass  Raimodis 
anderer  Herkunft  war. 

^)  Vgl.  Sackur,  Noch  einmal  die  Biographien  des  Majolus,  N.  Arch. 
XII,  S.  508  n.  1  und  weiter  unten. 

♦)  CHCL  I,  nr.  105.  *)  II,  nr.  1071.  •)  Syri  V.  Maioli  I,  c.  3. 

0  Syr.  I,  c.  5;  Anon.  Silvin.  V.  Maioli  a.  a.  0.:  Gens  Sarracenorum 
suis  finilnis  exiliens  Protnnciam  crtuleliter  praeoccupaverat ;  vgl.  Dttmmler, 
Otto  der  Gr.,  S.  114.  Ich  halte  nach  wie  vor  gegen  Schultze,  Noch  ein 
Wort  zu  den  Biographien  des  Majolus,  N.  A.  XIV,  552  an  dem  Sarrazenen- 
einfall  Anfang  der  zwanziger  Jahre  fest 

")  Syr.  I,  c.  4.  Schnitze  a.  a.  0.  S.  552  n.  5  meint,  meiner  Theorie  nach 
wäre  damals  Msjolus  als  11— 12  jähriger  Knabe  nach  Mäcon  gegangen, 
was  er  fUr  unmöglich  hält.  Abgesehen  davon,  dass  ich,  ohne  mich  fUr 
ein  bestimmtes  Jahr  zu  entscheiden,  nur  vom  Anfang  der  zwanziger  Jahre 
gesprochen  habe,  ist  das  ein  Argnment.,  für  das  mir  jedes  Verständnis  ab- 
geht; dass  ein  11— 12 jähr.  Knabe  nach  dem  Tode  seiner  Eltern  von  Haus 
und  Hof  getrieben,  sich  zu  Verwandten  an  einem  selbst  entfernteren  Orte 
durchschlägt,  wtlrde  für  unsere  Zeiten  und  unsere  geographische  Lage 
nicht   befremden,    geschweige   denn   für    provengalische   Frühreife   des 


211 

kommen  —  das  väterliehe  Erbe  und  ging  nach  Mäeon,  wo  er 
bei  einem  yomehmen  Verwandten  Unterkommen  fand. 

Ueber  die  Mäeoner  Verwandten  ^)  sind  einige  Vermutungen 
gestattet.  Der  erste  Graf  von  Mäcon  nämlich,  Alberich,  der 
Schwiegersohn  des  Vicegrafen  Raculf  von  Mäeon,  war  der  Sohn 
des  Vicegrafen  Majolus  von  Narbonne  und  seiner  Gemahlin 
Raimunde  oder  Raimod.^)  Er  muss  bald  nach  911  nach  Mäcon 
gekommen  sein  und  die  Attala  geheirathet  haben,  da  er  be- 
reits 930  zwei  Söhne  hatte,  deren  ersterer  Letald  damals  als 
Graf  auftritt^)  und  fbnf  Jahre  später  gar  verheirathet  war.^) 
Da  nun  Alberichs  Vater  Majolus,  die  Mutter  Raimod  oder 
Raimunda  hiessen,  wird  man  angesichts  der  Thatsache,  dass 
Alberich  wie  Majolus  aus  der  Provence  stammten,  nicht  ohne 
Omnd  vermuten  können,  dass  Alberich  zu  den  Verwandten 
des  Majolus  gehörte.  Damit  ist  durchaus  nicht  ausgeschlossen, 
dass  der  Vicegraf  Majolus,  der  sicher  von  937^)  bis  943^)  in 

10.  Jahrhunderts!  Auf  Schnitze's  Beweisführung ,  soweit  sie  die  längere 
Existenz  der  Eltern  im  Gegensatz  zu  Syrus  darzuthun  versucht,  gehe  ich 
näher  nicht  ein:  sie  bewegt  sich  so  sehr  in  willkürlichen  Combinationen,  dass 
es  genügt,  den  Leser  darauf  zu  verweisen.  Der  Name  Majolus  tritt  in 
elnniac.  ürk.  sehr  häufig  auf,  einige  Mal  sicher  unser  Cleriker,  einige  Mal 
ein  Vicecomes.  Alle  andern  verteilt  nun  S.  nach  Bedürfnis  in  diese  zwei 
Rubriken  und  von  diesen  unbeweisbaren  Identifizierungen  aus  schliesst  er 
wieder  auf  Personen,  die  in  den  betrefifenden  Urkunden,  die  ein  S.  Maioli 
tragen,  vorkommen. 

')  Auf  die  monströse  Genealogie  der  Necrol.  hist.  Clun.  de  Dom 
Georges  de  Buren,  die  Ogerdias  in  den  notes  justificat.  n.  2,  p.  855  ab- 
druckt, gehe  ich  natürlich  nicht  erst  ein. 

')  Ragut,  Gart  de  Saint -Vincent  de  Macon  p.  6;  Urk.  des  Erzbisch. 
Amolf  V.  Narbonne  v.  15.  Juni  911  bei  Baluze,  Hist  de  la  maison 
d'Auvergne  II,  nr.  5;  Hist  de  Langued'oc  V,  nr.  38;  Vgl.  N.  A.  XH, 
S.  508  n.  1.  Schultze,  Noch  ein  Wort  etc.  S.551  bekämpft  diese  Hypothese 
mit  dem  Hinweis,  dass  die  Raimod  in  dem  Dnick  der  Hist  de  Liang. 
Raimnnda  genannt  werde.  Dass  indess  eine  Verwechselung  von  —  mund 
und  —  mod  erfolgen  kann,  s.  bei  Foerstemann,  Ahd.  Namenbuch  I,  932. 
939,  wenn  ich  auch  zugebe,  dass  dadurch  nicht  alle  Zweifel  beseitigt 
werden.  ')  Hist.  de  Lang.  IV,  1,  nr.  1 1. 

*)  ürk.  V.  31.  März  985,  CHCL  I,  nr.  432. 

*)  Er  erscheint  bei  Ragut,  Gart,  de  S.  Vincent  nr.  185  und  356  beide 
Urk.  undatiert,  die  zweite  aber  durch  die  Zeit  Bemos  v.  Mäcon  (928  bis 
937)  bestimmt 

•)  GHGL  I,  nr.  632.  633.  634.  644.  In  einer  Urk.  v.  Juni  949  erscheint 
er  ebenfalls  noch  als  vicecomes.     Bruel  und  Schultze  halten  das  Datum 

14^ 


212 

Mäcon  nachweisbar  ist,  der  Familie  Falchers  verwandtschaftlich 
nahe  stand;  mit  ziemlicher  Gewissheit  wird  man  dasselbe  von 
einer  andern  Mäeoner  Familie  behaupten  können,  in  der  eben- 
falls die  Namen  Msyolas  und  Baimo^s  auftreten. i)  So  begreift 
man,  wie  es  kam,  dass  der  junge  Proven^ale  sich  gerade  nach 
Mäcon  wandte. 

Hier  trat  er  zuerst  unter  die  Chorherren,  um  nach  einiger 
Zeit  Studien  halber  nach  Lyon  zu  gehen.^)  Dort  bestanden 
vielleicht  Reste  jener  alten  Akademie  aus  der  Römerzeit'), 
deren  Existenz  für  die  ersten  christlichen  Jahrhunderte  noch 
bezeugt  ist.  Immerhin  bewahrte  die  Stadt  auch  im  10.  Jahr- 
hundert ihren  Ruf  als  berühmte  Bildungsstätte.  Ob  man  freilich 
in  Antonius,  dem  Lehrer  des  Majolus,  der  nach  der  einen 
Nachricht  dem  Laienstande  angehörte^),  einen  Universitäts- 
professor zu  erblicken  hat,  ist  um  so  zweifelhafter,  als  er  nach 
einer  andern  älteren  Quelle  Abt  von  Isle-Barbre  bei  Lyon  ge- 
wesen ist.*) 

Nach  Mäcon  zurückgekehrt,  ward  Majolus,  nachdem  er 
die   nötigen   Weihen   erhalten,    Archidiaeon,    als    welcher   er 


dieser  Urkunde  fUr  falsch,  weU  er  nach  GHCL  nr.  697  im  Jahre  947  schon 
todt  gewesen  sei.  Nun  beweist  aber  nichts,  dass  der  Vicegraf  Maj.  iden- 
tisch ist  mit  dem  hier  genannten  Majolus,  der  eine  Gemahlin  Namens 
Landrada,  Alindrada  hatte,  eine  Tochter  Eaimodis  und  einen  Sohn  W&l- 
tarius.  In  den  Urk.  dieser  Familie  CHGL  I,  nr.  528.  697.  765.  843  tritt 
Majolus  nie  als  vicecomes  auf.  Wir  haben  also  allen  Grund  ihn  von 
diesem  zu  trennen.  Wenn  femer  darauf  verwiesen  wird,  dass  am 
4.  Mai  948  (CHGL  nr.  719)  bereits  ein  Walter  als  vicecomes  auftrete,  Ma- 
jolus also  nicht  949  noch  gelebt  haben  könne,  so  ist  zu  bemerken,  dass 
gerade  die  Datierung  der  Urk.  nr.  719  unsicher  ist,  da  hier  wieder  einmal 
die  Regiernngsjahre  nicht  passen. 

*)  Vgl.  die  vorhergehende  Note. 

8)  Syr.  I,  5 ;  vgl.  N.  Arch.  XII,  508 ;  XIV,  552. 

3)  Vgl.  Herici  Mirac.  8.  Germani  c.  4;  Syr.  I,  c.  5.  der  die  Mir.  S.  Germ, 
benützt;  Odil.  V.  Mai.:  philosophiae  ntUriceni  et  matrem  et  quae  totius 
Oalliae  ex  antiquo  more  et  ecclesiastico  iwre  non  inmerito  retineret  arcem; 
ganz  ähnlich  im  Epitaph.  Adelheidis  c.  5;  Rod.  Glaber  V,  c.  4.  Vgl. 
Launoi,  De  scolis  celebrioribus,  Hamburg!  1717,  p.  37.  Ganz  ungenügend 
ist  Francisque  Ducros,  Les  arts,  les  sciences  et  les  lettres  dans  ia  ville 
de  Lyon,  Revue  des  soci^t^s  savantes  IV  (1858),  p.  8. 

*)  Odil,  V.  Mai.  Bibl.  Glun.  col.  282:  Antonii  sciectdari  professione 
philo8ophi. 

«)  Syr.  I,  c.  5. 


213 

zuerst  in  einer  Urkunde  vom  Juni  938  oder  939  bezeugt  ist.') 
Er  war  offenbar  hier  im  Besitz  einer  Pfründe.  Damals,  als 
sein  Vermögen,  das  in  Folge  seiner  Freigebigkeit  später  sehr 
zusammenschmolz,  noch  bedeutender  war,  errichtete  er  jenseits 
der  Saone  dem  hl.  Michael  ein  Bethans,  wohin  er  zuweilen 
Yor  dem  Tumult  der  Stadt,  um  den  religiösen  Uebungen  un- 
gestörter obliegen  zu  können,  flüchtete.  Sein  Ruf  verbreitete 
sich  aber  hauptsächlich,  indem  er  Gleriker  an  sich  heranzog, 
um  sie  auszubilden.^)  In  den  Jahren  927  bis  932  trat  einmal 
die  Versuchung  an  ihn  heran,  sieh  zum  Erzbischof  von  Besangen 
erheben  zu  lassen.  Damals  waren  bezüglich  der  Besetzung 
des  erzbischöflichen  Stuhles  schwere  Wirren  ausgebrochen.^) 
Erzbiscbof  Berengar  war  gelegentlich  der  Invasion  seines  Sitzes 
durch  einen  gewissen  Heiminus  geblendet  worden.  Der  letztere 
wurde  jedoch  nicht  aufgenommen,  während  der  anerkannte 
Kandidat  vorzeitig  starb.^)  So  kam  wahrscheinlich  der  Fürst 
des  Landes,  entweder  Hugo  der  Schwarze  von  Burgund  oder 
der  Graf  von  Mäcon,  in  dessen  Besitz  sich  wenigstens  später 
Besanfon  befindet^),  zuerst  auf  den  Gedanken,  den  mit  den 
ersten  Familien  von  Mäcon  verwandten  jungen  Gleriker  mit 
Zustimmung  von  Glerus  und  Volk  auf  jenen  Stuhl  zu  er- 
heben. Seine  Jugend  konnte  in  diesen  Zeiten  für  die  mass- 
gebenden Factoren,  vornehmlich  für  den  Stadtherrn  kein 
Hinderungsgrund  sein  6);  vielleicht  veranlasste  sie  Majolus  aber 

<)  CHOL  I,  nr.  493.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  ich  die  grund- 
losen Identifizierungen  Schultzens,  der  Majolus  schon  v.  18.  Jan.  926  in 
Mäcon  nachweisen  kann,  ganz  unberücksichtigt  lasse. 

«)  Syr.  I,  c.  12. 

»)  Vgl.  Syr.  I,  c.  12;  Nalgodi  V.  Maiolil,  c.  8. 

*)  Vgl.  Catalogi  I.  et  III.  archiep.  Bisunt,  SS.  XIU,  p.  372. 

^)  Vgl.  meine  Ausführungen  im  N.  Arch.  XII,  510,  511. 

*)  Dagegen  stösst  sich  Schnitze  S.  553  daran,  den  ich  nur  daran  er- 
innere, dass  in  Reims  im  10.  Jahrhundert  einmal  ein  fün^ähriger  Knabe 
Erzbischof  wurde,  während  Atto  von  Vercelli  klagt,  dass  in  Italien  Kinder 
zu  Bischöfen  gemacht  würden.  Die  grossen  Vasallen  beherrschten  in 
dieser  Zeit  die  Bischofsitze  und  hatten  allerdings  das  grösste  Interesse 
daran,  jugendliche,  unselbständige  Creaturen  zu  befördern.  Gerade  dass 
der  princeps  von  Besangon  auf  Majolus  zu  wirken  sucht,  macht  mir  die 
Sache  wahrscheinlich,  nicht  minder  als  die  Weigerung  des  Majolus,  der 
nach  dem  Schicksal  Berengars  und  der  ganzen  Art  dieser  „Wahlen"  be- 
greiflicher Weise  keine  Lust  hatte,  den  Erzbischof  von  Be8an9on  zu 


214 

ebenso,  wie  die  sicher  uncanoniscbe  Art  seiner  Wahl,  die  ihm 
angebotene  Würde  anszaschlagen. 

In  seiner  clericalen  Stellung  in  Mäeon  trat  Majolas  zu  den 
Mönchen  von  Glnni  in  enge  Beziehangen.  Namentlich  drängte 
ihn  der  Prior  Hildebrand  mehrfach,  das  Mönehskleid  anzu- 
legen. Bis  zum  August  943  ist  er  in  Mäcon  als  Archidiacon 
nachweisbar^);  nicht  ganz  sicher  ist,  wann  er  nach  Cluni 
kam.^)  Hatte  er  früher  sich  mehr  den  freien  Künsten  und 
namentlich  grammatischen  Studien  hingegeben,  so  war  es  jetzt 
die  einfache  schlichte  und  herzliche  Glaubensinnigkeit  der 
Mönche,  die  ihn  anzog.  ^)  Seiner  überlegenen  Klugheit  in  den 
klösterlichen  Angelegenheiten  verdankte  er,  dass  man  ihm  die 
Aufsicht  der  Bibliothek  und  Schatzkammer  übertrug.  Er  stand 
als  Schatzmeister  dem  Propst  besonders  nahe,  neben  dem  er 
urkundlich  auftritt^ 

Bereits  als  Mönch  unternahm  er  im  Auftrage  des  Abtes 
mit  einem  Begleiter,  Namens  Heldrich,  eine  Reise  nach  Bom 
im  Interesse  der  Abtei.*)  Da  wir  von  Agapit  IL  eine  Urkunde 
für  Cluni  vom  März  949  besitzen^),  so  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  die  Beschaffung  dieses  Diploms  der  Zweck  dieser  Reise 
war.  In  diesem  Privileg  bestätigte  der  Papst  den  Grund- 
besitz der  Abtei  und  sprach  wiederum  mit  dem  päpstlichen 
Schutze  dieselbe  sammt  allem  Eigentum  von  jeder  könig- 
lichen, bischöflichen,  gräflichen  Herrschaft,  sowie  derj  von  Ver- 


spielen. Ein  fernerer  Gegengrund  Schultzens  wirkt  fast  komisch.  Ma- 
jolus  sei  926  in  Macon  (was  beiläufig  bemerkt,  in  keiner  Weise  bewiesen 
ist).  Nun  gehe  er  (nach  Syrus)  von  dort  nach  Lyon.  „Mithin  wäre  ihm  das 
Erzbistum  angeboten,  als  er  nicht  in  Mäcon,  sondern  in  Lyon  ist.  Man  sieht, 
wie  Syrus  mit  sich  selbst  im  Widerspruche  steht.*'  Nun  wissen  wir  aber 
weder,  wann  Majolus  nach  Lyon  ging,  noch  wie  lange  er  dort  blieb ;  und 
endlich  bleibt  für  seine  Kandidatur  in  Besan^on  ein  Zeitraum  von  fünf 
Jahren ! 

*)  CHOL  I,  nr.  647.  *)  Vgl.  oben  S.  209.  »)  Syr.  1,  c.  13. 

*)  Am  4.  Mai  948  kommen  vor  den  Grafen  Letald  quidam  viri  et 
monachi  fideles  sancti  Petri  ClunienaeSy  Hüdebrannvs  nomine  atque  Mo- 
ioliM  necnon  et  Bainaldua.  GHCL  I,  nr.  719.  Hildebrand  ist  in  den  Urk. 
erst  V.  c.  948—963  bestimmt  nachzuweisen  CHOL  I,  nr.  466.  708.  718.  719. 
850.  878.  880;    II,  nr.  944.  1064.  1066.  1071.  1083.  1087.  1119.  1147. 

^)  Syr.  I,  c.  15:  pro  monagterii  utüitate, 

^)  Bullarium  Cluniac.  p.  5;  Jaffe-L.  nr.  3648. 


215 

wandten  des  Stifters  frei.  Die  Mönche  sind  in  der  Abtwahl 
an  keines  Fürsten  Zustimmung  gebunden  und  vollkommen  un- 
abhängig. Da  der  Mönehsoiden  die  höchste  Immunität  erstrebe, 
bemerkt  Agapit,  so  dürfen  weder  die  Klosterhörigen,  noch  totes 
Inventar  und  Eigentum  von  irgend  jemandem  ohne  Einwilligung 
des  Abtes  rechtlieh  belangt,  noch  gewaltsam  angegriffen  wer- 
den. Der  Bttckweg  von  Rom  wurde  über  Ivrea  eingeschlagen. 
Als  es  Majolns  hier  gelang,  dem  schwer  erkrankten  Gefährten 
durch  seine  Gebete  Heilung  zu  verschaffen,  sahen  seine  Mit- 
brttder  in  Cluni  darin  ein  Zeichen  höherer  Macht  und  Be- 
stimmung. Die  Verehrung,  die  sie  ihm  dann  mehr  und  mehr 
zollten,  scheint  bald  nach  seiner  Heimkehr  in  seiner  Wahl  zum 
Ausdruck  gelangt  zu  sein,  als  es  sich  darum  handelte,  Aymard 
zu  ersetzen. 

Als  Aymard  Majolus  den  Krummstab  übergab,  zählte  die 
Congregation  von  Cluni,  natürlich  die  abhängigen  Obödienzen 
und  Cellen  mitgerechnet,  über  hundertsechzig  Mönche.  Indes 
ist  die  Zahl  dieser  Filialklöster  damals  sicher  nicht  bedeutend 
gewesen.^)  Von  grösseren  Abteien  haben  nicht  mehr  als  die 
beiden  von  Mäcon,  Gharlien,  Bomainmoutier  und  Sauxillanges 
unter  Cluni  gestanden.  Da  die  Zahl  der  abhängigen  Cellen  in 
den  ersten  Jahren  Odiles  nur  siebenundzwanzig,  fast  sämmtlich 
in  den  Bistümern  der  mittleren  und  unteren  Bhonegegenden, 
betrog,  so  kann  nach  Aymard  ihre  Zahl  nicht  gross  gewesen 
sein.  Für  die  Fortschritte,  welche  die  wirtschaftliche  Ent- 
wicklung der  Abtei  im  Gegensatz  zur  ideellen  unter  diesem  Abt 
gemacht  hat,  ist  eine  Gegenüberstellung  der  Gütererwerbungen 
unter  Demo,  Odo  und  Aymard  nach  ihrem  Charakter  sehr 
lehrreich.  Wahrend  nämlich  unter  den  erst  genannten  Achten, 
also  in  der  Zeit  von  910 — 942,  unter  100  Erwerbsnrkunden 
durchschnittlich  57  unbedingte  Schenkungen,  29  bedingte, 
4  Kauf-  und  10  Tausch  vertrage  sich  finden  2),  ist  unter  Aymard 
in  den  Jahren  942 — 954  die  Zahl  der  unbedingten  Schenkungen 

1)  Vgl.  die  Urk.  Aymards  a.  a.  0. 

*)  Aus  der  Zeit  Bernos  und  Odos  sind  270  Urkunden  erhalten, 
welche  Schenkungen  oder  onerose  Erwerbungen  betreffen;  von  diesen 
sind  154  unbedingte,  77  bedingte  Schenkungen  (d.  h.  solche  auf  Todfall 
oder  mit  Auferlegung  gewisser  Verpflichtungen),  11  Kaufverträge, 
2b  Tauschgeschäfte.    Auf  das  Jahr  kommen  je  8Vs  Erwerbsacte. 


216 

auf  darchschnittlich  42V2^/o  gesunken,  während  die  bedingten 
sich  auf  derselben  Höhe  hielten,  die  sie  früher  einnahmen. 
Dagegen  ist  die  Zahl  der  onerosen  Erwerbungen  bedeutend 
gestiegen,  die  der  Kaufverträge  auf  ll^/s,  der  Tauschaete  auf 
17^0*0  LäsBt  sich  daraus  ein  Schluss  ziehen  auf  die  ge- 
steigerten wirtschaftlichen  Kräfte  des  Klosters  unter  Aymard, 
so  scheint  der  Rückgang  der  unbedingten  Schenkungen  ebenso 
trefilich  die  Berichte  der  Quellen  zu  illustriren,  nach  welchen 
zwar  der  Zuwachs  an  materiellen  Mitteln  bedeutend  stieg,  der 
Abt  an  allgemeinem  Ansehen  seinen  Vorgänger  aber  nicht 
erreicht  hat.  Die  Zahl  der  jährlichen  Erwerbsgeschäfte  stieg 
auf  mehr  als  das  doppelte  2);  auf  eine  systematische  Bewirt- 
schaftung lässt  das  Anwachsen  der  Tausch-  und  Kaufverträge 
schliessen,  welche  meist  durch  den  Wunsch  geeigneter  Arron- 
dierung des  Besitzes  veranlasst  wurden. 

Majolus  ist  anfangs  weder  allein  noch  in  jeder  Beziehung 
an  Aymards  Stelle  getreten;  noch  am  15.  Mai  956  vertritt  er 
in  Gemeinschaft  mit  dem  Prior  Hildebrand  den  Abt  Aymard 
in  Mäcon,  ohne  dass  hier  seiner  Abtwttrde  Erwähnung  ge- 
schieht.^) Zunächst  ist  ihm  wohl  nur  die  Leitung  der  äusseren 
Geschäfte  übertragen  worden;  seit  dem  Herbst  958^)  aber  muss 
sich  Aymard  von  seinem  Amte  ganz  zurückgezogen  und  den 
jüngeren  Mann  in  alle  Rechte  und  Pflichten  eines  Abtes  ein- 
gesetzt haben.  Während  jener  bis  zu  dieser  Zeit  in  den  Ur- 
kunden überwiegend  als  Abt  begegnet,  findet  sich  zwar  später 
noch  hier  und  da  sein  Signum  am  Ende  der  Diplome;  er  er- 


^)  Nämlich  92  unbedingte,  64  bedingte  Schenkangen,  25  Kaufverti^e, 
38  Tauschverträge.  *)  Auf  etwa  18  gegen  8*/». 

')  CHOL  II,  nr.  1000:  adierunt  presentiam  ipsius  duo  fratrea  et 
monachi  Cluniensis  coenobii,  Eldebrannus  viddicet  atque  Maiolus  cum  ali' 
quibus  prefatae  congregationis  vice  domini  abbatis  Eymardi  et  reliquorum 
monachorutn  Cluniaco  degentium.  Man  beachte,  dass  Hildebrand  zuerst 
genannt  ist 

^)  In  31  Urk.  vom  Nov.  954  bis  Aag.  958,  welche  einen  Abt  nennen 
(solche,  in  denen  die  Datierung  innerhalb  grösserer  Zeiträume  schwankt, 
blieben  natürlich  unberücksichtigt),  tritt  22  mal  Aymard,  9  mal  Majolus  als 
Abt  auf.  Ganz  hinfällig  ist  also  die  Behauptung  Schnitzes,  Forsch.  S.  21, 
dass  von  954  an  fast  immer  Majolus  aufträte.  Ebenso  unbewiesen  ist 
seine  Bemerkung,  seit  955  sei  Majolus  an  Aymards  Stelle  auch  in  den 
äusseren  Geschäften  getreten. 


217 

seheint  aber  im  Texte  8o  gut  wie  gar  nicht  mehr  als  Abt.^) 
Zaletzt  lägst  sich  seine  Existenz  im  Sept.  965  nachweisen^); 
bald  darauf  wird  er  das  Zeitliehe  gesegnet  haben. 

Gleich  im  Anfang  seiner  Amtsftthrang  erhielt  Majolus  ein 
sehr  wichtiges  Privileg  von  König  Lothar  von  Frankreich,  am 
20.  Oct.  955,  in  welchem  der  König  auf  Bitten  des  Herzogs 
Hugo  von  Francien  und  des  Grafen  Letald  von  Mäcon  die 
Rechte  und  Besitzungen  der  Abtei  bestätigt:  die  Burg  des 
Klosters  solle  immun  sein  und  unter  der  Herrschaft  der  Mönche 
stehen;  niemand  solle  gegen  ihren  Willen  innerhalb  oder 
ausserhalb  der  Ringmauer  gerichtliche  Functionen  ausüben. 
Ihr  ganzer  Besitz  soll  fttr  die  Ewigkeit  sicher  und  frei  sein 
von  jedem  Eingriff  einer  fremden  Gewalt  und  vollständige 
Immunität  geniessen.  Jede  Unterdrückung,  jeder  gewaltsame 
Raub  auch  seitens  des  Königs  wird  verboten.^)  So  sehen  wir 
denn,  dass  Cluni  damals  bereits  befestigt  war  und  der  Abt  im 
Begriff  stand,  sich  zum  Stadtherrn  zu  erheben. 


2.  Cluni  und  das  deutsche  Reicli* 
Die  Gründung  von  Peterlingen. 

Während  Majolus  auf  diese  Weise  fUr  die  Sicherung  des 
ihm  anvertrauten  Besitzes  und  die  Stärkung  seiner  eigenen 
Stellung  im  Innern  sorgte,  knüpften  sich  wieder  die  Fäden 
zwischen  dem  Abte  von  Cluni  und  den  italienisch-burgundischen 
Höfen  an,  die  unter  Odo  einst  bestanden  hatten  und  nach 
seinem  Tode  gerissen  waren.  Wir  wissen,  welcher  Gunst  sich 
bereits  Odo  am  Hofe  von  Pavia  erfreute.  Hier  brachte  es 
einst  Helderich,  einer  der  italienischen  Grossen,  zu  hohem  An- 
sehen; von  dem  Rufe  des  französischen  Klosters  angezogen, 
verliess  er  Weib  und  Besitz,  um  dort  sich  der  Regel  Benedicts 


^)  Nur  noch  zweimal  begegnet  er  im  Text  der  Uri^unden  als  Abt,  so 
viel  ich  sehe,  Dec.  959  (CHCL  II,  nr.  1070)  und  Juni  960  (CHCL  II,  nr.  1086). 

*)  Als  Zeuge  steht  er  noch  unter  einer  Urk.  vom  Sept.  065  (CHCL 
II,  nr.  1 1 S6).  Es  will  dagegen  wenig  sagen,  dass  die  in  den  Daten  wenig 
sichere  Chronolog.  abb.  Clun.  col.  1619  ihn  am  5.  Oct.  963  sterben  lässt. 
Seinen  Todes-  resp.  Beisetzungstag  II.  Non.  Oct.:  Deposit io  dofnni  Hey^ 
mardi  abbatis  giebt  das  Necrol.  Yillar.   (Beilage  lY.) 

»)  CHCL  II,  nr.  9&0. 


218 

zu  unterwerfen.^)  Seine  Kenntnis  von  Land  und  Leuten,  seine 
mächtigen  Verbindungen  machten  ihn  wahrscheinlich  bereits 
949  zu  einem  geeigneten  Begleiter  des  Majolus  auf  dessen 
erster  italienischen  Reise.  Seitdem  muss  er  ihn  öfter  über  die 
Alpen  geführt  haben.  Gerade  er  vermittelte,  wie  es  heisst,  die 
enge  Verbindung  des  Abtes  von  Cluni  mit  König  Otto.  Aber 
Adelheid,  die  junge  Königstochter  von  Burgund,  hat  sicher 
noch  im  Hause  des  Vaters  öfter  Mönche  von  Cluni  gesehen, 
von  ihrem  strengen  Lebenswandel  gehört  und  zu  ihnen  Neigung 
gefasst. 

Schon  in  den  Zeiten  Odos,  wie  wir  wissen,  war  das  bur- 
gundische  Königshaus  um  Glunis  Sicherheit  und  Gedeihen 
redlieh  bemüht,  und  dass  es  für  die  Tendenzen  seiner  Leiter 
auch  für  die  Folgezeit  volles  Verständnis  hatte,  beweist  die 
Gründung  von  Peterlingen  im  Jura.  Es  war  am  1.  April  962, 
als  sich  die  Königin  Berta,  die  Mutter  der  Kaiserin  Adelheid, 
all  ihrer  Besitzungen  in  und  um  Peterlingen  zu  Gunsten  der 
Heiligen  Maria,  Peter,  Johannes  und  Mauritius  entäusserte 
behufs  Gründung  eines  Benedictinerklosters  strengster  Obser- 
vanz. Die  Mönche  samt  dem  Besitz  werden  vollständig  in 
die  Gewalt  des  Abtes  Majolus  von  Cluni  gegeben;  nach 
seinem  Tode  aber  den  Brüdern  freie  Abtwahl  zugesichert,  so 
dass  niemand  irgendwie  Einsprache  erhebe.  Mit  dringenden 
Bitten  wendet  sich  Berta  an  weltliche  wie  geistliche  Fürsten, 
ja  an  den  Papst:  der  jungen  Abtei  keinerlei  Abbruch  zu  thun, 
sie  nicht  als  Lehen  auszugeben,  noch  einen  Herrn  darüber  zu 
setzen.^)    Am  8.  April  erweiterte  König  Konrad  die  Besitzungen 


*)  Syr.  II,  c.  22 :  Heldncus  .  .  .  in  laicali  potentia  praecipuuSj  qui 
quondam  in  Italia  inter  ccteros  palatinos  extitit  Iwfiorabilis.  Da  er  wahr- 
scheinlich schon  vor  949  in  Cluni  war  —  denn  er  hat  Majolus,  der  z.  Z.  noch 
Mönch  war,  vermutlich  in  diesem  Jahre  nach  Italien  begleitet  —  so  kann 
er  nicht,  wie  Schulze  a.  a.  0.  meint,  am  italienischen  Hofe  Ottos  I.  sich 
bewegt  haben ;  wir  müssten  ihn  vielmehr  an  den  Hof  Hugos  und  Lothars 
versetzen.  Seine  Bekanntschaft  mit  dem  Kaiser  könnte  durch  Adelheid 
zuwege  gebracht  worden  sein. 

«)  Urkunde  Hertas,  CHCL  II,  1126;  Guichenon,  Bibl.  Sebusiana, 
cent  I,  1;  Schöpf lin,  Alsatia  I,  119;  Hidber,  Schweiz.  Urkundenregister 
nr.  1062.  —  Vgl.  über  die  Datierung  der  Stiftungsurk.  Wurstemberger, 
Geschichte  d.  alten  Landschaft  Bern,  1862,  II,  56.  Obgleich  den  Mönchen 
freie  Abtwahl  zugestanden  wird,  finden  wir  Peterlingen  doch  nach  Majolus 


219 

und  Rechte  von  Peterlingen  dnrcb  Verleihung  eines  Hofes  and 
des  HttnzrechtB  ^)  and  bewies  seine  Teilnahme  an  der  Stiftung 
seiner  Matter  am  23.  März  963  durch  neue  Schenkungen.^)  Mit 
dem  Einfluss ,  den  der  säehsische  Hof  seit  Otto  I.  in  Burgund 
ausübte  ^),  wuchs  auch  das  Bemühen  desselben,  die  Existenz  des 
burgnndischen  Klosters  und  namentlieb  seine  Besitzungen,  auf 
Reichsboden  zu  sichern.  Sämmtliche  Ottonen  haben  des  öfteren 
fUr  Peterlingen  geurkundet^)  und  ihre  Nachfolger  haben  dem 
Kloster  dasselbe  Wohlwollen  bewahrt. 

Berta  erlebte  die  Vollendung  ihrer  Stiftung  nicht;  aber 
Adelheid  betrachtete  sie  als  ein  Vermächtnis  ihrer  Mutter.  Die 
Kaiserin  und  ihr  Bruder  Konrad  errichteten  das  Kloster  und 
statteten  es  reichlich  aus;  zugleich  aber  übertrugen  sie  es  dem 
Majolus  und  seinen  Nachfolgern  zur  Leitung  und  zum  Besitz. 

Die  Gluniacenser  hatten  bis  zur  Erwerbung  Peterlingens 
keinen  Schritt  auf  deutsches  Reichsgebiet  getan.    Das  Kloster 


im  Besitze  von  ClmiL  In  einer  Urk.  y.  2 1 .  Oct  1003  b.  Grandidier,  Bist.  d'Al- 
sace  I,  nr.  358  sagt  Heinrich:  abbaa  8,  ecclesiae  etc.  nomine  Odüo  cum 
cuncta  cangregatione  —.  Vgl.  Odil.  £pit.  Adelh.  c.  9  SS.  IV,  p.  64t :  In 
patris  vero  Bodulfi  videlicet  nobiliasimi  regia  et  domni  Chwmradi  fratris 
rtgno,  loco  videlieet  FaJtemiacOy  ubi  matrem  reginam  voeabulo  Bertham. . . 
sepuUurae  tradidit,  in  honorern  Dei  genitricia  monagtetium  eondidit  et 
sanctissimo  patri  Maiolo  suisque  siAccesaoribus  sua  munificentia  et  fratris 
mi  Chwmradi  regia  pra^ecepto  ordinandum  perpetuo  commiait  Danach  bat 
also  Adelheid  nach  dem  Tode  ihrer  Mutter  die  vOUige  Uebertragang  an 
Clmii  bewerkstelligt.  Dazu  vgl.  die  Bullen  QregorB  V.  und  Sylvesters  II. 
im  Ball.  Clan.  p.  1 1  and  1 4 :  Fatemiacum  ab  Adelaide  itnperatriee  auguata 
conatruetwn  et  a  Conrado  rege  et  filio  atw  Rudolpho  rege  Climiacenai 
cenohio  per  praec^ta  regalia  traditum  cum  amnibua  quae  videtur  habere  in 
Burgundia;  ferner  die  Urk.  Heinrichs  III.  für  Peterlingen  v.  4.  Dec.  1049  bei 
Grandidier  a.  a.  0. 1,  nr.  408 :  a  regina  Bertaj  matre  viddicet  Conradi  regia 
et  imperatricia  Ädelaidiaj  poat  mortem  matria  dotatumj  conatructum  et 
nobüitatum.  —  Ans  all'  diesem  geht  hervor,  dass  Berta  knrz  nach  der 
Stiftung  starb,  Adelheid  erst  den  Bau  unternahm  oder  wenigstens  grössten- 
teils aosftthren  liess.  Der  Tod  Bertas,  die  an  einem  2.  Jan.  starb,  wird 
ins  Jahr 966  gesetzt,  Wurstemberger  a.a.O.  p.  6t,  doch  scheint  er  noch 
frtther  erfolgt  zu  sein.  —  Schnitze,  Forschungen  etc.  S.  25,  n.  3  irrt  also, 
wenn  er  Odüo  im  Epitaphiam  der  Adelheid  eines  „leicht  verzeihlichen 
Irrtums"  bezichtigt. 

>)  CHOL  II,  1127;  HPM  II,  81.  »)  CHCL  II,  1152. 

*)  Bltfmcke,  Burgund  unter  Rudolph  UI,  S.  28. 

*)  Stumpf  nr.  361.  509.  854.  898.  1139. 


220 

erwarb  nun  bald  im  Anfang  Güter  im  Elsass  and  zwar  in  Colmar, 
Httttenheim  und  den  Besitz  eines  gewissen  Gantram  ausser 
Brampt,  Liegenschaften,  die  Otto  L  am  14.  April  959^)  an  einen 
Getrenen  Radolf,  der  vermatlich  mit  dem  Bruder  der  Königin 
Adelheid  identisch  war,  verliehen  hatte^).  Dieser  gab  sie,  wie 
es  seheint,  dem  nen  gegründeten  Kloster  bald  nach  dem  Ent- 
stehen, wie  er  überhanpt  an  der  burgandischen  Familienstiftung 
nicht  unbeteiligt  war.^)  Wahrscheinlich  schon  Otto  I.*)  ver- 
mehrte die  cluniaeensischen  Besitzungen  im  Elsass  durch  eine 
Hufe  im  Dorfe  Bohlsbach  in  der  Oiiienau,  das  bereits  auf  dem 
rechten  Rheinufer  gelegen  ist.^)  In  Httttenheim  wurden  die  Cluni- 
acenser  Nachbarn  der  Mönche  von  Ebersheim  ^)  und  Murbach.^) 
Es  waren  wohl  Angelegenheiten  dieser  elsässischen  Besitzungen, 
welche  unter  Majolus  den  Bruder  Warner  einst  nach  Murbach 
führten  ^),  der  als  Propst  sich  überhaupt  vielfach  in  den  äusseren 

«)  M.  G.  DOI,  201. 

')  Da  es  in  der  Urk.  Ottos  I.  nur  heisst:  cuidam  fiddi  nostro  Ruo- 
dtUfo  will  V.  Sickel,  Kaiserurkunden  der  Schweiz  S.  62.  63  diesen  Rudolf 
von  dem  Bruder  der  Kaiserin  trennen.  Mit  Sicherheit  möchte  ich  weder 
das  eine  noch  das  andere  behaupten. 

")  Urk.  Konrads  v.  8.  April  962  a.  a.  0.:  qiuditer  nos  cwn  matre  nostra 
Berta  et  fratre  nostro  Ruodolpho  etc.  Dass  er  der  (reber  war,  steht  in 
fast  allen  Urkunden. 

*)  Zwei  Urk.  Ottos  I.  für  Peterlingen  sind  verloren  gegangen;  vgl. 
Sickel,  Kaiserurk.  der  Schweiz  S.  68.  Erwähnt  wird  der  Mansus  zuerst  in 
St.  599  v.  25.  Juli  973. 

^)  Erwähnt  wird  der  Mansus  in  St.  599  und  1139;  dagegen  nicht  in 
St.  854,  einem  Diplom,  dass  Sickel  a.  a.  0.  S.  67  für  unecht  hält  und 
St.  898,  das  durch  seine  selbständige  Fassung  aus  der  Reihe  der  andern 
Diplome  fUr  Peterlingen  herausfällt.  In  die  Urk.  Heinrichs  II,  v.  21.  Oct.  1003 
ist  aus  den  Vorurkunden  wieder  cum  uno  nostro  manso  in  viUa  Baddes- 
back  etc.  aufgenommen,  ein  Umstand,  der  vielleicht  den  Irrtum  in  den 
Urk.  Konrads  II.  v.  9.  Sept  1024  und  1027  hervorgerufen  hat,  wo  es  heisst: 
regit  iuris  unum  nianaum  in  viUa  Badeleshach  a  praedicto  imperatore 
Henrico  eidem  monasterio  coUatum.  Auf  ähnlichen  Irrtum  ist  wohl  die 
Notiz  der  V.  Heinrici  c.  28  zurückzuführen,  dass  nämlich  Heinrich  in 
supplementum  necessaHum  rerum  in  Alsatia  optima  praedia  eidem  con- 
gregationi  (nämlich  Cluni)  contradidit. 

')  Grandidier,  Hist.  d'Alsace  I,  nr.  386  Urk.  Wilhelms  von  Strassburg 

V.  1031. 

^)  Hidber,  Schweizer.  Urkundenregister  nr.  1272. 

«)  Syri  epist.  dedicat,  Mabillon,  A.  SS.  V,  764;  Gfrörer,  Gregor  VII, 

VI,  32  will  darin  schon  einen  Beweis  cluniacensischer  Einwirkung  hin- 


221 

Geschäften  bewegen  mnsste.^)  Bei  Colmar  lag  die  Bnrg  der 
Grafen  von  Eggisheim.^)  Indem  wir  sie  früh  in  Verbindung 
mit  den  ClnniacenBem  nachweisen,  gewinnen  wir  eine  wert- 
volle Beleachtnng  für  die  ererbte  Sinnesweise  des  berühmtesten 
ihrer  Sprossen,  Brunos  von  Toni. 

Graf  Eberhard  liebte  unter  seinen  Besitzungen  yomehmlich 
die  Gegend  von  Mohlsheim  der  fruchtbaren  und  lieblichen  Lage 
wegen;  nicht  selten  weilte  er  hier  zwei  oder  drei  Tage.  Seinen 
sehnlichsten  Wunsch,  an  dieser  Stätte  ein  Kloster  zu  errichten, 
hinderte  ihn  der  Tod  zur  Ausführung  zu  bringen.  Sein  Sohn 
Hugo  aber,  ein  rauher  Mann,  erbaute  da  dem  hl.  Bartolomäus, 


sichtlich  der  Reform  in  Mnrbach  sehen.  Schnitze,  Forschungen  S.  23  hat 
dargethan,  dass  die  betreffende  Stelle  nichts  dafür  beweist.  Neuerdings 
ist  nun  Gatrio  in  der  Revue  cathol.  d'Alsace  1886  nr.  3,  S.  155  ff.  und  nach 
ihm  Ringholz,  Die  ehemalige  Begräbnisstätte  der  Kaiserin  Adelheid,  in  den 
Studien  u.  Mittheil.  aus  den  Benedictiner-  u.  Cisterzienserorden  1886  p.  V, 
Abschn.  II,  n.  1  daftir  eingetreten.  Da  mir  die  erstere  Abhdlg.  unzugäng- 
lich ist,  kann  ich  nur  nach  dem  Referat  Ringholz'  urteilen.  Danach  stützte 
sich  der  Beweis  Gatrios,  dass  Warner  und  Odilo  Aebte  von  Murbach 
waren,  auf  die  im  Anz.  f.  schweizer.  Gesch.  1883,  Heft  4  edierten  Murbacher 
Annalen.  Diese  Murbacher  Annalen  sind  nun  eine  jüngere  Compilation 
verschiedener  handschriftlicher  Nachrichten.  Der  Beweis  Gatrios  kann 
nur. darauf  beruhen,  dass  in  der  ganz  lückenhaften  Abtreihe  ein  Odolon 
abbas  sich  findet  und  zwar  vor  Guntram,  der  812  nachweisbar  ist  (vgl. 
Mossmann,  Chron.  des  dominicains  de  Gnebwiller  1844,  p.  395),  sodann 
unter  der  Rubrik:  De  nominibus  antiquorum  ein  Wemherus  und  Werin- 
herus,  Weder  der  eine  noch  der  andere  Name  gestattet  natürlich  irgend 
einen  Scbluss  auf  die  Cluniacenserreform.  Ebensowenig  ist  mit  einer 
Nachricht  etwas  anzufangen,  die  in  der  Notitia  fiindationis  et  primorum 
abbatnm  Murbac.  abbatiae  ad  saec.  usque  Xin.  bei  Grandidier,  Hist.  d'Al- 
sace  II,  p.  LXXII  sich  findet.  Es  heisst  hier,  dass  unter  Abt  Wanpert  die 
Ungarn  kamen  und  die  Mönche  zerstreuten,  die  unter  seinen  Nachfolgern 
Theodericus,  Rnpertus  und  Werinharius  vereinzelt  waren,  donec  fratres 
MurbacenaeSj  reparato  tandem  monasterio  et  ab  exilio  iterum  redeuntes  post 
Werinhanum  in  dbbatem  unanimiter  elegerunt  Beregherum^  der  976  nach- 
weisbar ist  Daraus  ginge  gerade  hervor,  dass  die  Reform  von  Murbach 
nach  dem  Abte  Werinher  erfolgte,  dieser  Werinher  also  mit  Warner  von 
Cluni  schwerlich  identifiziert  werden  kann. 

1)  Als  Propst  ist  er  etwa  v.  J.  969  bis  c.  994  nachzuweisen. 

')  Ueber  die  Grafen  von  Eggisheim  und  ihre  geistl.  Stiftungen  vgl. 
LaqaiÜe,  Hist.  de  la  province  d'Alsace,  Strassbourg  1727 1, 1 54. 166;  MSmoires 
et  doonments  pnbli^s  par  bi  sooi^t^  d'hist.  et  d'aich^ol.  de  G^növe  XYI,  2 
(1867). 


222 

Gregor  nnd  anderen  Heiligen  ein  Eircblein.  Die  Weihe  dieser 
Kirche  nntemahm  auf  Hngos  Bitten  der  Bischof  Erchembold^ 
von  Strassbnrg  nnd  zwar  in  Gegenwart  —  des  Majolus  von 
Clani.  Reiche  Schenkungen  liess  der  Graf  dem  neuen  Kloster, 
das  sich  hier  erhob,  zu  Teil  werden:  die  Zehnten  von  Altorf, 
so  hiess  die  Abtei,  die  aller  benachbarten  Güter  und  des 
ganzen  Gebirgslandes,  das  um  die  Burg  auf  dem  Burg- 
berge lag.') 

In  einem  spätem  Privileg  Leos  IX.  wird  des  Mtyolus  Auf- 
enthalt in  Altorf  gedacht;  sollte  sich  die  Erinnerung  daran 
anders  erklären  lassen,  als  wenn  man  annimmt,  dass  er  durch 
Massregeln  und  Anordnungen  einen  tieferen  Eindruck  hinter- 
lassen hat?  Wird  man  es  sich  haben  entgehen  lassen,  ihn  bei 
der  Errichtung  einer  neuen  Abtei  um  Rat  zu  fragen?  Man 
setzt  die  Einweihung  der  Kirche  ins  Jahr  974,  in  dasselbe,  in 
welchem  wir  Majolus  am  kaiserlichen  Hofe  finden.  Vielleicht 
ist  eine  Nachricht  des  Syrus  damit  in  Verbindung  zu  bringen, 
dass  bei  einem  Aufenthalt  in  Deutschland  ein  seit  langer  Zeit 
in  Krankheit  verfallener  Graf  den  Abt  von  Cluni  zu  sich  be- 
scheiden liess.^) 

Italienische  Reisen  des  Majolus. 

I. 

Inzwischen  war  Majolus  in  Italien  mehrfach  in  persönliche 
Beziehungen  zu  dem  deutschen  Kaiserhause  getreten. 

Im  Frühjahr  967  zog  er,  wahrscheinlich  um  den  Sarra- 
zenen  zu  entgehen^),  welche  die  westlichen  Alpenpässe  besetzt 
hielten,  in  einem  grossen  Bogen  über  Ghur  durch  das  Rheintal 
nach  Italien.  In  Ghur  weilte  er  Ende  März  kurz  vor  dem 
Osterfest,  das  damals  auf  den  31.  März  fiel,  und  heilte  durch 
seine  Gebete  den  Bischof  Aripeii;  wenigstens  so  weit,  dass  er 

»)  965—991. 

8)  Urk.  Leos  IX.  v.  28.  Nov.  1049  bei  Grandidier  I,  nr.  407;  Schöpf  lin  I, 
164;  SS.  XV,  2,  998;  Jaff^-L.  4206;  daraus  schöpft  die  Notitia  II.  Alttorf, 
bei  Grandidier  I,  nr.  350 ;  SS.  XV,  2,  998. 

')  Syr.  II,  c.  1 1 :  Jn  Alemanniae  partibits  quodam  tempore  cwn  mora- 
retwTj  eiti8  adventua  rumore  di/famatOj  ad  eum  cuiuadam  comitis  concita 
pervenit  legatio. 

*)  Nach  einer  Vermutung  Kellers,  Der  Einfall  der  Sarrazenen  in  die 
Schweiz,  Mittheil,  der  antiqnar.  Gesellschaft  in  Zürich  XI,  14  n.  36. 


223 

die  österlichen  Vorbereitnngen  treffen  konnte  i);  freilieb  starb 
dieser  dann  im  nächsten  Jahre  Vom  16.  bis  19.  Juli  ist  der 
Abt  in  Pavia  nachzuweisen.  Hier  erwarb  er  den  ersten  cluni- 
acensischen  Besitz  auf  italienischem  Boden.  Ein  Priester  Adal- 
gis  ttbertrng  ihm  eine  Kapelle  der  hl.  Jungfrau  und  einige 
Gnindsttteke  bei  Pavia  behufs  einer  Elostergrttndung;  welche 
die  Aebte  von  Cluni  völlig  beherrschen  sollten  2);  alles  dies 
hatte  Adalgis  am  selben  Tage  vom  kaiserlichen  Richter  Gaidulf 
empfangen.^)  Zwei  Tage  später  liess  der  um  den  Besitz  im 
fremden  Lande  besorgte  Abt  denselben  vor  dem  kaiserlichen 
Pfalzgrafen  durch  ein  Placitum  nochmals  feierlich  sich  zu- 
sprechen. Damals  erschien  Majolus  vor  dem  kaiserlichen  Ge- 
richtshöfe, der  mit  Erlaubnis  des  Bischofs  Lietfried  in  Pavia  sich 
aufgetan  hatte:  er  wird  Abt  von  St.  Peter  in  Burgund  genannt 
und  des  jüngst  erbauten  Klosters^),  das  zu  seiner  Zeit  noch 
durch  sumpfige  Wege  mit  der  inneren  Stadt  verbunden  war. 
Es  war  sein  Aufenhaltsort,  so  oft  er  seitdem  nach  Pavia  kam^), 
und  ward  nach  seinem  Tode  ihm  selbst  geweiht.^)  Der  cluni- 
acensische  Besitz  in  Oberitalien  vermehrte  sich  am  6.  April 
971  durch  einige  Güter  am  Po,  welche  der  Markgraf  Albert 
verlieh''),  und  einen  Hof  bei  Pavia,  den  Kaiser  Otto  I.  auf 
Bitten  der  Kaiserin  Adelheid  schenkte.^) 


»)  Syr.  II,  c.  17. 

*)  CHOL  II,  nr.  1229:  ut  abeant  motiahi  Uli  quem  ipse  domnus  Magiolus 
abba  suique  successorea  in  praedicta  capeüaj  qua  nunc  monesterium  con- 
stituo  esse  intra  urbem  Ticinensem;  nullus  alius  omo  abemd  lieendam  nee 
potest4dem  abam  nee  monachum  ibidem  ordinandi,  nixi  domnus  Magiolus 
abha  monasterio  sancti  Fetri  sita  loco  Cloniacus  aut  sui  »uccessores. 
16.  Juli  967;  Stumpf  ur.  429. 

*)  CHCL II,  nr.  1228  v.  16.  Juli  967;  Stumpf  nr.  428. 

«)  CHCL  II,  Note  zu  nr.  1228  und  1229.  Placitum  Otberts  vom  18. 
Juli  967. 

>)  Anon.  Silyiniac.  V.  S.  Maioli  c.  19,  Bibl.  Clun.  col.  1 775 :  ubi  sanctus 
pater  demorari  solitus  etc. . .  Inter  hanc  atUem  et  inter  praedictae  civitatis 
Hedem  quidam  erat  locus  pro  paludis  et  aquarum  receptaculis  sancto  patri 
iotis  nimirumque  infestus. 

*)  Ueber  St.  Migolus  bei  Pavia  vgl.  Romualdus  a  S.  Maria,  Flavia  Papia 
Sacra,  Pavia  1699,  p.  107  ff.,  wo  viel  falsches.  ')  CHCLI I,  nr.  1295. 

')  CHCL  U,  nr.  1143  undatiert  und  ohne  Actum.  Bruel  datiert  962  bis 
973.  Da  eine  Verbindung  Ottos  und  des  Abtes  von  Cluni  vor  967  nicht 
nachweisbar  ist,  wird  sich  die  Zeit  von  967—973  beschränken  lassen. 


224 

Im  Juli  967  war  Otto  nicht  mehr  in  Pavia*);  da  er  sich 
aber  um  diese  Zeit  in  Oberitalien  befand,  könnte  Majolas  ihm 
an  einem  andern  Orte  begegnet  sein.  Der  Abt  kam  von  dort 
nach  Rom,  wo  sich  ihm  Gelegenheit  bot,  wieder  in  St.  Paul 
einzugreifen,  jener  Abtei,  die  Abt  Odo  einst  der  Beform  gewonnen 
hatte.  Nach  Odos  Ableben  muss  es  hier  heftige  Kämpfe  gesetzt 
haben.  Noch  Papst  Agapit  II.  war  mit  der  Durchführung  der  Re- 
form beschäftigt;  er  bat  den  Abt  Einold  von  Gorze  um  religiöse 
Mönche  2),  wohl  zu  einer  Zeit  als  der  Ruf  des  Metzer  Klosters 
den  von  Gluni,  das  unter  Aymard  an  allgemeinem  Ansehen 
etwas  verlor,  überstrahlte.  Dass  sich  die  Brüder  von  St  Paul 
aber  ihres  Zusammenhangs  mit  Gluni  bewnsst  blieben,  erhellt 
daraus,  dass  während  der  Parteistürme,  welche  die  sächsische 
Herrschaft  in  den  sechziger  Jahren  in  Rom  hervorrief,  die  in 
ihrer  Existenz  bedrohten  Mönche  mit  dem  Heiligsten,  was  sie 
retten  konnten,  der  Asche  der  Apostel  Peter  und  Paul,  in  dem 
französischen  Kloster  Zuflucht  suchten.')  Die  Gelegenheit,  die 
sich  Majolus  bot,  in  Italien  einigen  Einfluss  auszuüben,  be- 
nutzte er,  um  auch  in  St  Paul  wieder  Ordnung  zu  schaffen. 
Bei  seinem  ersten  Besuche  im  Jahre  967^)  fand  er  eine  arm- 


*)  Das  Itinerar  des  Kaisers  yom  24.  Juni  bis  24.  Sept.  967  ist  un- 
bekannt, vgl  Dümmler,  Otto  der  Grosse  S.  422.  Dass  der  Kaiser  nicht 
in  Pavia  war,  erhellt  daraus,  dass  in  keinem  der  drei  Placiten  der  An- 
wesenheit desselben  Erwähnung  geschieht,  was  wohl  sonst  üblich  war. 
Vgl.  ein  anderes  Placitnm  vom  12.  Juni  967  (DOI  nr.  342);  v.  3.  Nov.  971 
in  Chiasso  (Muratori,  Antichita  Est  I,  147;  St.  494);  v.  14.  Oct.  1001  (Mura- 
tori,  Antich.  Est  I,  125;  St  1269).         *)  Vita  Johannis  Gorz.  c.  58. 

')  Hugonis  epist.  ad  Pontium,  Bibl.  Clnn.  col.  560:  Tandem  seditionis 
urbe  turbata  motibuSf  quos  illa  civitas  infausto  %uiu  creberrime  patitur, 
malis  urgentibw  monachi  discedentes  vas  iUud  apostolicorum  cinerum  Sacra 
secvmi  pignora  aecimi  dettderunt  sicque  Cluniacum  propere  pervenerunt. 
Im  Cod.  Paris,  lat  942  saec.  XYII  liegt  zwischen  fol.  137  und  138  ein 
kleiner  Zettel,  auf  dem  folgende  Worte  stehen:  Tempore  sancti  Maioli 
cineres  apostolorum  Petri  et  Pauli  fuere  rqpositi  9ub  ara  .  .  maioris  tdtaria 
aancti  Petri  veteris.    Lbi  versus  sequentes  leguntur: 

Pastor,  PetrCf  gregis  coelestis  claviger  aulae 

Divinae  legis  tu  doctor  m<iximej  Paule, 

Hie,  qttorum  cineres  domino  praestante  reponi 

Testantwr  veteres,  ncbis  estote  patroni. 
*)  Bei  Syr.  II,  c.  18  wird  sein  Aufenthalt  in  St.  Paul  gesetzt  zwischen 
seinen  Besuch  in  Ghur  bei  Bischof  Aripert  und  seine  Bekanntschaft  mit 
Otto  I.  Da  Aripert  968  starb,  kann  es  sich  nur  um  die  Reise  von  967  handeln. 


225 

selige  Schaar  verkommener  Brüder.  Ihren  dringenden  Gesuchen 
um  Beistand  in  der  Not  willfahrte  er  durch  Geldgeschenke; 
er  besserte  ihre  Sitten  <)  and  bei  einem  zweiten  Aufenthalt 
setze  er  ihnen  auf  ihre  Bitten  einen  Prior 2),  vielleicht  nach 
dem  Ableben  jenes  Ingenald,  der  auch  Abt  von  St  Julien  in 
Tours  war  und  auf  einer  Reise  von  Rom  nach  Frankreich  von 
den  Sarrazenen  getödtet  wurde.^) 

So  sehen  wir  Majolus  in  den  Fusstapfen  seines  Vorgängers. 
So  oft  er  von  jetzt  an  nach  Rom  kam,  besuchte  er  die  heiligen 
Stätten.  Aufgelöst  und  in  Thränen  schwimmend  lag  er  an 
Gräbern  der  Apostel,  und  auf  allen  diesen  Reisen  bezeichneten 
seinen  Weg  Denkmale  der  Barmherzigkeit  gegen  das  arme 
Volk,  das  die  vielbereisten  Strassen  Italiens  damals  erfüllte.^) 
Um  diese  Zeit  muss  der  Abt  bei  Papst  Johann  XIII.  Klage 
erhoben  haben  gegen  die  weltlichen  Grossen,  welche  cluni- 
acensischen  Besitz  belästigten.  Mit  Feuer  ergriff  der  Papst 
die  Sache  des  französischen  Klosters.  Indem  er  sein  Schutz- 
recht geltend  machte  und  sich  auf  das  Protektorat  berief,  das 
ihm  über  die  Abtei  übertragen  sei,  indem  er  auf  die  Vorrechte 
und  die  Sorge  derselben  um  aller  Seelenheil  hinwies,  bedrohte 
er  in  einem  an  die  Bischöfe  von  Lyon,  Arles,  Vienne,  Cler- 
mont,  Mäcon,  Besan^on,  Valence,  die  proven^alischen  und  ost- 
französischen  Kirchenfttrsten,  gerichteten  Schreiben^)  jeden  Ein- 
griff in  die  Rechte  und  Besitzungen  der  Abtei  mit  dem  Anathem 
und  forderte  namentlich  Stephan  II.  von  Glermont  und  Ado 
von  Mäcon  auf,  Cluni  ihren  Schutz  angedeihen  zu  lassen,  letz- 
teren der  Nachbarschaft  wegen,  die  ihm  erlaube,  um  so  zeitiger 
beizuspringen ,  ersteren,  weil  das  in  seiner  Diöcese  belegene 


')  Syr.  II,  c.  18. 

»)  Petri  Damiani  Opusculum  XXXIII,  c.  8,  Opp.  in  (Venet  1783), 
384 :  quia  sicut  rogattta  fuerat,  e/wm  in  monasterio  S,  Pauli  priorem  con- 
stUuere  decreviaset, 

')  Brevis  Bist.  Turon.  bei  Salmon,  Receuil  de  Chroniques  de  Ton- 
raine  p.  228:  Ingenaldus  siiccessit  Hie  dum  a  Borna  reverteretur  de 
monasterio  S.  Fauli,  cuius  rector  eratj  inter  Apenninas  Alpes  a  Sarracenis 
interemptiAS  est. 

*)  Syr.  II,  c.  16. 

')  J.-L.  3744;  Bull.  Gluniac.  p.  5;  zwischen  968—971  ausgestellt;  ver- 
mutlieh  hatte  also  M%jolus  den  Papst  967  für  seine  Sache  interessirt. 

Sftokor,  Olnnlacenaar.    I.  15 


226 

Kloster  SanxillaDges  dnrch  einen  bischöflichen  Unterthan  Am- 
blard  eines  Gates  beraubt  worden  war. 

Majolus  nächster  Anfenthalt  jenseits  der  Alpen  lässt  sich  wohl 
im  April  971  aonehmen.O  War  der  Kaiser  anch  diesmal  nicht 
gleichzeitig  iu  der  lombardischen  Hauptstadt,  so  ist  der  Abt 
in  der  nächsten  Zeit  doch  sicher  an  den  Hof  Ottos  des  Grossen 
gezogen  worden.  Sein  Ruf  war  bis  an  den  deutschen  Kaiser- 
thron gedrungen;  der  Kaiser,  ein  Freund  der  Mönche,  hatte 
den  Wunsch,  den  seltenen  Mann  kennen  zu  lernen.  Die  We- 
kanntschaft  wurde  durch  den  bereits  genannten  Helderich  ver- 
mittelt. Es  folgte  eine  Periode,  in  welcher  der  Abt  von  Gluni 
zu  den  angesehensten  Persönlichkeiten  am  kaiserlichen  Hof- 
lager gehörte  und  auf  den  Herrscher  selbst,  dessen  geheimer 
Ratgeber  er  wurde,  keinen  geringen  Einfluss  ausüben  durfte. 
Nicht  selten  hatte  er  hier  Gelegenheit  als  Fürsprecher  und 
Vermittler  zu  erscheinen.^)  Es  heisst,  dass  Kaiser  Otto  sich 
mit  dem  Gedanken  getragen  habe,  ihm  seine  italienischen  und 
deutschen  Klöster  zu  übergeben;  wahrscheinlich  scheiterte  der 
Plan  an  seiner  Undurchftlhrbarkeit  und  vielleicht  an  dem 
Widerstände  des  einheimischen  Clerus.  Aber  Adelheid  zeigte 
sich  doch,  wo  es  ihr  möglich  war,  als  warme  Anhängerin  der 
französischen  Reformbestrebungen. 

Von  Pavia,  wo  wir  Majolus  zuerst  treffen,  begab  er  sich 
nach  Rom  wohl  zu  einer  Zeit,  als  die  Vermählung  Ottos  IL 
mit  der  Griechin  Theophano  stattfand.  Johann  XIII.,  der 
sich  schon  einmal  Majolus  gegenüber  hilfreich  erwiesen^),  be- 
stätigte die  Reform  des  Klosters  St.  Salvator  bei  Pavia,  welche 
die  Kaiserin  damals  durch  Majolus  unternehmen  liess.  Durch 
Grundbesitz  und  Kirchenschmuck  bereicherte  sie  das  Kloster 
und  stellte  es   unter  den  Abt  von  Cluni.^)    In  einer  Urkunde 

»)  CHOL  11,  nr.  1295;  vgl.  oben  S.  223. 

«)  Syr.  II,  c.  22.  »)  Jaff6-L.  nr.  8744  v.  968—971. 

*)  Odil.  Epit.  S.  Adelh.  c.  9:  Postmodum  in  Italia  iuxta  Ticinensem 
urbem  monasterittm  a  fundamentis  incoepit  et  ad  honorem  Salvatoris 
mundi  honorifice  imperiäli  auctoritate  et  sua  largtasima  donatione  per- 
fecit;  praediis  et  omamentis  ampliasime  ditavit  oe  tarn  dicto  patri  Maiolo 
ordinandvm  regtdariter  tradidit  Odilo  schreibt  an  Andreas  y.  St.  Salvator, 
SS.  IV,  637 :  cuius  (Adelh.)  industria  atque  prtidentia  vestri  monasterii  a 
fundamentis  crevenmt  aedificia  cuiusque  sufrtentamini  larga  eontintuique 
munificentia;  Syr.  II,  c.  22;  Nalgodi  V.  Mai.  c.  22;  Anon.  Silvin.  c.  18. 


227 

vom  24.  April  972,  eben  zur  Zeit  der  Hochzeit  des  jungen 
Kaisersohnes,  nahm  der  Papst  auf  Adelheids  Bitten  die  Abtei 
in  seinen  Schutz  und  verbot  feierlich,  dass  eine  weltliche  oder 
geistliehe  Person  irgend  welche  Herrschafi;  hier  ausübe.  Natür- 
lich wurde  freie  Abtwahl  zugesichert;  nie  sollten  Zehnten  ge- 
zahlt werden.  1)  Im  selben  Monat  machte  Johann  XIII.  dem 
Bischöfe  von  Pavia  von  diesen  Bestimmungen  Mittheilung  und  er- 
klärte dabei,  dass  Adelheid  hier  heilige  und  ehrwürdige  Kloster- 
brüder, von  wo  es  nur  möglich  war,  vereint  habe.*)  Otto  I., 
sein  Sohn  und  sein  Enkel,  urkundeten  dann  für  St.  Salvator.^) 
Der  Abt,  den  Majolus  hier  einsetzte,  hiess  Andreas  4);  er  stand 
Odilo  von  Cluni,  der  ihm  sein  Epitaphium  der  Kaiserin  Adel- 
heid mit  einem  Widmungsschreiben  übersandte,  besonders  nahe. 
Um  dieselbe  Zeit  erfolgte  die  Reform  von  San  Apollinare 
in  Glasse  bei  Ravenna.^)  Wir  sind  über  dieselbe  nicht  näher 
unterrichtet  und  wissen  nur,  dass  die  Abtei  in  wirtschaftlicher 
Hinsicht  durch  Leihverträge  so  sehr  heruntergekommen  war, 
dass  die  Brüder  an  allem  Mangel  litten.  Otto  I.  half  der  Abtei 
schliesslich  auf,  so  dass  sie  im  Frühjahr  972  sich  wieder  in 
günstigeren  Umständen  befand.  Damals  war  das  Kloster  restau- 
rirt^');  in  diese  Zeit  haben  wir  also  die  Eingriffe  des  Abtes 


«)  HPM  XIII,  1 277 ;  Jaff6-L.  3764. 

*)  HPM  XIII,  1281 :  Ädelkeis  , . .  saitctosqtie  ac  venerahiles  coenobitas 
ündem  wndecumque  potuit  coUigere  curavit. 

»)  St.  476  a.  826.  1237. 

*)  Drei  Schenkungsurkunden  der  Adelheid  für  St.  Salvator  v.  AprQ 
999  nennen  zwar  den  von  Adelheid  ordinierten  Abt  Tidebaldus  oder 
Ildebaldus.  Indes  sind  die  Urkunden  (Hist.  patr.  Mon.  XIII,  1754)  nicht 
authentisch. 

»)  Syr.  II,  c.  28 :  Per  idem  tempus  (d.  h.  quo  monast.  S.  Salvat.  refor- 
mayit)  heaH  ApoUinaris  coenobium,  quod  per  viginti  quatuor  stadiorum 
gpatium  a  Ravennate  urbe  fertur  aeposituMj  ad  beati  Benedicti  instituit 
tramitem  ibique  sutan  ordinavit  abbatem. 

*)  DOI,  nr.  410  ▼.  25.  Mai  972.  Der  Erzbischof  Honestus  sagte:  ita  in 
dissipatiane  poaituB  fuü,  ut  eiuadem  monasterii  coenobite  cunctis  necesaariis 
indigebantj  veatris  vero  tempestatibus  Dei  favente  pietate  vestrisque  sacris 
subsidiis  aubvenumtibus  ita  restawratum  nwnc  cernitvr,  qtw  bonis  universis 
habundat.  Allerdings  tritt  wenig  später  Romuald  in  dieses  Kloster  und 
ist  mit  den  Mönchen  so  unzufrieden,  dass  er  nach  drei  Jahren  die  Abtei 
verlSsst.  Indes  ist  R.  in  dieser  Hinsicht  ein  sehr  einseitiger  Beurteiler, 
andererseits   wäre  ja  möglich,   dass   die  Klosterzncht  in  der  That  bald 

15* 


228 

von  Gluni  und  die  Einsetzang  des  neuen  Leiters  von  San  Apol- 
linare  zu  verlegen.  Der  Erzbischof  Uonestns  ging  Otto  I.  und 
Otto  II.  mit  der  Bitte  an,  Bischöfen  und  Aebten  fernere  Emphy- 
teusalverleihungen  zu  verbieten,  sowie  die  Honorarfordernng 
ftir  saeramentale  Handlungen.  Die  Herrscher  gewährten  am 
28.  Mai  972  die  Bitte  und  verboten  ausserdem  den  weltliehen 
Beamten  den  Zutritt  zum  Abteibesitz  behufs  Vornahme  beamten- 
massiger  Handlungen. 

In  demselben  Frühjahr,  wie  es  scheint'),  trat  Majolus  die 
Rückreise  an.  Er  wählte  diesmal  den  Weg  über  den  grossen 
St.  Bernard.  Die  Passhöhe  war  bereits  erklommen,  —  es  war 
etwa  der  20.  Juli  —  als  Majolus,  an  den  sich  zahlreiche 
Pilger  angeschlossen  hatten,  bei  Orsiöres  im  Thal  der  Drance 
sich  von  einer  nicht  unbedeutenden  Maurenhorde  bedrängt  sah.^) 

nachliess.  Am  30.  Nov.  998  leistete  der  Abt  Petrus  dem  Erzbischof  Ger- 
bert einen  mit  cluniacensischem  Brauche  und  Geiste  allerdings  wenig  ver- 
einbaren Obödienzeid  (Mitarelli,  Ann.  Gamaldul.  I,  app.  147).  Trotzdem 
glaube  ich  nicht,  bei  der  genauen  Ausdruckweise  des  Syrus  und  dem 
übereinstimmenden  Inhalt  der  Urk.  der  Kaiser  Otto  I.  und  IL,  dass  man 
an  San  Apollinare  nuovo  in  Ravenna  zu  denken  hat,  eine  Abtei,  die  da- 
mals vom  Herzog  Peter  von  Ravenna  neu  gegründet  wurde  und  deren 
Abt  Andreas  am  11.  Mai  973  durch  den  Erzbischof  die  Weihe  erhielt. 
Vgl.  die  Urk.  bei  Fantuzzi,  Monum.  Ravenn.  I,  178;  Serie  degli  abbat  del 
monast.  etc.  a.  a.  0.  VI,  259. 

*)  Im  Sept  972  ist  Majolus  bereits  wieder  heimgekehrt  (CHGL  II, 
1322).  Andererseits  würde  die  genaue  Interpretation  einer  Stelle  des  Syr. 
III,  c.  10  allerdings  auf  973  führen.  Danach  soll  Majolus:  Quodam  tem- 
porCf  dum  Borna  rediret  den  Tod  Ottos  I.  vorausgesagt  haben.  Als  er 
dann  in  proximo  .  .  .  Provinciam  reveraus  einige  Tage  in  einer  Obödienz 
weilte,  sei  die  bestätigende  Nachricht  aus  Deutschland  gekommen.  Das 
ist  nun  nicht  gerade  wahrscheinlich,  wenn  man  annimmt,  Majolus  sei  im 
Sommer  973  auf  der  Rüchreise  gewesen.  Ende  Juli  gerät  er  in  die  Ge- 
fangenschaft der  Sarrazenen ;  am  7.  Mai  ist  Otto  gestorben.  Die  Nachricht 
von  dem  Tode  desselben  würde  ihn  also  erst  fast  drei  Monate  später  er- 
reicht haben,  eine  Folgerung,  die  man  schwerlich  billigen  wird.  Forner 
soll  er  nach  DO  II,  51  (Original urk.)  am  25.  Juli  973  bereits  am  Hofe 
Otto's  U.  in  Aachen  gewesen  sein! 

')  Syr.  III,  c.  1 1 :  cum  iam  cacumina  Alpinae  praeterissent  altitudinis 
ad  vilkmi  usque  descenduntj  quae  prope  Dranci  fluvii  decursum  posita 
PonS'Uraarii  qiwndam  vocitari  erat  aolita;  Nalgod.  III,  c.  22:  Trafiscensis 
iffitw  Alpibus  cum  Jovini  montis  declivia  sequerentwr;  Rod.  Glaber  Hist. 
I,  c.  4:  in  arctissimis  Alpium.  Vgl.  Dümmler,  Otto  d.  Gr.  S.  485  note  1.; 
Keller,  Der  Einfall  der  Sarazenen  in  die  Schweiz  a.  a.  0.  S.  15  note  23  j  G. 


229 

Man  hoffte  durch  die  Gefangennahme  des  heiligen  Mannes  ein 
hohes  Lösegeld  erpressen  zn  können,  nnd  so  sehr  er  darauf  be- 
stand, dass  er  selbst  arm  sei,  so  hatte  er  doch  zageben  müssen, 
dass  einige  reiche  Herren  unter  seiner  Botmässigkeit  ständen. 
Auf  tausend  Pfund  Silber  ward  er  abgeschätzt  und  ein  Bote  mit 
einem  Briefe  des  Abtes,  in  welchem  er  um  Auslösung  bat,  nach 
Gluni  gesandt.  In  der  Zwischenzeit  gelang  es  der  Ehrfurcht 
gebietenden  Persönlichkeit  des  Majolus  bei  seinen  Gegnern 
Milde  und  sogar  Verehrung  hervorzurufen.^)  Nach  der  Bttck- 
kehr  des  Boten  erfolgte  die  Freilassung;  den  15.  August,  Maria 
Himmelfahrt,  feierte  er  bereits  mit  den  Seinen.^) 

Die  Gefangennahme  des  Majolus  durch  die  Sarrazenen 
war  die  Veranlassung  zu  ihrer  Vertreibung  durch  den  Grafen 
Wilhelm  von  Arles. 

n. 

Der  erste  Graf  von  Arles  war  Wilhelms  Vater  Boso  IL, 
Rotbolds  Sohn,  der  zuerst  im  Jahre  948  nachweisbar  ist  und 
das  Land  von  König  Konrad  von  Burgund  zu  Lehen  erhielt.^) 
Bereits  zehn  Jahre  später  überwies  er  an  Majolus  die  Abtei 
Saint-Amand  in  der  Grafschaft  Trois-Chateaux  am  linken  Ufer 
der  unteren  Rhone  sammt  den  dazu  gehörigen  Gütern.  In  dem 
am  13.  Sept.  958  ausgestellten  Diplom  Konrads  von  Burgund 
wurde  die  Untergebung  des  Klosters  unter  Cluni  zu  dauerndem 
Besitz  ausdrücklich  bestätigt.*)  Im  Nov.  960  erfolgte  die  Ver- 
briefung von  Seiten  des  französischen  Königs.^)  Auch  in  dem 
Privileg,  in  welchem  Gregor  V.  die  der  Abtei  Gluni  unterwor- 
fenen Klöster  und  Gellen  bestätigt,  ist  St.  Amand  mit  auf- 
geführt. 


Bemdt,  Das  Val  d'Anniviers  und  das  Bassin  de  Sierre  in  Petermanns 
MittheU.,  Ergänzungsheft  68,  S.46. 

»)  Rod.  Glab.  I,  c.  4. 

*)  Syr.  III,  c.  40;  Naigod  III,  c.  23.  Majohis  bittet  die  hl.  Jungfrau  bis 
zum  Tage  der  Himmelfahrt  frei  zn  sein.  Syrus  bemerkt,  dass  bis  dahin 
noch  24  Tage  waren;  die  Gefangennahme  wäre  also  auf  den  21.  oder 
22.  Juli  zu  setzen.  Einen  Tag  nach  dem  Gebet  lässt  ihn  Naigod  durch 
ein  Wunder  frei  werden. 

*)  Bresslau,  Jahrb.  Konrads  II,  11,21;  Papon,  Eist.  gen6r.  de  Pro- 
vence II,  478. 

*)  CHCLII,  1052.  ß)  II,  1067;  Migne,  Patrol.  lat.   137,  779. 


230 

Zuletzt  wird  Boso  II.  bemerkt,  wie  er  mit  dem  Adel  von 
Arles  im  März  965  Gericht  hält  und  im  Einverständnis  mit 
seinen  beiden  Söhnen  Rotbold  und  Wilhelm,  die  schon  den 
Grafentitel  führten,  der  Kirche  St.  Maria  und  Victor  in  Mar- 
seille entrissenen  Besitz  zurückerstattet.  0  Bereits  am  20.  Aug. 
967  oder  968  sass  Graf  Wilhelm  an  Stelle  des  Vaters  zu 
Gericht  und  entschied  über  Güter  in  der  Grafschaft  Aix,  auf 
welche  die  Marseiller  Kirche  Anspruch  erhob.  ^)  Er  selbst 
besass  schon  vor  der  Vertreibung  der  Sarrazenen  Güter  in  den 
Grafschaften  Fr^jus  und  Sisteron.^) 

Inzwischen  sassen  die  Mauren  in  Garde-Frainet  am  Golf 
von  St.  Tropez,  wo  noch  in  späterer  Zeit  ein  alter  Thurm  und 
zahlreiche  Gräber  an  ein  Schlachtfeld  erinnerten.^)  Als  sie 
jetzt  nach  der  Loslösung  des  Abtes  Von  Gluni  ihren  Schlupf- 
winkel Garde-Frainet  wieder  aufsuchten,  lauerte  Wilhelm  ihnen 
auf,  umzingelte  sie,  schlug  sie  und  scheuchte  den  Rest  auf  einen 
unzugänglichen  Felsenvorsprung,  von  dem  die  Ueberlebenden 
in  die  Tiefe  stürzten,  als  sie  jeder  Hoffnung  beraubt,  zur  Nacht- 
zeit die  Rettung  versuchten.  Einige  wenige,  die  dem  Verderben 
entgangen  waren,  empfingen  die  Taufe.  Majolus  war  nicht 
zugegen;  ihm  schrieb  man  aber  nicht  zum  wenigsten  das  Ver- 
dienst zu,  dass  die  Strasse  nach  Italien  fUrder  frei  blieb.^) 

Eine  Folge  der  allmählichen  Verjagung  der  muhame- 
danischen  Piraten  war  nun  sicherlich  der  Gewinn  der  Insel 
Ldrins  zwischen  Nizza  und  Fr^jus  fUr  Gluni.  Hier  standen 
ursprünglich  zwei  Klöster,  eines  für  Nonnen,  eines  für  Mönche, 
aus  denen  die  Sarrazenen  die  frommen  Bewohner  vertrieben 
hatten.  Als  dann  unter  Konrad  dem  Friedlichen  die  Provence 
wieder  einige  Ruhe  hatte,  vereinigte  der  König  von  Burgund 


^)  6u6rard,  Cartul.  de  St.  Victor  de  Marseille  I,  nr.  20,  p.  40;  bei 
Ruffi,  Hist.  des  comtes  de  Prov.,  Aix  1H55,  p.  48  fälschlich  934  datiert. 

*)  Carl  de  St.  Victor  I,  nr.  290. 

8)  I,  nr.  598. 

*)  Bouche,  Essai  sur  l'hist.  de  Provence  I,  242. 

«)  Syr.  III,  c.  6  u.  7 ;  Odil.  V.  Majoli,  Bibl.  Clan.  col.  289;  Rod.  Glab.  I, 
c.  4,  §  9.  Vgl.  die  merkwürdigen  Nachrichten  der  V.  Bobonis  Viquer.  in 
den  Acta  SS.  Mai.  V,  187 ff.,  welche  das  Verdienst,  die  Sarrazenen  aus 
Garde-Frainet  yertrieben  und  teilweise  getauft  zu  haben,  dem  hl.  Bobo 
zuschreibt,  einem  sonst  ganz  unbekannten  Heiligen. 


231 

beide  Abteien,  L^rins  und  Arlne,  die  er  wiederherstellte,  mit 
Montmajour.  Aber  die  Buhe  währte  nur  kurze  Zeit  Auch 
die  Vertreibung  der  Mauren  befreite  die  Bewohner  der  Insel 
nicht  von  ihren  räuberischen  Anfällen.  Kurze  Zeit  nach  dem 
Siege  Wilhelms  von  Arles  sollen  Abt  und  Mönche  noch  einmal 
ihre  Opfer  geworden  sein.^)  Indes  nur  wenige  Jahre  später, 
am  22.  April  978  gewährte  Papst  Benedict  VII.  dem  Majolns 
beide  Abteien  auf  seine  Bitten  zu  vollem  Besitz,  und  weil  sie 
bisher  unter  der  Herrschaft  und  dem  Schutze  des  römischen 
Stuhles  gestanden  hatten,  so  bedang  sich  der  Papst  einen  jähr- 
lichen Zins  von  ftinf  Solidi  aus.^) 

Auch  sonst  scheint  die  That  Wilhelms  ftlr  Majolus  nicht 
ohne  günstige  Folgen  gewesen  zu  sein.  Jedenfalls  kam  er 
jetzt  wieder  in  den  Besitz  eines  Theiles  seines  Erbes,  das  er 
vor  seinem  Weggange  nach  Mäcon  eingebttsst  hatte.  Dass  er 
Wilhelm  von  Arles  dasselbe  überliess^),  scheint  anzudeuten, 
wie  sehr  er  in  ihm  seinen  Retter  und  Rächer  verehrte.  Ueber- 
haupt  erlangte  jetzt  das  Geschlecht  der  Grafen  von  Arles  eine 
ganz  andere  Stellung,  als  früher.  Das  den  Mauren  abge- 
nommene Land  ging  durch  königliche  Verleihung  in  den  that- 
sächlichen  Besitz  dieses  Hauses  über^),  und  ob  den  früheren  Eigen- 
tümern das  verlorene  Land  zurückerstattet  werden  solle,  sehen 
wir  schliesslich  von  dem  Entscheid  der  gräflichen  Familie  ab- 
hängen.^) Aber  auch  andere  Titel  bezeichneten  die  Erhöhung 
der  Macht  Wilhelms  von  Arles.  In  den  siebziger  Jahren  nennt 
er  sich  zwar  noch  Graf  der  Provence«),  979  aber  schon  Mark- 
graf der  Provinz  von  Arles  ^),  nach  990  Fürst  der  gesammten 

0  AUiez,  Hist.  du  monastere  de  L^rins,  Paris  1862,  ü,  c.  XI, 
p.  38  ff. 

>)  ürk.  Benedicts  HF  IX,  245;  Jaff6  L.  3796.  Barralis,  Chronologia 
sanctorum  et  aliorum  yirorum  ac  abbatum  s.  insulae  Lerin.  Lyon  1613, 
S.  389  hält  die  Urkunde  für  unecht ,  weil  das  von  ihm  benutzte  Docu- 
ment  das  Datum  1015  trug.  £r  kennt  also  Majolns  überhaupt  nicht  in 
der  Reihe  der  Aebte.  Sonst  ist  die  Urkunde  nie  angefochten  worden; 
Aldebaldi  V.  S.  Maioli  I,  c.  3—4. 

8)  CHCL  m,  nr.  1837. 

«)  Bresslau,  Konrad  IL,  II,  28. 

6)  Vgl.  die  Urk.  Wilhelms,  Gallia  Christ.  I,  instr.  82, 

•)  Z.  B.  Hist.  de  Langued'oc  V,  138  nr.  115. 

•)  Cart.  de  St.  Victor  U,  nr.  1042. 


232 

Provence,  Fttrat  und  Markgraf  der  Provence.*)  Wohl  kurz 
nach  992,  wo  wir  ihn  mit  seiner  Gattin  Adelaix  nnd  ihrem 
Söhnehen  Wilhelm  in  Gesellschaft  eines  Majolns  in  St.  Cäsaire 
d'Arles  finden^),  nahm  er  in  Folge  einer  Krankheit,  die  ihn  in 
Avignon  befiel  und  in  der  Ihm  der  Abt  von  Clani  beistand,  in 
diesem  Kloster  die  Kutte^),  nachdem  er  demselben  den  Hof  Valen- 
solle, ein  Erbgut  des  Majolus,  zurückerstattet  hatte.^)  Ebenso 
überwies  er  Majolus  das  Dorf  Sarrian^) ;  wie  sehr  er  sich  einen 
Namen  in  diesen  Gegenden  über  seinen  Tod  hinaus  geschaffen, 
beweist  am  besten,  dass  er  noch  im  11.  Jahrhundert  mit  dem 
Ehrentitel  'Vater  des  Vaterlandes^  bedacht  wurde.  Einer  seiner 
Nachfolger  restituirte  noch  im  Jahre  1037  Erbgut  des  Majolus 
im  Bistum  Riez,  das  so  lange  im  Besitz  der  proven^alischen 
Grafen  gewesen  war,  an  Cluni  mit  Einwilligung  seiner  Ver- 
wandten.*) 

Wir  werden  es  dem  wachsenden  Einfluss  des  Majolus  in 
diesen  Gegenden  zuzuschreiben  haben,  wenn  Graf  Lambert 
von  Valence  in  dem  von  ihm  gegi*Undeten  Kloster  St.  Marceil 
de  Sauzet  Cluniacenser  ansiedelte.  In  der  am  27.  Juni  985 
ausgestellten  Urkunde  wurde  diese  Abtei  wie  Cluni  selbst  dem 
römischen  Stuhl  gegen  einen  jährlichen  Zins  von  fttnf  Solidi 
unterworfen.  Den  Mönchen  wurde  aber  ganz  besonders  die 
Aufnahme  von  Gästen,  Pilgern  und  Waisen  zur  Pflicht  ge- 
macht.^) Noch  im  selben  Jahre  erfolgte  die  Bestätigung  der 
Stiftung  durch  König  Konrad  von  Burgund.^) 


*)  Gallia  Christ.  I,  instr.  74:  Wilhelmi  totius  Frovinciae  prificipis  v. 
Aug.  991;  Ruffi  a.a.O.  p.  55  und  Hist.  de  Langued^oc  V,  153  nr.  130: 
Dominus  princeps  et  marchio  istiiis  Provi7iciae  bonae  indolis  WiUelmus. 

>)  Vgl.  die  zuletzt  erwähnte  Urkunde.  Der  unterzeichnete  Majolus 
ist  vermutlich  unser  Abt. 

»)  Odil.  V.  Mai.  a.  a.  0.  col.  287;  Syr.  III,  c.  18;  Nalg.  III,  c.  25;  vergl. 
Ruffi  p.  55.  *)  CHOL  III,  nr.  1837. 

*)  ib.  IV,  nr.  2866:  SarrianiSj  qiuitn  Wilelmus  quandatn  chix  Provi7itiae 
pater  patrie  satwtomm  Petrl  et  Pauli  et  monasterio  Cluniensi  et  loco,  in 
quo  se  sepelitn  rogavit  et  beato  Maiolo  adhtic  in  carne  vhente  et  vivens 
(lelegavit  et  wionciw  donando  attribuit. 

*)  CHOL  IV,  nr.  2916  und  2917:  quandcini  terram  sandi  Maioli  ali- 

quando  hereditateni  acte^im  r ero  pottsessam  a  nostris  antecessoribus. 

')  CHCL  II,  nr.  1715;  Mabillon,  Acta  SS.  V,  749. 
«)  CIICL  II,  nr.  1716. 


233 

III. 

Im  Sept.  972  ist  Majolns  nach  seiner  Befreiung  wieder  in 
seiner  Heimat  nachzuweisen.^)  Am  7.  Mai  des  folgenden  Jahres 
starb  Kaiser  Otto  I.,  dessen  Tod  der  Abt  auf  der  Rückkehr  von 
Rom  bereits  vorausgesagt  haben  soll.  Begreiflicherweise  lag  ihm 
viel  daran,  von  dem  neuen  Herrscher  möglichst  bald  den  Besitz 
seines  Klosters  Peterlingen  auf  deutschem  Reichsgebiet  verbriefen 
zu  lassen.  Er  erschien  deshalb  im  Juli  973  zu  Aachen,  wo  Otto  II. 
am  25.  der  Bitte  des  Majolus  willfahrte.  2)  Vermutlich  wohnte 
Majolus  während  dieses  oder  des  nächstjährigen  Aufenthaltes 
in  Deutschland  der  Weihe  der  Kirche  Altorf  im  Elsass  bei 3), 
die  Graf  Hugo  von  Eggisheim  gegründet  und  daselbst  ange- 
siedelten Mönchen  übergeben  hatte.  Denn  es  ist  anzunehmen, 
dass  der  Abt  sich  durch  das  Elsass  nach  Aachen  begab.  Auch 
im  nächsten  Jahre  soll  er  am  Hof  lager  des  Königs  erschienen 
sein,  als  Adelheid  und  Otto  II.  ihn  nach  dem  Tode  des  Papstes 
Benedict  VI.  flir  die  Papstwürde  ins  Auge  fassten.^)  Damals 
meinte  Majolus,  seine  Beförderung  zum  Nachfolger  Petri  sei 
dem  Kloster  Gluni  schädlich,  dem  römischen  Stuhl  aber  gewiss 
nicht  förderlich.  Auch  stiess  ihn  ab,  dass  die  Curie  im  höchsten 
Grade  entsittlicht  war.  Er  sah  anscheinend  richtig  voraus, 
dass  die  Zeit  noch  nicht  da  war,  dem  römischen  Adel  die 
Macht  über  den  hl.  Stuhl  zu  entreissen.  Die  Erhebung  Bene- 
dicts VII.  deutet  daraufhin,  dass  der  Kaiser  gar  nicht  im 
Stande  war,  über  die  apostolische  Würde  zu  verfügen.  • 

Für  das  Ansehen,  dessen  Majolus  auch  nach  Ottos  I.  Tode 
am  deutschen  Hofe  sich  erfreute,  ist  es  bezeichnend,  dass  er 
bei  einem  innerhalb  des  Herrscherhauses  ausgebrochenen  Zwiste 
die  Rolle  des  Vermittlers  übernahm.  Schmeichlerische  Höflinge 
hatten  die  Kaiserin  Adelheid  bei  Otto,  ihrem  Sohne,  verleumdet. 


»)  Siehe  oben  S.  281  n.  1.        «)  DO  II,  nr.  51.        »)  Siehe  oben  S.  222. 

*)  V^l.  Sackur,  Noch  einmal  die  Biographien  des  Majohis,  N.  Arch. 
XII,  511.  Von  Schnitze  bestritten  Forsch  z.  D.  Gesch.  XXV,  153  flF.  und 
N.  Arch.  XIV,  554  ff.  Ich  sehe  auch  nach  seinen  neuesten  Ausführungen 
keinen  Grnnd,  die  Nachricht  des  Syrus  zu  verwerfen.  Wenn  Syrus  irrig 
meint,  der  Kaiser  sei  damals  in  Italien  gewesen,  so  ist  das  doch  kein 
.wesentlicher  Zug'',  mit  dessen  Ablehnung  auch  der  ganze  Bericht  fallen 
müsste.  Dass  das  Schweigen  Odilos  gar  nichts  beweist,  habe  ich  an  der 
erwähnten  Stelle  besonders  betont. 


234 

Ihr  Frennd,  der  Nachfolger  des  Majolus,  Odilo  von  Cluni, 
meinte*):  Wenn  man  dem  Papiere  alles  das  anvertrante,  was 
sich  damals  ereignete,  so  würde  man  den  Glanz  jenes  so 
grossen  Geschlechtes  oflfenbar  schädigen.  Verstimmt  durch  den 
Wechsel  der  politischen  Richtung,  der  durch  Theophanos  Ein- 
flnss  auf  den  Gemahl  eingetreten  war,  hatte  sich  Adelheid, 
erst  nach  der  Lombardei  2),  dann  in  das  väterliche  Reich  Bar- 
gund,  namentlich  nach  Lyon  und  Vienne,  zurückgezogen,  wo 
ihr  Bruder  König  Konrad  und  dessen  Gemahlin  Mathilde  ihr 
ehrenvollen  Empfang  bereiteten.  Der  Kaiser  wurde  schliesslich 
von  Reue  erfasst  —  vielleicht  wirkten  andere  Personen  auf  ihn 
ein  —  und  wendete  sieh  durch  Boten  an  König  Konrad  und 
Abt  Majolus  mit  der  Bitte,  schleunigst  eine  Versöhnung  mit  der 
Mutter  herbeizuführen.  Als  Ort  der  Zusammenkunft  bestimmte 
er  Pavia,  wo  in  der  That  im  December  980  Adelheid  und  ihr 
kaiserlicher  Sohn  nach  längerer  Entfremdung  sich  wieder  be- 
gegneten.3)  Beide  warfen  sich  bei  ihrem  gegenseitigen  Anblick 
weinend  zu  Boden. 

Drei  Jahre  später  kam  Majolus  wiederum  nach  Italien. 
Die  unteritalischen  Kriege  und  der  Rückzug  des  Kaisers, 
vielleicht  auch  nur  Angelegenheiten  seines  Klosters  Peterlingen, 
hatten  ihn  zu  dieser  Reise  veranlasst  In  Pavia  traf  er  mit 
Adalbert,  dem  späteren  Erzbischof  von  Prag,  und  Bischof  6er- 


')  Epit.  Adelh.,  c.  6,  SS.  IV,  640. 

')  Ann.  Magdeburg.  978;  vgl.  Wimmer,  Kaiserin  Adelheid,  Pro- 
gramm zum  Jaliresbericht  Über  das  neue  kgl.  Gymnasium.  Regensburg 
18b9.  S.  84. 

0  Am  5.  Dec.  980  urkundet  Otto  II.  in  Pav'ui,  DO  U,  nr.  237.  In 
einer  Urkunde  vom  28.  Dec.  desselben  Jahres  aus  Ravenna  wird  Adelheid 
als  Intervenientin  bezeichnet,  DO  U,  nr.  288.  Eine  andere  Darstellung  giebt 
Syr.  III,  c.  9.  Danach  hUtte  der  Abt  die  Zusammenkunft  veranlasst,  auf  die 
Leiden  d^r  Kaiserin  aufmerksam  gemacht,  welcher  der  Sohn  mit  der  Aus- 
weisung gedroht  hatte.  Odilo  als  Freuud  der  Kaiserin  Adelheid  ist  hier 
glaubwürdiger.  Die  Ann.  Magdeburg.  SS.  XYI,  154  berichten  zu  978: 
AdcUuiida  imperatrix . . .  quorundam  delatorum  indebitas  inter  sc  et  filium 
discordias  setnifiantiiini  culpa  in  Longohardiam  est  profecta.  Die  Ann. 
Magdeb.  haben  allein  diese  Nachricht;  eine  Bestätigung  scheint  dieselbe 
aber  in  V.  Kaddroe  c.  34  zu  finden,  wo  berichtet  wird,  dass  die  Kaiserin 
auf  dem  Wege  nach  Italien  Kaddroe  nach  Erstein  bescheiden  Hess.  Auf 
der  Heimreise  nach  Metz  starb  der  Abt,  der  nicht  zu  lange  nach  975  ge- 
storben sein  kann.   Vgl.  oben  S.  185. 


235 

hftrd  von  Toni,  der  dem  Abte  von  Glnni  überhanpt  sehr  nahe 
stand,  znsammen.^)  Der  von  Otto  in  Verona  abgehaltenen 
Reichsyersammlang,  die  er  berufen  hatte,  um  naeh  der  Nieder- 
lage von  Cotrone  die  Stände  des  Reiches  zu  hören,  wohnte  auch 
Majolas  bei.  Auch  er  gab  seine  Stimme  ab,  er  riet  entschieden, 
Yon  den  italischen  Kämpfen  abzustehen:  die  geschäftige  Legende 
lässt  ihn  dem  Kaiser  sogar  den  Tod  voraussagen,  wenn  er 
nicht  folge  und  nach  Rom  zurückgehe^)  Zugleich  liess  sich 
der  Abt  von  Otto  am  15.  Juni  ein  Privileg  über  die  elsässischen 
Besitzungen  von  Peterlingen  ausstellen^),  welches  den  Abt  allein 
bereehtigte,  auf  diesen  weltliche  Abgaben  einzuziehen.  Damals 
erfreute  er  sich  der  Fürsprache  der  beiden  königlichen  Frauen. 
Auf  dem  Veroneser  Reichstage  erschien  auch  der  junge  Adal- 
bert.  Von  Verona  zog  der  Kaiser  nach  Ravenna^);  er  scheint 
hier  eine  Synode  abgehalten  zu  haben,  der  auch  Majolus  bei- 
wohnte. 

In  dasselbe  Jahr^)  gehört  nämlich  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  die  Wirksamkeit  des  Majolus  in  der  St.  Johannesabtei  in 
Parma.  Bischof  Siegfried  hatte  dieselbe  gegründet  und  einem 
gewissen  Johannes  anvertraut,  dei:  in  Parma  geboren,  dann 


*)  VitÄ  Gerardi  episc.  Tul.  c.  6;  V.  Adalberti  c.  8;  vgl.  Gfrörer,  Kirchen- 
ge8ch.III,  1408;  N.  Arch.  XII,  512  n.  1. 

«)  Syr.  III,  c.  10. 

>)  DO  II,  nr.  307,  p.  864;  St.  854;  Hidber,  Schweizer  Urkandenreg. 
nr.  1126.  *)  St.  860.  861. 

^)  Das  Jabr  988  ergiebt  sich  mit  Notwendigkeit  aus  folgender  Be- 
rechnung. Wir  wissen  einmal,  aus  Vita  Job.  Farm.  c.  22,  dass  der  erste 
Abt  Johannes  z.  Z.  Ottos  IL  Abt  war,  also  jedenfalls  spätestens  983.  Nun 
war  er  7  Jahre  im  Amte.  Nachfolger  war  ein  Mönch  yon  St.  Peter  ciel 
d'oro  in  Pavia.  Dieses  Kloster  wurde  nun  erst  987  durch  Majolus  aus 
diesem  Verfall  wiederhergestellt.  Vor  dieser  Zeit  ist  also  der  Nachfolger 
des  Johannes  schwerlich  in  Parma  Abt  geworden;  es  ist  im  Gegenteil 
anzunehmen,  dass  gerade  die  987  durch  Majolus  erfolgte  Reform  von  St.  Peter 
yeranlasste,  den  Nachfolger  aus  dieser  Abtei  zu  wählen.  Während  also  ein- 
mal Johannes  spätestens  983  Abt  wird,  ist  er  es  frühestens  980  geworden. 
Da  nun  Bischof  Siegfried  y.  Parma  erst  981  sein  Amt  erlangt,  so  kann 
der  Aufenthalt  des  Miyolus  in  Parma  nur  auf  der  Reise  von  983  erfolgt 
sein.  Damit  stimmt  die  Erwähnung  der  Ravennater  Synode  vortrefflich, 
indem  Otto  II.  von  Verona,  wo  wir  Majolus  bei  ihm  finden,  nach  Ravenna 
zog.  Auch  Aff6,  Storia  deila  citta  di  Parma,  1792  I,  254  entschied  sich 
mit  Mabilion  für  983.  Ganz  falsch  lässt  Bordonius,  Thesaurus  S.  eccl. 
Parm.  ortns  etc.,  Parmae  1671  p.  231,  Johannes  972  sterben. 


286 

CanoDicns  daselbst  geworden  und  sechsmal  nach  Jerusalem 
gepilgert  war,  wo  er  zuletzt  das  Mönchskleid  angelegt  hatte. 
Nach  seiner  Kttckkehr  fand  er  in  dem  Bischöfe  einen  Gönner, 
der  ihn  der  neuen  Stiftung  vorsetzte.*)  Mit  gltthendem  Eifer 
sorgte  er  für  sein  Kloster  und  liess  auf  einer  Synode  von 
Ravenna  die  freie  Abtwahl  und  die  Abstellung  jeglicher  simo- 
nistischer  Misbräuche  durch  ein  Beeret  verbriefen,  das,  wie  ans 
ausdrücklich  versichert  wird,  auch  Majolus  von  Cluni  unter- 
zeichnete.^) Der  Rat  desselben  unterstützte  ihn  in  mannig- 
fachen klösterlichen  Einrichtungen.  Als  Abt  zog  Johannes 
jährlich  nach  Rom,  starb  aber  bereits,  nachdem  er  wenig  mehr 
als  sieben  Jahre  die  Abtei  geleitet,  am  22.  Mai,  wahrscheinlich 
990.  Sein  Nachfolger  war  ein  Mönch  des  Paveser  Klosters 
St.  Peter  Ciel  d'oro,  der  ebenfalls  den  Namen  Johannes  trug.^) 

Im  Jahre  987  war  Majolus  zum  letzten  Mal  jenseits  der 
Alpen.  Er  weilte  in  Locedia  im  St.  Michaelskloster,  wo  er  den 
jungen  Wilhelm  von  Volpiano  kennen  lernte*),  von  dem  weiter 
unten  noch  sehr  ausführlich  zu  berichten  ist;  von  dort  begab 
er  sich  wahrscheinlich  nach  Pavia,  reiste  nach  Rom,  wo  er 
mit  dem  Papste  über  die. Reform  von  Ciel  d'oro  verhandelte 
und  kehrte,  wie  anzunehmen,  über  Pavia  nach  Locedia  zurück, 
von  wo  er  Wilhelm  mit  nach  Cluni  nahm. 

Damals  war  die  Paveser  Abtei,  in  der  wir  bereits  Odo 
von  Cluni  thätig  fanden,  arg  veifallen.  Die  Gebäude  lagen  dar- 
nieder, Majolus  musste  sie  von  Grund  aus  wiederherstellen.*) 


1)  Vita  Johannis  Farm.  c.  1—4.  9.  14.  22,  Mabillon,  Acta  SS.  V, 
p.  718  flf. 

*)  V.  Job.  c.  4:  Qtwd  decretuni  etiam  sanctissimo  viro  Maiolo  ad  con- 
firmandum  tradiditj  cuiiis  quidetn  mellifluis  admonitionibiis  in  praedieto 
coenobio  niulta  ad  coenohialetn  'usum  apta  constituit.  Es  ist  DatUrlich  an- 
zunehmen, dass  Majolus  eben  das  Beeret  auf  der  Ravennater  Synode 
unterzeichnete. 

^)  Von  den  Kaiser-Urkunden  des  Klosters  ist  nur  eine  bekannt,  eine 
solche  Konrads  IL  vom  24.  Mai  1037,  St.  2091. 

*)  Rudolf!  V.  S.  Wilhelmi  c.  9 ;  Chron.  S.  Benigni  Divion.  ed.  Bon- 
gaud  et  Garnier,  Dijon  1875,  p.  131.  Ueber  die  Berechnung  des  Jahres 
vgl.  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  40  und  den  Abschnitt  über  Wilh.  v.  Dijon. 

*)  Nalg.  V.  S.  Mai.  ni,  c.  22 :  Monasterium ,  qtiod  mdgo  Cella  awrea 
dicitur  et  coUap^um  paene  fuerat  in  niinani,  restauravit  ad  ungiiem; 
Anon.  V.  Maioli  c.  18,   Bibl.  Clun.  col.  1775:  illud  antiqui  decotis  et  am- 


237 

Sein  Anteil  an  der  Ernennung  eines  gewissen  Azzo  zum  Abt 
von  St.  Peter  und  dessen  Weihe  durch  Papst  Johann  XV.  wird 
hervorgehoben.  Dieser  wandte  sich  alsbald  am  2.  April  987 
in  einem  Schreiben  an  den  Bischof  Wido  I.  von  Pavia,  worin 
er  ihn  von  der  Reform  benachrichtigte  und  warnte,  dem  neuen 
Abte  Beschwerden  zu  bereiten.  St.  Peter  blieb  weiter  in  den 
engsten  Beziehungen  zu  Cluni;  in  den  Jahren  998*)  und  10122) 
intervenierte  Abt  Odilo  für  das  Paveser  Kloster  bei  Otto  III. 
und  Heinrich  IL 

So  hatte  Majolus  durch  den  Erwerb  der  Kirche  der  hl.  Maria 
und  anderer  Grnndstücke  in  der  Nähe  von  Pavia,  durch  die  Re- 
formen  der  Klöster  St.  Salvator  und  St.  Peter  Ciel  d'oro  der  cluni- 
aeensischen  Reform  in  Pavia  einen  festen  Stützpunkt  geschaffen; 
es  ist  bezeichnend  fttr  seine  Stellung  zum  deutschen  Kaiserhause 
dass  gerade  in  der  alten  lombardischen  Krönungsstadt,  dem 
Hauptorte  Oberitaliens,  in  dem  die  Ottonen  so  häufig  weilten, 
mit  ihrer  Hülfe  die  französische  Reform  eine  reiche  Thätigkeit 
entfalten  konnte.  Man  ermisst,  wie  hoch  die  Herrscher  die 
reformatorischen  Bemühungen  und  Absichten  schätzten,  da  sie 
keine  Gelegenheit  vorüberliessen,  sie  in  ihrer  Hauptstadt  zu 
fördern.  Es  war  dies  um  so  wichtiger,  als  Pavia  zur  Zeit  eine 
sehr  volkreiche  und  von  Kaufleuten  aller  Länder  besuchte 
Stadt  war,  die  schon  den  Zeitgenossen  mit  Tyrus  und  Sydon 


pliatae  apeciositatis  monasteHumj  nomine  CeHa-aureaj  ejus  congaudet  me- 
liorari  patemitatis  gratia.  Diese  Nachricht  fehlt  bei  Syrus  und  Odilo 
Yoliständig.  Bestätigt  wird  sie  durch  die  Urkunde  Johanns  XV,  HPM 
Xm,  1461:  giiia,  lU  audivim\i8y  monaaterium  S.  Petrij  quod  Coelum  aureum 
nuncupatuTj  a  beati  Liutprandi  regis  tempore,  quod  id  ah  eo  constructum 
est,  regulam  S,  Benedicti  non  tarn  provide  ibi  coluerunt  nwnachij  nee  offi- 
eina  monasterii  tarn  egregle  conatructa  fiierunt,  quam  nunc  sunt  per  patrem 
Azonem,  quem  manibus  consecravirniis  nostris  ordinante  tarn  apud  nos, 
quam  apud  imperatore  sanctismnioque  viro  Maiolo  abbate.  Im  Auszuge 
bei  Robolini,  Notizie  appartenenti  alla  storia  della  sua  patria,  Pavia  1 823,  II,  S 1 . 

>)  HPM  XIII,  1660:  necnon  et  probatissimi  ac  reverentissimi  abbatis 
Odüi  postulationibua. 

•)  Robolini  II,  296,  Urk.  Heinrichs  II.  v.  1012:  quod  noa  interventu 
ac  petitione  domini  Odelonia  venerabilis  abbatis  per  hanc  nostri  praecepti 
pagifiam  firmavimus  et  corrohoramus  monasterio  sancti  Fetri,  qui  vocatw 
Coehim  aureum. 


238 

vergleichbar  schien,  i)  Der  Abt,  der  mit  seinem  Gefolge  so  ofk 
die  Strassen  Italiens  durchzog,  den  man  so  häufig  in  der 
Umgebung  des  Kaisers  bemerkte,  der  in  so  manchen  Klöstern 
—  sicher  öfker,  als  wir  heute  wissen  —  Spuren  seiner  Thätigkeit 
zurttckliess,  wurde  natürlich  zu  einer  allgemein  bekannten 
Persönlichkeit,  um  welche  die  Menge  sich  drängte,  deren 
Anwesenheit  der  Bevölkerung  wie  durch  ein  Lauffeuer  be- 
kannt wurde,  die  man  aufsuchte,  um  ihre  Wunderkraft  zu 
erproben. 


>)  Anon.  Silviniac.  V.  S.  Maioli  (Bibl.  Clun.  col.  1775)  c.  18:  Quae 
multiplicibus  populortirn  refei-ta  turbis,  nobilium  et  divermrum  ma-cium 
speciebus  insiyniSf  quasi  quaedam  Tyrus  et  Sydon  videtur  remansissCf 
quibtis  complacet  ad  »ui  mercimonii  comparationem  et  vefulitionem  venire. 


Fünftes  Capitel. 

Reformen  im  Herzogtum  Burgund  und  in 

Francien. 


L  Majolus  von  Cluni. 

So  lange  die  Karolinger  auf  dem  französischen  Throne 
Sassen,  haben  sie  zwar  Urkunden  für  Klöster  aasgestellt,  ihre 
Rechte  nnd  Besitzungen  verbrieft,  auch  hier  und  da  Land- 
Schenkungen  gemacht  und  unaufhörlich  in  ihren  Diplomen 
wiederholt,  wie  nützlich  die  Unterstützung  heiliger  Orte  für  das 
ewige  Seelenheil  und  dass  es  eine  königliche  Pflicht  sei,  die  Bitten 
der  Priester  und  Knechte  Gottes  zu  erfüllen  ^) :  aber  für  die  Re- 
form, die  Wiederbelebung  verfallener  Stifter  und  die  Einführung 
klösterlicher  Zucht  in  entartete  Abteien  haben  sie  doch  nichts 
gethan.  Ihre  Verleihungen  von  Münzrecht,  Zöllen  und  andern 
Regalien  stehen  doch  auf  keiner  andern  Stufe,  als  die  Ver- 
schleuderung von  Kronrechten  und  königlicher  Domänen  an 
die  Laien.  Sie  wurzelten  zu  tief  in  den  Traditionen  ihrer  Zeit 
und  ihres  Hauses,  in  welchem  die  Verleihung  von  Abteien  nach 
Benefizialrecht  Gewohnheit  geworden  war,  und  konnten  um 
so  weniger  eine  andere  kirchliche  Politik  einschlagen,  als  sie 
im  Kampfe  um  ihre  Existenz,  bei  dem  Schwinden  ihres  Hans- 
gutes^),  weder  auf  die  Vergabung  klösterlichen  Besitzes  ver- 
zichten, noch  aber  den  bereits  verliehenen  oder  entrissenen 
wieder  einziehen  konnten.  Dazu  befanden  sich  die  ange- 
sehensten Abteien  Franciens,  St.  Denis,  St  Germain -des -Pros, 

»)  Vgl.  HF  IX,  611.  643. 

*)  Vgl.  Stein,  Gesch.  des  franz.  Strafrechts  und  Prozesses  S.  38; 
Luchaire,  Institations  politiques  de  la  France  I,  19. 


240 

St.  Martin  in  Tours  und  Mannontier  schon  lange  nicht  mehr 
in  ihrem  Besitz.^)  So  kam  es,  dass  man  den  Sturz  des  Ge- 
schlechts dem  Umstände  zuschrieb,  dass  es  „schon  lange  Gottes 
Gnade  vernachlässigend  die  Kirchen  mehr  herunter  als  herauf- 
zubringen schien  ".2) 

Dagegen  hatten  sich  die  Robertiner  schon  früh  kirchlichen 
Tendenzen  zugewandt.  Hugo  der  Grosse  bedachte  als  Laien- 
abt von  St.  Martin  seine  Abtei  des  öfteren  3);  er  urkundete 
für  St.  Julien  in  Tours*)  und  ist  jedenfalls  früh  bereits  mit 
Abt  Odo  in  Berührung  gekommen,  mit  dem  er  zusammen  an 
der  Reform  von  Fleury  hervorragend  beteiligt  ist.*)  An  ihn 
war  die  Aufforderung  Leos  VIL  gerichtet:  die  Zugänge  zum 
Kloster  St.  Martin  besser  zu  wahren,  jene  Aufforderung,  die  der 
Abt  von  Cluni  938  in  Rom  veranlasste.^)  Dann  erscheint 
Hugo  öfter  in  Urkunden  der  Karolinger  als  Fürsprecher  für 
Klöster,  namentlich  auch  für  Cluni.'')  Er  gründete  die  Abtei 
des  hl.  Maglorius  in  Paris,  siedelte  Benedictinermönche  an  und 
beschenkte  das  Stift. ^)  Sein  Sohn  Hugo  wandelte  in  denselben 
Bahnen.  Er  sprach  einmal  sehr  ausführlich  sein  Vertrauen 
auf  die  Hülfe  der  Heiligen  aus,  nicht  nur  im  Himmel,  sondern 
schon  auf  Erden.»)  Als  er  dann  gewählt  war,  hauptsächlich 
durch  die  Bischöfe  Franciens,  bestätigte  er  alle  Freiheiten  und 
Privilegien  der  Kirchen.*®)  Ademar  nennt  ihn  den  gnädigsten 
Beschützer  der  Kirche,  den  Freund  der  Kirche  und  gerechtesten 
Mann.'*)  Ob  es  wahr  ist  oder  nicht,  jedenfalls  bezeichnet  es 
doch  die  Anschauung,  die  man  von  ihm  hatte,  wenn  es  heisst, 
er  habe  auf  dem  Todtenbette  seinen  Sohn  Robert  ganz  be- 
sonders auf  die  Pflege  des  hl.  Benedict  hingewiesen. ^2) 

^)  Pfister,  Etudes  sur  Robert  le  Pienx  p.  103. 

*)  Ademari  Hist.  III,  c.  30:  Nam  ob  hanc  causam  creditur  progenies 
Caroli  reprohata ,  quia  iam  diu  tieglegeiis  Dei  gratianij  ecclesiarum  potiiis 
negledrix  quam  erectrix  videbatur.  *)  HF  IX,  719.  720. 

*)  ib.  IX,  722.  S.  oben  S.  93.      *)  S.  oben  S.  S9.      «)  S.  oben  S.  106. 

T)  HF  IX,  584.  585.  598.  601.  602.       . 

«)  Helgaudi  V.  Roberti  c.  4,  HFX,  p.  104;  bestätigt  wird  dies  durch 
eine  Urkunde  Philipps  I,  wo  Hugo  Magnus  genannt  wird,  den  aber  Luchaire 
II,  90  n.  1  irrig  mit  Hugo  Capet  identificiert.  »)  HF  IX,  733  v.  975. 

*o)  ib.  X,  548.  ")  Adern.  Hist.  IH,  c.  80.  31. 

1^)  Helgaudi  V.  Roberti  c.  4,  a.  a.  0.  p.  105.  Auch  Hugos  Frau  Adel- 
heid stiftete  mehrere  Klöster  und  stickte  und  webte  kostbare  Caseln  and 


241 

So  sehen  wir  das  Haus  schon  früh  dem  Mönchsstande 
geneigt^)  Nachdem  die  Robertiner  erst  im  Gegensatz  gegen 
das  alte  Regime  der  Fendalwirtschaft  in  die  Höhe  gekommen, 
massten  sie  auf  ihrer  Bahn  fortschreiten  und  durften  nicht 
etwa  in  den  alten  Fehler  verfallen,  die  kirchlichen  Anstalten 
dynastischen  Zwecken  zn  opfern.^)  Freilich  ergriffen  zunächst 
nur  die  grossen  Vasallen  die  Initiative  zur  Reform;  aber  die 
Fürsten  wurden  doch  allmählich  dafilr  interessiert  und  schliess- 
lich ganz  und  gar  gewonnen. 

Bnrgünd. 

Schon  früh  fasste  die  Reform  im  Herzogtum  Burgnnd 
festen  Fuss  und  zwar  zuerst  in  der  Grafschaft  Ghalon  s.  S. 
Hier  hatte  sich  Lambert  3),  der  Sohn  des  Vicegrafen  Robert  und 
seiner  Gemahlin  Ingeltmd,  mit  GenehmigUDg  des  Königs  und 
der  grossen  Vasallen  zum  ersten  Grafen  erhoben.  Als  er  nun 
dankbar  gegen  Gott  für  die  ihm  gewordenen  Erfolge  einen 
Klosterbau  plante,  wandte  er  sich  an  den  Abt  Majolns  von 
Glnni  und  lud  ihn  ein,  das  Unternehmen  zu  fördern.  Der  Abt 
erschien  auch  und  suchte  den  geeigneten  Ort  aus.  Alsbald 
wurde  der  Bau  der  Abtei  in  waldreichem  Tale,  an  einem  Orte, 
der  später  Paray  hiess,  im  Jahre  978  begonnen.  Man  sah  es 
als  eine  besondere  Gunst  Gottes  an,  dass  man  unverhofft  Kalk 
und  Steinmaterial  in  der  Nähe  fand.  Im  Jahre  977  fand  be- 
reits die  Weihe  der  Kirche  mit  grossem  Pomp  unter  Zulauf 
von  Clerikem,  Mönchen  und  Laien  durch  drei  Bischöfe  statt. 
Graf  Lambert  gewährte  reiche  Geschenke  und  stattete  den 
Ort  mit  Landgut  aus.  Natürlich  kamen  Mönche  ans  Cluni. 
Kurze  Zeit  darauf  starb  der  Graf,  am  22.  Febr.  978,  und  wurde 
auf  seinen  Wunsch  in  dem  neuen  Kloster  beerdigt,  lieber  die 
ersten  Jahre  des  Bestehens  sind  wir  nicht  unterrichtet    Wir 


Cappen  den  hl.  hl.  Martin  und  Dionysius,  den  Patronen  der  französischen 
Krone.  (Helgaudi  V.  Rob.  a.  a.  0.). 

^)  Luchaire  II,  82 :  Eüe  avait  combU  les  moines  de  Privileges  et  de 
donations  et  ne  devait  jamais  cesser  de  lewr  en  prodiguer. 

>)  Vgl.  Luchaire  U,  87. 

^  Das  folgende  ist  aus  der  fragmentarisch  erhaltenen  Chronik  von 
Paray-le-Monial  aus  dem  XL  Jahrhundert  geschöpft,  die  in  der  Beilage 
excerpiert  ist. 

Saeknr,  GlnnlMenser,    I.  \Q 


242 

wissen  nicht,  ob  Majolns  schon  damals  einen  Abt  einsetzte 
oder  nicht.  Jedenfalls  war  anfänglich  eine  von  Cluni  unab- 
hängige Existenz  der  Abtei  in  Aussicht  genommen.  Unter 
Odilo  änderte  sich  das;  wir  werden  sehen,  wie  Cluni  auch 
nach  diesem  Stift  seine  Hände  ausstreckte.  Auch  Lamberts 
Nachfolger  schenkten  Paray,  sowie  den  Cluniacensern  selbst 
ihre  Gunst.  Graf  Hugo  verzichtete  einmal  auf  gewisse  For- 
derungen, als  der  Prior  Vivian  von  Cluni  von  Lambert  und 
ihm  zurückgehaltene  Güter  einklagte.^)  Seine  Mutter  hatte 
nach  dem  Tode  des  Gemahls  dem  Grafen  Gaufred  von  Anjou 
die  Hand  gereicht.  Er  trat  in  Lamberts  Fusstapfen,  indem  er 
—  ungewiss  wann  —  die  Abtei  St.  Marcell  in  Chalon  Abt 
Majolus  übergab,  um  die  klösterliche  Zucht,  die  hier  fast  ganz 
geschwunden  war,  zu  erneuern.  Die  Hauptsache  war,  dass  sie 
die  Mönche  von  Cluni  für  die  Ewigkeit  in  ihrem  Besitz  haben 
sollten.^) 

Auch  das  Ansehen  und  die  Verehrung  des  Bischofs  von 
Chalon,  nicht  nur  des  Grafengeschlechts,  genoss  Majolus:  am 
30.  Nov.  980  bestätigte  Bischof  Rodulf  die  Schenkung  eines 
Archidiacons  an  Cluni  3):  ,  zumal  wir  den  Ruhm,  den  der  Herr 
selbst  dem  grossen  Manne  verliehen,  mit  den  Ohren  hören  und 
mit  den  eigenen  Augen  täglich  wahrnehmen,  indem  wir  nichts 
unterlassen,  ihm  Verehrung  zu  zollen.  Denn  wie  ein  Stern  ist 
jener  wahrhaftig  zur  Zeit  über  Gallien  aufgegangen,  unsem 
Jahrhunderten  zur  Bewunderung  und  allen,  womöglich,  ein 
ein  Vorbild. ""  Ein  glänzender  Beweis  für  den  mächtigen  Ein- 
druck, den  die  Thätigkeit  und  die  Persönlichkeit  des  Abtes  in 
diesen  Gegenden  gemacht  hat. 

Kein  Wunder,  dass  auch  andere  Machthaber  im  Herzogtum 
Burgund,  Fürsten  und  Bischöfe,  die  Reformideen  zu  begünstigen 
begannen.  Da  war  in  erster  Reihe  Herzog  Heinrich,  Hugos 
des  Grossen  Sohn,  der  bei  seinen  Unterthanen  das  Andenken 
eines  guten,  namentlich  milden  und  der  Kirche  ergebenen 
Mannes  hinterlassen  hat.^)    Als  Majolus  einst  in  seine  Gebiete 

*)  CHOL  IIT,  1794. 

«)  Urkunde  Thetbalds  von  Chalon  bei  Mabülon,  A.  SS.  V,  750. 
s)  CHCL  n,  1537. 

*)  Chron.  de  Saint-B^nigne  ed.  Bougaud  p.  185:  hie  fuit  contptiis 
bonis  morilmSf  preciptie  mansuetudinet  vir  ecclesidsticus. 


243 

kam,  knüpfte  der  Herzog  Beziehnngen  an  nnd  bat  ihn,  die 
Abtei  St.  Germain  d'Anxerre,  zn  reformieren.  Sicherlieh  fand 
der  Abt  eine  Stütze  an  Heinrichg  Brader,  Bischof  TIeribert  von 
Auxerre,  der,  so  sehr  er  im  Weltleben  stand,  doch  auf  Wieder- 
herstellnng  der  alten  kirchlichen  nnd  klösterlichen  Traditionen 
hielt  Majolns  leitete  die  Abtei  nicht  selbst;  er  setzte  im  Jahre 
989  den  Mönch  Helderich  als  Abt  ein,  offenbar  denselben 
Italiener,  der  ihn  früher  mit  Otto  I.  bekannt  gemacht  hatte.^) 
Im  Jahre  1002  nahm  der  König  unter  Bestätigung  der  alten 
Rechte  nnd  Besitzungen  das  Kloster  in  seinen  Schutz,  gewährte 
Immunität  von  weltlicher  und  geistlicher  Gewalt  und  freie 
Abtwahl.2) 

Inzwischen  reformierte  Helderich  in  der  Umgegend  weiter. 
Da  Heribert  seine  Freude  an  ihm  hatte,  überwies  er  ihm 
eine  grosse  Anzahl  Kirchen,  und  Heinrichs  Gemahlin  Gersindis 
liess  das  Kloster  des  hl.  Leodegar  in  Champelles  von  ihm 
wieder  in  Stand  setzen.  Zwei  Jahre  hatte  er  es.  Als  aber 
bei  der  Verkommenheit  desselben  die  Mittel  nicht  ausreichten, 
um  es  selbständig  zn  erhalten,  bewirkte  er  bei  dem  Herzog 
die  gänzliche  Vereinigung  mit  St.  Germain.  In  der  Abtei 
St  Leodegar  schalteten  fortan  acht  Mönche  unter  dem  Abt  des 
Klosters  von  Auxerre.^)  Ein  gewisses  Bemühen  zn  arrondieren 
ist  auch  bei  diesen  Achten  zu  bemerken :  zwei  Abteien,  welche 
zuletzt  Wilhelm  von  Dijon  unter  seiner  Herrschaft  hatte,  gelang 
es  Helderich  in  seinen  Besitz  zu  bringen,  Verzy,  das  früher 
schon  St  Germain  gehört  hatte  und  von  Herzog  Heinrich  Abt 
Wilhelm  übergeben  worden  war^)  und  Reoman,  aus  welchem 
derselbe,  wie  wir  noch  sehen  werden,  der  feindlichen  Stellung 
wegen,  die  er  in  den  burgundischen  Kämpfen  König  Robert 
gegenüber  einnahm,  weichen  musste.^) 


')  Gesta  episc.  Autissiodor.  c.  47,  Dura  I,  382 ff.;  Gesta  abb.  S.  Ger- 
mani  Autissiod.  c.  1. 

s)  QuantiD,  Cartul.  g^n^r.  de  l'Yonne  I,  p.l60;  HF  IX,  579. 

')  Urkunde  Hugos  und  Roberts  vom  11.  Oct  994  bei  Quantin  I,  157; 
MabUlon,  De  re  dipl.  I,  598;  vgl.  v.  Ealckstein,  Gapetinger  I,  413. 

*)  Gesta  abb.  Autissiodor.  c.  1 ;  vgl.  unten. 

^)  Rod.  Glaber  II,  c.  9;  vgl.  Mabiilon,  Ann.  Bened.  IV,  195;  Roche- 
foucauld, Hist.  Reomensis,  Paris  1637:  Antiquus  catal.  abbatum  p.  437  zn 
Heldricus:  praesidebat  anno  1003  et  fuit  praesidens  tribiis  monasteriis  wno 

16* 


244 

Dem  Sprengel  Auxerre  benachbart  ist  der  von  Antnn, 
welchem  zu  Helderichg  Zeit  Bischof  Walter  vorstand,  ein 
Mann  von  wirklich  reformatoriseher  Gesinnung.  Schon  im 
Jahre  983,  als  einige  cluniacensische  Mönche  nach  Antun 
kamen  und  um  die  Zuweisung  einer  Kirche  zur  Aufbesserung 
ihres  Lebensunterhaltes  baten,  bewilligte  er  die  Bitte  im  Hin- 
blick darauf,  dass  die  Mönchsschaar  jenes  Klosters  noch  das 
alte  Ansehen  geniesse  und  die  Pflege  der  Religion  würdig 
beobachte.^)  Besonders  nahe  stand  ihm  das  mit  der  Kirche 
Autun  eng  verknüpfte  Kloster  Flavigny^),  welches  bis  992 3) 
ein  Bruder  des  Grafen  Landrich,  Abt  Robert,  im  Besitz  hatte. 
Damals  musste  er  weichen,  ging  nach  Corbigny,  einer  von 
Flavigny  abhängigen  Celle,  wo  er  den  Abttitel  annahm,  wäh- 
rend der  Schüler  des  Majolus,  Helderich,  die  Leitung  seines 
bisherigen  Klosters  ergriff.*)  Noch  im  selben  Jahre  ging  der 
neue  Abt  den  Bischof  mit  der  Bitte  um  Ueberlassung  einiger 
Kirchenzehnten  zum  Unterhalt  des  Abtes  und  der  Mönche  an, 
und  wenig  später  bemerkte  Bisehof  Walter,  dass  ihm  die 
Congregation  von  Cluni  durch  besondere  Freundschaftsbande 
verbunden  sei.^)  Namentlich  erfreute  sich  Helderich  seines 
Wohlwollens,  da  er  dessen  Abtei  eine  grosse  Zahl  früher 
besessener  Kirchen  und  Güter  restituirte.*)  Auch  sonst  ver- 
stand es  der  Abt  die  Rechte  von  Flavigny  zu  wahren  und 
seinen  Besitz  zu  vergrössem.'^) 

et  eoflem  tempore,  viddicet  sancti  Germani  Autissiodorensia,  Rewnensi  et 
Flavitiia^ensi. 

*)  CIICL  II,  1628:  Igitur  quia  favente  Cunctipofentis  maxima  mise- 
ratione  ipatus  loci  cateit^a  antiq\ui  adhuc  floret  nobilitate  et  cultum  sancte 
reliffionis  digne  retincre  prospicitur  nee  nostris  ea  temporibtts  minuan 
cupimiis  etc. 

^)  Urkunde  Walters  iUr  Helderich  bei  Duchesne,  Hist.  de  la  maison 
de  Vergy  pr.  44:  abbatiae  praedictae  sime  sedi  decenter  adnixae  v.  992; 
Urkunde  Helmoins  bei  Mabillon  a.  a.  0. :  Aeditae  adnexum  est  aedi, 

^)  992  erscheint  Helderich  mit  seinen  Mönchen  vor  Walter.  Cartni. 
de  Flavigny  saec.  XVIH  Cod.  lat.  Paris.  17720  fol.  61. 

*)  Hugo  Flavin.  SS.  VIII,  368;  Series  abb.  Flavln.  bei  Labbe,  Nova 
bibl.  manuscr.  I,  792;  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  113. 

»)  CHOL  II,  1947. 

«)  Necrol  Flavin.  SS.  VIII,  286. 

')  Vgl.  die  Urkunde  bei  Duchesne,  Hist.  de  Vergy  p.  44.  45 ;  Quantin, 
Cartul.  de  PYonne  p.  159. 


245 

Als  Helderich  am  19.  Januar  1010  ^  starb,  folgte  ihm  in 
St  Germain  der  bisherige  Prior  Achard 2),  der  das  Salvator- 
kloster  von  Nevers  erwarb 3),  und  in  Flavigny  Amadens, 
zweifellos  ein  cluniacensischer  Mönch,  der  nach  seiner  Resig- 
nation nach  Cluni  ging.  Nach  seiner  Rückkehr  gewann  er 
dann  eine  früher  seinem  Kloster  gehörige  Obödienz  zurück 
und  machte  einige  Abteien  abhängig,  lieber  seine  weitere 
Wirksamkeit  wird  noch  an  anderer  Stelle  zu  handeln  sein.  4) 

Der  Einfluss  des  Abtes  von  Cluni  in  diesen  Gegenden 
ist  damit  keineswegs  erschöpft;  wir  werden  in  einem  beson- 
deren Abschnitt  von  den  Reformen  seines  Schülers  Wilhelm 
von  Volpiano  reden  müssen,  der  im  Sprengel  von  Langres  ein 
neues  Reformcentrum  schuf. 

Inzwischen  hatte  aber  Majolas  auch  seine  Wirksamkeit 
auf  die  Diöcesen  von  Tours  und  Paris  d.  b.  auf  das  Herzog- 
tum Francien  ausgedehnt 

Francien. 

Hier  war  es  zunächst  die  Touraine,  in  welche  Majo- 
1ns  seine  Mönche  abordnete.  Nach  der  Zerstörung  durch 
die  Normanen  geriet  die  Abtei  Marmoutier  in  Laienhände;  es 
war  im  Jahre  887,  als  die  Mönche  sich  vor  dem  Laienabte 
und  Grafen  Odo  niederwarfen  und  in  ihrer  schreienden  Not 
um  Hilfe  baten;  war  doch  der  Ort,  wo  sie  Weihe  und  Tonsur 
empfangen,  auf  nichts  herabgesunken  und  seiner  Besitzungen 
beraubt  worden.^)  Nachher  sollen  hier  Cleriker  mit  ihren 
Gonenbinen  ein  wenig  geistliches  Leben  geführt  haben.    Der 


')  Das  Jahr  giebt  Hugo  Flav.  SS.  VIII,  386 ;  das  Datum  XIV  Kai. 
Febr.:  NecroL  Villar.  (Beilage  IV.);  Necrol.  Autissiod.  b.  Lebeuf,  Me- 
moires  II,  247 ;  Martyrol.  Autissiod.  b.  MartcDe,  Coli.  ampl.  VI,  087 ;  Gcsta 
abb.  Autissiod.;  XIX  Kai.  Jan.  haben  Hugo  Flav.  a.  a.  0.;  Necrol.  Flavin. 
SS.  VIII,  287. 

«)  Rod.  Glaber  II,  c.  9. 

3)  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  195. 

*)  Necrol  Flavin.:  XIV,  Kai.  April.  Aniadem  abbas  Flaviniacerisis 
obiitf  qtd  Sinemurcnsem f  ColcJ^ensemf  Beüilocensetn  ceüas  adijidifivit  et 
Corbiniacum  recuperavit. 

^)  Urkunde  Odos  bei  Mabiile,  Les  invasions  des  Normands,  Bibl.  de 
r^cole  des  chartes,  s^r.  VI,  5,  p.  175,  n.  5. 


246 

Gedanke  einer  Reform  ging  von  dem  Grafen  Odo  I.^),  von  Blois 
und  Chartres,  seinem  Bruder,  dem  Erzbischof  Hugo  von  Bourges, 
und  ihrer  Mutter  Letgardis  aus.^)  Darf  man  das  als  sicher 
annehmen,  so  mnss  man  die  Reform  spätestens  etwa  ins  Jahr 
984  setzen,  da  Tours  um  diese  Zeit  vom  Grafen  Fulco  von 
Anjou  erobert  und  erst  nach  Odos  I.  Tode  von  seiner  Wittwe 
Berta,  die  inzwischen  Robert  IL  geheiratet  hatte,  wieder  in  den 
Besitz  des  Hauses  Chai*tres  gebracht  wurde.')  Wie  dem  nun 
sein  mag:  jedenfalls  noch  zu  Lebzeiten  Ludwigs  V.  war  die  Wieder- 
besiedelnng  vollendet,  da  bereits  im  Januar  987  der  Schüler  des 
Majolus,  Gilbert,  Willibert  oder  Giselbert*)  als  Abt  nachweisbar 
ist^)  Graf  Theobald  schenkte  den  Mönchen  am  Ende  desselben 


>)  Wir  haben  ausführliche  Beschreibungen  der  Reform  aus  dem 
XIII.  Jahrhundert  in  dem  Liber  de  restructione  Maioris  Monasterii  bei  Sai- 
mon  p.  358  fif  und  im  Liber  de  commendatione  Tiironicao  provinciae,  wo 
die  erste  Schrift  benutzt  ist,  a.  a.  0.  p.  310  ff.  Da  aber  diese  späten  Quellen 
voller  Anachronismen  und  romanhafter  Details  sind,  müssen  sie  als  un- 
brauchbar zurückgewiesen  werden.  Aus  einer  dieser  Schriften  stammt 
offenbar  erst  wieder  die  Notiz  bei  Albericus  Triumfont.  SS.  XXIII,  778  zu 
1005.  Falsche  Angaben  enthält  auch  die  Aufzeichnung  über  Marmoutier  bei 
Delisle,  Robert  de  Torigni  II,  205.  Allein  authentische  Nachrichten  gewährt 
eine  Urk.  des  Grafen  Stephan  v.  Blois  v.  1096  (Mabille,  Cartul.  de  Mannouticr 
pour  1e  Dunois,  Chateaudun  1879,  nr.  92.  p.  86):  übi  comes  Odo  avus  mew  et 
frater  eins  Hugo  Bituricensis  archiepiscopus  et  eotnim  maier  humati  iacentj  et 
quod  post  eversionem  a  Danis  factam  exsti^mctum  et  amotis  canonicis  facuUatu 
biis  suis  auctum  monastico  ordini,  qui  ab  initio  antiquitus  a  tempore  beati 
Marti7iiibi  fuerat,  restitueruntj  ahbatetnque  Gnillebertum  nomine  posiierunt 
a  sancto  Maiolo  sibi  de  Cluniaco  datiim.  Hugo  von  Bourges  spielt  auch 
in  den  späteren  Quellen  eine  Rolle,  aus  Letgardis  wurde  aber  Ermengardis, 
welche  als  Gattin  des  Grafen  Odo  erscheint.  Odo  U.  aber  hatte  erst  eine 
Gemahlin  Ermengardis.  Da  Hugo  zudem  als  Sohn  des  Grafen  Odo  be- 
zeichnet wird,  80  sieht  man,  welche  Verwirrung  in  den  Quellen  von 
Marmoutier  herrscht. 

')  Es  heisst  in  einer  Urkunde  bei  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  39  von 
987:  Odo  eiusdem  monastetni  instructor. 

3)  Brevis  bist.  S.  Jul.  Turon.  ed.  Salmon  p.  228.  Die  Brev.  bist  stammt 
aus  der  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts  und  ist  wohl  die  älteste  Touroner  Quelle. 

*)  Chron.  abb.  Maioris  monast.  ed.  Salmon  p.  318;  Chron.  S.  Maxen tii 
Malleac.  994  ed.  Marchegay  et  Mabille,  Chroniques  des  ^glises  d'Anjou 
p.  382.  Der  Brief  nr.  8  des  Abbo  v.  Flenry  ad  G.  abbatem ,  der  in  der 
Anrede  coabbas  angeredet  wird,  ist  an  ihn  gerichtet. 

^)  Coli.  Moreau  (Bibl.  nation.)  XIV,  fol.  1 :  humilis  congregatio  sancti 
Martini  Maioris  Motiasterii  videlicet  Guilibertus  ahbas  et  Hunebaldus 


247 

Jahres  Grundbesitz^)  Die  Wiederbelebung  der  Abtei  rief  in 
befreundeten  Kreisen  grosse  Freude  hervor;  der  Erzbischof  von 
Reims  sprach  in  einem  von  Gerbert  geschriebenen  und  an  den 
Abt  von  Marmoutier  gerichteten  Briefe  seinen  Glückwunsch 
ans.-)  Gilbert  starb  jedoch,  wie  es  scheint,  nicht  lange  darauf; 
im  Jahre  991  ist  bereits  sein  Nachfolger  Berner  nachzuweisen.^) 
Bisehof  Rainald  von  Paris  verlieh  in  jener  Zeit  den  Mönchen 
auf  ihre  Bitten  ein  Stttck  Land  bei  der  Kirche  St.  Genovefa, 
in  der  Nähe  des  damaligen  Paris  ^);  auf  sein  und  seines  Vaters, 
des  Grafen  Burchard,  Ersuchen  gestattete  König  Robert  die 
Verleihung  eines  Königslehens  an  Marmoutier,  das  dem  Kloster 
früher  gehört  hatte  und  dann  in  den  Besitz  der  Herzoge  von 
Francien  gekommen  war.^)  Unter  Bemer,  der,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  mit  widerspänstigen  Mönchen  zu  kämpfen  hatte, 
scheint  die  Abtei  nicht  besonders  gediehen  zu  sein.  Sie  kam 
nachher,  in  ziemlich  dürftigen  Verhältnissen  befindlich,  an  den 
Abt  Gauzbert  von  St.  Julien  in  Tours,  der  sie  mit  andern 
Klöstern  zusammen  leitete.^) 

Wenig  später  erfolgte  die  Reform  von  St.  Maur-des-Fosses^), 
einer  Abtei,  die  im  Besitze  des  robertinischen  Hauses  war. 
Die  Initiative  ergriff  indes  nicht  der  neue  König  selbst,  son- 
dern einer  seiner  Vasallen,  Burchard,  der  am  Hofe  des  Her- 
zogs von  Francien  erzogen  und  von  diesem,  als  er  König  ge- 
worden, nach  dem  Tode  des  Grafen  Heimo  von  Corbeil  zum 
Grafen  von  Melun,  Corbeil  und  Paris  erhoben  worden  war. 
Er  wurde  zuerst  auf  das  üppige  und  regellose  Treiben  der 


decanus  etc.  Mit  dem  Datum:  Data  niaisc  Janiiario  anno  prinio  Kludo- 
viel  regis  apud  Maim  monaaterium.  Zudem  starb  Hugo  von  Bourges 
bereits  987. 

>)  Coli.  Moreau  XIV,  22flf.  »)  Gerberti  epist.  189. 

^  Coli.  Moreau  XIV,  170.  Tausch  zwischen  Erzbischof  Archembald 
von  Tours  und  Abt  Berner  von  Marmoutier:  Data  nicnse  septcmlmo  in 
civitate  Tui-onus  anno  incam.  domin.  DCCCCXCI  sive  anno  V.  regnante 
Hugo  (!)  rege. 

*)  CoU.  Moreau  XVI,  2.  »)  Coli.  Moreau  XVI,  70. 

*)  Brev.  bist.  S.  Jul.  p.  22S.  229.  Er  gründete  Burgueil,  Maillezais, 
St.  Peter  von  Le  Maus,  über  die  später  zu  handeln  ist.  1046  führte  Graf 
Gaufred  Martell  fünfundzwanzig  Mönche  von  Marmoutier  in  das  von  ihm 
gegründete  Kloster  St.  Trinitatis  in  Venddme. 

')  Für  das  folgende  vgl.  V.  Burchardi  comitis  c.  2—8,  HF  X,  350  flf. 


248 

Mönche  von  St.  Maar  unter  Abt  Magenard  aufmerksam  durch 
einen  Klosterbruder,  den  sein  Gewissen  beseh werte;  er  bat  sich 
die  Abtei  behufs  der  Reform  aus  und  übernahm  ihren  Schutz 
gegen  Feinde  und  Räuber J)  Mit  Erlaubnis  des  Königs  trat 
ßurchard  den  weiten  Weg  zu  Majolus  an,  um  ihn  für  die 
Wiederherstellung  der  klösterlichen  Zucht  zu  gewinnen.  Die 
Antwort  war  nicht  erfreulich ;  aber  Majolus  war  ein  Mann  von 
achtzig  Jahren  und  man  konnte  ihm  nicht  verdenken,  wenn 
er  meinte:  Sie  möchten  sich  doch  an  die  vielen  Abteien  in 
ihrem  Reiche  wenden,  denn  ihm  und  seinen  Landsleuten 
wäre  es  beschwerlich,  ausländische  und  fremde  Gegenden  zu 
betreten  und  die  ihren  zu  verlassen.  Es  bedurfte  mehrfacher, 
dringender  Bitten,  um  Majolus  zur  Annahme  zu  bewegen.  Mit 
dem  Grafen  und  einigen  der  ausgezeichnetsten  Mönche  kam 
er  nach  Paris;  an  der  Marne  stellte  Burchard  den  Mönchen 
von  St.  Maur  die  Wahl,  entweder  sich  dem  Abte  von  Cluni  zu 
fügen,  oder  zu  weichen.  Nun  begann  jener  die  Arbeit ;  da  die 
Mittel  der  Abtei  beschränkt  waren,  begab  er  sich  im  Juni  989 
zu  Hugo  Capet,  mit  dem  er  damals  zuerst  zusammengetroffen 
sein  dürfte,  und  erlangte  vom  Könige,  der  den  Abt  freundlich 
aufnahm,  die  Abtretung  von  Grundbesitz  zwischen  Marne  und 
Seine.  Hugo  forderte  dafür,  dass  von  den  Mönchen  sein,  seiner 
Gemahlin  und  seines  Sohnes  Robert  Andenken  ewig  durch 
Gebete  gefeiert  werde.^)  Machdem  Majolus  einen  Leiter,  Teuto, 
in  der  reformierten  Abtei  zurückgelassen,  kehrte  er  nach  Hause 
zurück.  Sowohl  im  inneren  Walten,  als  durch  äussere  Er- 
höhung des  Glanzes  seiner  Kirche  suchte  Teuto  seine  Pflichten 
zu  erfüllen;  er  stellte  die  alten  zerfallenen  Mauern  der  Kirche 
mit  grosser  Pracht  wieder  her  und  wusste  sich  die  Gunst 
Burchards  und  des  Königshauses  zu  erhalten.  Viele  Franken 
folgten  dem  frommen  Beispiele  des  Grafen,  und  König  Robert 
konnte  am  19.  April  998  wieder  sein  Siegel  an  eine   lange 


0  Vgl.  die  ürk.  Ilemrichs  I.  v.  29.  Juni  1058  für  Wilhelm  v.  CorbeU 
bei  Tardif,  Monuments  histor.  p.  169,  nr.  272:  iam  dictiia  conies  Burchardus 
nil  aliud  ad  avo  nostro  iam  dicto  Hugone  de  ipso  loco  luibuit  7icquc  tenuit 
nisi  tU  providentiam  atqiw  defensionctn  advtr»u8  hostes  et  inimicos  sancte 
Dei  ecclcsie  atquc  pervasore^  prediorum  ipsUis  loci  haberet. 

2)  ürk.  Hugos  V.  20.  Juni  989.    HF  IX,  555. 


249 

DotationsQrknnde  hängen  lassen. i)  Stand  nun  Tento  etwa  bis 
zu  dieser  Zeit  unter  der  Herrschaft  Clnnis,  so  wusste  er  sich 
doch  selbständig  zu  machen,  als  König  Kobert  auf  den  Hat 
Burchards  ihm  zum  grossen  Leidwesen  der  Cluniacenser  die 
selbständige  Leitung  der  Abtei  überwies.^)  Später  muss  er 
sieh  Cluni  wieder  genähert,  sowie  den  eigenen  Mönchen  Anlass 
zur  Unzufriedenheit  gegeben  haben,  denn  einmal  verweigerten 
ihm  die  Brüder  die  Wiederaufnahme,  als  er,  wie  berichtet  wird, 
um  seinen  Gebetsübungen  ungestörter  obliegen  zu  können,  sich 
eine  Zeit  lang  in  eine  Celle  im  Gebiet  von  Keims  zurückgezogen 
hatte,  andrerseits  nahm  er  gerade  nach  Cluni  seine  Zuflucht, 
wo  er  noch  fünf  Jahre  lang  lebte. 

Teutos  Nachfolger  in  St  Maur,  Theobald,  der  Sohn  jenes 
Grafen  Heimo,  dessen  Gemahlin  Elisabet  Burchard  geheiratet 
hatte,  also  der  Stiefsohn  desselben  und  Stiefbruder  des  Bischofs 
Rainald  von  Paris,  erfreute  sich  der  Fürsprache  dieser  nahen 
Verwandten  beim  Könige.  Er  war  ebenfalls  ein  Schüler  des 
MajoluB,  kam  aber  nicht  aus  Cluni,  sondern  war  zuletzt  Abt 
von  Cormery  im  Sprengel  von  Tours.^)  Diese  Abtei,  die  seit 
altersher  unter  Königsschutz  stand  4),  war  in  Verfall  geraten 
und  begann  erst  in  den  sechziger  und  siebziger  Jahren  des 
10.  Jahrhunderts  sich  wieder  zu  heben.^)  Augenscheinlich  aber 
lässt  sich  erst  unter  Theobald  eine  umfassendere  Thätigkeit, 


1)  HF  IX,  574. 

')  Vita  Burch.  c.  5 ;  Cum  piae  memoriae  Bohertus  reXj  filitis  chis^  reg- 
num  8U8cepi88ctf  cofisilio  et  hortatu  eidem  TctUoni  donum  abbatiae  isdetn  rcx 
dedit  eumque  abbatem  ordinäre  praecepit.  Quod  cum  ad  aure8  Cluniacensium 
percenisset,  valde  tristes  affecti  sunt,  quin  cupierant  sibi  ipsum  locum  ad 
ceUam  redigere.  Die  Vorgänge  gehöreu  also  bereits  in  die  Zeit  Odilos; 
wenn  Mabillon  die  Nachricht  verwirft  mit  dem  Hinweis,  dass  die  Clunia- 
censer erst  später  zur  Reform  tibergebene  Klöster  in  cellae  umzuwandeln 
pflegten,  so  werde  ich  an  anderer  Stelle  die  Anfänge  dieser  Praxis  gerade 
unter  Odilo  an  einer  Reihe  von  Beispielen  nachweisen. 

')  V.  Burchardi,  c.  8 — 10:  etimqiu:  patretn  nionachorum  fore  constituitj 
quin  et  ipse  ex  Cluniacensibus  erat  atque  sancti  patris  Maioli  i^istitutione 
edoctus  fucrcU.  Er  ist  also  jedenfalls  vor  994  von  Cluni  fortgekommen; 
in  Cormery  ist  er  sicher  am  1.  Juni  997  nachzuweisen,  Cartul.  de  Cor- 
mery ed.  Bourass6  nr.  30. 

*)  Cartul.  de  Cormery  nr.  32:  Idcfn  namque  locus  in  speciali  regum 
dotptitiatu  ipsis  consistere  a7itiquitus  vistis  erat. 

A)  CartaL  de  Cormery  nr.  48. 


250 

den  Besitz  zu  coDSolidieren  und  zn  sehützcD,  erkennen.  Wir 
sehen  ihn  für  die  Errichtimg  einer  Kirche  sorgen*)  und  finden 
ihn  in  freundschaftlichem  Verhältnis  zn  Fulco  Nerra,  auf  dessen 
Vermittlung  König  Kobei-t  ihm  ein  Schutzprivileg  ausstellte.^) 

Für  St.  Maur  erhielt  er  am  1.  März  1006  ein  einzig  da- 
stehendes Privileg  vom  Grafen  Bnrchard:  alle  seine  Lehnsleute 
sollten  fUr  alle  Zukunft  ohne  Befragung  ihrer  Herren,  seiner 
Rechtsnachfolger,  Teile  ihrer  Lehen  an  das  Kloster  verschenken 
dürfen,  ebenso  sollten  alle  Cleriker,  Chorherren  und  Laien 
seiner  Burg,  die  Mönche  werden  wollen,  nur  in  St.  Maur  die 
Kutte  nehmen.^)  Noch  im  selben  Jahre  starb  Theobald.  Sein 
Nachfolger  in  St.  Maur  war  Hildebert*),  während  in  Cormcry, 
das  iuzwischen  reich  an  Mitteln  und  Brttdern  geworden  war^), 
Abt  Richard  folgte. 

Graf  Bnrchard,  dem  beide  Klöster  ihre  Wiederbelebung 
verdankten,  bewies  auch  sonst  seine  Zuneigung  zum  Mönchs- 
staude. Viele  Klöster  im  Frankenreiche  beschenkte  er;  nament- 
lich das  vom  Erzbischof  Sewin  von  Sens  gegründete  Kloster 
St.  Feter  zu  Melun®),  dessen  Stiftung  die  Könige  zu  Compi^gne 
am  15.  Sept.  991  autorisirt  hatten^),  erfreute  sich  seiner  Gunst. 
Endlich  gedachte  er  ganz  dem  weltlichen  Kriegsdienste  zu 
entsagen  und  Christo  zu  folgen:  mit  freigebiger  Hand  legte 
er  seine  Gold-  und  Silberschätze  am  Altar  des  hl.  Maurus 
nieder  und  beschloss  tief  betrauert  am  27.  Februar,  wohl  im 
Jahre  1012,  im  Gewände  St.  Benedicts  sein  Leben.*») 


^)  Cartul.  de  Cormery  nr.  30. 

^)  Cartul.  de  Cormery  nr.  31  (c.  1000):  Idan  vero  Ftdco  comes  iam 
di4!to  abbati  et  suis  moyiachis  utpote  niaxime  rcligiosis  niaxinw  devuic- 
tuff  aniore, 

3)  Tardif,  Monum.  histor.  p.  155.  Burchard  nennt  selbst  sein  Privileg: 
dommi  tarn  peculiare  et  maximum  ,  .  .  .  tU  tanti  talisq^ie  doni  .  . 

*)  Urk.  v.  1006  bei  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  172. 

")  Cartul.  de  Cormery  nr.  32  (1007):  nuixima  copiarum  et  opum  dona- 
tione ditatum  et  numerosa  Christo  famidantinm  niotuicJwrum  stijmtione 
locatum.  Später  kam  das  Kloster  wieder  herunter  durch  Brand  oder  Zer- 
störung; erst  im  Jahre  1054  Sept.  13  fand  die  Weihe  der  neuen  ver- 
grösserten  Abtei  statt;  Cartul.  de  Cormery  nr.  35. 

«)  V.  Burch.  c.  9. 

')  ürk.  Hugos  und  Roberts,  HF  X,  559. 

^)  y.  Burch.  c.  11  ff.  Man  hat  neuerdings  sein  Grab  gefunden;  vgl. 
Salier  im  Bulletin  de  la  societe  bist,  du  Yendomois  XUI  (1S74),  317  ff. 


251 

Nachdem  io  Marmoatier  and  SaiDt-Manr-des-Fosses  wieder 
klösterliches  Leben  erblttht  war,  beschloss  Hugo  Capet  selbst 
aaeh  die  Abtei  Saint-Denis  bei  Paris  ebenfalls  der  Glaniaeenser- 
reform  za  unterwerfen.  Es  war  im  Jahre  994.  Majolas  hatte 
sich  schon  seit  zwei  Jahren  i)  ans  Altersschwäche  —  er  hatte 
die  achzig  überschritten  —  nach  Gluni  oder  in  irgend  eines 
seiner  Filialklöster  zarückgezogen  und  wagte  kaum  mehr  in 
die  Oeffentlichkeit  zu  treten,  mit  Gebeten  und  Ermahnungen, 
mit  Lecttlre  oder  Gedanken  an  den  Tod  beschäftigt,  als  König 
Hugo  den  Abt  so  heftig  drängte,  das  Kloster  des  hl.  Dionysius 
nach  der  Regel  Benedicts  einzurichten,  dass  der  Abt  nachgab 
und,  trotzdem  er  sein  Ende  nahe  flihlte,  sich  selbst  auf  den 
Weg  machte,  um  die  Aufgabe  mit  Erfolg  zu  erledigen.^)  Er 
kam  jedoch  nicht  weit  In  der  Anvergne  warf  ihn  die  Krank- 
heit aufs  Lager,  in  einer  kleinen  Celle,  die  in  Sonvigny  ent- 
standen war,  einem  Gutshof,  den  ein  gewisser  Aymard,  der 
Ahnherr  der  Bourbons,  schon  zu  Bernos  Zeiten  zu  freier  Ver- 
fügung an  Gluni  geschenkt  hatte.'O  Hier  hauchte  er  hoch- 
bejahrt und  viel  betrauert,  Freitag  den  11.  Mai  994^)  seine 
Seele  aus.  Sein  Grab,  das  er  hier  in  der  St.  Peterskirche  fand, 
wurde  nicht  leer  von  Besuchern,  die  herbeigelockt  durch  die 
Wunder,  die  hier  fort  und  fort  geschahen,  aus  allen  Himmels- 
gegenden herzuströmten. 


>)  Syr.  III,  c.  19:  Biennio  itaque  priusquam  obiret;  Anon.  V.  Maiol., 
Bibl.  Glun.  col.  1784;  vgl.  Odil.  V.  Mai.,  ib.  p.  287. 

*)  Syr.  III,  c.  19:  regis  Francomm  impellebatur  nimia  importunitate. 

»)  CHOL  I,  217,  März  920  (nicht  921,  wie  Schultze,  Forschungen  p.  13, 
Mabillon  nachschreibt);  Bibl.  Clun.  col.  10.  Um  die  Mitte  des  10.  Jahr- 
hunderts steht  hier  eine  Kirche  St.  Petri,  CHOL  I,  782 ;  dann  erklärte  Aymo, 
Aymards  Sohn,  die  Schenkung  für  ungültig,  erneuerte  sie  aber  wieder 
954  (CHOL  I,  871).  Unrichtig  meint  Schultze  a.  a.  0.,  unter  Bemo  sei  das 
„Priorat"  Souvigny  an  Gluni  gekommen,  ein  Ausdruck,  der  sich  erst  unter 
Ilugo  I.  findet. 

^)  Den  1 1 .  Mai  994  gewährleisten  die  Viten ;  dazu  setzen  den  Tod  ins 
Jahr  994:  Chron.  S.  Dionysii  (Bibl.  de  l'^cole  des  eh.  XL,  1879  p.  275) ;  Chron. 
Strozz.  (HF  X,  273);  Chron.  S.  Maxentii  Malleac.;  andere  Quellen  varüren.  993 
haben  Sigeb.  Chron.;  Ann.  Laus.  SS.  XXIV,  780;  auf  das  Jahr  992  führen 
Chron.  Turon.  M.  ed.  Salmon  p.  1 16;  Wilh.  Godelli  Chron. ;  Ann.  Parch.  Ausser- 
dem berichten  seinen  Tod  Chron.  Dol.  988  (Labbe,  Bibl.  manuscr.  novall,  315); 
Ann.  Lambertini  995.  Den  Todestag  geben  das  Martyrologium  Hermanns 
des  Lahmen  (Forsch,  z.  d.  Gesch.  XXV,  216)  falsch  II.  Jd.  Mai;  richtig 


252 

War  es  dem  Abte  von  Cluni  vielleicht  nicht  beschie- 
den,  wesentlich  in  den  grossen  Fragen  der  Politik  mitzu- 
wirken —  wiewohl  es  auch  in  den  dentseh-italieniscben  An- 
gelegenheiten nicht  an  Spuren  einer  derartigen  Thätigkeit 
fehlt  ^)  —  so  wuchs  sein  Ansehen  doch  von  Jahr  zu  Jahr 
und  unter  den  Fürsten  Mitteleuropas  waren  wohl  wenige, 
die  ihn  nicht  kennen  und  schätzen  gelernt  batten.^)  Wel- 
chen Kuf  er  als  Führer  des  französischen  MOnchtoms  in 
weiteren  Kreisen  genoss,  lehrt  das  bereits  angeführte  Urteil 
des  Bischofs  von  Chalon');  Gerbert,  dem  Scbolastieus  von 
Keims,  war  er  der  leuchtendste  Stern  am  kirchlichen  Himmel.'*) 
Als  Wilhelm  von  der  Provence  sich  dem  Tode  nahe  fühlte, 
liess  er  Majolus  zu  sich  bescheiden,  weil  er  glaubte,  dass 
durch  die  Verdienste  desselben  seine  Seele  vom  ewigen  Tode 
gerettet  werden  könnte.*)  Im  Volke  erfreute  er  sich  nicht 
geringerer  Bewunderung  und  geringeren  Ansehens.  Wo  er 
hinkam,  in  Puy<^),  in  Avignon^)  strOmten  die  Menschen  zu- 
sammen, um  ihn  zu  sehen,  zu  hören,  seine  wunderthätige  Hilfe 
zu  erbitten. 

Majolus  ward  schon  bei  Lebzeiten  der  Wunder  gewürdigt 
Er  selbst  wollte  zwar  nichts  davon  wissen.^)  Er  wich  den  an 
ihn  sich  herandrängenden  Menschen  aus,  so  viel  er  konnte 9); 
es  wäre  ihm  wie  eitel  Rohm-  und  Prahlsucht  vorgekommen, 
mit  dieser  Kraft  vor  der  Menge  zu  glänzen.  Das  ist  einer 
seiner  hervorstechendsten  Züge;  er  vermied  es  durchaus 
Lob  zu  ernten,  indem  er  sich  öffentlich  hervorthat.*<^)  Alles 
AufTällige  war  ihm  zuwider.     Ihm  erschien  sogar  die  lieber- 


V.  Id.  Mai  das  Necrol.  Einsiedl.  (Boehmer,  Fontes  IV,  144;  Necrol.  Eptem., 
N.  Arch.  XY,  134;  Obit.  S.  Martialis  in  Documents  bist,  concem.  la  Marche 
et  Ic  Limousin  I  (18S3),  p.  25.  Im  Martyr.  Villar.  (Bibl.  nat.  n.  acq.  348)  ist 
der  Todestag  so  eingetragen:  V.  Id.  Mail.  Ipso  die  pago  Claromontetisi 
ceyiobio  Süviniaco  tramitus  beatissimi  patris  Maioli  tlieosophi. 

")  Vgl  vor  allem  Syr.  11,  c.  21 ;  III,  c.  10.    S.  oben  S.  226. 

')  Vgl.  namentlich  die  Aufzählung  in  Odil.  V.  Mai. 

^)  Vgl.  Odil.  V.  Mai.:  et  vere  erat  eo  tctn2)ore  princeps  rdigionis 
monusticae.    S.  oben  S.  242. 

*)  Epist.  95  ed.  J.  Havet;  vgl.  weiter  unten.  ^)  Syr.  III,  c.  18. 

«)  II,  c.  11.        ')  III,  c.  18.        «)  Vgl.  II,  c.  13.        »)  Vgl.  III,  c.  16. 

")  II,  c.  7:  M^  .  .  .  »c  laiidandi  materiam  nemini  praeberet;  II,  c.  9: 
ne  qua  laudandi  daretur  occasio. 


253 

treibong  der  mönchigcben  Tendenzen  als  Heuchelei  und  Ruhm- 
snchtJ)  Er  wollte  weder  in  der  Enthaltsamkeit,  noch  im 
äusseren  Anzüge  eine  erlogene  Heiligkeit  zur  Schau  tragen. 
Sein  Princip  war  deshalb  Masshalten.^)  Er  nahm  die  Kegel 
schlecht  und  recht,  und  machte  yon  den  Licenzen  Gebrauch, 
die  sie  verstattete.^)  Er  trank  Wein,  aber  massig,  er  fastete 
mit  Mass.^)  Er  hielt  darauf,  das  seine  Kleidung  nicht  zu 
prächtig,  aber  doch  auch  darauf,  dass  nie  nicht  zu  gering  sei.^) 
Er  verkehrte  viel  an  den  Höfen  der  Fürsten  und  Vornehmen; 
aber  er  nahm  an  ihren  Tischen,  was  ihm  irgend  erlaubt  war.®) 

Wie  er  das  Lob  der  Menge  verachtete  und  jedes  Aufsehen 
scheute,  so  liebte  er  die  Einsamkeit,  das  Alleinsein,  wo  er  fem 
von  den  Menschen  Gott  näher  zu  kommen  hofite*")  Auf  seinen 
Reisen  schritt  er  gewöhnlich  allein  des  Weges,  indem  er  seine 
Begleiter  vorausschickte.^)  An  den  Rastorten  und  Herbergen 
zog  er  sich  gern  zurück,  um  zerknirscht  im  Gebet  weinend 
und  schluchzend  vor  dem  Angesicht  Gottes  zu  liegen.^)  Wunder- 
bar bewegt  war  er  bei  seinen  Gebeten.  Meist  schien  der  Fuss- 
boden  so  von  Thränen  befeuchtet,  als  wenn  eine  Welle  darüber 
weggegangen  wäre.*®) 

Majolus  war  eine  jener  glänzenden  Gestalten,  bei  denen 
Schönheit  und  Ebenmass  des  Körpers  mit  hohen  Geisteskräften 
in  harmonischer  Verschmelzung  aufzutreten  pflegen.  Odilo  nennt 


^)  Uy  c.  7:  sie  adulantium  lingua  vitabatvr,  sie  merUe  iactantia pelle- 
hatur;  II,  c.  8 :  Ex  his  enitn  saepius  se  solent  homines  vel  insolenter  iactare 
vel  indiscrete  abicere.  Quodrca  discretione  usuSj  inter  utnimque  incessit 
mediuSf  ut  nee  iactantiae  argui  possit  p^riiosis  de  vestibus,  nee  simu- 
latae  sanctitatis  de  nimitum  abiectis  et  vilibus. 

*)  II,  c.  8 :  quoniam  quidem  mensura  ubique  est  laudabilis.  Rebus  enim 
in  Omnibus  etiam  in  bonis  est  vitium  quidquid  excesserit  modnm. 

')  II,  c.  7 :  Begtdari  enim  praecepto  concessis  ita  utebatur  et  licitiSf 
non  ut  voluptas  aleretu/r,  sed  tU  corporis  necessitas  brevi  sumptu  aleretw. 

*)  II,  c.  7:  vino  utebatur  modicOy  sie  sanctis  et  moderatis  ieiuniis 
corpus  semper  attenuebatur,  ")  II,  c.  8. 

')  II,  c.  8:  Nobilium  mensis  quoties  coactus  intereratj  sie  apposita 
libabatj  ut  et  superstitionem  fugeret  et  continentiam  reservaret; 
vgl  II,  c.  6.  ^  II,  c.  9. 

*)  II,  c.  9;  c.  15:  dum  .  .  et  caeteris  more  solito  praemissis  solus 
incederet  •)  II,  c.  9. 

")  II,  c.  9:  Plerumque  terra  ante  oculos  ita  lacrimis  videbatur  irrigaia 
ac  si  foret  unda  perfusa. 


254 

ihn  den  Schönsten  aller  Sterblichen,*)  Er  war  beredt;  er  redete 
klar  and  allen  yerständlicb.  Seine  Stimme  war  voll  Pathos, 
seine  Redeweise  witzig  und  pointiert,  aber  korz;  dazu  sprach 
er  nur  selten.^)  Am  meisten  fesselten  ihn  theologische  Ge- 
spräche. Er  holte  da  seine  Argumente  ans  den  Evangelien  und 
apostolischen  Briefen,  aber  suchte  seine  Gegner  weniger  durch 
sophistische  Argumentationen,  als  freundliche  Belehrung  zu 
überführen:  auch  hierin  vermied  er  seine  Gelehrsamkeit  zur 
Schau  zu  tragen.^)  Vom  Studium  der  freien  Künste^),  von  der 
Beschäftigung  mit  den  antiken  Dichtern  und  Philosophen  war 
Majolus  zur  heiligen  Schrift  zurückgekehrt  Als  Nacheifrer 
Benedicts  nahm  er  die  Demut  des  kleinen  Mannes  an,  verwarf 
die  dumme  Lehre  der  Philosophen  und  wandte  sich  zu  der 
weisen  Torheit  Gottes.^)  Er  wollte  schliesslich  die  Lügen 
Virgils  weder  selbst  hören,  noch  dass  andere  sie  läsen.^)  Wenn 
er  philosopische  Schriften  oder  Bücher  weltlichen  Inhalts 
studierte,  so  prägte  er  das  Nützliche  ein,  was  aber  auf  irdische 
Dinge  ging,  das  sah  er  als  giftig  und  tödtlich  an.*^)  Trotzdem 
stand  er  keinem  nach  in  der  Kentnis  des  Rechtes  und  der 
Philosophie.^)  Bei  ihm  kam  alles  auf  moralische  Läuterung 
und  Belehrung  hinaus;  mit  um  so  grösserem  Eifer  studierte  er 
die  canonischen  Schriften.^)  Die  Leetüre  war  überhaupt  seine 
Lieblingsbeschäftigung;  selbst  auf  seinen  Reisen  führte  er  seine 
Bücher  mit*^)    Wenn  Odo  auf  der  Landstrasse  Psalmen  singend 


*)  Odil.  V.  Maioli  a.  a.  0.  col.  284 :  omnium  mortalium  mihi  videhatur 
pulcherrimtis. 

')  Syr.  II,  c.  5 :  Sertno  eiiis  sale  conditus,  quo  rirtutis  pondere  Weins 
et  raruSj  eo  prudenti  suaritate  habebatnr  pretiosus. 

■)  Vgl.  U,  c.  5,  8 :  et  e^niditimiis  iactantiam  fugere  videbetur, 

*)  I,  c.  .5. 

*)  1,  c.  1 3 :  induta  parvuli  humilitatej  stulto  philosophorum  neglecto 
dogmcUe,  mpientem  Dei  stultitiam  est  adoraus. 

«)  I,  c.  14.  ')  II,  c.  4. 

®)  II,  c.  4 :  u^  nulli  videretur  secundua  in  legum  decretia  ac  phih- 
aophicis  argumentis. 

•)  II,  c.  3 :  Ideo  divinorum  praeceptorutn  phis  delectahatur  eloqtiiis 
qiuim  dapivm  ditissimis  ferctUis;  quia  ex  his  et  8uo8  mores  componere  et 
sibi  commissos  instmebatur  docere  et  corrigere. 

***)  II,  c.  3 :  Adeo  Uxtioni  semper  erat  dedituSj  ut  in  itinere  posiHis  libel- 
lum  saepius  gestaret  in  ntanibus.  Itaqtie  in  equitando  reficiebatur  animus 
legende.  Vgl.  OdU.  V.  Mai :.  Cum . ,  noctumo  tempore  legeretj  ut  sui  moris  erat. 


255 

dahiDSchritt,  so  sass  Majolus  in  ein  Bnch  vertieft  auf  seinem 
Pferde.')  Neben  der  alten  Stiftsbibliothek  hatte  er  eine  private*); 
er  sorgte  aneh  für  die  Vervielfältigung  theologischer  Codices.*) 

Von  Odo  war  Majolus  in  seinem  Charakter  merklich  unter- 
schieden. Trat  jener  mit  der  Wucht  und  Gewalt  seiner  Worte 
gegen  die  Sünden  der  Zeit  auf,  so  war  dieser  eine  stille,  be- 
scheidene, fast  schüchterne  Natur,  welche  volle  Befriedigung 
in  theologischer  Leetüre  und  beschaulicher  Einsamkeit  fand. 
Dort  ein  praktischer  für  öffentliches  Wirken  geschaffener  Cha- 
rakter, hier  ein  Mann,  der  die  Oeffentlichkeit  mied  und  jedem 
Aufsehen  abhold  war.  Dort  ein  schroffer,  mitunter  cynischer 
Ton,  hier  mehr  massvolle  Versöhnlichkeit 

Dass  Majolus  im  Inneren  seines  Klosters  die  Disciplin 
aufrecht  erhielt,  wird  keines  besonderen  Nachweises  bedürfen. 
In  seinen  Strafreden  verfuhr  er  bald  nachsichtig,  bald  hart  und 
streng;  er  pflegte  die  Sünder  vor  den  Ohren  der  anderen  zu 
schelten,  damit  diese  mehr  Furcht  bekämen.^)  Unterdessen 
wuchs  die  Zahl  der  Mönche,  die  in  dichten  Schaaren  von 
verschiedenen  Seiten  nach  Cluni  strömten.^)  Dieser  Seelenfang 
gewährte  dem  Abte  die  grösste  Befriedigung.  Er  verdankte 
solche  Erfolge  seinem  häufigen  Aufenthalt  an  den  Höfen  der 
Fürsten,  seinem  weitgepriesenen  Namen,  seiner  Persönlichkeit 

>)  U,  c.  8.  9;  III,  c.  3.  7. 

^  Vgl.  den  Bibliothekscatalog  von  Gluni  aus  der  Mitte  des  XII.  Jahr- 
hunderts bei  Delisle,  Inventaire  des  manuscr.  du  fonds  de  Cluni  p.  337: 
1)  Volumen  bibliothecae  antique  et  plenarie,  2)  Volumen  secundae  biblio- 
thecfy  que  fuit  beati  Mayoli, 

*)  Vgl.  Serapenm  Y,  138;  Delisle,  Fonds  de  Gluni  p.  44.  388;  Cata- 
logue  of  tbe  British  mnseum,  Addit.  manuscr.  nr.  22820.  Es  waren 
Augustin,  Rabanus  Maums  und  Ambrosins,  von  denen  er  einzelne  Werke 
abschreiben  liess.  lieber  Malereien  seines  Schülers  Helderich  in  einem 
Ck>d.  des  Haimo  von  Halberstadt  (Paris  lat.  12302)  vgl.  Labarte,  Hist.  des 
arts  indnstriels  II,  127.  Ausführlicher  wird  auf  diese  Dinge  noch  in 
einem  späteren  Kapitel  über  cluniacensische  Kunst  und  Litteratur  zurück- 
zukommen sein. 

*)  n,  c.  6 :  Feccantes  vero  zdo  pii  amoria  coram  omnibus  arguebat, 
\U  eaeteri  timorem  kaberent  Diese  und  andere  Stellen  der  V.  Maioli  I, 
c.  9;  II,  c.  3.  5.  6  sind  in  das  Ghron.  S.  Benigni  ed.  Bougaud  p.  1 31— 133 
wörtlich  übergegangen  und  auf  Wilhelm  von  Dijon  bezogen  worden.  Zur 
Charakteristik  dieses  Schülers  des  Majolus  sind  sie  also  nicht  ohne  wei- 
teres zu  verwerten. 

»)  n,  c.  6. 


256 

Dass  er  die  dem  Tode  verfalleneii  Seelen  dem  ewigen  Leben 
wiedergewann,  musste  seine  Biographen  darüber  trösten,  dass 
der  gefeierte  Mann  nicht  wirkliche  Tote  zum  Leben  erweckt 
hat^)  Mit  der  Zahl  der  Mönche  wuchs  aber  der  Besitz  der 
Abtei.  Durchschnittlich  zwanzig  Erwerbsurkunden  kommen 
auf  das  Jahr  während  der  Amtsführung  des  Majolus,  also 
mehr  als  zur  Zeit  seines  Vorgängers.^)  Sowohl  der  Procent- 
satz der  unbedingten  und  bedingten  Schenkungen,  als  der  der 
Kaufverträge  ist  gestiegen:  die  Schenkungen  von  71V2%  ^^f 
80^0^);  zurückgegangen  ist  nur  die  Zahl  der  Tauschgeschäfte, 
nämlich  von  17^0  ^^f  ^^loy  £tber  diese  waren  naturgemäss  am 
wenigsten  geeignet  den  Besitzstand  wirklich  zo  vermehren. 
Bemerkenswert  als  Beweis  fttr  eine  extensivere  BQvnrtschaftung 
sind  die  zahlreichen  Pachtverti'äge  unter  Majolus.^)  Nicht  weniger 
spricht  die  steigende  Zahl  der  Pfandgeschäfte  ^)  fttr  einen  wirt- 
schaftlichen Aufschwung.  So  prägt  sich  auch  hier  in  den  Er- 
werbsurkunden Clunis  der  Gedanke  aus,  den  wir  als  die  Summe 
der  bisherigen  Entwicklang  betrachten  können:  das  ideelle 
Ansehen  der  Abtei  wie  ihre  wirtschaftlichen  Kräfte  waren  im 
Steigen. 

Eben  gleichzeitig  mit  Majolus  hatte  im  Herzogtum  Bur- 
gund  einer  seiner  Schüler,  ein  Italiener  Wilhelm  von  Volpiano 
zu  wirken  begonnen.  Seiner  Thätigkeit  wenden  wir  uns  zu- 
nächst zu. 


1)  Vgl.  die  Auseinandersetzung  II,  c.  10  u.  Odil.  V.  Mai.  Sehr  merkwUrdig 
ist,  wie  man  in  Cluni— und  das  geht  auch,  wie  bemerkt,  aus  der  Y.  Odonis  her- 
vor —  auf  sichtbare  Wunder  keinen  Wert  legte,  trotzdem  aber  sich  be- 
mühte, von  den  Aebten  weiche  zu  berichten,  mit  Rücksicht  auf  diejenigen, 
welche  erst  durch  Wunder  sich  von  der  Heiligkeit  eines  Mannes  tiber- 
zeugen Hessen.  Es  war  eine  Concession  an  den  naiven  Zeitgeist,  deren 
man  sich  völlig  bewusst  war. 

*)  Unter  Aymard  nur  c.  18. 

3)  44Va°/o  unbedingte  Schenkungen  gegen  42'/i°/o;  SöVaVo  bedingte 
gegen  29%. 

*)  Während  unter  Odo  kein,  unter  Aymard  nur  ein  Piäcarienvertrag 
nachweisbar  ist,  finden  wir  unter  Majolus  nicht  weniger  als  23. 

*)  Unter  Odo  4;  Aymard  4;  Majolus  14.  Dagegen  ist  die  jährlich 
auf  Landkauf  verwandte  Summe  ungefähr  dieselbe  geblieben.  Unter  Ay- 
mard kommen  auf  25  Käufe  381  sol.  7  den.,  unter  Majolus  auf  90  Käufe 
1175  sol.  10  den.,  d.  h.  jährlich  ca.  31—32  sol. 


257 

2.  Wilhelm  von  Yolpiano. 

Als  Otto  der  Grosse  nach  seiner  Kaiserkrönung  in  Rom 
sich  gegen  Berengar  und  Willa  wandte,  warf  sich  die  KOnigin 
in  ein  Castell  auf  der  Insel  San  Giuglio  im  See  von  Orta,  das 
Berengar  einst  dem  Bistum  Novara  entrissen  hatte.  Gegen  sie 
richtete  der  Kaiser  zunächst  seinen  Angriff,  während  Berengar 
mit  seinen  Mannschaften  in  San  Leo,  einer  stark  befestigten 
Felsenburg  bei  San  Marino  sich  zur  Wehr  setzte.  0  Während 
der  Belagerung  von  San  Giuglio  ward  einem  der  Dienstmannen 
Willas,  Robert,  nach  seinem  Besitz  bei  Ivrea  von  Volpiano  ge- 
nannt, der  eine  vornehme,  gottergebene  Langobardin  Perintia*) 
geheiratet  hatte,  von  ihr  ein  Sohn  geboren.  Ende  Juli  962  ergab 
sich  die  Feste;  damals  muss  es  gewesen  sein,  als  die  Kaiserin 
Adelheid  das  Kind  aus  der  Taufe  hob,  während  ihr  Gemahl, 
der  es  mit  der  Rechten  emporhielt,  ihm  den  Namen  Wilhelm 
beilegte.^)  Der  Vater  Robert  war  ein  Kriegsmann  von  Ruf; 
oft  hatte  ihn  an  der  Spitze  seiner  Mannschaften  sein  wackeres 
Schwert  zum  Siege  geftihrt.  In  der  Lombardei  und  im  übrigen 
Italien,  sogar  in  Deutschland  und  Frankreich  pries  man  weit 
und  breit  seinen  Namen.^)  Damals  war  er  der  Gommandant 
der  von  Otto  belagerten  Festung,  als  welcher  er  seine  Vater- 
landsliebe und  seine  Unbestechlichkeit  bewies,  als  der  Kaiser 
ihn  durch  Geschenke  zu  einem  Verrate  verleiten  wollte.  Er  war 
der  Sohn  Wibos,  eines  Schwaben,  der  einst  um  der  Blutrache 

•)  Vgl  Dtimmler,  Otto  d.  Gr.  S.  341. 

*)  So  schreibt  Wilhelm  den  Namen  in  den  Briefen  an  seinen  Vater 
bei  Levis,  S.  Wilbelmi  Opera,  Turin  1797,  p.  69.  73.  Rod.  Glaber  Vita  S. 
Wilhelmi  c.  1  (Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  323):  Perinza,  Ueber  ihre  Abkunft 
und  Familie  wird  an  anderer  Stelle  gehandelt  werden. 

•)  Rod.  V.  Wilh.  c.  2.  Der  Verfasser  bemerkt  in  der  Vorrede :  Plura 
siquidein  a  nobis  viatty  plwrima  tarnen  a  veraciasimis  rdatoribua  comperta 
huitta  narrationis  infortnabunt  aeriem.  Neuerdings  erschien  Ghevallier, 
Le  vdn^rable  Guillaume,  abb6  de  Saint -Benigne  de  Dijon,  Paris  et  Dijon 
1876,  ein  erbauliches  Buch  voll  dreister  Erfindungen,  wissenschaft- 
lich vollkommen  wertlos,  wenn  man  davon  absieht,  dass  der  Autor  die 
Werke  Wilhelms  nach  der  selten  gewordenen  Ausgabe  von  Levis  von 
neuem  abdruckt.  Ebenso  breit  als  phantasiereich  ist  Groset-Mouchet,  Bist, 
de  Saint  Guillaume,  Turin  1859. 

*)  Brief  Wilhelms  an  Robert  bei  Levis  p.  72:  Ensis  tuw,  qui  tot 
paimaa  tecum  ttUit . . .  Loquuntur  nunc  de  te  Longobardia,  Italia,  Qulliaj 
Qermania  .  .  .  Cum  dux  tu  fuisti  exercitiMm. 

Sftokar,  ClanUotnter.    I.'  17 


258 

zu  entgehen,  seine  Heimat  verlassen  hatte  nnd  in  der  Fremde 
zn  Reichtum  nnd  Ansehen  gelangt  warJ) 

Eine  oder  die  andere  Weissagung  liess  in  den  Eltern 
Robert  und  Perintia  den  Entschluss  reifen,  ihr  Söhnchen,  das 
schon  im  zartesten  Kindesalter  sich  vor  den  Altersgenossen 
auszeichnete,  Gott  zu  weihen.  Mit  sieben  Jahren  etwa  kam 
Wilhelm  in  das  Michaelskloster  von  Locedia^),  das  dem  Bischöfe 
von  Vercelli  untergeben  war,  und  setzte  bald  seine  Lehrer  durch 
seinen  Scharfsinn  und  seine  schnelle  Auffassungsgabe  in  Er- 
staunen. Schon  früh  war  er  ein  begeisterter  Anhänger  des 
Klosterlebens,  ein  schwärmerischer  Sohn  der  Kirche;  zu  seinen 
idealen  Führern  hatte  er  den  Engelsfttrsten ,  den  Erzengel 
Michael,  und  die  Himmelskönigin  und  Herrin  Maria  erkoren.^) 

Nachdem  er  in  Vercelli  und  Pavia  grammatische  Studien 
getrieben,  ward  er  Scholasticus  in  der  Abtei,  die  ihn  erzogen, 
und  Leiter  des  göttlichen  Dienstes.  Er  bekam  auch  die  Kanzlei 
und  die  gesammte  Verwaltung,  die  Sorge  fttr  die  rituellen  Ge- 
räte nnd  die  Entscheidung  über  äussere  und  innere  Dinge  in 
die  Hände.  Er  war  noeh  in  Locedia,  als  er  seine  Mutter 
Perintia  durch   den  Tod*)  verlor;   der  Brief,  in  dem   er  den 

*)  Rod.  V.  Wilh.  c.  2.  üeber  die  Macht  des  Hauses  vgl.  c.  9:  specio- 
sitas  caimalium  fratrum  seu  vici  ac  latifundia  atque  casteUa  eorumy  quae 
perplura  erant  ...  An  anderer  Stelle  wird  ausfuhrlicher  von  Wilhelms 
Familie,  namentlich  seinen  Brüdern  die  Rede  sein.  Die  Stelle  der  Vita 
c.  2 :  ob  inimicitiarum  ultionetn  über  die  Geltung  der  Blutrache  wird  durch 
eine  Urkunde  des  Abtes  Richard  v.  St.  Vannes,  Gallia  Christ.  XIII,  560 
gut  illustriert,  wo  erzählt  wird,  dass  nach  einem  in  Baileu  vertibten  Mord 
qiiamplurimi  hac  et  illuc  dispersi  suntj  sicut  contingere  aaepius 
8 ölet  qiiampluriniis  mortalibu8.  Ein  gewisser  Hervardns  musste 
mit  seiner  Familie  fliehen:  qnoniam  de  illormn,  qui  hominem  occiderantj 
fxierat  parentela. 

*)  Ueber  diese  Abtei  vgl.  Augustinus  ab  Ecclesia,  Pedemont.  reg. 
chronolog.  hist.,  Turin  1646,  p.  287;  dass  W.  mit  7  Jahren  Mönch  wurde, 
sagt  Rod.  Gl.,  er  selbst  in  Epist  2  ad  patrem :  piter  %nffre88m  sum  in  hac 
militia. 

*)  Epist.  2  ad  patrem  a.  a.  0.  p.  73 :  et  ducem  meae  consolatianis  ange- 
lorum  omnium  principxim  sanctum  Michaelem  archangelum  et  coelorum  re- 
ginam  Mariam  habeo  dominam. 

0  Ihr  Todestag  ist  der  Kai.  Nov.j  Necrol.  S.  Benign!  bei  Montfancon, 
Manuscr.  bibl.  II,  11 60  ff.:  Obiit  Perenza  nostra  amica,  maier  dxnmni  W 
abbatia.  Nach  „nostra  amiea"  sollte  man  annehmen,  sie  habe  noch  die 
Reform  von  Saint-B^nigne  erlebt. 


259 

Vater  Ober  den  Verlust  zq  trösten  sncbt,  zengt  nicht  allein  von 
seiner  Frömmigkeit,  sondern  auch  von  dem  ttberans  zärtlichen 
Verhältnis,  in  dem  die  einzelnen  Glieder  der  Familie  zu  einander 
standen.*)  Bald  darauf  richtete  Wilhelm  wiederum  ein  drin- 
gendes Schreiben  an  Robert:  indem  Gott  die  Bande  des  Fleisches 
löste  und  ihn  allein  znrttckliess,  soll  ihn  das  Beispiel  vieler 
Kaiser  und  Könige,  der  Tod  der  Gattin,  den  W^ilhelm  als  göttlichen 
Fingerzeig  hinstellt,  die  Aussicht  auf  den  Himmelslohn  bewegen, 
in  Locedia  ins  Kloster  zu  treten  und  dem  hl.  Michael  denselben 
Kriegsdienst  zu  leisten,  den  er  so  oft  seinem  weltlichen  Herrn 
geleistet  habe.^)  In  der  Tbat  folgte  der  Vater  mit  reichen 
Geschenken  der  Aufforderung;  aber  nicht  lange  mehr  war  es 
ihm  vergönnt,  Benedicts  Kutte  zu  tragen.  Indes  verleideten 
Wilhelm  selbst  den  Aufenthalt  in  Locedia  Händel  mit  dem 
Bischöfe,  da  dieser,  alä  Wilhelm  die  Priesterweihe  erhalten 
sollte,  von  ihm  den  üblichen  Obödienzeid  forderte,  den  der 
Mönch  als  uncanonisch  und  simonistisch  entschieden  verwei- 
gerte; während  er  andererseits  mehr  und  mehr  den  religiösen 
Uebungen  des  Betens,  Fastens,  Wachens  und  Psalmodierens 
hingegeben,  vor  Verlangen  brannte,  einen  Ort  zu  finden,  an 
dem  er  noch  eifriger  als  in  Locedia,  wo  die  Glut  religiösen 
Eifers  sehr  erkaltet  war,  seinen  mönchischen  Pflichten  nach- 
gehen könnte.^) 

Da  geschah  es,  dass  im  Frtthjahr  987  *)  Majolus  von  Gluni 
auf  einer  Reise  nach  Rom  in  Locedia  einkehrte.  Ihm  ver- 
traute Wilhelm  sein  Begehren  an,  und  als  der  Abt  nach  Be- 
endigung seiner  Geschäfte  wieder  in  demselben  Kloster  vor- 
sprach, nahm  er  den  jungen  Mönch  über  die  Alpen  mit  nach 
Frankreich.  Er  ward  feierlich  aufgenommen  und  schon  nach 
einem  Jahre  sollte  er  die  Priesterweihe  empfangen,  eine  Ehre, 
die  er,  als  ihrer  unwürdig,  zurückwies.  Seine  unleugbare  Be- 
fähigung,  sein   Eifer  für  die  reformatorische  Bewegung  trat 


^)  Epiflt  1  ad  patrem  a.  a.  0.  p.  69. 

')  Epist  2  ad  patrem  p.  71. 

")  Rod.  V.  Wilh.  c.  7.  9. 

*)  V.  Wilh.  c.  9.  Das  Jahr  ergiebt  sich  daraus,  dass  er  ea^leto  in 
eodan  loco  plus  minusque  anno  integro  in  Cluni  die  Priesterwürde  erhielt ; 
dann  lebte  er  IV'a  Jahre  in  St.  Satumin.  Endlich  übernahm  er  990  St. 
Benigne.    Dass  Majolus  987  wirklich  in  Italien  war,  s.  oben  S.  236. 

17* 


260 

aueh  in  Gluni  so  sehr  an  den  Tag,  dass  ihn  Majolns  nach  dem 
kleinen  Kloster  des  hl.  Saturnin^)  an  der  Rhone  schickte,  als 
der  Probst  desselben  aus  Cluni  einen  Mann  erbat,  der  ihn  mit 
seinen  Brttdern  anf  den  Weg  der  strengen  Zucht  leiten  könne. 
Mit  einer  Schaar  gleichgesinnter  Mönche  machte  sich  Wilhelm 
auf;  selbst  in  späteren  Jahren,  als  er  bereits  zu  höheren  Ehren 
gelangt  war,  gedachte  er  immer  noch  wehmütig  des  Aufent- 
haltes in  Saint-Sernin,  wo  er  seinen  Idealen  in  Bezug  auf  Armut 
und  äusserste  Strenge  so  ungestört  nachgehen  konnte.^)  Nur 
anderthalb  Jahre  etwa  blieb  Wilhelm  hier;  dann  fiel  ihm  eine 
grössere  Aufgabe  zu. 

Auf  dem  bischöflichen  Stuhle  von  Langres  sass  in  dieser 
Zeit  Bruno,  durch  seine  Mutter  Aldrada  ein  Neffe  des  Königs 
Lothar  von  Frankreich,  ein  Sohn  des  Grafen  Rainald  von  Roucy, 
und  Bruder  der  Ermentrud,  die  zuerst  Alberich  IL  von  Mäcon, 
dann  den  Grafen  Otto  Wilhelm  von  Burgund  geheiratet  hatte.*) 
Bruno  war  Cleriker  der  Reimser  Kirche  und  erst  vierundzwan- 
zig Jahr  alt,  als  ihm  sein  königlicher  Oheim  im  Jahre  980  das 
Bistum  Langres  übertrug.  Im  nächsten  Jahre  ward  er  durch 
Burchard  IL  von  Lyon  consecrirt  und  vom  Clerus  seines  Bischof- 
sitzes empfangen.^)  In  Reims  hatte  er  gerade  um  diese  Zeit 
sicherlich  Gelegenheit,  sich  über  den  Lebenswandel  der  refor- 
mierten Mönche  zu  unterrichten;  er  muss  an  ihnen  Gefallen 
gefanden  haben,  denn  als  er  sein  neues  Amt  angetreten  hatte, 
lag  ihm  gerade  die  Hebung  des  Klosterwesens,  das  in  seiner 
Diöcese  verfallen  war,  ganz  besonders  am  Herzen.*)  Erigehört 
in  die  Kategorie  der  mönchsfreundliehen  KirchenfUrsten,  wie 
die  meisten  der  burgundischen  Bischöfe.  Bruno  war  wohl- 
thätig  in  hohem  Grade,  eifrig  im  Gebet  und  im  Wachen,  ein 
Vater  der  Mönche  und  Nonnen,  und  des  Clerus,  ein  Beschützer 

^)  Von  einem  Aufenthalt  des  Majolus  daselbst  berichtet  Syrus  III,  c.  1 2. 

*)  V.  Wilh.  c.  10:  Habebat  enim  praefatus  vir  plures  fratres  secum 
simul  degentes,  una  tarnen  voluntas  omniumj  par  consenstiSj  similis  operatiOj 
modiis  orandi  ac  pscUkndi  atque  edendi  et  totus  hmtim  habittts  caritatis 
gratia  unifonnis. 

3)  L'art  de  vörifier  les  dates  XI,  15;  XII,  281. 

*)  Ghron.  S.  Benign!  ed.  Bougaud  p.  129;  Ann.  S.  Benign!  981 ;  Mar- 
tyrol.  S.  Benign!  bei  Labbe,  Nova  bibl.  I,  657. 

^)  Ghron.  S.  Benign!  p.  129. 


261 

der  Armen   und  VerwaiBten,   dabei  beredt,  ernst  nnd  wohl- 
wollend.*) 

Als  er  sein  Amt  antrat,  fand  er  die  Klöster  seines 
Sprengeis  im  Aensseren  nnd  im  Inneren  vernachlässigt,  und 
ihrer  Besitzungen  znm  grossen  Teil  beraubt  Auch  das  Haupt- 
kloster der  Diöcese,  das  des  hL  Benignus  in  Dijon  befand  sich 
in  keinem  besseren  Zustande.  Zuerst  versuchte  es  Bruno  mit 
einer  localen  Reform.  Er  entfernte  den  Abt  Manasse,  der  sein 
Amt  schlecht  verwaltet  hatte,  und  berief  aus  der  Nähe  den  Abt 
Adso  von  Montieränder.2)  Aber  der  blieb  nur  zwei  Jahre  hier 
—  er  trat  im  Jahre  992  eine  Pilgerreise  nach  Jerusalem  an, 
von  der  er  nicht  mehr  zurückkehrte  3)  —  und  wieder  Übernahm 
Manasse  die  Abtei,  deren  Zucht  man  wohl  zunächst  fUr  ge- 
sichert hielt.^)  Die  Unsicherheit  der  Verhältnisse  jedoch  bewog 
den  Bischof  sich  an  Hajolus  von  Cluni  zu  wenden,  mit  dessen 
Hülfe  er  nicht  nur  die  religiöse  Disciplin,  sondern  auch  den 
wirtschaftlichen  Wohlstand,  den  Grundbesitz  der  herabge- 
kommenen Abtei  herzustellen  gedachte.  Zwölf  aus  der  ganzen 
Congregation  erlesene,  gelehrte  Mönche,  wie  es  heisst,  von  vor- 
nehmer Abstammung^),  kamen  aus  Cluni  und  Majolus  setzte  auf 
Ersuchen  den  jungen  Wilhelm  zum  Abt  ein,  der  bis  dahin  im 
Kloster  des  hl.  Satumin  gewirtschaftet  hatte.  Am  Tage  der 
Translation    des   hL  Benignus,    am    17.  Februar  990,  zogen 


>)  Chron.  S.  Benigni  p.  172. 

')  Chron.  S.  Benigni  p.  129:  inatituit  in  locum  eius  abbatem  quendam 
ex  motuisterio  Derveiuti  Azoneni  nomine.  Azo  ist  doch  wohl  mit  dem 
gleichzeitigen  Adso  von  Montier6ndor  Identisch,  wie  aach  Chevallier,  Le 
vdn^rable  Guillaume  p.  50  und  Ogerdias,  Hist.  de  S.  Mayol  p.  127  annehmen. 
Allerdings  ist  dann  die  Nachricht  des  Chron.  S.  Benigni,  dass  er  Aqui- 
tanicus  yenere  gewesen  sei,  falsch ;  denn  die  Miracula  S.  Bercharii  c  1 0  be- 
zeichnen ihn  jedenfalls  richtiger  als  Jurensi  teüure  satus, 

*)  Miracula  S.  Berch.  c.  11.    S.  oben  S.  178. 

*)  Während  die  Reihenfolge  der  Aebte  nach  dem  Chron.  S.  Ben.  ist: 
Fulcherius,  Manasse,  Azo,  Manasse,  Wilhelmus,  ist  sie  in  der  Series  abb. 
ä.  Benigni  SS.  XUI,  381 :  Azo,  Fulcherius,  Manasse,  Wilhelmus.  Ich  folge 
der  sonst  gut  unterrichteten  Chronik. 

*)  Rod.  V.  WUh.  c.  1 0 :  quibusdam  ex  honestioribus  Cluniaci  fratri- 
bus;  Chron.  S.  Ben.  a.  a.  0.:  Cuius  precibus  flcxus  reverendutf  dbbas  Maio- 
lu8  dedit  d  duodecim  monacho»  ex  omni  congregatione  electoSf  disciplinUt 
Hanctae  religionis  instructos,  divina  et  huniana  sapientia  doctoSy  nobilitate 
camali  claroa. 


262 

die  Glnniaeensermönche  bei  Tagesgranen  ein^);  von  den  alten 
stoben  die,  welche  den  neuen  Zwang  scheuten,  auseinander. 

Mit  Wilhelms  Amtsantritt  begann  neues  Leben  zu  blühen. 
Seine  Thätigkeit  erstreckte  sich  neben  der  Aufbesserung  der 
klösterlichen  Zucht  hauptsächlich  auf  eine  umfassende  Restitu- 
tion des  abhanden  gekommenen  Grundbesitzes.  Dabei  fand  er 
in  Bruno  einen  warmen  Förderer,  der  ihn  aus  eigenen  Mitteln 
unterstützte  und  unermüdlich  bei  seinen  Bemühungen,  den  alten 
Besitz  der  Abtei  wieder  zusammenzubringen,  zur  Seite  stand.^) 
Auch  lag  ihm  an  einer  Verbesserung  der  Boden-  und  Garten- 
kultur. Den  Mönchen  von  Saint- Benigne  gab  er  Land  zur 
Anlage  eines  Gartens  und  von  Weinpflanzungen  ^);  und  als  er 
etwa  um  dieselbe  Zeit  dem  Abte  von  Dijon  auch  Saint-Michel 
de  Tonnerre  unterwarf,  lies  er  die  Brüder  ebenfalls  einen 
Garten  anlegen.^) 

Neben  der  Sorge  um  den  materiellen  Besitz  beschäftigte 
sowohl  den  Bischof  als  den  Abt  die  Wiederherstellung  und 
Ergänzung  der  alten,  zerfallenen  Baulichkeiten.  Die  Kirche 
war  zum  Teil  eingestürzt.  Als  man  aber  den  Versuch  einer 
Restauration  machte,  fielen  noch  weitere  Teile  zusammen,  so 
dass  ein  völliger  Neubau  von  Grund  auf  notwendig  wurde. 
Während  der  Bischof  die  Kosten  bestritt  und  zahlreiche  Mar- 
morsäulen und  Gestein  herbeischaffen  liess,  zog  der  Abt  Bau- 
meister heran  und  überwachte  die  technische  Ausführung. 
Das  merkwürdigste  war  der  Anbau  einer  gewaltigen  Rotunde 
zwischen  den  beiden  Absiden  im  Osten,  sowie  die  Verwendung 
zahlreicher  Säulen  und  Glasfenster.  Die  Grundlegung  erfolgte 
am  14  Februar  1001.*)  Die  erste  Weihe  fand  ein  Jahr  später 
am  24.  Februar  1002  statt«) 

»)  Chron.  S.  Ben.  p.  1 30 ;  Ann.  S.  Benigni  990 ;  Albericus  Trinmfont.  990. 

')  Chron.  S.  Ben.  p.  138:  Crescente  autem  interius  religionis  studio ^ 
exterioris  suhstantie  mppletnentwn  cepit  Jiabundare  non  niodwe  . .  ütrisque 
vero  domno  scilicet  presule  Brunone  atque  venerando  abbate  WiUelnw  in 
restaibratione  huius  loci  stadiose  decertantibus  cepit  crescere  et  qtuisi  denuo 
reflorere;  p.  138:  cuncta  ab  antiquis  huic  loco  co7ilata  posteaque  anuüignis 
direpta,  vd  a  pravis  rectoribus  dispertita  a  Brunone  episcopo  sunt  rcstituta. 

8)  Chron.  S.  Ben.  p.  129.     *)  Quantin,  Cartul.  g^n^r.  da  TYonne  1,  nr.  79. 

")  Chron,  S.  Benigni  p.  ISSfif.  Wir  handeln  an  anderer  Stelle  ge- 
nauer über  den  Bau  und  die  Basilica  von  Saint-B^nigno. 

•)  Ann.  S.  Benigni  1 002 :  6.  Kai  Mart.  feria  3. 


263 

Nur  wenige  Jahre,  fiaehdem  Wilhelm  die  Leitung  von 
Saint-Bönigne  übernommen,  im  Frühjahr  995  zog  der  Abt  nach 
Rom,  om  sich  von  Johann  XV.  den  Besitz  nnd  die  Rechte  der 
Abteien  Saint  Benigne  und  Böze.  die  er  inzwischen  auch  über- 
nommen hatte,  bestätigen  zu  lassen  nnd  den  Schutz  des 
apostolischen  Stuhles  anzurufen.^)  Nachdem  er  seinen  Zweck 
erreicht,  pilgerte  er  auf  den  Monte  Gargano;  in  Beneyent  er- 
krankte er  heftig.^).  Eines  Nachts  sah  er  sich  in  einer  Vision 
vor  ein  Gericht  gestellt,  in  welchem  ihm  neben  andern  Vor- 
würfen auch  der  einer  masslosen  Strenge  gemacht  wurde. 
Wir  hören  in  der  That,  dass  er  den  Mönchen  gegenüber  mit 
grosser  Härte  und  Rücksichtslosigkeit  verfuhr.  Als  Bene- 
dict VIIL  den  römischen  Stuhl  bestiegen  hatte,  sandten  Abt 
und  Bischof  die  päpstlichen  und  königlichen  Privilegien  nach 
Rom,  wo  sie  am  30.  November  1012  erneute  Anerkennung 
fanden 3);  an  Wilhelm  schrieb  Benedict  damals,  er  habe  auf 
seine  Bitten  das  Kloster  zu  Dijon  wiederum  in  seinen  aposto- 
lischen Schutz  genommen^.) 


*)  Chr.  S.  Ben.  p.  1S6:  Anno  aexto  sue  ordinaiionü  WUlehnus  abbas 
Romam  perrexit  ad  apostolorum  limina,  eorum  patrocinia  exposcens.. 
Nun  haben  wir  ein  leider  nur  fragmentarisch  und  sehr  verstümmelt  er- 
haltenes Privileg  Johanns  XV.  v.  26.  Mai  995;  es  scheint  mir  danach 
zweifellos,  dass  dieses  auf  der  in  der  Chronik  erwähnten  Reise  beschafft 
wurde.  Die  Urk.  J.-L.  3858  ist  gedruckt  bei  v.  Pflugk-Harttung,  Acta  pont 
Rom.  I,  n.  12  und  besser  bei  Delisle,  M^langes  de  pal^ographie  1880  p.  50; 
vgl.  Lüwenfeld,  Uistor.  Jahrbuch,  MUnster  1881,  II,  110.  Ich  ergänze  und 
emendiere:  beatae  memoriae  (so  D.  besser  fUr  deheat  me  proprie  Pf.-H.) 
[clujniacenaia  (malcenais  Druck)  cen[obJii  abbatia  con8u[Uo  atquej  nego[Ha- 
tione  »usjcepü  fratres  ex  quibus  loco  abbat[em  QuJiUelnium  ordinavit 
quendam, 

*)  Rod.  Glaber  V.  Wilh.  c.  16  spricht  von  einer  Reise,  auf  der  er  in 
Rom  betet  und  in  Vercelli  und  Sanct  Christina  erkrankt.  Mabillon,  Ann. 
Ben.  IV,  87  und  Pignot  I,  495  identifizieren  beide  Reisen,  was  mir  bei  der 
Verschiedenheit  der  in  beiden  Quellen  genannten  Orte  nicht  erlaubt  scheint. 
Wir  werden  von  der  anderen  Reise  in  anderem  Zusammenhange  zu 
reden  haben. 

■)  J.-L.  3991;  gedr.  bei  P6rard,  Recueil  de  plusieurs  picces  p.  172; 
Migne    139,  1579. 

*)  J.-L.  :i992;  Perard  p.  173;  Migne  139,  1581:  i^e^i^iont^itir  tuü  an- 
nuentes  monasteriiwi  vestrum  aub  protectione  apostolica  conservandttm 
statwimuB, 


264 

Bruno  war  bereits  gestorben,  als  der  prächtige  Ban  seiner 
Vollendung  nahte;  ftlr  den  30.  Oct  1018  ward  die  Weihe  fest- 
gesetzt*) Unter  Wilhelms  trefflichem  Regiment  wuchs  die 
Zahl  der  Brüder  von  Tag  zu  Tage;  namentlich  aus  Italien 
kamen  Bischöfe,  Mönche  und  Aebte  in  die  Schule  ihres  Lands- 
mannes. Ein  reges  künstlerisches  und  wissenschaftliches  Leben 
erblühte  in  dem  bnrgundischen  Kloster;  nie  waren  weniger 
als  siebzig  oder  achtzig  Brüder.^) 

Die  Freundschaft  Brunos,  ftlr  Wilhelm  von  Volpiano  hatte 
neben  dem  allgemeinen  kirchlichen,  sicherlich  noch  einen 
speziellen  Grand  gehabt  in  ihrer  beiderseitigen  Verwandt- 
schaft zu  Otto  Wilhelm  ^),  dem  mächtigen  burgundischen  Grafen, 
dem  Stiefsohne  Herzog  Heinrichs.  In  der  That  schloss  sich 
Otto  Wilhelm  ebenfalls  den  Bestrebungen  seiner  beiden  geist- 
lichen Verwandten  mit  Eifer  an.  Indem  er  Vogt  von  Saint- 
Bänigne  war^),  hatte  er  schon  die  Verpflichtung,  das  Kloster 
in  seinem  äusseren  Besitzstande  zu  schützen  und  seine  In- 
teressen zu  wahren;  dieses  Amtes  hat  er  auch  öfter  gewaltet.^) 
Aber  er  förderte  auch  selbst  durch  Schenkungen  das  Vermögen 
der  Abtei.  Er  übertrug  Herrschaftsrechte  und  Besitz  in  Veuvey- 
sur-Ouche«),  Cessey-sur-Tille^)  und  Salins®),  er  half  bei  der 
Restitution  abhanden  gekommenen  Gutes,  wie  in  der  Villa 
Albiniacus,  im  Departement  Haute-Saöne,  wo  seit  jeher  eine 
Kirche  Stancti  Marcelli  stand  und  sich  jetzt  ein  Kloster  des  hl. 
Benignus  erhob.^)  Er  unterstützte  auch  die  Vergabungen  an- 
derer für  das  Stift;  so  intervenierte  er  im  August  1005  bei 
König  Robert  zu  Avalen  in  Gemeinschaft  mit  dem  Bischof 
Walter  von  Autun  dafür,  die  Klostergründung,  die  Herzog 
Heinrichs  Stiefsohn,  Vicegraf  Oddo  mit  seiner  Gemahlin 
Hingala    vor   den  Mauern    von  Beaune    bei  der  Kirche  des 


0  Ann.  S.  Benigni  1018;  Rod.  V.  WUb.  c.  25:  dies  tercius  Kalendas 
Novembriwn;  Mirftc.  S.  Bercharii  c.  21  (Mabillon,  A.  SS.  II,  817). 

«)  Chron.  S.  Ben.  p.  187. 

>)  Die  Verwandtschaft  Otto  Wilhelms  mit  dem  Abte  bezeugt  die  Vita 
c.  12:  WilhelmOj  qui  etiam  eiusdem  patris,  de  quo  ttenno  estj  extiterat  af- 
finitate  propifiquus;  Chron.  S.  Benigni  p.  162:  Wilhelnw  abhaJte,  qui  ei 
(Otto  W.)  propinquitate  iungebatwr. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  149:  Ottotiem^  qui  et  WiUehnua  dictus^  comitefin, 
qui  tunc  advocatua  erat  loci  istius.  ^)  Chron.  S.  Ben.  p.  169.  176. 

•)  ib.  p.  163.  ')  p.  184.  •)  p.  162.  »)  p.  162. 


265 

hL  Stephan  nnternommen  nnd  dem  Abte  von  Dijon  Über- 
geben hatte,  seinerseits  demselben  nrkandlich  zu  gewähren. >) 
Im  nächsten  Jahre  war  er  wieder  mit  Bischof  Walter  von 
Antun  bei  König  Robert,  als  es  sich  darnm  handelte,  die 
Schenknng  eines  Kriegsmannes  Letbald  von  Beanne  zu  be- 
stätigen. Denn  Letbald  hatte  der  Abtei  den  Ort  Puisieux  in 
der  Grafschaft  Beaune,  den  er  von  Otto  Wilhelm  zu  Lehen 
hatte,  unter  der  Bedingung  überweisen  lassen,  dass  der  Abt 
Mönche  daselbst  ansiedle.^)  Das  letzte  Mal  widmete  Otto 
Wilhelm  den  Mönchen  des  hl.  Benignus  seine  Fürsprache  noch 
kurz  vor  seinem  Tode,  am  13.  Juli  1026  bei  König  Rudolph  IIL, 
welcher  damals  die  Zuwendung  königlicher  Lehen,  die  der 
Graf  im  Besitz  hatte,  gestattete. 3)  Otto  Wilhelms  Sohn  Rainald 
bewahrte  die  Freundschaft  des  Vaters  gegen  den  Ort,  auch 
nachdem  Wilhelm  gestorben  und  Ualinard  Abt  geworden  war. 
Abgesehen  von  mehreren  Schenkungen,  die  er  demselben  in 
Salins  im  Jura^),  wo  die  Mönche  von  Dijon  schon  Grundbesitz 
hatten,  zu  Teil  werden  liess,  übergab  er  ihnen  eine  Kirche  des 
hl  Georg  bei  dem  Gasteil  Vesoul  zur  Errichtung  eines  Klöster- 
chens ftlr  vier  Mönche,  die  allezeit  ftlr  ihn  und  seine  Familie 
beten  sollten.^) 

Wie  die  beiden  Grafen,  die  Rudolph  III.  einmal  die  beiden 
angesehensten  Fürsten  seines  Reiches  nennt®),  so  beteiligte 
sich  auch  sonst  der  Adel  des  Landes  eifrig  an  der  kirchlichen 
Reform,  wie  es  die  Zeit  mit  sich  brachte.  So  schenkte  Herr 
üumbert  von  Salmaise  die  Marienkirche  in  seiner  Burg,  damit 
dort  Mönche  angesiedelt  würden"),  ein  Archidiacon  der  Kirche 
Langres,  Isembert,  der  später  Bischof  von  Paris  wurde,  trat  an 
das  Kloster  von  Dijon  die  Abtei  St.  Amator  vor  den  Thoren 
von  Langres  ab,  die  er  als  Lehen  von  Bischof  Lambert  erhalten 


>)  GbroD.  S.  Ben.  p.  164;  die  Urk.  Roberts  HF  X,  585;  die  BestUtigungs- 
ork.  des  Bischofs  Walter  von  Autun  iui  Cartul.  de  Saint-Benigne  (Cod.  lat. 
Paris  17080  saec.  XVII)  foL  162  von  1004  in  curia  Otto^iis  cotnitis. 

^)  Cliron.  p.  164;  Die  Urk.  Roberts  IIF  X,  58J»;  P^rard  p.  171. 

»)  HF  XI,  550. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  193.  ^)  p.  104. 

•)  HF  XI,  549 :  Otto  conies  eiusque  filius  Reynaldm  dtu)  regni  tiostri 
praeclarissimi  principea. 

7)  Chron.  S.  Ben.  p.  165. 


266 

hatte;  ein  Graf  Aymo<)  übergab  im  Jabre  1030  eine  Abtei  der 
bl.  jQDgfrau  und  des  bl.  Flavian  vor  seiner  Barg  Saxe-fontaine 
an  Wilbelm,  um  das  klösterliebe  Leben,  das  frllber  hier  ge- 
herrscht hatte,  wiederherzustellen.^)  Auch  nach  Wilhelms  Tode 
kamen  einige  Stifter  an  das  Benignnskloster.  Graf  Burehard^} 
knüpfte  an  die  Uebergabe  der  Leodegarabtei  in  Enfonvelle  die 
liitte,  die  klösterliche  Ordnung  wiederherzustellen;  Rotger ^)  von 
Vignory  wollte  von  der  von  seinem  Vater  Wido  erbauten  Kirche 
St.  Stephan  die  Chorherren  vertrieben  und  Mönche,  die  Gott 
Tag  und  Nacht  dienen,  hineingelegt  wissen  und  Herr  Rainald*^) 
von  Chätillon-snr-Seine  nahm  selbst  vor  seinem  Tode  am 
2.  September  1038  das  Mönchsgewand  und  überwies  Saint- 
Julien  bei  Dijon  mit  allen  dazu  gehörigen  Ländereien  und 
Hörigen  nebst  der  Kirche  dem  hl.  Benignus  und  bat  Mönche  an- 
zusiedeln, die  für  ihn  und  die  übrigen  Gläubigen  beten  sollten.<^) 
Bei  alledem  ist  doch  das  wichtigste,  dass  dieser  kirchliche 
Geist,  diese  Vorliebe  für  die  Benedictinercongregationen  in 
weite  Kreise  getragen  wurde,  indem  die  Vasallen  der  Burg- 
herren diesen  gleichzuthun  trachteten  und  es  auch  ihrerseits 
an  Schenkungen  nicht  fehlen  Hessen.'^)  Vor  und  in  die  Castelle 
dringen  jetzt  die  Mönche;  ganz  andere  Stimmungen  als  bisher 
gewannen  Gewalt  über  den  waffenmächtigen  Laienadel. 

Um  Saint- Benigne  grnppirte  sich  so  eine  grössere  Zahl 
kleinerer  von  dem  Hauptkloster  abhängiger  Gellen  und  Depen- 
denzen.  Aber  noch  in  andere  dem  hl.  Benignus  nicht  unter- 
gebene Abteien  zog  wieder  der  Geist  des  hl.  Benedict  unter 
dem  Regiment  des  Abtes  Wilhelm.  Bald  nach  der  Reform  von 
Saint-B6nigne  übergab  ihm  Herzog  Heinrich  von  Burgund,  der, 
wie  wir  wissen,  schon  die  Schule  des  Majolus  begünstigt  hatte, 
das  Kloster  des   hl.  Viventias  vor  der  Burg  Vergy,  das  ganz 


')  Sein  Todestag  ist  der  23.  Juni  nach  dem  Necrol.  S.  Benigni. 

^)  Chron.  8.  Ben.  p.  174;  Die  Urk.  Aymos  bei  P^rard,  Recueil  de 
plusiciirs  pi6ces  p.  179;  sein  Sobn  Graf  Otto  bestätigt  die  Schenkung, 
P6rard  p.  187. 

>)  S.  Todestag  d.  n.  Febr.,  NecroL  S.  Ben.  a.  a.  0. 

*)  Gestorben  am  24.  Dec,  Necrol.  S.  Ben.  a.  a.  0. 

*)  Gest.  am  2.  Sept.,  Necrol.  S.  Ben.  a.  a.  0. 

«)  Chron.  S.  Ben.  p.  194;  Die  Urk.  Katnalds  bei  P6rard  p.  186. 

')  Cartul.  de  Saint-B6nigne  (Cod.  lat.  Paris.  17080  saec.  XVII)  nr.  22. 
26.  27.  28. 


267 

henmtergekommen  war,  zur  Wiederherstellnog  nnd  BeformJ) 
iDzwischen  reifte  aacb  in  dem  Schwager  des  Herzogs,  Bisehof 
Bruno,  der  Entschluss,  sämmtlicbe  Diöcesanklöster  unter  dem 
Abtstab  Wilhelms  von  Dijon  zn  vereinigen.^)  Es  waren  dies 
ausser  Saint -Jean  de  R^ome  und  Molosmes,  über  deren  Ver- 
hältnisse zur  Zeit  der  Reform  genauere  Nachrichten  fehlen,  die 
Klöster  Böze  und  Saint-Michel  de  Tonnerre. 

Nordöstlich  von  Dijon  an  der  Quelle  des  Flttsschens  ge- 
legen, dessen  Namen  die  Abtei  trug,  war  Böze  in  den  Jahr- 
hunderten der  Barbareneiniälle  von  keinem  der  drei  Völker- 
stämme, welche  das  Frankenreich  beunruhigten,  verschont  ge- 
blieben. 731  zerstörten  es  die  Araber;  aber  nachdem  hier 
ein  Jahrhundert  später  unter  Bischof  Alberich,  vielleicht  unter 
der  Einwirkung  der  anianischen  Reform,  neues  Klosterleben 
zu  blühen  begonnen  hatte,  zertraten  die  Normannen  die  jungen 
Triebe  mit  rücksichtsloser  Rohheit.  Wieder  ein  halbes  Jahr- 
hundert später  933  thaten  die  Ungarn  ihr  Bestes,  alle  Reste 
friedlicher  Cnltur  zu  vernichten.')  B6ze  soll  nicht  weniger 
als  fünfmal^)  von  ihnen  eingeäschert  worden  sein,  eine  Nach- 
rieht, die  jedenfalls  übertrieben  ist.  Der  Laienadel,  der  Eigen- 
nutz und  die  Gleichgttlttgkeit  der  Bischöfe  brachten  das  Stift 
gänzlich  herunter.^)  Da  war  es  Bruno  in  Gemeinschaft  mit 
dem  Grafen  Otto  Wilhelm,  der  an  eine  Erneuerung  klöster- 
licher Zucht  und  Sitte  in  Böze  dachte  und  Wilhelm  von  Dijon 


>)  Rod.  V.  Wilh.  c.  12;  Chron.  S.  Ben.  p.  135.  In  früheren  Citaten 
wurde  hier  statt  Verziacenaetn  gelesen  Vezdiacenseni ;  der  falschen  Lesart 
folgen  Prosper  Merimde,  Notes  d'iin  voyage  dans  le  midi  de  la  France 
1835  p.  44;  Schnaase,  Gesch.  d.  bild.  Künste  IV,  518,  Chevalier  p.  72. 
Das  Richtige  hat  bereits  Duchesne,  Bist,  de  hi  maison  de  Vergy,  Paris 
1Ö25  pr.  25. 

')  Chron.  S.  Ben.  p.  135:  omnia  in  suo  epiacopio  monasteria  ipsius 
delegavit  prot^identie.  Abbatiam  8cilicet  Bemjbensein  ^  apostolorum  Petri  et 
Pauli  honore  dicatam;  monasterium  sancti  JohanniSf  quod  Meoniatut  dicitur; 
locum  sancti  Michaiis  archangeli  iuxta  castrum  Thamodorum;  abbatiam 
Melundensem  etc. 

>)  Ann.  Besuenses  (SS.  II,  249)  731.  830.  888.  083. 

*)  Chron.  Besuense  ed.  Garnier  p.  28t> :  invenimvs  hunc  eundeni  locum 
ab  Htmgris  comlmstum  quinquies, 

^)  V.  Wilh.  c.  1 2 :  ac  saepiiis  paganomm  seu  pessimorum  qtwruncun- 
que  hominum  infestatione  desolatum;  Chron.  Bes.  p.  286. 


268 

991  in  die  benachbarte  Abtei  berief J)  Mit  wenigen  Mönchen 
fing  man  an;  das  meiste  ihres  Unterhalts  bestritt  ein  ange- 
sehener Bürger  von  Dijon,  Rudolph,  der  zu  den  ersten  Con- 
Versen  von  St  Benigne  gehört  und  auch  hier  durch  seine 
Mittel  den  Abt  unterstützt  hatte.^)  In  Böze  errichtete  er  an 
Stelle  der  kleinen  Kirche  eine  der  Apostelfürsten  ¥Fttrdige  von 
Grund  auf;  ein  anderer  vornehmer  Bürger,  der  Vicegraf  Magnus, 
hatte  hier  unter  Abt  Wilhelm  eine  Zeit  lang  das  Amt  eines 
Priors^),  und  schien  in  seinem  Eifer  für  die  inneren  und 
äusseren  Angelegenheiten  dem  Prior  Arnulf  von  Saint-Bönigne 
nachzueifern.  Im  Jahre  1008  erhielten  die  Mönche  durch 
Bischof  Bruno  ein  wichtiges  Privileg:  innerhalb  sechs  Weg- 
stunden im  Umkreise  von  Böze  sollen  von  den  Pfarrgemeinden 
zur  Zeit  der  Rogationen,  also  drei  Tage  vor  Christi  Himmel- 
fahrt, Männer  und  Weiber  mit  Oblationen  nach  der  Kirche  von 
Böze  kommen/)  An  dieselbe  Abtei  gelangte  unter  Wilhelms 
Amtsführung  im  Jahre  1019  ein  Kloster  der  hl.  Jungfrau,  das 
Graf  Girard  von  Fouvent-le-Ghäteau  vor  seiner  Burg  eben 
errichtete.  Er  stammte  von  der  Grenze  der  Genfer  Diöcese, 
hatte  eine  Dame  von  Arsoncourt,  Gertrud,  geheiratet  und  zwei 
Söhne  von  ihr  geschenkt  erhalten,  Humbert  und  Girard,  von 
denen  der  letztere  in  den  geistlichen  Stand  trat  Zur  Kirche 
Langrcs  war  Graf  Girard  schon  in  Beziehungen  getreten,  als 
er  der  Abtei  Böze  die  Zehnten  von  Neuvelle-les-Champlitte 
restituirte.^)  Jetzt  überwies  er  zum  Bau  der  Abtei  Sainte-Marie 
und  Unterhalt  der  Mönche  Grundbesitz.  Alles  Gut  stellte  er  mit 
der  Stiftung  unter  die  Herrschaft  unseres  Klosters  und  liess  den 
Act  durch  Bischof  Lambert  von  Langres  rechtskräftig  machen, 
welcher  auf  Girards  Bitten  auch  bewilligte,  dass  alle,  die  inner- 
halb des  Bargreviers  und  der  Herrschaft  derselben  das  Zeit- 
liche segneten,  in  der  Abtei  der  hl.  Jungfrau  bestattet  würden.<^) 
Koch  in  die  Zeit  des  Bischofs  Widricns  zurück  reicht  die 
Wiederherstellung  des  Klosters  Saint-Michel  im  Süden  des  Castells 

*)  Ann.  Besuenses  991.  >)  Ghron.  Besuense  p.  287. 

3)  ib.  p.  288.  *)  p.  288. 

^)  Diese  Notizen  ergeben  sich  aus  einer  Reihe  von  Urkunden  im 
Chron.  Bes.  Eigentümlich  ist,  dass  Girard  im  Texte  derselben  nur  miles 
und  dominus  castri  genannt  wird,  während  er  als  comes  unterschreibt. 

')  Chron.  Bes.  p.  308;  Duchesne,  Hist  de  la  maison  de  Vergy  pr.  62. 


269 

Tonnerre.  Der  erste  selbständige  Graf  von  Toonerre,  Milo  I, 
hatte  sie  im  Juli  980  mit  Hülfe  des  Bischofs  unternommen.  ^) 
Milo  stattete  das  Kloster  nicht  nur  mit  Grandbesitz  ans;  er 
legte  hier  später  selbst  die  Mönchsgelübde  ab.^)  Die  ersten 
Aebte  waren  Dodo  und  Petrus.  Als  aber  dann  Bisehof  Bruno 
seine  umfassende  Reformthätigkeit  begann,  schenkte  er  auch 
an  Saint-Michel  Landbesitz,  auf  dem  die  Brttder  ein  Fremden- 
hospiz, mehrere  Wirtschaftsgebäude,  einen  Hain  und  einen 
Garten  anlegten.^)  Wahrscheinlich  gleichzeitig  wurde  die  Abtei 
dem  Abte  von  Saint-B6nigne  untergeben ;  eine  Zeit  lang  ftthrte 
damals  hier  Letbald  den  Abtstab,  jener  frtthere  Kriegsmann 
von  Beaune,  der  dann  ins  Kloster  getreten  war  und  solche 
Kenntnisse  erworben  hatte,  dass  er  mit  dem  Beinamen  „der 
Weise"  geehrt  wurde.^)  Nach  Wilhelms  Tode  übernahm  Hu- 
nald  die  Leitung,  der  zur  Zeit,  als  die  Reform  in  Dijon  durch 
Majolus  erfolgte,  in  jugendlichem  Alter  in  Saint-B^nigne  lebte. 
Wilhelm,  der  seine  Begabung  erkannt,  hatte  ihn  bei  sich  be- 
halten, unterrichten  lassen  und  zum  Hüter  der  Kirchenschätze 
gemacht,  die  er  erst  fast  sämmtlich  zusammenbrachte.^)  Als  Abt 
von  Saint-Michel  starb  er  am  27.  März®),  wohl  im  Jahre  1057.^) 

In  wenigen  Jahrzehnten  gewann  der  Sprengel  von  Langres 
durch  die  Verbindung  Brunos  mit  Wilhelm  ein  neues  Ansehen. 
Aber  der  Einflnss  des  Abtes  von  Dijon  reichte  weit  über  die 
Grenzen  der  burgundischen  Lande.  Erst  in  anderem  Zusammen- 
hange können  wir  seine  Wirksamkeit  weiter  verfolgen. 


^)  Quantin,  Cartul.  g6n6r.  de  PYonne  I,  p.  146,  nr.  76. 

*)  Quantin  I,  m.  79  u.  94. 

')  Quantin  I,  nr.  79.  Wie  aus  nr.  95  hervorgeht,  gab  es  zwei  Aebte 
Namens  Hunold.  Da  nun  Hunold  I.  nach  dem  Cbron.  S.  Ben.  p.  148  nach 
Wilhelms  Tode  27  Jahre  lang  Abt  war,  also  bis  1057,  so  ergtebt  sich, 
dass  die  von  Quantin  für  die  Wahlurkunde  des  zweiten  angesetzte  Zahl 
1048—1049  unmöglich  richtig  ist. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  150.  Er  hatte  einen  Sohn,  der  Archidiacon  an 
der  Kirche  von  Langres  war,  vgl.  p.  168. 

<»>  Chron.  S.  Ben.  p.  148. 

*)  Necrol.  S.  Ben.  b.  Montfaucon  II,  11 60  ff. 

T)  Nach  27  jährigem  Regiment,  Chr.  S.  Ben.  p.  148. 


Sechstes  Capitel. 

Abbo  von  Fleury. 


i. 

Die  schweren  ADfechtangen,  denen  der  klösterliche  Besitz 
nnd  die  Abteien  selbst  fortwährend  seitens  der  Biscböfe  and 
weltlichen  Grossen  aasgesetzt  waren,  massten  früh  das  Streben 
erwecken,  Schatz  gegen  derartige  Vergewaltigungen  bei  stär- 
keren Factoren  des  weltlichen  and  kirchlichen  Lebens  zu 
suchen.  Natargemäss  durfte  in  erster  Reihe  der  König  be- 
fugt erscheinen,  diese  Sicherheit  zu  gewähren,  fasste  man  doch 
seit  jeher  sein  Amt  als  das  eines  Beschtttzers  der  Kirche  auf, 
der  mit  dem  Schwerte,  das  er  führte,  dieser  als  Rächer  und 
Verteidiger  ihrer  Forderungen  zur  Seite  zu  stehen  habe.  Aber 
das  Verfahren  der  Könige  im  9.  Jahrhundert  war  wenig  ge- 
eignet, das  Vertrauen  in  diesen  königlichen  Schutz,  in  den 
viele  Abteien  aufgenommen  worden  waren,  zu  stärken.  Man 
hatte  im  Gegenteil  oft  genug  erlebt,  dass  die  Könige  ihre  Ver- 
teidigungspflicht als  ein  privates  Eigentumsrecht  ttber  die 
Kirchen  und  Klöster  auffassten,  und  war  deshalb  namentlich 
gegen  Ende  des  9.  Jahrhunderts  dazu  gedrängt  worden,  einen 
stärkeren  Schutzverband  aufzusuchen.  Dem  königlichen  Schutz 
gegenttber  musstc  der  päpstliche  bedeutend  vorteilhafter  er- 
scheinen: der  Papst  war  weit  und  gar  nicht  in  der  Lage,  als 
Privateigentttmer  über  entfernt  gelegene  Kirchen  zu  verfügen, 
andererseits  besass  er  kraft  seiner  sacramentalen  Functionen 
die  stärkste  und  umfassendste  Disciplinargewalt  gegen  die 
Bedränger  seiner  Schützlinge.  Wie  man  seine  Stellung  den 
ihm  anvertrauten  Stiftern  gegenüber  auifasste,  zeigen  Be- 
stimmungen   in    den    ersten    Diplomen    Clunis:    nur    seinem 


271 

Schatze,  nicht  seiner  Herrschaft  wird  das  Kloster  anvertraut, 
wie  es  ausdrtteklich  heisst^)  Es  wird  ihm  ein  Verfttgungsrecht 
darüber  abgesprochen,  ebenso  wie  dem  Könige  von  Frankreich 
ein  solches  über  die  Abtei  Flenry,  die  allein  unter  der  Herr- 
schaft des  weltlichen  Fttrsten  stand.^)  Das  heisst,  es  wird  ein 
privatrechtliches  Verhältnis  beiden  Souveränen  gegenüber  ab- 
gelehnt 

Freilich  war  das  nur  die  eine  negative  Seite  der  Be- 
deutung des  päpstlichen  Schutzes:  der  Papst  sollte  sowenig 
über  die  Abteien  verftlgen,  wie  die  Bischöfe  über  das  ihnen 
anvertraute  Kirchengut  Die  positive  bestand  darin,  dass  der 
Papst  überhaupt  an  die  Stelle  des  Diöcesanbiscbofs  trat  Das 
Recht  der  ihm  commendierten  Stifter  ist  das  Recht  der  römischen 
Geistlichkeit  Nicht  der  Bischof  von  Mäcon  ist  der  Diöcesan- 
bischof  Clunis,  nicht  der  von  Orleans  der  Fleurys,  sondern  der 
Bischof  von  Rom.  Ihm  kommen  also  auch  alle  sacralen 
Functionen  des  Sprengelbischofs  zn.  Da  er  diese  jedoch  nicht 
immer  in  eigener  Person  oder  durch  Legaten  aasOben  kann,  so 
ergiebt  sich  das  vielfach  beanspruchte  und  verliehene  Recht  der 
ihm  untergebenen  Klöster,  beliebige  Bischöfe  damit  zu  beanf- 
tragen.3)  Freilieh  wurden  in  den  Privilegien  nicht  immer  die 
notwendigen  Consequenzen  gezogen:  nach  dieser  Richtung  be- 
wegt sich  aber  durchweg  die  Rechtsentwicklung.  Ursprünglich 
eine  Analogiebildung  nach  deutschem  Recht,  erhält  die  Institu- 
tion allmählich  die  angegebene  kirchenrechtliche  Auslegung. 

Je  unbestimmter  aber  die  Ausdrücke  der  Urkunden,  desto 
unsicherer  waren  vielfach  die  thatsächlichen  Verhältnisse.  Wie 
weit  päpstliche  Schutzprivilegien  die  Abteien  von  der  einen 
oder  andern  Pflicht  den  Bischöfen  gegenüber  lossprachen,  ist 
aus  den  Diplomen  selbst  häufig  gar  nicht  zu  ersehen,  jedenfalls 
zeigt  sich  nach  den  Reformen  im  zehnten  Jahrhundert  bei  vielen 
Achten  die  Tendenz,  den  Exemtionsbegriif  möglichst  weit  aus- 
zudehnen und  4en  päpstlichen  Schutz  jetzt  als  eine  Herrschaft 


»)  S.  oben  S.  41. 

■)  Urk.  Leos  VII.:  ut  nunquam  locus  ille  aut  res  quaelibetad  ipsum 
pertinenteSf  aub  alicuitis  potestate  niai  tantum  m/i  auhtnittatiirf  nrqne  ipse 
rex  vd  aliquia  princeps  unquam  ipautn  locum  tradat  atä  episcopo  etc. 

»)  Vgl.  Petri  Venerab.  epist.  I,  28,  Bibl.  Clun.  col.  077. 


272 

des  Papstes  za  deaten,  die  jede  andere,  auch  die  des  Bischofs, 
nach  allen  Richtungen  hin  ausschlösse. 

Es  war  zu  erwarten,  dass  die  Bischöfe  einer  zu  weitgehenden 
Auslegung  in  einzelnen  Fällen  entgegentreten,  und  dass  auch  hier 
mit  dem  Geftthl  einer  grösseren  Sicherheit  der  Verhältnisse 
Tendenzen  auftauchen  ¥Fttrden,  die  auf  die  Stärkung  und  den 
Znsammenhalt  der  bischöflichen  Rechte  gingen.  Es  ist  bemerkens- 
wert, dass  es  im  Herzogtum  Francien  war,  dem  am  festesten 
gefligten  Staate  des  westfränkischen  Reiches,  in  welchem  die 
Bischöfe  ihre  Autorität  am  besten  bewahrten  und  auch  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts,  als  Hugo  Capet  mit  ihrer  Hülfet)  den  fran- 
zösischen Thron  bestiegen  hatte,  am  entschiedensten  zum  Aus- 
druck brachten.  Es  kamen  politische  Gründe  hinzu,  welche 
einzelne  nordfranzösische  Bischöfe  gegen  die  mönchische  Demo- 
cratie  reizten,  die  jetzt  am  Hofe  sich  einfand  und  bei  den 
Neigungen  Hugos  und  seines  Sohnes  Robert  die  hohe  Geist- 
lichkeit von  da  zu  verdrängen  im  Begriff  stand. 

Während  die  Aebte  von  Cluni  in  der  ersten  Zeit  mit  dem 
Diöcesanbischofe,  wie  wir  noch  sehen  werden,  in  durchaus 
freundlichen  Beziehungen  lebten,  und  nichts  verrät,  dass  es 
hier  zu  verschiedenen  Auffassungen  hinsichtlich  der  Befreiung 
des  Klosters  aus  der  Gewalt  des  Bischofs  von  Mäeon  gekommen 
ist,  geriet  bereits  Richard  von  Flenry  mit  dem  Diöcesanbischofe 
in  derartige  Zwistigkeiten,  dass  es  ihm  wünschenswert  erschien, 
die  in  der  Urkunde  Leos  VII.  nur  allgemein  umschriebene 
rechtliche  Stellung  der  Abtei,  die  nur  der  Herrschaft  des  Königs 
mit  Ausschluss  jeder  andern  untergeben  sein  sollte,  durch  Papst 
Benedict  VII.  genauer  definieren  lassen.  In  dem  Privileg,  das 
der  Statthalter  Christi  am  8.  Nov.  980  zu  Ravenna  ausstellte^) 
werden  dem  Abte  des  Benedictsklosters,  abgesehen  von  der 
Verbrief ung  der  freien  Abtwahl,  nach  zwei  Seiten  hin  be- 
deutsame Freiheiten  zugestanden.  Hinsichtlich  der  von  den 
Bischöfen  beanspruchten  jurisdictionellen  Gewalt  wird  dem 
Abte  eingeräumt,  dass  er  in  Griminalfällen  nicht  durch  einen 
einzelnen  Bischof,  sondern  ein  Provincialconcil  gerichtet  werden 

*)  Vgl.  Luchaire,  Institutions  politiques  de  la  France  I,  31. 

■)  J.-L.  3803;  gedr.  Archives  historiques  de  la  Gironde  V,  176:  Der 
Abt  bittet  den  Papst,  ut  eins  anxietatibua  auxilio  et  conailio  subveniretnua. 
J.-L.  2570  (Gregor  IV.,  April  829)  mit  denselben  Bestimmungen  ist  unecht. 


273 

und  BeinerseitB  an  den  römischen  Stuhl  appelliren  dürfe J) 
Andererseits  wird  ihm  das  Bann-  und  Absolutionsreeht  gegen 
alle  Mönebe  und  Nonnen  seines  Ordens  zugestanden  2):  weil 
der  hl.  Benedict  das  Haupt  des  Mönchtums  sei,  so  solle  der 
Abt  seines  Klosters  die  erste  Stellung  unter  den  Aebten 
Galliens  einnehmen.  Femer  aber  wird  decretirt:  kein  Geist- 
licher, welchen  Rang  er  auch  habe,  dürfe  ihn  belästigen,  gegen 
seinen  Willen  nach  dem  Kloster  kommen  und  Ordinationen 
und  Messen  im  Kloster  abhalten. 

Sei  es  nun,  dass  man  sich  in  Fleury  seither  auf  jene 
Urkunde  dem  Bischöfe  von  Orleans  gegenüber  stützte,  sei  es, 
dass  man  noch  weitergehende  Freiheiten  in  Anspruch  nahm, 
jedenfalls  war  Arnulf  von  Orleans,  ein  streng  kirchlich  ge- 
sinnter und  sehr  gelehrter  Mann"^),  dessen  anständigen  Cha- 
racter^)  auch  die  Gegner  anerkannten,  nicht  gewillt,  seine 
Rechte  als  Diöcesanbischof  schmälern  zu  lassen.  Er  geriet 
deshalb  bald  nach  seiner  Wahl  mit  dem  Abte  Oylbold  von 
Fleury  zusammen,  der  ihm  die  von  ihm  beanspruchten  Leistungen 
mit  Hinweis  auf  die  rechtliche  Stellung  der  Abtei  versagte.^) 
Es  ist  daher  begreiflich,  das  ihm  die  Aebte  derselben  seither 
ein  Dorn  im  Auge  waren.^)  Als  nun  gar  im  Jahre  988  Abbo 
mit  Hülfe  Hugo  Capets  gegen  den  Willen  einer  widerstrebenden 
Partei  zum  Abt  gewählt  wurde,  hatte  er  einen  ebenso  warmen 
und  gelehrten  Verteidiger  mönchischer  Interessen  zum  Gegner, 
als  er  selbst  ein  solcher  der  episcopalen  Rechte  war.  Abbo 
weigerte  sieh  nicht  minder  als  sein  Vorgänger,  die  Hoheit  des 
Bischofs  von  Orleans  anzuerkennen  und  die  von  diesem  auf 


V  non  wniua  epiacopi  itidicio  terminetvr  sentencia,  sed  provinciaUs 
eoncilii  expectetur  cenaura  aut,  8%  maluerit  appellare  aedem  apostolicam, 
res  ad  Romani  pontificis  differatur  audientiam. 

*)  Solvendi  et  ligandi  potestatem  in  viros  et  feminaa  sui  ordinia 
habeat, 

')  Mirac.  S.  Bened.  II,  c.  19:  alias  sane  boivus  et  eeclesiasticas  regrdas 
scientia  et  opera  optime  servans. 

*)  V.  Abb.  c.  8:  cwn  in  reliquis  actibus  suis  honestis  semper  se  dt- 
monstraret  poüere  moribus, 

'^)  Mirac.  S.  Bened.  II,  c.  19:  qiwd  Uli  ditioni  solummodo  parentes 
regiae  sttbiectionem,  qua  ipse  ultra  modum  delectabatur^  nequaquam  ei  ad 
tp9iu8  voluntaJtis  dependerent  nutum, 

*)  a.  a.  0. :  nunquam  ad  purum  praelatos  huius  Floriacensis  loci  dilexit, 

SAoknr,  Glimiaotnier.    I,  IS 


274 

Grund  derselben  beanspruchten  Forderungen  zu  erfüllen  ^),  offen- 
bar in  erster  Reihe  den  Obödienzeid  zu  leisten.  Man  stützte  sieh 
damals  den  ungerechten  Belästigungen  der  Bischöfe  gegen- 
über gern  auf  Briefe  Gregors  I.,  der  die  Klöster  nicht  selten 
gegen  willkürliche  Massregeln  des  Episcopats  in  Schutz  ge- 
nommen hatte,  und  bekämpfte  namentlich  mit  diesen  Mitteln 
ungerechte  Excommunicationen  der  Bischöfe  uud  Verbote  des 
Messopfers  und  der  Begräbnisse.  Abbo  selbst  legte  sich  eine  kleine 
Sammlung  derartiger  aus  den  Kirchenvätern  entnommenen  Be- 
legstücke an,  um  sie  zur  Verteidigung  der  klösterlichen  Interessen 
gegen  den  Bischof  von  Orleans  zur  Hand  zu  haben.^) 
Ueber  sein  Leben  sind  wir  ziemlich  gut  unterrichtet. 

IL 

Geboren  im  Gau  von  Orleans  ward  Abbo  von  seinem 
Vater  Latus  der  Schule  der  zur  Peterskirche  gehörigen  Cle- 
riker^)  in  Fleury  zur  ersten  Ausbildung  übergeben,  wo  zur 
Zeit  Verwandte  seiner  Mutter  Ermengard,  der  Mönch  Gumbold 
und  der  Cleriker  Christian,  als  Lehrer  wirkten.  Noch  als 
Knabe  wurde  er  unter  Abt  Wulfald  dem  hl.  Benedict  geweiht. 
Eine  rasche  Auffassungsgabe  verband  sich  bei  ihm  mit  grossem 
Eifer  für  das  Studium  der  freien  Wissenschaften.  Schon  früh 
schloss  er  sich  lieber  den  Alten,  als  seinen  Altersgenossen  an.^) 
Er  hatte  erst  Grammatik,  Arithmetik  und  Dialectik  vollständig 
studiert,  als  er  Scholasticus  des  Klosters  wurde,  um  die  Knaben 
im  Lesen  und  Singen  zu  unterrichten.^)  Nach  einigen  Jahren 
aber  ging  er  nach  Paris  und  Reims,  um  Philosophie  zu  studieren 
und  namentlich  astronomische  Kenntnisse  zu  erwerben,  ohne 
aber  voll  befriedigt  zu  werden.  Nach  Orleans  heimgekehrt, 
drang  er  in  das  Studium  der  Musik  ein  und  zwar  heimlich, 
da  ein  Cleriker  ihn  fUr  Geld  unterrichtete.  Dann  zogen  ihn 
Rethorik  und  Geometrie  an  und  in  der  Himmelskunde  brachte 

*)  V.  Abb.  c.  8:  inteUigens  tarnen  loco  quem  regebat  postmodum  posse 
officere,  si  ei  modos  sn/^ectioniSj  quos  requirehatt  ad  ipsiiis  libitum  depen- 
deretf  id  facere  in  omni  sua  recusavit  vita. 

>)  Ueber  diese  Sammlung  unten  S.  289. 

*)  V.  Abb.  c.  1 :  in  Floriacensi  monoßterio  seholae  clericorum  ecclesiae 
sancti  Petri  obsequentium,  *)  V.  Abb.  c.  2. 

'^)  ib.  c.  3 :  leetione  aimul  et  cantilena  cum  tanta  erudivit  cura. 


275 

er  es  so  weit,  dass  er  sogar  Schriften  über  die  Laufbahn  von 
Sonne  und  Mond  und  den  Planeten  verfassteJ)  Unterdessen 
war  auf  Abt  Wulfald  Richard  gefolgt,  der,  wie  bereits  er- 
wähnt, am  16.  Februar  979  starb.  Nach  ihm  erhielt  Amalbert 
von  St  Fleurant  de  Saumur,  ein  Mann,  dessen  Gttte  und  Milde 
gerühmt  wird*),  durch  die  Wahl  der  Brüder  und  Verleihung 
König  Lothars  die  Leitung  von  Fleury.  Er  starb  aber  bereits 
im  Jahre  985  oder  986.  Wieder  mit  Hülfe  Lothars^)  kam  jetzt 
ein  Mann  ans  Ruder,  Oylbold,  dessen  Erhebung  sowohl  im 
Kloster  selbst,  als  bei  einigen  Femerstehenden  Widerspruch 
hervorrief.^)  Mochte  eine  Wahl  des  Convents  auch  erfolgt  sein, 
so  hatte  er  doch  seine  Würde  mehr  der  Gunst  des  Königs, 
als  seinem  Rufe  zu  verdanken,  der  offenbar  vorher  Anstoss 
erregte.*)    Der  Abt  Evrard  von  St.  Julien  in  Tours,  der  ihm 

«)  V.  Abb.  c.  4. 

«)  Mir.  S.  Ben.  II.  c.  17. 

')  II,  c.  18:  OiWoldus  (id  praelationem  Flonacensiwn  fratrtim  ipsortwi 
electione  et  regia  principis  Lotharii  ascendit  donatione. 

*)  Dass  es  sich  bei  diesen  Streitigkeiten  nur  um  Oylbold  handeln 
kann,  hat  J.  Havet  mit  Rücksicht  auf  die  chronologische  Ordnung 
der  Briefsammlung  Gerberts  richtig  erwiesen,  vgl.  Lettres  de  Gerbert 
p.  65  n.  5.  Es  ist  zwar  richtig,  dass  weder  in  der  Vita  Abb.  noch  den 
Mirac.  S.  Bened.  sich  eine  Andeutung  darüber  findet.  Indes  sind  beide 
von  einem  Verfasser  Aimoin,  nnd  Aimoln  zeigt  auch  sonst  durch  Ver- 
schweigen gewisser  Dinge,  wie  der  nncanonischen  Ehe  Roberts,  Über  die 
Abbo  in  Rom  verhandelte,  dass  das  argumentum  ex  silentio  bei  ihm 
nicht  anwendbar  ist.  Ein  gewisses  Bestreben,  Oylbold  in  glänzendes 
Licht  zn  stellen,  verrät  die  Absicht,  andere  Gedanken  über  ihn  zu  Über- 
tonen. Sehr  merkwürdig  ist  aber,  dass  Abbo  gerade  zn  seiner  Zeit  nach 
England  ging,  und  offenbar  aus  dem  Grunde,  weil  er  mit  Oylbold  schlecht 
stand.  So  sagt  Aimoin  selbst,  es  habe  Verläumder  gegeben,  welche  Abbo 
vor  dem  Abte  warnten,  der  ihn  nnr  entfernen  wolle  und  darum  nach 
England  schicke.  Bezeichnend  ist  femer  der  Brief,  den  Oylbold  an  Abbo 
nach  England  schreibt,  in  dem  unter  schmeichlerischen  Phrasen  sich  die 
Stelle  findet:  quod per  tuas  litteras  cor  nostrum  laetificatum  est  et  quod 
de  te  maxime  timehamus,  a  memoria  et  mente  nostra  expulit 
Dazu  kommt,  dass  Aimoin  von  Gonflicten  vor  der  Wahl  Abbos  kurz  be- 
richtet. Meines  Erachtens  lag  die  Sache  so,  dass  schon  vor  Oylbolds 
Wahl  Abbo  in  Betracht  kam,  jener  aber  durch  die  Gunst  des  Hofes  siegte 
und  deshalb  selbst  froh  war,  dass  Abbo  für  einige  Zeit  nach  dem  Aus- 
lande ging. 

')  So  schreibt  Majolus:  Persona  quidem  nobis  iam  olim  infami  con- 
versatione  erat  famosaj  Gerb,  epist  95. 

18* 


276 

persönlich  wegen  irgend  welcher  Aeusserung  feindlich  gesinnt 
war<),  wandte  sich  an  den  Reimser  Scholasticus  Gerbert 2),  der 
die  Sache  mit  Eifer  in  die  Hand  nahm  nnd  fttr  ein  Einschreiten 
gegen  Oylbold  namentlich  Abt  Majolus  von  Glani  zu  gewinnen 
sachte,  zu  dem  er  das  grösste  Vertrauen  hatte  ^),  von  dem  er  wusste, 
dass  er  „ein  Weiser  vieles  in  wenigem  erkenne"*)  und  den  er 
flir  den  leuchtendsten  Stern  ^)  in  der  Kirche  Gottes  hielt  Ihm 
stellte  er  die  Entscheidung  anheim,  ob  der  Abt  als  ein  Ein- 
dringling vom  Verkehr  auszuschliessen  sei  oder  nicht.  Er 
schrieb  ihm^):  Wenn  er  schweige,  wer  solle  dann  reden?  Die 
angesehensten  Häupter  des  Mönchtums  ^)  waren  offenbar  wenig 
geneigt,  sich  mit  der  Sache  zu  befassen.  Auch  Majolus,  der 
sonst  den  üblen  Ruf  Oylbolds  bestätigte^)  und  sich  fttr  seine 
Verdammung  aussprach,  meinte  doch,  die  Sache  ginge  ihn  gar 
nichts  an.'^)  Gerbert  unterhandelte  indes  mit  den  Floriacenseni^^), 
die  sich  aber,  so  viel  wir  erkennen  können,  zurttckhaltend  be- 
nahmen >*)  und  schliesslich  mit  der  Amtsführung  Oylbolds  zu- 
frieden schienenJ^)  Gerbert  hätte  sogar  gern  den  Papst  zum 
Einschreiten  veranlasste^);  indes  hinderte  die  Gunst  des  Hofes, 
in  der  Oylbold  stand»*),  ein  entschiedenes  Vorgehen.  So  war 
denn  gar  nichts  zu  thun;  um  so  grösser  war  die  Freude,  als 
der  Abt  von  Fleury  im  October  988  das  Zeitliche  segnete.»*) 


0  Vgl.  Gerb,  epist.  95.  «)  Epist.  80. 

^)  Epist.  88 :  virque  ille  Deo  plemtSj  ad  quem  muUam  fidem  habemus. 

*)  Epist.  80:  quia  sapientem  in  paucis  multa  intelligere  scimus. 

^)  Epist.  95 :  An  non  litcidissima  Stella  reverendus  pater  Maiolus. 

•)  Epist  69 :  Si  vos  tacetiSj  quis  loqiietur  ? 

^)  Epist.  80:  tacentibus  cunctis  priniaiibus  vestri  ordinis. 

8)  Epist.  86.  95. 

^)  Epist  86 :  sed  rem  ad  se  mimta  spectare  significavit 

'<^)  Epist.  86  an  den  Scholasticus  Constantin;  epist  95. 

>')  Gerbert  schreibt  im  Namen  des  Erzbischofs  von  Reims  an  Con- 
stantin: ut  affectus  noster  a  Floria^ensibits  te  faciente  paululum  abor- 
lienatvSf  te  faciente  sit  plurimum  reconciliatiis. 

^*)  Wenigstens  rühmt  ihn  Aimoin  V.  Abb.  c.  4.  6. 

*')  Epist  87:  sed  eOanif  si  fieri  potest,  Romani  pontificis  se  male- 
dictis  urgeri, 

")  Epist  95:  Pretendat  sibi  reges,  dtices,  seculi  principe^,  qtii  se  fa- 
vore  solummodo  eorum  monachorutn  principeni  fecit;  epist  88:  QtMdsi 
divinitate  propitia  favorem  principwn  obtinebimus,  ad  haec  utilia  utiliora 
ju/ngenius,  ^)  Epist  142.  143« 


277 

Abbo,  der  Oylbolds  Wahl  ebenfalls  gemissbillig;!  zu  haben 
scheint,  hatte  bis  zn  Oylbolds  Erhebung  in  Flenry  als  Schul- 
meister gelebt,  litterarisehen  Studien  mit  Emsigkeit  hingegeben, 
beständig  lesend,  sehreibend  oder  dictierend,  als  eine  englische 
Gesandtschaft,  die  von  Dunstan,  Ethelwold  und  Oswald  aus- 
ging, unter  Abt  Oylbold  in  Fleury  erschien^)  und  sich  einen 
Mönch  zur  Unterweisung  in  der  Klosterzucht  erbat  fttr  die 
Abtei  Bamsay,  die  der  Aldermann  Ailwin,  ein  dem  Eönigshause 
verwandter  Mann,  gegründet  2)  und  Oswald,  ein  Converse  von 
Fleury,  der  zum  Erzbischof  von  York  erhoben  worden  war, 
erbaut  hatte.  Schon  längst  bestanden  Beziehungen  zwischen 
Fleury  und  den  englischen  Reformatoren.  Bereits  unter  Abt 
Odo  hatte  sich  der  vorzügliche  Ruf  der  Abtei  jenseits  des 
Meeres  verbreitet;  seit  Odo,  dem  Erzbischof  von  Canterbury  3), 
hatte  die  Verbindung  bestanden.  Auch  der  Prior  Germanus 
von  Ramsay  hatte  ebenfalls  einst  in  dem  Kloster  an  der  Loire 
Profess  geleistet^)  Obgleich  es  Leute  gab,  die  Abbo  zu  über- 
zeugen suchten,  dass  Oylbold  ihn  desswegen  nach  England 
sende,  damit  er  nicht  zurückkehre,  nahm  er,  dem  Abte  feindlich 
gesinnt,  den  Antrag  an  und  fuhr  in  Begleitung  von  acht  andern 

0  V.Abb,  c.  4;  Mirac.  S.  Ben.  VII,  c.  13;  V.  Dunstaui  c.  13  bei  Stubbs, 
Memorials  of  Saint  -  Dunstan  p.  303;  Eadmeri  V.  Oswaldi  bei  Wharton, 
Anglia  sacra  U,  201;  V.  Oswaldi  c.  5  b.  Mabillon,  Acta  SS.  V;  V.  Ethel- 
woldi  episc.  Winton.  c.  14;  Chron.  Rames.  ed.  Dünn  Maeray  p.  42;  Orderi- 
cos  Vitalis  ed.  Prevost  II,  204;  Wilh.  Malmesber.  de  gestis  pontif.  Angl.  III, 
Migne  170,  1573. 

*)  Die  Bestätigungsurk.  des  Rünigs  Edgar  v.  28.  Dec.  974  bei  Hart 
and  Lyons,  Cartnl.  monast.  de  Bameseia  II  (London  1886)  p.  51.  —  All- 
tcinus  wird  der  Gründer  der  Abtei  im  Cartular  v.  R.  und  in  der  Chronik 
genannt;  Ältvine  und  AiltDinus  dux  heisst  er  in  zwei  Urkunden  für  das 
Kloster  Croyland  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  503.  Aimoin  nennt  ihn  in 
der  V.  Abb.  Sekelguinu»  dux\  als  Äegelwinus  quidam  de  j>ot€7itioribu8 
regni  dttcibus  bezeichnet  ihn  Eadmer;  comes  heisst  er  in  der  V.  Turketuli 
abb.  Cruland.  bei  Mabillon,  Acta  SS.  V,  503.  König  Edgar  nennt  ihn :  vir 
dÜectissimiis  mihi  necnon  et  propinquitatis  consanguinitate  connexus .  .  . 
AilwiniLSj  Ealderman  nomine.  So  unterschreibt  er  auch  Ego  Ailwinus 
Addorman, 

*)  V.  S.  Odonis  Cantuar.  c.  9,  A.  SS.  V,  291;  vgl.  Eadmeri  V.  Os- 
waldi a.  a.  0.  p.  194. 

*)  Germanus  war  ein  Cleriker,  den  Oswald  956  in  Fleury  Hess,  Ead- 
meri V.  Osw.  a.  a.  0.  p.  197;  er  wurde  dann  Prior  in  Westbury,  darauf  in 
Ramsay  und  schliesslich  Abt  in  Winchacumbe;  vgl.  Wharton  II,  200  n. 


278 

Fahrzeugen  Ober  den  von  Stürmen  bewegten  Canal.  Nur 
drei  von  den  neun  Schiffen,  unter  ihnen  dasjenige,  auf  wel- 
chem Abbo  sich  befand,  kamen  unversehrt  an  die  englische 
Koste. ^)  Er  lebte  zwei  Jahre  in  jenem  Benedictinerkloster  als 
Schulmeister  und  kam  auch  zu  König  Ethelred,  der  ihn  aber 
mit  Worten  abspeiste;  in  engere  Beziehungen  trat  er  zu  dem 
Aldermann  Ailwin.  Ganz  besonders  verehrten  ihn  die  Erz- 
bischöfe von  York  und  Canterbury.^)  Auf  Verlangen  seines  Abtes 
kehrte  er  heim,  nachdem  er  von  Oswald  von  York  die  Priester- 
weihe erhalten,  und  zwar  mit  reichen  Geschenken  für  den  hl. 
Benedict  Auch  nachher  stand  Abbo  mit  den  englischen  Prä- 
laten in  BerOhrung.  Er  correspondirte  noch  mit  Dunstan  und 
Abt  Wulfric  von  Saint-Augustines,  die  ihn  auch  zu  litterarischen 
Arbeiten  anregten.^) 

IIL 

Inzwischen  traten  politische  Ereignisse  ein,  in  welchen  der 
Gegensatz  der  klösterlichen  und  episcopalen  Tendenzen  in 
erweiterter  Form  zum  Ausdruck  gelangte. 

Hugo  Capet  hatte  sich  in  der  Hoffnung,  die  ihm  noch 
feindlich  gegenüberstehenden  Anhänger  der  Karolinger  zu  ge- 
winnen, durch  geleistete  Sicherheiten  bestimmen  lassen,  in  die 
Erhebung  von  Lothars  Sohn  Arnulf  zum  Erzbischof  von  Reims 
zu  willigen;  aber  sein  Vertrauen  wurde  durch  den  Verrat  des 
Karolingers,  der  die  Üeberrumpelung  von  Reims  durch  seinen 
^WlM*  L  Meffwt  Karl  begünstigte,  schwer  getäuscht.*)  Nun  wurde  Arnulf 
abgesetzt  und  vor  die  Synode  der  robertinischen  Bischöfe  ge- 
stellt, die  am  17.  und  18.  Juni  991  zu  St.  Basle  zusammentrat, 
um  ihn  wegen  Hochverrats  zu  richten.  Man  hatte  sich  von 
königlicher  Seite  zwar  an  den  Papst  um  Entscheidung  ge- 
wendet, als  aber  die  Gesandten  wegen  der  Bestechlichkeit 
Johanns  XV.  und  des  Crescentius,  der  bereits  Herr  der  Stadt 
war,  nicht  zu  ihm  vordringen  konnten,  hatte  die  nordfranzösische 
Geistlichkeit  mit  den  Königen  Hugo  und  Robert  den  Process 
selbst  in  die  Hand  genommen.  Daran  knüpfte  sich  ein  Gegen- 
satz von  prinzipieller  Bedeutung.    Die  französische  Kirche  wurde 

>)  V.  Abb.  c.  4.  «)  V.  Abb.  c.  5. 

^)  Vgl.  Stubbs,  Memorials  of  Saint-DuDStan  p.  378.  409.  410. 

*)  Vgl.  J.  Ilavet,  Lettres  de  Gerbert,  Paris  1889,  p.  XXL 


279 

in  zwei  Haaptparteien  gespalten,  von  denen  die  eine,  der  König 
mit  dem  Episcopat,  an  der  Befagnis  über  Arnulf  zu  richten  fest- 
hielt, die  andere  dieselbe  bestritt  und  allein  dem  Papste  das  Recht 
dazu  zuschreiben  wollte.*)  Damit  kamen  tiefere  Gegensätze  zum 
Vorschein.  Die  Frage,  ob  alle  römischen  Decrete  allgemeine 
Gültigkeit  hätten,  brachte  ans  Tageslicht,  dass  man  über  den 
sehr  wichtigen  Punkt  nicht  einig  war,  ob  man  auch  einem 
schlechten  Priester  Gehorsam  schulde  und  was  damit  zu- 
sammenhing, dass  man  sich  über  den  unzerstörbaren  Charakter 
des  priesterlichen  Amtes  nicht  verständigen  konnte. 

Hatten  der  König  und  die  Bischöfe  durch  ihre  Gesandt- 
schaft den  Satz  anerkannt,  dass  die  Autorisation  des  römischen 
Stuhles  für  den  Process  gegen  den  Erzbischof  notwendig  war, 
so  bemerkte  auch  Arnulf  von  Orleans,  der  auf  dieser  Seite  das 
Wort  führte,  dass  er  zwar  gern  die  Decrete  römischer  Päpste 
vom  Schlage  eines  Gregor  L,  Leo  und  anderer  anerkenne;  er 
verneinte  aber  die  Verpflichtung  solch*  schandvollen,  so  aller 
Kenntnis  baren  Ungeheuern,  wie  sie  die  letzten  Jahrzehnte 
gesehen,  zu  gehorchen.^)  Die  entgegengesetzte  Auffassung  ver- 
trat die  Mönchspartei,  deren  Führer  Abbo  von  Fleury,  Abt 
Romulf  von  Sens  und  der  Scholastieus  Johannes  von  Auxerre 
waren.  Sie  hatte  das  Bedürfnis  bereits  längst  dem  römischen 
Stuhl  genähert.  Abbo  fällte  später  das  herbste  Urteil  über 
Johann:  trotzdem  hielt  er  mit  Berufung  auf  Pseudoisidor  die 
Appellation  an  den  Papst  für  durchaus  notwendig;  allerdings 
den  Widerspruch  aufgebend,  als  bewiesen  wurde,  dass  man 
sich  bereits  vergeblich  nach  Rom  gewandt  hätte.  Wie  man 
aber  in  den  Mönchskreisen  überhaupt  über  den  unzerstörbaren 
Charakter  des  Priesterstandes  dachte,  beweisen  bereits  Aeusse- 
rungen  Odos  von  Cluni,  welcher  der  Excommunication  eines 
schlechten  Priesters  dieselbe  Wirksamkeit  zuschrieb  und  die- 


')  Gerberti  epist.  217,  Havet  p.  206:  Alii  Bomano  pontifici  ifiiuriam 
factam  videri  volunt,  quasi  sine  eius  atictoritate  et  sine  suis  viribus  re- 
swnptis  deponi  twn  debuerit  £s  gab  dann  unter  den  Verteidigern  eine 
zweite  Klasse,  welche  behaupteten:  regem  sacerdoti  Arnulf o  onmium 
peccatorum  veniam  tribuisse;  er  hätte  ihn  also  nicht  nachträglich  noch 
bestrafen  dürfen. 

')  Vgl.  Certain,  Arnoul  ^v§que  d'Orl^ans  in  der  Bibl.  de  T^cole  des 
chartes  3  ser.  4.  Bd.  p.  446. 


280 

gelbe  Beobachtung  einräumte,  als  der  eines  guten,  welcher  im 
Anschluss  an  Augustin  behauptete,  dass  die  Sacramente  in  der 
Iland  eines  schlechten  Geistlichen  um  nichts  schlechter  seien, 
als  in  der  eines  guten,  denn  Christus  sei  es,  der  die  Sacra- 
mente reiche.  Und  Abbo  von  Fleury,  wie  seine  Freunde  mussten 
um  so  eher  geneigt  sein,  auch  die  Bestimmungen  der  letzten 
simonistisehen  Päpste  als  gültig  anzuerkennen,  als  sie  sich 
ihrer  ohne  Scheu  zur  Privilegierung  ihrer  klösterlichen  Rechte 
und  Ansprüche  zu  bedienen  pflegten.  So  kam  es,  dass,  als  die 
Befugnisse  des  römischen  Stuhls  und  der  Charakter  ihrer  Träger 
zum  ersten  Mal  Gegenstand  der  öffentlichen  Discussion  wurden, 
das  Papsttum  die  Mönche  an  seiner  Seite  fand. 

FUr  die  Streitigkeiten,  die  uns  hier  beschäftigen,  kam  aber 
weniger  dieser  Punkt,  als  die  daraus  resultierende  Frage  in 
Betracht:  Ist  es  erlaubt  an  päpstlichen  Decretalen  Kritik  zu 
üben?  Der  Bischof  von  Orleans  meinte:  „Wir  haben  ja  den 
Papst  um  Antwort  angegangen:  wenn  die  Antwort  gerecht  ist, 
wird  Friede  und  Einheit  herrschen:  ist  sie  ungerecht,  so  werden 
wir  an  Galather  1,  8.  9  denken.  **  Aber  wem  steht  die  Ent- 
scheidung zu  über  das,  was  gerecht  und  ungerecht  ist?  In 
Belgien  und  Deutschland,  denkt  der  Bischof,  könnte  man,  wenn 
die  politischen  Streitigkeiten  nicht  hinderten,  eher  das  Urteil 
der  Bischöfe  holen,  als  von  der  Stadt,  die  jetzt  Käufern  feil 
steht  und  nach  der  Grösse  der  Geldsumme  Urteile  fällt*)  Er 
denkt  also  an  eine  Vereinigung  der  ost-  und  westfränkischen 
Bischöfe  gegen  Rom.  Er  und  seine  Partei  huldigen  offenbar 
denselben  kirchenrechtlichen  Anschauungen,  die  wir  wenig 
später  in  der  Diöcese  Cambrai,  die  ja  zur  Reimser  Kirchen- 
provinz gehörte,  ausgesprochen  finden:  die  kirchliche  Autorität 
beruht  auf  den  Bischöfen.^)  Wer  sich  dem  Joch  des  Bischofs 
entzieht,  flieht  dasjenige  Christi.  Die  Bischöfe  stellen  die  Ein- 
heit der  Kirche  dar.^) 


»)  Acta  conc.  Rem.,  SS.  III,  673. 

*)  Gesta  episc.  Camerac.  I,  c.  116:  qui  heatum  Augustimmi  'ium  ad- 
vertebat  nienioriae  dicefUem  male  cos  disputare  contra  claves  ecclesiae.  qui 
auctoritatem  ccclesiasticamj  quam  in  episcopis  constat  faterij  contendant 
adnullare. 

')  I,  c.  107:  quia  quictiTique  iugum  cpiscojn  declinare  contenditj  etiam 
Christi  confuyere  C07ivincitur.    N€7no   enim  absqtie  episcopalis  ministerii 


281 

Ganz  entgegengesetzt  ist  die  Anffassong  des  von  Abbo 
geführten  französischen  Mönchtnms.  In  Wort  und  Schrift  hat 
er  seine  Anschauungen  znm  Ausdruck  gebracht;  er  zuerst  geht 
in  seiner  Begründung  auf  Sätze  des  Psendoisidor  zurück.  Aus 
ihrer  trttben  Quelle  belegen  die  französischen  Mönche  den  Satz, 
dass  alle  Processe  ttber  Bischöfe  und  wichtige  Kirchenan- 
gelegenheiten nach  Rom  gezogen  werden  müssen,  dass  in  noch 
so  entfernten  Ländern  nichts  derartiges  verhandelt  werden 
dttrfe,  bevor  der  Papst  benachrichtigt,  dass  der  apostolische 
Stuhl  das  von  Gott  befestigte  und  unbewegliche  Firmament, 
das  ttber  alle  Priester  strahlende  Licht,  der  Gipfelpunkt  der 
Hierarchie  sei.*)  «Die  Autorität  des  römischen  und  aposto- 
lischen Sitzes",  sagt  Abbo  einmal^),  , strahlt  unter  der  Gunst 
nnsere«  Herrn  Christus  ttber  die  universale  Kirche  des  ganzen 
Erdkreises.  Kein  Wunder,  da  die  Bischöfe  dieses  Sitzes  das 
Amt  des  hl.  Petrus  zu  ftthren  scheinen,  welcher  der  Herr  der 
ganzen  Kirche  ist''  Er  schreibt  den  Päpsten  gesetzgebende 
Gewalt  ttber  sämmtliche  Kirchen  und  Klöster  der  Christenheit 
zu:  von  den  christliehen  Kaisern  sei  es  anerkannt  worden,  dass 
das  päpstliche  Decret,  das  unter  Androhung  des  Kirchenbannes 
erlassen  sei,  nie  und  nimmer  —  wenn  nicht  die  Not  eine  Aus- 
nahme erheische  —  seine  bindende  Kraft  verliere.  Er  hält  es 
darum  auch  fUr  unerlaubt,  alte  Papstdekrete  zu  kritisieren  und 
umzustossen;  er  sieht  in  der  römischen  Kirche  die  Quelle  aller 
Autorität,  die  von  ihr  aus  erst  allen  andern  Kirchen,  ihren 
Gliedern  zukomme:  sie  ist  die  Summe  alles  Rechts  und  wer 
sich  ihr  entgegenstellt,  trennt  sich  auch  von  den  einzelnen 
Gliedern  der  Hierarchie.^) 


eruditione  ad  unitatetn  eccksiae  colligitur.  Daher  vermeidet  auch  Bischof 
Gerard  (Gesta  Gamerac.  III,  c.  2)  den  Schein,  über  den  Kopf  des  Metro- 
politana mit  Born  in  Verbindung  zu  treten.  III,  c.  6  wird  ausgesprochen, 
dass  nur  der  Kaiser  oder  der  Bischof  das  Recht  habe,  Abteien  zu  ver- 
schenken.   Allerdings  ist  das  ganz  etwas  anderes,  als  Abbo  wollte. 

>)  Acta  concil.  Rem.,  SS.  III,  666. 

*)  Abb.  coli.  can.  c.  5.  Ich  kann  deshalb  J.  Harttung,  Diplomatisch- 
htstor.  Forschungen  p.  188  nicht  zustimmen,  wenn  er  meint,  dass  die 
Canonsammlung  Abbos  fUr  die  geringe  Rücksicht,  die  auf  die  päpstliche 
Hoheit  genommen  wurde,  sehr  ausgiebig  sei. 

s)  Abbonis  epist.  ad  Heriveum  bei  Migne,  Patrol.  lat  189,  423:  Si- 
quideni  Bomajia  ecclesia  9ua  super  omneß  ecclesias  excellentia  hoc  habet  pri- 


282 

Das  Concil  von  St.  Basle  endigte  damit,  dass  Arnulf 
demütig  mit  einem  Selbstgeständnis  abdankte  und  die  Bisehöfe 
Gerbert  znm  Erzbischof  erhoben,  der  Belbst  noeb  rechtzeitig 
von  der  Partei  Karls  zn  Hngo  Capet  Übergetreten  war.  Indes 
war  der  Kampf  der  Gemüter  keineswegs  beendigt. 

Die  eigentliche  Widerlegung  der  Aeusserungen  Arnulfs 
von  Orleans  gab  aber  nicht  Abbo,  sondern  der  römische  Abt 
Leo  von  St.  Bonifazius,  der  Johann  XV.  als  Legat  in  den 
weiteren  Verhandlungen  der  Reimser  Sache  doch  noch  vertrat, 
allerdings  nur  in  Deutschland  >),  um  eine  neue  Verhandlung  zu 
bewerkstelligen  und  namentlich  die  französischen  Könige  vor 
eine  deutsche  Synode  zu  ziehen.  Er  gehörte  der  römischen 
Keformpartei  an^),  stand  Abbo  von  Fleury  persönlich  nahe  und 
verkehrte  viel  mit  ihm  in  Reims.^)  Als  er  die  Acten  des  Con- 
cils  erhielt,  protestierte  er  in  einem  Briefe  an  Hugo  und  Robert 
gegen  die  Angriffe  des  Bischofs  von  Orleans  auf  die  päpstliche 
Allgewalt.  Die  Tendenz  des  Schreibens  entspricht  völlig  der 
von  Abbo  und  seinen  Gesinnungsgenossen  auf  dem  Concil  vor- 
gebrachten pseudoisidorischen  Stellen,  deren  auch  Leo  eine 
grosse  Anzahl  citiert.  Bemerkenswert  ist  dabei,  dass  die  Privi- 
legien, welche  der  römische  Stuhl  zu  haben  behauptete,  zuletzt 
auf  die  Autorität  Nicolaus  L  gegründet  werden,  nach  dessen 
Zeugnis  sie  von  Christus  gegeben  seien,  nicht  von  Synoden,  die 
sie  nur  feierten  und  verehrten,  da  Gott  das  Fundament  gelegt 
habe.  Natürlich  folgt  daraus,  dass  es  dann  auch  ganz  gleich- 
gültig sei,  ob  ein  würdiger  oder  unwürdiger  Papst  auf  dem 
Stuhle  Petri  sitze.  Leo  sucht  die  Behauptung  Arnulfs  zu 
widerlegen,  dass  öfter  Päpste  ihre  universalen  Ansprüche  auf 
höchste  richterliche  Entscheidung  in  Kirchensachen  nicht  gel- 


vilegiif  tU  sictU  claviger  regni  coelestis  obtinet  pri'iicipaiwn  apostolixd  cuU 
miniSj  ita  eadetn  Bonmna  ecclesiu  aiictoritatem  trilmat  amnUms  quasi  suis 
metnbriSj  quae  sunt  per  quatuor  climata  totius  orbis,  Qui  ergo  Bonianae 
ecclcsiae  contradicitf  quid  aliud  quam  se  a  membris  cius  subtrahit,  id  fiat 
portio  aduet'sariorum  Christi  ?  —  Absit  itaque^  absit^  tU  sanctorum  virorum  et 
niaxime  antiquorum  pontificum  Romanorum  scripta  modernorum  sustineant 
praeiudicia  et  flocciperidant  posteriorum  sensa^  qvarum  venerantur  meniorias. 
Abbo  kann  es  nicht  begreifen,  wie  der  Erzbischof  Arnulf  von  Tours  den 
römischen  Privilegien  von  St.  Martin  zuwiderzuhandeln  wage. 

1)  Havet  p.  XXVI.  *)  VgL  unten. 

3)  Abbonis  epist.  15  bei  Migne  139,  459. 


283 

tend  gemaeht  hätten.  .Immer  hatte  die  römische  Kirehe  das 
Privilegium'',  sagt  er,  ^Gerechte  zn  rechtfertigen,  Gottlose  za 
verdammen,  Feinde  zn  vertreiben,  treue  Söhne  zu  erheben.* 
Er  weist  die  Behauptungen  zurück,  dass  die  orientalischen, 
afrikanischen  und  spanischen  Kirchen  sich  vom  römischen 
Stuhle  loszusagen  begännen  und  führt  Beispiele  an,  welche 
belegen  sollen,  dass  noch  in  den  letzten  Jahren  afrikanische 
und  spanische  Prälaten  in  Rom  erschienen  seien  und  deutliche 
Beweise  ihrer  Anerkennung  der  römischen  Universalherrschaft 
gegeben  hätten.  Daraus  ersähe  man,  dass  die  römische  Kirche 
noch  von  allen  Kirchen  geachtet  und  verehrt  werde,  und  nur 
von  dem  gallicanischen  Clerus  verächtliche  Behandlung  erleide.^) 
Auf  der  andern  Seite  verteidigte  wieder  Gerbert  das  Ver- 
fahren der  Majorität  auf  der  Synode.  In  einer  Denkschriff;, 
die  er  im  Sommer  995  im  Auftrage  des  Bischofs  Wilderod 
von  Strassburg  verfasste^)  und  die  fbr  grössere  Kreise  be- 
stimmt war 3),  bestritt  er,  dass  dem  römischen  Stuhl  Unrecht 
geschehen  sei,  auf  dessen  Antwort  man  achtzehn  Monate  ver- 
geblich gewartet  habe.^)  Aber  mag  man,  meinte  er,  wo  es 
sich  um  ein  neues  Urteil,  um  einen  neuen  Fall  handelt,  an  den 
römischen  Stuhl,  wie  an  ein  göttliches  Orakel  appellieren:  was 
sollen  aber  die  einmal  gefällten  Entscheide,  wenn  die  vor- 
liegenden Urteile  nicht  danach  gebildet  werden  sollen,  wozu' 
haben  dreihundertachtzehn  Väter  fttr  die  Ewigkeit  Decrete  er- 
lassen, weiin  sie  nach  dem  Belieben  eines  Einzelnen  abgeändert 
oder  vernichtet  werden  dürfen?*)  Von  Rom,  das  bisher  fttr 
die  Mutter  aller  Kirchen  galt,  beisse  es,  dass  es  die  Guten 
verfluche  und  die  Schlechten  segne,  und  mit  denen  Umgang 
halte,  denen  man  den  Gruss  nicht  bieten  dürfe:  es  verdamme 
die  Eifrer  Christi  und  misbrauche  die  verliehene  Gewalt  zu 
binden  und  zu  lösen.  Ein  ander  Mal  meint ^)  Gerbert,  selbst 
der  römische  Bischof  sei,  wenn  er  gegen  seinen  Bruder  sündige, 
und  die  Kirche  nicht  höre,  nach  göttlichem  Ausspruch  fttr  einen 
Heiden  oder  Zöllner  zu  halten. 

')  Leonis  epist,  SS.  III.,  686  ff. 

»)  Epist.  217,  Havel  p.  203—230. 

»)  Vgl.  Epist.  193,  p.  193. 

*)  Epist.  217,  p.  220.  8)  p.  221. 

^)  Epist.  192  an  Siguin  vod  Sens,  p.  180, 


284 

So  sehen  wir  auf  der  einen  Seite  den  König  mit  den 
Bischöfen  Franciens,  auf  der  andern  die  mönchische  Opposition 
mit  dem  Papst. 

IV. 

Während  in  dem  Streit  über  die  Absetzung  Arnulfs  und 
die  Erhebung  Gerberts  auch  das  deutsche  Reich  mit  seiner 
Geistlichkeit  Partei  nahm  und  der  Papst  schliesslich  so  weit 
ging,  Gerbert  und  die  Bischöfe  zu  excommunicieren  *),  welche 
gegen  den  verräterischen  Erzbischof  gestimmt  hatten,  dauerte 
der  kleine  Krieg  zwischen  Abbo  und  dem  Bischöfe  von  Orleans 
fort  Hugo  Capet  hatte  jedenfalls  die  exceptionelle  Stellung 
FleuryR  dem  Bischöfe  von  Orleans  gegenüber  anerkannt,  denn 
als  er  im  Nov.  991  Arnulf  die  Herrschaft  Über  die  Abteien  seines 
Sprengeis  bestätigte  2),  begriff  er  die  Abtei  Abbos  nicht  mit  ein. 
Mehr  Glück  hatte  der  Bischof  noch  im  Jahre  993  am  Hofe,  als 
Hugo  in  der  Fehde  gegen  den  Grafen  Odo  von  Chartres  die 
Hilfe  des  Bischofs  von  Orleans  brauchte,  die  er  nur  dadurch 
erkaufen  konnte,  dass  er  dem  Neffen  des  Bischofs,  Arnulf  von 
Y6vre-le-Chatel,  der  als  Vogt  Fleury  beraubte,  eine  jährliche 
Weinrente  seitens  der  Abtei  gewährte,  so  lange  der  Bischof 
am  Leben  sei.^) 

Die  Feindschaft  des  Bischofs  gegen  Abbo  und  seine  Abtei 
verschärfte  sich  schliesslich  so  sehr,  dass  Kriegsleute  Arnulfs 
den  Abt  einst  bei  Nacht  auf  dem  Wege  nach  Tours,  wo  er 
das  Martinsfest  feiern  wollte,  überfielen,  ihn  mit  Schmähungen 
überschütteten  und  einige  seiner  Leute  sogar  tödtlich  ver- 
wundeten. Dass  der  Bischof  nicht  ganz  damit  unzufrieden  war, 
ging  aus  der  geringen  Strenge  hervor,  mit  der  er  die  Uebel- 
thäter  bestrafte.  Als  nun  einige  dieser  Leute  kurze  Zeit  darauf 
entseelt  in  ihren  Betten  gefunden  wurden,  ward  das  natür- 
lich gegen  Abbo  ausgebeutet;  so  kam  es,  dass  mehrere  höhere 
Geistliche,  ja  sogar  Benedictinermönche  den  Abt  mit  gehässigen 
Klatschereien  verfolgten.  Die  Stimmung,  die  sich  in  clericalen 
Kreisen  gegen  Abbo  geltend  machte,  steigerte  sich  noch  nach 
einem  sehr  unangenehmen  Auftritt  in  St  Denis. 


1)  Havet  p.  XXVI.  «)  HF  X,  556. 

8)  Urk.  Hugos  V.  993  HF  X,  561 ;  vgl.  v.  Kalckstein,  Capetinger  I,  444; 
Pardiac,  Hist.  d'Abbon  p.  310;  Gertain,  Arnoul  a.  a.  0.  p.  154. 


285 

Zu  den  zwischen  Bischöfen  und  Aebten  bestehenden  Streit- 
punkten  war  ein  nener  getreten.  Im  Lanfe  des  9.  Jahrhouderts 
waren  in  dem  Masse,  als  Kirchen  und  Capellen  materielle 
Wertobjekte  wurden,  auch  die  zu  diesen  gehörigen  Kirchen- 
zehnten vielfach  in  die  Hände  von  Laien  und  Klöstern  über- 
gegangen. Der  Kirchenpatron,  der  auf  eigenem  Grund  und 
Boden  eine  Kirche  errichtete,  erhob  mit  dem  Anspruch  auf  die 
Verfügung  und  Vererbung  derselben,  auch  Anspruch  auf  die  an 
sie  fälligen  Zehnten  und  Oblationen.  Ebenso  erhoben  die 
Klöster  den  Zehnten  von  den  in  ihrem  Besitz  befindlichen 
Kirchen  und  die  Bischöfe  selbst  überwiesen  in  zahlreichen 
Fällen  neugegrttndeten  oder  reformierten  Abteien  Capellen  und 
Kirchenzehnten,  die  auch  von  Königen  und  Päpsten  bestätigt 
wurden.  In  einzelnen  Fällen  wurden  diese  Abgaben  zwar 
immer  seitens  des  Episcopats  angefochten  i),  zu  einer  syste- 
matischen, umfassenderen  Agitation  gegen  die  im  Besitz  von 
Laien  und  Mönchen  befindlichen  Zehnten  kam  es  jedoch  erst 
gegen  Ende  des  10.  Jahrhunderts.  Es  waren  wieder  die 
Bischöfe  Franciens,  welche  die  Berechtigung  der  Laien  und 
Klöster  sie  zu  erheben,  in  Frage  zogen.  Sie  erklärten,  dass 
aller  Grundbesitz,  mit  dem  eine  Kirche  zu  ihrem  Unterhalt 
ausgestattet  war,  sowie  die  Zehnten  ^in  der  Hand*"  der  Bischöfe 
seien.^)  Abbo  bestritt  diese  Auffassung  aufs  energischste.  Die 
genannten  Dinge  befänden  sich  nur  soweit  in  der  Hand  der 
Bischöfe,  als  das  Reich  in  der  des  Königs.^)  So  wenig  im 
letzteren  Falle  dem  Unterthan  die  Möglichkeit  abgestritten 
werden  könne,  echtes  Eigentum  an  Grund  und  Boden  zu  er- 
werben, so  wenig  seien  die  Bischöfe  berechtigt,  ihren  kirch- 


>)  Vgl.  die  Urk.  Johanns  XI.  von  931  für  Cluni:  Decimas  vero,  quae 
olim  ad  vestras  capeüas  pertinuerunt  et  per  modemam  quasi  auctoritateni 
sire  licentiam  a  quolibet  episcopo  subtractae  sunt,  vobis  ex  integro  restU 
tuimus;  vgl.  die  Bulle  Leos  VII.  v.  938  fUr  D6ols  (N.  Arch.  XI,  379): 
Decifiuis  vero,  quae  olim  ad  vestras  capeüas  pertinuerunt,  vobis  ex  integro 
deUgcanus,  ita  ut  nullus  quidquam  inde  subtrahere  praesumat.  Vgl.  die  Urk. 
Gregors  V.  f.  Romainmoutier  in  M^moires  de  la  Suisse  Romande  III,  425. 

')  Abbonis  Epist.  14.  ad  G.:  fingentes  tegnam  boncan  saeculis  in- 
auditam,  quod  ipsae  dotes  non  sint  ecclesiarum,  sed  potius  altarium  . .  Quod 
vero  sacerdotes  Domini  ecclesiarum  dotes  et  decimas  in  manu  sua  cofisistere 
canonum  auctoritate  confirmaftt. 

>)  Nampraedictae  res  in  manu  sunt  episcopi,  siciU  regnum  in  manu  regia. 


266 

liehen  Untergebenen  den  Erwerb  von  Zehnten  und  Oblationen 
zu  verwehren.  Der  privatrechtlichen  AafTassnng  setzte  er  die 
öffentlich-rechtliche  entgegen.  Wenn  wirklich  alle  Zehnten  in 
der  Hand  des  Bischofs  seien,  dann  wäre  es  doch  wunderbar, 
dass  die  Canones  nnr  den  dritten  und  vierten  Teil  derselben 
dem  Bischöfe  zugeständen.  Man  wolle  die  Oblationen  der 
Kirche  den  Waisen,  Wittwen,  Armen  nnd  Fremden  entziehen, 
um  sie  mit  den  Altären  in  den  Besitz  von  Laien  zu  bringen, 
ebenso  wie  das  Ausstattungsgut  der  Kirchen,  das  den  Armen 
entzogen,  den  bischöflichen  Vasallen  als  Geschenk  oder  Lehen 
überwiesen  würde.  Man  ging  sogar  noch  weiter,  indem  man 
geradezu  behauptete,  Kirchen  könnten  überhaupt  nicht  im  Be- 
sitze von  Mönchen  sein.^  Abbo  wirft  die  Frage  auf:  einer  seiner 
Vorgänger  habe  auf  klösterlichem  Terrain  eine  Kirche  erbaut 
und  ausgestattet,  —  hat  deswegen  das  Kloster  den  Besitz  ver- 
loren oder  konnte  der  Abt  ihn  überhaupt  dem  Kloster  entfremden  ? 
Zu  St.  Denis  erfolgte  in  der  Zehntenfrage  der  Hauptschlag 
der  dort  versammelten  nordfranzösischen  Bischöfe.^)  Hier  ge- 
schah es,  dass  unter  den  energischen  Protesten  des  Abtes 
von  Fleury  die  Bevölkerung  und  die  Mönche  sich  zum  Auf- 
ruhr zusammenrotteten.  Als  nun  die  Bischöfe  von  Schrecken 
erfasst,  voran  der  Erzbischof  Sewin  von  Sens,  Hals  über  Kopf 
auseinanderflohen  und  auf  der  Flucht  von  der  Menge  nicht  ge- 
schont wurden,  machte  man  Abbo  fttr  den  Aufstand  verant- 
wortlich. Die  Aufrührer  wurden  excommuniciert  Das  hinderte 
jedoch  Abbo  nicht,  weiter  mit  ihnen  zu  verkehren,  hatte  er 
doch  jetzt  den  Hof  auf  seiner  Seite,  wo  man  das  Verfahren 
des  Episcopats  entschieden  missbilligte.  Der  Bischof  von  Or- 
leans fiel  geradezu  aus  der  Gnade  des  Königs;  es  konnte  nicht 
fehlen,  dass  die  ganze  Wut  der  Gegner  sich  gegen  Abbo  rich- 
tete. Man  warf  ihm  vor,  dass  er  Arnulf  die  Gunst  des  Hofes 
entzogen  habe  und  dass  er  weiter  mit  den  Excommunicierten 
in  Verbindung  bliebe.^) 


*)  Q\M>d  monachi  ecclesicLS  tenere  nequirent, 

■)  V.  Abb.  c.  9 :  uixta  vulgare  proverbium  cunctum  suum  sermonem 
ad  decimaa  veHerunt  eccleaiammj  quas  laida  ac  Deo  aervientibus  monachis 
auferre  moliti  . . 

')  lieber  die  Thatsachen  handeln  neuerdings  Pfister,  l^tades  sur  le 
regne  de  Robert  le  Pieax  p.  818  ff;  Gertain,  Amoul  p.  454.    Der  Bischof 


287 

Abbo  hatte  bei  den  Königen  stets  in  Gnnst  gestanden^); 
Hago  hatte  seine  Wahl  gefordert  nnd  bei  dem  nahen  Verhält- 
nis, in  dem  Fleury  zam  Hofe  stand,  mochte  er  das  Auftreten 
des  Bisehofs  gegen  den  Abt  von  vornherein  verurteilt  haben. 
Abbo  selbst  war  viel  an  den  Hof  gekommen.  Als  jetzt  die 
Gegner  mit  ihren  Anklagen  zu  den  Herrschern  drangen,  sah 
sich  Abbo  genötigt,  sieh  den  Königen  Hugo  und  Robert 
gegenüber  zu  rechtfertigen.  Voll  herber  Bitterkeit  schrieb  er 
an  Robert  , eingedenk  des  Salzes,  das  er  einst  im  Palast  ge- 
gessen habe".  Er  wehrt  sich  gegen  den  Vorwurf  der  Unwahr- 
heit und  bemerkt,  dass  er  sich  bisher  höfischer  Redeweise 2) 
bedient  habe.  Die  Schrift,  die  er  ihnen  übersandte,  der  Apo- 
logeticus,  ist  ein  kirchenpolitisches  Document  ersten  Ranges: 
es  enthält  mit  der  ihm  angefllgten  Liste  der  verbesserungs- 
bedttrftigen  Punkte  ein  Programm  der  Mönchspartei,  durch 
welches  diese  auf  das  neue  Königtum  zu  wirken  suchte. 

Täglich  nähre  ihn,  sagt  Abbo'^),  in  seinem  Hirtenamte  das 
Wasser  der  Not  und  das  Brot  der  Bedrängnis ;  mit  hündischem 
Zahn  beisse  ihn  die  tückische  Schlauheit  der  Nebenbuhler  und 
begeifere  ihn  oft  die  scharfe  Zunge  der  Gegner  und  aus 
keinem  andern  Grunde  murrten  sie  gegen  ihn,  als  weil  er 
die  Rechte  des  Mönchstandes  vertrete  und  das  Gedeihen  des 
Staates  erstrebe.  Auch  die  königliche  Majestät  würde  sie  nicht 
abhalten,  ihn  zu  töten,  wenn  sich  ein  geeigneter  Ort  und  eine 
günstige  Gelegenheit  biete.  Hinsichtlich  der  Anklagepunkte 
erklärte  er,  er  entziehe  sich  der  Prüfung  der  Könige  und  anderer 
verständiger  Männer  durchaus  nicht  Was  den  Vorwurf  anbe- 
trifft, er  habe  die  Mönche  gegen  die  Bischöfe  aufgehetzt,  so 
habe  er  im  Gegenteil  bei  jener  Aufruhrscene  in  Saint-Denis 
tiefen  Schmerz  empfunden  in  der  Erinnerung  an  das  frühere 
gute  Verhältnis  zu  Sewin,  an  seine  Vergünstigungen  und  aus 
Ehrfurcht  vor  seinem  grauen  Haar.^)    Auch  sei  er,  wenn  man 


schrieb  eine  Schrift  CartiÜago  eius  quasi  lamina  ferri  (Cod.  Christ  reg. 
nr.  633),  die  bisher  nicht  bekannt  warde,  gegen  Abbo ;  vgl.  Certain  p.  457 ; 
Pardiac  p.  288;  Archiv  XII,  302. 

*)  V.  Abb.  c.  8 :  ai  quibua . .  .  quam  maxime  amabatur. 

*)  Abb.  epist.  ^d  Robertnm,  Migne  139,  424:  menwr  saliSj  quod  ali- 
quando  in  pcUatio  comedi  .  .  .  pakUina  facundia  hactenus  usus  sum. 

*)  Apologetiens,  Migne  139,461. 

*)  Apologeticus  col.  468. 


2d8 

ihm  Einwirkung  auf  den  Hof  zu  Ungunsten  des  Bisehofs  vor- 
werfe, weder  Gott  noeh  ein  Zauberer,  der  die  Sonne  anderer 
naeh  Belieben  umwandle,  überdies  ziele  die  Anklage  eigentlich 
gegen  die  Könige.  Wie  oft  habe  er  Gesandte  im  Interesse 
des  Friedens  geschickt  und  selbst  gebeten.^)  '  Bei  jeder  regu- 
lären Forderung  habe  er  sich  dem  Bischöfe  willfährig  erwie- 
sen, natürlich  unbeschadet  der  Rechte  seines  Klosters.  Wenn 
dieser  ihn  endlich  des  Umganges  mit  den  excommunioierten  Mön- 
chen zeihe,  so  habe  er  nur  nach  des  Bischofs  eigenem  Beispiel 
gehandelt,  der  die  Söhne  Belials,  die  in  nächtlichem  Banb- 
anfall  auf  ihn  sich  stürzten,  um  ihn  zu  töten,  wieder  auf- 
nahm, trotz  ihrer  Bannung  durch  den  Erzbiscbof  Sewin  von 
Sens,  Odo  von  Chartres  und  andere  fromme  Männer.  2)  Am 
Ende  wendet  sich  Abbo  direkt  an  König  Robert,  den  er  mit  den 
Worten  anredet,  die  Horaz  in  seiner  ersten  Ode  seinem  Freunde 
Maecen  widmet.  Er  bemerkt  am  Schlüsse:  Wenn  er  nach  Gott 
und  den  Heiligen  besonders  durch  die  Hülfe  und  den  Rat  des 
jungen  Königs  gestutzt  werde,  dessen  Erwähnung  er  bei  seinen 
täglichen  Gebeten  niemals  übergehe,  so  werde  er  endlich  dem 
Hauptinhalte  nach,  was  im  fränkischen  Reiche  am  meisten  der 
Verbesserung  bedürfe,  der  Schrift  beifügen,  damit  die  Regierung 
die  Bischöfe  veranlasse,  die  betreffenden  Misstände  in  ihren 
Synoden  auf  canonische  Weise  zu  verbessern. 

Diese  Beilage  ist  vermutlich  verloren  gegangen.  Denn 
dasB  die  Canonsammlung,  die  uns  von  Abbo  erhalten,  mit  der 
von  ihm  angekündigten  Aufzeichnung  identisch  ist,  muss  man 
wohl  angesichts  der  Thatsache  bezweifeln,  dass  jene  keinerlei 
Verweis  auf  die  Hauptschrift  enthält  pnd  die  Worte  der  letz- 
teren mehr  auf  eine  Liste  der  Gravan^ina,  als  eine  Sammlung 
von  Rechtsstellen  sich  zu  beziehen  äteheinen.  Einen  Ersatz 
für  das  vermisste  Actenstück  vermag  die  Canonsammlung  frei- 
lich auf  jeden  Fall  zu  bieten.^) 

^)  Apolog.  col.  469:  An  sdre  potero,  qtwOes  legatos  miaij  quotiea  de 
pace  rogavi,  quotiea  me  aupplicem  obtuli? 

*)  col.  469 :  eiu8  exeniplo  lUique  fecij  qui  ßio8  BelicU  nocturna  UUro- 
cinio  in  meam  necem  grasaantes  recepit,  postquam  eo8  ancUhematizaverat 
8UU8  archiepiscopiis  singiUaris  meriti  Siguinus  et  Odo  Camotensium  epis- 
copuSf  necnon  et  alii  magnae  vitae  et  religiosi  viri. 

')  Als  Zweck  derselben  giebt  er  in  der  Praefatio  an :  Ad  defensionem 
quoque  monastid  ordinis  plura  congessi  .  .  Es  lag  daher  sehr  nahe,  darauf 


289 

Wie  bereits  durch  den  Hinweis  anf  die  karolingischen 
Vorgänger  in  der  Widmung,  so  suchte  Abbo  auch  im  dritten 
Capitel,  das  ttber  das  Königsamt  handelt,  Hugo  und  Robert 
an  die  Regierung  Karls  des  Grossen  und  Ludwigs  des  Frommen 
zu  erinnern  und  somit  an  das  Königtum  der  letzten  Dynastie 
anzuknüpfen.  <)  Im  folgenden  Abschnitt  betont  er  die  Not- 
wendigkeit, dass  die  Grossen  des  Reiches  den  König  durch 
Treue  und  Ehrfurcht  unterstützen.  Deshalb  fordere  der  ge- 
wählte König  von  allen  Unterthanen  den  Treueid.  Es  sei 
aber  —  und  damit  wird  deutlich  auf  gegenwärtige  oder  jüngst 
verflossene  Ereignisse  der  ersten  Zeit  Hugos  angespielt  — 
besser  der  Wahl  eines  Fürsten  die  Zustimmung  zu  versagen, 
als  nach  Anerkennung  seiner  Wahl  ihn  zu  verwerfen.^)  Ebenso 
zeigt  der  angeführte  Canon  von  Toledo,  dass  die  Ausführungen 
vornehmlich  gegen  die  rebellierenden  Grossen  gerichtet  sind, 
die  Hugo  nach  seiner  Erhebung  Schwierigkeiten  bereiteten. 
Wer  den  königlichen  Vorschriften,  denen  er  für  das  gesammte 
Reich  bindende  Kraft  zuschreibt 3),  widerstrebe,  meint  Abbo, 
der   zeige  dadurch,    dass    er    den   König   weder  liebe   noch 


zu  beziehen  Y .  Abb.  c.  7 :  assumptisque  ex  phwimorum  patrum  atictori- 
tatibus  sententiis  .  .  .  Quod  licet  ad  praesens  non  reperiatuTj  partim 
nostrorum  negligentia,  partim  extraneorum  sii^tractum  cupiditatej  certum 
tarnen  estj  idcirco  eum  excerpsisse,  quo  haberet  ad  manum  defensiones 
contra  pontificem  ecclesiae  Awrelianensis,  non  recta  quaedam  ab  eo  exigen- 
teni.  Mabülon  hat  auch  gemeint,  dass  die  hier  erwähnte  Ganonsammlung 
identisch  mit  der  erhaltenen  sei.  Indessen  lassen  sich  dagegen  Bedenken 
erheben.  In  der  erhaltenen  Gollectio  sind  nämlich  gerade  auctoritates 
patrum  höchst  selten  angeflibrt.  Wenn  es  nun  auch  nicht  ausgeschlossen 
ist,  dass  Aimoin,  der  nur  nach  der  Erinnerung  schrieb,  sich  nur  ungenau 
ausdrückte,  so  muss  auf  der  andern  Seite  als  wahrscheinlicher  hingestellt 
werden,  dass  der  Biograph  eine  Sammlung  von  Kirchenväterstellen  im 
Sinne  hat,  die  jetzt  mit  Vor-  und  Nachwort  als  Epist.  14  ad  G.  erhalten 
ist  Hier  werden  über  die  Abbo  vornehmlich  berührenden  Fragen  (Be- 
lästigungen der  Klöster  durch  Bischöfe  und  Cleriker,  ungerechte  Excom- 
municationen,  Zusammenleben  der  Bischöfe  und  Cleriker  mit  Frauen)  in 
der  That  Gregor  I,  Hieronymus,  Leo  I,  Isidor,  Ambrosius  u.  s.  w.  citiert. 

*)  Vgl.  Luchaire,  Institutions  polit.  I,  45. 

■)  Coli.  can.  c.  4 :  ita  melius  est  electioni  principis  non  subscribere 
quam  post  subscriptionem  electum  contemnere  vel  proscribere. 

')  Vgl.  Sacknr,  Zu  den  Streitschriften  des  Deusdedit  und  Hugo  von 
Fleury,  N.  Arch.  XVI,  371. 

Sftoknr,  Claniaoenier.    I.  19 


290 

fürchte. ^)    Aber  woher  komme  das  alles,  wenn  nicht  von  der 
zu  grossen  Milde  des  Königs? 2)    Indem  der  Verfasser  in  ge- 
schickter Weise  ein  Gapitnlar  Karls  des  Grossen  heranzieht, 
in  welchem   dieser  die  Nichtbefoignng  gewisser  Verordnungen 
scharf  bedroht,  richtet  er  die  Blicke  des  Hofes  wiederum  auf 
die  widerstrebenden  Bischöfe  und  weltlichen  Grossen  und  sucht 
zugleich  das  Königtum  durch  Anerkennung  der  allgemeinsten 
und    umfassendsten   Rechte    für    sich   zu   gewinnen.  3)     Abbo 
empfiehlt  also  den  Königen  strenges  Vorgehen  gegen  jedwede 
Opposition   auf  Grund  der  Rechte  der  königlichen  Macht  und 
auf  Grund  des  von  den  Unterthanen  geschworenen  Treueides. 
Die    übrigen    Titel    enthalten    Weisungen    bezüglich    der 
Geltung  der  Papstdecrete,  Ehre  und  Verwaltung  der  Kirchen, 
Bischöfe  und  Clerus,  Aebte  und  Mönche,  Gläubige,  kurz  über 
alle  möglichen  Verhältnisse  mit  Berufung  auf  Synodalcanones, 
Papstdecrete  und  Stellen  des  römischen  Rechts.    In  mehreren 
Canones  wird  der  kirchliche  Besitz  behandelt  und  namentlich 
das  Verhältnis  der  Gläubigen  zu  den  von  ihnen  überwiesenen 
Gütern.    Aber  weder  in  diesen,  noch  in  andern  auf  die  Ver- 
waltung bezüglichen  Vorschriften*)  liegt  der  Schwerpunkt  des 
Programmes,  sondern  vielmehr  in  den  Abschnitten,  die  sich 
mit  den  Pflichten  und  Rechten  des  regulären  und  weltlichen 
Clerus  beschäftigen.    Auf  den  ersten  Blick  lässt  sich  erkennen, 
was  Abbo  als  Zweck  der  Sammlung  in  der  Vorrede  bezeichnet: 
Schutz  der  Abteien  und  Mönche  gegen  die  Anmassungen  der 
Bischöfe.    Auch  dem  Clerus  gegenüber  soll  der  Einflnss  und 
die  Gewalt  des  Episcopats  auf  das  canonische  Mass  beschränkt 
werden.*^)     Wenn  wir  Titel  finden,  welche  die  simonistische 
Erwerbung  der  Bischofssitze^),  sowie  Designation  des  Nach- 
folgers durch  den  Bischof)  untersagen,  Verbote,  welche  die 
Belästigung  der  Stifter  durch  Bischöfe  und  Cleriker^),  die  will- 


^)  Coli.  can.  c.  6 :  Quapropter  qui  praeceptis  regalibu8  contradicit  se 
regem  non  diligere  nee  timere  ostendit. 

')  Sed  unde  hoc  contigitj  nisi  ex  nimia  tnansueiudine  regis? 

*)  Luchaire  I,  43  urteilt:  L*abhi  de  Fleury^  Abbotif  semble  n'avoir  ete 
dans  ses  canons  que  Vorgane  plus  ou  moina  atUorise  du  gouvemement  de 
Uugue  Capet. 

*)  c.  7—9.  25.  29.  30.  32.  34.  91. 

»)  c.  12.  •)  0.  13.  0  C.42.  •)  0.  16. 


291 

kürliche  VeräasseruDg  von  Kirchengnt  dnrch  den  Bischof^) 
betreffen,  Titel,  welche  von  der  Isolenz  der  Bischöfe  den 
Mönchen  gegenüber^)  nnd  von  der  gewaltsamen  bischöflichen 
Besitzergreifnng  von  Kirchen  nnd  Gemeinden  mit  Umgehung 
des  Rechtsverfahrens  ^)  handeln,  Titel,  die  sich  mit  den  Söhnen 
der  Bischöfe,  Priester  und  Diaconen*)  beschäftigen,  —  dem 
niederen  Clerus  war  die  Ehe  erlaubt*)  —  die  von  der  Habsucht 
der  Priester  ö)  reden  —  so  sieht  man,  dass  Abbo  den  Königen 
die  Sünden  des  Weltclerus  vor  Augen  stellen  will,  dass  er 
die  Regierung  im  Sinne  der  Mönchspartei  gegen  den  Episcopat 
zu  beeinflussen  unternimmt.  Indem  der  Abt  den  Herrschern 
die  rechtsphiloBophische  Grundlage  nachweist,  von  der  aus  sie 
allen  Widerstand  niederzuschlagen  vermögen,  legt  er  ihnen 
gleichzeitig  das  Programm  seiner  Partei  in  die  Hände,  mit  der 
Aufforderung,  ftir  die  Durchführung  desselben  Sorge  zu  tragen. 

V. 

In  dem  Streite  mit  dem  Bischof  von  Orleans  um  die 
Gunst  des  Hofes  hatte  Abbo  den  Sieg  davongetragen.  Die 
Könige  hatten  sich  soweit  gegen  den  Episcopat  erklärt,  dass 
sich  Gerbert  bedroht  sah  und  die  Bischöfe  gezwungen  wurden, 
vor  den  Excommunicierten  von  St.  Denis  die  Messe  zu  cele- 
brieren,  mit  Rücksicht  auf  die  päpstlichen  Privilegien  dieser 
Abtei.'')  Es  war  vermutlich  während  dieser  Händel,  oder  kurz 
vorher,  als  Hugo  Capet  im  Frühjahr  994  Abt  Majolus  von 
Cluni  zur  Reform  nach  dem  dicht  bei  Paris  gelegenen  Kloster 
herbeirief. .  Man  klagte  sogar  Gerbert,  den  Erzbischof  von  Reims, 
an,  Bischof  Arnulf,  mit  dem  er  in  kirchenpolitisehen  Fragen 
stets  eins  war,  am  Hofe  angeschwärzt  zu  haben ;  in  dem  Briefe, 
in  welchem  er  dem  Bischöfe  gegenüber  diesen  Vorwurf  ab- 
weist, bemerkt  er,  er  habe  sogar  bei  seinen  Bemühungen,  ihn 


»)  c.  41. 

*)  c.  23:  De  clericis  qui  monachi  volunt  fieri  et  de  insolentia  episco- 
porum  in  monachoa. 

^)  c.  28 :  De  ^nscopia  invasorUma  p^'oetermiasa  synodo. 

*)  c.  40:  De  filiis  preshyterorum  vel  episcopomm  vd  diaconorum. 

^  Apolog.,  Migne  139,  464:  nam  omneSj  qui  sunt  inferioria  gradua^ 
per  ahusionem  clerid  vocantWj  dum  eia  aicut  et  laicia  ex  indulgentia  per- 
mittitur  aaciari  coniugibua,  ^)  c.  85:  De  avaritia  aacerdotum. 

0  Gerberti  epist.  190,  Havet  p.  176. 

19* 


292 

za  verteidigeD,  sich  den  Bissen  der  ^Palastbnnde*  preis- 
gegeben.^)  Noch  bei  Lebzeiten  Hugos  hatte  sich  die  Haitang 
der  Regierung  geändert.  Die  Mönche  hatten  dem  gallicaniscben 
Episcopat  d^n  Rang  abgelaufen.  Um  dieselbe  Zeit  vielleicht 
änderte  Hugo  auch  seine  Politik  dem  Papste  gegenüber,  indem 
er  directe  Fühlung  mit  ihm  anstrebend,  einen  Archidiacon  der 
Reimser  Kirche  zur  Aufklärung  der  Sache  Arnulfs  nach  Rom 
sandte  und  Johann  XV.  eine  Zusammenkunft  in  Grenoble  vor- 
schlug, , damit  Ihr  einsehet,  dass  wir  und  die  nnsrigen  Eure 
Urteile  nicht  umgehen  wollen."  2)  Noch  im  Jahre  995  scheint 
Abbo  im  Auftrage  Hugos  als  Unterhändler  nach  Rom  gegangen 
zu  sein,  zugleich  in  der  Absicht,  die  Privilegien  seines  Klosters 
bestätigen  zu  lassen.  Aber  da  er  den  Papst  käuflich  und 
geldgierig  fand,  wandte  er  sich  voll  Abscheu  von  ihm  ab  und 
kehrte  nach  einem  Besuch  der  heiligen  Orte  zurück,  nachdem 
er  noch  in  Rom  ftir  sein  Kloster  Einkäufe  gemacht  hatte.^) 

Während  der  abgesetzte  Arnulf  von  Reims  immer  noch 
im  Gefängnis  schmachtete,  war  in  Rom  auf  Johann  XV.  Ottos  III. 
Vetter  Gregor  V.  im  Mai  996,  und  wenige  Monate  später,  nach 
dem  am  24.  Oci  996  erfolgten  Tode  Hugos,  König  Robert  II. 
als  alleiniger  Herrscher  auf  dem  französischen  Throne  gefolgt. 

')  Gerb,  epist.  190,  p.  177:  Non  ergOj  ut  vohia  relatum  est,  mea  tu- 
lentia  in  vo8  sevit  nee  ehctUio  dwa  absenti  amico  detraxitj  aed  dum  vos 
excusare  nisits  su/m,  me  pene  accuaaium  pakUinia  canibus  obieci. 

')  Gerberti  epist.  188  p.  74.  Die  Stellung  des  Briefes  in  der  Samm- 
lung der  Briefe  Gerberts  spricht  dafür,  dass  wir  ihn  etwa  in  die  letzte 
Zeit  Hugos  setzen,  ebenso  was  im  folgenden  bemerkt  wird. 

°)  V.  Abb.  c.  1 1  weiss  nur  von  einer  Reise  Abbos  unter  Johann  XV. 
privileffia  ecclesiae  aibi  commissae  corroboratvrus ,  imo  renovatwrus.  Eine 
Reise  nach  Rom  vor  der  von  997  bestätigt  Abbo  selbst  in  einem  Briefe 
an  Leo  von  St.  Bonifazius,  Epist  15:  8ed  Bomanam  ecclesiam  digno 
viduatam  pastore,  heu  pro  dolor I  inveni.  Die  Auslegung  des  «digno  vi- 
duatam*  giebt  die  V.  Abb.  Nach  Aimoin  fand  die  zweite  Reise  paucis 
labentibw  annis  statt.  Nun  lesen  wir  in  Gerb,  epist.  191  (nach  der 
Stellung  in  der  Sammlung  spätestens  995):  Satis  super  venerabilis  A.  lega- 
Hone  miratus  sum.  Beferebat  quippe  .  .  (das  tolgende  fehlt).  Es  handelte 
sich,  wie  das  spätere  zeigt,  um  eine  Gesandtschaft  nach  Rom  und  die 
Unterhandlung  über  Arnulf.  Der  Schluss,  dass  A.  kein  Anderer  als  Abbo 
ist,  der  in  diesen  Jahren  eine  Reise  unternahm  und  auch  später  mit  Gre- 
gor Y.  verhandelte,  ist  sehr  naheliegend.  Dass  Aimoin  nur  von  seiner 
Absicht,  die  Privilegien  erneuern  zu  lassen,  weiss,  ist  kein  Argument  da- 
gegen, denn  er  ist  offenbar  schlecht  unterrichtet. 


293 

Damals  schrieb  Abbo  an  Leo  Yon  St  Bonifazins,  er  habe  ge- 
hört, die-  apostolische  Würde  sei  wieder  anfgerichtet  dnrch 
einen  Mann  von  kaiserlichem  Blute,  wohl  ansgerttstet  mit 
Tugenden  und  Weisheit,^)  Der  Papst  nahm  die  Sache  des 
römischen  Stuhles  mit  Energie  auf.  Wohl  noch  bevor  Robert 
jetzt  die  Hand  zum  Frieden  bot,  fand  jene  italienische  Synode 
statt,  auf  welcher  die  Theilnehmer  des  Concils  von  St.  Basle  mit 
dem  Anathem  belegt  wurden  und  der  König,  der  kurz  vorher  die 
ihm  nahe  verwandte  Berta  von  Burgnnd  geheiratet  hatte,  nebst 
den  Bischöfen,  welche  dieser  Ehe  zugestimmt,  die  Aufforderung 
erhielt,  zur  Rechtfertigung  zu  erscheinen.^)  Angesichts  des 
drohenden  Interdicts^)  und  vermutlich  in  Folge  des  energischen 
Vorgehens  des  Papstes  beauftragte  König  Robert  im  Spätherbst 

997  Abbo  von  Flenry,  der  ihm  vorher  besonders  nahe  gestanden 
hatte  —  an  Robert  hatte  der  Abt  sich  speziell  in  der  Verteidi- 
gungsschrift gewendet  —  nach  Rom  zu  gehen.  Abbo  traf  mit 
Gregor,  nachdem  er  ihn  in  Rom  vergeblich  gesucht,  in  Spoleto 
zusammen^),  da  der  Papst  sich  vom  29.  Sept  996  bis  zum  Febr. 

998  als  Vertriebener  ausserhalb  seines  Bischofssitzes  aufhalten 
musste.^)  Beide  befreundeten  sich  eng  miteinander,  blieben 
acht  Tage  zusammen  und  tauschten  ihre  innersten  Gedanken^^) 
mit  einander  aus.  Abbo  ertrug  gern  die  Anstrengungen  und 
Besehwerden  der  Reise  —  er  klagte  namentlich  über  die  un- 
gewohnte Zubereitung  der  Speisen  in  Italien,  die  ihn  fett 
machte  —  in  der  Hoffnung,  dass  Gregor  der  Mann  wäre,  „der 

')  Epist.  1 5 :  erectum  esse  apoBtoUcum  decus  per  quendam  imperialis 
sanguinis  t^rum,  totwn  virtvttibus  et  sapientia  compositum, 

*)  Auch  Pfister,  Etudes  p.  53  verlegt  die  Synode  vor  Abbes  Sendung, 
die  dadurch  gut  motiviert  wird,  v.  Kalckstein  p.  460  nach  Abbos  Legation. 
Indes  halte  ich  nach  Einleitung  der  Unterhandlung  eine  Excommunication 
der  Theilnehmer  an  dem  Concil  von  St.  Basle  für  unmöglich,  da  der  König 
hinsichtlich  Arnulfs  ja  ohne  weiteres  nachgab. 

>)  V.Abb,  c.  11.  Dass  es  bereits  verhängt  worden  sei,  wird  von 
Pfister  p.  57  bestritten,  der  mit  Recht  bemerkt:  Nul  document  contemporain 
ne  nous  autorise  ä  affirmer  ce  fait.  Die  Stelle  der  V.  Abb.  sowie  die 
Bestimmung  in  der  Bulle  Gregors  V.  ftir  Abbo,  dass  das  Kloster  bei 
einem  allgemeinen  Interdict  davon  nicht  betroffen  werden  solle,  lässt 
jedoch  darauf  schliessen,  dass  damals  von.  solchen  Dingen  wohl  die 
Bede  war.  *)  V.  Abb.  c.  lt. 

^)  Gregorovins,  Gesch.  d.  Stadt  Rom  III,  448 ff.;  J.-L.  p.  491. 

*)  Sie  sprechen  de  passionibus  animae. 


294 

den  alten  Zustand  der  Religion  wiederherstellen  könnte."  <) 
lieber  die  Einzelheiten  der  Unterhandlung  können  wir  nur 
SchlttBse  machen.  Abbo  war  namentlich  beauftragt  worden, 
das  für  ganz  Frankreich  angedrohte  Interdiet  zu  hintertreiben. 
Der  Papst  verlangte,  dass  Robert  erst  die  uncanonisehe  Ehe 
mit  Berta,  der  Wittwe  Odos  I.  von  Chartres,  aufgebe^),  wofür 
Abbo  zu  wirken  versprach,  lieber  die  Wiedereinsetzung  des 
abgesetzten  und  gefangenen  Arnulf  von  Reims  einigte  man 
sich  ohne  Weiteres  und  Abbo  trug  seinerseits  vom  Papst  die 
Anerkennung  fOr  seine  Verdienste  in  einer  Urkunde  davon 3), 
die  sich  wörtlich  an  das  Privileg  Benedicts  VIT.  von  980  an- 
lehnte und  nur  insofern  Erweiterungen  enthielt,  als  decretiert 
wurde,  dass  ein  allgemeines  Interdiet  die  Mönche  von  Flenry 
nicht  treffen  solle.  Femer  wird  ein  Recht,  das  Leo  VII.  be- 
reits gewährt  hatte,  wiederholt:  fremde  Mönche  irregulärer 
Klöster  aufzunehmen,  bis  die  Ordnung  in  diesen  wiederher- 
gestellt sei. 

Mit  dem  Pallium  für  Arnulf  und  dem  Befehl  seiner  Be- 
freiung reiste  Abbo  ab.  Ihm  selbst  hatte  der  Papst  seine  Kasel, 
deren  er  sich  bei  der  Messe  zu  bedienen  pflegte,  und  Weihrauch 
geschenkt.^)  Der  König  war  mit  dem  Erfolg  der  Sendung 
unzufrieden;  er  Hess  Abbo,  als  er  vor  ihn  trat,  seinen  Zorn 
entgelten.  Dieser  blieb  ruhig;  ihm  galt  das  Versprechen,  das  er 
dem  Papste  gegeben,  weit  höher  als  die  Gunst  des  Herrschers. 
Mit  Heftigkeit  griff  er  den  König  unter  vier  Augen  und  öffent- 
lich seiner  uncanonischen  Ehe  wegen  an  und  ruhte  nicht  eher, 
als  bis  er  ihn  zu  dem  Entschluss  brachte,  Gregor  zu  gehorchen  wie 
dem  Apostel  Petrus  selbst,  dessen  Vertreter  der  Papst  auf  Erden 


*)  V.  Abb.  c.  1 1 :  dummodo  eum  reperiret  virum,  per  quem^  fama  vul- 
gantCj  audierat  ad  pristinum  posse  statum  religio7ii8  resurgere  nortnam; 
Otto,  Papst  Gregor  V,  Münster.  Dissert.  ISSl,  p.  21  geht  viel  zu  weit, 
wenn  er  von  seinem  Streben  spricht,  in  Rom  eine  wahre  Reform  nach 
cluniacensischem  Muster  einzuführen. 

*)  Es  ist  bemerkenswert  für  die  Stellung  Fleurys  zu  Robert,  dass 
dieser  Punkt  von  Aimoin  vollständig  übergangen  wird;  auch  bei  An- 
führung der  Briefe  Abbos  lässt  er  die  betr.  Stellen  fort 

')  Idus  Novembris,  also  v.  13.  Nov.  997  (nicht  15.,  wie  Pfistor  notiert) 
gedruckt  bei  Pfister,  Etudes  sur  Robert  le  Pieux  p.  LVU. 

*)  V.Abb,  c.  12. 


295 

war.O  Abbo  teilte  das  in  einem  Briefe  dem  Papste  mit;  sehon 
die  Uebersehrift  ist  für  Abbo  bezeichnend:  «Dem  stets  in  Christo 
ehrwttrdigen  Herrn,  Bischof  des  heiligen  Rom  nnd  des  aposto- 
lischen Stuhls  nnd  so  dem  Lehrer  der  allgemeinen  Kirche/ 2) 
Neben  dem  Bericht  über  seine  Audienz  beim  Könige  finden 
sich  Ausfälle  gegen  Arnulf  selbst  und  Gerbert,  die  er  tadelt,  — 
obwohl  er  sie  als  Freunde  ehrt  —  dass  sie  die  vornehmste  fran- 
zösische Kirche  arm  und  gemein  gemacht  und  zerrüttet  haben. 
Er  fordert  den  Papst  auf,  derselben  zu  Hilfe  zu  kommen  und 
den  alten  Zustand  unter  Adalbero  wieder  herzustellen.  Dann 
folgen  Klagen  über  Klagen  über  ranblustige  Burgherren,  die 
sieh  verheerend  auf  klösterliche  Besitzungen  werfen.  Auf 
diesen  Brief  scheint  als  Antwort  Gregors  ein  Schreiben  in 
AbboB  Hände  gelangt  zu  sein  3),  in  welchem  der  Papst  den 
Abt  auffordert,  ihm  sofort  dureh  einen  Bruder  R.  Mitteilung  zu 
machen,  wie  es  ihm  gehe,  über  das  Versprechen  des  Königs^) 
und  das  Befinden  des  Erzbischofs  von  Canterbury.  Am  Ende 
bittet  er  Abbo,  ihm  sein  bestes  Messbuch  zur  Erinnerung  an 
den  speziellen  Freund  zu  übersenden.  Noch  deutlicher  tritt 
das  enge  Verhältnis  zwischen  Gregor  und  Abbo,  die  eigentliche 
Aufgabe,  die  dieser  übernommen  hatte,  in  einem  andern  Schreiben 
des  Abtes  hervor.^)  Er  berichtet,  dass  er  nach  seiner  Rückkehr 
nach  Fleury  allen,  die  er  sprach,  erzählt  habe,  ein  wie  frommes 
und  gottergebenes  Leben  Gregor  führe.  Seine  nahen  Beziehungen 
zum  apostolischen  Vater  waren  bald  so  bekannt  geworden,  dass 
gar  viele  ihm  grossen  Einfluss  in  Rom  zutrauten  und  ihn  in- 
ständigst um  Fürbitte  angingen  behufs  Absolution  ihrer  Sünden. 


*)  Epist.  1  ad  Gregorinm:  nee  animositatem  regis  perhorrui,  dum  fidem, 
quam  vobis  promiseram,  ex  asae  servavij  quandoquidem  nihil  addidiy  nihil 
minuif  nihü  immuiavi,  nihü  reliqui;  Helgaudi  V.  Roberti  c.  17,  HF  X,  107: 
istvm  aeque  per  domnv/ni  et  vctierabilem  Abboneni . . .  spreta  mortis  fomii- 
dine  dure  increpatum  privatim  et  publice.  Cuins  sancti  viri  iticrepatio 
tarn  diu  perstitit,  donec  rex  mitissimua  reatum  Buum  agnosceret. 

*)  Epist  1 :  Domino  semper  in  Christo  venerabili,  sanctae  Bomae  et 
apostolicae  sedis  praesuli  ac  ideo  imiversalis  ecclesiae  doctori. 

»)  Epist.  11  (Gregor  an  Abbo),  Migue  137,  107. 

*)  de  regia  promissione  hatte  schon  Mabillon  auf  die  LOsung  der  un- 
canonischen  Ehe  bezogen.  Ebenso  Pflister,  Etudes  sur  le  regne  de  Robert 
]»  Pieux  p.  55. 

»)  Epist.  8. 


296 

Beleuchtet  wird  Beine  Stellung  weiter,  wenn  er  den  Papst  um 
Bestätigung  der  Immunitätsurkunden  zweier  von  einer  reichen 
Dame,  Frau  Hildegard,  gegründeten  Abteien  ersucht 

Im  Auftrage  und  Interesse  des  französischen  Hofes  war 
Abbo  nach  Rom  gegangen,  als  Agent  der  Curie  kam  er  in  sein 
Vaterland  zurück.  Aber  der  Einfluss,  den  er  auf  Gregor  ge- 
wann, war  sicher  ein  sehr  bedeutender^)  Soll  ihm  doch  der 
Papst  in  jenen  Unterredungen  versprochen  haben  zu  thun,  was 
Abbo  ihm  riete:  „Deine  Sache  wird  es  sein  zu  bitten",  sagte 
er,  „meine  deine  Bitten  zu  gewähren". 

Dem  gefangenen  Arnulf  wurde  alsbald  die  Freiheit  zurück- 
gegeben  2);  halsstarriger  verhielt  sich  der  König  gegenüber  der 
zweiten  Forderung,  der  Auflösung  seiner  Ehe,  so  dass  Gregor  V. 
noch  den  Bannstrahl  gegen  ihn  schleuderte.  3)  Schliesslich 
errang  auch  darin  die  Curie  einen  vollkommenen  Sieg. 

Nur  wenige  Jahre  überlebte  Abbo  seinen  Freund  auf  dem 
Stuhle  Petri.  Im  SchaflFen  und  Wirken  fllr  die  Ausbreitung 
der  reformatorischen  Bestrebungen  fand  er  seinen  Tod  in  der 
Gascogne,  wo  Fleury  das  Kloster  La  R^ole  besass.  Vergeblich 
hatten  seine  Vorgänger  versucht,  hier  ein  friedlich  geordnetes 
Klosterleben  herzustellen;  die  Bemühungen  der  Mönche  schei- 
terten aber  an  dem  Widerwillen  und  dem  Hasse  der  sie  und 
den  Klosterbesitz  4)  beständig  anfeindenden  Basken.  Abbo  hatte 
keinen  besseren  Erfolg;  obgleich  er  bei  einer  Anwesenheit 
daselbst  sich  mit  den  Söhnen  Herzog  Wilhelms  Bernard  und 
Sancho  ins  Einvernehmen  setzte,  konnten  sich  die  Mönchs- 
colonien,  die  er  nacheinander  dort  ansiedelte,  nicht  halten.^) 
Ende  October  1004«)  entschloss  er  sich  zu  einer  zweiten  Reise, 
auf  der  ihn  die  Mönche  Remigius,  Aimoin  und  der  Bajulus 
Wilhelm  begleiteten.  Am  28.  October  kam  man  nach  Poitiers, 
wo  Abbo  Gelegenheit  fand,  in  innere  Streitigkeiten  der  Abtei 
St.  Cyprian  einzugreifen  und  Odilo  von  Cluni  darauf  aufmerksam 


')  V.  Abb.  c.  tl:  Poito  ummi  te  volo  nosse,  Icgationeni  tuam  me 
henigtw  suscipere  et  quaeqxit  miaseris  nie  fadurutn  fore.  Tumn  auteni  et^t 
peterCf  rneum  vero  petitis  pro  posse  assensum  praeberc. 

«)  Pfister,  Etudes  p.  54.  «)  J.-L.  p.  494. 

*)  Vgl.  Ademari  bist.  III,  c.  39. 

ß)  V.  Abbonis  c.  16.  «)  Das  folgende  ib.  c.  17—20. 


297 

zn  maehen,  dem  das  Kloster  untergeben  war.  Nachdem  der 
Abt  mit  seinen  Begleitern  hier  Allerheiligen  gefeiert,  brach  er 
am  2.  Nov.  auf  und  zog  über  Charroux  nach  NanteuiL  Sonn- 
abend den  4.  November  wurde  AngoulSme  erreicht.  Hier  weilte 
er  im  Kloster  St  Eparch.i)  Nach  einigen  Tagen,  während 
welcher  Herr  Girald  von  Aubeterre,  ein  Verwandter  Aimoins, 
und  Aunenrudis,  die  Mutter  desselben  Mönches,  Gastfreundschaft 
gewährten,  gelangte  die  kleine  Beisegesellschaft  nach  La  Räole, 
wo  es  gleich  am  folgenden  Tage,  am  10.  zwischen  den  Leuten 
der  Klosterbrüder  und  den  Basken  zu  Streitigkeiten  um  das 
Pferdefntter  kam.  Den  Montag  darauf,  es  war  der  13.  November, 
gab  es  wieder  Händel.  Als  der  Abt  ans  seiner  Studierstube 
trat,  um  zu  sehen,  was  es  gäbe,  wurde  ihm  der  linke  Arm 
durch  einen  Speer  durchbohrt,  der  zwischen  den  Rippen  in 
den  Körper  eindrang.  Er  vermochte  sieh  noch  in  das  Innere 
des  Klosters  zu  schleppen,  gab  aber  alsbald  umringt  von  den 
bestürzten  Mönchen  seinen  Geist  auf^)  Herzog  Bernard  be- 
strafte zwar  die  Mörder  und  sprach  die  strittigen  Güter  den 
fränkischen  Mönchen  zu,  aber  diese  mussten  sich  jetzt  gefallen 
lassen,  dass  König  Robert  ihnen  gegen  ihren  Willen  seinen 
Halbbruder  Gauzlin,  einen  unehelichen  Sohn  Hugo  Gapets,  als 
Abt  aufdrang.^) 

Der  streitbarste  der  damaligen  Vertreter  und  Führer  des 
Mönchtums,  war  Abbo  bei  einer  Prügelei  ums  Leben  gekommen. 
Er  war  eine  ganz  andere  Natur  als  etwa  Odo  und  Majolus: 
ebensoweit  entfernt  von  der  theosophischen  Richtung  des  letz- 
teren, der  die  geistige  Armut,  die  „weise  Torheit  Gottes*^  weit 
über  weltliche  Wissenschaft  gestellt  hatte,  als  von  der  erhabenen 
Tiefe  des  ersteren,  der  von  einem  kosmotheologischen  System 

^)  Ademari  hist.  III,  c.  3ü:  Interea  sunwiae  phUosophiae  ahbas  S. 
Benedicti  Fhriacensis  super  Ligenm  loci,  fwnmie  Abbo  . .  mmse  Novenibri 
in  monaatcrio  beati  Eparchü  Jwspitatiis  est. 

•)  Ausser  der  V.  Abbonis  c.  21  vgl.  Mirac.  S.  Bened.  III,  c.  2;  Ade- 
mari hist  III,  c.  89;  Rod.  Glaber  III,  c.  3;  Wilhelmas  Malmesbur.  III,  bei 
Migne  179,  1573;  Epist.  encyclica  bei  Baluze,  MIscoll.  II,  114:  Id.  Nov.] 
Necrol.  Villar.  (Beilage  IV) :  //.  Id.  Nov.  Depositio  donini  Abbonis  abbaiis. 
Den  richtigen  Todestag  haben  die  von  Mabillon  angeführten  Necrol. 
Silvin.  nnd  Kalend.  Floriac. 

*)  Ademari  hist.  lU,  c.  39. 


298 

aas  an  die  Beurteilnng  der  Gebreehen  der  Welt  heranging. 
Er  war  zu  sehr  Weltgelehrter,  um  sieh  mit  Majolns  zn  be- 
rühren, zu  sehr  practiBeher  Politiker,  um  die  Schäden  der 
Zeit  von  spekalatiTem  Standpunkte  zu  betrachten.  Seine 
Studien  —  über  die  an  anderem  Orte  ausführlicher  zu  reden 
ist  —  bewegten  sich  vornehmlieh  auf  dem  Gebiete  der  Mathe- 
matik und  Astronomie:  schon  das  wies  ihn  auf  exaete  Ge- 
dankenarbeit und  hielt  ihn  vom  Spiele  der  Phantasie  fem. 
Seine  politischen  Beziehungeu,  die  kirchenpolitischen  Streitig- 
keiten, in  die  er  verwickelt  wurde,  namentlich  aber  der  Con- 
flikt  mit  dem  Bischöfe  von  Orleans  lenkten  seine  Gedanken 
auf  das  nächste,  unmittelbarste.  Die  Verteidigung  des  Mönch- 
tums  gegen  den  Episcopat  war  die  Tendenz,  die  ihn  be- 
herrschte. 

Er  war  unstreitig  ein  scharfer  Verstand  und  stets  zu 
juristischer  Durchdringung  geneigt  Er  will  den  Königen  die 
Handhabe  gewähren,  die  Gegner  der  Krone  zu  bekämpfen, 
und  entwickelt  ihnen  ein  staatsrechtliches  System,  in  dem  ihre 
Rechte  bestimmt  definiert  sind.  Er  greift  die  herrschende 
Simonie  an,  indem  er  den  Rechtsirrtum  aufdeckt,  von  dem  die 
Simonisten  ausgehen.^)  Er  poltert  nicht,  er  beweist.  Auch 
bei  seinen  Angriffen  auf  das  Sittenleben  und  die  Uebergriffe 
des  Clerus  ergeht  er  sich  nicht  in  breiten  Ausführungen:  es 
genügt  ihm  auf  die  Belegstellen  zu  verweisen,  mit  deren  Hülfe 
den  Schäden  beizukommen  wäre.  Ein  scharfer,  energischer 
Zug  charakterisiert  sein  Auftreten,  wie  seine  Schriften.  Es 
fehlt  nicht  an  sarcastischen  Aeusserungen. 

Seine  politische  Thätigkeit,  das  nahe  Verhältnis  zum  Hofe 
und  zur  Curie  erhöhte  die  hervorragende  Stellung,  die  er  als 
Abt  von  St.  B^noit  bereits  inne  hatte.  In  manche  innere 
Klosterangelegenheit  griff  er  ein  2);  sein  Rat  war  gesucht.  Wo- 
hin er  auf  seinen  Reisen  kam:  er  erfreute  sich  stets  der  ehren- 
vollsten Aufnahme.  Von  den  Achten  seines  Ordens  stand  ihm 
Odilo  von  Cluni  wohl  am  nächsten.  Er  nennt  ihn  den  Fahnen- 
träger der  gesammten  Religion  3),  ihm  fühlte  er  sich  solidarisch 


')  Darüber  an  anderer  Stelle  mehr. 
»)  Vgl.  Epist.  8.  9. 11.  12. 

3)  In   epist.  8.  ad  G.  abbatem  nennt  er  ihn:    iUe  totius  rdiffionis . 
signifer  Odilo. 


299 

verbundenJ)  Noch  bevor  die  Nachricht  von  Abbos  Tode  sich 
verbreitet  hatte,  war  Odilo  mit  andern  Aebten  im  Dec.  1004 
znm  Benedictsfeste  nach  Fleary  gekommen.^) 

Dem  Abt  von  Cluni  wenden  wir  nun  unsere  Aufmerksam- 
keit zu. 


^)  Epist  12  an  Odilo  über  St  CTprian  in  Poitiers:  quem  locum  post- 
quam  reperi  vestrae  subditum  ditionif  Twstrwm  credidi;  quoniam  atnicorum 
sunt  ofnnia  communia^  ut  est  quorundcmi  sententia. 

»)  V.Abb,  c.  21. 


Siebentes  Capitel. 

Anfänge  Odilos. 


i. 

Etwa  zur  selben  Zeit,  da  MajoluB  und  Wilhelm  von  Vol- 
piano  in  den  HerzogtUmeru  Franeien  und  Burguud  thätig 
waren  und  Abbo  von  Fleury  auf  dem  Concil  von  Saint-Basle 
die  kirchenreehtliehen  Anscbauuugen  des  Möncbtums  zur  Gel- 
tung braebte,  legte  ein  Auvergnate  Namens  Odilo  in  Clnni  die 
MöDcbsgelübde  ab.  Er  entstammte  einer  reichbegüterten  und 
angesehenen  Adelsfamilie  der  Auvergne.  In  dem  Flecken 
Mereoeur  im  Departement  Haute-Loire  im  Arrondissement 
Brioude  stand  die  Stammburg  des  Hauses,  nach  der  sich 
später  die  Mitglieder  desselben  benannten.^)  Man  hat  wegen 
des  öfteren  Vorkommens  des  Namens  Hicterius  in  der  Familie 
Odilos  vielleicht  mit  Recht  vermutet,  dass  sie  auf  jenen  Iterius 
zurUckzufllhren  sei  2),  den  Karl  der  Grosse  778  zum  Grafen  der 
Auvergne  machte  3);  auf  der  andern  Seite  ist  freilich  nicht 
ausgeschlossen,  dass  etwa  ein  ehemals  von  dem  gräflichen 
Hause  abhängiges  Geschlecht,  welches  später  selbständig  wurde, 


»)  Vgl.  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  I,  554;  Ringholz,  Der  hl.  Abt  Odilo, 
Regensburg  1885,  p.  LXXX.  Grundbesitz  in  Mercorfa  schenken  Odilos 
Grossvater  Hicterius  und  dessen  Bruder  an  Saint-Julien  de  Brioude  911 
und  912  bei  Doniol,  Cartnl.  de  Saint -Julien  nr.  5.  37.  Die  Kirche  St. 
Stephan  in  Mercoria  schenkt  Bieter  seinem  Sohne  Walter  zwischen 
936—964  (Cartul.  de  Brioude  nr.  285);  dieselbe  Kirche  kommt  dann 
zwischen  954  u.  986  durch  dessen  Bruder  Berald,  Odilos  Vater,  an  St.  Julien 
(Doniol  nr.  320).  In  der  Chronik  von  Puy  (Eist,  de  Langued'oc  V,  2t) 
heisst  es :  Stephanus  de  Castro  vulgo  nuncupato  MercwriOj  nepos  beaii  Odi- 
lonis  abbatis  Cluniacensis. 

*)  Baluze,  Bist,  de  la  maison  d' Auvergne  I,  26. 

')  Abel,  Jahrb.  Karls  des  Grossen  1, 251. 


301 

traditionell  an  dem  Namen  des  ersten  Grafen  festhielt.  Der 
erste  Bieter,  der  nachgewiesen  werden  kann,  ist  der,  welcher 
im  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  mit  seiner  Gemahlin  Arsendis 
der  Kirche  Brioade  einige  Schenkungen  machte  9;  sein  Bruder 
Golfald  war  Decan  dieser  Kirche,  in  deren  Urkunden  er  in  der 
ersten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  öfter  begegnet.^)  Aus  seinem 
Erbe  kam  das  Dorf  Montaniacus  noch  auf  die  Generation 
OdiloB.^)  Hicter  hatte  mit  seiner  Gemahlin,  soviel  wir  wissen, 
vier  Söhne:  Stephan*),  Walter,  Nicedius  und  Berald.^)  Letz- 
terer, der  Vater  Odilos,  war  ein  Mann,  an  dem  man  neben 
seiner  Kriegstüchtigkeit  und  seinem  Reichtum  vor  allem  Ver- 
stand, Mannestreue  und  Ehrlichkeit  rühmte.  Er  wurde  deshalb 
von  allen  Major,  Maire,  genannt.  Seine  Gemahlin  Gerberga 
war  eine  einfache,  fromme  Frau,  die  nach  dem  Tode  ihres 
Gemahls  Heimat,  Verwandte,  Söhne  und  Reichtümer  verliess 
und  sich  als  Nonne  nach  Saint-Jean  d'Autun  zurOckzog.<^) 
Eine  reiche  Kinderschaar  erblühte  um  die  von  den  Standes- 
genossen in  mancher  Beziehung  vorteilhaft  abstechenden  Ehe- 
leute. Der  grosse  Grundbesitz  erlaubte  nicht  nur  die  Söhne 
einzeln  auszustatten;  auch  die  Kirche  erhielt  mehr  als  einmal 
Beweise  von  der  Hingebung  der  ganzen  Familie.')  Unter  den 
acht  oder  neun  Brüdern^)  scheint  Odilo  zu  den  jüngeren  zu 


1)  Cartul.  de  Brioade  nr.  S7  (H.Jahr  Karls  d.  Einfältigen);  er  be- 
gegnet denn  nr.  285  (regnante  Ludovico). 

>)  Gartnl.  de  Brioude  nr.  5.  30.  36.  57. 112.  203.  220;  Cartul.  de  Sauxil- 
langes  nr.  728. 

^)  CHOL  III,  nr.  2788 :  Montaniacus,  que  ex  hereditate  Golfaldi  avun- 
culi  nostri  ad  nos  pervenit;  923  schenkt  er  an  Sauxillanges  aliquid  ex  here- 
ditate meaj  hoc  estf  in  viUa  quae  dicitur  Montanniaco  sive  in  alio  Monta- 
niaco  minore  (Cartul.  de  Sauxillanges  nr.  728). 

*)  Nobilis  vir  nomine  Stephanus,  dessen  Eltern  Jterius  und  Ärsindis 
genannt  werden,  l^ommt  Dec.  955  im  Chartul.  S.  Theofr.  ed.  Chevallier  1888, 
c.  276,  p.  95  vor. 

^)  Die  drei  letzten  begegnen  Cartul.  de  Brioade  nr.  820. 

^)  Jotsaldi  praef.  ad  vitam  Odilonis;  Petri  Damiani  V.  S.  Odil.  c.  1 
(Bibl.  Clan,  col  315). 

^)  Vgl.  ausser  den  schon  angeführten  Urk.  der  Cartulare  von  St. 
Julien  und  Sauxillanges  CHCL  III,  nr.  1838.  2135.  2788. 

*)  Sie  Messen:  Stephan,  Ebo,  Beraldus,  Bertrann,  Wilhelm,  Eustorgius, 
dann  werden  zwei  flicterius  genannt;  möglicherweise  beruht  aber  die 
doppelte  Nennung  auf  Versehen. 


302 

gehören,  da  die  andern  wohl  sämmtlioh  am  vieles  früher  als 
er  starben*);  der  eine  Hieter  war  am  das  Jahr  990  bereits 
nicht  mehr  am  Leben.^)  Von  den  zwei  Schwestern  wählte 
Blismodis  den  geistlichen  Stand;  sie  ist  als  Aebtissin  fast 
hondertjährig  gestorben^),  die  andere  Adelgardis  ward  eine 
vornehme  Weltdame  4)  and  wahrscheinlich  an  einen  Herrn  von 
Solignac  verheiratet^);  sicher  ist  sie  nicht,  wie  man  vermutete <^), 
die  Gemahlin  des  Vicegrafen  Robert  I.  von  Aavergne  gewesen. '') 
Mit  dem  übrigen  aavergnatischen  Adel  stand  die  Familie  wohl 
in  engen  Beziehangen;  wir  finden  die  Söhne  Beralds  öfter  als 
Zeugen  in  Urkunden  aufgeführt,  welche  Ueberweisungen  von 
Besitz  in  der  Auvergne  an  Gluni  betrafen.^)  Auch  standen  sie 
selbnt  diesem  Kloster  kaum  fern,  dessen  Mönche  schon  992  ein 
Haus  in  Puy  besassen.^)  Gerade  mit  diesem  Bitum  finden  wir  die 
Mercoenrs  seitdem  in  enger  Verbindung;  Odiles  Bruder  Berald 
war  hier  erst  Decan,  dann  Propst  i^);  ein  Neffe  Stephan,  erst 

0  Es  geht  das  aus  CHOL  III,  2788  v.  1025  mit  ziemlicher  Sicherheit 
hervor.  Im  Febr.  1021  lebten  ausser  Odilo  Bertrandus,  Stephanus  und 
Ebo  noch ;  sie  Urkunden  pro  anima  fratHs  sui  Bcraldi  praepoaitij  für  die 
Abtei  St.-Chaffre,  ubi  sepultiis  est  idetn  BeraUlus,  id  est  in  nionasterio 
sancti  PetH  iuxta  sanctum  Hilariuniy  ^in  8td)urbio  Anicienai.  ChartuL  S. 
Theofredi  (ed.  U.  Chevallier  1888)  c.  382,  p.  134. 

»)  CHCL  II,  nr.  j  838. 

^)  Jots.  mon.  praef.;  man  wird  annehmen  können,  dass  sie  Aebtissin 
in  St.-Jean  d'Autun  war,  weil  hier  gerade  ihre  Mutter  ins  Kloster  trat. 

*)  Odilo  nennt  sie  in  GUCL  III,  nr.  2788:  Aldegardis  aecundum  sae- 
culum  nobilisaimae  matronae. 

»)  Im  Chron.  S.  Theofredi  (ed.  U.  Chevallier  1888)  c.  12,  p.  9  wird 
erzählt:  post  quem  dectus  a  fratribus  accepit  locum  regiminis  alter  Vuil- 
hertnuft,  ex  genere  nobili  de  Castro  Solemniaco  oriundus,  beati  Odüonis  ab- 
batis  Cluniacensis  ex  sorore  nepos.  Es  kann  sich  das  wohl  nur  auf 
Aldegardis  beziehen.  I^lobilis  matrona  Aldeardis,  Aldegardis  erscheinen 
im  Ghartul.  S.  Theofredi  c.  158.  174.  280,  die  aber  weder  untereinander, 
noch  mit  der  Schwester  Odilos  identisch  zu  sein  scheinen. 

")  Baluze,  Hist.  de  la  maison  d' Auvergne  I,  27. 

')  Vgl.  oben  S.  84  n.  4. 

^)  CHOL  in,  nr.  2179  u.  2305.  Freilich  kommen  dieselben  Namen 
in  der  Auvergne  sehr  häufig  vor. 

»)  III,  nr.  1926. 

^  Als  solcher  unterschreibt  er  CHCL  III,  nr.  2135.  2179;  in  2788  v. 
1025  wird  er  Aniciensis  ecclesiae  praeposittts  genannt;  993  erscheint  in 
Puy  ein  Beraldus  canonictis;  wohl  derselbe  vgl  Chron.  S.  .Petri  c.  418, 


303 

Propst,  dann  Bischof  dieser  Kirche  i);  ein  anderer  Hildegar  war 
Canonicns  in  Pay^)  und  später  begegnet  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Anverwandten,  die  geistliche  Aemter  und  Pfrttnden  hier 
in  Besitz  hatten.^)  Unfern  Puy  liegt  das  Collegiatstift  des 
hl.  Julian  zu  Brioude,  das  den  Herzogen  von  Aqnitanien  einst 
sehr  nahe  stand  4);  mit  Brioude  fanden  wir  schon  Odilos  Gross- 
vater und  Grossoheim  in  Beziehung  und  auch  hier,  an  dieser 
Kirche  sind  die  Mercoeurs  später  nicht  selten.^) 

Zu  Saint-Julien  ward  auch  unser  Odilo,  der  zum  geist- 
liehen Beruf  bestimmt  worden  war,  Gleriker;  dass  er  daneben 
einige  Pfrttnden,  wie  die  Abtwürde  im  weltlichen  Chor- 
herrenstift St  Evodius  zu  Puy<^)  und  an  der  Kirche  von 
Mäcon^)  genoss,  ist  durchaus  unbeweisbar.  Ein  frühreifer 
Mensch,  an  Kenntnissen  und  sittlicher  Tiefe  seinen  Alters- 
genossen voraus,  lebte  er  in  Brioude  von  seinen  Knabenjahren 
an,  bis  Abt  Majolus  einst  den  ebenso  schönen,  als  begabten 
jungen  Cleriker  kennen  lernte.^)  Es  war  vielleicht  die  Wirkung 
des  Eindruckes,  den  Odilo  von  dem  Abte  empfangen,  dass  er 
noch  als  Canonicus  die  den  Chorherren  einst  fllr  die  Bestattung 

p.  158.  Als  praeposittts  ist  er  nachzuweisen  1001  (Ghartul.  S.  Theofr. 
c.  154  p.  72)  —  1016,  31.  Jan.  (Chron.  S.  Petri  Anic.  c.  420,  p.  150). 

*)  1 025  ist  er  Aniciensis  aecclesiae  praeposittis :  Chron.  S.  Petri  Anic. 
(Bist,  de  Langued'oc  V,  21;  ed.  ü.  Chevallier  188S,  p.  160):  Stephanus  de 
Castro  viUgo  nuncupato  MercuHOf  nepos  beati  Odilonis  abbatü  Cluniacensis . . . 
starb  und  wurde  bestattet  in  La  Vouote,  qiiod  ipse  cum  beato  Odilone 
avunculo  8uo  in  propHa  construxerat  tellure;  vgl.  Mabillon,  Acta  SS,  VI, 
1, 554.  Stephan  folgte  sein  Neffe  Petrus  (Chron.  S.  Petri  Anic.  c.  424,  p.  161). 

>)  CHCL  III,  2788;  vgl.  Chart.  S.  Theofr.  a.  a.  0.;  Chron.  S.  Petri  Anic. 
c.  423  p.  161.  3)  Ringholz,  Der  hl.  Abt  Odilo  S.  3. 

*)  Vgl.  d'Achery,  Spicü.  111,  370. 

^)  Ringholz  a.  a.  0.  S.  3.  Auch  als  PrOpste  von  Sauxillanges  begeg- 
nen mehrere  Mercoeurs;  vgl.  Cucherat,  Cluny  au  onzieine  siede  1851,  p.  25; 
Gallia  Christ.  II,  675  ff.  »)  Gallia  Christ  II,  758  c.  988. 

^  Ringholz  S.  6  nach  Gall.  Chr.  IV,  1105.  Wenn  femer  R.  aus  der 
Stelle  des  Wahldecrets  Odilos :  beati  quidem  Petri  pridein  clericum  schliesst, 
dass  Odilos  die  Säcularabtei  Saint-Pierre  la  Tour  bei  Puy  besessen  habe, 
80  ist  für  clericum  jetzt  electvm  zu  lesen;  vgl.  CHCL  III,  nr.  1957.' 

")  Jost  V.  Odil.  I,  c.  2;  vgl.  Electio  domni  Odilonis  v.  9:  PatriMaiolo 
iunxit  8e  praeduce  Christo.  Ringholz  S.  6  nimmt  an ,  dass  erst  Wilhelm, 
dann  Miyolus  mit  Odilo  zusammentraf;  aber  da  wir  wissen,  dass  Majolus 
ohne  ihn  nach  Cluni  zurückkehrte,  wird  die  von  uns  vertretene  Auf- 
&SBnng  wahrscheinlicher. 


304 

seines  Bruders  Hieterias  ttberlassenen  Orundstlieke  in  der 
Auvergne  wieder  zartickerwarb,  um  sie  dem  Kloster  Clnni  mit 
der  Bestimmung  zu  übertragen,  dass  eine  Veränsserung  nur 
an  seine  Brüder  gestattet  sei.^)  Endlich  veranlasste  ein  Schüler 
des  Majolus,  Wilhelm  von  Dijon,  vielleicht  auf  des  Meisters 
Anregung  ihn  in  Cluni  selbst  die  Kutte  zu  nehmen.^)  Im 
Jahre  991  verliess  der  fast  dreissigjährige  die  Heimat') 

Ueber  seine  Thätigkeit  im  Kloster  wissen  wir  nicht  viel: 
er  war  der  erste  bei  der  Arbeit  und  verrichtete  die  niedrigsten 
Arbeiten,  besorgte  die  Lichter,  überwachte  die  kleinen  zur  Hut 
übergebenen  Kinder  und  fegte  den  Fussboden.*)  Dass  er  aber 
an  klösterlichen  Tugenden  und  persönlicher  Tüchtigkeit  die 
andern  übertroilen  hat,  vermag  man  daraus  zu  ersehen,  dass 
Mujolus,  als  er  zu  kränkeln  und  mit  Altersschwäche  zu  kämpfen 
begann,  ihn  bereits  nach  zwei  Jahren  zu  seinem  Substituten 
wählen  Hess;  es  geschah  das  wohl  schon  im  Laufe  des  Jahres 
992 ;  seit  dem  Frühjahr  993  erscheint  Odilo  fast  ausnahmslos 
als  Abt.^)  Der  officielle  Wahlakt,  an  welchem  auch  die  be- 
nachbarten   höheren    KirchenfUrsten    und    weltlichen    Grossen 

• 

teilnahmen,  fand  aber  erst  kurze  Zeit  vor  des  Majolus  Tode 
statt.  König  Rudolf  III.  von  Burgund  selbst,  Herzog  Heinrich 
und  sein  Stiefsohn  Otto  Wilhelm,  mehrere  Bischöfe,  hundert- 

^)  CHOL  III,  nr.  1838.  Die  Güter  lagen  in  patria  Arvemicaj  in  co- 
mitatu  BHvatensi,  in  vicai-ia  de  Aurato,  in  villa  quae  vocatur  Saraciacus. 

«)  Rod.  V.  Wiihelmi  c.  18. 

5)  Jots.  V.  Odil.  I,  c.  3. 

*)  Jota.  V.  Odil.  1,  c.  4  u.  Petri  Damiani  V.  Odil.  c.  1,  wo  erzählt  wird, 
dass  Majolus  vier  Jahre  darauf  starb;  danach  offenbar  Hugo  Flav.  zu  991 : 
Odilo  venu  ad  conversio^ieni  Cluniaci  et  quarto  anno  sanctus  Majolus  obiit. 
Dass  er  damals  gegen  30  Jahre  alt  war,  folgt  aus  Dam.  V.  Odil.  c.  30  u. 
Jots.  I,  c.  14. 

^)  Nach  Syri  V.  Maioli  zog  sich  Majolus  zwei  Jahre  vor  seinem  Tode 
von  den  Geschäften  völlig  zurück;  diesen  Zeitpunkt  haben  wir  auch  iür 
die  Wahl  Odilos  anzunehmen.  In  Urkunden  begegnet  dieser  bereits  ein- 
mal im  Juli  992  (CHOL  III,  nr.  1928),  einmal  in  einem  Diplom,  dessen 
Datum  zwischen  992  und  993  schwankt,  sonst  aber  bis  auf  wenige  Aus- 
nahmen, in  denen  Majolus  noch  auftritt,  vom  Mai  993  constant  Bruel 
meint,  dass  in  nr.  1928  in  der  Datierung  ein  Fehler  liege;  ich  denke,  dass 
die  Existenz  dieser  Urkunde  mit  der  Nachricht  des  Syrus  vortrefflich 
übereinstimmt.  Wenn  Ringholz  S.  7  Odilo  schon  991  Coadjutor  werden 
lässt,  so  ist  das  zu  früh. 


305 

siebenundsiebzig  Mönche  der  Congregation  von  Cluni  unter- 
zeichneten das  Decret^)  Wohl  am  selben  Tage  empfahl  Budolf 
die  Besitzungen  der  Abtei  den  Fürsten,  Richtern  und  Grafen 
des  Territoriums,  auf  dem  Cluni  lag,  so  viele  sich  in  seiner 
Umgebung  befanden.^)  Seit  dem  August  993  versah,  so  viel 
wir  sehen  können,  Odilo  die  Amtsgeschäfte  des  Abtes  ziemlich 
allein;  im  Februar  994  erschien  vor  ihm  und  andern  Brüdern 
in  Cluni  der  Cleriker  Majolus^)  der  auf  eine  Hufe  zu  Gunsten 
des  Klosters  Verzichtete,  dem  er  sie  streitig  gemacht  hatte,  und 
der  später  noch   einige  Mal  mit  den  Gerechtsamen  der  Abtei 


^)  Auf  diesen  offiziellen  Act  beziehen  sich  die  Angaben  der  Viten. 
Jots.  I,  c  4 :  instante  mortis  articulo;  Damiani  c.  1 :  Sed  antequam  humanitatis 
debittim  solveret,  proximus  tarnen  beatae  dormitionis  articultis  immineret, 
beatum  Odüonem  sibimet  in  pastoralis  officii  cura  substituit  Bestätigt 
wird  diese  Zeitansetzang  durch  das  Wahldecret  selbst,  welches  bereits 
von  Rudolph  III.  unterschrieben  und  also  nach  dem  1 9.  October  938  aus- 
gestellt ist.  Dieses  Schriftstück  (CHOL  III,  nr.  1957)  ist  wörtlich  Über- 
einstimmend mit  der  bei  des  Majolus  Wahl  ausgestellten  Urkunde.  Es 
erscheint  mir  dashalb  fraglich,  ob  man  die  Angaben  desselben  ohne  wei- 
teres für  Odilo  verwerten  darf,  so,  ob  man  die  Worte:  pridem  dectum 
fratrem .  . .  Odilonem  reeligimus  als  Bestätigung  für  die  Thatsache  heran- 
ziehen darf,  dass  bereits  längere  Zeit  vor  dem  offiziellen  Bestätigungsact 
die  eigentliche  Wahl  des  Gonvents  erfolgt  war.  Die  Urkunde  selbst  ist 
öfters  gedruckt:  d'Achery,  Spicil.  Ill,  379;  Origines  Guelf.  II,  nr.  62;  CHOL 
III,  1957  nach  einer  Copie  mit  wichtigen  Varianten.  Wenn  Ringholz  S.  10 
so  grossen  Wert  darauf  legt,  dass  Odilo  heftig  widerstrebend  nur  aus 
Gehorsam  die  Wahl  annahm,  so  beweist  der  Umstand,  dass  die  Urkunde 
genau  mit  der  des  Majolus  übereinstimmt,  dass  die  Weigerung  eine  rein 
Conventionelle  war,  was  auch  die  Consuetud.  Cluniac.  III,  c.  1  durchaus  be- 
stätigen. Von  demselben  Gesichtspunkte  aus  muss  die  Stelle  bei  Jotsald. : 
rductans  et  uUra  quam  credi  posset  invitiis  beurteilt  werden.  Man  vgl 
übrigens  die  Beispiele  Gregors  I.  und  Gregors  VII.  Wenn  die  Notwen- 
digkeit der  Weigerung  jetzt  von  mönchischer  Seite  wieder  betont  wird, 
so  hatte  das  einmal  seinen  Grund  in  der  vom  Mönche  geforderten  Demut; 
dann  aber  sollte  es  ein  Zeichen  dafür  sein,  dass  nicht  herrschsüchtige 
Interessen  dem  Mönche  etwa  die  Würde  als  erstrebenswert  erscheinen 
Hessen  und  dass  namentlich  keine  Simonie  bei  ihrer  Erlangung  obge- 
waltet hat. 

*)  CHOL  lü,  2276  undatiert;  dass  er  sich  an  die  PrincipeSj  iudices 
sive  rectores  comitatus  illius  et  regioniSj  in  qua  ilUid  monasterium  con- 
sistitj  quicunque  in  pi-aesentia  mea  estis,  wendet,  deutet  darauf  hin ,  dass 
die  Urkunde  damals  ausgestellt  war,  als  er  sich  in  Cluni  befand. 

»)  CHOL  III,  2241. 

S»okar,  Olajulftcenser.    I.  20 


306 

in  Gonflikt  geriet;  and  im  März  darauf  schloss  Odilo  als  Abt 
im  Namen  des  Klosters  einen  Tausch  ab.^) 

Er  war  nicht  besonders  gross,  aber  sein  Gesichtsansdruck 
voll  Würde  und  Milde,  Freundlich  gegen  seine  Freunde,  war 
er  doch  unerträglich  aufbrausend  gegen  Hochmut  und  Dünkel; 
seine  Augen  hatten  einen  wunderbaren  und  unheimlichen  Glanz 
und  waren  meist  mit  Thränen  gefüllt.  Er  war  bleich,  aber 
kräftig;  wenn  er  sprach,  entzückte  er  die  Zuhörer  durch  ein 
ungemein  weiches,  klangvolles  Organ.  Man  rühmte,  an  ihm 
sei  nichts  gemachtes,  nichts  affectirtes  gewesen:  in  inniger 
Harmonie  verschmolz  ihm  die  Natur  seine  äussere  Gestalt  und 
seine  Lebensführung.^)  Hatte  Majolus  Massigkeit  zu  seinem 
Princip,  und  die  allzu  asketisch  Gesinnten  für  Prahler  und 
Heuchler  erklärt,  überwiegt  bei  Majolus  ruhige  Versenkung  die 
Leidenschaftlichkeit  der  religiösen  Geftlhle,  so  finden  wir  bei 
Odilo  gerade  im  Gegenteil  eine  hochgradige  mystische  Schwär- 
merei. Seine  harten  Fasten,  seine  körperlichen  Kasteiungen,  sein 
eifriges  Psalmensingen  und  Beten  erinnert  an  die  religiösen 
Uebungen  der  lothringischen  Asketen.  Es  wird  von  ihm  be- 
richtet, dass  er  sich  zur  Erde  warf  bei  dem  Namen  der  Gottes- 
mutter, die  er  mit  glühender  Liebe  verehrte;  er  ward  auch  von 
Gott  der  Wunder  gewürdigt,  „damit  er,  der  in  den  Augen  des 
allmächtigen  Gottes  eine  brennende  Kerze,  vor  den  Menschen 
eine  leuchtende  werde".  Seine  Seufzer  und  Thränen  —  er 
weinte  viel  —  galten  für  ein  Geschenk  des  hl.  Geistes  und 
doch  wird  erzählt,  dass  er  in  allen  seinen  Handlungen  und  Be- 
fehlen das  rechte  Mass  nicht  überschritten  habe.^)  Den  Gegnern 
seiner  masslosen  Freigebigkeit,  erzählte  man  sich,  habe  er  ge- 
sagt: Bin  ich  zu  verdammen,  so  will  ich  doch  lieber  milde 
wegen  Mitleides,  als  grausam  wegen  Härte  gerichtet  werden.^) 
Man  kann  nicht  genug  seine  Freigebigkeit  gegen  Arme  und 
Fremde  rühmen. 

Nicht  lange  nach  der  Wahl,  am  11.  Mai  994  schloss,  wie  wir 
wissen,  Majolus  sein  an  Erfolgen  reiches  Leben.    Zu  Pfingsten, 

»)  CHOL  m,  nr.  2242. 

*)  Jots.  V.  OdU.  I,  c.  4.  5.  Eine  kurze  Schilderung  Odilos  bei  Greeven, 
Die  Wirksamkeit  der  Cluniacenser ,  Jenenser  Dissertation  1870,  S.  Uff., 
einer  ganz  wertlosen  Arbeit.         ')  Jots.  I,  c.  6 — 12;  Dam.  c.  1.  2. 

*)  Jots.  I,  c.  8 :  EgOf  inquitj  magis  volo  de  misericordia  misericorditei' 
ivdicaHj  qiuim  de  crudelitate  cntdeliter  damnari;  Dam.  1,  c.4;  Sigeb.  Chr.  993. 


307 

den  20.  Mai  empfing  Odilo  die  Weihe  i)  durch  den  Erzbischof 
Letald  von  Besangon,  mit  dessen  Kirche  das  Kloster  auch 
später  noch  in  enger  Beziehung  blieb.^) 

IL 

Wenig  später,  im  Herbst  994  trat  im  ganzen  Centnim  und 
Osten  Frankreichs  eine  furchtbare  Blatternepidemie  auf.  Die 
Krankheit,  die  allerwärts  als  eine  schwere  Strafe  Gottes  für 
die  Sünden  der  Menschen  angesehen  wurde,  wird  überall  gleich 
geschildert.  Die  Symptome  waren  eine  intensive  Röte  der  Haut, 
ein  unsichtbares  subcutanes  Feuer,  wie  man  sich  ausdrückte^), 
verbunden  mit  Lähmungen  der  Extremitäten.^)  Ausflüsse,  die 
einen  schauderhaften  Geruch  verbreiteten '^),  die  entsetzlichen 
Leiden  der  Befallenen,  die  ihrem  Angstgefühl  durch  herz- 
zerreissendes  Geschrei  Ausdruck  gaben,  der  Abscheu  der  Ge- 
sunden vor  dem  furchtbaren  Anblick  der  entstellten  Kran- 
ken <*),  die  überaus  schnelle  Verbreitung  der  Seuche ')  und  rasche 
Sterblichkeit^)  lassen  kaum  einen  Zweifel  darüber,  dass  wir 

»)  Chronol.  abb.  Cluniac,  Bibl.  Clun.  col.  1620;  Chron.  Wilhelmi  Go- 
delli  992  (HF  X,  620).  Ringholz  a.  a.  0.  p.  V  hat  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, dass  Letald  erst  damals  das  Wahldiplom  unterschrieb.  Was  Ring- 
holz p.  10  von  einer  nochmaligen  Wahl  Odüos  im  Beisein  des  Künigs 
Hugo  erzählt,  ist  ganz  unhaltbar.  Einmal  steht  davon  nichts  an  der  Stelle, 
auf  die  er  sich  beruft,  andererseits  findet  sie  sich  nur  in  dem  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  interpolirten  Codex  2  des  Ademar,  ist  also  überhaupt 
nicht  heranzuziehen. 

*)  CHOL  III,  2746.  ürk.  Walters  von  Besan^on :  quia  Cluniacensis 
coenobii  congregationem  speciali  nobis  famüiaritate  conjunctam,  in  qxian- 
Umi  po88umu8,  solaciari  congruum  dttcimuis. 

')  Transl.  S.  Martialis  lectio  I  (Beilage  VI):  subctUanew  ignis;  Ademar 
III,  c.  35:  invisibili  igni;  Rod.  Glab.  II,  c.  7:  ignis  scilicet  occuMus. 

*)  Transl.  S.  Mart.  a.  a.  0.;  Gonstantini  V.  Adalberonis  IL  c.  U. 

*)  Transl.  S.  Genulfi  HF  X,  361 :  vel  exustas  a  c<yi'porihu8  effluere 
partes  videre  miseriaj  verum  etiam  ex  ptärae  camis  foetore  res  intoleranda; 
ähnlich  Ademari  Sermo  I.  bei  Migne  141,  115. 

ö)  Transl.  S.  Genulfi  a.  a.  0.;  Ademari  Sermo  I.  a.  a.  0.;  'Sermo  II 
ebenda;  Ademari  bist.  III,  c.  35. 

^)  Gonstantini  V.  Adalb.  IL  c.  14;  Transl.  S.  Genulfi  a.  a.  0.;  Ademari 
Sermo  I  a.  a.  0. ;  in  einem  andern  ungedruckten  Sermo  Ademars  (Cod. 
Paris,  lat.  2469,  f.  87):  intereunte  tanta  multitudine  per  singulos  dies. 

^)  Rod.  Glaber  II;  c.  7:  plerosque  etiam  in  spatio  wnius  noctis  huius 
ignis  cansumsit  exustii. 

20* 


•« 


308 

es  mit  einer  schweren  Poekenepidemie  zu  thun  habend)  Von 
Bnrgund^),  der  Touraine^),  namentlich  aber  aus  Limousin*) 
haben  wir  Nachrichten.  In  dieser  Not  richtete  sich  der  Blick 
aller  zum  Himmel.  Da  menschliche  Kunst  sich  als  eitel  er- 
wies'^), suchte  man  an  den  Altären  und  bei  den  Reliquien  der 
Heiligen  Rettung.  Die  grossen  Wahlfahrtsorte  fttllten  sich  mit 
Pilgern.  Der  hl.  Majolus,  der  eben  erst  gestorben  war,  lockte 
zahlreiche  Scharen  zu  seinem  Grabe  nach  Souvigny«);  sie 
zogen  nach  Augsburg,  wo  der  hl.  Udalrich,  nach  Tours,  wo  der 
hl.  Martin  seine  alte  Wunderkraft  bewährte."^)  In  Limoges 
drängten  sich  die  Kranken,  weil  hier  St.  Martialis  bestattet 
war»);  aus  Burgund  wurden  sie  auf  Karren  und  auf  Stöcke 
gestützt  nach  dem  benachbarten  Lothringen  geschafft.^) 

Die  Seuche  trat  zu  einer  Zeit  auf,  als  in  den  kirchlichen 
Kreisen  die  heftigste  Entrtlstung  über  die  Gewaltthätigkeiten 
des  weltlichen  Rittertums  herrschte.  Landleute  und  Handel- 
treibende konnten  ohne  Gefahr  häufig  ihrem  lieruf  oder  Ge- 
werbe nicht  nachgehen.  Viehraub  auf  Wegen  und  Weiden 
stand  auf  der  Tagesordnung.  Fehden  und  Händel  des  Burg- 
adels schädigten  kirchlichen  Besitz  unaufhörlich.  Die  Un- 
sicherheit des  klösterlichen  und  kirchlichen  Eigentums  er- 
reichte damals  ihren  Höhepunkt.  Die  Stifter  hatten  sich  erst 
seit  kurzem  wieder  aus  ihrem  Ruin  erhoben  und  die  ab- 
handen gekommenen  Liegenschaften  nach  Kräften  wiederzu- 
gewinnen gesucht.  Lawinenartig  war  der  Grundbesitz  dann 
durch  Schenkungen  gewachsen,  noch  ehe  verständige  Wirt- 
schaftsmassregeln ihn  zu  schützen  vermochten.  Mit  der  Zu- 
nahme wuchs  die  Schwierigkeit  die  gesamroten  Liegenschäften 
zu  beaufsichtigen  und  nach  Möglichkeit  abzurunden.    Dazu  kam, 

*)  Vgl.  Zuelzer  s.  v.  Variola  in  Eulenborgs  Realencyclopaedie  der 
gesammten  Heilkunde  XX  (1890),  p.  606  ff. 

^)  V.  Adalberonis  II.  c.  14:  tn  Burgimdiae  cunctü  finibus;  vgl.  Rod. 
Glaber  a.  a.  0. 

^)  Letaldi  Mirac.  S.  Maximini  c.  48 :  Medio  fere  mense  augusto  ingens 
Ines  populum  Aurelianemem  devastare  coepit;  vgl.  Rod.  Glaber. 

*)  Aderaari  bist.  III,  c.35;  Ademars  Predigten;  Commemoratio  abb. 
S.  Martialis  bei  Labbe,  Nova  bibl.  manuscr.  II,  272;  Transl.  S.  Martialis 
(Beilage  VI);  Transl.  S.  Genulfi.  ß)  Vgl.  Letaldi  Mirac.  c.  49. 

«)  Vgl.  oben  S.  251.  ')  Rod.  Gl.  II,  c.  7. 

")  Transl.  S.  Martialis.  •)  Constantini  V.  Adalber.  II.  c.  14. 


309 

dass  im  Süden  Frankreiehs,  namentlich  in  der  Provence  nach 
Vertreibung  der  Sarrazenen  vielfach  eine  völlig  neue  Besitz- 
nahme und  Eintdlung  des  Gebietes  erfolgt  war.  Von  dem 
willkürlich  occupierten  Lande  war  sicher  vieles  in  klösterlichen 
Besitz  übergegangen.  Mochten  nun  etwa  alte  Ansprüche  auf 
geschenkten  Grundbesitz  hervorgesucht  oder  dem  Geber  die 
Berechtigung  der  Vergabung  bestritten  werden,  jedenfalls  war 
in  Zeiten,  in  denen  kaum  jemand  auf  alte  Rechte  mit  Sicher- 
heit verweisen  konnte,  Angriffen  und  Belästigungen  Thür  und 
Thor  geöffnet,  die  um  so  häufiger  und  drückender  wurden,  je 
öfker  das  schnelle  Anwachsen  klösterlichen  Besitzes  dazu  An- 
lass  gab. 

So  sehen  wir  im  ganzen  Süden  Frankreichs  die  Kirche 
energische  Massregeln  zum  Schutze  ihrer  Güter  ergreifen.  Mit 
Bann  und  Excommunikation  drohte  man  den  Friedensstörern. i) 
Mehrmals  mussten  die  bedrückten  Abteien  sich  mit  der  Bitte 
um  Schutz  nach  Rom  wenden  und  mehr  als  einmal  sehen  wir 
den  Papst  benachbarte  Bischöfe  oder  Grafen  zur  Verteidigung 
der  klösterlichen  Besitzungen  auffordern.^)  Aber  gerade  diese 
fortwährenden  Hilferufe  beweisen  am  besten,  dass  alle  Anstreng- 
ungen fruchtlos  waren.  Nur  ein  gemeinschaftliches  Vorgehen 
der  geschädigten  Kirchen  schien  hier  Erfolg  zu  versprechen. 

Zuerst  traten,  so  viel  wir  wissen,  eine  Anzahl  aquitanischer 
Bischöfe  zu  Charroux  im  Juni  989  gegen  diese  Frevler  mit  einer 
Verfluchung  aller  Kirchen-  und  Viehräuber,  die  den  Schaden 
nicht  ersetzten,  sowie  mit  der  Androhung  der  Excommunication 
gegen  diejenigen  auf,  welche  unbewaffnete  Diener  der  Kirche 
anfielen  und  nicht  nach  Verlangen  des  Bischofs  Busse  thäten.^) 
Eine  ähnliche  Versammlung  fand  damals  in  Narbonne  statt.^) 
Im  südöstlichen  Frankreich  vereinigten  sich  auf  Veranlassung 
des  Bischofs  Wido  von  Puy  im  Jahre  993*)  die  Bischöfe  von 

*)  Vgl.  den  Brief  Joh.  XIII  für  ChmiJ.-L.  3744;  ferner  Marion,  CartuL 
de  GrcDoble  nr.  25,  p.  59;  Gartul.  de  Sauxillanges  nr.  14,  p.  51; 

«)  Ringholz,  Der  hl.  Abt  Odile  S.  22. 

»)  Labbe,  Nova  bibl.  II,  764;  Mansi  XIX,  89.  Die  Namen  der  Bischöfe 
weisen  auf  989  —  990;  Delatio  S.  Juliani,  HF  X,  S6(K  Vgl.  A.  Kluckhohn, 
Geschichte  des  Gottesfriedens,  Leipzig  1857,  S.  16f.         *)  Mansi  XIX,  103. 

*)  Cartul.  de  Sauxillanges  nr.  15,  S.  52.  Die  Namen  der  genannten 
Bischöfe  weisen  auf  993:  videtites  maleficia,  que  inpopulo  cotidie  c^-escimt; 
vgl.  Kluckhohn  a.  a.  0.  S.  17. 


310 

Viviers,  Valence,  Clermont,  Toulouge,  Bodez,  LodÄves,  Glandöve, 
die  Erzbiechöfe  von  Vienne  und  Bourges,  sowie  andere  Kirchen- 
fUrsten  and  zahlreiche  vornehme  Laien  zn  Verboten  gegen 
räuberische  Ueberfälle  auf  Zugvieh,  Geistliche  und  Kaufleute, 
Occupation  von  Kirchengut,  Eindringen  in  die  Kirchen  selbst 
und  die  Begräbnisorte. 

Im  nächsten  Jahre  sassen  die  Erzbischöfe  von  Vienne, 
Lyon  und  Tarantaise  mit  den  Bischöfen  von  Autun,  Chalon, 
Mäcon,  Grenoble,  Valence,  Maurienne,  Aosta,  Usöz  in  der  Basi- 
lica  des  hl.  Romanus  von  Anse  auf  Lyoner  Gebiet  und  berieten 
über  Frieden  und  Sicherheit,  über  Glaubenssachen  und  Kirchen- 
zucht. Auch  hier  war  von  den  nichtswürdigen  Bedrückern  der 
Kirchen  die  Rede,  daneben  aber  von  dem  Leben  des  Clerus 
und  der  Laien.  Es  wurden  auch  eine  Reihe  von  Canones  er- 
lassen, die  den  Geistlichen  ihre  Pflichten  neu  einschärfen,  den 
Clerus  von  Jagd  und  Weiberumgang  zurückrufen  sollten,  und 
namentlich  eine  strengere  Sonntagsheiligung  bezweckten.^  Auch 
Achte  waren  zu  Anse  erschienen,  wie  Odilo  von  Cluni  mit  dem 
Prior  Vivian  und  Hugo  von  Savigny.^)    Wie  die  Canonici  von 


1)  CHGL  III,  nr.  2255.  Die  Canones  sind  der  Urkunde  für  Cluni  bei- 
gefügt: 1)  Nur  der  Priester  darf  das  Abendmahl  den  Kranken  reichen; 
2)  die  Hostie  ist  alle  Sonntage  zu  erneuem;  3)  man  soll  zu  den  Vigilien 
häufig  kommen  u.  s.  w.;  4)  kein  Cleriker  darf  zur  Jagd  gehen;  5)  die 
Priester  sollen  sich  des  Umganges  mit  Weibern  enthalten ;  6)  sonst  dürfen 
sie  kein  geistliches  Amt  verwalten  und  verlieren  sie  ihre  Kirchen;  7)  Ent- 
haltung von  Beschwörungen  u.  s.  w. ;  ■  8)  Sonnabend  darf  nach  den  Nonen 
nicht  gearbeitet  werden;  9)  Sonntag  darf  niemand  weder  etwas  kaufen 
noch  verkaufen  nisi  tantvm,  quod  in  die  manducet;  10)  am  Sonntag 
placitum  non  qtterat  neque  faciat;  11)  die  Laien  dürfen  Mittwoch  kein 
Fleisch  essen  und  müssen  Freitag  fasten.  An  diesen  Tagen  sollen  sie 
auch  die  Messe  hören. 

')  Giraud,  Cartul.  de  Bomans  nr.  1 1 :  in  synodali  conventu  anno  Domi- 
nicae  incam.  994.  —  Acta  8unt  hcc  in  basilica  S.  Romani  in  loco  qui  vocatur 
Ansa  vel  teiTitorio  Lugdiinensij  pvblice  in  coticilio  residentihua  prefatis 
pontificibtis  ecclesiae  ordinibus.  Es  heisst  hier;  inquietudinis  vero  defen- 
sante  a  malignis  et  importunis  homi7iibu8y  qui  sanctuaria  Dei  diripiuntf 
sicut  nunc  ccniimus  loca  per  2)lurinia  ecchsias  desolatas  et  pene  a  religione 
antiquis  patribus  exposita  dissolutaSj  instigante  hoc  ve7ito  cotUrario  .  . 
Sed  quoniam  mundi  approjnnquante  tertnino  jam  ianique  quasi  confecta 
senioj  a  status  sui  rectitudine  paulatim  non  omnmiodo  in  sc,  sed  in  quo- 
rumdam  improbis  filiomm  suorum  moribus  deflexa  .  .  Pi-eordinante  igitur 


311 

St.  Bernard,  so  bat  Odilo  am  Bestätigung  der  Elosterprivilegien. 
Er  zeigte,  welche  Bedrängnisse  Gluni  za  erleiden  habe.^)  Aas 
Verehrung  für  den  Apostel  Petras  and  den  kürzlich  verstorbenen 
Abt  Majolns,  wie  sie  aasdrücklich  bemerkten,  willfahrten  die 
Bischöfe  der  Bitte.  Niemand  solle  sich  anmassen,  die  Kirchen, 
Häuser  und  Keller  in  den  Flecken,  dessen  Herr  der  Abt  von 
Gloni  sei,  zu  berauben.  Kein  öffentlicher  Gerichts-  oder  Steuer- 
beamter, kein  Graf,  kein  Vasallen-  oder  Söldnerheer  soll  inner- 
halb des  Bnrgus  oder  in  der  Nähe  Befestigungen  anlegen. 
Keine  weltliche  oder  kriegerische  Macht,  noch  die  bei  Glani 
oder  Gharlieu  wohnenden  Leute  dürfen  im  Gasteil  oder  im 
Orte  Beute  machen  oder  Raub  an  Rindern,  Kühen,  Schweinen, 
Pferden  von  draussen  herein  oder  von  drinnen  herausschaffen, 
um  alle  Belästigungen  zu  vermeiden.  Freilich  war  auch  dieser 
Erlass  kaum  von  Erfolg  begleitet,  denn  auch  später  sehen  wir 
den  Abt  in  Sorge  um  die  Sicherheit  des  Besitzes. 

Im  westlichen  Aquitanien  hatte  die  Seuche,  welche  die  Ver- 
wirrung noch  erhöhte,  zu  weitergehenden  Massnahmen  geführt. 
Als  eine  wesentliche  Ursache  aller  Leiden  der  Kirche  und  des 
Volkes  musste  die  schrankenlose  Geltung  des  Faustrechtes  an- 
gesehen werden,  die  jedem  ermöglichte  mit  den  Waffen  sein 
Recht  zu  fordern  und  seine  Rache  zu  üben.  Es  wurde  sicher 
viel  gewonnen,  wenn  es  gelang,  das  Gewirr  von  Fehden  mit 
einem  Schlage  zu  zerhauen,  den  allgemeinen  Kampf  plötzlich 
zum  Stehen  zu  bringen  und  auf  Grundlage  eines  gemeinsamen 
Vertrages  der  beteiligten  Grossen  an  Stelle  des  Gewaltprincips 
dasjenige  des  Rechts  und  der  gesetzlichen  Entscheidung  zu 
erheben.  Diese  kühne  Aufgabe  übernahm  die  Kirche.  In 
Limoges  erliess  Bischof  Hilduin  nach  Beratung  mit  älteren 
und  angesehenen  Leuten,  namentlich  Herzog  Wilhelm  von 
Aquitanien  und  dem  Abte  Gosfried  von  St.  Martialis  Ein- 
ladungen zu  einem  aquitanisehen  Coneil.^)  Im  November  994 
versammelten  sich  nicht  nur  der  Metropolitan  und  seine  Suffra- 

et  favente  suhlimi  Arbitri  clenientiaj  nobis  de  eins  pace  et  sMilitate  atqtie 
doctrina  tractaniibus  etc.  Unter  den  Aebten  ist  als  erster  Odilo  ahhds 
Cluiiievms  ecclesiae  unterzeichnet. 

*)  CHCL  III,  nr.  2255:  quantis  qualibusque  prenicretur  angustiis  «eu 
iam  dictus  locus  Cluniensis  Hanctimmus  pretneretur  malis. 

^)  Ademari  hist.  III,  c.  35 ;  Commem.  abb.  Lemov.  bei  Labbe  a.  a.  0. 


312 

gane,  sondern  auch  andere  Kirchenftlrsten  erschienen  von  nah 
und  fern  mit  grossem  Gefolge,  dann  der  jugendliche  Graf  von 
Poitiers  mit  seinen  Vasallen,  endlich  die  Herzöge  von  Toulouse 
und  Bordeaux J)  Nach  dreitägigen  Fasten  und  Gebeten  erfolgte 
die  Translation  des  hl.  Martialis  auf  einen  Httgel  ausserhalb  der 
Stadt,  wo  die  mit  Gebrechen  Behafteten  oder  von  der  Seuche 
Ergriffenen  Heilung  oder  Linderung  ihrer  Leiden  fanden.^)  Auf 
der  Synode,  welche  die  Bischöfe  hier  abhielten,  wurden  kirch- 
liche Einrichtungen  getroffen,  namentlich  aber  die  in  Streit  und 
Fehde  liegenden  Grossen  zum  Frieden  geftthrt  und  der  Herzog  mit 
seinen  Vasallen  ausgesöhnt.  Durch  richterlichen  Spruch,  nicht 
durch  das  Schwert,  sollen  fortan  Streitigkeiten  entschieden 
werden.3)  Es  war  am  11.  November.^)  Diese  erste  Friedens- 
synode in  Aquitanien  machte  solches  Aufsehen,  dass  seither 
auch  in  andern  Städten  zur  Abhaltung  derartiger  Versamm- 
lungen geschritten  wurde.^)  So  kam  wenige  Jahre  später 
Poitiers  an  die  Reihe,  wo  der  Herzog  und  die  Grossen  des 
Landes  vor  den  Bischöfen  die  Wiederherstellung  des  Friedens 
in  der  Weise  zu  bewirken  gedachten,  dass  fortan  bei  Aufgabe 
jeder  Selbsthilfe  und  Selbstrache  alle  Streitigkeiten  von  zu- 
ständigen Gerichten  entschieden  werden  sollten.®) 

Somit  sehen  wir  im  letzten  Jahrzehnt  des  ersten  Jahr- 
tausends die  Bischöfe  des  ganzen  Westens  und  Südens  Frank- 
reichs in  reger  Reformthätigkeit.  Der  Weltclerus  zeigte  jetzt 
zuerst  wieder  eine  energische  Teilnahme  am  kirchlichen  und 
socialen  Leben. 


*)  Translatio  S.  Martialis  lectio  IV. 

*)  Sermo  I  u.  II  des  Ademar  von  Chabannes  bei  Migne  141. 

')  Adern,  bist.  III,  c.  35 :  pactumque  pacis  et  iustida  a  duce  et  prin- 
cipibiis  tncissim  foederata  est;  Sermo  I:  Ante  omnia  pacein  et  imtUiam 
observari  monebantj  ut  legis  docti  inter  tnrum  et  virum  qucreXas  iuste  fini- 
refU  et  oppressionibiis  pauperum  et  violentiis  rapacitatis  procul  exclusis, 
pax  et  amica  quies  in  regno  Äquita^iico  deinccps  pemimieret;  Trausl.  S. 
Mart.  lectio  VII:  Preterea  pontificali  collegio  consilitim  rite  peragente .  .  . 
queque  fiebant  adversa  fed4*re  solidariturf  dissidentes  ad  concordiam 
revocantwr. 

*)  Transl.  S.  Mart.  1.  VIII:  condlii  tertio  Idus  Novenibris  in  hoc  ci- 
vitate  .  .  .  competetiter  sanciti. 

»)  Transl.  S.  Mart.  1.  VIII. 

«)  Kluckbohn  S.  23;  HF  X,  586, 


313 

lieber  die  Thätigkeit  Odilos  in  den  ersten  Jahren  seiner 
AmtsfDhmng  sind  wir  nicht  besonders  unterrichtet  Nicht  lange 
nach  dem  Tode  seines  Vorgängers  empfing^  er  Hugo  Capet  ^), 
in  dessen  Umgebung  sich  Graf  Burchard  von  Corbeii  und  der 
Bischof  Rainald  von  Paris  befanden,  am  Grabe  des  Majolus; 
in  einer  im  Juli  995  ausgestellten  Urkunde  erhielt  Odilo  das 
Recht,  Münzen  mit  dem  Bilde  des  letzten  Abtes  zu  schlagen, 
sogenannte  Maillen,  die  beständige  Geltung  im  Gebiete  des 
Grafen  Archimbald  von  Bourbon,  der  Majolus  selbst  sehr 
zugetan  war,  haben  sollten.^)  Während  uns  ftir  das  Jahr  996 
sichere  Nachweise  seiner  Wirksamkeit  fehlen  -  es  ist  möglieh, 
dass  er  am  18.  November  dieses  Jahres  der  Weihe  des  Klosters 
Selz  im  Elsass  beiwohnte 3)  —  so  wissen  wir  doch,  dass  er 
im  Februar,  März  und  November  997  in  den  Geschäften  seiner 
Abtei  sich  bewegte.^)  Er  liegt  nahe  anzanehmen,  dass  er  sich 
Anfangs  der  Sicherstellung  des  Besitzstandes  seines  Klosters  und 
der  Dependenzen  desselben  gewidmet  habe.^)  Dann  aber  steht 
fest,  dass  er  Ende  997  oder  Anfang  des  folgenden  Jahres  zum 
ersten  Male  nach  der  lombardischen  Ebene  über  die  Alpen 
hinunterstieg.  Ehe  wir  jedoch  auf  seine  Beziehungen  zu  Otto  III. 
und  den  Päpsten  jener  Zeit  eingehen,  empfiehlt  es  sich,  die 
kirchlichen  Zustände  Italiens  um  die  Wende  des  Jahrhunderts 
kurz  zu  betrachten. 


»)  Odil.  V.  Maioli  (Bibl.  Clun.  col.  228);  Mirac.  S.  Maioli  II,  c.  3;  vgl. 
Ogerdias,  Bist,  de  St.  Mayol  1877,  p.  290 ff. 

')  Urk.  Hugos  V.  Juli  995,  HF  X,  565;  vgl.  v.  Kalckstein,  Capetinger 

I,  455;  Ogerdias  a.  a.  0.  p.  988  ff. 

^)  Er  giebt  davon  so  genaue  Nachrichten  im  £pit.  Adelh.  c.  10,  dass 
man  es  annehmen  möchte.  Auch  findet  sich  der  Todestag  des  Abtes 
Ek'ceman  von  Selz  im  Necrol.  Villar.,  eines  cluniacenslschen  Priorates,  ein- 
getragen. 

*)  CHCL  III,  nr.  2388.  2387.  2401. 

^)  So  nimmt  die  Abtei  Romainmoutier  gerade   vom   Anfange   des 

I I .  Jahrhunderts  an  einen  überraschenden  Aufschwung. 


Achtes  Capitel. 

Italienische  Reformbewegung, 

1.  Kirchliche  Zustände. 

Immer  noch  walteten  die  alten  Misstände  in  Italien, 
welche  die  Zeit  des  Provengalen  Hugo  benonders  bezeichnet 
hatten.  Noch  während  des  dritten  italienischen  Zuges  Ottos  I. 
finden  wir  zahlreiche  Städte  und  Kirchen  in  allen  Teilen  des 
Landes  in  Trümmern.  Nur  Ruinen  zeugten  damals  von  der 
entschwundenen  Bedeutung  von  Marsia  am  Fucinersee,  Amiter- 
num,  Cortona,  San  Vincenzo  am  Voltumo.^)  Durch  den  Kaiser 
selbst  und  ihm  nahestehende  Leute  wurden  Reliquien,  die 
grössten  Schätze  von  Kirchen  und  Klöstern,  der  Talisman,  von 
dem  häufig  ihre  Existenz  und  ihr  Ansehen  abhing,  über  die 
Alpen  gescha£Ft  Der  allgemeine  Aufschwung  der  kirchlichen 
Gesinnung  wurde  durch  solche  Massregeln  in  immer  weitere 
Ferne  gerückt.  In  späterer  Zeit  schrieb  man  den  Eingri£feQ 
der  Ottonen,  die  alle  Rechte  und  Befugnisse  an  sich  rissen,  sogar 
den  Ruin  der  italienischen  Kirche  zu.^)  Es  mochte  demgegen- 
über wenig  sagen,  wenn  Kaiser  Otto  auf  einer  im  April  967  ab- 
gehaltenen Synode  zu  Ravenna  Beschlüsse  fassen  liess,  welche 
den  verheirateten  Priestern  die  Wahl  stellten,  sich  entweder  von 


*)  Sigeberti  V.  Deoderici  c.  16;  vgl.  Dresdner,  Cultiir-  und  Sitten- 
gesell,  der  ital.  Geistlichkeit  S.  116fif.  Im  12.  Jahrhundert  schreibt  Gerhoh 
V.  Keichersberg,  Comm.  in  psal.  IX  (Migne  193,  759)  von  Rom:  Ipsa  enim 
civitatf  Borna  in  saecularibiuf  i^gum  CLedificivt  ita  cer^iitur  destructüf  tit  non 
tani  civitctSj  quam  civitatis  ruina  esse  appareat.  Vgl.  die  drastische  Schil- 
derung von  dem  elenden  Zustande  von  Kirchen  und  Klöstern  im  11.  Jahr- 
hundert in  Humberti  cardin.  adv.  simoniacos  II,  c.  35,  Libelli  de  lite  I,  184. 

«)  Vgl.  Humbert  a.  a.  0.  III,  c.  7. 11.  15.  . 


315 

ihren  Weibern  zu  scheiden  oder  ihr  Amt  niederzulegen  0,  und 
dass  endlieh  eine  Reiehsversammlung  zu  Verona  den  Söhnen 
von  Clerikem  jedes  weltliche  Amt,  wie  das  eines  Notars, 
Schultheissen,  Grafen  und  Richters  versagte.^)  Denn  oifenbar 
blieben  diese  Reformmassregeln  ohne  alle  Wirkung,  wie  auch 
weiterhin  Bischöfe,  Presbyter,  Diaconen,  Subdiaconen  und  die 
niederen  Grade  der  Geistlichkeit  in  der  Ehe  lebten.^) 

Die  Kirchenhörigen  drängten  jetzt  allgemein  den  geist- 
lichen Aemtern  zu,  offenbar  in  der  Voraussetzung,  dass  mit  den 
Weihen  eine  Befreiung  aus  dem  Hörigenstande  verbunden  sei.^) 
Heiratete,  wie  es  meist  geschah,  dieses  clericale  Proletariat,  das 
sieh  um  die  Bischofskirchen  scharte,  freie  Frauen,  so  erhob  es 
fttr  die  aus  diesen  Ehen  stammenden  Kinder  den  Anspruch  auf 
das  Erbrecht  der  Mutter  und  entzog  nicht  nur  zahlreiche  Leib- 
eigene, sondern  auch  Gttter,  die  ursprünglich  der  Kirche  ge- 
hörten, den  Bistümern.  Durch  diese  Praxis  verarmten  einige 
oberitalienische  Kirchen  geradezu  und  wurden  umsomehr  be- 
lastet, als  sie  sogar  genötigt  waren  Kirchendiener  um  Lohn  zu 
mieten.*) 

1)  Dttmmler,  Otto  der  Grosse  S.  418. 

•)  M.  G.  LL.  IV,  567-580;  DUmmler  S.  426. 

^)  Acta  concil.  Ticin.  b.  Mansi  XIX,  343  ff. ;  vgl.  Provana,  Studi  critici 
sovra  la  storia  d'Italia  ai  tempi  del  re  Ardoino,  Torino  1844,  nr.  18.  Urk. 
V.  1.  Nov.  1000  für  Leo  v.  Vercelli:  attdita  dilapidatione  mncti  EusMi  ab 
uxoratis  antecessorüms ;  namentlich  die  Chronik  des  Domcapitels  von 
Arezzo,  ed.  Bresslau,  N.  Arch.  V,  443  fif.  446;  vgl.  Dresdner  S.  309  fif. 

*)  Die  kirchlichen  Decrete  darüber  haben  sehr  geschwankt;  das  eine 
Mal  wird  die  Ordination  von  Leibeigenen  überhaupt  verboten  und  der 
wider  Willen  des  Herrn  erfolgten  Weihe  keine  liberirende  Wirkung  zu- 
geschrieben; andere  Stellen  schreiben  für  die,  welche  Cleriker  werden 
wollen,  Freilassung  vor;  daneben  begegnen  wieder  leibeigene  Cleriker: 
vgl  darüber  Hinschius,  Eirchenrecht  I,  33  nr.  3.  In  Verhältnissen  wie  den 
oben  geschilderten  wird  eben  die  Praxis  sehr  geschwankt  haben.  Da 
aber  die  Kirche  selbst  Herrin  der  zu  Geistlichen  geweihten  Leibeigenen 
war,  so  wird  sie  namentlich  später  daran  festgehalten  haben,  dass  die 
hörigen  Cleriker  in  der  Leibeigenschaft  blieben,  während  diese  sich  die 
gegenteilige  Auffassung  zu  eigen  machten. 

*)  Acta  concil.  Ticin.  a.  a.  0.:  otnnes  filii  servorum  ecclesiae  ad  cleri- 
catum  aspiratvt,  non  ut  deo  sei-viant,  sed  ut  scortati  cum  liberis  muUeribiut 
filii  eorum  de  famulatu  ecclesiae  cum  ovmi^rus  bonis  eccletfiae  raptis  quasi 
liberi  eaceant.  Sic  iam  nonnuüae  ecclesiae  pauperes  simt  in  familiiSy  quod 
iam  in  pretio  servientea  ecclesiarum  ministri  conducant,  et  in  annuam 


316 

Ein  zweiter  Uebelstand,  der  die  materiellen  Kräfte  von 
Kirchen  und  Klöstern  schwer  schädigte,  lag  darin,  dass  vom 
Ende  des  nennten  Jahrhunderts  an  die  ganze  folgende  Zeit  hin- 
durch Bischöfe  und  Aebte  in  steigender  Menge  Landbesitz  auf 
längere  Zeit  verpachteten. ^)  Die  Massregel  hatte  verschiedene 
Gründe.  Zu  der  Furcht  vor  dem  landsässigen  Adel  und  dem 
Bestreben  seine  Gunst  und  Unterstützung  zu  erwerben  2)  kam 
Geldmangel,  der  sich  um  so  bemerkbarer  machte,  als  die 
Restaurationen  der  Stiftsgebäude  und  Kirchen  grosse  Summen 
verschlangen,  ferner  aber  Mangel  an  Arbeitskräften,  um  die 
oft  ausgedehnten,  brachliegenden  Ländereien  bewirtschaften  zu 
können.^)  Vom  Standpunkte  einer  intensiven  Bewirtschaftung 
der  Liegenschaften  war  die  Vei^pachtung  derselben  eine  not- 


mercede  solvenda  transeant  necesaitatem.  Vgl.  die  Urkunde  bei  Provana 
nr.  18:  statuimits  quoque,  ut  amries  filii  vel  filie  clericmnim  et  familia  sandi 
Eusebii  in  servatione  ecclesiae  remaneant  neque  liberis  matriSj  si  clerico 
8U0  adhesitj  hiis  qui  7iati  fuerint,  prosint;  Decret.  Leos  v.  Vercelli  bei 
Ughelli  IV,  173  und  Provana  nr.  14. 

»)  Vgl.  namentlich  Karoli  IL  Capit  Pap.  (876,  Febr.)  c.  10,  Capit. 
reg.  Franc.  II,  102;  für  die  Zeit  Ottos  I.  Mittarelli,  Ann.  Camald.  I,  77; 
Dümmler,  Otto  d.  Gr.  S.  345  n.  4;  für  Otto  III.  die  Urkunden  flir  Mantua 
V.  15.  Oct.  997  bei  Muratori,  Antiq.  Ital.  II,  701;  f.  Arezzo  Stumpf,  Acta 
imp.  nr.  441,  p.  619  v.  12.  Juli  996;  für  Nonantula  v.  25.  März  997  ebenda, 
nr.  25Ü,  p.  348;  ftir  Cremona  v.  25.  März  1001,  nr.  258,  p.  359.  Namentlich 
das  Paveser  Decret  v.  20.  Sept.  998  bei  Muratori,  SS.  rer.  Ital.  II,  b,  496: 
dum  8id)diti  nohis  non  possunt  exhibere  obsequia.  Sehr  ergiebig  sind  die 
grossen  Chroniken  mittel-  und  unteritalischer  Klöster;  Chron.  Vultum. 
bei  Muratori  SS.  I,  b,  462 ff.;  Chron.  Casaur.  a.  a.  0.  II,  b,  835;  Leo  Ost.  11, 
c.  13;  ich  verweise  femer  auf  das  Registrum  Farfense;  einzelne  Urk.  f. 
Nonuntula  u.  San  Ambrogio  HPM  XIII,  1669.  1741;  Novara  und  Asti 
nPM  I,  361.  484.    Die  Verpachtungen  erfolgen  tiberall  meist  auf  29  Jahre. 

*)  Vgl.  Karoli  II.  Capit.  Pap.  c.  lü  a.  a.  0. 

^)  Chron.  Volturn.  a.  a.  0.  col.  489:  pro  restauratione  praedicti  wo- 
nasterii;  ebenda  col.  462:  Der  Abt  Johannes  ruft  im  Juli  982  die  Mönche 
zusammen  und  beriet:  quid  de  ipsas  terras  facere  deberemuSj  ut  si  liahe- 
retUHS  honiineSj  quia  mos  pro  convenientia  libellari  ordine  tolle^'e  deberet  et 
ad  (ndtum  perduceretj  darenius  eas  ipsi ;  Leo  Ost  II,  c.  13:  11t  et  ipsam 
eccksiam  a  barbaris  deatructam  restaurarent ,  et  terrae  in  circuitu  eins 
iuxta  terminos  statutos  excolerent;  vgl.  Chron.  Farf.  bei  Muratori  SS.  II, 
b,  395:  ad  melioratidum  ipsa^  res;  col.  397:  ad  custodiendum  et  lahorandum 
atque  meliorajidum  u.  s.  w.  Vgl.  die  interessanten  Aufzeichnungen  über 
die  wirthschaftliche  Bedeutung  der  Emphyteusen  zu  Anfang  des  2.  Buches 
des  Chron.  Farf.  a.  a.  0.  col.  413. 


317 

wendige  Massregel;  unverständig  war  sie  nur  im  Interesse  der 
Erhaltung  des  Kirchenbesitzes.  Denn  Bischöfe  und  Aebte  ver- 
loren so  zeitweise,  oft  auch  bei  Erbpachten  dauernd  die  Ver- 
fügung über  ihren  Besitz  und  seine  Erträge.  So  geschah  es, 
dass  die  Kirchen  verarmten  *)  und  vielfach  ihre  weltlichen  Ver- 
pflichtungen nicht  zu  erfüllen  im  Stande  waren  und  erklären 
mussten,  ihre  Güter  seien  in  fremden  Händen.  Nicht  weniger, 
als  durch  diese  Libellarverträge  war  durch  unvorteilhafte  Tausch- 
geschäfte seitens  gewissenloser  Kirchenvorsteher,  welche  augen- 
blickliche Bedürfnisse  zu  befriedigen  hatten,  eine  Menge  Kirchen- 
besitz verschleudert  worden.  Das  schlimmste  war,  dass  der 
Pacht-  oder  Lehenbesitz  schliesslich  soweit  von  den  Inhabern 
als  Eigentum  betrachtet  wurde,  dass  sie  sich  aller  Verpflicht- 
ungen gegen  die  betreffende  Kirche  lossagten  und  nach  Empfang 
des  Pachtcontracts  kaum  dazu  gebracht  werden  konnten,  den 
jährlichen  Zins  zu  zahlen.  Unaufhörliche  Streitigkeiten  und 
Processe,  unaufhörliche  Klagen  der  kirchlichen  Oberen  waren 
die  Folge.2) 

Die  Vernachlässigung  der  wirtschaftlichen  Angelegenheiten 
durch  die  Bischöfe,  die  Willkür,  mit  der  sie  mit  den  Kirchen- 
gütem  umsprangen,  fUhrte  dann  auch  zu  gewaltsamen  Mass- 
regeln gegen  die  Besitzungen  und  Einkünfte,  welche  zum  Unter- 
halt des  Domclerus  bestimmt  waren.^)  Bei  der  wachsenden  Armut 
der  Capitel  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  diese  sich  mitunter 


*)  Vgl.  Gerberti  epist.  2.  3.  12  ed.  Havet  p.  2.  8.  10. 

')  So  sehen  wir  z.  B.  in  Farfa  das  10.  Jahrhundert  hindurch  den 
^üssten  Teil  des  Klosterbesitzes  in  den  Händen  der  Erben  derjenigen, 
die  als  Precarei,  Lehen  oder  Einphyteuse  zeitweise  denselben  zur  Be- 
wirtschaftung oder  Niessbrauch  erhalten  hatten.  Schon  im  9.  Jahrhundert 
hatten  die  Fürsten  unvorteUhafte  Geschäfte  dieser  Art  einfach  für  ungültig 
erklärt.  (Vgl.  die  Urk.  Ludwigs  IL  v.  872  im  Reg.  Farf.  II,  11,  nr.  307; 
Karls  d.  Kahlen  v.  875  a.  a.  0.  nr.  318).  Auch  Otto  I.  hatte  bei  der  in 
Tnscien  herrschendou  Gewohnheit,  sich  den  Verpflichtungen  gegen  die 
Kirche  zu  entziehen,  alle  Gutsvergabungen  ausser  an  ackerbauende  Colo- 
nisten  untersagt;  vgl.  Urkunde  Ottos  I.  f.  Arezzo,  Dümmler,  Otto  d.  Gr. 
S.  345  n.  4;  von  Otto  III.  wörtlich  wiederholt  am  12.  Juli  996,  Stumpf,  Acta 
imp.  nr.  441,  p.  619.  Vgl.  die  Ausführungen  Hurabcrts  adv.  simon.  II, 
C.36,  Lib.  I,  184  der  überall  da  Simonie  sieht. 

")  So  hatten  die  Canonikor  v.  Arezzo  neben  andern  Benefizien  den 
vierten  Teil  ihrer  Einkünfte  eingebttsst;  vgl.  Chron.  des  Domcap.  v.  Arezzo 
a.  a.  0. 


318 

auch  anflösten,  die  geistlichen  Aemter  und  Pflichten  zeitweise 
ruhten.*)  Auf  der  andern  Seite  kam  es  wieder  vor,  dass  Priester, 
Diaconen  und  die  übrigen  Diener  der  Kirche  ihre  Einkünfte 
und  die  Oblationen  derselben  nicht  gemeinsam  besassen  und 
zu  geistlichen  Zwecken  verwendeten,  sondern  dass  sie  die 
Beute  gierig  teilten,  in  ihre  Privathäuser  schleppten  und  mit 
ihren  Freunden  oder  Weibern  davon  lebten.^)  Mit  der  Sorge 
um  den  persönlichen  Unterhalt  war  natürlich  eine  immer 
weiter  umsichgreifende  Verweltlichung  notwendig  verbunden.^) 
Allmählich  machte  sich  begreiflicherweise  unter  dem  Dom- 
clerus  eine  gegen  die  Bischöfe  gerichtete  Strömung  geltend, 
so  in  Arezzo,  Lucca,  Pisa,  wo  man  sich  bemühte,  den  bischöf- 
lichen Einfluss  auf  die  Verwaltung  des  Pfründengutes  zurück- 
zudrängen.*) In  der  That  fand  später  Arduin  von  Ivrea  bei 
seinen  Angriffen  gegen  die  oberitalischeu  Bischöfe  auch  im 
höheren  Kathedralderus  Anknüpfungspunkte.^) 


')  Chron.  v.  Arezzo  a.  a.  0.  vgl.  die  Urk.  d.  Bisch.  Peter  v.  Novara 
V.  7.  Jan.  1007  in  IIPM  I,  363. 

^)  Vgl.  die  Urk.  des  Bischofs  Johann  v.  Cesena  v.  2.  Juni  1042  bei 
Fantuzzi,  Monuui.  Raven.  VI,  24:  adolevit  enim  in  nostra  ecclesia  tarn  prava 
consuettido,  ut  sacerdotes  et  diaconij  ceterique  ecclesiastici  stipendia  stia  et 
ecclesiae  oblationes  non  conimuniter  possiderent  etc. 

')  Vgl.  die  Urk.  des  Bisch.  Peter  v.  Novara  a.  a.  0. 

*)  Man  sieht  das  deutlich  aus  den  Urk.  Ottos  III.  für  die  Canoniker 
von  Arezzo,  Lncca,  Pisa  bei  Stampf,  Acta  imp.  nr.  444.  446.  447.  In  einer 
Sjrnode  von  Verona  v.  23.  Nov.  995  beklagte  sich  Bischof  Otbert  v.  Verona 
über  die  Canoniker  von  St.  Maria  Antiqua  und  St.  Margareta:  quia  ipsi 
secundum  canonicam  traditionem  et  antiqtuim  consuetudinem  filio  ohedire 
vetarent,  ita  ut  nee  ad  sinodtmif  nee  ad  proeessionem  ipsius  venire  veUent 
nee  illud  obsen^are  qtu>d  ceteri  tituli  de  eadem  civitate  faciunt  bei  Muratori 
Antiq.  V,  1003;  es  werden  Schenkungen  an  Canonikercollegiate  gemacht 
und  dabei  Beunruhigungen  seitens  der  Bischöfe  ausdrücklich  zurückge- 
wiesen, so  für  S.  Alessandro  in  Bergamo  HPM  XIII,  nr.  840  u.  850  Nov. 
987  nnd  Oct.  989. 

^)  Von  der  Verceilenser  Kirche  neben  dem  Subdiacon  Agadus  der 
Archidiacon  Giselbert  und  der  Archipresbyter  Cunibert;  vgl.  die  Urk. 
Ottos  III.  V.  999  bei  Provana  nr.  15,  S.  348.  Cunibert  ist  jedenfalls  der 
spätere  Kanzler  König  Arduins  v.  Febr.  1002,  Provana  app.  nr.  27;  St 
1839;  Löwenfeld,  Leo  v.  Vercelli  S.  21.  —  Cunibert  ist  als  archipresbyter 
et  prepositus  von  Vercelli  nachzuweisen  HPM  I,  301  vom  19.  April  996; 
Giselbert  als  archipresbyter  am  4.  Sept.  996  HPM  I,  807. 


319 

Die  Stellnng  eiDzelner  Bischöfe  wurde  noch  von  einer 
andern  Seite  erschwert  Schon  zur  Zeit  des  Königs  Hugo 
werden  in  Oberitalien  Aftervasallen,  Valvassoren,  erwähnt, 
welche  Gttter  der  grossen  Kirchenvasallen  zu  Lehen  hatten, 
deren  Unabhängigkeitsbestrebnngen  die  Könige,  die  nacheinan- 
der um  die  Herrschaft  des  Landes  rangen,  sich  gegen  die 
Grossen  bedienten,  und  die  um  so  leichter  geneigt  waren,  den 
Versprechungen  eines  aufstrebenden  und  eroberungssüchtigen 
Mannes  Gehör  zu  leisten,  als  ihnen  Freiheit  von  ihren  bis- 
herigen Herren  in  Aussicht  gestellt  wurde.')  Die  deutsche 
Eroberung  unter  Otto  L  scheint  vorläufig  diese  Erhebangsge- 
Ittste  unterdrückt  zu  haben,  bis  unter  Otto  HL  die  Bewegung 
von  neuem  in  Fluss  kam,  als  Arduin  sich  an  die  Spitze  dieser 
kirchlichen  zweiten  Vasallen  stellte  und  mit  ihnen  die  Bischöfe 
von  Ivrea  und  Vercelli  angriiF.^) 

Neben  dem  Domclerus  und  dem  Lohnkriegertum  kam  die 
bereits  kräftig  aufstrebende  Bevölkerung  der  Bischofsitze  in 
Gegensatz  zu  dem  Episcopat.^)  Sie  erhob  Ansprüche  auf 
gesteigerte  Verkehrsfreiheit  und  drängte  mächtig  gegen  die 
Schranken,  welche  ihre  sociale  und  rechtliche  Stellung  ein- 
engten. In  verschiedenen  norditalischen  Städten  lässt  sich 
diese  Freiheitsbewegung  verfolgen.  In  Mailand  rief  das  harte 
und  übermütige  Regiment  des  Erzbischofs  Landnlf,  der  schon 
unter  dem  Widerspruch  des  ganzen  Clerus  nur  mit  Hilfe 
des  väterlichen  Goldes  sein  hohes  Amt  erlangt  hatte,  den 
heftigsten  Widerstand  der  Bürger  hervor.*)    In  Cremona  währte 


»)  Vgl.  Schultz,  Atto  V.  Vercelli,  Göttinger  Diss.,  S.  36  u.  76.  Doch 
möchte  ich  das,  was  Atto  allgemein  den  Fürsten  zuschreibt,  nicht  speciell 
auf  Hugo  allein  beziehen,  wie  Schultz  S.  86.  lieber  die  Existenz  von 
Aftervasallen  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts  vgl.  auch  Liutpr.  Antapod. 
II,  c.  62. 

>)  Allocntio  episc.  Ippored.  ad  plebem  bei  Provana  nr.  9,  p.  340;  nr.  13, 
p.  344:  episcopos  crebra  et  impia  vexatione  concussisse  atque  a  propriia 
civitatibus  expulissej  secundos  vero  milites  pene  oninea  in  periurii  crimen 
atrociter  coegisse;  nr.  1 6,  p.  352. 

^)  Vgl.  Roboletti,  Delle  pergamene  e  de!  carte  di  Cremona  avanti  il 
Mille,  Miscelhin.  di  storia  ital.  I,  p.  534—548;  St.  1075— -1077. 

*)  Amulfi  Gesta  Hediol.l,c.  10:  ünde  cives  indignati  tma  esse  coniurati 
stfvnxerunt.  Inde  civilis  aeditio  ae  partium  est  facta  divisio;  vgl.  Landnlfi 
hist  Hediol.  II,  c.  17. 


820 

Jahre  lang  der  Streit  zwischen  dem  Bisehofe  and  der  Bürger- 
schaft, welche  die  freie  Poschiflffart  flir  ihren  Handel  forderte.*) 
In  Ravenna  erhob  sich  ebenfalls  gegen  Ende  des  Jahrhunderts 
ein  Aufstand,  zn  dessen  Unterdrückung  der  Kaiser  seinen  Kanzler 
Heribert  absandte.^)  Daher  fand  Arduin  auch  in  den  Kreisen  der 
Bürgerschaft  Anhänger  bei  seinen  Unternehmungen  gegen  lom- 
bardische KirchenfÜrsten.3)  Mit  dem  Kampf  um  politische  Rechte 
ging  hier  und  da  ein  Bestreben,  gewisse  Fesseln  des  Glaubens 
und  der  Religion  abzustreifen  Hand  in  Hand.  Es  ist  eine 
Zeit  mächtiger  geistiger  Bewegung.  Die  Schöpfungsgeschichte 
der  Bibel  und  die  christlichen  Dogmen  werden  bestritten. 
Man  bekämpft  den  Wert  der  Sacramente  und  die  gesammte 
kirchliche  Hierarchie,  und  schliesslich  wendet  sich  diese  Auf- 
lehnung gegen  jede  kirchliche  Autorität  vor  allem  gegen  die 
Bischöfe.^)  Einen  wesentlichen  Einfluss  auf  diese  oder  ähn- 
liche materialistische  Lehren  muss  man  sicher  bereits  dem 
Geist  der  Antike  zuschreiben.*) 

Nirgends  verschieben  sich  nun  aber  die  Rechtsverhältnisse 
so  sehr  zu  Gunsten  der  Bischofskirchen,  als  bier  unter  der 
deutschen  Herrschaft.  Da  der  oberitalische  Adel,  die  Mark- 
grafen und  Grafen,  die  grossen  Familien,  so  die  Este  mit 
iliren  Seitenlinien  derselben  wenig  geneigt  waren  und  einen 
nationalen    Standpunkt   vertraten,    so    suchten   die   deutschen 

^)  Vgl.  Handloiko,  Die  lombardischon  Städte  unter  der  Herrschaft  der 
Bischöfe  und  die  Entstehung  der  Gommunen,  Berlin  1883,  8.  100  ff. 

*)  V.  Ileriberti  c.  5. 

3)  In  dei  Proscriptionsliste  fUr  Vercelli  Werden  genannt  die  iudices 
Hermann  und  Giselbert,  offenbar  Vorsteher  der  Bürgerschaft;  vgl.  Hegel, 
Gesch.  der  Städteverfassung  in  Italien  II,  98. 

*)  Vgl  die  ActaSynodi  Attrebat.  v.  1025  bei  Migne,  142,  1269  ff.  Dem 
Bischof  Gerard  von  Gambrai  wird  gemeldet:  qiwsdam  ab  Italiae  finibus 
viros  eo  loci  advenisse,  qui  . .  Sie  erklären :  se  esse  auditores  Gundidfi 
cuiusdam  ab  Italiae  pa/t'tibus  viri ;  Rod.  Glaber  III,  c.  8 :  Fertur  namque 
a  midiere  quadam  ex  Italia  procedente  hec  insanissima  heresis  in  GalUis 
habuisse  exordium.  Mit  Unrecht  leugnet  Pfister,  Etudes  sur  le  regne  de 
Robert  le  Pieux  p.  326  den  italienischen  Ursprung  der  manichäischen 
Ketzereien;  Rod.  Glaber  IV,  c.  2;  Landulfi  bist.  Mediol.  II,  c.  27.  Vgl. 
Feiice  Focco,  L'eresia  nel  medio  evo,  Firenze  1884,  S.  108  u.  112. 

^)  Rod.  Glaber  III,  c.  12:  Dictaque  poetarum  per  omnia  credenda 
esse  asserebat .  . .  Flures  etiam  per  Italiam  tunc  huius  pestiferi  dogmatis 
sunt  reperti. 


321 

Kaiser  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  die  Maeht  und 
die  Selbständigkeit  der  Bischöfe  zn  stärken J)  Man  gewährt 
ihnen  bald  ganze  Grafschaften'^),  bald  die  gesamte  Gerichts- 
barkeit innerhalb  der  Stadt.*^)  Man  gewährt  ihnen  hier  das 
Recht,  Rechtssachen  der  kirchlichen  Hintersassen  mit  gleicher 
Rechtskraft  wie  in  den  öffentlichen  Gerichten  zu  entschei- 
den^), dort  Reiehsgerichtsbarkeit  und  die  Functionen  könig- 
licher Missi^),  Exemtionen  aus  der  gräflichen  Jurisdiction^)  und, 
wenn  diese  nicht  völlig  ausgeschlossen  war,  so  doch  gleiche 
Rechte  mit  den  Grafen.  Steuern,  Zölle,  Märkte  werden  ihnen 
bewilligt")  und  dadurch  die  alleinige  Einwirkung  des  Episcopats 
auf  immer  weitere  Kreise  ausgedehnt.  Die  Hauptsache  war, 
dass  die  oberitalienischen  Biscbofssttthle  fast  durchweg  deutsehe 
Geistliche  bestiegen,  welche  dem  germanischen  Einfluss  auf 
allen  Lebensgebieten  die  Herrschaft  sicherten.^) 

Namentlich  Otto  IH.  verfolgte  deutlich  das  Princip,  sich 
der  Bischöfe  gegen  die  widerstrebenden  Gewalten  anzunehmen 
und  ihre  Stellung  zur  Abwehr  derselben  zu  stärken.  Ein  neuer 
Geist  schien  Macht  über  einen  Teil  der  Bischöfe  zu  gewinnen, 
die,  weit  entfernt  von  der  gleichgültigen  Haltung  ihrer  Vor- 
gänger, sich  jetzt  ihrer  Pflichten  zu  besinnen  begannen. 
Bischof  Leo  von  Vercelli  liess   sich  von  Otto  HL  ein  Privileg 


^)  Das  Motiv  geht  namentlicb  aus  Provana  app.  nr.  1 6  hervor :  Et  ut 
constantiam  fidelia  nostH  constanter  remuneraremuSf  ut  ceteri  promptiwea 
ad  obsequium  nostrum  consurgant. 

')  Vercelli  und  S.  Agathe  an  Vercelli,  Provana  nr.  16;  Vicenza  an  den 
Bischof  V.  V.,  Ficker,  Forsch,  z.  Reichs-  und  Rechtsgesch.  Italiens  I,  270; 
Romagna  an  Ravenna  bestätigt,  Ficker  I,  251.  Vgl.  die  Urk.  Ottos  III. 
V.  22.  Nov.  1001  für  Ravenna  bei  I^ibniz,  Ann.  imp.  III,  785. 

>)  Vgl.  fUr  Ivrea  Provana  nr.  17,  p.  354:  omnem  eiusdem  civitatis  di- 
strictum  et  publicam  functionem;  f.  Asti  992  HPM  I,  289;  vgl.  Hegel,  Ge- 
schichte der  Stüdteverfassung  in  Italien  II,  72fif;  Handloike,  Lombard. 
Städte  S.  29  ff. 

*)  Priv.  f.  Lodi  v.  975,  Ficker  I,  2S2.  Was  Handloike  S.  126  ff.  gegen 
die  Echtheit  der  Urkunde  vorgebracht  hat,  hat  mich  nicht  völlig  Überzeugt. 

^)  Zahlreiche  Beispiele  fttr  Parma,  Asti,  Lodi,  Lucca,  Novara,  Reggio 
bei  Ficker  U,  15. 

•)  So  für  Cremona,  Ficker  U,  28. 

^  Handloike  S.  1—39. 

")  Höfler,  Die  deutschen  Päpste  I;  Ricci,  Storia  dell'  architeUnra  in 
Italia  I,  363. 

SAoknri  ClnnUoenser.    I.  21 


322 

ausstellen,  das  die  ZnrückfUhrang  der  freigewordenen  Kinder 
leibeigener  Cleriker  in  die  Knechtschaft  der  Kirche  und  die 
Aufhebung  der  früheren  der  Kirche  ungünstigen  Tauschge- 
schäfte aussprach,  eine  Verordnung,  die  anderwärts  bereits 
früher  erlassen  worden  war.  Mehrfach  gingen  die  verarmten 
Domcapitel  den  Kaiser  mit  der  Bitte  um  Bestätigung  ihres 
Besitzes  an  und  die  Bischöfe  selbst  versuchten  jetzt  durch  ge- 
ordnetere Verwaltung  den  Bedürfnissen  ihrer  Cleriker  ent- 
gegenzukommen und  die  früher  genossenen  Einkünfte  ihnen 
von  neuem  zu  erschliessenJ)  Sie  fingen  wieder  an  mit  dem 
Diöcesanclerns^)  oder  in  gemeinsamen  Zusammenkünften  über 
kirchliche  Fragen  zu  beraten.^)  Man  revidierte  die  Einnahmen, 
restaurirte  Türme,  Castelle,  Stadtmauern,  Kirchen,  zahlreiche 
verfallene  Bauten  4);  man  durchmusterte  auch  wieder  Biblio- 
theken und  Kirchenschätze,  um  dieselben  durch  neue  An- 
schaffungen zu  ergänzen  und  zu  bereichern.^) 

Unermüdlich  ist  namentlich  der  deutsche  Herrscher  um 
Wiedergewinn  verlorenen  Kirchenbesitzes  und  Wiederherstellung 
der  alten  Zustände  bedacht.  Mitunter  auf  seine  Anregung 
werden  von  den  Bischöfen  jetzt  wieder  Klöster  neu  gegründet 
und  reformiert.    Aber  auch  sonst  begannen   die  Bischöfe  dem 


')  Vgl.  die  Chron.  v.  Arezzo  und  die  zahlreichen  Urk.,  die  Otto  III. 
für  das  Domcapitel  ausstellte;  Urk.  des  Bischofs  Keginfred  v.  Bergamo 
bei  Ughelli,  Italia  sacra  IV,  437;  Urk.  Peters  v.  Novara  HPM  I,  3G3. 

*)  Vgl.  die  Urk.  Keglnfreds  v.  Bergamo  a.  a.  0. :  Dum  solita  priortmi 
conmietwline  in  S.  Vineentii  matris  ecclesiae  choro  domnus  Regiyifredua 
reverendissirmis  episcopus  resldei-et,  de  rectitudine  et  statu  ecclesiae  dispu- 
taret;  Urk.  Arnulfs  v.  Mailand  v.  7.  Febr.  993  in  HPM  I,  1541:  Dum  .  .  . 
domnvs  Ämulfus  metropolita  clemetiti4i8imus  in  caminata  stia  resideret  et 
de  ecclesie  sue  statu  ac  regimine  pertractaret ;  Aufzeichnung  bei  Besly, 
Bist,  des  comtes  de  Poitou  S.  325 :  Dum . . .  Landulfus  Taurintnsis  eccle- 
siae episcopus  vener ahilis  in  Lodevi  episcopatu  residens  de  statu  suae 
ecclesiae  .  .  .  cogitare  coepit. 

8)  Rod.  Glaber  III,  c.  3 :  Tunc  igitur  temporis  in  Italia  .  .  plerique 
episcoporum  nonnulla  inter  se  de  diversis  questionibus  habucre  synodorum 
conciliabula. 

*)  Urk.  Landulfs  von  Turin  von  1037,  HPM  I,  514.  Am  Ende  des 
13.  Bandes  finden  sich  mehrere  Giiterverzeichnisse  und  Inventare  oberital. 
Kirchen  aus  dem  10.  Jahrhundert 

*)  Verzeichnis  des  Bischofs  Odalrich  von  Cremona  HPM  XIII,  1442, 
nr.  825  von  984. 


323 

Klosterwesen  wieder  ihre  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  In 
Cremona  erhob  sich  durch  Bischof  Odalrich  ein  Kloster  des 
hl.  Laurentius'),  durch  Bemard  von  Savona  St.  Eugenius.^)  In 
Genua  grttndete  Bischof  Johann  IL  bei  der  Kirche  St.  Syrus 
ein  Benedictinerstift^);  in  Mailand  Erzbischof  Landulf  S.  Celso.^) 
Die  Bischöfe  von  Modena  und  Piacenza,  Johann  und  Siegfried 
blieben  nicht  zurück.  Ersterer  errichtete  die  Abtei  St.  Peter*), 
letzterer  auf  Anregung  Ottos  III  St  Sabinus.^)  In  Parma 
stiftete  Bischof  Siegfried  die  Johannesabtei,  die  einzige  in 
episcopalen  Kreisen  gegründete  Abtei,  bei  der  cluniacensischer 
Einfluss  erkennbar  ist.'')  Neben  diesen  Neugrttndungen  er- 
folgten auch  Kestaurationen  bestehender  und  verfallener  Stifter 
stets  unter  der  Gunst  des  jugendlichen  Kaisers. 

Blieb  nun  auch,  wie  es  scheint,  diese  bischöfliche  Thätig- 
keit  fbr  das  Klosterwesen  in  Oberitalien  ohne  weitere  Wirkungen 
nach  aussen  hin,  so  hatte  doch  immerhin  erfreulicher  Weise 
kirchliche  Gesinnung  auch  hier  ihren  Einzug  gehalten.  Die 
religiöse  Bewegung  aber,  welche  diese  Zeit  Italiens  besonders 
charakterisiert,  ging  von  ganz  andern  Kreisen  aus  und  mied, 
zügellos  und  subjectiv  im  höchsten  Grade,  die  in  hierarchischer 
Abgeschlossenheit  und  MachtfUlle  dastehenden  Episcopate  der 
Lombardei,  wo  die  Herrschaft  der  Bischöfe  freieren  und  regel- 
loseren Strömungen  nicht  günstig  war. 


2.  Die  Eremiten. 

Gegen  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  erhob  sich  in  der  Be- 
völkerung Italiens  ein  ganz  eigener  religiöser  Geist;  er  kam  spät, 
aber  in  der  Glut  der  seelischen  Wiedererneuerung  flammte  er 
lebhafter  auf,  als  wir  in  Frankreich  und  selbst  in  Lothringen 


>)  ürk.  V.  31.  Mai  990  bei  Muratori,  Antiq.  II,  268;  HPM  XIII,  1501; 
vgl  Gialini,  Memorie  di  Milane  U,  15. 

«)  ügheUi,  Italfa  sacra  IV,  732.  «)  Ughelü  IV,  842. 

«)  GiuliDi  II,  431;  vgl.  Milane,  L'antica  badia  di  S.  Celso  in  MUano 
im  Archivio  storico  ser.  2,  1888,  p.  351. 

(^)  998,  Muratori,  Antiq.  I,  1019. 

•)  Urk.  Ottos  IIL  V.  7.  Nov.  1000  bei  Stumpf,  Acta  imp.  III,  nr.  257: 
monasterium,  qttod  nostro  impulaUf  noatro  favore  suffragioque  fundare  et 
ab  imis  construere  cepit  n.  s.  w.  '')  Vgl.  oben  S.  235. 

21* 


3^4 

beobachtet  haben,  wo  die  Reformbewegung  zwar  einen  aske- 
tischen Charakter  trägt,  aber  die  von  ihr  beseelten  Gemüter 
doch  unter  der  Regel  St  Benedicts  vereinigt.  In  Italien  knüpfte 
man  an  den  Orient  an  nnd  begann  den  hl  Hilarion,  das  Urbild 
der  Eremiten,  nachzuahmen.  Nilns^)  and  Romuald^)  lasen  die 
Lebensbeschreibungen  der  griechischen  Väter  und  wurden  ihre 
Jünger.  Auf  einem  Esel  durchzog  der  armenische  Eremit 
Symeon  nach  einer  Pilgerfahrt  zum  hl.  Lande  Italien,  wo  er 
überall  durch  sein  seltsames  Aeussere  und  seine  Wunderthaten 
Aufsehen  erregte.  Allenthalben  strömte  das  Volk  zusammen; 
andere  Pilger  schlössen  sich  ihm  an.  Von  Rom  durchzog  er 
über  Pisa  und  Lucca  das  nördliche  Italien;  über  Vercelli,  Turin 
durch  das  Thal  von  Susa  betrat  er  französischen  Boden,  betete 
dann  bei  St.  Jacobus  in  Galizien,  setzte  nach  England  über, 
um  endlich  nach  seiner  Rückkehr  sich  in  einem  Kloster  bei 
Mantua  der  strengsten  Askese  hinzugeben.  Er  erlangte  hier 
bereits  hohes  Ansehen  beim  Markgrafen  Bonifaz  und  seiner 
Gemahlin  Richilde.^)  In  der  Nachahmung  Christi  ging  er  so 
weit,  dass  er  am  Charfreitage  stets  unter  Thränen  nach  Sonnen- 
untergang den  schärfsten  Essig  trank  und  die  Zeit  bis  zum 
Ostersonntag  ruhe-  und  schlaflos  in  Trauer  und  Klagen  ver- 
brachte.^) Dieselbe  Ruhelosigkeit,  dasselbe  Predigen  und 
Wunderthun  finden  wir  auch  anderweitig.  Der  hl.  Dominicus 
von  Foligno,  der  erst  auf  einem  Berggipfel  in  einer  Klause 
sass,  wo  er  bald  in  den  Geruch  der  Heiligkeit  kam,  errichtete 
auf  Veranlassung  des  Markgrafen  Hubert  von  Tuscien  St.  Sal- 
vator  in  Scandrilia,  bezog  dann  auf  dem  Monte  Pizi  mit  einem 
Mönch  Johannes  einen  niedrigen  Turm,  in  dem  er  eine  Zeit 
lang  seinen  Meditationen  nachging,  bis  er  auch  von  dort  ver- 
scheucht wurde  und  auf  Veranlassung  einiger  campanischen 

»)  V.  S.  Nili  (Acta  SS.  Boll.  Sept.  VII)  §  2:  "Hydna  yag  äel  rwv  aylütv 
naxBQixiv  Tovg  ßiovq  ix  vsod-rjtog  avrov",  AvtcdvIov  (pti^l  öi],  Saßßa  ze  xal 
^IXaglwvog  etc.;  vgl.  §§  15.  47. 

^)  Vgl.  Brunonis  V. quinque  fratrum  c.  2,  SS.  XV,  718:  Hie . . .  BomaMus 
primus  nostrorum  temporum  non  propria  presumtionej  sed  secundum  CoUa- 
tiones  patrum  hereniitarum  per  pvlchra  sublimia  humilitate  magna  vivit 
et  quae  est  recta  via  nos  instfuxit;  V.  Romualdi  c.  12.  80. 

>)  Er  war  der  Sohn  des  Markgrafen  Tedald,  Richiide  die  Tochter 
des  Pfalzgrafen  und  Grafen  von  Piacenza  Giselbert. 

*)  V.  S.  Symeonis  bei  Mablllon,  Acta  SS.  VI,  1. 


325 

und  spoletinischen  Grafen  mehrere  Klöster  gründete.  >)  Er  erhob 
namentlich  zn  Trifalto  in  der  Campagna  seine  Stimme  vor  dem 
Volke,  das  noch  niehtswllrdige,  wohl  heidnische  Gebräuche  und 
unerlaubte  Ehen  bewahrte.^)  Ueberall  sammelten  sich  grosse 
Menschenmassen  um  diese  herumziehenden  Prediger  und 
Wundermänner,  um  jene  Anachoreten,  die  jahrelang  fern  von 
menschlichem  Getriebe  von  Baumwurzeln  und  Früchten  lebten, 
wie  ein  gewisser  Venerius,  der,  als  man  ihn  entdeckt  und  mit 
Lebensmitteln  beschenkt  hatte,  diese  an  Viehhirten  und  arme 
Leute  verteilte.^)  Am  wunderbarsten  kam  diese  seelische  Un- 
ruhe in  Komuald  zum  Vorschein. 

Der  Herzogsfamilie  von  Ravenna  entsprossen  und  unter 
den  Versuchungen  eines  weltlich-vornehmen  Lebens  aufge- 
wachsen, zeigte  er  früh  einen  Hang  zur  Beschaulichkeit,  und 
ein  geheimes  Verlangen  nach  einem  einsamen  Leben  befiel 
ihn  schon,  wenn  er  auf  der  Jagd  durch  die  Wälder  streifte. 
Derselbe  dunkle  Trieb,  dasselbe  mystische  Streben  nach  voller 
seelischer  Befriedigung,  die  er  stets  vergeblich  suchte,  führte 
ihn  dann  sein  ganzes  Leben  hindurch  von  Ort  zu  Ort.  Er 
nahm  zuerst  die  Kutte  in  San  ApoUinare  in  Classe,  als  sein 
Vater  Sergius  eine  Blutschuld  auf  sich  geladen  ^),  dann  zog  es 
ihn  in  die  Einsiedelei;  bald  hier,  bald  dahin  setzte  er  seinen 
Wanderstab.  In  der  ersten  Zeit  wurde  er  vielfach  vom  Teufel 
heimgesucht,  der  ihm  immer  vor  die  Seele   stellte,   was   er 


^)  Im  Gebiet  von  Velva  die  Abtei  St.  Peter  de  lacu ;  im  Gebiet  von 
Sangro:  St.  Peter  de  Avellana;  von  Sora:  St.  Maria.  Die  drei  Grafen  sind 
Beraldua,  Theodinus,  Handisus.  (V.  Domin.  c.  11.)  Der  Sohn  Beralds 
Rainald  v.  Marsicanum  stiftete  am  1.  Februar  1000  bei  Celle  im  Gebiet  von 
GarsoH  ein  Kloster  der  hl.  Jungfrau.  (Vgl.  Leo  Ost.  II,  c.  23;  die  Urk.  bei 
Gattnla,  Access,  p.  101.)  Rainald  zog  nach  Leo  11,  c.  10  zuerst  mit  den 
Grafen  Trasmundus  und  Qderisius  aliein  vor  Capua.  Mit  Oderisius  möchte 
ich  den  erwähnten  Randisus  identificiren.  Oderisius  als  Graf  v.  Marsi- 
canum und  Graf  Tendinus  v.  Rieti  treten  in  Farfeser  Urkunden  der  Zeit 
auf.  Teudinus  sitzt  in  territorio  EecUino  zu  Gericht.  Nov.  982  bei  Ficker, 
Forsch.  IV,  p.  46,  nr.  33;  ebenda  nr.  30,  p.  42:  Teudinus  comes  . . .  BainaU 
dum  comitem  et  Banduisium  germanos  fratres. 

')  V.  S.  Dominici  c.  17:  Post  haec  in  Campaniam  ad  locum,  qui  Tri- 
fäUus  dicituTf  per  reveUxtionevn  profectus  a  nefariis  muUis  eiusdem  loci 
accolas  et  db  iUicitis  praesertim  coniugiis  sua  praedicatione  convertit. 

s)  y.  S.  Romualdi  c.  24  (Petri  Damiani  Opp.  ed.  Gaietani  II,  447). 

*)  V.  S.  Romualdi  c.  1. 


326 

anfgegeben  und  was  er  im  Leben  hätte  erreichen  könnend) 
Oft  setzten  sich  die  bösen  Geister  yne  schwarze  Raben  und 
Geier  neben  ihn,  oft  in  Gestalt  von  Aethiopen  und  verschiedenen 
Tieren.^)  Hart  und  voller  Entsagung  war  das  Leben,  das  er 
in  den  Sümpfen  bei  Classe^)  and  in  Gatalonien  führte,  wo  er 
eine  Zeit  lang  mit  seinem  Lehrer  Marinas  von  Venetien  beim 
Kloster  S.  Michel  de  Gusan  lebte.^)  Streng  hielt  er  die  Schüler, 
die  sich  um  ihn  scharten.^)  Er  pflegte  ihnen  ein  geweihtes 
Brot,  einen  geweihten  Apfel  oder  dergleichen  Dinge  zu  geben, 
denen  dann  heilkräftige  Wirkungen  zugeschrieben  wurden.^)  Die 
Brüder  lebten  in  vereinzelt  liegenden  Gellen  und  Wohnungen, 
einige  von  ihnen  hinter  verrammelten  Thüren,  eingesargt,  wie 
Tote.  Sie*  gingen  wohl  in  der  Regel  barfuss,  ungepflegt  und 
bleich.  Wein  kannte  Niemand.'^)  Aber  sie  assen  zusammen 
und,  wenn  Romuald  in  einem  dieser  Stifter  erschien,  kam  er 
zur  Mahlzeit  und  nahm  wohl  ein  Gericht.  Nur  zur  Fastenzeit 
verliess  er  seine  Gelle  gar  nicht. ^)  Er  selbst  hatte  zwei  oder 
drei  Röcke,  die  er  alle  Monat  wechselte;  niemals  aber  wurden 
sie  gewaschen,  sondern  nur  dem  Regen  ausgesetzt.^)  In  der 
Regel  erfolgten  die  Klostergrttndungen  folgeudermassen:  hatte 
Romuald  einen  zur  Ansiedelung  geeigneten  Ort  gefunden  —  er 
kletterte  zu  dem  Zweck  oft  tagelang  in  den  Gebirgen  umher 
—  wobei  hauptsächlich  auf  Wassemähe,  Fruchtbarkeit  des 
Bodens,  Wald  und  Berge  geachtet  wurde  *^),  dann  blieb  er 
meist  nicht  lange  allein.  Rasch  sammelten  sich  Jünger  um 
ihn;  waren  ihrer  genügend,  so  gab  er  ihnen  einen  seiner 
Schüler  zum  Abt  und  setzte  seinen  Wanderstab  weiter.**)  In 
einzelne  Gellen  wurden  die  Neubekehrten  verteilt  Lagen 
diese  Ansiedelungen  in  der  Nähe  der  Küste,  so  beschäftigten 


0  V.Rom,  c.  7.  «)  ib.  c.  16.  17. 

')  ib.  c.  4.  *)  ib.  c.öflf. 

»)  ib.  c  26. 

*)  V.  Romualdi  c.  88:  Habebat  autem  vir  sanctus  huiusmodi  consue- 
tudifiem,  utj  ai  quando  fratres  in  viam  dirigerety  benedictum  iUis  Hve 
panenij  sive  pomum,  seu  quodcumque  alitid  daret. 

')  Was  Petrus  Damiani  V.  Rom.  c.  64  speciell  von  Sitrio  erzählt, 
wird  man  wohl  verallgemeinern  dürfen. 

«)  V.  Rom.  c.  97.  »)  ib.  c.  52. 

")  Vgl.  ib.  c.  85.  >')  ib.  c.  49.  64. 


327 

sieh  die  Eremiten  mit  Flechten  von  Körben  und  Netzen.^) 
Sie  Sassen  meist  im  Gebiet  von  Ravenna  and  im  Apennin;  in 
der  späteren  Zeit  seines  Lebens  begünstigte  Romaald  offenbar 
die  Gebirgsgegenden;  es  seheint,  dass  er  der  Luft  des  Apennins 
den  Vorzug  gab  vor  den  giftigen  Dünsten  des  Sumpflandes.^) 
So  siedelte  er  sich  in  Bagno  im  Gebiet  von  Sassina  an,  wo  er 
in  der  Nähe  seiner  Celle  das  Michaelskloster  stiftete,  dann 
lebte  er  eine  Zeitlang  nicht  weit  von  Caria  im  Apennin  im 
Herzogtum  Urbino.  In  Bifurci  hatten  sich  bereits  Eremiten 
niedergelassen,  die  sich  mehrfach  an  Romuald  mit  der  Bitte 
um  Weisungen  für  den  Kampf  mit  den  Dämonen  wandten 
und  die  Romuald  auch  besuchte.^)  Er  lebte  dann  im  Gebiet 
von  Camerino  in  Val  di  Castro^),  stiffcete  in  Esino  und  Ascoli 
Klöster^)  und  entliess  von  dem  ersteren  Zöglinge  nach  Orvieto.*) 
Auch  in  Tuscien  unweit  der  Burg  des  späteren  Markgrafen 
Rayner  führte  er  eine  Zeitlang  sein  Klausnerleben,  zog  nach 
Aqua  bella  im  Apennin  und  von  da  nach  dem  Monte  Sitrio, 
um  da  zu  leben.  Sitrio  und  Val  di  Gastro  scheint  er  in 
seinen  letzten  Lebensjahren  am  meisten  bewohnt  zu  haben. 
Aber  nirgends  hatte  er  Ruhe.  Bald  da  bald  dort  tauchte  er 
auf.  Mit  seinen  Klöstern  stand  er  nicht  immer  gut^);  meist 
befriedigte  ihn  die  Strenge  der  Aebte  nicht  Seine  Eremiten- 
eongregationen  gewannen  beständig  an  Boden.  Im  Exarchat, 
an  den  Küsten  und  auf  den  Inseln,  in  den  Tälern  und  auf  den 
Bergen  des  Apennin  konnte  man  die  kleinen  einzeln  stehenden 
Häuschen  Zelten  gleich  ausgebreitet  sehen.^) 

In.  Romuald  hatte  die  Welt-  und  Menschenverachtung  ihren 
höchsten  Grad  erreicht.  Einer  seiner  Schüler  sagt,  er  habe 
mit  Absicht  den  Menschen  immer  zu  missfallen  gesucht,  indem 


^)  V.  Rom.  c.  26 :  Faciebant  autein  omnes  opera  manuum,  alii  scilicet 
cockaria,  alii  nebantj  alii  retia  nectebant, 

')  Ueber  die  ungesunde  Luft  in  diesen  Gegenden  vgl.  auch  Brun.  V. 
qoinque  fratrum  c.  3,  SS.  XV,  720. 

>)  V.  Rom.  c.  32.  *)  ib.  c.  35. 

»)  ib.  c.  89.  fl)  ib.  c.  37. 

')  ib.  c.  27.  45.  49.  100. 

")  Auch  Rod.  Glaber  hist.  III,  c.  1  bemerkt:  accipieyUea  solitanum 
quendam  indutum  monachali  habitu,  quibus  etiam  Italia  plurimum 
abundat. 


328 

er  sich  dann  für  gross  nnd  erhaben  hielt.^)  Mit  seiner  grenzen- 
losen Menschenverachtung  ging  seine  Selbstsehätznng  Hand  in 
Hand.  Er  war  ein  Einsiedler  nicht  nur,  indem  er  sieh  leiblich 
von  der  Menge  fernhielt,  er  betrachtete  sich  anch  als  etwas 
anderes  im  Geiste  und  hatte  zn  den  andern  Menschen  keine 
geistigen  Beziehungen.  Wir  sehen  ihn  daher  mitunter  sogar 
in  offenem  Streit  mit  seinen  Klöstern.^)  Das  bemerkenswerteste 
war  doch,  dass  ein  Manu,  wie  er,  nicht  nur  im  Volke,  sondern 
auch  an  den  Fttrstenhöfen  gewaltige  Wirkungen  hervorrief. 
Der  Markgraf  Rayner  von  Tuscien  soll  bemerkt  haben:  kein 
Kaiser  könne  ihm  solche  Furcht  einflössen,  als  Romualds  An- 
blick.^) Er  erschien,  wo  er  auftrat,  wie  der  Engel  des  Gerichts, 
und  wie  er  aus  den  Sümpfen  von  Comachio  geschwollen  und 
ohne  Haare  mit  grünlicher  Hautfarbe  heraufstiegt),  muss  er 
einen  erschreckenden  Eindruck  gemacht  haben.  Auf  seine 
und  des  Marinus  Entscheidung  entfloh  der  schuldbeladene 
Pier  Orseolo  I.  von  Venedig  mit  Johannes  Gradenicus  aus  der 
Lagunenstadt,  um  im  Kloster  Saint-Michel  de  Gusan  sein  Leben 
zu  beschUessen^);  auf  Romualds  Forderung  hüllte  der  blut- 
befleckte Graf  Oliba  sich  in  Monte  Cassino  ins  Mönchsgewand.®) 
Es  hatte  den  Anschein,  als  wolle  er  die  ganze  Welt  in  eine 
Klause  verwandeln,  als  wolle  er  alles  Volk  zum  Mönchlästande 
bekehren.') 

Die  Eremitagen,  die  Romuald  einrichtete,  hatten  zwar 
meist  in  Mittelitalien,  in  der  Gegend  von  Ravenna  und  in 
Tuscien,  Spoleto  und  Camerino  ihre  Sitze,  doch  war  schon 
sein  Lehrer  Marinus  nach  Apulien  vorgedrungen,  wo  er  allein 
in  einer  Klause  lebte,  bis  Sarrazenen  ihn  erschlugen.  Romuald 
und  seine  Schule  waren  dann  öfter  mit  Monte  Cassino  in  Be- 
rührung gekommen.^)  Im  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  finden 
wir  in  Apulien  auch  ein  Kloster,  welches  Auachoreten  seiner 


>)  V.  qn.  fr.  c.  2 :  Qui  Bonialdus  .  . .  hoc  mirabile  in  suis  moribus 
habuity  quod  displicere  hominibtts  per  Studium  querebatj  tunc  se  maffnum 
existimans  etc. 

«)  Vgl.  V.  Rom.  c.  49.  ^)  ib.  c.  40. 

*)  V.  Rom.  c.  20. 

*)  ib.  c.  9;  Brun.  V.  qu.  fr.  c.  2,  SS.  XV,  717.  «)  V.  Rom.  c.  11. 

')  V.  Rom.  c.  37 :  ut  putaretur  totum  munduni  in  erenium  velle  con^ 
vertere  et  monachico  ordini  omnem  populi  muUitudinem  sociare, 

»)  Brun.  V.  qu.  fr.  c.  2,  SS.  XV,  717;  Leo  Ost.  II,  c.  18. 


329 

Lehre  bewohnt  zn  haben  scheinen,  unter  einem  Abt  Joseph.^) 
Weit  bedeutender  fttr  den  Sttden  Italiens  war  jedoch  der 
hl.  Nilus,  ein  Grieche  von  Rossano,  der  ebenfalls  nacheinander 
an  verschiedenen  Orten  Unteritaliens  ansässig  war.  Er  lebte 
lange  in  einer  Einsiedelei  in  der  Nähe  seiner  Vaterstadt, 
nachdem  er  eine  Zeit  lang  dem  hl.  Nazarius  als  Mönch  gedient 
hatte  2),  den  härtesten  Selbstpeinigungen  und  Entbehrungen 
hingegeben.')  Seine  Kleidung  bestand  aus  einem  Sack  aus 
Ziegenfell;  er  hatte  deren  zwei,  die  er  jährlich  wechselte.^) 
Nahm  das  Ungeziefer,  das  sich  dort  sammelte,  zu  sehr  überhand, 
so  legte  er  das  Fell  in  einen  Ameisenhaufen.  Als  Gurt  trug  er 
einen  Strick,  den  er  jährlich  nur  einmal  löste.  Als  er  einst 
—  in  späterer  Zeit  bereits  —  mit  einem  Fuchsbalg,  den  er 
am  Wege  gefunden,  um  den  Kopf,  den  Mantel  auf  dem  Stock 
über  der  Schulter  nach  Bossano  kam,  liefen  ihm  die  Strassen- 
jungen  nach,  warfen  ihn  mit  Steinen  und  riefen:  Ein  Bulgar!, 
andere:  Ein  Franke!,  noch  andere:  Ein  Armenier!^)  Er  hatte 
kein  Bett,  keinen  Stuhl;  als  Tisch  diente  ihm  ein  Stein  mit 
einer  Platte.  Seine  Wohnung  bestand  in  .einer  Höhle,  seine 
Nahrung  aus  Brot  und  Wasser,  höchstens  gekochtem  Gemüse, 
ans  Feldfrüchten,  wenn  es  solche  gab.  Neben  Psalmensingen, 
Beten,  Fasten  und  Wachen  beschäftigten  ihn  Abschriften.^) 
Da  er  keine  Tinte  hatte,  schrieb  er  mit  einem  Holzgriffel  in 
Wachs.  In  Rom  kaufte  er  Bücher'');  als  er  später  einen  Ge- 
fährten bekam,  schickte  er  ihn  einst  nach  Rossano,  um  Perga- 
ment zu  beschaffen.^)  Innerhalb  zwölf  Tagen  schrieb  er  einmal 
drei  Psalter.®)  Die  griechischen  Väter  kannte  er  vortrefflich. 
Von  den  Sarrazenen  wurde  er  öfter  verscheucht;  endlich  ver- 
liess  er  vor  ihnen  den  Ort  für  immer  und  siedelte  sich  bei  einem 
Heiligtum  St.  Hadrian  an  i^);  immer  mehr  Gefährten  sammelten 
sich  um  ihn;  er  gab  ihnen  einen  Abt  und  beschäftigte  sich 


*)  Ordo  Farf.,  prol.,  SS.  XI,  545:  ex  discipulis  domni  Romualdij  no- 
mine Johannes ;  p.  546  wird  dann  bemerkt,  dass  er  in  monasterio  suo  svb 
i'eligiosissifni  abbatia  Joseph  sanctorumque  piissime  monachortim  Apuli 
catervae  lebte.  Die  Beziehungen  der  Cluniacenser  können  wir  erst  im 
Zusammenbang  mit  den  einzelnen  Ereignissen  behandeln. 

»)  V.  S.  Nil!  §  5,  Acta  SS.  Bell.  Sept.  VII,  264. 

>)  ib.  S  15ff.  *)  §  17.  *)  §  41.  •)  §  18.  ')  §  19. 

■)  §  32.  »)  §  21.  >o)  §  86. 


330 

mit  Ansroden  von  Wäldern  und  Urbarmachen  von  Ackerland. 
In  der  ganzen  Gegend  war  der  seltsame  Asket  eine  mit  scheuer 
Ehrfurcht  betrachtete  Persönlichkeit  Er  trat  mit  den  hohen 
griechischen  Beamten  der  Provinz  in  Berührung.  Der  kaiser- 
liche Statthalter  Eupraxios  Hess  sich  von  ihm  die  Tonsur 
geben  1),  und  vor  der  Rache  seines  Nachfolgers  Nicophorus 
rettete  er  die  aufständischen  Bewohner  von  Bossano.^)  Er 
allein  durfte  von  der  ganzen  griechischen  Geistlichkeit,  die  den 
kaiserlichen  Beamten  auf  ihren  Reisen  entgegenkommen  und 
huldigen  musste,  es  wagen  fem  zu  bleiben.^)  Als  endlich 
Anfang  der  achtziger  Jahre  die  Sarrazenen  ganz  Galabrien  be- 
drängten, zog  er  es  vor,  im  Jahre  981  auf  römischen  Boden  in 
das  Gebiet  von  Capua  überzusiedeln.*)  Durch  Vermittelung 
des  fürstlichen  Hauses  erhielt  er  auf  casinatischem  Besitz  die 
Abtei  St.  Michael  in  Vallaluca,  die  er  mit  seinen  Brüdern 
bezog. ^)  Von  ihrer  Hände  Arbeit  lebend,  befolgten  sie  die 
Regel  des  hl.  Basilius,  welche  die  des  hl.  Benedict  an  Strenge 
übertraf  und  unter  den  Griechen  viele  Anhänger  zählte.  Die 
Verehrung,  die  Nilus  hier  genoss,  war  allgemein:  ein  neuer 
Stern  schien  mit  ihm  aufzugehen;  zahlreiche  Jünger  seharten 
sich  um  ihn,  wie  um  Romuald.^) 

Wenige  Jahre  nachdem  Nilus  auf  capuanisches  Gebiet 
gezogen  war,  starb  Abt  Aligernus  von  Monte  Cassino,  der  ihn 
mit  grösster  Ehrfurcht  empfangen  hatte. '^)  Er  stammte  noch 
aus  der  Schule  Odos  von  Gluni;  es  ist  daher  begreiflich,  dass 
unter  seiner  Leitung  das  Hauptkloster  Italiens  auf  der  Höhe 
mönchischer  Anforderungen  sich  erhielt.  Aber  auch  hier  folgte 
der  Rückschlag.  Dem  unglückseligen  Regiment  der  Fürstin 
Aloara  von  Capua »),  der  Wittwe  Pandulfs  L,  der  Nilus  noch 

»)  V.  S.  Nili  §  55.  «)  §  61.  8)  §  53. 

*)  §  72.  »)  §  73ff. 

^)  Job.  Canap.  V.  S.  Adalb.  c.  15:  cuiua  nobile  meritum  in  monastico 
ordine  velud  novus  lu^fer  in  aetherio  axe  refulget;  aub  quo  etiam  duce  ac 
divinae  artia  magistro  discipulorum  plurima  manus  Deo  mllitanmt.  Hi 
vero  omnes  propriis  nianibus  victum  quaerentes  secundum  regidam  sancti 
patris  nostri  Basilii  coelestibus  vestigiis  innituntur. 

^)  Ann.  Casin.  086 ;  auch  Leo  Ost.  II.  führt  wohl  zu  diesem  Jahr,  nicht 
auf  den  23.  Nov.  985 ,  wie  der  Herausgeber  II ,  c.  1 1  am  Rande  bemerkt 

«)  Vgl.  darüber  namentlich  V.  Nili  §  79.  Pandulf  v.  Capua  war  981 
im  März  gestorben  (Ann.  Benev.  982).    Im  nächsten  Jahre  vertrieben  die 


331 

frenndlich  aufgenommea  hatte  Jener  Frau,  die  für  ihre  UDmUodigen 
Söhne,  von  denen  später  der  eine  den  andern  ermordete,  die 
Herrsehafk  flihrte,  war  anch  die  alte  Abtei  zum  Opfer  gefallen: 
gegen  den  Willen  der  Mönebe  wurde  durch  die  fürstliche 
Familie  auf  den  Abtsitz  Manso  gebracht  0)  der  die  Sitten  und 
den  Prunk  des  entarteten  italienischen  Weltclerus  in  die  Eloster- 
hallen  einführte.^)  Acht  von  den  Mönchen  verliessen  damals 
den  gottverlassenen  Ort,  drei,  um  auf  der  Wallfahrt  nach  dem 
heiligen  Lande  den  Seelenfrieden  zu  finden,  der  ihnen  hier 
versagt  blieb,  fünf,  um  sich  nach  Mittelitalien  zu  begeben,  wo 
Markgraf  Hugo  von  Tnscien  sie  freundlich  und  ehrenvoll  auf- 
nahm und  ihnen  die  Mittel  gewährte,  fünf  Klöster  nach  ihrer 
Regel  zu  gründen.^) 

Voll  Unwillen  verliess  auch  Nilus  die  Stätte,  an  der  er 
fünfzehn  Jahre  gewirkt;  denn  Manso  hatte  kein  Verständnis  fUr 

Beneventaner  Landulf,  den  Sohn  Pandulfs  (Ann.  Benev.  982).  Otto  IL  be- 
stätigte aber  der  Aloara  und  ihrem  Sohne  Landulf  den  Besitz  von  Capna 
(Leo  Ost.  II,  c.  9).  Nach  Leo  Ost.  11,  c.  1 0  wäre  Aloara  bereits  nach  annia 
circiter  octo  gestorben,  also  etwa  9S9;  sie  tritt  aber  als  Regentin  neben 
ihrem  Sohne  noch  991  auf,  Gattula,  Access,  p.  87.  lieber  Landulfs  Er- 
mordung vgl.  Ann.  Casin.  992;  Catal.  com.  Capuae,  SS.  rer.  Langob.  p.  500; 
Leo  Ost.  II,  c.  10.  1)  Leo  Ost.  II,  c.  12;  Ann.  Casin.  986. 

«)  Leo  Ost.  II,  c.  16;  V.  S.  Nili  §  85. 

')  Leo  Ost  II,  c.  12.  In  diesen  Zusammenhang  gehören  wohl  die 
Urk.  Hugos  bei  Mittarelli,  Ann.  Camald.  I,  120.  129.  132.  134.  137:  na- 
mentlich für  das  Kloster  S.  Maria  an  der  Etsch,  das  er  restaurirte  und  S. 
Michael  de  Castro  Marturi.  Mit  seiner  Gemahlin  Judith  gründete  er  St. 
Januarius  de  Campo  Leone  im  Gebiet  von  Arezzo,  Leibniz,  Ann.  imp. 
III,  68t.  —  Hugo  war  der  Sohn  des  Markgrafen  Hubert  und  der  Willa, 
Tochter  des  Bonifaz  v.  Spoleto  (Urk.  Hugos  v.  28.  Mai  993  bei  Mittarelli  I, 
app.  120;  vgl.  Provana,  Studi  p.  94).  Seine  Schwester  Waldrada,  Gemahlin 
Peters  v.  Venedig  (V.  Rom.  c.  5;  Chron.  Venet.,  SS.  VII,  25),  war 
aber  von  einem  andern  Vater,  Herzog  Peter  v.  Venetien  (Urk.  der  Wald- 
rada  v.  25.  Oct.  976  bei  Ficker,  Forsch.  IV,  nr.  29).  Hugos  Tochter:  Willa, 
Gemahlin  Ardicios,  Sohnes  des  Arduin  von  Ivrea  (Urk.  vom  24.  Jan.  1019 
bei  Muratori,  Ant.  ItaL  III,  857).  Seine  Gemahlin:  Judith  (Leibniz,  Ann. 
imp.  III,  681).  Hugo  war  zeitweise  Herzog  von  Camerino  und  Spoleto 
(Ficker,  Forsch.  II,  318;  Provana  p.  94;  Muratori,  Antiq.  II,  292).  Seine 
Stellung  zu  Theophano  und  zum  Kaiser  und  seine  Bedeutung  für  Italien 
geht  hervor  aus  Ann.  Quedlinb.  991 ;  Catal.  com.  Capuae  a.  a.  0.;  Leo  Ost. 
II,  c.  10.  12.  S.Tod:  12.  Kai.  Jan.  1001  bei  Leibniz,  Ann.  imp.  III,  288,  wo- 
selbst sein  Epitaph;  Ann.  Einsiedl.  1001;  Rod.  Glaber  II,  c.  7. 


332 

ihn.')  Es  war  um  dieselbe  Zeit,  als  der  Abt  seinen  Lohn  erntete, 
indem  er,  sei  es  auf  Veranlassung  des  Fürsten 2),  sei  es  des 
Bisehofs  Albericb,  geblendet  wnrde.')  Nilas  aber  baute  seine 
Hütten  im  Gebiete  von  Gaeta^)  auf.  von  wo  es  ihm  noeh  be- 
sehieden  war,  auf  den  jugendlichen  Kaiser  Otto  zu  wirken. 

Schon  früher  verbanden  ihn  nahe  Beziehungen  mit  Rom. 
Es  hatte  sich  unter  den  Reformgeistern  dieser  Gegenden  und 
namentlich  der  von  zahlreichen  griechischen  Mönchen  be- 
wohnten römischen  Klöster  ■'^)  eine  Art  pietistischer  Cirkel  ge- 
bildet, dessen  Mitglieder  zusammenkamen  und  tiefe,  begeisterte, 
von  Glaubenseifer  durchglühte  Gespräche  führten. 

Als  einst  Adalbert  von  Prag  beim  hl.  Nilus  anpochte  und  um 
Aufnahme  in  seiner  Congregation  bat,  wies  dieser  ihn  zurück  — 
Adalbert  hatte  die  Aufforderung  der  Gasinaten  bei  ihnen  zu 
bleiben  abgelehnt,  und  Nilus  fürchtete  für  das  ihm  von  ihnen 
überlassene  Stück  Landes,  wenn  er  ihn  aufnehme  — ;  er  gab 
ihm  aber  eine  Empfehlung  an  den  ihm  innigbefreundeten  Abt 
Leo  von  St  Bonifazius  und  Alexius®)  in  Rom  mit  Wir  kennen 
Leo  bereits;  er  war  später  der  Gesandte  Johanns  XV.  in  Frank- 
reich nach  dem  Concil  von  St  Basle  und  der  energische  Ver- 
teidiger der  Rechte  des  römischen  Stuhles.  Leo  stand  dem 
Papste  auch  persönlich  nahe.  Ihm  stellte  er  den  Bischof  von 
Prag  vor,  der  jetzt  die  Kutte  nehmen  wollte,  und  erbat  seinen 
und  der  Cardinäle  Rat')  Am  17.  April  990  erfolgte  die  Auf- 
nahme Adalberts.  In  der  Abtei  San  Bonifazio  und  San  Alessio 
lebten  damals  Griechen  und  Römer.  Ihre  Lebensweise  war 
verschieden;  nur  vier  befolgten  die  Regel  des  hl.  Basilius  — 
sie  galten  für  die  Oberen,  Vorgeschritteneren  —  die  übrigen  die 
des  hl.  Benedict.  Einen  mittleren  Weg  schlug  Adalbert  ein. 
Hier  in   diesem  Kloster   war   der  Sammelpunkt   der   reform- 

*)  V.  S.  Nili  §  84:  Sc  ovx  yösi  rov  oaiov  NelXov  oazigtjv;  vgl.  §86. 

«)  So  V.  S.  Nili  §  85.  8)  Nach  Leo  Ost.  U,  c.  12. 

*)  liier  war  seit  979  Johannes,  Sohn  des  Marimis,  Herzog;  im  Jahre 
992  nahm  er  nach  südital.  Herkommen  seinen  Sohn  Johannes  zum  Mit- 
regenten (vgl.  Gattula,  Access,  p.  116). 

*)  Vgl.  V.  Nili  §  90.  96. 

^)  Joh.  Canap.  V.  S.  Adalb.  c.  15:  domnum  abbatem  Leonem  nobis 
amicissimum ;  vgl.  Leo  Ost.  H,  c.  17;  Passio  S.  Adalb.  c.  1,  SS.  XV,  2,  706; 
V.  qu.  fr.  c.  11.  ')  Joh.  Canap.  V.  Adalb,  c.  16. 


333 

begeisterten  Eiferer,  die  wie  Leo  im  Stahle  Petri  die  Stütze 
nnd  den  Mittelpunkt  alles  kirehliehen  Lebens  sahen.  Da  trafen 
sich  ,Abt  Gregor",  —  wohl  der  frühere  Abt  von  Cerchiara  in 
Calabrien^)  —  „der  Vater  Nilus,  Jobannes,  der  gute  schwache, 
der  schlichte  Stratus,  ein  Engel  auf  der  Erde,  hier  von  dem 
höheren  römischen  Clerus  der  weise  Johannes,  der  schweig- 
same Theodorus,  der  unschuldige  Johannes,  der  schlichte  Leo, 
ein  Freund  der  Psalmen  und  immer  zum  Predigen  bereit".^) 
Wir  dürfen  aus  dem  letzten  Zusatz  schliessen,  dass  er  meist 
das  grosse  Wort  führte;  um  so  wertvoller  ist  es  daher,  dass 
wir  gerade  über  seine  hierarchischen  Grundsätze,  die  gewiss 
von  der  ganzen  Gesellschaft  geteilt  wurden,  unterrichtet  sind. 
Und  dass  man  in  diesen  Kreisen  sich  in  nachdrücklichen 
Gegensatz  zu  den  Hauptübelständen  der  Zeit  stellte,  zur 
Simonie  und  Priesterehe,  lässt  sich  mit  Sicherheit  aus  ein- 
zelnen Andeutungen  vermuten.  Gegen  das  erstere  Uebel 
erhob  Romuald  seine  Stimme  3);  dass  er  auch  das  zweite  ver- 
urteilte, darf  man  wohl  darom  annehmen,  weil  aus  seiner 
Schule  Männer  wie  Petrus  Damiani  hervorgingen.  Wenn 
Nilus  aber  die  Ehe  so  sehr  verabscheute,  dass  er  lieber  mit 
einer  Schlange,  als   einem  Weibe  umgehen  wollte^),  so  wird 


')  Wie  bereits  Holder -Egger  in  der  Ausgabe  der  V.  Gregorii  SS. 
XV,  2,  p.  1188  n.  2  bemerkte.  Er  lebte  noch  ein  Jahr  nach  dem  Sarra^ 
zeneneinfall  in  Calabrien  in  seinem  Kloster,  also  etwa  bis  987  oder  988 
(V.  Greg,  prior  c.  10)  and  kam  dann  nach  Buccino.  Zur  Zeit  Ottos  III. 
scheint  er  sich  in  Rom  aufgehalten  zu  haben  (vgl.  Y.  Gregorii  posterior 
c.  13  ff.,  SS.  XV,  2, 11 95  ff.).  Er  wurde  dann  Abt  eines  St.  Salvatorklosters 
in  Rom,  das  er  mit  Theophanos  Hülfe  errichtet  haben  soll  (V.  Greg, 
post.  c.  16). 

*)  Brun.  V.  S.  Adalb.  c.  17:  Graecij  inquamf  optimi  i^eniuntf  Latini 
aimiles  militarunt.  Superioribus  quatuor  piua  Basüius,  inferioribua  magnus 
Benedictaa  dux  sive  rex  ej'at  Inter  qiios  medius  incedena  Deum  siciens 
Adalbertus . .  Dum  convenirent  sancti  viri,  pltiebafit  ibi  sermones  Deiy  accenaae 
sentenciae  fnutw>  cursant  .  .  Hoc  Gregorius  abbaSy  hoc  erat  pater  Nilus j 
hoc  Johannes  bonus  infii-nius ,  hoc  simplex  Stratus  et  supe^'  terram  angelus 
unus,  hoc  tjc  Romae  maioribus  Dei  sapiens  Johannes,  hoc  silens  Theodorus^ 
hoc  Johannes  innocens,  hoc  simplex  Leo,  psaknorum  amicus  et  semper 
praedicare  paratus. 

')  Vgl.  V.Rom,  c.  85.  41. 

*)  V.  Nili  §  39:  TtQoaiQsltai  fiällov  daniöi  rj  ywaixl  ofAik^aai; 
vgl  §  49. 


334  A 

er  die  Ehe  der  Geistlicben  mit  nm  so  schärferen  Ausdrücken 
angegriffen  haben.  Als  ein  wesentliches  Merkmal  dieses  italisch- 
griechischen  Mönchtnms  haben  wir  aber  einmal  die  asketische 
üebertreibung  der  vom  Mönche  geforderten  Uebnngen  im 
Wachen,  Beten  nnd  Fasten,  dann  aber  die  überall  betonte 
Handarbeit  hervorzuheben  >),  die  nicht  nur  den  ländlichen  und 
gewerblichen  Beschäftigungen,  sondern  namentlich  der  Ver- 
vielfältigung patristischer  Schriften  zu  Gute  kam.  Wie  Nilns, 
so  kannte  auch  Gregor  diese  Litteratur,  wie  jener,  so  be- 
schäftigte sich  auch  dieser  mit  dem  Abschreiben  theologischer 
Werke.^) 


3.  Otto  III.  und  die  Reformmänner. 

I. 

Wenige  Jahre  nur  hatte  Adalbert  jene  wunderbaren  Ge- 
stalten genossen,  die  in  Leo  und  Nilns  ihre  Häupter  verehrten, 
er  hatte  nach  seinem  Prager  Bistum  auf  Befehl  des  Papstes 
und  seines  Abtes  zurückkehren  müssen.  Freilich  nicht  auf 
lange,  denn  bald  trieb  ihn  die  Sehnsucht  nach  der  Sonne 
Italiens,  nach  den  frischen  Lüften  des  Aventinklosters,  von 
dem  man  nach  der  Tiber  schaute,  nach  dem  Verkehr  mit  den 
gleichgesinnten  Freunden  weg  von  der  Rohheit  und  Unver- 
besserlichkeit seiner  Landsleute.  Dann  kam  der  Mai  996,  da 
Otto  IIL  in  Italien  erschien  und  ihm  bis  nach  Bavenna  die 
Boten  und  Briefe  des  römischen  Stadtadels,  die  ihn  um  die 
Einsetzung  eines  Papstes  nach  dem  Tode  Johannes  XV.  er- 
suchten, entgegenkamen.^)  Der  Kaiser  war  dann  bereits 
wieder  über  die  Alpen  gezogen,  als  der  neue  Papst  Gregor  V. 
Adalbert  die  Rückkehr  in  seine  Diöcese  befahl.  Ungern 
machte  er  sich  mit  Notger  von  Lüttich  auf  den  Weg;  nach 
zwei  Monaten  traf  er  den  Kaiser  in  Mainz.  Noch  bevor  er 
Mönch  wurde,  war  Adalbert  der  Theophano  in  Italien  nahe 
getreten;  während  des  letzten  Aufenthalts  in  Rom  müssen 
die  Beziehungen  zu  Otto  noch  enger  geworden  sein.    Es  wird 


*)  Vgl.  Gregorii  c.  4  a.  a.  0.  p.  1188:  noluit  enim  aliud  manducare 
n%8%  quod  ipse  elaboraaset.  Vgl.  was  über  die  Congregationen  Hornualds 
und  des  NUus  gesagt  ist.       ')  Vgl.  V.  Gregorii  prior  c.  4  a.  a.  0.  p.  1188. 

')  Can.  Vita  S.  Adalb.  c.  21. 


335 

uns  berichtet,  dass  er  mit  dem  Kaiser  längere  Zeit  zusammen 
blieb,  weil  er  ihm  anfs  engste  befreundet  war,  und  Tag  und 
Nacht  das  kaiserliche  Cabinet  nicht  verliess.  Wenn  das  Hof- 
lager, namentlich  des  Nachts,  in  Ruhe  lag  und  die  letzten 
Schritte  der  Diener  und  Gäste  verhallten,  da  konnte  man  den 
römischen  Mönch  neben  dem  Herrn  der  Welt  sitzen  sehen  nnd 
man  konnte  hören,  wie  er  ihn  mit  feuriger  Beredsamkeit  von 
der  Nichtigkeit  weltlicher  Herrschaft  und  eitlen  Strebens  über- 
zeugte, dass  alles  an  der  Erwerbung  des  ewigen  Heiles  ge- 
legen sei,  nnd  alles  gipfelte  in  der  Ermahnung,  an  den  Tod 
zn  denken:  auch  er  sei  ein  Mensch  und  einst  die  Speise  der 
Würmer.  1)  Noch  einmal,  nachdem  er  in  Frankreich  beim 
hl.  Martin  in  Tours,  St.  Benedict  in  Fleury,  St.  Denis,  St.  Maur 
u.  a.  0.  seine  Gebete  verrichtet,  kehi-te  Adalbert,  der  nach  der 
Märtyrerkrone  dürstete,  zu  Otto  zurück:  noch  eine  letzte  Unter- 
redung, noch  ein  Abschiedskuss,  und  Adalbert  schied  von  dem 
durch  ihn  hingerissenen  und  begeisterten  Jüngling,  um  sein 
Blut  unter  den  Heiden  zu  verströmen.^)  Der  Eindruck  blieb. 
Dass  eine  Lehre  durch  ein  solches  Beispiel  besiegelt  wurde, 
konnte  nicht  unbemerkt  vorübergehen. 

Das  selige  Ende  Adalberts  weckte  in  jenen  reforma- 
torischen Kreisen,  die  wir  betrachtet  haben,  allgemein  das 
Verlangen  nach  der  Märtyrerkrone  und  dem  Heiligenscheine. 
Ein  Schüler  Komualds,  der  in  San  Bonifazio  die  Kutte  und 
den  Namen  Bonifazius  genommen  hatte,  Bruno  von  Querfurt, 
sehritt  mit  nackten  Füssen  und  Schenkeln  durch  das  rauhe 
Alpenland,  um  in  Rnssland  für  seinen  Glauben  zu  sterben.^) 
Gaudentius,  der  Bruder  Adalberts,  und  Anastasius,  welcher 
mit  einigen  andern  Mönchen  diesen  begleitete,  stammten  aus 
S.  Bonifazio  und  Alessio  und  predigten  unter  den  Slaven  und 
Magyaren  das  Evangelium,  ersterer  als  Erzbischof  von  Gnesen, 


')  CaDap.  Vita  S.  Adalb.  c.  23 :  Nam  die  aive  nocte,  cum  turba  locum 
deditj  sanctis  aUoquiis  aggreditur  illumj  docens,  ne  magnum  putaret  se 
imperatorem  esse;  cogitaret  se  hominem  moriturum,  cinerem  ex  pülcherrimo, 
putredinem  et  vermium  escam  esse  futurum;  Brunon.  Vita  S.  Adalb.  c.  20: 
Cum  quo  aliquos  dies  commoratur,  nee  nocte  nisi  ante  conspectum  impera- 
toris  j€u:ere  permissus  est. 

«)  Can.  Vita  S.  Adalb.  c.  25;  Brunon.  Vita  Adalb.  c.  19. 

»)  Vita  S.  Rom.  c.  27. 


336 

letzterer  als  Bischof  der  Ungarn J)  Naeh  Polen  gingen  auf  die 
Aufforderung  König  Boleslaws,  der  sich  an  Kaiser  Otto  gewandt 
hatte,  zwei  Eremiten  aas  Romualds  Jüngerschaft,  Johannes  and 
Benedict,  die  dort  mit  einigen  Genossen  von  ßäabem  ermordet 
worden,  weil  man  Gold  bei  ihnen  vermatete^),  and  endlich 
machte  sich  Romaald  selbst  mit  vierandzwanzig  seiner  Ge- 
fährten nach  empfangener  Erlaubnis  des  römischen  Stahles  aaf 
den  Weg  nach  Ungarn.  Als  ihn  aber  Krankheit  und  Schwäche 
zur  Umkehr  zwangen,  begleiteten  ihn  nur  sieben  zurück,  die 
andern  gingen  in  dem  noch  halbbarbarischen  Lande  zwar  nicht 
dem  Glaubenstode,  wohl  aber  elender  Sclaverei  entgegen.') 

Während  der  Kaiser  sich  am  Niederrhein  und  in  Sachsen 
aufhielt,  wo  er  wieder  die  aufrührerischen  Slaven  bekämpfen 
mnsste,  hatte  sich  in  Rom  die  bekannte  Revolution  vollzogen, 
welche  Gregor  V.  aus  der  Stadt  zu  entweichen  zwang  und  den 
Griechen  Johannes  Philagathos  mit  Hülfe  des  Crescentius  auf 
den  römischen  Stuhl  brachte.  Jetzt,  nachdem  erst  einmal  die 
Persönlichkeit  Gregors  in  den  Köpfen  der  Cluniacenser  die 
schönsten  Hoffnungen  erweckt  hatte,  war  diese  Niederlage  von 
mehr  als  augenblicklicher  Bedeutung.  Es  handelte  sich  darum, 
ob  das  Papsttum,  nun  endlich  in  geordnetere  Verhältnisse  ge- 
bracht, im  Stande  sein  würde,  seine  universalen  Rechte  zum 
Heil  der  Kirche  zur  Geltung  zu  bringen,  oder  ,ob  es  auch 
fttrderhin  ein  Spielball,  ein  Kampfpreis  der  römischen  Factionen 
bleiben  solle,  der  dem  jeweiligen  Sieger  zufiel,  ob  man  das 
natiönalrömische  Interesse  dem  allgemeinkirchlichen,  welches 
der  römische  Kaiser  vertrat,  vorziehen  werde.  Wir  wissen, 
dass  sich  im  November  997  Abbo  von  Fleury  acht  Tage  lang 
in  der  Gesellschaft  des  Papstes  in  Spoleto  befand;  um  die- 
selbe Zeit  verliess  auch  Abt  Odilo  von  Gluni  sein  Kloster,  um 
nach  Oberitalien  herabzuziehen,  wo  Otto  und  der  vertriebene 
Papst  im  December  997  zu  Pavia  sich  trafen.  Vielleicht  —  und 
es  ist  dies  höchst  wahrscheinlich,  da  die  Cluniacenser  Pavia  sehr 
nahe  standen  und  die  Stadt  bei  keiner  ihrer  italienischen 
Reisen  umgingen  —  war  Odilo  damals  schon  in  ihrer  Um- 


0  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  III,  443. 

«)  V.  qu.  fr.  c.  13;  Vita  S.  Rom.  c.  28.  »)  V.  S.  Rom.  c.  39. 


337 

gebiiDg.  Hier  wnvden  nämlich  zuerst  von  Seiten  des  Papstes 
reformatorisehe  Massregeln  getrofifen,  indem  er  auf  der  Synode 
einen  Canon  des  Papstes  Symmachus  wieder  erneuerte,  wonach 
jeder  Bischof,  Presbyter,  Diacon  und  Cleriker,  der  bei  Lebzeiten 
des  Papstes  und  ohne  dessen  Erlaubnis  irgendwelche  Ver- 
bindlichkeiten betreffs  der  zukünftigen  Wahl  eingebe,  abgesetzt 
und  excommuniciert  werden  soUe.^)  Sicher  ist  Odilo  erst  in  £a- 
venna  nachzuweisen,  wo  der  junge  Herrscher  von  Ende  Januar 
bis  in  den  Februar  sich  auf  hielt.^)  Am  6.  Februar  998  urkundete 
Otto  hier  für  den  Abt,  indem  er  die  elsässischen  Besitzungen 
von  Peterlingen  bestätigte.^)  In  Rom  sehen  wir  Odilo  mit  dem 
Kaiser  und  Papst  in  gleicher  Weise  in  Verbindung;  wir  werden 
um  so  eher  einen  engeren  Verker  am  Hofe  Ottos  begreiflich 
finden,  als  das  St.  Marienkloster,  in  dem  Odilo  sein  Quartier 
zu  haben  pflegte,  wie  S.  Alessio,  auf  dem  Aventin,  also  in 
nächster  Nähe  der  kaiserlichen  Pfalz  stand.'*)  Gregor  V. 
verbriefte  auf  seine  Bitten  die  Freiheit  des  Klosters  Romain- 
moutior  und  die  Sicherheit  der  Schenkungen,  die  Konrad  von 
Burgund  dieser  Abtei  gemacht,  gegen  einen  jährlichen  Zins 
von  zehn  Solidi  an  den  römischen  Stuhl,  wohl  im  Februar 
dieses  Jahres^),  und  in  dieselbe  Zeit  wird  die  Bulle  gehören, 
in  welcher  der  Papst  auf  Intervention  Kaiser  Ottos  die  Privi- 
legien Clunis  bestätigte,  namentlich,  dass  es  dem  Abte  frei 
stehen  solle,  bei  priesterlichen  Offizien  und  Ordinationen  jeden 
beliebigen  Bischof  anzugehen,  jene  Urkunde,  welche  die  von 
Glnni  abhängigen  Klöster  und  Gellen  vollständig  aufzählt.^) 
Am  22.  April  beweist  uns  dann  die  Fürbitte  Odilos  für  S.  Peter 
Giel  d'oro  bei  Pavia  seineu  weiteren  Aufenthalt  an  der  Seite 
des   Kaisers^);   er   hat   also  offenbar  in  Rom  jener  Reaction 

»)  Otto,  Papst  Gregor  V,  Mlinst.  Diss.  1881,  p.  25-29;  Herrn.  Aug. 
997 :  Qui  venerabüis  papa  canonicum  ibi  disciplinam  reparare  aatagens  etc. 

«)  St.  1137—1140. 

')  St  1139;  Grandidier,  Uist.  d'Alsace  I,  nr.  846. 

*)  Vgl.  Jota.  Vita  Odilon.  II,  c.  9. 

^)  Mem.  et  doc.  de  la  Suisse  Rom.  III,  425;  J.-L.  3895;  nach  Stein- 
dorfTs  Nachweis  (Jahrb.  Heinrichs  III.,  I,  491)  zwischen  dem  6.  Febr.  998 
und  Febr.  999  ausgestellt 

•)  BuUarium  Clun.  p.  10;  J.-L.  3896. 

')  St  1145;  IIPM  XllI,  col.  1660,  nr.  943:  qualitermonachi monasterii 
sancti  Fetri  Cellae  aureae  devotis  precibus  nostrae  pietatis   clementiam 

Saokur,  Clttiiiaconaer.    I,  2 


338 

Ottos  und  Gregors  beigewohnt,  jenen  Kämpfen  um  die  Engels- 
bürg,  die  mit  der  Gefangennahme  und  Misshandlung  des 
griechischen  Gegenpapstes  und  der  Hinrichtung  de  Crescentius 
am  29.  April  ihren  Abschluss  fanden J)  Auch  an  sein  Ohr  war 
wohl  der  Ruf  nach  Gnade,  den  der  hl.  Nilus  für  den  unglück- 
lichen Landsmann  an  den  Kaiser  ergehen  liess,  gedrungen; 
aber  Otto  war  zu  sehr  in  der  Hand  des  Papstes  und  dieser 
zu  sehr  von  den  Rachegefühlen  des  Siegers  beseelt,  als  dass  der 
Kaiser,  so  gern  er  es  gethan  hätte,  die  Bitte  erfüllen  konnte.^)  So 
erfolgte  denn  jener  bizarre  Eselsritt  des  Bischofs  von  Piacenza 
durch  die  Strassen  Roms,  während  der  fromme  Eremit,  der  im 
Süden  Italiens  sich  des  höchsten  Ansehens  und  des  gewal- 
tigsten Einflusses  erfreute,  zum  ersten  Mal  erfahren  musste, 
wie  wenig  sein  Wort  in  den  grösseren  Fragen  der  Politik  galt, 
und  sich  verstimmt  von  den  Gräueln  der  Gegenwart  in  seine 
Gelle  bei  Gaeta  zurückzog. 

Während  der  Kaiser  den  Rest  des  Jahres  998  in  Unter- 
und  Mittelitalien  verbrachte,  einmal  sogar  im  September  wohl 
vor  der  Hitze  des  Südens  sich  nach  Pavia  zurükzog^),  weilte 
Odilo  im  Mai  bereits  wieder  in  seinem  französischen  Kloster.^) 
Inzwischen  hatte  sich  Otto  mehrmals  gegen  die  Vergabungen 
und  Verpachtungen  von  Kirchengnt  ausgesprochen;  er  hatte 
dann  in  einzelnen  Fällen  alle  unter  dem  Zwange  der  Umstände 
oder  leichtsinnig  eingegangenen  Verträge  dieser  Art,  für  den 
Fall,  dass  sie  dem  Nutzen  der  Kirche  nicht  entsprächen,  kraft 
seiner  kaiserlichen  Autorität  für  ungültig  und  aufgehoben  er- 
klärt.^) Er  erliess  endlich  ein  allgemeines  Decret  von  gesetz- 
licher Bedeutung  am  20.  Sept.  998  in  Pavia  an  die  geistlichen 
und  weltlichen  Stände  Italiens,  in  welchem  er  im  Hinblick  auf 
die  Verschleuderung  und  Verpachtung  der  Kirchengüter  seitens 
der  Bischöfe  und  Aebte  und  der  daraus  entspringenden  Folge 
der  Leistungsunfähigkeit  für  staatliche   Zwecke   allen  diesen 


ddieruntf  qtuitcniis  .  .  longo  tempore  .  .  abstractam  ...  necnon  et  proba- 
tissimi  ac  revereMissimi  abbatis  Odili  postulationibus  .  .  redderenius. 

')  Wilmans,  Jahrb.  Ottos  III.  S.  101. 

»)  Vgl.  Vita  S.  Nili  §  89—93. 

3)  Wilmans,  Jahrb.  Ottos  III.  S.  105.  *)  CHOL  III,  nr.  2459. 

^)  So  in  einer  Urk.  f.  Nonantula  am  25.  März  997,  Stumpf,  Acta  imp. 
nr.  250,  p.  348. 


339 

Verträgen  und  Pachtcontracten  in  der  Form  der  Emphyteuse 
nur  eine  Verbindlichkeit  für  die  Lebenszeit  des  contrahirendea 
Abtes  zuschreibt,  nicht  seiner  Nachfolger,  so  dass  allen  Erb- 
und  Zeitpachten  von  längerer  Dauer  dadurch  der  recht- 
liehe Boden  entzogen  wurde.  Nur  dann  soll  ein  derartiger 
Vertrag  gesetzlich  sein,  wenn  er  der  Kirche  zum  Nutzen  ge- 
reiche.') Bedenkt  man,  dass  der  Kaiser  nur  so  lange  Herr 
Über  die  Finanzkräfte  des  Reiches  war,  als  der  Gtiterbesitz 
in  seiner  Vollständigkeit  in  den  Händen  der  vom  Kaiser 
durch  die  Wahlen  abhängigen  Kirchen  sich  befand,  so  wird 
man  dieser  Massregel  eine  grosse  politische  Bedeutung  nicht 
absprechen  können,  und  unter  demselben  Gesichtspunkte  müssen 
die  Anordnungen  betrachtet  werden,  durch  welche  Otto  den  nord- 
italischen Episcopat,  der  in  jener  Zeit  mit  den  kleinen,  nach 
Erblichkeit  ihrer  Lehen  strebenden  Vasallen  und  den  nach 
Selbständigkeit  ringenden  Bürgern  in  stetem  Kampfe  lag,  mit 
Rechten  und  Gütern  überhäufte,  um  auf  diese  Weise  die  Ver- 
fügung über  die  materiellen  Mittel  Italiens  nicht  aus  den 
Händen  zu  verlieren. 

Den  Winter  über  verbrachte  Otto  wieder  in  Rom.  Jetzt, 
nachdem  Anfang  Februar  999  der  harte  Gregor  das  Zeitliche 
gesegnet  hatte,  mochten  wieder,  wo  er  sich  allein  und  ohne 
Stütze  auf  dem  Throne  der  Welt  befand,  der  religiöse  Tiefsinn 
und  alle  jene  weltverachtenden  Gefühle  in  ihm  erwachen, 
die  Adalbert  in  ahm  zu  wecken  versucht  hatte.  Doppelt  er- 
fasste  ihn  jetzt  die  Reue  über  die  grausame  Behandlung  des 
Crescentius  und  des  Johannes,  und  mit  den  Gedanken  an  das 
Schicksal,  welches  die  Seele  Gregors  erwarte,  mag  es  ihn  ge- 
drängt haben,  seine  Vergehen  und  Sünden  auf  Erden  zu  sühnen. 
Wie  ein  Mahner  stand  ihm  die  ehrwürdige  Gestalt  des  greisen 
Nilus  vor  Augen:  denn  zu  den  «Hütten  Israels  in  der  Wüste* 
lenkte  der  Kaiser  bald  seine  Schritte.  Zuerst  freilich  pilgerte 
er  zu  Fuss  zum  hl.  Michael  auf  dem  Monte  Gargano  2),  jener 
alten  berühmten  Wallfartsstätte,  die  durch  ihre  Lage  in  wilder 


>)  Muratori  SS.  II,  b,  496. 

*)  Nach  Vita  S.  NUi  §  91  zur  Sühne  für  die  Behandlung  des  Johannes, 
nach  Vita  8.  Rom.  c.  25  für  den  Eidbruch  an  Crescentius;  Leo  Ost.  II,  24: 
causa  penitentie,  quam  Uli  beatus  Bomucddus  iniunxerat,  abiit  ad  montem 
Garganum;  Catal.  com.  Capuae  a.  a.  0. 

22* 


340 

Fels-  und  Meereseinsamkeit  die  Gedanken  an  den  Himmel  zn 
begünstigen  schien;  dann  aber  auf  der  ROckkehr  kehrte  er  zn 
Gaeta  bei  dem  Heiligen  ein.^)  Auch  Nilns  schrieb  es  ihm 
wieder  in  die  Seele,  wenn  er  auch  Kaiser  sei,  müsse  er  doch 
wie  ein  sterblicher  Mensch  sterben  und  vor  dem  Weltricbter 
einst  Rechenschaft  ablegen.^)  So  predigte  dem  schwachen 
und  unselbständigen  Gemüte  des  Kaisers  alles  Vernichtung 
menschlicher  Triebe  und  Freuden,  und  wie  ein  Schleier  zog 
es  sich  um  seine  Seele.  Diese  Stimmungen  gewannen  mehr 
und  mehr  über  ihn  Gewalt.  Er  gab  sich  damals  mit  dem 
Bischof  Franco  von  Worms  vierzehn  Tage  lang  in  einer  Grotte 
bei  San  demente  in  Rom  Gebeten ,  Fasten  und  Nachtwachen 
hin.^)  Und  wie  er  dem  hl.  Nilus,  als  er  von  ihm  schied,  seine 
Krone  in  die  Hand  legte,  so  brachte  er  seinen  Krönungsmantel, 
auf  dem  die  ganze  Apocalypse  in  Gold  gestickt  war,  den 
heiligen  Bonifazio  und  Alessio  zum  Geschenke  dar.'*) 

Inzwischen  hatte  Otto  seinen  Lehrer  Gerbert  auf  den 
päpstlichen  Stuhl  erhoben;  das  war  vielleicht  die  nächste 
Veranlassung,  die  den  Abt  von  Cluni  wieder  über  die  Alpen 
führte.  Denn  wohl  persönlich  ersuchte  Odilo  den  Kaiser  im 
April  999  in  Rom,  den  Besitz  der  Celle  des  hl.  Majolus,  wie 
man  jenes  Marienkloster  bei  Pavia  jetzt  allgemein  nannte,  von 
neuem  zn  bestätigen;  kraft  seiner  kaiserlichen  Autorität  be- 
stimmte damals  Otto  III.,  dass  keine  weltliche  oder  geistliehe 
Macht  sich  in  die  Angelegenheiten  der  pavesischen  Obödienz 
mische  oder  ohne  ausdrücklichen  Wunsch  —  dies  ging  gegen  den 
Diöcesanbischof  —  zu  ordinieren  oder  zu  dispensieren  wage.^) 
Vielleicht  darf  man  in  diese  Zeit  noch  die  erneute  Reform 
von  St.  Paul  setzen,  wo,  wie  wir  wissen,    bereits  Odo  und 

>)  Im  Frühjahr  999  w&r  Gaeta  völlig  der  Oberhoheit  des  Kaisers 
unterworfen.  In  Urkunden  vom  März  und  April  ist  die  Sendung  des 
kaiserl.  Clerikers  Notger  als  eines  Missus  erwähnt;  Gattula,  Acc.  p.  114 
und  115:  Cumque  impcraret  in  Italia  supradictiLS  impcrator  Angustus 
Ottonem  (p.  114). 

«)  Vita  S.  Nili  §91. 

8)  V.  Burchardi  c.  3;  vgl.  Gregorovius,  Gesch.  d.  Stadt  Rom  III,  606. 

*)  Mirac.  S.  Alexii  c.  3;  vgl.  Gregorovius  III,  505. 

«)  St.  1179;  Bibl.  Clun.  col.  409;  CIICL  III,  2483:  oh  petitionein  domni 
Odelonis.  Hier  heisst  es  von  der  Celle:  sed  nunc  ab  omnibus  ceüa  dici- 
tur  S.  Maioli. 


341 

Majolus  für  ein  reguläres  Klosterleben  sieh  bemttht  hatten. 
Damals  war  die  Abtei  jedoch  wieder  derartig  herunterge- 
kommen, dass  Otto  III.  auf  Zureden  des  Papstes  bereits  ent- 
schlossen war,  dieselbe  von  den  Mönchen  zu  befreien  und  mit 
Clerikem  zu  besiedeln.  Wenn  es  nun  heisst  <),  der  hl.  Apostel 
habe  sich  selbst  ins  Mittel  gelegt  und  in  einer  nächtlichen 
Vision  von  Otto  eine  Reform  innerhalb  der  Mönchsregel  ge- 
fordert, so  wird  man  wohl  auch  Odilo  einigen  Anteil  an  der 
Umstimmung  des  Kaisers  zuschreiben  müssen,  zumal  der 
Chronist,  dem  wir  die  Nachricht  verdanken,  den  betreffenden 
Teil  seines  Werkes  wahrscheinlich  in  Cluni  schrieb. 

IL 
Den  Rest  des  Jahres  befand  sich  Odilo  wieder  in  der 
Heimat.  Es  ist  die  letzte  Lebenszeit  der  Kaiserin  Adelheid, 
und  gerade  damals  ist  der  Abt  in  enge  Berührung  zu  ihr  ge- 
kommen. Nach  dem  10.  April  bis  Anfang  December  999  weilte 
die  alte  Fürstin  in  Burgund^),  indem  sie  bald  da  bald  dort 
sich  aufhielt;  wir  wissen,  dass  Odilo  öfter  in  ihrer  Umgebung 
sich  befand  3),  und  zwar  ist  uns  diese  Thatsache  um  so  be- 
merkenswerter, als  es  feststeht,  dass  Adelheid  die  italienische 
Politik  ihres  Enkels  durchaus  missbilligte,  jene  Politik,  die  dem 
griechischen  Blute,  das  in  ihm  rollte,  entsprang  und  die  von 
seiner  Mutter  Theophano,  die  während  der  Minderjährigkeit 
Ottos  von  989  an  mit  männlicher  Thatkraft  die  Verwaltung 
Italiens  führte,  beeinflusst  war.*)  Die  beiden  Frauen  hatten 
sich  nach  dem  Tode  Ottos  IL  zwar  bis  zum  Jahre  985  ganz 
gut  verständigt^),  dann  aber  war  die  Autorität  der  alten 
Kaiserin  durch  Theophano  zurückgedrängt  worden.     In  der 

*)  Rod.  Glaber  hist.  I,  c.  4. 

')  Bentzinger,  Das  Leben  der  Kaiserin  Adelheid  unter  Otto  III,  Bres- 
lauer Diss.  1883,  S.  50. 

«)  Odil.  Epit.  Adelh.  c.  19:  Erat  quidam  ihi  in  2)rae8entia  ipsius 
monachuSj  qui  licet  esset  irulignus  ahhas  vocitarij  ab  ca  tarnen  putabatur 
alicuius  esse  momenti;  c.  15  spricht  dann  von  Thränen  und  Gebeten  in 
St.  Maurice:  Si  enim  respiceres  augiistae  facietUj  excedere  diceres  hunianam 
effigiem;  c.  16:  Tunc  videres  augustam  toto  corpore  solo  prostratam,  non 
minus  crederes,  also  muss  er  doch  damals  zugegen  gewesen  sein. 

*)  An.  Hildesh.  989:  Thcojjhafiu  impcratrix,  mater  regiSj  Romain  per- 
rexitf  ibique  fmtalem  Donmii  celebravit  et  omneni  regionem  regi  subdidit. 

fi)  Bentzinger  p.  13j  Kehr  in  der  Histor.  Zft.  Bd.  66,  S.  423. 


342 

That  zeigte  Theopbano  alle  Eigenseliaften  jener  griechischen 
Prinzessinnen,  die  in  Herrschsucht  und  Ueppigkeit  aufwuchsen. 
Gewiss  konnte  man  ihr  männlichen  Geist  und  energisches 
Handeln  i),  auch  gewinnende  Liebenswürdigkeit  und  Freigebig- 
keit gegen  die  Armen  nicht  absprechen^)  —  aber  wie  wider- 
wärtig berühren  die  Schmähungen,  die  sie  gegen  ihren  Ge- 
mahl in  Gegenwart  des  Bischofs  Theoderich  von  Metz  aus- 
stiess,  als  sie  in  Rossano,  wo  sie  zurückgeblieben  war,  die 
Kunde  von  der  Niederlage  Ottos  IL  ereilte,  und  wie  erhob  sie 
dagegen  ihre  Landsleute  in  den  Himmel.^)  Ueppigen  Schmuck 
und  unnötigen  Prunk  brachte  sie,  wie  es  heisst,  an  den  schlichten 
deutschen  Hof*),  und  wer  weiss,  ob  nicht  die  Recht  hatten, 
welche  schon  Otto  den  Grossen  vor  der  griechischen  Heirat 
warnten.^)  Mit  der  milden  Adelheid  konnte  eine  Frau  wie  Theo- 
pbano nicht  stimmen.  Ein  unanfechtbarer  Zeuge,  Odilo  selbst, 
meint,  er  könne  nicht  im  einzelnen  erzählen,  wie  viel   Be- 

^)  Die  Ann.  Quedlinb.  991  sagen:  Ibi  ergo,  dum  quadam  quasi  com- 
pede  totnm  siui  ditione  colligasset  imperiumj  Tlieophanu  imperatrix  con- 
summato  in  bonis  vitae  suae  cursu  etc.  .  .  . 

*)  Canap.  Vit.  Adalb.  c.  14  rühmt  ihre  pia  cura  drca  pauperes  citm 
8ummatibu8  mris.  Allerdings  war  Adalbert  von  ihr  durch  Geldmittel 
unterstützt  worden,  als  sie  seine  Absicht,  nach  Jerusalem  zu  pilgern,  er- 
fuhr. —  Tangmar  in  d.  Vita  Bemwardi  c.  2  spricht  von  der  vencfxMli  et  sa- 
pie7itis8ima  matre  domna  Tlieophanu.  Das  sind  aber  Aeusserungen  aus 
einem  Kreise,  der  dem  Kaiser  und  seiner  Mutter  sehr  nahe  stand.  Anders 
lauten  die  Urteile  aus  dem  Munde  der  Partei  Adelheids. 

')  Alpertus  de  ep.  Mettens.  c.  1,  SS.  IV,  698:  statini  procaci  loctUione, 
ut  fert  levitas  mulierum,  conterrales  suos  —  erat  enitn  de  Graecia  —  ad  coeUmi 
extollere  eocitumqus  adversi  praclii  cum  sumtno  probro  ad  derogationem 
imperatoris  intorquere.  Der  Bischof  konnte  die  procacitatem  et  contume- 
liam  reginae  nicht  mehr  vergessen.  Giesebrecht  geht  in  seiner  Wert- 
schätzung der  Theophano  entschieden  zu  weit,  wenn  er  alle  diese  Ur- 
teile verwirft. 

*)  Sehr  bemerkenswert  ist  hier  eine  in  einem  Cod.  der  Vita  Bemwardi 
sich  findende  Notiz  SS.  IV,  888  erst  unter  den  Addenda.  Sie  wird  in  der 
Hölle  gefoltert:  Quia  multa  superflua  et  luxuriosa  mulierum  ornamenta, 
quibus  Graecia  uti  sollet,  et  eatenus  in  Gennanie  Francieque  provinciis 
erant  incognita,  huc  primum  detuli  ...  alias  mulieres  similia  appetentes 
peccare  feci. 

*)  Thietmari  Chr.  II,  c.  15  (ed.  Kurze  p.  27):  Fuere  nonnulli  qui  ha7ic 
fiei-i  conjuncioneni  apud  imperatorem  inpedire  studerent,  eandemque  remitti 
consulerent. 


343 

Bchwerden  die  alte  Kaiserin  nach  dem  Tode  ihres  Sohnes  zu 
ertragen  gehabt  habe.^)  Auch  nach  Theophanos  Hinscheiden 
war  ihr  Einflnss  auf  den  Enkel  von  kurzer  Dauer,  wäh- 
rend der  Mann,  der  Theophanos  vertrautester  Ratgeber  war, 
den  sie  von  Anfang  an  begünstigt  und  endlich  auf  den 
Stuhl  von  Piaeenza  gebracht  hatte,  der  Grieche  Johannes 
Philagathos^),  sich  von  Crescentius  gegen  den  Papst  Ottos  IIL 
gebrauchen  Hess.  Sowie  Majolus  das  erste  Mal  sich  der 
Adelheid  annahm,  als  sie  dem  Herzen  Ottos  U.  entfremdet 
wurde,  und  beide  zu  Pavia  wieder  versöhnte,  so  teilte  auch 
Odilo  mit  ihr  die  traurigen  Stunden  ihres  freudelosen  Alters. 
Wir  ftthlen  die  gemeinsame  Harmonie  ihrer  Seelen,  wenn  Odilo 
bei  der  Nachricht  von  dem  Tode  des  jungen  Bischofs  Franco  von 
Worms,  der  am  27.  August  eintrat,  die  Kaiserin  ausrufen  lässt: 
„Es  werden  zu  Grunde  gehen,  wie  ich  glaube,  viele  mit  ihm  in 
Italien,  und  er  selbst  nach  ihnen,  wie  ich  Unselige  färchte, 
Otto,  der  kaiserliche  Spross ;  und  ich  werde  bar  alles  mensch- 
lichen Trostes  zurückbleiben!"  3)  Und  in  diesem  Ausruf  liegt 
mehr  als  eine  Missbilligung,  liegt  eine  tiefe  Resignation  und 
Verzweiflung.  Ruhelos  zog  sie  von  Ort  zu  Ort.  In  Peter- 
Hngen,  ihrem  Werke,  entwickelte  sie  eine  rührende  Wohl- 
thätigkeit.^)  In  St.  Maurice,  wo  wir  Odilo  bei  ihr  finden,  brach 
sie  vor  dem  im  burgundischen  Hause  hochgehaltenen  Heiligen 

*)  Odil.  Ep.  Adelh.  c.  8:  Igitur  reciduis  diu  afflicta  verberibus  non 
p08sumu8  enarrareper  smgula,  quot  et  qualia  post  mortem  filii  8ibi  succes- 
serunt  incommoda.  Licet  illa  imperatrix  Graeca  sibi  et  aliis  fuisset  satis 
utilis  et  optima^  socriii  tarnen  auffustae  fuit  ex  parte  contraria.  Vgl.  die 
aus  dem  1 1 .  Jahrhundert  aus  Sciz  stammenden  Mir.  Adelh.  c.  2 :  ejus  pravo 
ingeniOf  deteriori  consilio  deceptuSj  regnum  Graecoriitn  conatus  est  adipisci, 

')  Ann.  Qnedlinb.  997;  ThietmarlV,  c.  SO:  Johannem  Cala^itanum 
Theophanu  imperatricis  dilectum  comitem  etc.  Es  kann  wohl  kein  Zweifel 
sein,  dass  er  identisch  ist  mit  dem  Griechen,  den  Odilo  als  ihren  Ratgeber 
erwähnt:  Ad  postrenium  vero  cujusdam  Graeci  aliorumque  adulantium 
consilio  fruens  etc. ;  Odil.  Ep.  Adelh.  c.  8. 

■)  Odil.  Ep.  Adelh.  c.  16:  Peribunt  in  Italia.  vi  credo^  multi  cum  eo, 
peribit  post  ipsoSj  ut  timeo,  heu  misera!  augustae  indolis  Otto;  retnanebo 
omni  humano  desfituta  solatio!  —  Franco  stand  dem  Kaiser  während 
seines  einjährigen  Aufenthalts  in  Italien  sehr  nahe  und  teilte  auch  die 
schwärmerischen  Regungen  desselben  in  dieser  Zeit.  Vgl.  Vita  Burchardi 
ep.  Wormat.  c.  3.  Man  darf  sich  also  nicht  wundem,  wenn  die  Kaiserin 
gerade  dieser  Todesfall  so  erschüttert.  *)  Odil.  Epit.  c.  13. 


344 

in  erschtttternde  Klagen  und  Thränen  ausJ)  Sie  weilte  in 
Genf  beim  hl.  Victor  nnd  dieser  Besuch  ward  bald  die  Ver- 
anlassung zur  Reform  des  Klosters,  ging  dann  nach  Lausanne 
zur  Gottesmutter,  wo  sie  den  Hof  versammelt  fand.  In  Orbe, 
wo  dann  das  Hoflager  aufgeschlagen  wurde,  vermittelte  sie 
eifrig  den  Frieden  zwischen  dem  Könige  und  den  Vasallen, 
wer  weiss,  ob  nicht  im  Auftrage  Odilos,  auf  den  sie  viel  hielt 
In  Souvigny  betete  sie  am  Grabe  des  hl.  Majolns,  den  sie  so 
sehr  in  Italien  gefördert  hatte;  schliesslich  kam  sie  nach  Cluni. 
Hier  sah  sie  Odilo  wieder 2),  der  sie  inzwischen  verlassen  hatte; 
gewiss  nicht  ohne  sein  Zuthun  geschah  es,  dass  sie  der  Kirche 
des  hl.  Martin  in  Tours  aushalf,  nachdem  sie  von  Feuersbrnnst 
schwer  geschädigt  worden  war.  Am  Ende  bedeckte  sie  das 
Gewand  des  Abtes  von  Cluni  mit  heissen  Küssen  und  empfahl 
von  Todesahnungen  erfasst,  ihre  Seele  dem  Gebete  seiner 
Mönche.^)  Auf  demselben  Wege,  auf  dem  sie  gekommen,  ging 
Adelheid  nach  Selz  zurück,  wo  sie  in  der  Nacht  vom  16.  zum 
17.  December  ihr  Leben  beschloss. 

in. 

Um  dieselbe  Zeit,  da  dies  geschah,  im  December  999,  kam 
der  Kaiser  mit  Romuald,  der  damals  in  Pereum  lebte,  in 
nähere  Berührung.*)  In  der  Absicht,  die  Abtei  San  ApoUinare 
in  Classe  zu  reformieren,  begab  er  sich,  nachdem  die  Brüder 
sich  den  unfern  in  der  Klause  weilenden  Romuald  zum  Abt 
erbeten  hatten,  nach  der  Celle  des  Eremiten  und  vei^weilte 
doli;  die  ganze  Nacht  von  Sonnenuntergang  bis  zum  frühen 
Morgen.  Mit  Mühe  wurde  Romuald  zur  Annahme  des  Amtes 
bewogen.  Wie  an  andern  Orten  geriet  er  aber  auch  hier  mit 
den  Mönchen,  die  ihre  Wahl  bereuten,  in  Streit,  und  noch  wäh- 
rend desselben  Aufenthalts  des  Kaisers  in  Ravenna  warf  Romuald 
ihm  und  dem  Erzbischofe  den  Hirtenstab  vor  die  Füsse.*) 

>)  Odil.  Epit.  Adelh.  c.  15  u.  16. 

')  c.  17:  Non  enim  oblita  Cluniacwn  adeo  sibi  familiäre  coe^iobiuni  etc. 
Dass  Odilo  sie  iDzwischen  verlassen  hatte,  geht  aus  c.  19  hervor:  Quem 
cum  illa  respiceret  et  ipse  eam  esset  intuitus. 

8)  c.  18  n.  19.  *)  V.  Romualdi  c.  22  ff. 

*)  Ich  folge  hier  und  im  Folgenden  der  Chronologie  der  Bmn.  V. 
quinque  fratrum  c.  2,  SS.  XV,  7 IS.  Sie  rührt  von  einem  unmittelbaren 
Zeitgenossen  und  teilweisen  Augenzeugen  her  und  verdient  schon  deshalb 


345 

Während  Otto  nun  nordwärts  zog,  um  am  Grabe  des 
Märtyrers  Adalbert  in  Gnesen  zu  beten,  eilte  Romuald  wie  ein 
Fliehender  nach  Monte  Cassino,  in  dessen  Nähe  Jobannes 
Gradenicns  ein  Eremitenleben  fährte.  Hier  schloss  sich  ihm 
mit  jugendlicher  Begeisterung  ein  junger  Beneventaner,  Bene- 
dict, an,  der  mit  so  erbarmungsloser  Strenge  sich  kasteite,  dass 
Romuald  von  ihm  sagte,  er  sei  wie  ein  Stein  im  Fasten  und 
Wachen.  Im  Herbst  des  Jahres  1000  erkrankte  jener  im  Kloster 
des  hl.  Benedict;  dann,  als  er  sich  erholt  hatte,  begab  er  sich  nach 
Rom  zur  selben  Zeit,  als  der  Kaiser  unter  dem  erheuchelten 
Jubel  der  Römer  wieder  in  der  ewigen  Stadt  einzog.  Otto 
bändigte  die  Tiburtiner,  die  ihren  Herzog  Mazolin  ermordet 
hatten,  und  Romuald  soll  damals  seinen  Einfluss  zu  Gunsten 
der  unglücklichen  Bürger  aufgewendet  haben.^)  Dann  war 
jener  bekannte  Aufstand  der  Römer  gefolgt,  die  Einschliessung 
auf  dem  Aveutin  und  Ottos  Rede  an  die  undankbaren  Bürger, 
die  jetzt  wie  umgewandelt  den  Rädelsführer  ergriffen.  In- 
zwischen hatte  Romuald,  der  sich  immer  auf  die  Suche  nach 
Jüngern  befand,  aus  der  nächsten  Umgebung  des  Kaisers 
dessen  Freund  Tammo,  wohl  den  Bruder  Bischof  Bernwards 
von  Hildesheim,  Bonifazius  oder  Brun  von  Querfurt,  einen  ge- 
wissen Benignus  und  andere  Deutsche  gewonnen,  mit  denen 
er  nach  Pereum  abzog.^) 

Endlich  weilte  Otto  von  Ende  März  bis  gegen  Mitte  Mai 
selbst  in  Ravenna.    Oefter  besuchte  er  die  Einsiedler  in  Pereum, 


höheren  Glauben.  Bei  Peter  Damiani  c.  22—26  folgt  nach  dem  Ereignis 
in  S.  Apollinare  der  römische  Aufenthalt,,  dann  wird  der  kaiserliche  Auf- 
enthalt in  den  Fasten  in  S.  ApolÜDare  erwähnt,  endlich  Romnalds  Reise 
von  Tibur  nach  Monte)  Cassino,  von  wo  er  erst  wieder  nach  Pereum 
kommt. 

0  Ich  lege  auf  diese  Nachricht  des  späten  Petrus  Damiani  c.  28  kein 
grosses  Gewicht;  die  Vita  Bemwardi  c.  23  weiss  nur  von  dem  Rate  des 
Bemward. 

')  V.  Rom.  c.  25 :  Tammum  quemdam  Tentonicum,  qui,  sicut  dicitur, 
in  tantum  regt  familiaris  et  carus  extiteratj  ut  utrixisque  vestes  utmmqtne 
contegerent  et  amborum  manus  unaparopsi  communi  saepe  coninvio  sociaret; 
Brunon.  V.  qninque  fr.  c.  2,  SS.  XV,  718:  ablatis  duobus,  quorum  atnor 
tetigit  viscera  cesariSj  quorum  unus  vocabatur  Benignus,  alter  Thonw»; 
aller  Wahrscheinlichkeit  ist  Thomas  nur  die  christianisirte  Form  ftir  Tam- 
nns  oder  Tammo.  Als  Tammo  begegnet  er  V.  Bemwardi  c.  35.  Bonifaz 
nennt  Petrus  Damiani  c.  27. 


346 

bald  mitten  in  der  Nacht,  bald  am  bellen  "Rage  erschien  er, 
ohne  dass  man  in  der  Pfalz  von  diesen  Besnehen  wnsste.') 
„Za  dieser  Stande*^  soll  er  vor  zwei  oder  drei  Zeugen  in 
Romualds  Gegenwart  gesagt  haben,  „verspreche  ich  Gott  und 
den  Heiligen:  nach  drei  Jahren,  innerhalb  deren  ich  die  Fehler 
meiner  Regierung  gut  machen  werde,  will  ich  nach  meiner  Besse- 
rung die  Herrschaft  aufgeben  und  nach  Vergabung  der  Erbschaft 
meiner  Mutter  von  ganzer  Seele  Christus  in  Armut  folgen.  "2) 
Nach  einer  andern  Nachricht  hätte  er  auf  Bomualds  Mahnung 
Mönch  zu  werden  erklärt,  er  wolle  erst  das  rebellische  Rom 
unterwerfen,  um  dann  siegreich  wieder  nach  Ravenna  zurück- 
zukehren.^) Der  jugendliche  Kaiser  ward  fast  völlig  in  die 
Anschauungen  dieser  Kreise  gezogen.  Aber  er  zögerte  doch 
noch  sich  ihnen  ganz  hinzugeben.  Damals  fasste  er  zuerst  den 
Gedanken,  Brüder  aus  der  Einsiedelei  als  Missionare  nach  dem 
Slavenlande  zu  senden  und  durch  sie  für  die  Neubekehrten 
ein  Kloster  errichten  zu  lassen.  Inzwischen  legte  er  den 
Grund  zu  einem  Kloster  des  hl.  Adalbert  in  Perenm ;  hundert 
Pfund  wendete  er  auf  das  Werk,  dessen  prächtiger  Rundbau 
sich  auf  Marmorsäulen  erhob.^)  Das  Stift  stattete  er  mit  be- 
nachbarten Gütern  von  Classe  aus.^)  In  Gegenwart  vieler 
Bischöfe  fand  die  Weihe  der  Basilica  statt«)  —  wohl  nur 
eines  kleinen  Teiles  —  und  es  scheint,  dass  die  grosse  Ver- 
sammlung, die  wir  am  4.  April  in  Classe  um  den  Kaiser  an- 
treffen^), zu  diesem  Zweck  zusammengekommen  war. 

Es  macht  den  Eindruck,  als  wenn  sich  die  Elite  der 
reformatorischen  Kreise  Norditaliens  hier  ein  Stelldichein  ge- 
geben hätte.  Um  Kaiser' Otto  und  den  Papst  scharten  sich 
Bischöfe,  Aebte,  Diaconen,  Mönche,  Eremiten,  Cleriker,  Grafen, 
Richter,    Consuln  u.  s.  w.     Die  Bischöfe   von   Como,   Verona, 


>)  Brun.  V.  qu.  fr.  c.  2,  SS.  XV,  719. 

»)  y.  qu.  fr.  c.  2.  »)  V.  Rom.  c.  30. 

*)  V.  qu.  fr.  c.  2,  p.  718.  719. 

*)  V.  Rom.  c.  30:  praesidia;  offenbar  praedia  zu  emendiren. 

*)  V.  qn.  fr.  c.  3 :  dedicationem  huius  basilicae  in  manu  multorum 
epiacoporum  honorifice  fecit. 

'')  Vgl.  das  Placitum  bei  Fantuzzi,  Monum.  Ravenn.  lil,  13.  Dass 
Odilo  im  April  1001  nicht  in  Cluni  war,  geht  auch  aus  CHOL  III,  2541 
hervor,  wo  an  seiner  Stelle  der  Prior  Vlvianus  allein  ein  Tauschgeschäft 
abschliesst. 


347 

Vercelli,  Sutri,  Cesina,  Comachio  und  Hatria  hatten  sich  in 
der  kaiserlichen  Pfalz  eingefunden.  Von  Aebten  finden  wir 
aasser  Odilo  von  Cluni,  dem  wir  seit  dem  April  999  hier 
wieder  zuerst  jenseits  der  Alpen  begegnen,  seinen  Freund 
Andreas  von  St.  Salvator,  Girbald  von  St.  Christina  am  Oglio, 
einen  Schüler  des  Majolus^),  also  ebenfalls  einen  Glnniacenser, 
Anastasius  von  St  Maria,  Bonizo  von  St.  Severus,  beides 
Schüler  des  hl.  Wilhelm  von  Dijon ,  Arderadus  von  S.  Apolli- 
nare  in  Classe.  Dazu  Bomuald  selbst,  der  sich  Abt  und  Eremit 
nennt,  die  Eremiten  Wilhelm,  Bonfazius  und  zwei  Johannes. 
So  hatten  Kaiser  und  Papst  ihre  Residenz  inmitten  des  Lagers 
der  Anachoreten  aufgesehlagen.  Man  verhandelte  über  die 
Loslösung  der  Abtei  Santa  Maria  di  Pomposa,  welche  Adelheid 
dem  von  ihr  gegi'ündeteu  Kloster  St.  Salvator  in  Pavia  zuge- 
wiesen hatte.  Da  aber  ältere  Rechtsbriefe  für  den  klagenden 
Erzbischof  von  Ravenna  sprachen,  so  verzichtete  Abt  Andreas 
zu  Gunsten  desselben  auf  die  Abtei,  die  in  jener  Zeit  bereits 
von  Eremiten  bewohnt  war  oder  bald  von  solchen  besiedelt 
wurde.2)  Natürlich  war  diese  Verhandlung  schwerlich  der 
Zweck,  welcher  so  viele  hervorragende  Geistliche  in  Ravenna 
vereinigte;  eher  kann  es,  wie  bemerkt,  die  Weihe  der  neuen 
Basilica  St.  Adalbert  gewesen  sein;  möglicherweise  hatte  ein- 
fach die  Anwesenheit  von  Kaiser  und  Papst  den  benachbarten 
Clerus  angezogen.  Bemerkenswert  ist  die  Urkunde,  die  uns 
die  Häupter  der  Christenheit  in  solcher  Umgebung  zeigt,  für 
uns  namentlich  noch  dadurch,  weil  wir  die  reformatorischen 
Köpfe,  die  aus  der  Schule  Clunis  und  Dijons,  und  die  Jünger 


*)  Rod.  V.  Wilh.  c.  16:  Gerbaldüa  almi  patria  Maioli  mo^iachus  ac 
praedicti  coenobii  sanctae  Christinae  abbas.  Das  Kloster  ist  976  im  Be- 
sitz des  Bischofs  von  Pavia;  vgl.  die  Urkunde  Ottos  IL  v.  22.  Nov.  977, 
DO  II,  n.  144,  p.  161.  Mabilion,  Ann.  Bened.  IV ,  124  will  den  Mönch  6er- 
bald,  welcher  in  einem  Briefe  Silvesters  IL  an  Odüo  auftritt:  quae  nostrae 
auctoritati  per  Gerbaldum  veatrum  monachum  discutienda  praettentasti  mit 
dem  Abte  v.  St.  Christina  identificieren;  doch  geht  aus  der  Bemerkung 
Rodolfs  Glaber  wohl  hervor,  dass  Gerbald  bereits  unter  Majolus  von 
Cluni  fortkam,  lieber  die  Archive  von  St.  Christina  vgl.  v.  Sickel,  MittheiL 
d.  Inst.  XII  (1891),  505  ff. 

«)  Vgl.  Hirsch,  Jahrb.  Heinr.  II,  I,  389;  am  81.  März  1001  wohnen  hier 
£remiten.  Otto  III.  bestätigt  den  Besitz  der  Abtei  petitione  domni  Wil- 
helmi  heremitae  bei  Mittarelli,  Ann.  Camaldul.  I,  159;  St  1253. 


348 

Romnalds  in  getneiüsamen  Interes8ea  sich  begegnen  sehen. 
Bedeutender  aber,  als  gerade  die  Schule  Clunis,  wurde  fttr 
die  Verbindung  der  französischen  und  italienischen  Reforni- 
raänner  Wilhelm  von  Dijon,  der  selbst  ein  Italiener  war  und 
sein  Kloster  Saint- Benigne  zu  einem  Sammelplatz  zahlreicher 
von  der  Strömung  der  Zeit  erfasster  Landsleute  machte,  und 
zwar  gerade  ehe  seine  Stiftung  Fruttuaria,  über  die  wir  noch 
reden  werden,  sich  erhob,  ergoss  sich  ein  Strom  italienischer 
und  auch  griechischer  Bischöfe  und  Mönche  nach  dem  bur- 
gnndisehen  Kloster.  Da  war  ein  Bischof  von  Albenga,  wohl 
Erembert,  ein  griechischer  Bischof  Barnabas*),  Wilhelm  von 
Lacedämon^);  ein  Bischof  Benignus  kam  von  Rom  nach  Dijon, 
dem  Papst  Benedict  VIII.  auch  als  Mönch  zu  ordinieren  er- 
laubte.^) Dann  wird  genannt  Abt  Johannes  von  Capua,  ein 
Abt  Marcus  eines  unbekannten  Klosters  u.  a.;  Johannes  von 
S.  Apollinare  in  Ravenna^),  der  von  1007  —  1009  Abt  in  dem 
von  Herzog  Peter  973  gegründeten  Stift  war*^),  zählte  ebenfalls 
zu  Wilhelms  Schülern.  Nach  St.  Severus  in  Classe  verpflanzte 
Benedict  die  Institutionen  des  Abtes  von  Saint -Benigne.*) 
Anastasius,  wahrscheinlich  der  Abt  eines  Marienklosters  in  der 
Provinz  Selavanum  studierte  in  Dijon;  beide  fanden  wir  am 
4.  April  1001  in  Classe.^)    Ein  Mailänder  Archidiaeon  Gotefred 


')  Chron.  S.  Benigni  ed.  Bougaud  p.  152. 

')  Im  Necrol.  S.  Benigni  bei  Montfaucon  II,  1165  findet  sich  zu  XVI 
Kai.  April:  Depositio  domni  Willelmi  Lacedaemoniensis  episcopi.  Da 
unter  Wilhelm  viele  Griechen  nach  Dijon  kamen,  so  gehört  dieser  Bischof 
sicher  unter  diese. 

8)  Brief  Benedicts  Vm.  an  Wilhelm  bei  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV, 
206;  J.-L.  4049. 

*)  Chron.  S.  Benigni  a.  a.  0.  p.  152. 

^)  Series  degli  abbati  bei  Fantuzzi,  Monum.  Ravenn.  VI,  259 ;  Chron. 
S.  Benigni  a.  a.  0. 

^)  Chron.  S.  Ben.  a.  a.  0.  Einen  Abt  Benedict  finde  ich  nicht,  wohl 
aber  Bonizo.  Dieser  ist  am  4.  April  1001  in  S.  Apollinare  in  Classe  (Fan- 
tuzzi  III,  13).  Indes  hatte  S.  Severus  wohl  mehrere  Aebte  dieses  Namens. 
Bonizo  begegnet  970  bei  Fantuzzi  II,  365 ;  988,7.  März  bei  Mittarelli,  Ann. 
Camaldul.  I,  app.  108;  1029  bei  Mittarelli  II,  app.  19;  am  20.  April  1040 
ebenda  II,  app.  79. 

')  Chron.  S.  Ben.;  Fantuzzi  III,  13  u.  Mittarelli  I,  160.  lieber  das 
mofiasterium  S.  MaHae  Selavanense  in  provmcia  habe  ich  nichts  finden 
können. 


349 

kam  mit  reichen  Sehätzen  zn  Wilhelm  i);  er  wurde  später  mit 
Einwilligung  desselben  Abt  von  San  Ambrogio  in  Mailand.^) 

Aber  auch  mit  den  Eremiten  bahnten  sich,  da  Wilhelm 
des  öfteren,  wie  wir  noch  sehen  werden,  nach  Italien  kam, 
nähere  Beziehungen  an.  Besonders  nahe  standen  ihm  die 
Venetianer^),  in  deren  Nähe  das  Hauptlager  der  Einsiedler 
sieh  befand;  beabsichtigte  doch  der  Doge  Pier  OrseoloII.,  der 
Freund  Kaiser  Ottos,  wie  sein  Vater  in  Saint-Michel  de  Gnsan, 
unter  Wilhelm  die  Kutte  zu  nehmen.  Der  hl.  Romuald  selbst, 
sein  Lehrer  Marinus  von  Venetien,  sowie  sein  Schüler  Wilhelm 
waren  zu  Wilhelm  von  Volpiano  in  ein  engeres  Verhältnis 
getreten.^)  Einige  der  Anachoreten  verliessen  sogar  die  Klause 
und  begaben  sich  in  seine  Schule,  so  zwei  hochgelehrte  Männer, 
Johannes  und  Paulus,  von  denen  der  erstere  Abt  von  Fruttuaria 
wurde,  der  andere  in  Dijon  starb.*) 

IV. 
Gar  mannigfaltig  verknüpften  sich  so  die  Fäden  zwischen 
den  französischen  und  italienischen  Reformmännern  der  ver- 
schiedenen Richtungen.  Sehr  deutlich  tritt  aber  dieser  Zu- 
sammenhang zwischen  den  Trägern  der  religiösen  Bewegung 
gelegentlich  der  Reform  von  Farfa  im  Sabinerlande  zu  Tage. 

')  Chron.  S.  Ben.  a.  a.  0. 

>)  In  Betracht  kämen  Gottfried  I,  den  ich  1016  (Urk.  bei  Puricelli, 
Ambros.  med.  basil.  et  monast.  Monum.,  Mediolani  1645,  I,  841)  und  Nov. 
1019  (Placit.  des  kais.  Missus  Anselm  bei  Mnratori,  Antiq.  Ital.  V,  931) 
nachzuweisen  vermag  und  der  spätestens  1028  starb  (Sept.  1028  ist  bei 
Puricelli  I,  358  bereits  sein  Nachfolger  Wido  nachzuweisen)  n.  Gottfried  II, 
der  1032  vor  dem  Erzbischof  Aribert  die  üble  Lage  seiner  Abtei  beklagte 
und  den  Erzbischof  bat,  den  Schädigungen  derselben  Einhalt  zu  thun. 
Urk.  bei  Bartholomaeus  Aresius,  Insig.  basilicae  et  imper.  coenob.  S.  Am- 
brosii  Mai.  Mediol.  abbatum  chronologica  series,  Mediolani  1674,  Privilegia 
et  diplom.  p.  59. 

')  Rod.  V.  Wilh.  c.  29:  Quis  enim  unquam  aliua  praeter  cum  Vene- 
ticorum  getitetn  in  tarn  amica  familiaritate  habuit? 

*)  Chron.  S.  Benigni  a.  a.  0.  p.  153:  Ipsi  denique  sancti  viri  patres 
et  dociores  ereniitarum  existentes^  fania  sanctitatis  hnge  lateque  notificatif 
Bonialdus  scÜicetj  Willelmus  ac  MartimiSf  quos  in  magna  veneratione  ha- 
bebat urbs  Bavennaj  ceterique,  quos  intra  se  concludit  Italittf  patris  Willelmi 
expetebant  societatem,  üeber  Marinus  vgl.  V.  Rom.  c.  8 ;  über  Wilhelm 
ebenda  c.  31 ;  vgl.  Mittarelli,  Ann.  Camald.  I,  159. 

*)  Chron.  S.  Benigni  a.  a.  0.:  Ipsi  vero  cultores  eretni  relicta  quiete 
solitudinis  gaudebant  sub  eius  magisterio  assodari  coenobitis. 


350 

Hier  hatte  Dach  dem  Tode  des  Abtes  Alberieh  im  Jahre 
998  ein  gewisser  Hago,  der  im  April  973  das  Licht  der  Welt 
erblickt  hatte ')  und  mit  dreizehn  Jahren  dem  Benedietinerorden 
beigetreten  war*),  Papst  Gregor  V.  Geld  für  den  Besitz  der 
Abtei  geboten,  und  wunderbarer  Weise  war  der  von  der  Re- 
formpartei mit  solcher  Freude  begrtisste  heilige  Vater  auf  den 
simonistischen  Vorschlag  eingegangen.^)  Als  aber  Otto  III. 
den  Handel  erfuhr,  geriet  er  in  nicht  geringen  Zorn.  Er  er- 
klärte die  Erhebung  Hugos  für  ungültig  und  hatte  das  Kloster 
bereits  einem  Bischof  Hugo  zu  Lehen  gegeben^),  als  die  Bitten 
der  Brüder  gerade  in  den  Tagen  der  Anwesenheit  Odilos  ihn 
veranlassten,  Hugo  unter  der  Bedingung  wieder  einzusetzen, 
dass  die  kaiserliche  Oberherrschaft  über  Farfa  stets  bewahrt 
bleibe,  der  von  der  Congregation  gewählte  Abt  dem  Kaiser 
präsentiert  und  nach  Bestätigung  vom  Papste  geweiht  werde.^) 
Wenig  später  bestätigte  er  den  Besitz  und  die  Immunität  der 
Abtei.  Indem  der  Kaiser  auch  sonst  den  abhanden  gekommenen 
Grundbesitz  wieder  einzubringen  sich  bemühte*),  zu  einer  Zeit, 
als  der  Abt  fortwährend  vor  dem  kaiserlichen  Pfalzgericht  und 
der  römischen  Curie  gegen  die  unrechtmässigen  Insassen  und 
Eindringlinge  Klage  führte,  verfolgte  er  nicht  nur  wirtschaft- 
liche und  religiöse  Zwecke,  sondern  ganz  besonders  auch 
politische;  waren  doch  die  Crescentier  und  ihre  Verwandten, 
die  in  der  Sabina  durch  List  und  Gewalt  ein  Stück  Klostergnt 
nach  dem  andern  an  sich  brachten,  die  eifrigsten  Feinde  seiner 
Herrschaft,  denen  er  den  materiellen  Boden  entzog,  wenn  er 
die  geraubte  Beute  ihren  Händen  eutriss.    Am  22.  Sept.  999 


»)  Ann.  Farf.  973.  «)  Ann.  Farf.  986. 

")  Hist.  Farf.  c.  16;  Constit.  Hugonis  (Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  110): 
Denique  cum  in  hanc  abbatiam  cupiditate  honoris  captvs  venire  audereniy 
pecuniam  obtuli  domino  papae  et  sttidui  eum  acquirere  inique.  Greg. 
Catin.  Chron.  c.  3,  SS.  XI,  559 ;  Ann.  Farf.  998.  Urk.  Ottos  III.  v.  22.  Febr.  998 
bei  Muratori  SS.  II,  b,  492.  In  Bezug  auf  die  Bestechlichkeit  Gregors  ist 
noch  eine  andere  Urkunde  von  Farfa  charakteristisch.  In  einem  Placitum 
vom  December  999  (Reg.  Farf.  III,  nr.  437,  p.  149)  heisst  es :  Tunc  supra- 
dictiis  Gregorivs  papa  propter  pecuniam,  quam  acceperat  a  Gregorio  abbate. 

*)  Urk.  V.  3.  Oct.  999;  St.  1198. 

»)  Urk.  V.  22.  Febr.  998;  St.  1146;  vgl.  Kehr,  Die  Urkunden  Ottos  III., 
Innsbruck  1890,  S.  247  n.  2. 

•)  Vgl.  Reg.  Farf.  III,  nr.  427,  p.  141  v.  23.  April  998. 


351 

erklärte  Otto  in  Farfa  alle  von  Hugo  oder  seinem  Vorgänger 
auf  Befehl  des  Bisehofs  Hngo  abgeschlossenen  Libellarverträge 
für  ungültig,  sprach  dem  Abt  die  alleinige  Jurisdiction  über 
die  Pächter  und  Zinsleute  der  Abtei  und  ebenso  das  Recht  zu, 
auf  allen  Besitzungen  anstatt  der  königlichen  Beamten  das 
Fodrum  zu  erheben  i)  und  ebenso  bestimmte  er,  dass  das 
Kloster  nie  in  Lehnbesitz  ausgegeben  werde,  sondern  immer 
dem  Reiche  unmittelbar  erhalten  bliebe.^) 

Vielleicht  hat  Odilo  schon  damals,  als  es  sich  um  die 
Absetzung  Hugos  handelte,  ein  gutes  Wort  für  ihn  eingelegt 
Jedenfalls  war  es  ihm  wenig  später  —  es  ist  ungewiss,  ob  noch 
im  Jahre  999  oder  erst  1001  —  vergönnt,  gemeinsam  mit  Wil- 
helm von  Dijon  in  Farfa  einzuwirken.  In  Hugo  nämlich,  der 
eine  durchaus  religiöse  Natur  war,  pochte  bald  das  Gewissen 
über  die  unwürdige  Occupation  des  Abtstuhles.  Er  bemühte 
sich  daher  zunächst  die  alten  Unsitten,  die  wir  noch  von  den 
Zeiten  Odos  her  kennen,  abzuschaffen:  stolzierten  doch  die 
Mönche  in  Laienkleidern  umher,  scheuten  sie  sich  doch  nicht 
im  Refectorium  Fleisch  zu  geniessen.  Zuerst  holte  Hugo 
Mönche  aus  Subiaco,  fand  aber  nicht  die  Zucht,  die  er 
brauchte,  und  ebensowenig  machte  er  in  Monte  Cassino  er- 
freuliche Beobachtungen,  wo,  wie  wir  wissen,  eben  die  Zeiten 
Mansos  vorangegangen  waren.  Da  wirkte  das  Beispiel  Romualds 
auf  ihn  ein,  dessen  Schüler  Johannes  mit  einem  Gefährten 
nach  Cluni  gegangen  war,  um  sich  dort  umzusehen,  und  die 
gemachten  Beobachtungen  aufzuzeichnen.  Ravennater  Mönche, 
die  er  sich  kommen  liess,  sprangen  zwar  mit  dem  Abte  nicht 
glimpflich  um,  da  er  ihnen  vom  täglichen  Unterhalt  Abzüge 
machte,  —  endlich  gab  ibm  das  Erscheinen  Odiles  und  Wilhelms 
von  Dijon  eine  feste  Stütze  zur  Durchführung  der  beabsichtigten 
Reformen.  Hugo,  den  sein  Vergehen  ängstigte,  hatte  inzwischen 
daran  gedacht,  den  Krummstab  niederzulegen.  Aber  die  beiden 
Reformmänner,  [die  sofort  erkannten,  welche  Förderung  ihre 


>)  Reg.  Farf.  III,  nr.  431,  p.  145,v.  22.  Sept.  999;  St.  1196.  Die  Worte:  c* 
cuncta  quae  ad  am  aepiscoptut  n.  8.  w.  sind,  da  vorher  von  B.  Hugo  die 
Rede  war,  offenbar  zu  emendieren:  quae  idem  aepisc. 

«)  SL  1198  V.  3.  Oct.  999;  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  app.  p.  638;  Mu- 
ratori  II,  b,  493;  Registrum  Farf.  III,  nr.  429,  p.  143:  sed  semper  pennaneai 
Beipvblicae  deatinatum. 


352 

Tendenzen  durch  den  ihnen  geneigten  Abt  von  Farfa  erhalten 
könnten,  verboten  ihm  abzudanken:  als  Busse  für  sein  simo- 
nistisches  Eindringen  in  den  Schafstail  des  Herrn  verlangten 
sie,  dass  er  die  Institutionen  Clunis  in  seinem  Kloster  ein- 
führe.i)  Die  Aebte  von  Cluni  und  St  Benigne  unterzeiehneten 
selbst  die  Constitution  Hugos,  in  welcher  dieser  sich  ver- 
pflichtete, die  cluniacensischen  Gebräuche  einzuführen  in  den 
kirchlichen  Officien,  in  Bezug  auf  wttrdige  Lebensweise,  Kleidung 
der  Brüder,  Lebensunterhalt  für  alle  Tage  und  die  heiligen 
Feste,  soweit  mit  Gottes  Uilfe  es  die  Lage  des  Ortes  gestatte. 
Endlich  bestätigte  Papst  Silvester  IL  die  Neuerung  durch  seine 
Autorität.2) 

Ich  sehe  nicht,  dass  Silvester  IL  sonst  den  Cluniacensern 
oder  den  Reformmännern  überhaupt  näher  getreten  wäre.^) 
Dass  er  Männer  wie  Majolus  hochschätzte,  wissen  wir.  Ebenso 
hat  er  mit  Benedictineräbten  und  Mönchen  öfter  im  Briefwechsel 
gestanden,  aber  aus  eben  dieser  Gorrespondenz  geht  deutlich 
hervor,  dass  es  nur  litterarische  oder  politische  Beziehungen 
sind,  die  ihn  mit  jenen  verknüpften.  Ganz  entschieden  stand 
er  aber  der  Mönchspartei  gegenüber  zur  Zeit  des  Beimser 
Bischofstreites.  Damit  ist  freilich  nicht  gesagt,  dass  er  ihren 
Tendenzen    im    allgemeinen    unfreundlich    gesinnt    gewesen 


')  Die  Hauptquelle  ist  die  Constitutio  Ilugonis  bei  MabUion,  Ann. 
Bened.  IV,  liu.  Daneben  kommt  in  Betracht  die  etwas  wirre  Erzählung 
im  Ord.  Farf.  (SS.  XI,  545),  wo  namentlich  der  Einfluss  Komualds  auf  Hugo 
hervorgehoben  wird.  Hier  heisst  es:  U7ius  vaUle  inspiratiis  et  accenm^8  in 
fervore  nionastico  ex  diacipulis  donini  Romualdi,  nomine  Johannes j  ctwi 
uno  »tto  socio  ad  videyidum  et  scribendum  properamt  apud  eundeni  C/tmui- 
censem  coeTwbium.  Weiter  wird  dann  Johannes  als  Mönch  eines  unter 
einem  Abt  Joseph  stehenden  Marienklosters  in  Apulien  bezeichnet  Von 
Hugo  heisst  es,  dass  er  haec  et  multa  alia  in  suo  atitiqtio  coenobio  advexity 
ut  ab  illorum  usu  tn  nullo  disci-eparH.  Von  Odilos  und  Wilhelms  Auf- 
enthalt in  Farfa  wird  hier  nichts  bemerkt.  Nach  der  Constitutio  stellten 
sie  an  Hugo  die  Forderung:  ut  praefati  Cluniemns  monasterii  sanctam 
consuetamque  religionem  in  hoc  nostro  niona^terio  itttroduceretn.  Die  Dis- 
ciplina  Farfensis  ist  gedruckt  bei  Hergott,  Vetus  discipl.  monastica,  1726. 

')  Constit.  Hugonis  a.  a.  0. :  ui  officiis  ecclesiasticis  et  dignis  moribus 
ec  confrati-um  cultu  vestium  sive  copia  victtis  et  in  sanctis  soletnnitatibus, 
in  qttantum  huitis  loci  possibilitas  Doniino  administrantc  exegerit. 

*)  Vgl.  Harttung,  Histor.-diplom.  Forschungen  S.  1^2. 


353 

wäreJ)  Die  engen  Beziehungen  zwischen  dem  römischen  Stuhle 
und  Clnni  kommen  sogar  in  einem  Schreiben,  das  er  als  Papst 
an  Odilo  richtete,  insofern  deutlich  zum  Ausdruck,  als  er  be- 
merkte, dass  wo  auch  der  EinflusR  des  Papsttums  hinreiche, 
die  Bestrebungen  Clunis  keiner  Schwächung  unterliegen  sollen.^) 
Er  stand  aller  Askese  und  religiösen  Schwärmerei  fern:  eine 
praktische  Natur  von  grossen  hierarchischen  Gesichtspunkten, 
die  ihre  Ideale  mehr  aus  der  Beschäftigung  mit  den  antiken 
Autoren  und  dem  römischen  Altertum,  als  aus  geistlichen  An- 
schauungen hervorholte.  Dass  Odilo  oder  ein  anderer  der 
französischen  Aebte  besonderen  Einfluss  auf  ihn  gewann,  ist 
nicht  nachzuweisen.  Das  einzige  Mal,  soviel  wir  wissen,  da 
Odilo  mit  einer  Bitte  sich  an  ihn  wandte,  deren  Erfüllung  der 
Stärkung  der  mönchischen  Tendenzen  dem  Episcopat  gegen- 
über gleichgekommen  wäre,  wies  er  ihn  ab:  er  verweigerte 
einem  Bischöfe,  der  in  Gluni  Mönch  geworden  war,  die  Er- 
laubnis zu  ordinieren^),  und  stellte  sich  damit  auf  den  Stand- 
punkt der  Bischöfe,  welche  die  Schwächung  ihrer  Befugnisse 
und  Rechte  durch  das  Mönchtum  ^bekämpften.  Und  wenn 
er  schon  als  Erabiscbof  von  Ravenna  998  in  einem  Provinzial- 
eoncil  alle  Weihen,  Promotionen  und  Ordinationen  in  einer 
anderen  Diöcese  ohne  Bewilligung  und  Zustimmung  des  be- 
treffenden Bischofs  untersagte^),  so  zeigt  sich  auch  hierin  die 
Absicht,  demselben  Bestreben  des  Mönchtums  entgegenzu- 
treten. 


0  Dass  die  Schrift  De  infortnatione  episcoporum,  von  der  nur  eine 
Handschrift  seinen  Namen  bietet,  ihm  nicht  angehört,  vgl.  v.  Pflagk-Hart- 
tang  im  N.  Archiv  I,  587  fif.,  Ewald  im  N.  Archiv  YIll,  354 ;  Schultess, 
Papst  Silvester  II  (Gerbert)  als  Lehrer  und  Staatsmann,  Osterprogr.  des 
Wiihelmsgymnasinms  in  Hamburg  1891,  S.  8. 

')  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  134:  quia  in  quocuvnque  noster  vcduerit 
statuSj  nuUo  modo  veater  defectum  sentiet  profectus. 

')  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  134.  Uebrigens  teilte  bereits  Gregor  V. 
denselben  Standpunkt,  wenn  er  in  der  Urk.  Hir  Fleury  (Pfister,  Etndes 
sur  le  r^gne  de  Robert  le  Pieux  nr.  XI)  bestimmte:  Si  vero  abba  vel  nio- 
nachus  de  eodern  monastmo  ad  clericatus  ordinem  promotus  fuerity  non 
illic  habeat  ulterius  potestatem  renioi'andi  aut  aliquid  ordinandi.  Auf  der 
anderen  Seite  hat  Benedict  VIII.  ein  ähnliches  Gesuch  Wilhelms  v.  Dijon 
bewilligt  J.-L.  4019. 

*)  Conc.  Ravenn.  c.  3,  Mansi  XIX,  220. 

Sackur,  Clujiiaceiiaer.    I.  23 


354 

Man  weiss,  dass  Silvester  II.  die  Hauptstütze  flir  die  phan- 
tastischen Pläne  Ottos  III.  abgegeben  hat  Sein  Ideal  war 
aber  vielleicht  weniger  die  Wiederherstellung  des  früheren 
römischen  Weltreiches,  als  eine  Restanration  Italiens  mit  Rom 
als  Mittelpunkt,  der  Respublica  Romana.^)  Er  war  der  erste 
vom  Schlage  der  Rienzi,  die  ihre  Ideale  nicht  kirchlichen 
Anschauungen,  sondern  der  antiken  Litteratur  entnahmen. 
Von  seinem  Vaterlande  wollte  er  nichts  wissen.^)  Die  Haupt- 
sache war,  dass  Rom  der  Mittelpunkt  des  neuen  Reiches 
wurde,  dass  der  Populus  Romanus  seine  Weltstellung  wieder- 
erlange. Wir  haben  jetzt  das  Urteil  eines  unmittelbaren  Zeit- 
genossen und  Freundes  des  Kaisers,  Bruns  von  Querfnrt  Er 
tadelt  ebenso  wie  Romuald^)  und  Odilo  durch  den  Mund  der 
Kaiserin  Adelheid^)  die  italienischen  Kämpfe,  die  Otto  um 
seines  Zweckes  willen  führte.  Nur  Rom  habe  ihm  gefallen, 
das  römische  Volk  habe  er  in  kindischem  Spiele  zu  seinem 
früheren  Glanz  wieder  erheben  wollen.^)  Das  sei  sein  Fehler, 
damit  sei  er  nicht  auf  dem  rechten  Wege  gewesen.  Wie  die 
antiken  und  heidnischen^  Könige  habe  er  sich  unablässig  be- 
müht, den  toten  Glanz  der  veralteten  Roma  wiederzuerwecken.^) 

^)  Vgl.  Urk.  y.  7.  Mai  999  fUr  Vercelli  bei  Provana,  Studi  crit.  nr.  16: 
ut  libere  et  secure  permanente  Dei  ecclesia  prosperetur  nostrum  itnperium, 
triumphet  Corona  nostrae  militiej  propagetur  potentia  populi  Bamani  et  re- 
stitiKäur  respublica.  Was  unter  respublica  zu  yerstehen  ist,  geht  dentUch 
aas  der  Urk.  v.  3.  Oct.  999  ftir  Farfa  (St,  1198)  hervor:  qualiter  nos  qvM- 
dam  die  Bomam  exeuntes  pro  restituenda  Republica  cum  marchione 
nostro  JSugone  convenimu8f  et  conailio  i mp erii  nostri  cum  venerabili 
papa  Silvestro  secundo.  Die  Gegenüberstellung  der  Beratung  mit  dem 
Markgrafen  von  Tuscien  pro  restituenda  republica  und  der  Reichs- 
angelegenheiten, zeigt,  dass  unter  respublica  Italien  zu  verstehen  ist 
Vgl.  Giesebrecht  I,  877.  892;  Ranke,  Weltg.  VII,  69;  Kehr,  HistZftS.  399  iT. 

')  Vgl.  Brun.  V.  qu.  fr.  c.  7;  andere  Belege  dafür  bei  Schnltess, 
Silvester  II,  S.  47. 

')  Nach  der  Y.  Rom.  c.  30  sagte  ihm  Romuald:  Si  Bomam,  inquit, 
ieriSj  Bavennam  idterius  non  videbis,  *)  Vgl.  oben  S.  343. 

•)  Brun.  V.  qu.  fr.  c.  7 :  Nam  cum  sola  Roma  ei  placeret  et  ante  omnes 
Romanum  populum  pecunia  et  honore  dilexissetj  ibi  semper  stare,  hanc 
renovare  ad  decorem  secundum  pristinam  dignitatem  ioco  puef*ili  in 
cassuim  cogitavit 

•)  Enimvero  more  regum  antiqtiorum  et  paganorum,  qui  suam  vo- 
luntatem  difficile  relinquit,  inveteratae  Romae  morttmm  decorem  renovare 
supervacuo  labore  insistit. 


r 


35  o 

„Er  hat  gelesen  und  nicht  verstanden',  meint  derselbe  Ge- 
währsmann, «denn  der  Hang  zu  den  irdischen  DiDgen  blendet 
die  Sinne  der  Menschen'^J)  Dem  entgegen  stellt  er  seine 
hingebende  Frömmigkeit  der  letzten  Jahre,  seine  Freigebigkeit, 
seine  Neigung  zur  mönchischen  Askese. 

Wir  sehen  schon  daraus,  welche  Stellung  die  italienischen 
Eremiten  diesen  Bestrebungen  gegenüber  einnahmen.  Wir  ver- 
stehen, warum  sie  ihm  fortwährend  Weltentsagung  predigten. 
Zwischen  dem  Einfluss  Silvesters  und  dem  eines  Romuald, 
Adalbert  und  Nilus  stand  der  jugendliche  Kaiser:  das  Ideal 
des  alten  römischen  Staatswesens,  das  Ideal  christUcher  Welt- 
entsagung, die  entgegengesetzten  Weltanschauungen  zweier 
Cnlturepocheu,  kämpften  um  seinen  Besitz  und  rissen  ihn  von 
törichter  Ueberhebung  irdischer  Grösse  zur  Selbstvemichtung, 
und  von  der  Negation  menschlicher  Triebe  zur  Selbstvergötterang 
römischer  Cäsaren.  Die  Cluniacenser  standen  sowohl  der  einen, 
wie  der  andern  Richtung  völlig  fem.  Wenn  man  geneigt  wäre, 
ihnen  überhaupt  eine  Einwirkung  auf  Massregeln  des  Kaisers 
zuzuschreiben,  so  dürfte  diese  nur  in  dem  Bereiche  der  Kloster- 
reform zu  suchen  sein  und  in  den  Bemühungen  Ottos,  die  wirt- 
schaftlichen Verhältnisse  der  Kirchen  und  Stifter  zu  heben. 
Sah  eine  spätere  kirchliche  Anschauung 2)  gerade  in  dem  Ein- 
greifen der  Ottonen  den  Grund  alles  späteren  Unheils  und  in 
ihrer  Herrschaft  über  die  italienischen  Kirchen  nichts  als 
simonistische  Einmischung,  so  verdient  es  hervorgehoben  zu 
werden,  dass  die  früheren  Cluniacenser  derartige  Auffassungen 
ganz  und  gar  nicht  kannten. 

*)  Legit  et  non  intellexit ;  solet  enim  amor  transetintium  rerum  cecare 
mentes  hominum. 

*)  So  Hnmbert  an  den  schon  oben  angeführten  Stellen. 


23* 


Excurse. 


Erster  Excurs. 
Zu  den  italienischen  Reisen  Odos. 

Die  Vita  Odonis  wurde  von  Johannes,  Odos  Schüler,  im  Früh- 
jahr oder  Sommer  943  verfasst.  Man  erkennt  das  daraus,  dass  der 
Autor  II.  c.  21  ein  Ereignis  bezeichnet,  das  Fraeterito  isto  ni&nse 
augustOy  ipsa  die  assumptionis  hcatae  Mariae  während  des  Auf- 
enthalts Odos  in  Rom  sich  ereignete.  Nun  wissen  wir  auch  aus 
Flodoardi  Ann.  942,  dass  Odo  in  diesem  Jahre,  seinem  letzten 
Lebensjahre,  in  Rom  war.  Fenier  spricht  Johannes  I,  c.  28  von 
Adhegrin,  Odos  Begleit^jr,  indem  er  bemerkt:  Sunt  hactenus  evoluti, 
nisi  fallor,  2)lus  quam  triginta  anni,  ex  quo  intra  ipsam  eremiim 
deguit.  In  der  Einsiedelei  lebte  aber  der  Mann  etwa  seit  912,  da 
er  etwa  909  mit  Odo  nach  Baume  kam  und  erst  drei  Jahre  als 
reclnsus  zubrachte  (I,  c.  23).  Wir  kämen  also  auch  hier  auf  942 
bis  943.  Da  nun  Odo  erst  am  18.  Nov.  942  starb  und  einige 
Monate  bis  zur  Abfassung  der  Vita  sicher  verflossen  waren,  so 
folgt,  dass  diese  im  Laufe  des  Jahres  943,  aber  vor  dem  August 
verfasst  wurde.  Eine  Bestätigung  dafür  gewinnen  wir  in  dem 
häufigen  Bezugnehmen  auf  Odos  italienische  Reisen  mit  den  Zeit- 
bestimmungen: Fraeteritis  namque  his  duobus  annis  (I,  c.  16); 
Ante  hoc  fcre  quinqtiennium  (I,  c.  27);  ante  hoc  triennium 
(U,  c.  15.  22). 

Eine  genaue  Jahrbestimmung  für  derartige  Reisen  giebt  Johannes 
nur  einmal  I,  c.  4 :  Anno  itaque  Dom.  incarn,  939  et  eins  aetatis 
60  etc. . . .  Bomam  veniens  me  .  . .  reperit  .  .  .  atque  coenobium 
sancti  Fetri  Ticini  positum  usque  perduxit  Parvo  ibi  tempore  ah 
Hugone  rege  detenttis  gab  er  Johannes  dem  Prior  Hildebrand  von  Cluni 
zur  Erziehung.  Non  post  niulto  Romam  veniens  me  infelicem  dig- 
flatus  est  sibi  socium  sumere;  et  quem  canonicum  parentihus  abie^ts 
rapuity  redieiis  postmodum  monachum  reduxit  Im  Jahre  939 
soll  ihn  also  der  Abt  mitgenommen  und  non  post  multo  zui*ückge- 
fßhrt  haben.  Es  mttsste  das  noch  im  selben  Jahre  geschehen  sein. 
V.  Od.  II,  c.  7  berichtet  nämlich  der  Autor:  Suh  idem  tetnpus  Italiam 
missi  sumus  a  Leone  sumnio  pontifice,  utpa^is  legatione  funge- 
remur  inter  Hugonem  Longobardorum  regem  et  Albericum  IIa- 
nianae  urbis  principe^n.  Wie  das  ^ missi  sumus^  andeutet,  sowie  der 
Absender  der  Legation,  muss  diese  von  Rom  ihren  Ausgangspunkt  ge- 


360 

nommen  haben.  Die  Stationen,  die  auf  dieser  Legation  erwähnt  werden, 
das  eine  Mal  Siena  und  die  Alpes  Ammiat«8,  das  andere  Mal  Burrianum 
und  die  maritimae  fines  zeigen,  dass  es  sich  um  eine  Gesandtschaft 
zwischen  Rom  und  einem  Orte  Mittel-  oder  Oberitaliens  gehandelt 
haben  muss.  Wie  haben  wir  uns  nun  aus  der  ganzen  unklaren 
Schilderung  ein  Bild  zu  machen? 

Johannes  erzählt  folgendes:  Post  nonnidla  vvro  discrimhia 
renimus  Senam.  Dort  grosse  Hungersnot.  Ajfuerunt  antem  nohis 
in  profedu  tanti  periculosi  itincris  fere  tri(jhita  solidi  ar- 
(jentei,  ex  quihns  pars  maxima  iam  distnhuta  erat  In  Siena  ist 
der  Abt  sehr  freigebig  mit  dem  Gelde;  auf  die  Schilderung  seiner  Mild- 
thätigkeit  kommt  es  dem  Biogi'apheu  überhaupt  nur  an.  Sein  Be- 
gleiter Johannes  will  ihn  zu  grösserer  Mässig^ng  veranlassen.  Der 
Abt  kauft  schliesslich  zu  hohem  Preise  eine  Menge  Lorbeerfrüchte. 
Johannes  setzt  mit  vieler  Mühe  durch,  dass  diese  den  Verkäufern 
zurückgegeben  werden,  damit  man  sich  nicht  unnötig  damit  be- 
schwere: ostendendo  dli  sequestrationem  loci  et  lontßinquiiatem 
ifineris  iam  peracti .  .  .  Necdum peracto  itinerc  et  antea  quam 
funditus  nostra  defecissct  pccuniay  oh v iam  halmimus  fratrem 
nostrnm  Fetrum  preshi/termn,  qui  tunc  convcrsationis  gratia  Ho- 
mam  veniehat:  ex  ciiius  suhstantia  nostra  ditata  est  inopia,  quia 
ah  eo  sumpsimus,  ex  quo  iter  nostrmn  perfecimus.  Fiehat  autem 
istmi  diiobus  mensibus,  Januario  videlicet  atque  Fehruario,  Fnit 
antem  iter  nostrum  per  Ämmiates  Alpes,  Dort  wegen  des 
Schnees  grosse  Beschwerden.  Feracta  itaqiie  legatione  a 
nostra tihns  coacti  sumus,  ut  ])er  maritimas  reverteremur  fines. 
Factum  est  autcfu,  cum  venissemus  ad  locum,  qui  vulgo  Burria- 
num vocatur,  iam  sole  Oceanum  tegente  ohvium  habuimtis  einen 
Armen,  der  behauptete,  ad  Pastorale  se  castrum  persistente  die 
posse  pervenire.  Aus  seinen  Worten  compertus  sum,  dass  er  ein 
unreiner  Mensch  war,  quia  illud  itineris  spatium,  quod  se  sab  itfha 
hora  pollicitus  est  peracturum,  nos  pene  per  totum  diei  spatium 
rix  peregimtis. 

Bleiben  wir  hier  stehen.  Odo  kommt  auf  einer  Reise  nach 
Siena,  als  er  bereits  den  gi'össten  Teil  des  Reisegeldes  ausgegeben 
hat.  Er  hatte  damals  schon  einen  grossen  Weg  gemacht  Vor 
Beendigung  der  Reise  begegnet  ihm  ein  clnniacensischer  Mönch, 
der  nach  Rom  will:  d.  h.  Odo  befand  sich  nicht  auf  der  Reise  von 
Frankreich  nach  Rom,  sondern  von  Rom  nach  dem  nördlichen  Italien. 
Das  war  im  Januar  und  Februar.  In  den  Alpes  Ammiatae  (Monte 
Amiata)  hat  man  so  viel  durch  den  Schnee  gelitten,  dass  die  no- 
strates  peracta  legatione  zur  Heimkehr  den  Weg  an  der  Küste  für 
besser  halten.  Auf  diesem  Wege  kommen  sie  erst  nach  dem  Pa- 
storale castrum  (sicherlich  Castello  di  Pieträ),  dann  nach  dem  eine 
Tagereise  südlich  liegenden  Buriano  in  der  Nähe  der  Küste  östlich 
vom  Golf  von  Piombino.  Daraus  ergiebt  sich  folgendes:  Odo  ist 
im  Januar  und  Februar  auf  einer  Reise  von  Rom  über  Siena  hinaus 


361 

end  kehrt  an  der  Küste  entlang  über  Castel  di  Pieträ  und  Buriano 
nach  Rom  zurück. 

Man  nimmt  allgemein  an,  da8  sei  im  Jahre  940  gewesen, 
aber  in  der  falschen  Voraussetzung,  dass  Odo  im  Anfang  dieses 
Jahres,  als  er  über  den  Monte  Amiata  zog,  auf  der  Rückreise  von 
Rom  nach  Frankreich  begriffen  war.  Nun  sagt  Johannes  ausdrück- 
lich, dass  Leo  VII.  die  Unterhandlung  zwischen  Hugo  und  Alberich 
veranlasste;  wollte  man  bei  dem  Jahre  940  stehen  bleiben,  so 
müsste  man  annehmen,  dass  die  Reise  Odos  zu  Hugo  erst  ein  halbes 
Jahr  nach  Leos  VU.  Tode  —  er  starb  im  Juli  939  —  zur  Aus- 
ftlhmng  kam,  was  sehr  unwahrscheinlich  ist.  Auf  der  andern  Seite 
ist  schwer  anzunehmen,  dass  Johannes,  der  selbst  zugegen  war,  sich 
im  Namen  des  Papstes  irrte  und  etwa  Marinus  II.  gemeint  hat.  Ich 
bin  deshalb  der  Meinung,  dass  man  die  Legation  Odos  in  den  An- 
fang 939  zu  setzen  hat. 

Nun  steht  allerdings  der  Annahme  etwas  entgegen:  nämlich 
dass  Johannes  erzählt,  er  sei  989  erst  von  Odo  mitgenommen  und 
non  niiilto  post  als  Mönch  nach  Rom  zurückgebracht  worden.  Indes 
steckt  gerade  in  dieser  Zahl  in  fast  sämmtlichen  Handschriften  ein 
Fehler,  es  steht  nämlich  da:  oct'mgente^'vmo  tricesimo  nono  oder 
DCCCXXXVIIII.^)  Hier  liegt  die  Vennutung  sehr  nahe,  dass  dieser 
Fehler  entweder  auf  den  Autor  zurückgeht,  der  nongentesimo  tri- 
cesimo  octavo  schreiben  wollte,  oder  auf  einen  Schreiber,  der  sich 
verschrieben  oder  verlesen  hat.  Aber  sollte  man  diese  Hypothese 
zu  gewagt  finden,  so  bliebe  noch  ein  anderer  Ausweg,  dass  Johannes, 
der  in  Salemo  schreibt,  nach  süditalischer  Sitte  das  Jahr  mit  dem 
1.  September  beginnt,  vom  1.  Sept.  938  an  also  schon  939  rechnet. 
Vielleicht  dürfte  man  gar  an  die  Anwendung  des  Oalcnlus  Pisanus 
denken,   nach  welchem  das  Jahr  939  aus  dem  25.  März  —  81.  Dec. 

988  und  dem  I.Jan.  —  24.  März  989  unserer  Zeitrechnung  besteht. 
Auf  jeden  Fall  kann  bei  dem  Durcheinandergehen  verschiedener 
Jahresanfänge  in  Italien  und  namentlich  angesichts  des  erwähnten 
Fehlers  in  der  Zahl  auf  das  von  einer  oder  wenigen  Handschriften 
überlieferte  Jahr  989  kein  Wert  gelegt  werden.  Ich  nehme  des- 
halb an,  dass  Odo  Johannes  in  demselben  Jahre  938  kennen 
lernte,  als  er  im  Januar  sich  von  Leo  VII.  zahlreiche  Urkunden  aus- 
stellen liess. 

Auf  jener  gemeinschaftlichen   Reise,   die   wir  in   den  Anfang 

989  setzen,  eröffnete  Odo  seinem  Schüler,  dass  er  Prior  werden 
würde.  Wir  werden  annehmen  müssen,  dass  das  noch  im  Laufe 
desselben  Jahres  geschehen  sei,  denn  eine  derartige  Erhöhung 
pflegt  man  doch  nicht  Jahre  vorher  in  Aussicht  zu   stellen.     Dass 


^)  Mabillon  bemerkt:  Ita  (939)  in  ms.  codice  Silviniacermj  in  aliis 
quotquot  vidi  omnibis  mendose:  octingentesimo.  Auch  in  der  Ausgabe 
SS.  XV.  387  nur  eine  Handschrift  benutzt,  welche  939  bietet;  die  andern 
DCCCXKXVIIIL    Ebenfalls  ö39  hat  die  Bibl.  Clun.  coL  15. 


362 

Johannes  nicht  in  Cluni  zu  diesem  Amte  gelangte,  sondern  in  Rom, 
geht  schon  daraus  hervor,  dass  Johannes  sich  seiner  eigenen  An- 
gabe nach  nicht  einmal  zwei  volle  Jahre  im  Dienste  Odilos  befand, 
und  dass  beide  sich  nach  III,  c.  6  wirklich  trennten.  Nehmen  wir 
also  an^  dass  Odo  seinen  Schüler  im  Anfang  des  Jahres  938  auf- 
nahm, so  würde  er  gegen  Ende  939  seine  Würde  erlangt  haben. 
Nun  sagt  Johannes  selbst:  quem  canonicum parentibiis  ahietis  rapuity 
rediens  positnodum  monachum  reduxit  Die  Gegenüberstellung 
des  „Rauhens"  und  „Znrückbringens"  deutet  darauf  hin,  dass  Odo 
den  Johannes  fär  immer  nach  Rom  zurückbrachte  und  nicht  etwa 
nach  der  ersten  Reise  noch  einmal  fort  nach  Fi'ankreich  nahm. 
In  der  That  widerspricht  dieser  Annahme  nichts,  nachdem  wir  jene 
Reise  nach  Siena  richtig  erklärt  haben.  Johannes  spricht  nur  noch 
von  seinen  Begegnungen  mit  Odo  in  Rom.  Wenn  er  II,  c.  6  er- 
zählt: Illo  enim  tempore ,  quo  cum  Geraldo  Regiensi^  ecclesiae  epis- 
copo  Cotias  transivimus  Alpes,  so  knüpft  er  II,  c.  7  an:  Sub  idem 
tempu^  Italiam  missi  sumus  a  Leone  d.  h.  er  spricht  von  der  Ende 
938  in  Gemeinschaft  mit  Odo  unternommenen  Reise.  Er  erwähnt 
somit  hier  für  die  Hinreise  nach  Italien  die  Cottischen  Alpen  und 
Siena  als  Station.  In  allen  anderen  FäUen,  wo  er .  von  Reisen 
Odos  spricht  —  abgesehen  von  dessen  Aufenthalt  in  Rom  —  er- 
zählt er  nur  von  Odo  solbst.  So  I,  c.  27,  wo  er  von  einer  Reise 
spricht,  die  vor  seiner  Zeit  lag,  in  U,  c.  18,  wo  Odo  über  die  Bur- 
donum  Alpes  zurückkehrt.  Sodann  in  Rec.  B.  der  Vita  Odonis 
(N.  Arch.  XV,  110)  c.  1  u.  c.  2.  Das  eine  Mal  kommt  Odo  von 
Rom  aus  nach  Vaduscinie,  das  andere  Mal  ist  er  auf  der  Reise  nach 
Rom  in  Acquapendente.  So  kommt  es  auch,  dass  Johannes  (II,  c.  15) 
im  Jahre  940  Odo  nicht  mehr  auf  den  Monte  Gargano  begleitet, 
während  er  doch  mit  ihm  in  St.  Paul  im  selben  Jahre  weilt  (II,  c.  22). 
Im  nächsten  Jahre  941  sind  beide  wieder  in  Rom  zusammen,  wo 
sie  die  heiligen  Orte  besuchen  (I,  c.  16).  Im  folgenden  Jahre  942, 
August  ist  gar  Odo  in  Rom,  während  Johannes  in  Geschäften  seines 
Klosters  in  Neapel  sich  aufhält.  Dass  Johannes  also  Prior  in  Rom 
war,  scheint  zweifellos,  dass  er  es  in  St.  Paul  war,  schliesst  v.  Ileine- 
mann  mit  Recht,  weil  er  dieses  Kloster  gerade,  so  wie  dessen  Abt 
Balduin  öfter  nennt. 

Aber  Johannes  ist  nicht  in  Rom  geblieben.  Schon  im  An- 
fang 939  sagt  ihm  Odo  voraus,  priorem  fore  futurum  et  multa  alia, 
quae  mihi  postea  acciderunt.  Schwerlich  war  er  es  noch,  j^s  er 
die  bekannte  V.  Odonis  schrieb.  Das  Werk  ist  den  Mönchen  eines 
salemitanischen  Klosters  gewidmet,  von  denen  er  coactu^  das  Buch 
des  Palladius  de  vita  et  virtutibus  der  hl.  Eremiten  abschrieb.  Er 
ward  damals  krank,  und  nun  begannen  einige  Freunde  ihm  von  Odo 
zu  sprechen.  Abt  ist  Johannes  in  Salerno  noch  schwerlich  ge- 
wesen: er  hätte  unmöglich  von  den  Brüdern  zu  etwas  „gezwungen^ 
werden  können.  Dagegen  ist  er  es  später  allem  Anschein  nach 
geworden.     Vgl.  N.  Arch.  XV,  107,  n.  2.     Vermutlich  war  Johannes 


363 

nach  Salerno  gekommen,  um  dort  zu  reformieren ;  denn  dass  die 
dortigen  Mönche  sich  als  Jünger  Odos  betrachteten,  beweist  der 
Umstand,  dass  Johannes  ihn  stets  pater  noster  nennt,  auch  in  der 
Widmung  der  Vita.  Da  wir  nun  aus  Rec.  B.  c.  3  wissen,  dass  zwei 
salernitanische  Priester  Odo  anf  den  Monte  Gargano  begleiteten,  so 
ist  er  damals,  940,  in  Salerno  gewesen  und  die  Annahme,  dass 
schon  er  hinsichtlich  der  Klöster  mit  dem  Ftirsten  oder  dem  Bischof 
verhandelte,  liegt  sehr  nahe.  Wahrscheinlich  ist  dann  Johannes,  sei 
es  nun  noch  vor  Odos  Tode,  sei  es  nachher,  nach  Salerno  gesandt 
worden,  wo  er  schliesslich  Abt  wurde. 


Zweiter  Excurs. 

Odonis  Sermo  de  combustione  ecclesiae  beati 

Martini. 

Mabille  hat  neuerdings  in  seiner  Schrift:  Les  invasions  Nor- 
mandes  dans  la  Loire,  Bibl.  de  Fecole  des  chartes,  ser.  IV,  5,  p.  194 
dem  Abte  Odo  von  Cluni  die  ihm  bisher  stets  zugeschriebene 
Predigt  de  combustione  ecclesiae  b.  Martini  abgesprochen.  Durch- 
aus mit  Unrecht.  Allerdings  hat  derselbe  mit  der  Bemerkung 
Recht,  dass  es  sich  hier  nicht  um  den  903  durch  die  Normannen 
verursachten  Brand  handeln  kann,  was  schon  Haur6au,  Singularites 
p.  173  bemerkte.  Die  Predigt  ist  aber  zweifellos  um  938  von  Odo 
gebalten  worden.  Es  wird  in  derselben  auf  einen  Brand  von 
St.  Martialis  in  Limoges  und  den  darauf  erfolgten  Tod  des  Abtes 
Stephan  angespielt:  col.  158:  titide  et  ejus  concrenmtio  et  Siephani 
abbatis  iteritus  mox  esset  adimplendus.  Nun  starb  Stephan,  wie 
man  aus  der  Commemoratio  abb.  S.  Martialis  Lemov.  auct.  Ademaro 
b.  Labbe,  Nova  bibliotheca  I,  272  leicht  berechnen  kann,  am  14.  Nov. 
936 ;  kurz  vorher  muss  also  der  Brand  von  S.  Martialis  erfolgt  sein, 
nicht  952,  wie  Mabille  behauptet,  um  zu  beweisen,  dass  Odo  nicht 
der  Verfasser  sein  könne.  Auf  diese  Katastrophe  wird  eben  nicht 
angespielt,  sondern  auf  eine  frühere.  Dazu  kommt  noch  ein  anderes. 
Ein  Brief  Leos  VII.  an  Herzog  Hugo,  den  Abt  von  St..  Martin, 
J.-L.  3604  von  938,  zeigt  eine  so  überraschende  Aehnlichkeit 
mit  Ausführungen  in  der  Predigt,  dass  nicht  nur  kein  Zweifel 
sein  kann,  dass  sie  einer  Zeit  angehören,  sondern  auch  darüber 
kaum,  dass  beide  Schriftstücke  einen  geistigen  Vater  haben,  Odo 
von  Cluni.  Der  Papst  befiehlt  Weibern  den  Zutritt  in  St.  Martin 
zu  verweigern:  ob  qiiod  etiam  juxta  ejus  basilicam  fundari  mu- 
rum  studuistiSy  ut  ita  rel  ab  incendio  defendi,  rel  in  pristina 
lionestate  passet  ipse  locus  Iwheri  Sed  res  in  contrarium  versa 
est,  quia  per  occasionem  castelli  mulieribus  et  impudens  et  libera 
conversatio  est  etc.     Vgl.  nun  Sermo  de  combust.,  Bibl.  Clun.  col. 


364 

148:  Nam  post  illam  pridhuiam  siteccnsionem,  muris  cum  hi- 
genti  studio  compact i.s,  scpta  monasterii  communistis,  lioc  nitnirum 
praecavere  volentes ,  ne  sancta  domus  ultra  possct  ab  hostibu^ 
lacdi  Sed  .  .  .  commune  diversorinm  esse  2><?''w^/67>^/^%  itu  nt 
feminis  ml  haiiriendum  aquam  et  ad  discurreitdum,  quo  volne- 
rhitj  portarii  non  resistant.  Ueber  die  Gleichzeitigkeit  dieser 
Aeassernngen  kann  kein  Zweifel  sein;  ebenso  wenig  aber  darfiber, 
dass  Odo  der  Verfasser  des  Sermo  de  combnstione  ist,  wenn  man 
denselben  mit  seinen  Collationen  vergleicht.  Die  Lieblingsgedanken 
Odos  über  den  Urspmng  des  Bösen,  die  Verderbtheit  der  Welt, 
seine  Klagen  über  den  gesunkenen  Clerus,  die  er  in  den  Collationen 
so  ausführlich  ausdrückt,  finden  wir  auch  hier.  Besonders  auffallig 
ist  die  Aehnlichkeit  der  Gedanken  über  das  Nachlassen  der  Wunder 
in  beiden  Schriften.  Vgl.  Bibl.  Clun.  col.  157  und  Collat.  I,  col.  175. 
Dazu  kommt,  dass  zwei  Handschriften  der  Pariser  Nationalbibl.  codd. 
lat.  5326  und  5329  den  Titel  tragen:  Sanctae  et  egregiae  recor- 
dationis  Odonls  abhatis  sertno,  ntiper  orante  domno  Theotoloneo 
episcopo^  de  adustione  heatissimi  Martini  Turonensis  ecclesiae 
editus.  Die  beti'effende  Ueberschrift  ist  also  kurz  nach  der  Ab- 
fassung der  Predigt  geschrieben.  Vgl.  Haur^u,  Singularit^s  histo- 
riqnes  etc.  p.  173. 

Was  nun  den  Brief  Leos  VII.  anbetrifil,  so  habe  ich  schon 
oben  8.  106  darauf  hingewiesen,  dass  Odo,  der  in  demselben  Jahre 
938  ftir  seine  Klöster  mehrere  Urkunden  in  Rom  erwirkte,  auch  ihn 
veranlasste,  da  er  ja  gegen  dieselben  Uebelstände  vorgeht,  gegen 
welche  die  Predigt  sich  wendet. 


Dritter  Excurs. 
Der  Tod  Eilberts  von  Peronne. 

In  der  Deutschen  Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft  II,  345 
n.  2,  ebenso  V,  156 — 158  und  oben  S.  184  habe  ich  mit  Berufung  auf 
St.  477,  DOI,  nr.  381  darauf  hingewiesen,  dass  Eilbert,  ein  im  Gau 
Virmandois  begüterter  Edelmann,  im  Jahre  969  bereits  tot  war,  dass 
also  die  Nachrichten  der  unglaubwürdigen  Hist.  Walciod.,  die  ein 
längeres  Leben  desselben  voraussetzen  und  namentlich  die  Notiz 
derselben  Quelle,  nach  welcher  Eilbert  erst  977  das  Zeitliche  ge- 
segnet habe,  zu  verwerfen  seien.  Auch  Lahaye,  £tude6  sur  l'abbaye 
deWaulsort,  vermochte  in  seiner  Polemik  gegen  mich  8.  288  doch 
nichts  anderes,  als  mir  den  Vorwurf  einer  willkürlichen  Textver- 
änderung zu  machen,  den  ich  an  anderer  Stelle  genügend  zurück- 
gewiesen habe.  Trotzdem  hätte  er  wenigstens  scheinbar  seine  Sache 
durch  Hinweis  auf  zwei  Urkunden  retten  können,  in  denen  Eilbert 
angeblich  noch  nach  969  auftritt,  von  denen  freilich  dann  wenigstens 
die  eine  auch  das  Todesjahr  der  Hist.  Walciod.  widerlegt  hätte. 


365 

* 

Bei  Hemeraens,  Augnsta  Viromandonim  pr.  S.  34  und  bei  Col- 
liette,  Mdmoires  de  Virmandois  I,  565  findet  sich  eine  Urkunde,  in 
welcher  bekannt  gemacht  wird,  dass  im  Jahre  988  quidam  vasallus 
nomine  Haderictis  cum  consilio  Eilberti  et  uxoris  suae  Herisindis 
znm  Abt  von  Hombli^res  kam,  einen  Neffen  tradierte  and  mit  ihm 
der  Abtei  ein  Allod  in  comitatu  Otmensi  in  villa,  quae  didtur 
VedenicuniSy  schenkte.  Diese  Uebertragung  bestätigt  Heribertus 
comes  eiusdeni  loci  per  deprecationem  Herisindis.  Unter  der 
Urkunde  findet  sich  nur  das  S,  Heriberti  comitis,  keine  weitere 
Zeugennnterschrift.  Hemeraens  hatte  die  Urkunde  ex  iisdefn  archivis 
d.  h.  von  Homblieres  und  bemerkt  ausdrücklich  dazu:  sine  data. 
Ob  er  eine  Urkunde  oder  ein  Ohartular  benützte,  ist  nicht  zu  er- 
sehen. CoUiette  I,  p.  565  druckt  dieselbe  Urkunde  ab  und  bemerkt: 
Dtir  cartulaire  d'Ho7Hblieres,  oü  eile  est  rapportee  ad  decimum 
septimum  Calendas  Februarii;  c'est  ä  dire  au  siziime  de 
Janvier  988.  Nun  habe  ich  aber  auch  ein  Cartul.  d'  Homblieres 
(Cod.  Paris,  lat.  13911)  saec.  XVII.  benutzt  und  hier  trägt  zwar 
die  Urkunde  (f.  17),  wie  Colliette  angegeben,  das  Datum:  die  11 
Kai.  Febr.,  jedoch  das  Jahr  DCCCCVIII^)  im  Texte.  Die 
Ueberlieferung  der  Urkunde  ist  also  hinsichtlich  der  Datierung 
durchaus  anfechtbar.  Sie  ist  aber  überhaupt  höchst  zweifelhaft 
wegen  des  Fehlens  aller  Zeugenunterschriften  neben  der  des  Aus- 
stellers. Eine  derartige  Urkunde  war  kein  genügendes  Beweis- 
mittel, da  nur  die  Königsurkunden  der  Unterschriften  entbehren 
konnten.  2)  In  der  That  finden  sich  unter  den  Urkunden  der 
Grafen  von  Virmandois  und  Troyes  stets  eine  Reihe  von  Zeugen. 
Nun  hätte  man  trotzdem  daran  festhalten  können,  dass  die  Urkunde 
dem  Jahre  988  angehört,  wenn  der  Aussteller  wirklich  Heribert  lU. 
von  Virmandois  wäre,  wie  Hemeraeus  und  Colliette  meinen:  denn 
dieser  folgte  erst  in  diesem  Jahre  seinem  Vater  Albert.  Es  ist 
sogar  zu  vermuten,  dass  die  beiden  Geschichtsforscher  von  Vir- 
mandois (oder  wenigstens  Hemeraeus)  dieses  Datum  erst  mit  Rück- 
sicht auf  den  Regierungsantritt  Heriberts  lU.  einsetzten.  Der  in 
der  Urkunde  genannte  Heribert  ist  aber  sicher  überhaupt  kein 
Heribert  von  Virmandois,  sondern  der  Graf  Heribert  von  Troyes 
und  Champagne,  welchem  der  comitatus  Otmensis,  der  an  der  Marne 
lag,  gehörte.'*)  Der  comes  eiusdem  loci  ist  nicht  der  Graf  von 
Homblieres,  sondern  der  Graf  des  Gaues,  in  dem  die  villa  Vedeniacus 
lag.     Da  Heribert  von  Troyes    aber  968   die  Herrschaft  antrat^), 


0  In  meinen  Excerpten,  die  noch  ohne  Rücksicht  auf  die  bebandelte 
Frage  gemacht  wurden,  finde  ich:  ^Mit  dem  falschen  Datum  908'. 

*)  Vgl.  Bresslau,  Urkundenlehre  f.  Deutschland  und  Italien  I,  799. 

')  Vgl.  die  Urk.  v.  980  im  Cartul.  de  Montierender  bei  Lalore,  Coli, 
des  pnnc.  cartul.  de  Troyes  IV  (1878),  p.  140.  142,  wo  Heribert  dem  Kloster 
Montier^der  Besitz  in  einer  villa  Velcianas  im  comitatus  Otmensis  schenkt. 
Vielleicht  ist  Vedeniacus  nur  corramniert  aus  Velcianas. 

*)  L'art  de  vSrifier  les  dates  XI,  846. 


866 

fällt  auch  so  jeder  Grund  fort,  an  der  zweifelhaften  Datierung  fest- 
zuhalten J) 

Ebensowenig  ist  die  zweite  Urkunde,  auf  die  ich  hier  ver- 
weisen wollte,  geeignet,  die  aus  dem  Diplom  Ottos  I.  gezogenen 
Schlüsse  zu  entkräften.  Es  handelt  sich  um  eine  undatierte  Urkunde 
Adalberts  von  Virmandois  für  das  Kloster  8t  Quentin  bei  Peronne.*) 
Hier  erregt  nur  ein  S.  Eilberti  und  zugleich  die  Unterschrift:  Ego 
LeudidfiisVirniandensisacNoinomensis  ecdeMae  episcopus  relegi, 
siibscrijys'i,  confirmavi  unser  Interesse.  Denn  vorausgesetzt,  Eilbert 
wäre  mit  dem  Gemahl  der  Herisindis  identisch,  —  was  natürlich 
immer  erst  des  Beweises  bedürfte  —  so  Avürde  die  Unterschrift  des 
Bischofs  Liudulf,  der  erst  von  977  an  regierte,  scheinbar  den  Schluss 
gestatten,  dass  Eilbert  nach  dieser  Zeit  noch  am  Leben  war.  Aller- 
dings nur  scheinbar,  denn  der  Umstand,  dass  der  Bischof  am  Ende 
nach  sämmtlichen  andern  Zeugen  seine  Uutei'schrift  zufügt,  spricht 
entschieden  dafür,  dass  er  der  Urkunde  eret  nachträglich  seine  Con- 
firmation  erteilte.  Für  den  Zeitpunkt  der  Handlung,  der  Eilbert 
beiwohnte,  gewinnen  wir  natürlich  gar  nichts. 

Somit  fällt  vorläufig  jeder  Grund  fort,  von  unserer  Behauptung 
abzugehen,  dass  Eilbert  vor  969  aus  dem  Leben  geschieden  ist. 


Vierter  Excurs. 

Ztir  Reform  Gerhards  von  Brogne. 

I. 

W.  Schnitze,  Forschungen  z.  D.  Gesch.  XXV,  229  bestreitet  den 
Bericht  der  V.  Gerardi  Brohiensis,  nach  welcher  Gerard  von  Brogne 
in  St.  Denis  Mönch  geworden  wäre.      Seine  Gründe   sind   folgende: 

1.  Der  Vita  widerspricht  die  Darstellung  der  Translatio  resp. 
Virtutes  S.  Engenii.  Während  er  danach  die  Reliquien  des  hl.  Eugen 
auf  einfache  Bitten  hin  erhält,  —  was  nicht  ganz  richtig,  da  er  sie 
kauft  —  so  ist  damit  unvereinbar,  dass  er  sie  nach  der  Vita  nur 
deshalb  erhielt,  weil  er  so  und  so  lange  in  St.  Denis  Mönch  ge- 
wesen sei. 

2.  Nach  der  Vita  ist  zur  Zeit  der  Rückkehr  Gerhards  mit  den 
Reliquien  aus  St.  Denis  Stephan  Bischof  von  Lüttich,  wie  auch  die 
Virtutes  berichten,  die  in  der  Vita  benutzt  äind.     Da  aber  den  An- 


^)  Ich  möchte  um  so  eher  das  Jahr  968  als  das  richtige  annehmen, 
als  in  diesem  Jahre  mehrfach  ein  Hubert,  resp.  Heilbert  fttr  Hombliöres 
urkundet,  der  wohl  identisch  mit  unserm  Eilbert  ist.  Gart.  Humolar.,  Cod. 
Paris,  lat.  11)911  f.  12  und  59.  Jedenfalls  beweist  übrigens  der  Umstand, 
dass  die  BestStigang  der  Urkunde  nur  j^er  deprecationem  Herisindis  er- 
folgte, dass  die  von  Eilbert  und  Herismdis  veranlasste  Schenkung  der 
Regiernng  Heriberts  lange  vorausgegangen  sein  kann. 

')  Mabillon,  Ann.  Bened.  III,  app.  p.  719;  CoUiette  I,  572.  573. 


367 

gaben  der  Vita  nach  Gerhard  nicht  vor  929  aus  St  Denis  zurück- 
gekehrt sein  kann,  Stephan  aber  nur  bis  920  Bischof  von  Lüttich 
war,  so  sind  die  Angaben  unvereinbar. 

3.  Die  Translatio  der  Reliquien  erfolgte  spätestens  920;  da 
Gerhard  898  nach  den  Ann.  Bland,  geboren,  war  er  damals  höchstens 
22  Jahre  alt.  Nun  soll  er  9  Jahre  in  St.  Denis  als  Mönch  gewesen 
sein,  mithin  müsste  er  bereits  zu  13  Jahren  beim  Grafen  Berengar 
eine  hohe  Vertrauensstellung  bekleidet  haben,  was  undenkbar  sei. 

4.  Nach  der  Urk.  v.  2.  Juni  919  beabsichtigt  G.  erst  Mönch  zu 
werden,  ist  es  also  noch  nicht.  Da  die  Translatio  bereits  920  er- 
folgt, so  kann  er  die  Reliquien  nicht  erhalten  haben,  weil  er  9  Jahre 
in  St.  Denis  gewesen. 

5.  Die  Ann.  Bland,  setzen  den  Erwerb  der  Reliquien  915; 
dann  aber  kann  G.,  der  erst  919  Mönch  wurde,  nicht  in  St.  Denis 
Mönch  gewesen  sein. 

„Ich  glaube  meine  Behauptung,"  schliesst  Seh.,  „dass  Gerhard 
in  St.  Denis  überhaupt  nicht  Mönch  war,  nunmehr  genügend  be- 
wiesen zu  haben."  Nein,  ganz  gewiss  nicht!  Bewiesen  ist  nur,  dass 
er  die  Reliquien  nicht  erst  in  Folge  eines  längeren  Aufenthalts  in 
St.  Denis  erhalten  haben  kann.  Falsch  ist  nur  die  Beziehung  der 
Translation  auf  seine  Mönchszeit. 

Prüfen  wir  zunächst  unabhängig  von  der  Translatio  die  Nach- 
richten über  den  Aufenthalt  in  St.  Denis. 

In  der  Urk.  v.  2.  Juni  919  erkläi*t  Gerhard,  ein  Kloster  gründen 
und  Mönch  werden  zu  wollen.  Damals  bestand  in  Brogne  nach  den  Ann. 
Bland.  913  bereits  ein  Canonikercollegiat  und  die  Reliquien  des 
hl.  Eugen  waren  bereits  in  der  Kirche.  G.  beabsichtigt  also  gleich- 
zeitig, das  Chorherrenstift  in  ein  Kloster  zu  verwandeln  und  selbst 
Mönch  zu  werden.  Nun  erzählen  die  Ann.  Bland  918:  Gerardus 
abbas  monachus  efficitiir.  Die  Annalen  sind  in  dieser  Zeit  durch- 
weg um  ein  Jahr  zurück.  Mit  Berücksichtigung  dieses  Umstandes 
stimmen  die  Ann.  also  gut  mit  der  Urkunde.  Nun  kann  G.  nicht 
etwa  919  in  Brogne  Mönch  geworden  sein,  denn  damals  war  dort 
noch  kein  Kloster  und  noch  920  oder  921  finden  wir  Cleriker  da- 
selbst. Vgl.  Virtutes  S.  Eugenii  c.  16:  Qtiadam  tempestate  Carolo 
rege  ad  Äquasgrani  palacii  properante  d.  h.  c.  920  (vgl.  SS.  XV, 
p.  650  n.  9)  .  .  .  JJhi  suo  more  nequiier  agentes,  Bei  sacerdotes 
deonestdbant  ibi  manentes.  Quo  unus  agens  neqtims  ceteris, 
itni  sacerdotnm  .  .  .  Mithin  muss  Gerard  919  anderwärts  Mönch 
geworden  sein.  Nun  erweisen  sich  die  Nachrichten  der  Vita  Ge- 
rardi  aufs  genaueste  in  chronologischer  Hinsicht  übereinstimmend 
mit  den  Thatsachen.  V.  Gerardi  c.  9:  Anno  igitur  conver- 
»ionis  eins  scenndo  Parimis  ordinatur  acolitus  ab  episcopo 
eittsdeni  urbis  Thendulfo;  a  quo  etiam  ypodiaconus  consecratur 
mbsequente  tertio;  siib  eins  vero  successore  Furado  ascendit 
gradum  dinronii  quarto.  Anno  auteni  nono  subliniatus  et  sa- 
cerdotio  ab  ipsius  Fulradi  sticcessore  AdJielelmo. 


368 

Das  heisst,  wir  erhalten  folgende  chronologische  Tabelle: 

Theodulfns    911—922    2.  Jahrd.Convers.Gerh.  920— 921  Akolyth 

3.    „  „  „     921—922  Subdiacon 

Fnlradus       922—926    4.    „  ^  „     922—923  Diacon 

Adhelelmns  927  -  935    9.    „  ,  „     927—928  Presbyter 

Wir  sehen  somit,  wie  vortrefflich  die  Vita  sowohl  über  die 
Regierungszeit  der  einzelnen  Bischöfe,  als  die  einzelnen  Lebens- 
umstände Gerhards  nnterrichtet  ist.  Danach  fällt  anch  der  Eintritt 
in  St.  Denis  919 — 920  entsprechend  der  Urkunde  und  den  Ann. 
Bland.  Femer  wird  er  927—928  nach  der  Vita  Presbyter.  Ent- 
sprechend setzen  die  Ann.  Bland.,  die  um  ein  Jahr  zurück  sind, 
die  Priesterweihe  926  d.  h.  wiederum  wird  die  Chronologie  der  Vita 
glänzend  bestätigt. 

Nun  ist  es  ganz  richtig,  dass  die  Translation  der  Reliquien 
unmöglich  nach  dieser  Zeit  erifolgt  ist,  wohl  aber  hat  sie,  wie  wir 
sahen,  vorher  stattgefunden.  Der  Irrtum  der  V.  Gerardi  besteht 
eben  darin,  dass  der  schon  vorhandene  Bericht  der  Virtutes 
falsch  eingereiht  und  mit  der  Mönchszeit  in  St.  Denis  cömbiniert 
wurde.  Hält  man  daran  fest,  so  schwinden  jegliche  Schwierigkeiten. 
Wir  erhalten  dann  eine  chronologische  Reihenfolge,  wie  die  Ann. 
Bland,  sie  geben.  Für  falsch  halte  ich  allerdings  hier  das  Geburts- 
jahr Gerhards  898  resp.  899,  denn  er  müsste  noch  sehr  jung  ge- 
wesen sein,  als  er  an  die  Gründung  des  Canonikercollegiats  ging, 
eine  Schwierigkeit,  die  Seh.  gar  nicht  berührt.  Es  kommt  dazu, 
dass  die  V.  Gerardi  ihn  959  vehementer  defafigatus  provectione 
aetatis  sterben  lässt,  dass  er  schon  953  sich  von  seinen  Aemtem 
zurückzieht.  Es  widerspricht  den  Nachrichten  der  Vita  nicht,  dass 
er  923  bereits  als  Abt  von  Brogne  in  Tours  erscheint  (s.  oben  8. 125). 
Die  Beförderung  zum  Presbyter  kann  ihm  auch  als  solchem  zu  teil 
geworden  sein. 

n. 

Bezüglich  der  Abtreihe  von  St.  Bavo  liegen  folgende  Nach- 
richten vor: 

1.  Ann.  S.  Bav.  953.  Gerh.  resigniert  et  per  Arnulf  um  .  .  . 
et  Rodulfum  Noviomensem  episcopiim  Hugonem  Gandensis 
cenohii  ahbateni  sibi  suhstituit. 

965.  Hugo  abhas  Gandensis  resignaHt,  et  eodem  anno  oJnit. 
Cui  sxiccessit  rcneralyilis  vir  abbas  Wortiarus. 

2.  Folc.  Gesta  abb.  S.  Bert.  c.  107.  Im  Jahre  947  wurde 
Wido  zum  Abte  consecrirt.  Nachher  ward  er  seiner  Abtei  beraubt 
et  sancti  Bavonis  monasterio  abbas  est  destinatus.  Woniarns 
autem  regimen  monasticum   sub    regulari  regebat   districtione, 

Qtw  tempore  ego  ipse  haec  scribens  Foleuinus  etc anno  ine, 

948 . . .  monachus . . .  sum  effectus;  c.  108.  Markgraf  Arnulf  gab  nach 
Wido  parvo  2>ost  tempore  Hildebrando   nepoti  suo   des  Klosters 


369 

St  Bertin.    Demnach    war   also  Womar   nur   provisorischer  Leiter 
zwischen  Wido  und  Hildebrand. 

3.  Urk.  Lothars  mit  d.  Datum:  Actum  in  palatio  Lauduni 
clavati  apud  monasterium  sancti  Joluinnis,  die  3.  id.  Dec,  Anno 
incanm,  dorn,  958,  ind.  11,  anno  1.  regnante  Lothario  rege  glo- 
riosissimo.  In  dem  Diplom  heisst  es ;  Postea  vero  ammonitione  ve- 
nerabilis  viri  Gerardi  ahbatis  placuit  ei  eundem  restaurare  looum 
et  quendam  alumnorum  ejus  Gerardi j  religiosum  indelicet  i^irurn, 
Wonmrum,  äbhatem  ordinäre  atqiie  monachos,  qtii  regulam  S. 
Benedicti  observarent,  congregare.  Quo  etiam  in  loco  transacto 
jam  anno  ordinationis  supradicttis  Womarus  religiosos  abhates 
arcesciens,  videlicet  Agenaldum  Gorzensis  coenohii  abbateni, 
Hunibertum  promsoretn  coenobii  sancti  Apri,  nee  non  et  suae 
ditionis  abbates  quamplures,  id  est  Hildebrandum  atque  Le- 
dricum  etc. 

Schnitze  löste  den  Widerspruch,  der  zwischen  der  Urkunde 
und  den  Ann.  S.  Bav.  besteht,  so,  indem  er  Hugo  von  953 — 957 
Abt  sein  lässt  in  der  Annahme,  dass  das  Jahr  965  seiner  Resignation 
nach  den  Ann.  S.  Bav.  falsch  ist.  Er  setzt  also  die  Urkunde  nach  dem 
Incamationsjahr  958.  Nun  hat  bereits  Holder-Egger,  Waitzaufsätze 
p.  661  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  das  Incamationsjahr  sicher 
falsch  und  nach  dem  Köoigsjahr  und  der  allerdings  nicht  ganz 
richtigen  Indiction  von  954  zu  datieren  sei,  da  offenbar  Womar  als 
zweiter  Abt  von  St.  Bavo  erscheine  und  dem  deutlichen  Wortlaut 
der  Urkunde  nach  nicht  noch  ein  anderer  zwischen  Gerhard  und 
Womar  gesetzt  werden  könne.  Ein  sehr  wesentliches  Moment  hat 
er  aber  nicht  angeftthi-t:  dass  nämlich  der  genannte  Abt  Ledricus, 
der  als  Abt  suae  ditionis  d.  h.  Womars  bezeichnet  wird,  der  Abt 
von  St.  Amand  ist,  der  956  starb  (Ann.  Elnon.  956),  w^omit  aufs 
schlagendste  bewiesen  wird,  dass  die  in  der  Urkunde  erwähnte 
Handlung  nicht  ins  Jahr  958,  sondern  954  gehört.  Nun  stimmt 
das  ganz  gut  dazu,  dass  Gerhard  in  beiden  Genter  Stiftern  953  re- 
signiert und  Womar  953  auch  in  Mont-Blandain  Abt  wird.  Da 
indes  auch  das  Original  der  Urkunde  (Serrure,  Gart,  de  St.  Bavon 
p.  5)  das  Jahr  958  bietet,  so  wird  man  annehmen  müssen,  dass 
dieses  Jahr  erst  später  in  eine  Lttcke  eingefügt  wurde. 

Die  Urkunde  bietet  noch  weiter  Gelegenheit  zu  interessanten 
Betrachtungen.  Es  werden  hier  entgegengesetzt  einerseits  fremde 
Aebte,  Einold  von  Gorze  und  der  genannte  Humbert  von  St.  £^vre, 
dann  aber  suae  ditionis  abbates  quamplures  id  est  Hildebran- 
dum atque  Ledricum,  Ilildebrand  war  erst  Abt  von  St.  Bertin, 
dann  von  St  Vaast,  Ledricus  Abt  von  St  Amand.  Folglich  muss 
Womar  eine  Stellung  eingenommen  haben,  die  sich  über  die  übrigen 
flandrischen  Klöster  erhob,  mithin  auch  sein  Vorgänger  Gerhard, 
von  dem  es  uns  ausdrücklich  sonst  bestätigt  wird.  Man  ver- 
gleiche die  Urkunde  bei  van  Lokeren  nr.  24:  Womarus  abbas  ex 
constitutione    domni    abbatis  Gerardi  urkundet  per    consensum 

Sftokur,  ClunUceiuer.  L  24 


370 

predicti  abbatis  Gerardi  atque  marchysi  Amulfr,  ein  Beweis,  dass 
Gerhard,  wenigstens  noch  kurze  Zeit  nach  seiner  Abdankung  bei 
Arnulf  die  Stelle  eines  Cnrators  fttr  das  flandrische  Klosterwesen 
bekleidete. 

Unrichtig  ist  nun  allerdings,  was  Holder-E^rer  8.  663  über  den 
provisor  8.  Petri  bemerkt,  da  er  nur  in  dem  Iflckenhaften  Abdruck 
der  Urkunde  Lothars  bei  Miraeus-Bouquet  an  Stelle  des  Abtes 
Humbert  von  St.  £)vre  auftritt,  dessen  Namen  die  Originalurkunde 
(Serrure  p.  5)  bietet. 

Was  jenen  Hugo  anbetrifit,  den  die  Ann.  8.  Bav.  von  953 — 965 
Abt  in  St  Bavo  sein  lassen,  so  glaube  ich  allerdings,  dass  es  in 
diesem  Kloster  eine  Persönlichkeit  gegeben  haben  muss,  die  viel- 
leicht von  einem  Teile  der  Mönche  in  der  That  als  Abt  anerkannt 
wurde  und  die  Womar  das  Leben  sauer  machte.  Dann  läge  es  in 
der  That  nahe,  ihn  mit  Wido,  wenn  er  wirklich  Propst  von  St  Bavo 
gewesen  ist,  zu  identifizieren. 


Fünfter  Excurs. 
Die  Wahl  des  Majolus. 

Ueber  den  Zeitpunkt  der  Wahl  des  Majolus  unterrichtet  uns 
die  Chronologia  abbatum  Clnniacensium  (Bibl.  Clnn.  col.  1619), 
eine  Quelle  ans  der  zweiten  Hälfte  des  II.  JahrhundertsJ)  Danach 
erblindet  Aymard  954  und  lässt  Majolus  zum  Abt  wählen  und 
durch  Hildebold  von  Chalon  ordinieren.  Mit  dieser  Ansetzung 
scheint  einigermassen  übereinzustimmen,  dass  Majolus  von  954 
an  in  der  That  öfter  in  den  Urkunden  auftritt,  aber  erst  von  958 
an  erscheint  er  fast  regelmässig. 2)  Da  die  Daten,  welche  die 
Chrono],  abb.  Cluniac.  fUrs  10.  Jalirhundert  giebt,  teilweise  falsch 
sind^),  so  kann  natürlich  nicht  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden, 
ob  die  Wahl  und  Ordination  des  Majolus  wirklich  954  erfolgte. 
Nun  existieren  zwei  Urkunden  bereits  aus  der  Zeit  vor  954,  in 
denen  er  als  Abt  auftritt:  CHCL  I,  nr.  729  u.  781.  Was  die  zweite 
anbetrifft,  so  ist  sie  datiert  Ciinrado  rege  anno  VIIL  Rechnet 
man  die  Jahre  Konrads,  wie  es  in  cluniacensischen  Urkunden  sonst 
geschieht,  von  937  an,  so  kämen  wir  auf  944 — 945,  eine  Zeit,  zu 
der  Majolus  noch  nicht  Abt  gewesen  sein  kann.  Denn  da  er  943 
noch  als  Archidiaconus  in  Mäcon  nachweisbar  ist  und  nach  Odil. 
V.  Maioli  sechs  Jahr  Mönch  war,  so  ergiebt  sich  mit  Notwendigkeit, 
dass  die  Urkunde  anders  zu  datieren  ist.    Beniard  in  der  Urkunden- 


*)  Zum  Jahre  1049  heisst  es  von  Hugo:  nunc  in  praesenti,  ut  decetf 
officii  8ui  ministcriiim  adimplet. 
*)  Vgl.  oben  S.  21«. 
B)  So  wird  der  Tod  Bemos  926,  der  Odos  944  gesetzt. 


371 

sammlnng  von  Cluni  nimmt  deshalb  das  Jahr  943  zum  Ausgangs- 
punkt seiner  Rechnung  und  kommt  so  auf  c.  950.  Immerhin  ist 
dieses  Datum  unsicher,  um  so  mehr,  als  bei  den  in  cluniacensischen 
Urkunden  häufig  vorkommenden  fehlerhaften  Königsjahren  Irrtümer 
nirgend  ausgeschlossen  sind.  Die  andere  Urk.  I,  nr.  729  ist  datiert : 
regnanie  Ludorico  ayino  XIII  d.  h.  948  —  949;  auch  hier  giebt 
die  alleinige  Datierung  nach  Königsjahren  keine  Gewähr  für  die 
Richtigkeit  der  Rechnung.  Als  unsicher  müssen  diese  Daten  umso- 
mehr  angesehen  werden,  als  sonst  bis  zum  Jahre  954  Aymard 
durchweg  in  den  Urkunden  noch  als  Abt  auftritt. 

Freilich  genügen  die  Bedenken,  die  gegen  die  Datiening  der 
Urkunden  erhoben  werden  können,  keineswegs,  sie  aus  der  Welt 
zu  schaffen.  Im  Gegenteil;  wir  haben  sogar  Grund  zur  Annahme, 
dass  bereits  lange  vor  der  eigentlichen  Ordination  eine  Wahl 
des  Majolus  und  provisorische  Stellvertretung  desselben  statt- 
gefunden hat. 

In  der  Wahlurkunde >)  des  Majolus  sagt  Aymard:  beati  qtiidem 
Petri  pridem  clerictim  fratrem  ac  filhim  monachis  Maiolum 
religiomim  eligimtis  et  ahhatem  esse  decernhnns.  Der  Wortlaut 
des  Documents  ist  aber  nicht  richtig  überliefert.  Syrus  II,  c.  2, 
welcher  die  Urkunde  wörtlich  anführt,  citieii:  folgenden  Text: 
heati  quidem  Fetri  jmdeni  electum  fratrem  ac  filiuni  Mcviolum 
reeleginvus  et  ahhaiem  esse  decerninms^  und  dass  dies  der  richtige 
Wortlaut  ist,  ergiebt  sich  daraus,  dass  auch  die  Wahlurkunde 
Odilos*),  die  wörtlich  d!t  der  des  Majolus  Übereinstimmt,  in  der 
einzigen  handschriftlichen  Ueberlieferung  den  Text  des  Syrus  be- 
stätigt. Es  kommt  dazu,  dass  clerictim  an  Stelle  des  electum  ganz 
unverständlich  wäre:  denn  wollte  man  nn  den  Aufenthalt  des 
Majolus  in  Mäcon  denken  und  an  sein  Archidiaconat,  so  würde  man 
statt  des  hl.  Petrus  die  Erwähnung  des  hl.  Vincentius  erwarten 
müssen. 3)  Wenn  nun  Aymard  zur  Zeit,  als  er  die  benachbarten 
Bischöfe  und  Aebte  zur  Bestätigung  der  Wahl  zusammenberufen 
hatte,  bemerken  konnte,  dass  Majolus  pridem  electum'  sei,  so  muss 
man  eine  vor  längerer  Zeit  erfolgte  Wahl  annehmen. 

Was  nun  die  Vitae  anbetrifft,  so  kennt  Syrus  nur  einen  Wahlakt. 
Aymard  betritt  den  Convent  und  fordert  die  Mönche  auf,  einen 
Vorsteher  zu  wählen;  da  sie  zögern,  schlägt  er  Majolus  vor,  dessen 
Wahl  sofort  alle  zustimmen.  Majolus  verweigert  zuerst  die  Annahme; 
erst  in  drei  Tagen  ändert  er  in  Folge  einer  Vision  des  hl.  Benedict 
seinen  Entschluss.  Darauf  bemft  der  Abt  multitudinent  .  .  .  nobi- 
Imm,  pontifieum  et  ahbatum,  die  er  mit  den  Worten  anredet,  die 


')  CHCL  II,  nr.  888  wieder  abgedruckt  aus  d'Achery. 

»)  CHCL  111,  nr.  1957. 

>)  Was  Ringbolz,  D.  hl.  Abt  Odilo  S.  III,  nr.  30  aus  dem  falschen 
Text  der  Wahlurkunde  Odilos,  die,  wie  bemerkt,  wörtlich  der  früheren 
gleicht,  gar  für  diesen  Abt  schliesst,  ist  natürlich  ganz  hinfällig. 

24* 


372 

Syrns  ans  der  Wahlarkonde  abgeschrieben  hat.  Die  Wahl  wird 
bestätigt  und  Majolus  geweiht.  Das  ist  der  vollständig  correkte 
Verlauf  einer  Abtwahl  im  Benedictinerorden  mit  dem  Unterschiede, 
dass  die  Wahlen  sonst  nach  dem  Tode  des  Abtes  zn  erfolgen  pflegten. 
Wenn  Schnitze  ans  der  Nennung  des  Namens  des  Majolus  durch 
Aymard  ein  besonderes  Vorschlagsrecht  des  Abtes  von  Cluni  herleitet, 
so  tibersieht  er,  dass  das  lediglich  der  naturgemässe  Verlauf  der 
Wahlhandlung  war.  Sonst  pflegte  wohl  der  erste  anwesende  Obere, 
also  der  Prior  die  erste  Stimme  abzugeben  i),  der  sich  die  andern 
in  der  Regel  wohl  anschlössen.  Wenn  hier,  da  der  Abt  selbst  den 
Wahlakt  leitet,  die  Mönche  zögern,  irgend  einen  Namen  zu  nennen, 
so  war  das  eben  nichts  als  die  begreifliche  Scheu,  ihrem  Abte 
vorzugreifen.  Die  Heranziehung  der  benachbarten  Geistlichen  zur 
Approbation  hatte  ihren  Grund  in  einer  Bestimmung  der  Benedic- 
tinerregel  c.  64,  nach  welcher  bei  einer  ungeeigneten  Wahl  der 
Diöcesanbischof  und  die  benachbarten  Aebte  prohibeant  pravorum 
prevalere  consensum.  Damit  nun  nicht  von  dieser  Seite  später 
gegen  die  Wahl  Protest  erhoben  würde,  wurden  die  benachbarten 
Bischöfe  und  Aebte  am  dritten  Tage  nach  der  Wahl  herbeigeholt, 
um  derselben  ihre  Zustimmung  zu  geben.')  Aehnlich  als  Syrus, 
nur  noch  unklarer  und  phrasenhafter  schildert  Odilo  den  Verlauf 
der  Wahl.  Wenn  er  bemerkt:  Facta  est  autem  ah  otnnibus  inqui- 
sitio,  ad  que^n  omnium  fratrum  tendebat,  ad  dommmi  Maiolum 
pervenit  electio,  so  kam  es  ihm  eben  nur  auf  das  Resultat,  nicht 
etwa  darauf  an,  ob  Aymard  den  Majolud^ vorgeschlagen  hat,  oder 
die  Brüder  auf  ihn  kamen.  Er  weigert  sich,  giebt  dann  aber  nach: 
Postremo  a  fratribus  eligitiir,  a  populo  accianmtur,  a  ponti- 
fidhus  benedidtur  et  a  supradicto  patre  mofiasterii  in  loco 
sublimi  celeberrime  coUocatiir,  et  a  fratribus  officiosissime  salii- 
tatur  et  ab  omnibus  domnus  et  abba  honoratur  et  colitur.  Von 
einer  absichtlichen  Verdunkelung  der  Vorgänge,  die  Schultze  hier 
herausliest,  ist  keine  Rede,  ebenso  wenig  von  einer  doppelten  Wahl- 
handlung. In  seiner  gewöhnlichen  Rlietorik  wiederholt  Odilo  hier 
nur  den  ganzen  Verlauf  der  Wahl  in  kurzen  gereimten  Sätzen,  wie 
wir  etwa  zusammenfassend  sagen  würden:  Schliesslich  wird  er  von 
den  Brüdern  gewählt  u.  s.  w.  Also  Odüo  hat  nicht  etwa  sagen 
wollen,  dass  Majolus  nach  seiner  Weigerung  und  Wiederannahme 
noch  einmal  gewählt  worden  wäre.  Beide,  Syrus  wie  Odilo,  schil- 
dern nur  den  offiziellen  Wahlakt,  den  die  Chronol.  abb.  Cluniac. 
ins  Jahr  954  setzt     Odilo  hat  auch  hier  keine  eigenen  Kenntnisse 


1)  Vgl.  Udalrici  Consuet.  Cluniac.  111,  c.  1.  Dem  entspricht  an- 
scheinend  auch  Bemardi  Ordo  Cluniac.  1,  c.  1  (Hergott  p.  135),  wo  der 
Prior  als  Leiter  des  Wahlactes  erscheint. 

')  So  erklärt  auch  Ringholz  S.  9  mit  Recht  die  Heranziehung  der 
benachbarten  Geistlichkeit.  Bemardi  Ordo  Cluniac.  c.  1  erwähnt  die  Ein- 
ladung des  Bischofs,  der  fUr  die  Weihe  auserseben  ist,  und  zweier  Aebte, 
welche  den  Erwählten  zur  Weihe  zu  geleiten  haben. 


373 

und  schreibt  nur  in  Anlehnung  an  Syrns.  Dass  dieser  aber  nur 
unvollkommen  unterrichtet  war  und  mit  Zuhilfenahme  seiner  Phan- 
tasie schildert,  ergiebt  sich  daraus,  dass  er  den  Text  der  Wahl- 
urkunde als  eine  Rede  dem  Aymard  in  den  Mund  legt.  Im  übrigen 
kann  Syrus  wohl  auf  Grund  des  allgemein  üblichen  Verfahrens 
geschrieben  haben.  Für  eine  frühere  Wahl  oder  Designation  des 
Majolus  gewinnen  wir  nichts  daraus.  Auf  Grund  der  Wahl- 
urkunde müssen  wir  jedoch  eine  solche  annehmen,  und  insofern 
gewähren  die  Urkunden  nr.  729  und  781  eine  erwünschte  Be- 
stütigung.  Freilich  muss  hinsichtlich  des  Zeitpunktes  und  der  Art 
dieser  frtlheren  electio  immer  ein  leiser  Zweifel  bestehen  bleiben; 
denn  aus  dem  iam  prideni  electum  auch  nur  schliesssen  zu  wollen, 
dass  die  Brüder  ihn  gewählt  und  Dicht  etwa  Aymard  ihn  vorläufig 
nur  designiei-t  habe,  halte  ich  bei  der  Unbestimmtheit  der  Ausdrücke, 
die  gerade  auch  sonst  in  Bezug  auf  Wahlhandlungen  üblich  ist,  für 
unstatthah.  Der  Umstand,  dass  nachmals  eine  wirkliche  Wahl  der 
Brüder  stattfindet,  spricht  sogar  mehr  dafür,  dass  es  sich  anfangs 
nur  um  eine  vorläufige  Designation  des  Abtes  handelte. 


Beilagen, 


Erste  Beilage. 
Aus  Cartular  A  von  Cluni. 

(Bibl.  Dat.  lat.  nouv.  acquis.  nr.  1497.) 
Prefatio  temporibus  domni  Oddonis  abbatis.  f.  37 

Quotienscunqne  ad  expngnandam  calumniam  illorum,  qnorum 
perversitas  sanctnarinm  Dei  dissipat  quorumqne  stulta  temeritas 
elemosinas  pia  instornm  largitione  matri  ^cclesi^  coUatas,  scntnm 
defensionis  anipimus,  necessaria  per  plnrimum  noticia  litterarum 
forte  dinoscitar.  Et  ideo,  nt  in  series  primnm  libri  anrenm  tempiis  et 
Incida  gesta  domni  deprompsit  Bemonis,  sie  prosecntio  omninm 
donationum  carismata  a  fidel ibus  viris  tempore  predicandi  patris 
domni  videlicet  Oddonis  monasterio  attribnta  statis  evidenter  decla- 
rabit  Sed  interim  non  ab  re  nobis  videtnr  digressionem  qnandam  ab 
oratione  facere,  nt  ignorantibns  vitam  viri,  qnalis  fnerat,  valeamns 
intimare. 

Fnit  igitnr,  nt  veridica  priomm  relatione  fertnr,  nobili  pro- 
sapia  satns,  Cynomannica  regione  exortns,  arcinm  liberalinm  adprime 
regnlis  imbntns,  almi  Martini  Tnronensis  basilic^  ^dituus,  seimone 
clams,  vita  nitidus,  societate  iocnndns  et,  quod  bis  omnibns  excelsius 
est,  sacr^  doctrine  roseo  flore  decenter  omatns.  Ut  enim  de  re- 
lietis  minus  gerendis  ad  anteriora  extentus,  iuxta  apostolum  vir 
perfectionis  effectus,  filiorum  Recab  emulatione  ductus  est,  luteas 
sedes  habere  contempsit  in  terra,  quatenus  Christo  mereretur  inngi 
in  c^lestica  mera.  Delibutus  proinde  odore  virtutnm,  quem  id  tem- 
poris  Cluniacensis  rumor  praeeiosomm  more  aromatum  longe  lateque 
profuderat,  mente  prompta  quod  diu  concupierat  tenebrosi  reliquit 
rura  lugente  cive  in  patria,  l^tante  Christo  in  gloria.  Divino  iugo 
mitia  subposuit  colla.  Tyrocinio  denique  sue  conversionis  non  seg- 
niter  peracto,  praecatione  patris  circumventus,  cnius  institutis  fuerat 
maneipatns,  nolens,  nolens  et,  ut  verius  dictum  sit,  nolens  totius 
fratemitatis  ad  regendum  suscepit  examen.  Quanta  deinde  acri- 
monia  excelsos  animos  stemere,  qualive  cautela  vitia  resecare  quaque 
benignitate  virtutes  inserere  studuit,  non  ignorat  Italia,  protestatur 
Burgundia,  simulque  refert  Gallia.  Propheti^  denique  gratia  sufihsus 
ex  hoc  certissime  approbatur,  dum  supprema  sorte  preventus  con- 
tatione  iratrum  requisitus,  qnis  ex  tanto  collegio  ceteris  praeficeretnr, 


378 

alto  ilamine  afflatas  sie  ad  eos  respondisse  fertur:  ^Nostra  in  hoc, 
0  filii,  vacillante  censura,  Christi  domini  larga  non  deerit  prudentia, 
qu^  et  domui  su^  sanctam  providebit  pastorem  et  vobis  rogitantibus 
famalis  dignnm  non  denegabit  pastorem.'  Quod  scilicet  sane  consi- 
derantibns  sole  lucidius  patet,  dam  vita  et  conversatio  domni  Hey- 
mardi  satis  abunde  experimentnm  prebet  Hacnsqne  siqaidem  de 
tanti  yiri  landanda  nobilitate  breve')  peroratnm  suf&ciat,  quatinns 
ex  hoc  intellegatar,  qaantopere  oportet  nos  inherere  illiiis  scitis, 
quem  pro  merito  non  ambigimus  insertnm  angelomm  cnneis.  Sin 
antem  scrutinio  fideli  percnnctari  temptaverit,  qnanta  et  qualia  prae- 
libati  patris  indnstria  nsibns  monachomm  in  Clnniacensi  loco  degen- 
tinm  perseverant  adqnisita,  acie  ocnlornm  erecta  seqnentia  relegat, 
ibi  repperire  potent  non  minima. 


Zweite  Beilage. 
Aus  dem  Cartular  von  Deols. 

(Cod.  Paris,  lat.  12820*),  saec.  XVII.) 
1.  Brief  Stephans  VEI.») 

f.  .8'.  ^'"'-'''-^ 

Stephanus  episcopus  serrns  servonim  Dei  Gerunco   suflfraganeo 

nostro  Bituricensi  archiepiscopo  tuisqne  successoribus  in  perpetnnm. 

Prudentia  tua,  venerabilis  frater,   qnam   tibi  per  filinm  nostmm  ab- 

batem  Odonem  inesse  didicimus,  nt  credo,  non  ignorat,  qnia  ad  hoc 

qnilibet  episcopi  divinitns  constituti  sunt,  nt  patientiam  vel  caetera- 

rum  virtntum  exempla  subjectis  demonstrent,    et  si  religionis  ancto- 

ritas  apnd  saecnlares  forte  contemnitur  vel  apnd  spiritales  snnm  ins 

debet  retinere  iuxta  illnd  propheticum :  ^)    Si  fornicaris  tu,  Israel, 

non  delinquas  saltim  Jiida,     Et  idcirco  miror,  frater,  quod  inter 

te  et  quosdam  monasticae  professionis  fratres  esse  scelns  et  contentio 

videatur.    Ipsa  namque  raritas  religionis  iam  nobis  pretiosos  facere 

deberet  illos,  ubi  aliqna  scintilla  regularis  propositi  remansisse  vide- 

tur.     Et  Uli,  qui  pene  soli   in  tua  diocesi  communem  vitam  ducunt, 

et  a  te  sicut  a  patre  deberent  solatiari  et  tu  illos  quasi  filios  habere. 

At  nunc  nescio  praedio  pro  quodam^)  contendis  cum  illis   et   quod 

legaliter  finiri  poterat,  per  vim  excommunications  extorquis.     Porro 


*)  brevi  hs.  •)  Die  Schrift  ist  teilweise  schwer  zu  lesen. 

3)  Von  Löwenfeld  übersehen.         *)  Oseas  4, 15. 

*)  Vgl.  J.-L.  8603 :  Bodillonem  quoque  viUam  cimi  suis  appenditiis  a 
Girardo  nobili  viro  conlatam  eidem  praedicto  loco  similiter  confirfnamuSj 
quia  licet  praedictus  vir  Gerardus  primum  exinde  testamentum  ad  aliam 
ecclesinm  fecerit^  non  tarnen  ad  possidendum  hanc  tradidit,  sicut  his  post- 
erioribus  fecit. 


379 

locus  ille  a  snis  fundatoribns  apostolicae  sedi  ad  tnendnm  tradi- 
tus  est,  pro  qua  re  necessnm  est,  ut,  in  quantum  fas  exigit,  eidem 
loco  favere  stndeamns.  Discussa  antem  contribationis  causa  didi- 
cimns,  qnod  vix  qnidam  praedictum  praedium  tuae  sedi  per  testa- 
mentnm  dedit,  non  tarnen  ad  possidendum  tradidit:  monachis  vero 
ipsum  praedium  postea  et  dedit  et  ad  possidendum  tradidit,  et  eis 
coram  principibus  auctor  fuit.  Sane  si  hoc  tibi  satis  non  est,  re- 
cnrre,  quamvis  inter  spiritalia  non  deceret,  ad  auctoritatem  Romanae 
legis  1),  et  quid  ipsa  de  duobns,  quibus  una  res  traditur,  recepisse 
Visa  fuerit,  id  observa.  Alioquin  qnaesote,  frater,  —  ut  eidem  loco 
vel  fratribus  nobis  commissis  nuUatenus  sub  excommunicatione  et 
anathematis  obligatione  sancita  est,  quam  et  nos  per  nomen  sancto- 
rum  principum  apostolorum  Petri  et  Pauli  omnimodis  confirmamus  — 
rogantes  potins,  ut  paternitatis  tuae  suffiragium  illa  fraternitas,  in 
quocunque  indiguerit,  pro  amore  sanctae  Dei  genitricis  et  praedic- 
torum  apostolorum  et  pro  vestra  hnmili  subiectione  sibi  adesse  sen- 
tiat,  ne  forte,  quod  absit,  si  iniuriati  nostram  sedem  adierint,  hoc 
quod  nohimus  pro  eorum  defensione  agere  compellamnr.  Vale 
frater,  et  quod  dicimus  pro  apostolicae  sedis  reverentia,  libenter 
adimple.  Veiiim  si,  quod  absit»  non  per  legale  iudicium,  sed  per 
vim  excommunicationis  monachos  includere  volueris,  eos  omnimodis 
absolutos  esse  decernimus. 

2.  Urkunde  Ebbos  von  Ddols. 

Qnia  praedecessores  nostros  magnum  in  construendis  Deo  ta-  f.  10. 
bemaculis  Studium  habuisse  tam  frequentes  ubique  testantur  ecclesiae, 
nos,  qui  per  fidem  dominicam  ut  illi  vidimus  salvari,  necesse  est  eos 
aliquatenus  imitari.  Ego  Abbo  et  uxor  mea  cunctis  tam  praesentibus 
quam  futuris  notum  facimus,  quod  in  honore  matris  Dei  Mariae  sanc- 
tommque  apostolorum  Petri  et  Pauli  monasterium  inxta  Dolense 
castrum  ad  monachomm  habitationem  aedificavimus,  tam  pro  nobis 
videlicet,  quam  pro  illis,  qnorum  in  alio  testamento  memoria  reci- 
tatur  maximeque  pro  eis,  qui  loco  illi  vel  monachis  auxiliatores  ex- 
titerunt,  cui  scilicet  monasterio  iuris  nostri  res  vel  possessiones  seu, 
quod  a  futuris  nostris  successoribus  per  quamcunque  occasionem  re- 
quisitum  esse  poterat,  et  in  villa  ipsa  Dolis  vel  in  aliis  diversis  locis 
consistentes  delegavimus,  de  quibus  singulis  rebus  iam  quidem  legale 
testamentum  feceramus.  Sed  quia  christiana  fides  duobus  testamentis 
Unnatur,  idcirco  et  istud  facimus,  quatinus  calumniatorum  impu- 
dentia,  si  aliquando  obrepserit,  duobus  testimoniis  facilius  confutetur, 
et  cum  bis  temporibus  caritate^)  iam  nimis  frigescente   et  iniquitate 


*)  J.-L.  3603 :  Lex  enim  Romana  iubet,  ut  si  quia  de  utw.  re  duobus 
fecerit  testamentum  wii  prius  et  alteri  postea f  non  queratur,  ctii  prius  aut 
posterius  fecerit ,  etiam  si  aliquis  ei  propinqutis  sitj  sed  ille  videlicet,  cui 
post  factum  testamentum  rem  ipsam  ad  possidendum  tradidit. 

>)  charitate  Abs, 


380 

superabnndante  qnosdam  novimus  ad  tant«m  impietatem  prornpisse, 
nt  caenobia,  qnae  sui  parentes  aedificavernnt,  ipsi  snb  occasione 
propinqnitatis  opprimere  non  formidant,  qnod  ne  forsitan  hnic  loco 
eveniat,  omnimodis  cavere  satagentes,  primnm  vos,  o  christiani  pria- 
cipes,  qni  retributionem  boni  vel  mali  operifi  in  tremendo  indicio 
ventnram  non  dubitatis,  convenio  et  per  Christi  misericordiam 
obsecro,  nt  colentes  illnd  verbnm  dominicnm:  Qni  non  est  nie- 
cum  adversum  me  est,  hanc  anctoritatem  contra  omnes  malevolos 
defendatis^  ne  snbtrahendo  solatinm  contra  Deum  stetis,  quin  potius 
nostri  cooperatores  effecti  mercedem  participetis,  vos  deinde,  mei 
domestici,  uxor  videlicet  mea,  nomine  Hildegardis,  filii  caeteri,  qui 
fotnri  haeredes  vel  successores  hinc  et  in  perpetunm,  per  tremendam 
sanctae  Trinitatis  maiestatem  et  aeque  contestor,  adinro,  nt  nuUus 
unqnam  aat  praedicto  loco  aut  rebus  nostra  vel  aliomm  donatione 
ad  enm  pertinentibns  ant  monachis  ibidem  consistentibns  aliquam 
laesionem  ant  invasionem  sive  diminntionem  per  qnalemcnnqne  occa- 
sionem  inferre  praesnmat^  neque  aliqnis  tanquam  de  nostra  propin- 
qnitate  praesnmens  ei  qnasi  mnnibnrdns  aat  advocatns  per  eamdem 
propinqnitatem  existere  nitens,  hospitalitatem  ant  aliqnod  mannscnlnm 
exigat,  sed  nee  snb  inre  quidem  commutandi  ant  comparandi  de  bis, 
qne  vel  ad  sepultnram  vel  in  donariis  quocunque  pacto  delata  fnerint 
sen  arte  ad  eundem  locnm  quolibet  ordine  pertinuerint,  aliquid  ex- 
poscat,  sed  sicut  nnusquisque  vestrum  suas  haereditates,  portionem 
absqne  alterins  inqnietiidine  possidere  volnerit,  vel  sie  genitrici  Dei 
et  apostolis  partem,  qnae  eis  delegata  est,  tenere  liceat;  non  episcopns 
qnis,  non  comes  ant  qnaelibet  alia  terrenae  potestatis  persona 
dominari  loco  illi  vel  monachis  audeat  ant  abbatem  eis  constituere 
vel  rei>) . . .  cuiuslibet  inibi  praesamat  ordinäre,  sed  exclusa  totins 
impedimenti  molestia  praeceptis  regularis  queant  liberi  inservire. 
Siqnidem  ipse  Dens  non  solum  praecepti  anctoritate,  sed  et  male- 
dictionis  interminatione  temeritatem  pravonim  compescnit  dicens 
per  Moysem^):  Maledictus  qui  transfert  terminos  proicimi 
sui  Nee  igitnr  nostra  vox  quasi  hominis  contemnenda  putetur,  nos 
quoque  hoc  exemplum  secuti  imprecamar,  nt  maledictus  sit  qui  hos 
terminos  nostros,  id  est  has  constitutiones,  immutari  tentavit,  et  sicut 
Josue  dixit  de  Iherico,  quam  sibi  archa  Dei  subiugaverat^):  Male- 
dictus qui  eam  in  priorem  stattim  reparcisset,  sie  maledictus 
sit  qui  nostras  res,  quas  ecclesiae  dominio  subiugavimus,  ad  saecu- 
larem  dominium  quasi  ad  priorem  statum  referre  tentaverit.  Ne  vero 
huius  maledictionis  imprecatio  quasi  una  voce  prolata  minus  timenda 
credatur,  si  quis  forte  hanc  hereditatem  Dei  vexare  praesumpserit, 
contremiscat  voces  omnium  ubique  psallentium,  qui  utique  nobis 
etiam  tacentibus  contra  ipsum  vel  alios  huiusmodi  quotidie  dicunt^): 


^)  Lücke  in  der  Copie  ohne  irgend  welche  Erklärung. 

«)  Deut.  27,  17. 

«)  Vgl.  Jos.  6,  26.  *)  Ps.  93,  5. 


381 

Domine  y  hereditutem  tuam  vexaverunt,  Et  deincepe^):  Bedde 
illi^  inquitateni  ipsorum  et  in  malitia  ipsorum  disperde 
eos.  Et  item  2):  Omnes  qui  dixerunt:  haereditate  possidea- 
mus  sanctarium  Dei,  Dens  meus,  pone  illos  ut  rotam  et  cetera  3) 
quoQsqne  snbjangitur :  Confundantur  in  saeoulum  saeculi  et 
pereant  Si  qnis  igitur  hnic  nostrae  constitntioni  quolibet  modo 
contrarins  fnerit,  primo  eamdem  participationem  mercedis  careat,  de- 
in praedictis  maledictionibns  vel  in  caeteris,  qnae  in  veteri  et  novo 
testamento  scripta  sunt,  nisi  resipuerit,  citins  subiaceat.  Monachos 
antem  ipsos  per  nomen  totins  religionis  et  sanctae  regulae  auctori- 
tatem  deprecamur  et  obtestamar,  nt  secnndum  propositum  monasticae 
professionis  vivant,  et  si  non  melius  vel  ad  exempla  istomm,  quos  ibi 
Bemo  venerabilis  et  reverendus  abbas  primitus  posuit  quique  suc- 
cessores  conversentur,  eandem  psalmodiae  quantitatem,  eandem  hospi- 
talitatis  humanitatem,  eandem  ab  omni  came  praeter  piscium  per- 
petuam  abstinentiam  tendant.  Sed  et  in  vestitu  nativnm  colorem 
solummodo  habeant,  eandem  obedientiam  vel  abbati  vel  sibimet  ipsis 
impendant,  ab  omni  iuramento  penitus  abstineant,  silentio  et  medita- 
tioni  stndeant  et  nihil  omnino,  quod  dici  vel  nominari  potest,  pro- 
prium habeant,  sed  et  in  caeteris  consuetudinibus  eundem  modnm 
observent.  Quod  si  haec  omnia  fecerint  et  oblationibns  nostris  vel 
aliorum  fidelium,  sicut  divinitus  sancitum  est,  vivant,  similiter  non 
oblationes,  sed  peccata  nostra,  ut  proplieta  dicit^),  comedant.  Hoc 
tamen  omnibus  notum  sit,  quin  ipsi  qualitercunque  vivant,  nos  quod 
eis  non  pro  se,  sed  pro  Deo  donavimus  nequaquam  auferemus,  quia, 
etsi  divino  iudicio  utpote  maioris  gradus  reservandi  sunt,  et  nos, 
qui  de  nostri  operis  mercede  divina  gratia  largiente  securi  sumus, 
impinm  valde  vidimus,  si  transgressiones  humanas,  quasi  contra  Deum 
nostras  oblationes  retrahendo,  vindicemus,  verum,  ut  haec  eadem 
auctoritate,  humanis  etiam  adminiculis  fulcitur,  hanc  et  nostra  et 
honestorum  astipulatione  virorum  corroborari  rogavimus. 


Dritte  Beilage. 
Aus  dem  Cartular  von  St.-Miliiel. 

In  der  paläographisch  genauen  Abschrift  des  Cartnl.  de  Tabbaye 
de  Saint -Mihiel,  welche  Ulysse  Robert  1876  für  die  National- 
bibliothek angefertigt  hat  (Nouv.  acquis.  nr.  1283)  steht  zwischen 
dem  Chron.  8.  Michaelis,  das  zuerst  vollständig  von  L.  Tross^)  ediert 
wurde,  während  Waitz  im  IV.  Bande  der  SS.  nur  die  älteren  Drucke 
wiederholen   konnte,  und   dem    eigentlichen   Cartular    eine    spätere 

>)  Vgl.  Ps.  98,  23.        «)  Ps.  82,  13.  14.        «)  eibani?  h8.      *)  Os.  4,  8. 
^)  Chronicon  S.  Michaelis  etc.  ed.  Lndovicus  Tross,  Hammone  1857. 


382 

Aufzeichnung  über  Oonsecration,  Lage  nnd  Besitz  des  Klosters,  die, 
obgleich  die  darin  enthaltenen  Namen  sämmtlich  falsch  sind,  doch 
namentlich  in  wirtschaftgeschichtlicher  Hinsicht  nicht  ohne  Interesse 
ist.  Bemerkenswert  für  den  Inhalt  dieses  Bnches  ist,  dass  man 
vielleicht  auf  eine  Reform  der  Abtei  im  Jahre  957  geführt  wird, 
die  insofern  nicht  unwahrscheinlich  wäre,  als  das  Hanptkloster  der 
Diöcese  952  refoimirt  wurde. 

879  Anno   octingentesimo   septuagesimo  nono  tempore  Ludovici  se- 

2.  Apr.  cundi,  qui.  fuit   rex   Francorum   et  Imperator  *) ,    anno   secundo   sui 

regnl,  die  secunda  mensis  Aprilis  fuit  perfectum  monasterium  sancti 

3.  Ang.  Michaelis   situm   super    rivulam   Marsnpii^)    et    conseeratum    eodem 

anno  die  tercia  mensis  Augusti  a  venerabili  episcopo  Virdunensi  ^), 
presentibus  Girardo  Dei  gratia  episcopo  Cathalenensi^),  Arnulpho 
abbate  de  Insula^),  Johanne  episcopo  Motens!  <*),  Bartholomeo  abbate 
sancti  Apri^)  et  pluribus  aliis  tempore  Smaragd!  abbatis.^)  Cum 
vero  demum  monasterium  sit  sitnm  ad  pedem  montis  parv!  castri 
ex  uno  latere,  et  ripariam  Moze  in  altera  parte  et  praedictum^) 
rivulum  Marsupii  a  sinistra,  sciant  universi^^),  quod  praefatum 
monasterium  in  sno  ambitu  habet  et  de  sua  dote  tenet  tres  croverias, 
unam  tendentem  versus  Billatem,  qne  continet  triginta  duo  iomalla 
terre,  aliam  incipientem'^)  a  Moza  et  tendentem^-)  versus  ecclesiam 
sancti  Stephan!,  terciam  vero  incipientem^^)  ab  uno  latere  iuxta»*) 
furnnm  nostrum  Brouville  et  praetendentem '  *)  per  viam  Virduni 
usque  ad  fontem,  qui  dicitur  Mardosus  fons,  recte  nsque  ad  ripam 
Moze  sinistra  parte  et  a  dextra  usque  ad  montem  nostri  prioratus 
sancti  Blas!!.  Ilaec'^')  vero  croveria  dimissa  fuit  liominibus  praefati 
monasterii  ad  habitandum  et  domos  edificandum  per  venerabilem 
abbatem  Stephanum,  qui  postea  fuit  episcopus  Tungrensis'''),  quilibet 
pes  latitudinis  continens  centum  pedes  in  longitudine  pro  uno  denario 
proveniensi.  Unde  dicti  homines  ipsam  croveriam  amodiantes,  de 
ea  sie  ordinaverunt,  quod  primam  partem  versus  Virdunum  dimise- 
runt'**),  terciam  ordinaverunt  ad  cöleudum  •••),  mediam  vero  partem 
ad  edificandum  et  in  ea  habitandum,  in  qua  media  parte  dictus 
veuerabilis   abbas^^')   Stephanus   retinuit  pro   se    et   suo    monasterio 


^)  Ludwig  d.  Stammler,  der  wohl  nur  gemeint  sein  kauD,  war  be- 
kanntlich nie  Kaiser. 

^)  Massoupe. 

*)  Virdunenci  /la.,  Bischof  war  z.  Z.  Berardus  oder  Dado.  Vgl.  Garns, 
Series  episc.  p.  652. 

*)  Gab  es  im  9.  Jährt,  nicht. 

»)  St.  Quentin?  »)  Im  9.  Jährt  unbek.  ')  Unbekannt. 

•)  Abt  unter  Ludwig  dem  Frommen.    Vgl.  SS.  lY,  80  flF. 

®)  pdein  hs.  *°)  uni versa  ha.  *')  incipientä  hs. 

*')  tendentä  hs.  ^^)  incipientä  hs.  ")  justa  hs. 

^^)  praetendentä  hs.  '^)  Uac  hs. 

")  War  Bischof  v.  903—920;  vgl.  SS.  IV,  81.  ")  dimlsserunt  hs. 

")  colandum  hs.  ^)  venerabil'  abbes  hs. 


883 

recte  in  medio  duo  iomalia  terre  ad  domipolam  edificandam  <), 
forum  commune  tenendum.  Hec  antem  admodiatio  fait  facta  per 
venerabilem  abbatem  Stephannm  praedictum  et  smim  conventnm 
propriis  hominibns  sni  monasterii  anno  incamationis  dominice  non-  ^^' 
gentesimo  quinqaagesimo  septimo  die  quarto^)  mensis  Octobris  reg-  Oct.  4 
nante  piissimo  ac  serenissimo  imperatore  nostro  Henrico^)  primo,  qni 
vetns  monasteriam  restoravit  anno  imperii  sni  secnndo. 

Media  pars  hnins  croverie  in  circnitn  dnomm  iomarium  terre, 
qne  dictns  venerabilis  ^)  Stephanns  retinnit  pro  foro  tenendo^),  con- 
tinet  quatuor  vicos  in  circnitn,  et  pro  amodiatione  primns  vicns  in 
saltibns  nobis  tenetnr  in  decem  novem  solidis  provencium  cum  octo 
denariis,  secundus  vicus  incipiens  in  angnlo,  ubi  fluvius^)  Moze  un- 
das  suas  revolvit,  superius  ascendens  debet  ^iginti  duos  solides, 
tercins  ascendens  ad  meridiam  decem  octo,  quartus  rediens  ad 
Circusfranciam  decem  et  novem  solides  cum  decem  denariis  et 
semipede. 


Vierte  Beilage. 

Aus  dem  Necrologiiim  des  Cluniacenserpriorats 
von  Villers  (Diöcese  Besan^on). 

(Bibl.  Dat.  lat.  nouv.  acqnis.  348,  saec.  XII.  ^) 

Kai.  Jan.      Deposicio  domni  Hugonis  archi^piscopi.^)    Willelmi 
abbatis.^) 
Vü  Id.  Jan.        Depos.  domni  Willelmi  ducis  Aquitanorum.'^) 
VI  Id.  Jan.         Oonrardns  dux. 

Id.  Jan.        Depos.  domni  Bernonis  abbatis.**) 
XIX  Kl.  Febr.      Ob.  Heldricus  abbas.»^) 

XV  Kl.  Febr.      Ob.  Richardns  episcopus.^'*)  .  .  .  Gerbertus.'*)     Hie 

frater  Gerbertus  monacns  noster  ante  et  post  con- 
versionem  arte  et  ingenio  adquisivit  nobis  omnes 
vineas,  quas  babemus  ultra  lacum  in  diversis  locis 
Villi  lunationes  tem^  et  alia  multa  bona. 
XIII  KL  Febr.      Kainaudus  prior  claustralis  Clnniacensis. .  .  .  Giral- 

dns  abbas. 
VIII  Kl.  Febr.      Dep.  domni  Richardi  episcopi.     Pontii  abbatis. 


')  edificantam  ha.  *)  quarta  hs. 

')  Muss  natürlich  Ottone  heissen. 

*)  tenädo  hs.  *)  venerabil*  hs.  •)  fluviü  hs. 

"*)  Ueber  die  Handschrift  vgl.  L.  Delisle,  Inventaire  des  manuscrits 
de  la  biblioth^que  nat.  Fonds  de  Gluni.    Paris  1884,  p.  216—218. 
")  V.  Besancon.  ^)  A.  v.  Dijon,  gest.  1031. 

^  HI  ?,  IV  ?  ")  V.  Clunl 

")  A.  V.  Flavimy,  gest.  1010.        "»)  Ders.,  den  Jots.  II,  c.  13  nennt? 
")  Darüber  Stent  pro  qiM  officium  fiat. 


384 

VII  Kl.  Febr.      Ob.  Andreas  abbas-O 
m  Non.  Febr.  Ob.  Rotbertns  abbas.^) 
U  Non.  Febr.  Ob.  Lendbaldus  episcopns.^) 
Non.  Febr.  Ob.  Ildeboldns  episcopns.^) 
VIII  Id.  Febr.      Ob.  Willelmus  epißcopus. .  . .  Richardus  abbas. 

IV  Id.  Febr.      Dep.  domni  Adraldi  abbatis  et  episcopi.^) 
XIV  Kl.  Mart.      Ob.  Siefredns  archiepiscopus  ^) 

XIII  Kl.  Mart.      Dep.  domni  Raimbaldi   archiepiscopi.')     Gansberti 

abbatis.^)     Adaltrudis  regin^.^) 

V  KL  Mart.      Ob.  Subo  archiepiscopns.*") 

V  Non.  Mart.    Ob.  Feraldns  episcopus.*') 
II  Non.  Mart.   Ob.  Bemerius  abbas.'^) 

VIII  Id.  Mart.       Ob.  Jotsaldns  abbas.«») 

Depos.  Thetbaldi  abbatis.»*)     Bert^  regin^.**) 
IV  Id.  Mart.       Ob.  Hugo  abbas. 
XVU  Kl.  Apr.       Berlo  episcopus.*«) 
XV  Kl.  Apr.       Ob.  Anselmus  episcopus.     Wamerius  abbas. 

XIV  Kl.  Apr.       Ob,  Amadeus  abbas.  J') 

XII  Kl.  Apr.  Dep.    domni    Widonis   archiepiscopi.**)      Bernardi 

abbatis  et  episcopi.)'" 

XI  Kl   Apr.  Ob.  Garsias  abbas.'^")     Vitalis  abbas. 

VII  Kl.  Apr.  Ob.  Sanctius  episcopus.^^     Folgemus  abbas. 

VI  Kl.  Apr.  Ob.  Arnnlfus  abbas. 

V  Kl.  Apr.  Rodulfus  abbas  8.  Vit[oni].*20 
III  Kl.  Apr.  Ob.  Hugo  abbas. 

Kl.  Apr.  Ob.  Girbaldus  abbas.^») 

III  Non.  Apr.  Ob.  Ebrardus  abbas.^*) 
VI  Id.  Apr.  Ob.  Eracleus  episcopus.^^) 

IV  Id.  Apr.  Ob.  Anselmus  episcopus.^«) 

III  Id.  Apr.        Dep.  domni  Fulberti  episcopi.*') 
XV  Kl.  Mai.        Ob.  Stephanus  episcopus.^^)     Wido  abbas.^») 

>)  V.  St.  Salvator  in  Pavia?  «)  A.  v.  Cormery? 

»)  B.  V.  M&con  996—1018.  *)  B.  v.  Chalon  s.  S.  944—  c.949. 

»)  von  Chartres  1070—1075.  «)  von  Mainz  1060—184. 

^)  von  Arles  1030—1065.  •)  von  St.- Julien  in  Tours? 

")  Am  Rande  eingetragen.    Gemahlin  Rudolfs  III.  von  Burgund. 
»«)  von  Vienne  927—949/50.  ")'I-  oder  II  von  Gap. 

")  von  Marmoutier?  •«)  von  St.-Claude? 

")  1.  oder  II.  V.  Cormery.  ")  Gemahlin  Rudolfs  U.  v.  Burgund. 

>«)  von  Bellay  1134.  ")  v.  Flavigny. 

")  v.  Besan^on,  nach  9S3. 

")  Abt  V.  Beaulieu,  Bischof  von  Cahors.  *»)  Abt  von  Oila. 

*M  Bischof  V.  Pompelona. 

")  An  der  Seite  abgeschnitten.    R.  starb  1099;  vgl.  Necrol.  S.  Vitoni 
im  N.  Arch.  XV,  p.  127. 

»)  Abt  V.  Savigny  (gest.  c.  1121)  ?  oder  St.  Ghristina  am  Oglio?  vgl. 
oben  S.  347.  ")  Xl.  v.  St  Julien  in  Tours? 

»)  V.  Tarbes?  1056—1064.  "•)  v.  Aosta?  c.  990  bis  c.  1025. 

^)  V.  Chartres  1007—1029.  »)  v.  Clermont. 

«•)  V.  Cormery?,  Jsle-Barbre? 


385 

VI  Kl.  Mai.  Ob.  Geraldus  abbas.») 

X  Kl.  Mai.  Ob.  Richardos  abbas. 

YU  KL  Mai.  Ob.  Stephanus  abbas. 

y  Kl.  Mai.  Ob.  Ganfredus  archiepiscopus.'^) 

IV  Non.  Mai.  Ob.  Herimannus  episcopns  Metensis.^) 

Non.  Mai.  Ob.  Bonizo  abbas.^) 

VIII  Id.  Mai.  Dep.  domni  Dnranni  abbatis  et  episcopi.^) 

VI  Id.  Mai.  Ob.  Theotmarns  abbas.     Iterins  abbas.«) 

Xin  Kl.  Jun.  Ob.  Albertus  abbas.') 

X  KI.  Jon.  Ob.  Willelmas  abbas. 

VII  KL  Jan  Ob.  Andreas  episcopus. 

VI  Kl.  Jan.  Ob.  Oddo  abbas.     Hugo  abbas.») 

V  Kl.  Jun.  Ob.  Lanfraneus  archiepiscopus.»)  . . .  Remigius  epis- 

copus. i") 

IV  Kl.  Jun.  Ob.  Achardus  episcopus. ^^     Amaldus  abbas. 

II  Kl.  Jun.  Heinricus  episcopus  Leodiensis.^^) 

Non.  Jun.  Obiit  Aymo  episcopus.'*) 

XVI  Kl.  JuL  Ob.  Petrus  episcopus.**)    Berengarius  episcopus.»^) 

XI  KL  JuL  Ob.  Adam  abbas.     ^ 

X  KL  JuL  Ob.  Burchardus  archiepiscopus.^«) 

V  KL  JuL  Ob.  Fridericus  abbas.  i") 

II  Kl.  JuL  Geraldus  episcopus  Laus.'») 

U  Non.  JuL  Ob.  Herbaldus  episcopus.'^) 

VIII  Id.  JuL  Ob.  Gauzlenus  episcopus. 2®) 

III  Id.  JuL  Ob.  Aldebaldus  abbas.^»)  .  .  .  Heinricus   imperator 

primus.^2) 

XIV  Kl.  Aug.  Dep.  domni  Bemonis  abbatis.    Bovonis  abbatis. 

VIU  KL  Aug.  Dep.  domni  Nicholai  pape  11.23) 

VII  KL  Aug.  Leotulfus  episcopus.^*)     RodL^s)  dux. 

VI  Kl.  Aug.  Hugo  archiepiscopus.26) 

V  Kl.  Aug.  Victor  papa.*?) 

IV  Kl.  Aug.  Ob.  domnus  Urbanus  papa.^»)    Walterius  episcopus. 


»)  V.  Aurillac?       «)  V.  Lyon,  1054—1069.      »)  Am  Rande;  gest.  1090. 

«)  V.  St.  Severus  in  Classe?  *)  v.  Chalon  s.  S.  c.  940. 

•)  I.  V.  Savigny,  gest.  1044.  ')  v.  Marmoutier,  gest.  1064. 

•)  V.  St.  Martialis.  »)  v.  Canterbury,  1070—1089. 

w)  V.  Avignon?  c.  907.  ")  v.  Chalon  s.  S.  1059—1070. 

")  1076--1091.  Am  Rande. 

")  V.  Belley?  1032—1044;  L  v.  Sitten?  932—944;  v.  Valence?  c.  960 
bis  980. 

^*)  Bischöfe  dieses  Namens  finden  sich  mehrfach  in  südfranzüsischen 
DiOcesen,  Cavaillon,  Fr^jus,  Sisteron.  Vaison. 

'*)  Dieser  Name  ebenfalls  mehrfach  in  B^ziers,  Fr^jus,  Perpignan. 

»•)  IL  V.  Lyon,  979— 103;l         ")  v.  Marmoutier?         "p)  1107—1129. 

")  Wohl  von  Uz^s,  994—1026.  ««)  von  Macon,  gest.  1032. 

*i)  Ist  wohl  identisch  mit  dem  Bearbeiter  der  Biographie  des  Majolus. 

")  Heinrich  IL,  gest  1024  (A.  R.)  ^^)  gest.  1061. 

")  V.  Augsburg  988-996.  ")  So  Hs.;  Rodlandus? 

*»)  I.  V.  Besan^on,  1033—1066.     ")  II,  gest.  1057.     ««)  II,  gest.  1099. 

8»ekar,  ClaniaceDier.    I.  25 


386 

II  Kl.  Aug.  Petrus  episcopus. 

VI  II  Id.  Aug.  Dcp.  domni  Goderanni  abbatis  et  episcopi.*) 

V  Id.  Aug.  Dep.  domni  Viviani  abbatis.^) 

XU  Kl.  Sept.  Ob.  Ileinricus  episcopus.     Burchardns  episcopus. 3) 

IX  Kl.  Sept.  Landricus  episcopus  Matisconensis.^) 

VI  Kl.  Sept.  Odalncus  episcopus  Constanti[ensis]  6) 

Non.  Sept  Ob.  Ecemannus  abbas.<^) 

XV  Kl.  Okt.  Ob.  Chönradns  episcopus.^) 

VIII  Kl.  Oct.  Ob.  Girardus  episcopus.^) 

III  Kl.  Oct.  Ob.  Walterius  episcopus. 

II  Non.  Oct.  Dep.  domni  Ueymardi  abbatis.^*) 

IV  Id.  Oct.  Ob.  Iterius  abbas.^o)  .  .  .  Kaimbaldus  episcopus.**) 
XII  Kl.  Nov.  Ob.  Gauslenus  abbas.i^) 

VI  Kl.  Nov.  Ob.  Willelmus  episcopus.  *') 

IV  Non.  Nov.  Ob.  Bernardus  episcopus.**) 

II  Non.  Nov.  Ob.  Suppo  abbas.^^) 

VI  Id.  Nov.  Ob.  Paternus  abbas.*®) 

II  Id.  Nov.  Dep.  domni  Abbonis  abbatis.*') 

XVI  Kl.  Dec.  Ob.  Gothefredus  abbas.*») 

V  Kl.  Dec.  Ob.  Geraldus  episcopus.**) 

Kl.  Dec.  Ob.  Leotardus  archiepiscopus.-®) 

VIII  Id.  Dec.  Dep.  domni  Geraldi  cardinalis. 

VII  Id.  Dec.  Otto  imperator.21) 

XVIII  Kl.  Jan.  Agnes  imperatrix.22) 

XVI  Kl.  Jan.  Adeleida  imperatrix.23) 

XV  Kl.  Jan.  Ob.  Iterius  archiepiscopus.^*) 

VIII  Kl.  Jan.  Ob.  Stephanus  episcopus.**)  .  .  .  Hurchardns    epis- 
copus. . .  .  Domnus  Petrus  abbas  Cluniacensis.^^) 


»)  V.  Saintes,  1068—1078. 

«)  V.  St-Denis.  «)  v.  Worms,  lüOo— 1025. 

*)  1074—1096. 

»)  Abgeschnitten;  1110—1127.  •)  v.  Selz,  vgl.  oben  S.  313. 

T)  V.  Genf?  c.  1025.  *)  v.  Angoulöme,  v.  Gabors? 

»)  V.  Cluni.  »°)  I.  od.  II.  v.  St-Andr6-le-Bas? 

»)  V.  Speyer,  946  -950.  »)  v.  Fleury,  gest.  1026. 

")  V.  Belley?  v.  Carpentras? 

^*)  Bischöfo  dieses  Namens  öfter  in  B6ziers,  Gabors,  Dig^e,  Lodeve, 
Toulouse. 

")  V.  F^camp. 

Juan  in  Spanien,  gest.  zwischen  1063  und  1077. 


")  V.  F^ 
")  V.  S. 


")  von  Fleury;  gest.  1004. 

^^)  V.  S.  Ambrogio  in  Malland. 

»»)  V.  AngoulÖme?  *<>)  v.  Besannen,  c.  990—994. 

»»)  A.  R.,  Otto  II,  gest.  983.  «)  Gemahlin  Heinrichs  III. 

w)  Gemahlin  Ottos  1.  **)  v.  Arles,  963  bis  c.  978/79. 

^)  V.  Olermont?  —  Das  folgende  am  Rande. 

«»)  Gest.  1157. 


387 
Fünfte  Beilage. 
Aus  dem  Cartular  von  Paray-le-Monial. 

Die  Coli.  Moreau  der  Bibl.  nat.  enthält  Bd.  XI,  p.  99 ff.  eine 
Abschrift  des  nnr  fragmentarisch  erhaltenen  Cartulaire  du  prietire 
des  Benedictins  de  Parey,  Ordre  de  Clnny,  vom  Jahre  1783.  Nach 
einer  Angabe  Lamberts  de  Barive  ist  das  Original  auf  Pergament 
in  40  auf  114  Blättern  geschrieben.  Bezüglich  des  Zustandes  der 
Handschrift   lasse  ich  die  französischen  Worte  des  Copisten  folgen: 

Quoique  les  1^'  fenillets  soient  lac^r^  et  empörtes  en  grande 
partie,  on  a  cm  devoir  donner  ce  qni  en  reste  ä  raison  de  ce  qu'on 
y  tronve  des  dates  et  des  faites  qui  ont  pai*n  meriter  d'etre  connus. 
II  ne  paroit  pas  par  le  catalogne  des  chartes  imprim^es  qne  ce  qni 
va  snivre  ait  6t6  donn^. 

La  P'^  page,  dont  il  n'  existe  rien,  contenoit  nn  prdambule  oü 
Tautear  rendoit  compte  des  motifs  de  son  entreprise;  on  peut  lire 
ä  la  fin  ce  qni  suit: 

Litteramm  notitiam  qnoquo  modo  traditnm 

in  unius  codicilli  tenorem  stndiose  colligere,  pront  nostra  valnit  par- 
vitas,  non  ut  quidam  vesani  garrulo  ore  submnrmurant  nos  aliqna 
dempsisse  vel  augmentasse,  sed  ob  hoc  potius,  ut  Incidins  veritas  de 
cetero  pateat. 

Von  dem  folgenden  gebe  ich  nur  die  chronikartigen  Ans- 
f&hningen  über  die  Geschichte  der  Abtei  wieder  und  zwar  so,  dass 
ich  Zeile  för  Zeile  der  Copie  folge,*)  obgleich  diese  im  Anfang 
offenbar  die  Vorlage  nicht  genau  wiedergiebt.  Einige  leicht  zu  er- 
reichende Ergänzungen  habe  ich  in  Klammem  zugefügt.  Das  Car- 
tular stammt,  wie  sich  später  aus  cap.  XIIII  ergiebt,  aus  der  Zeit 
Bischof  Haganos  von  Antun,  also  aus  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hunderts und  ist  für  die  Geschichte  der  Grafen  von  Chalon  s.  S.  nicht 
ohne  Wert,  wie  es  auch  bereits  von  den  Verfassern  der  L'art  de 
vdrifier  les  dates  benützt  wurde. 2)  Ausführlicher  hat  kürzlich 
U.  Chevalier,  Paray-le-Monial,  Lyon  189(3,  darüber  gehandelt,  der 
eine  vollständige  Ausgabe  mit  Heranziehung  des  sonstigen  Materials 
beabsichtigt.^) 

Suit  en  titre  et  en  lettres  rouges^): 

Incipit  textus. 

Igitur  postquam  per  dispositionem  Dei  ante  secula 
prescientis  omnia  et,  qui  vocat  ea  que  non  sunt  tanqnam 
ea     qne     sunt,     nobilissimus     strenuissimusque    Lambertus, 


*)  Die  Ueberschriften  sind  im  Original  wie  in  der  Copie  z.  T.  am 
Rande  angegeben;  ich  habe  sie  überall  mit  Voranstellung  der  Zahlen  in 
die  Mitte  der  Zeile  gesetzt. 

')  L'art  de  v6r.  les  dates  XI,  129. 

')  Seine  Schrift  konnte  ich  erst  bei  der  Correctur  benUtzeu. 

*)  Die  Ueberschriften  sind  im  Original  stets  rot. 

26* 


386 

filins  Rotberti  vicecomitis,  Ingeltiiide  matre  ortns,  obtinnit 
comitatum  Oabilonensem  primns,  assentante  rege  primoribns- 
que  Francie,  cogitans  erga  se  Dei  cara  beDefitia,  acto  collo- 

f.  l'.        qnio  cum  su[is *et  qaodam  8no  conse  [nsn] 

eis  Votum  sui  cordis effectum, 

quod  ipsi  grati patrem  laudatum  Cluni  [acen- 

sem]  ....  plum  eique  declaravit  snum  [desiderium] 
.  .  .  certo  ad  se  properaret  .  .  eius  audiens  libenter 
aeeepit      .     .     .      a]tque  libenter  occurrerunt  sibi  et  simul 

non  sedebat  animis  qnalitas 

venien]te8  vero  supra  coUiculum  qui     .     . 

orbes  providus  pater  huc  illucque 

ob]  vius  subiacentem  vallem  rubis    .     . 

dumojsam  queque  Aurea  vallis  hae  ex  oc 

ido]  neus  pater  Maiolus  videtur  in  ...     . 

es.    Hie  profecto  locus  atque  ibi .     .     . 

aratns.     Nempe  siquis  calumpniam 

congrua.     Nee  ulti'a  vir  sapiens 

adeo  coUatum  in  dies  prorsus    .     .     . 

celerius  ducat  effectum.     Assensit  ergo  comes 

et  advocatis  suis  ministris  que  ininnxit  eis  [fecerunt 
omnia,  ut  volebat,  erogatis  pecunie  aliarnmque  [rerum 
maximam  quantitatem.  Alacriter  ergo  incepta  est  [con- 
struc]tio  monasterii  in  valle  illa  dumosa  in  nomine  Domini 
anno  ab  incarnatione  Domini  nongentesimo  *)  LXX™**  III®*** 
et,  ut  certius  crederetur,  Deo  esse  placitum,  magnum 
calcis  lapidumque  subplementnm  repertum  esse  ibi 
defossum'^),  eatenus  vicinis  incognitum,  quod  plenius 
provexit  opus  ad  cumulum.  Ne  ergo  generent  verba 
fastidium,  pluriora  sunt  brevienda  et  ad  lucem  deducenda. 
Deo  volente  bonorum  auctore  operis  peifectio  contollebatur^) 
paulatimque  die  in  diem  augmentabatur,  ita  ut  in 
septimo      anno      tres      invitati      antistites       cum      ingenti 

clericorum    monachorum   laicorumque [sexus] 

utriusque    numerosa    plebe    ipso    domno    comite    magnifice*) 

f.  2.       omnia  provident[e 

honestate,  in  sancti  Salvatoris 

ac  sancti  Johannis  babtiste  omnium 

comes  ampla  dona  obtu  [lit 

larga  munera  dedit,  mag 

amplum  contulit  ex  suis 

dotalitium.     Sed  antequam  ea  ta 

.     .     .     larum  diversarum  scriptaque 

unus  adnotanda  sunt 


*)  'nogentesiuio'  hs.  ')  defosse  lis ;  cf.  Chevalier  p.  S,  n.  8. 

')  attollebatur  Chev.  *)  magDifico  /w. 


389 


minns  utiles  brevientur 

nomina  eorum  terrarumqne  sitiis  testi 

vel  si  qna  sunt  commoda  describantur,  cetera  oen .... 

Caput  II.    Que  et  qnante  contnlit  in  sacratione 

hnins  ecclesie. 

Acta  est  hec  consecratio  anno  ab  incarnatione  [Domini] 
DCCCCLXXVII  cum  magna  gloria.  Ipsa  vero  die 
ob[talit]  domnns  Lambertus  comes  magnificns  vel  mnnificns 
xenia  *)  mnlta,  ornamenta  [qne]  quamplnra  in  diversis  speciebns. 
Praeterea  hec  ampla  terrarnm  spatia  multis  in  locis  coniacentia 
aecclesiam  sancte  Mane  dictam  ad  capellam  omniaque  ad  se 
pertinentia  terris  ntriasqne  sexus  mancipiis.  Actnm  ad  inqui- 
rendnm     aecclesiam    sancti    Martini    in    villa    Tolon    sitam 

n.  s.  w.  folgt  die  Anfz&hlnng  der  Schenkungen  Lamberts. 

.     .     .     .     His  aliisqne  multis  a  karissimo  Lamberto   hnins  f.  2'. 

loci  post  Dominum  fundatore  concessis,  quia  non  quennt  omnia 
fari,  corde  mesto  venimus  ad  ßnem   qna   migravit   a   seculo. 

Cap.  III.   Quod  longius  a  propriis  obiit  suumque 
corpus  huc  deferri  iussit. 

Anno  ab  incarnatione  Domini  DCCCCLXXXVIII 2), 
quia  non  est  in  hominis  potestate  eins  vita,  decessit  de  mundo 
isdem  egregins  comes  octavo  Ealendas  Marcii  suisque  ante 
suum  obitum  testificavit,  ut  quia  longe  discesserant  a  propriis, 
tumulatio  eins  corporis  nonalibi,  sedpotias  esset  in  loco  aseconstructo. 
Nos  ergo  his  premissis  ut  ad  cepta  redeamus,  tam  pro  iam  dictis, 
quam  etiam  pro  subsecuturis,  ea  que  videntur  innectamus. 
Sit  elemosinis  his  assensum  prebentibus  gratia,  pax  et  misericor- 
dia  a  Deo  patre  et  domino  Jesu  Christo,  Spiritu  quoque  sancto 
prosperitas,  salnbritas  et  vite  utriusque  felicitas.  Violatori  vero, 
desertori,  raptori,  profanatori  verorum  Christi  servorum  hoc  in 
loco  commanentium  anathema,  maledictio,  dampnatio,  pars 
cum  Dathan,  Chore  et  Abiron,  societas  cum  Pilato  et  Juda  et 
Caipha  et  cum  Judeis,  qui  dixerunt  domino  Deo:  Recede  a  nobis, 
nisi  resipuerit  et  satisfecent,  denasque  libras  auri  coactus 
exsolvat  iudicii.  Amen. 

[Cap.  Uli]  Quod  post  eins  ßnem  in  eins  loco  surrexit 

filius  eins  llugo.^) 

Es   folgt   im   Original   f.  3    eine   fragmentarische   Schenkungs- 
urkunde.    Von  der  Ueberschrift  des  Cap.  V.  ist  nur  noch  zu  lesen : 


*)  quia  li8. 


*)  in  einer  Schlussnote  auf  fol.  104  wird  bemerkt,  dass  hier  eine  X 
iel  ii 


zu  viel  ist.    Vgl.  L'art  de  verifier  los  dates  XI,  129. 
')  L'art  de  v6r.  etc.  p.  181. 


390 

Quam  largus hunc  lo Das  Capitel 

enthält  wiederum  eine  Anfzählnng  von  Schenkungen. 

Cap.  sextnm.   Quod  post  eins  decessum^  surrexit 
in  loco  eins  domnns  Theobaldns,  nepos  eins,  comes 

Cabilonensis.2) 

f.  4.        Igitnr  qnia  omnes  morimur  et  sici 

multa  alia  hnic  loco  concessa 

et  episcopo  elabente  eo  atqne  di 

domnns  Tedbaldns  nepos  eins  vi 

sejcnlaribns  valde  obtimns.     Qui  qnan[tnm 

ab  antecessoribus  suis  fundatum 

multis  eins  profectibus  ntilitatique  consulunt  ....   mul] 

ta  terraiTim  dona  concessit,  tam  prin 

cessoribus  agnoverat  loco  dedicata 

te  corroboravit  et  stabilivit.     Unde 

nt  si  qnis  ex  illis  ßdelibns  benefitium 

pro  anima  sna  voluerit  dare,  firmnm id  ha] 

beatnr,  et  item  et  si  quislibet 

rem  snmpserit  vel  in  terram  sancti invase] 

rit,  inmunis  et  liber  ab  omni  ca 

tis  perpetuo  maneat,  inter  misera 

Lambertus  comea  linic  loco  contulit 

qui  est  situs  in  pago  Cabilonensi  ins 

det,  in  villa  Biciaco  cnm  Omnibus  suis  ap[ertinentibus  et  man] 

sum  unum  in  comitatu  Cabilonensi  in  agi*o 

liacensi.  Terminat  supradicta  vinea  de  uno  latere  et  uno  fronte 
teiTa  sancti  Nazarii,  de  alio  terra  Dodolini,  de  alio  terra  sancti 
Ferioli. 

[Cap.  VIL]   Carta  Rodberti  vicecomitis. 

Rodbertus  igitnr  vicecomes  Cabilonensis,  frater  domni  Lambert! 
comitis,  vir  in  litteris  obtulit  quendam  mansum  in  vallis 
dictum  u.  s.  w. 

f.  4'.  [Cap.  Vm.]    Quod  Tolose  obiit. 

prefatus  comes  domnns  Teudbaldus 

anie  detentus  infirmitat« 

litare  et  convocatis  suis  famulis 

conscribi  fecit  testamentum 

minem  Hngonem  puerum  rerum  suarum 

ut  heredem.     Inter  hec  monuit  suos 

.     .     .....  superno  nomine,  ut  corpus  eins  deferrent 

in  loco  a  maioribus  suis  constructo,  denominavitque  ex 
suis  rebus  loco  concedenda,  videlicet  sellam  argenteam, 
candelabra   argentea,  sciphos   quatuor  argenteos   et    quedam 


»)  1039,  Nov.  4.  «)  L'art  p.  133. 


391 

alia,  et  qua  potnit  auctoritate,  anathematizando  interdixit 
filinm  ac  post  hec  successores,  ut  omnes  pernitiosas  noxias- 
qne  consuetudines,  qaas  sni  ministri  et  apparitores  in  tota 
terra  in  ten*a  sancti  percipiebant,  vel  exigebant,  ultra 
nunquam  perciperent;  privilegia  vero  et  dona,  que  ipse  vel 
sui  parentes  loco  concesserant,  rata  et  inconvulsa  perpetuo 
fideliter  servaret  Testes  liuius  rationis  fuemnt  Girardus 
de  Busol.  Wilelmus  de  Monthcrmente.  Dalmatius  Centarben. 
Bernardus  Bers.  Qui  etiam  corpus  eiusdem  comitis  cum 
multo  labore  ad  tumulandum  deportavemnt  in  loco  iam  dicto 
Paredo. 

Cap.  Villi.   Qnod  in  eins  locum  infans  filius  eius 

Hugo  successit.*) 

Domno  comite  Teudobald[o fili]  f.  5. 

US  eius  Hugo  surrexit  pati 

er  bene  roboratus  suorum  ag 

strenue,  locumque  hunc  multo 

Egressns  metas  infantie  sancti  Jabob[i  sepulcrum    .... 

invisere  in  ipsa  nempe  via  praeven[tus 

morte,  quedamque  delegavit  dari  hnic  loco  pro  sue  salute 
anime,  que  successores  recusavere 

Cap.  X.   Nomina  et  utilitas  quorundam  prepositorum 

huius  loci  partim  notata. 

Genannt  werden:  Andraldus^),  Gunterius,  Segualdus,  Girbertus. 
Nach  ihnen:  domnus  Hugo,  hoc  tempore  moderno.^) 

Cap.  XI.   De  domnis  abbatibus  Cluniacensibus,  qui  hunc 

locum  provexerant. 

nomijnandi  sunt  venerandi  patres  f.  5'. 

abjbates.     Sanctus  pater  Maiolus  huius 

ce[nobii  primus   abbas.     Ipjsius   enim   salubri    consilio   statu 

tu[s mon]asticus  ordo  a  comite  Lamberto. 

Dehinc  [succepsit  p]ater  Odilo,  cui  isdem  locus  concessus 
post  apostolum  .  .  .  ftierat  concessus  a  domno  Hugone  comite 
et  episcopo,  qnique  ornamentis  auxit  locum  et  terris.  Cui 
successit  amantissimus  pater  Hugo,  dignus  actione  et  merito, 
qui  prelibatum  locum  ampliavit  terris  et  ornamentis  semper- 
que  assensit  multis  commodis. 

Cap.  XUI.  De  presulibus  Ednensibus,  qui  hunc  locum  ad- 
creverunt  et  de  Bertranno  vicecomite  Arvernensi. 

Der  Rest  des  Cartulars  ist  für  uns  nicht  mehr  von  Belang. 


»)  c.  1065. 

')  Dieser  begegnet  z.  Z.  Odilos  und  Hugos  in  einer  Urkunde  der 
CoU.  Moreau  XVlfl,  164. 

')  Aus  c.  14  folgt,  dass  dieser  z.  Z.  Bischof  Haganos  lebte. 


392 


Sechste  Beilage. 


Tranölatio  beati  Martialis  de  Monte  Gaudio. 

(Cod.  Paris,  lat.  nr.  810,  saec.  XIV.) 
f.  100'.  In  translatione  beati  Marcialis  de  Monte  Gaudio. 

Leetio  prima«  Anno  i^tur  ab  incarnatione  Domini  nongen- 
tesinio  nonagesimo  quai*to  indictione  septima  indignatns  est  fnror 
Doraini  super  istius  provincie  incolas  et  vehementer  excrevit;  ac  non 
sine  iusto  iudicio  exigentibus  culpis  eorum  vindietam  sue  ulcionis 
super  eos  ingessit.  Que  nimirum  nlcio  divina  quam  populum, 
([uem  invaserat,  trueidabat  acerbe,  et  plnrimi  nostrates,  qui  evasere 
nutu  Dei,  potuenint  referre,  et  nonnulli  ex  nostris,  qui  supersunt^ 
certum  est,  lacrimosis  obtutibus  conspexisse.  Ardebat  etenim,  heu, 
pro  dolor!  subcutaneus  ignis  et  pene  usqne  ad  necem  inextin- 
guibilis;  et  pedibus  manibusve  maius  incendium  tolerans  quanto 
acrius  paciebatur  incommodum,  tanto  devotius  iuxta  vires  celeriter 
accurrens')  Christi  famuli  Marcialis  salvificum^)  expectabat  ad- 
miniculum. 

Lectio  II«  Jacebat  eqnidem  ante  fores  templi  ipsius  vel  per 
atria  gi'aviter  estnantis  popnli  et  sine  flamma  fumum  emittentis  fessa 
caterva;  ac  tantus  angebatur  cotidie  infirmancium  numerus,  quatinus 
ad  sanctissimum  Martialem  nimis  ai*tato  tramite  difficilis  haberetur 
ingressus.  Non  solum  enim  que  vicina  erant  ecclesie  nostre  loca 
replebant  infirmi,  ubi  per  alta  suspiria  sedulis  gemitibus  eiulabant 
cum  fetore  hon'ibili,  sed  eciam  secus  semitas^)  civitatis  et  sub  gra- 
dibus  domorum,  in  grabbatis  et  vilissimis  tuguriis  tanta  manebat  cohors 
fol.  101.  invalida  per  cunctaque  passim  Lemovicina  spacia,  ut  illius  psal- 
miste  posset^)  reminisci  cum  dolore  et  mesticia*"»):  „Foties  eos,  ut 
dibanum  ignis  in  tempore  fiiroris  tili;  dominus  in  ira  siia 
rt  conturhahit  eos  et  dcrorahit  eos  ignis^.  Et  ut  con- 
fidcntius  in  Christo  confidentes  non  condecet  hesitare,  nolens  eos 
Deus  fnictu  sue  frustrai'i  clemencie  tanquam  aurum  in  fornace  pro- 
batos  nostro  suoque  patrono  ducente  ad  patriam  letos  redduxit 
felicitatis  eteme. 

Lectio  III.  Cum  enim  pene  tota  .  civitas  vel  pagus  prefate 
persequcionis  tedio  quateretur  et  solita  leticia  in  planctus  mestitu- 
dinem  verteretur,  ceperunt  nostri  maiores  natu  ac  divino  sanctiores 
in  opere  salubri  meditatione  rimare,  qua  deliberacione  sanioris  con- 
silii  tarn  adurens  incendium  ab  obsessa  plebicula  potuisset  extingui. 
Quid  videlicet,  quod  erat  dignius,  consulentes  concurrunt  pariter  ad 
omnipotentis  Christi  veniale  solacium  eiusque  discipuli  Marcialis 
fidele  patrocinium,  poscentes,  ut  suo  levamine  rogus  inextingnibilis 
extinguibilis   redderetur   et  debilium  turma  optate  sospitatis  medita- 


')  aceureus  /w.  *)  salvinificuiQ  hs. 

*)  semictas  /w.  *)  posse  hs.  >)  Ps.  20,  10. 


393 

i  ne  fuloiretiir.  Huiiismodi  siquidem  gratia  venerabilis  Hilduinus, 
qni  tunc  Lemovicensi  sedi  idoneus  preerat  episcopus  ac  admodnm 
commodns  procurator  suscepti  regiminis,  cum  ceteris  probis  patribus 
et  excellencioribns  viris  tale  dedit  decretam  profntnri  invaminis. 
Qui  videlicet  missa  legacione  in  Oalliam  per  cunctaque  climata 
Aqnitanle  gi*atis  ad  nostri  presenciam  sacratissimi  pastoris  consilium 
popoßcit  agi'egari  peringens  in  hac  civitate  Lemovica:  nt  profecto*) 
per  qnem  provincias  credendi  habnernnt  in  Christo,  illius  in  ad- 
versis  tutissimo  potirentur  solacio  et  tanqnam  ab  proprio  patrono 
pax  et  exnltatio  impetraretur  a  Christo  et  in  rebns  titnbantibus  in- 
vincibilis  fortitndo. 

Lectio  IUI.  Negocio  quippe  legacionis  peracto  iustis  peticio" 
nibns  invitati  prompte  parentes  consilium  celebratur  ad  hanc  urbem« 
Convenere  gaudentes*  meti-opolitanus  scilicet  noster^)  suique  coepis-  tlOl' 
copi  suflfragatores  optimi  clericorum  honesto  secum  comitante  collegio 
huiusmodi  interesse  studuerunt  prefato  consilio.  Nee  defiuit  aliorum 
pontificum  societas  admirabilis,  qni  a  vicinis  civitatibus  vel  etiam  a 
longinquis  illostrium  virorum  ad  id  properantes  vasto  cum  agmine 
in  rebus  necessariis  solidum  potuissent  consultum  efficaciter  exibere. 
Comes  iternm  Pictavensis  ^),  qui  tamen  adhnc  invenis  super  Aqnitaniam 
primatnm  tenebat  honoris  cum  subditis  comitibus,  civibus  et  obti- 
matibus  sui  regiminis  ibidem  presens  adesse  procuravit;  cum  hono- 
riücencia  magni  honoris  Tholosane*)  siquidem  ac  Burdegale  ingenui 
dnces  urbinm,  ex  eorumve  imperio  primates  nobilissimi  quique 
nobilium  nichilominns  ad  hec  leti  prebuerunt  accessum.  Tantaqne 
denuo  a  circumadiacentibus  horis  utriusque  sexus  conflnxit  copia 
populorum,  ut  revera  intra  civitatem  et  extra  per  girum  vix  aut 
nnllatenns  repperiretnr  vel  exiguum  spacium,  ubi  non  inveniretur 
condensa  hospitacio  hominum.  Interea  collecta,  uti  praediximus,  tanta 
fidelium  ad  consilium  turma,  quanta  fnerint^)  cum  summo  gaudio  ad- 
vecta  ab  ortodoxis  almiiiua  sanctorum  corpora,  enucleacius  potuenint 
exprimere  qui  eorum  patrociniis  fulti  de  merore  in  gaudinm  meiiie- 
mnt  transire. 

Lectio  Quinta*  Post  igitur  adscitis  singillatim  et  in  secreto 
et  in  divino  dogmate  peritissimis  patribus  postulatur  a  Christo  salu- 
tare  consilium  et  indicitur  plebi  triduanum  ieinnium,  quo  conciliatns 
ipse  petentibus  conferret  optabile  supplementum.  Cumulantur  altaria 
libaminum  sacramentis;  totns  insistit  populus  orationibns  sanctis,  ut 
pius  Dominus  sno  intersit  arbitrio  snppliciter  exoratus,  eiusque,  cliens 
Marcialis  beatus,  ut  subveniat,  deprecatus.  Unde  ex  divina  dispen- 
satione  expedito  diligenter  consilio  ratum  est  divinitus,  ut  denomi- 
nati  pas^toris  sacratissimum  corpus  a  proprio   elevaretur  tumulo  et  f.  io2 


0  Es  folgte:  namque;  vom  Rnbricator  ausgestrichen. 

*)  Dagobert  von  Bourges. 

*)  Wilhelm  V.  von  Aquitanien. 

*)  Wilhelm  Taillefer.  »)  fuit  Äs. 


394 

quasi  vicinior  ex  eo  sortiretur  obtentus  orandiqne  facilior  tribneretur 
accessns.  Qnocirca  Christo,  credimus,  non  absente,  elevato  ipsiiis 
sanctissimo  corpore,  non,  qnanta  decnit,  sed,  quanta  potnit  dignitate 
evectum  est  a  spiritalibus  senioribus  melioris  memorie  extra  menia 
civitatis  band  longe,  in  cuiusdam  enim  eminencioris  apice  cacuminis, 
quod  ob  reverenciam  tanti  patris  per  tndiinm  ibi  permanentis  per- 
que  inmanitatem  signorum,  que  ibidem  quamplurima*)  snnt  patrata 
per  eiim,  ab  hoc*)  dierum  tempore  vulgo  nnncnpatnr  Mons  gaudii. 
Ibi  etiam  extnnc  solerti  indnstria  est  fundata  basilica  in  honore 
ipsius  fideliter  dedicata,  que  usque  hodie  a  transeuntibus  3)  cemitur 
manifesta. 

Lectio  VI.  Noctim  in  exitu  ipsius  sacri  coi-poris  a  sancti 
Salvatoris  basilica  tanta  sunt  celitus,  ut  fertur,  ostensa  magnalia, 
qnatinus  queque  erant  secus  altare  dominicum  vel  supra  divini 
misterii  exennti  patrono  supplicandi  blandissima  prebuerunt  incli- 
nando  servicia.  Quodsi  quis  voluerit  solummodo  hec  et  alia  vir- 
tutum  prodigia,  que  tunc  ab  eo  sunt  gesta,  plenius  recensere,  qui 
eorum  fuerunt  capaces,  recepta  plenius  sospitate,  evidenter  poternnt 
promulgare:  nos  autem  in  fide  ipsius,  nt  putamus,  quod  eciam  verius, 
credimus,  quia  fastidium  legentibus  infen*ent,  si  per  singula  paginis 
diligenter  adscripta  fuissent.  Sed,  ut  eciam  breviter  exponatur, 
omnes,  qui  eum  expetunt^)  quinqne  sensuum  corporis  privati  officio, 
dum  invigilant  precibus  pastori  piissimo,  extimplo  integre  ditantur 
sanitatis  commercio.  Id  vero  genus  hominum,  qnos,  ut  supra  retuli- 
mus,  ignis  actrociter  cremabat  vaporis  infesti,  tantam  per  eumdem 
gratiam  refrigerii  sunt  adepti,  ut  sopito  prorsus  incendio  nullo 
cohartarentur  incommodo,  sospites  effectL  Veruraptaraen,  ut  credi- 
mus, aliorum  presencia  sancta  sanctorum  bis  patrandis  virtutibus 
f.  102'  opitulandi  contulit*  incrementum;  qui  videlicet  in  circuitu  nostri 
pastoris  eximii  in  papilionibns  insegniter  hospitati,  clari^)  iubare 
renitebant  virtutum  ac  cboruscantis  triumphi.  Vos  quoque,  visus 
acie  audituque  aut  ratione  privati,  claudi  gressnum  debilitate  curvati, 
ac  diversis  egritudinibus  fessi,  confidenter  fuistis  adepti,  quanti  capaces 
existunt  meriti,  videlicet  hie  pater  eximius  ac<^)  huiusmodi  sancti,  dum 
pristina  sanitate  his  patrocinantibus  meruistis  potiri. 

Lectio  VIL  Preterea  pontificali  collegio  consilium  rite  pera- 
gente  et  sermonem  ad  populum  mistice  proferente  ecclesiastice  sanc- 
tiones  iure  disponuntur,  queque  fiebant  adversa,  federe  solidantur, 
dissidentes')  ad  concordiam  revocantur,  et  cunctis  tripudium  ineffabile 
pulsis  doloribus  exibetur.  Fulcitur  civitas  hec  tanto  referta  pastore, 
rerum  habundanciam  ubertate  tellus  ultra,  quam  fecerat,  maiori  fer- 
tilitate  redividat:  et  populus  cunctns  per  sanctissimum  Marcialem  a 
pio   magistro   suo  Jesu  Christo   utpote   celitus   visitatus,   cunctis  ab 


^)  quem  plurima  hs.  >)  hec  hs. 

3)  transseuntibus  hs,  *)  expectunt  hs. 

^)  ciarii  hs,       ^)  hac  hs,       '')  dissidantes  hs. 


395 

adversitatibns*)  est  immnnis  et  in  fide  ulterius  bene  vivendi  admodnm 
roboratns.  Nee  mirnm,  qnandoqnidem  non  poterat  hie  deesse 
summe  pietatis  divina  elemencia,  ubi  tot  manebant  cum  pastore  pre- 
dicto  Banctorum  presencium  pignora  preciosa.  Cum  igitnr  congruus 
videretur  finis  dari  coneilio,  sumpto  sanctorum  sanctissimo  thesauro 
indicibili  dignitate  in  iubilo,  ante  Christi  apostolum  cuncti  prope- 
rant  obseerando.  Ibiqne  fnsis  oraeionibns  humiliter  saplicando  vota 
cuncta^)  muneribus  persolventes  condignam  sibi  honorificenciam  prepa- 
rant  exibentes.  Exinde  alterna  supplicandi  vicissitndine  sanctis  ad 
invicem  salntatis,  pontificum  benedictione  cuncti  sascepta,  simul  eciam 
a  suo  priori  pastore  impetrata  licencia,  cum  triumpho  inenarrabili 
rediemnt  in  sua. 

Lectio  Till.  Ex  huiuscemodi  quippe  equa  traditione  con-  f- 103. 
cilii  tertio  Idus  Novembris  in  hac  civitate,  ut  supra  meminimus, 
competenter  sanciti  in  aliis  etiam  civitatibus,  quo  fama  non  latnit, 
statuendi  concilia  mos  inolevit,  quorum  pervigili  procnrationo  Status 
ecclesie  solide  coloratus,  adhuc  favente  Domino  permanet  inconvnl- 
8U8.  Qnis  enim  tantum  honoris,  tam  miram  excellentiam  dignitatis 
poterit  opinari,  quantum  Salvator  dominus  magister  suus  suo  fideli 
discipulo  prestitit  exhiberi.  Anterius  namque,  nee  postea  simul  in 
unum  apud  nos  est  visa  tam  virorum  decencium  innummerabilis 
turba  diversorumque  densitas  populorum,  qui  suo  primo  venere 
pastori  debitum  reddere  famulatum.  Sed  tamen  non  deest  assiduns 
famulancium  sibi  grex  copiosus,  qui  pro  cunctis,  que  promereri 
desiderat,  quasi  auxilium  misericordie  recurrens,  frequenciam  ora- 
tionis  ingeminat.  De  cetero  reliquis  recedentibus  per  aliquot  dies 
meritis  prestantiores  remansere;  qui  sacratissimum  corpus  sancti 
digno  tractantes  obsequio  meruissent  defferre.  Unde  suscepta  sanc- 
tissima  gleba  eins  decenti  vehiculo  cum  omni  nostre  ornatu  ecclesie  — 
episcopi  cum  clero  soUempniter  obviam  recinendo,  reguläres  Domini 
cum  monachili  choro  —  defertur  ad  loculum  pristine  tumulacionis, 
comitantibus  undique  multimoda  cum  processione  civilibus  turmis  et 
que  advenisse  quiverant  ex  plebeis.  Ad  quem  videlicet  locum  sie 
decenter  multumve  decentius,  quam  fari  non  possumus,  advenientes 
tantoque  cum  thesauro  studiose  ingredientes,  data  primum  oracione 
ant«  altare  Salvatoris  domini,  cum  iubilo  reposuerunt  illum  beni- 
gnissimi  patres  in  cariori,  quam  prius,  honeste  mausoleo.  In  quo 
quidem  operimento  sie  tegitur  quam  venusto,  ut  intereuntibus  multa 
Sit  admiracio,  dum  suis  aspectibus  emicant  nitidissimo  preciosi  lapi- 
des  intecti  cum  auro.  Nobis  autem,  qui  dulcissimo  tanti  patris 
frequenter  presidio  refovemur,  dum  in  conspectum  *  ipsius  oraturi  in-  f.  103' 
gredimur,  tanta  confestim  alacritate  replemur^)  tantusque  orandi 
affectus^)  augmentatur,  ut  nullus  locus  tam  nobis  carior  vel  delecta- 
bilis  habeatur,  quam  hie,  in  quo  nostrum  decus  nostraque  dyadema 
tam    honorificentissime    retinetur.      Ibi  sacrate  domumcule   mirabilis 


*)  aversitatibus  hs,     •)  cura?  hs.      ^)  replentur  hs.      *)  afectus  ä«. 


396 

piilcritndo  in  precibus  prolixitatem  exposcit ;  ibi  meroris  anxii  0  nubi- 
lum  alacritas  infusa  desiiper  eminus  depellit;  ibi  reaticum  nexiis 
miseratio  propiciatrix  dissolvit,  et  a  tanto  ministro  pietatis  recom- 
pensatur  ibi  bravinm  gemine  salutis,  snperni  tarnen  largiente  gracia 
Redemptoris.  Qni  bonorum  omnium  pius  largitor  sie  utinam  flagi- 
tetur  a  nobis,  ut  subveniat  suffragator  detque  a  suo  felicissimo  2)  cor- 
poraliter  alnmpno  Marciali  insigni  nos,  quos  alit  assidue,  se 
opitulante  iuvari.  Quatinus  quibus  divine  legis  primus  extitit  eru- 
ditor,  ad  snperna  polorum  efficacissimns  etiam  fiat  ductor  et  ab  ipso 
Christo  domino  ascisci  per  eum  mereamur  in  gloria  sanctorum,  ac 
eins  participes  gloriari  cnm  ipsis  per  cuncta  secula  secalomm.    Amen. 


^)  ancxü  hs.  *)  felississimo  hs. 


*   %t«"~' 


1 


Berichtigungen  und  Nachträge. 


8.  53  n.  3.  Vergl.  auch  Petri  Damiani  opnsc.  XXXIII,  c.  7,  Opp. 
III,  583. 

8  58  n.  6.  Vgl.  De  nnitate  ecclesiae  conservanda  ed.  Schwenken- 
becher  p.  139  f. 

8.  71.  Die  in  Note  2  angezogene  Urkunde  Gregors  IV.  (Arch.  bist, 
de  la  Gironde  V,  159)  ist  unecht.    Vgl.  8.  272  n.  2. 

8.  80  n.  3.  lieber  die  Reform  von  Sarlat  vgl.  Marmier,  Le  chartrier 
du  monast^re  de  8arlat  in  Societc  bist,  et  arcbeol.  du  Perigord, 
Bull.  XI  (1884),  p.  450  ff. 

8.  83  n.  3.  Hinzuzufügen:  Miracula  8.  Wulframmi  c.  3,  d'Achery, 
8pic.  II,  285. 

8.  192.  193.  Der  Beweisführung  Lot's,  Une  cbarte  fausse  d'Adalb^ron, 
arcbeveque  de  Reims,  in  der  Bibl.  de  l'^cole  des  chartes  LII 
(Paris  1891),  31  ff.,  dass  Adalbero  Weibnachten  971  nach 
Rom  gegangen  sei  und  das  Concil  von  Mont-Notre-Dame  im 
Mai  972  stattgefunden  habe,  kann  Ich  nicht  beistimmen.  Wenn 
er  letzteres  daraus  schliesst,  dass  die  Papsturkunden,  die  auf 
dem  Concil  verlesen  wurden,  v.  23  und  24.  April  972  datiert 
sind  und  die  Hist.  Mosom.  die  8ynode  in  das  auf  die  Refoim 
von  Mouzon  (Nov.  971)  folgende  Jahr  setzt,  so  kann  man 
eben  mit  Rücksicht  auf  die  Thatsache,  dass  die  Ende  April 
ausgestellten  Urkunden  schwerlich  im  Mai  bereits  der  8ynode 
vorgelegen  haben  können,  und  aus  der  bestimmten  Angabe 
des  sogen.  Decretum  Adalb.,  dass  die  Rirchenversammlung 
973  stattgefunden  habe,  eher  am  Jahre  973  festhalten.  Die 
Differenzen  zwischen  Richer  und  der  Hist.  Mosom.  wird  man, 
falls  man  bei  der  letzteren  überhaupt  in  chronolog.  Hinsicht 
Exactheit  veraussetzen  darf,  eher  so  ausgleichen  dürfen,  dass 

971  natali  domini  celebrato  Boten  Adalberos  nach  Rom 
gingen,  welche  die  Bullen,  die  im  April  972  ausgestellt 
wurden,  veranlassten,    und  dass  der  Erzbischof  erst  im  Dec. 

972  nach  Rom  reiste,  um  sie  zu  holen  resp.  neue  Privile- 
gierungen, etwa  in  dem  8inne,  wie  das  von  Richer  erwähnte, 
aber  nicht  erhaltene  Diplom  andeutet,  zu  fordern. 


398 

S.  209  n.  3.  Eine  Episode  aus  der  gemeinschaftlichen  AmtsfÜhrnng 
des  Aymard  und  Majolns  in  Petri  Dam.  opnsc.  XXXIII,  c.  7, 
Opp.  m,  583. 

8.  241  Z.  3  V.  u.  lies  *988'  statt  *978'  und  8.  242  Z.  10  v.  o.  sta'eiche 
„von  Anjou";  vgl.  U.  Chevalier,  Paray-le-Monial  et  son 
fondateur,  Lyon  1890,  p.  9  f. 

S.  266  n.  4.  Die  älteren  ürk.  v.  Vignory  sind  registi'iert  bei  J.  d'Arbau- 
mont,  Gart,  du  prieure  de  Saint  -  fltienne  de  Viguory,  Langres 
1882,  p,  170  ff. 


Verzeichnis  der  wichtigeren  Druckfehler. 


S.  14  n.  1  lies:  *  Condom.'  statt  *Codom.\ 

S.  46  Z.  13  lies:  'Dialectik'  statt  'Dialekt*. 

S.  58  n.  6  lies:  secxmdum  statt  secandnm. 

S.  69  n.  3  lies:  'S.  S.  68  n.  4'  statt  'Note  3'. 

8.  69  Z.  18  lies:  'sein'  statt  'seiner'. 

8.  80.  81  lies:  Pdrigneux,  L^zat. 

S.  88  Z.  3  u.  a.  St.  lies :  St.-Benott-snr-Loire. 

S.  95  Z.  6  V.  u.  lies:  'Pescara'. 

S.  104  n.  1  lies:  Ordinaiit 

S.  115  n.  3  lies  den  Schlnss  des  Citats:  mererentnr  rieinari. 


S.  162  n.  1  Ues 

S.  169  n.  4  lies 

8.  169  n.  7  lies 

S.  171  n.  2  lies 

S.  205  n.  1  lies 

8.  233  n.  1  lies 


more  statt  mora. 

audeat  statt  andeat. 

casum  statt  carum. 

consunimavit  statt  consummovit. 

contatione. 

'228'  statt  '281'. 
S.  247  Z.  19  und  S.  251  Z.  1  lies:  'St.-Manr-des-Fossds'. 
S.  274  letzte  Zeile  lies:  'Rhetorik'  statt  'Rethorik'. 
8.  280  Z.  19  lies:  'Galater'  statt  'Galather'. 
8.  301  n.  4  u.  ff.  lies:  'Chevalier'  statt  'Chevallier'. 
8.  305  n.  1  Z.  6  lies:  '993'  statt  '933'. 


Druck  von  Ehrhardt  Karraa  in  Halle  a.  S, 


DIE  CLUNIACENSER 


IN  IHRER 

nBOHUOHEN  UND  ALLGEMEINGESOHIOHTLIOHEN 

WIBESAHEEIT 


BIS  ZUR  MITTE  DES  ELFTEN  JAHRHUNDERTS 


VON 


ERNST   SACKUR. 


ZWEITER  BAND. 


HALLE  A.  S. 

MAX    NIEMEYSR. 

1894. 


Vorwort 


Der  vorliegende  Band  bedarf  in  noch  höherem  Grade  als 
der  erste  der  Nachsieht  der  Leser:  waren  die  Schwierigkeiten, 
die  für  die  Forschung  und  Darstellung  zu  überwinden  waren, 
doch  ungleich  grössere.  Namentlich  die  Anordnung  erfordert 
ein  Wort  der  Begründung.  Da  die  allgemeine  chronologische 
Entwicklung  den  leitenden  Faden  abgeben  musste,  war  von 
vornherein  geboten,  diejenigen  Abschnitte,  die  nur  eine  geo- 
graphische oder  sachliche  Anordnung  vertrugen,  an  geeigneten 
Stellen  in  den  chronologischen  Zusammenhang  einzuordnen. 
Ich  habe  vielleicht  nicht  immer  das  Richtige  getroffen;  aber 
überall  war  die  Gruppierung  des  disparaten  Stoffes  das  Be- 
sultat  sorgfältiger  Ueberlegung.  Es  kam  darauf  an,  zeitlich 
Früheres  früher  zu  erzählen  und  auf  jeden  Fall  Wiederholungen 
zu  vermeiden.  Dass  ich  über  Litteratur,  Kunst  und  Wirtschaft; 
nur  im  Zusammenhange  handeln  konnte,  wird  jedem  ein- 
leuchten. 

Meine  Auffassung  des  Gluniacensertums  und  seiner  Ein- 
wirkung auf  Deutschland  weicht  von  der  herrschenden  ab. 
Ich  verstehe  darunter  im  engeren  Sinne  die  Mönche  von 
Cluni  und  lasse  eine  Begriffserweiterung  nur  bezüglich  der 
Personen  und  Fälle  zu,  wo  die  unmittelbare  Beziehung  zu 
dem  Stammkloster  ausser  Frage  steht.  Die  Bedeutung  Clunis 
flir  das  Reich  ist  für  unsere  Zeit  bedeutend  überschätzt  wor- 
den:  die  Schuld   daran   trägt  Gfrörer,   dessen  Vorstellungen 


IV 

durch  Giesebrecht,  so  sehr  dieser  die  UebertreibuDgen  des 
phantasiereiehen  Geschichtschreibers  anerkaDnte ,  allgemeine 
Verbreitang  fanden.  Ich  habe  dabei  Polemiken  vermieden,  da 
es  zwecklos  ist,  von  prinzipiell  verschiedenem  Standpunkte  ttber 
Einzelheiten  zu  streiten.  Die  weitere  Forschung  wird  zu  ent- 
scheiden haben,  auf  welcher  Seite  die  richtigere  Auffassung 
vertreten  wird.  Ueber  Abbo  von  Fleury  bin  ich  im  Gegensatz 
zum  ersten  Bande  zu  einer  etwas  anderen  Anschauung  ge- 
langt; man  findet  das  Nähere  noch  unter  den  Nachträgen. 
Die  culturhistorischen  Gapitel  sollten  mehr  eine  zusammen- 
hängende Entwicklung  als  einzelne  Thatsachen  geben,  weshalb 
auf  die  Anführung  gleichgültiger  Daten,  die  ohnedies  z.T.  aus 
dem  Buche  selbst  zu  ersehen  sind,  verzichtet  wurde.  Für 
diese  Abschnitte  erbitte  ich  ganz  besonders  die  Nachsicht  der 
Kenner:  ich  mochte  auf  ein  eigenes  Urteil  in  keinem  Falle 
verzichten,  selbst  auf  die  Gefahr  hin,  hier  und  da  irre  zu 
gehen. 

Die  freundliche  Aufnahme,  die  dem  ersten  Bande  zu  teil 
wurde,  gestattet  mir  zu  sagen,  dass  ich  zuerst  von  Herrn 
Prof.  Caro  in  Breslau  zu  einer  Geschichte  der  cluniacensischen 
Reformen  angeregt  wurde.  Wertvolle  Winke  verdanke  ich 
Herrn  Prof.  Schäfer,  jetzt  in  Tübingen,  und  die  persönliche 
Aussprache  mit  Herrn  Prof.  Bresslau  in  Strassburg  gab  mir, 
seit  ich  hier  lebe,  jederzeit  Gelegenheit,  meine  Auffassung  zu 
vertiefen  und  meine  Kenntnisse  zu  bereichem. 

Strassburg  i.  E.,  im  October  1893. 

£.  Sackur. 


Inhalt  des  zweiten  Bandes. 


Seite 

Erstes  Capitel.    Die  Glaniacenser  und  die  National- 
Parteien  in  Italien  and  Burgnnd. 

(S.  1—24.) 

1.  Ardnin  und  die  Grflndnng  Ton  Frnttnaria 1—16 

I.  Arduin  und  Wilhelm  von  Dijon  1.  Gründung  von  Frut- 
tnaria  3.  —  II.  Odilo  und  Heinrich  II.  6.  Odilo  in  Pavia  7. 
In  Nenburg  8.  1014  in  Italien  9.  —  UI.  Aufstand  der 
Lombarden  1014  12.    Eutwicklung  von  Fruttuaria  14. 

2.  Die  Erhebung  Burgnnds 16—24 

I.  Stellung  Otto  Wilhelms  17.  Feldzug  des  Königs  von 
1003  und  1005  18.  Feldzug  von  1016  19.—  II.  Robert  II. 
1015  und  1016  vor  Dijon  und  Sens  20. 

Zweites  Capitel.    Die  französischen  Reformen 

unter  König  Robert 

(S.  24-71.) 

1.  Kirchliche  Zustände 24—32 

Besetzung  der  Bistümer  24.  Simonie  25.  Verarmung  der 
Kirchen  27.  Zusammenleben  mit  Frauen  27.  Auflehnung 
der  Laien  29.  Absolutionsrecht  des  Papstes  29.  Ketze- 
reien 30.  Der  König  31.  Sieg  der  geistlichen  Demo- 
cratie  32. 

2.  Die  Klosterreformeu  im  elften  Jahrhundert 32—71 

Francien  32—36.  St.  Denis  32.  St.  Germain  33.  St. 
Faro  34.  Touraine  und  Maine  34.  —  Herzogtum  Bur- 
gund  36—41.  Otto  Wilhelm  und  Cluni  36.  St  Salvator 
in  Vanx  36.  Diöcese  Autun:  Mesvres  37.  Flavigny  38. 
Vezelay  38.  Diöcese  Chalon  s.S.:  St.  Marcel  39.  Paray- 
le-Monial  40.  Diöcese  Nevers:  St.  Salvator  41.  —  Nor- 
man die  41—54.  Mainard  von  Gent:  St.  Wandrille  42. 
Mont-St-||ichel  43.    St.  Ouen  44.    Verhältnisse  in  F^camp 


VI 


SeiU 


44.  Richard  III.  und  Wilhelm  von  Dijon  45.  Bernai  47. 
Mont-St.-Michel  48.  St.  Ouen  50.  Jnmieges  50.  Weitere 
Entwicklung  von  F^camp  51.  Richard  vonStVannes  in 
der  Normandie  53.  Wilhelm  II.  und  die  Klöster  53.  — 
Bretagne  54—57.  Schule  von  Fleury  55.  Weitere  Ent- 
wicklung 56.  —  Auvergne  57—59.  Souvigny  und  Sauxil- 
langes  57.  St.  Gönes  de  Thiers  58.  La  Vodte-pr^s-Chil- 
hac  58.  —  Aquitanien  59—71.  Wilhelm  V.  59.  Seine 
Stellung  zur  Kirche  60.  Diöcese  Limoges  62.  Cahors  68. 
Grafschaft  Poitou:  Maillezais  63.  Burgeuil  64.  Odilo  und 
Wilhelm  V.  67.  St.  Cyprian  67.  St.  Jean  d'Angely  68. 
Molgone  69.    Spätere  Entwicklung  70. 

Drittes  Capitel.    Die  Cluniacenser  im 
Königreich  Bnrgnnd. 

(S.  72—83.) 

Lyon  und  Vienne  72—77.  Rudolf  III.  und  Cluni  72. 
Die  Erzbischöfe  von  Lyon  und  Cluni  78.  Savigny  74. 
Taloire  75.  St.  Andr^  de  Vienne  76.  —  Juraburgund 
77—79.  St  Victor  in  Genf  77.  Nantua  und  St.  Claude  78. 
Bevaix  79. —  Savoyen  und  Provence  79—83.  Malau- 
c^ne  80.  Le  Bourget  80.  Südliche  Diöcesen  81.  L^rins 
81.    Gap  81.    Valensolle  82.    Sarrians  88. 

Viertes  Capitel.    Wachsende  Bedeutung  des 
französischen  Mönchtums. 

(S.  84—100.) 

1.  Der  römische  Stuhl  und  der  nordfrauEÖsische  Episcopat      84—89 

Stellung  des  Mönchtums  84.  Fleury  und  Fulco  von  Or- 
leans 85.  Sergius  IV.  und  Hugo  von  Tours  87.  Gauz- 
lin,  Erzbischof  von  Bourges  88.  Benedict  VIII.  88.  Ri- 
chard IL  von  der  Normandie  und  die  Bischöfe  89. 

2.  (luni  und  die  Opposition 89-100 

Ansehen  Odilos  und  Chinis  90.  Opposition  unter  den 
Mönchen  91.  Bildung  einer  Congregation  durch  Odilo  91. 
Satire  Adalberos  von  Laon  94.    Tendenz  der  Satire  97. 

Fünftes  Capitel    Die  Cluniacenser  in  Spanien. 

(S.  101—113.) 

Allgemeine  Verhältnisse  101.  Sancho  der  Alte  von  Na- 
varra  102.  Aragon  108^108.  Patemus  104.  S.Juan 
de  la  Petifa  104.  Verbreitung  der  Reform  von  S.Juan 
aus  106.  —  Navarra  108—109.    Leyre  108.    Verbreitung 


vn 

Seite 

der  Reform  von  Leyre  ans  108.  —  Castilien  109—113. 
0«ia  109.  Verbreitung  der  Reform  von  Of^a  110.  Wei- 
tere Entwicklang  in  Spanien  111. 

Sechstes  Capitel.    Die  Clnniaoeiiser 
in  Lothringen. 

(S.  114— 164.) 

J.  Die  oberlotliringischen  Kirchen  am  Ende  des  zehnten 

Jahrhunderts    .    .' 114—126 

I.  Politische  Stellung  der  Bischöfe  114.  Theoderich  I. 
von  Metz  116.  Verdun  während  der  Minderjährigkeit 
Ottos  III.  117.  —  II.  Materielle  Lage  der  Bistümer  119. 
Geistliche  und  äussere  Verwaltung  120.  Frömmigkeit 
^  121.     Klostergründungen   122.     Lage  der  Klöster  12S. 

Begünstigung  der  Schottenmönche  124. 

2.  Die  Schule  Wilhelms  von  Dijon 126—138 

Diöcese  Metz  126—128.  S.  Arnulf  126.  Gorze  127.— 
Diöcese  Toul  128—183.    St.  Evre  128. 

8.  Die  Schule  Richards  von  St.  Vannes 133—154 

Richard  in  Reims  und  St.  Vannes  183—185.  —  Im 
Bistum  Cambrai  135—140.  St.  Vaast  136.  -  Leduin 
von  St.  Vaast  140—144.     Marchiennes  142.     Haspres 

143.  —  Eilbert  von  St.  Thierri  144—186.     Maroilles 

144.  St.  Andr6  du  Cateau  145.  —  Flandern  146—152. 
Balduin  IV.  146.  StAmand  147.  St. Peter  147.  StBavo 
I4J.  St  Bertin  149.  Bergh  St  Winnoc  150.  —  Verdun 
152—154.  St  Vannes  152.  StMihiel  153.  Vasloges  153. 
Poppo  wird  Abt  von  Stablo  154. 

Siebentes  Capitel.    Die  Cluniacenser  und  die 
Kaiser  Heinrich  und  Konrad. 

(S.  155—206.) 

1.   Ueinrich  11 155-183 

I.  Heinrich  II.  und  Richard  155..  Heinrichs  Klosterpoli- 
tik 156.  Heinrichs  Reformmassregeln  158.  Benedict  VIH. 
159.  Streit  Aribos  mit  der  Curie  161.  Synode  von  Se- 
ligenstadt  161.  Otto  von  Hammerstem  162.  Stellung 
der  Cluniacenser  zur  Kirchenreform  165.  —  IL  Friedens- 
oinigungen  in  Burgund  165.  Synode  von  Verdun  (Cha- 
Ion)  166.  Synode  von  H^ry  167.  Versammlung  in  Com- 
piegne  168.  Gerhard  von  Cambrai  170.  —  IIL  Tod  Hein- 
richs IL  und  Benedicts  VIII.  171.  Johann  XIX.  und 
Wilhelm  von  Dijon  172.  —  IV.  Richard  von  St.  Vannes 
im  LUtticher  Sprengel  174.    Lobbes  174.    St  Jacob  175. 


VITI 


Seite 


St.  Lorenz  1 75.  Raginars  Vorhalten  in  Lobbes,  St.  Lo- 
renz, St.  Trond  175.  —  V.  Poppo  in  St.  Vincenz  von 
Motz  177.  Hohorst  179.  St.  Maximin  179.  StEucharins 
181.    Busendorf  181.    Echternach  181.    Brauweiler  183. 

2.  Koiirad  II 184—196 

L  Konrada  Wahl  und  die  Stellung  der  Lothringer  184. 
Die  Cluniacenser  und  die  Ehe  Konrada  IL  188.  —  IL  Sy- 
node von  Anse  1025  189.  Gluni  und  die  Bischöfe  von 
Mücon  190.  Odilo  im  Frühjahr  1027  mit  Konrad  IL  in 
Korn  192.    Odilo  in  Monte  Cassino  195. 

3.  Itallonische  Reformwirknngen 196—200 

L  Farfa  196.  Casauria  198.  La  Cava  198.  Novalese  200. 
—  II.  Die  Klostergründungen  der  lombardischen  Mark- 
grafen 203.  S.  Giusto  200.  Caramagna  205.  Gavour  206. 
Corsica  206. 

Achtes  Gapitel.    Frankreich  nach  dem 
Tode  Roberts  II. 

(S.  207—234.) 

1.  Robert  und  Wilhelm  Yon  Dijon 207—218 

I.  Krünung  Hugos  1017  in  Compiegne  207.  Tod  Hugos 
208.  Krönung  Heinrichs  209.  Aufstand  der  Sühne  gegen 
Robert  U.  209.  Tod  Wilhelms  von  Dijon  210.  —  IL  Wil- 
helms Persönlichkeit  211.    Tod  Roberts  213. 

2.  Allgemeine  Zeitstrdmnngen 213—234 

Misstände  und  Friedens  versammlungen  213—222. 
Hungersnot  213.  Friedenssynode  in  Limoges  217.  Frie- 
denseinigungen in  Aquitanien  219.  Fortpflanzung  der 
Friedens  Versammlungen  220.  Gerhard  von  Gambrai  222. 
--  Erhöhte  Sorge  um  das  Seelenheil  223—234. 
l.  Prophezeiung  des  Weltuntergangs  223.  Abbo  224. 
Adso  224.  Das  Jahr  1000  226.  —  IL  Das  1000.  Jahr  der 
Passion  227.  Gluniacensische  Messen  228.  Legenden 
229.  Einführung  des  Allerseelentages  231.  —  lU.  WaU- 
lalirten  nach  dem  hl.  Lande  231.  Reise  Richards  von 
•St  Vannes  233. 

Neuntes  Capitel.    Deutsch -französische 

Beziehungen. 

(S.  235—276.) 

1.  Odo  von  Champagne  im  Kampfe  mit  Heinrich  I.  und 

Konrad  U 235—244 

Odo  und  Heinrich  I.  im  Kampfe  um  Sens  235.  Tod  Ru- 
dolfs III.  von  Burgund   236.     Feldzug  Kourads  gegen 


\ 


IX 

SeUo 

Bargund  236.  Stellung  Odilos  dazu  237.  Streit  um  das 
Bistum  Lyon  238.  Bündnis  Heinrichs  I.  und  Konrads  II. 
239.  Zweiter  Angriff  Konrads  242.  Konrad  II.  und  Hein- 
rich III.  1038  in  Burgund  242. 

2.  Yordiingen  der  popponischen  Sohnle 244— 2G1 

I.  St  Maximin  244.  Limburg  244.  Hersfeld  245.  St. 
Ghislain246.  Weissenburg  247.  Waulsort  248.  St  Gallen 
249.  Kkkehard  IV.  252.  —  II.  Regierungsantritt  Hein- 
richs in.  255.  Heinrich  1040  in  Stablo  256.  Sigfried 
von  Gorze  257.    Heirat  mit  Agnes  von  Poitou  261. 

8.  Die  Clnniacenser  unter  Heinrich  I.Ton  Frankreioli     .    261—270 

L  Heinrich  L  261.  Richard  von  St  Vannes  262.  St  Peter 
in  Ch&lons  s.  M.  262.  St  Urban  263.  Mouzon  263.  Bre- 
teuil  263.  Homblieres  264.  Mont-St.-Quentin  264.  St. 
Josse  264.  St.  Riquier  264.  Richard  und  Odo  IL  von 
Chartres  265.  —  IL  Treuga  Det  267.  Kriege  in  Francien 
270.  Odilos  Verdienste  um  den  Gottesfrieden  272.  — 
III.  Halinards  Jugend  273.  Halinard  Erzbischof  von  Lyon 
274.    Halinard  und  Heinrich  lil.  275. 


Zehntes  Capitel.    Die  Kirchenreform 
Heinrichs  III. 

(S.  277-326.) 

1.  Die  Reformpai-teien  und  der  römische  Stuhl     ....      76—290 

I.  Benedict  IX.  277.  Italienische  Zustände  278.  Guido 
von  S.  Maria  di  Pomposa  279.  Petrus  Damiani  279.  Die 
drei  PÜpste  281.  Gregor  VI.  281.  Der  Process  Wiggers 
von  Ravenna  284.  Rümerzug  Heinrichs  IIL  286.  — 
IL  Odilos  Stellung  zur  Reform  Heinrichs  286.  Odilo  in 
Rom  288.    Odilo  und  Clemens  II.  289. 

2.  Tod  Ricliards,  Poppos  und  Odilos 290—302 

I.  Tod  Richards  291.  Seine  Persönlichkeit  291.  —  II.  Pop- 
pos Character  293.  Seine  Wirksamkeit  294.  Letzte  Thä- 
tigkeit  295.  Tod  und  Beisetzung  296.  —  IIL  Odilos 
letzte  Zeit  und  Tod  297.    Seine  Persönlichkeit  29S. 

3.  Der  Sieg  der  Beform 302—326 

Die  Opposition  gegen  Heinrichs  Kirchenpolitik 
302—308.  Erhebung  Brunos  von  Toul  302.  Einwände 
Wazos  von  Lüttich  und  des  sog.  Anctor  Gallicus  305.  — 
Papst  Leo  IX.  309>-32fi.  Hildebrand  309.  Bruno  und 
Hildebrand  311.     Leo  IX.  und  Clnni  312.     Massregeln 


Seite 


Leos  gegen  die  Simonie  319.  Italienische  Synoden  314. 
Creirung  von  Cardinälen  315.  Reimser  Concil  816.  Leo 
im  Elsass  und  Lothringen  822.  Halinard  von  Lyon  323. 
Halinards  Tod  825.    Schluss  325. 


Elftes  Capitel. 

Schulen,  Bibliotheken  und  Litteratur  in  den 

Hanptcentren  der  Clnniacenserreform. 

(S.  327-368.) 

Cluni  828—345.  Schulen  und  Bibliotheken  328.  Die 
classischen  Dichter  330.  Odo  von  Cluni  881.  Littera- 
rische Producte  aus  Tours  331.  Die  CoUationen  882. 
Die  Vita  Geraldi  333.  Predigten  Odos  334.  Musicalische 
Schriften  335.  V.  Odonis  des  Johannes  337.  Spätere 
Bearbeitungen  337.  Majolus  338.  Die  Biographieen  des 
Majolus  838.  Die  Miracula  S.  Maioli  341.  Das  Epi- 
taphium der  Adelheid  341.  Briefe  Odilos  842.  V.  Odi- 
lonis  des  Jotsald  342.  —  St.  Benoit-sur-Loire  345  — 
351.  Bibliothek  und  Schule  845.  Abbos  Schriften  345. 
Aimoin  347.  Die  V.  Abbonis  348.  Litteratur  über  den 
hl.  Benedict  349.  Helgauds  Königsbiographie  851.  An- 
dreas von  Fleury  351.—  StBönigne  327-358.  Studien  \ 
in  St.  Benigne  351.  Volksschulen  Wilhelms  353.  Schrif- 
ten Wilhelms  353.  Rodulfus  Glaber  354.  V.  Wilhelmi 
355.  Die  Chronik  von  St.  Benigne  356.  Allgemeines 
urteil  357.  —  Metz,  Toul,  Verdun  858—367.  Gorze 
858.  Die  Miracula  S.  Gorgonii  359.  St.  Arnulf  360.  Die 
V.  Johannis  Gorz.  860.  Vita  Kaddroe  361.  St.  Evre  362. 
Adso  362.  V.  Gerardi  865.  Chronik  von  Moyenmoutier 
366.  Translatio  S.  Firmini  366.  V.  Rodingi  366.  Chron. 
S.  Michaelis  867.  Gesta  episc.  Virdun.  367.  Allgemeiner 
Character  der  Litteratur  867. 


Zwölftes  Capitel.    Die  Kunst  in  Cluni  und 
den  verwandten  Abteien. 

(S.  369—405.) 

Architectur  369—400.  Character  der  neuen  Archi- 
tectur  369.  —  Cluni  372.  Bauten  in  Cluni  372.  Bau- 
thätigkeit  Odilos  375.  Romainmoutier  376.  Peterlingen 
377.  Souvigny  380.  —  Fleury  381.  Bauten  in  Fleury 
881.  Architectonischer  Schmuck  384.—  Dijon  386.  St. 
Benigne  386.  Andere  Bauten  890.  Vignory  890.  Mon- 
tierender 891.    Normannische  Kirchen  391.  —  Lothrin- 


XI 

Seite 


gische  Reformbewegung  392.  St.  Vannes  392.  Ri- 
chards Schüler  894.  Poppo  von  Stablo  894.  Hersfeld, 
Limburg  und  Echternach  395.  —  Kleinkunst  400—405. 
Allgemeines  400.  Webkunst  401.  Metallguss  und  Mar- 
morsculpturen  401.  Getriebene  Bronce  und  Emailtechnik 
in  Lothringen  408.    Heiligengräber  104. 

Dreizehntes  Capitel. 
Wirtschaft  und  Klosterreform. 

(S.  406—486.) 

L  Besitzerwerb  und  Landcultur  406—413.  Mög- 
lichkeit des  Besitzerwerbes  406.  Verhältnis  der  beding- 
ten zu  den  unbedingten  Schenkungen  in  Gluni  407.  Ab- 
nahme der  Schenkungen  seit  dem  ersten  Viertel  des 
elften  Jahrhunderts  408.  Die  vergütigte  Schenkung  409. 
Kauf  und  Tausch  409.  Erwerbsobjecte  410.  Cultur  des 
Landes  und  Landwirtschaft  411.  Anlage  von  Üörfern 
411.  Die  Dorf kirche  412.  Präcarie  und  Teilbau  413. — 
IL  Verwaltungsorganismus  413—428.  Allgemeiner 
Character  des  Grundbesitzes  413.  Stellung  der  Hinter- 
sassen 414.  Ergebung  in  den  Dienst  des  Klosters  415. 
Gerichtsbarkeit  des  Abtes  416.  Ding-  und  Schirm vOgte 
417.  Der  Meier  418.  Villication  durch  Mönche  422.  Die 
Pröpste  423.  Centralverwaltung  424.  Verhältnisse  in 
Clunl  427.  —  m.  A'nteil  am  Verkehr  428—436.  Häu- 
ser in  Städten  429.  Zollbefreiungen  429.  Markteinnah- 
men 430.  Marktverkehr  an  Klöstern  431.  Bildung  von 
Abteistä^ten  432.  —  Allgemeine  wirtschaftliche  Bedeu- 
tung der  Klosterreform  435. 

Vierzehntes  Capitel.    Ergebnisse. 

(S.  437—465.) 

L  Entwicklung  der  Klosterreform  437.  Organisation  439. 
Umschreibung" des  Cluniacensertums  439.  —  U.  Rom  und 
Cluni  441.—  III.  Stellung  zur  Simonie  446.  Zur  Priester- 
ehe 447.  Zu  den  Verwandtenehen  448.  Zur  allgemeinen 
Kirchenreform  449.' —  IV.  Beziehungen  zum  deutschen 
Reiche  449.  Peterlingen  450.  Beziehungen  zu  Italien 
450.  Pavia  451.  Romreisen  452.  Persönliches  Verhält- 
nis zum  Kaiserhause  453.  Verhältnis  zur  Reichskirchen- 
politik 453.  Reichsabteien  und  Bistümer  454.  Lothringen 
456.  Artjdes  Regiments  45S.  —  V.  Bedeutung  für  die 
Reichsgeschichte  in  den  letzten  Zeiten  Heinrichs  II.  und 
den  ersten  Konrads  IL  460.  Heinrich  IIL  463.  -  VI.  All-  U 
gemeine  Bedeutung  des  Mönchtums  464. 


XII 

Seite 

Excnrse 467 — 476 

Erster  Excurs.    Die  Abstammung  der  Gerbcrga,  der 

Mutter  Otto  Wilhelms  von  Burgund 469—471 

Zweiter  Excurs.    Die  Anfänge  von  La  Cava    .    .    .  472—474 

Dritter  Excurs.    Die  Einflibning  des  Allerseelen tages  475 — 476 

Beilage«    Aus  ungedruckten  Predigten  des  Ademar  von  Cha* 

bannes 477—487 

Nachträge  und  Berichtigungen 488 

Register  cum  ersten  und  aweiten  Bande 489—530 


-.'^    ../.  r;>. 


Erstes  Capitel. 

Die  Cliiniacenser  und  die  Nationalparteien  in 

Italien  und  Burgimd. 


1.  Arduin  und  die  Gründung  von  Fruttuaria. 

I. 

i5ald  nach  dem  Tode  Kaiser  Ottos  III.  erhob  sieh  in 
Italien  Markgraf  Arduia  von  Ivrea,  der  Sohn  Dados,  und  liess 
sieh  am  18.  Febr.  1002,  noeh  bevor  die  Wahl  des  deutschen 
Herrschers  entschieden  war,  zum  Könige  krönen.  Unter  seinen 
Anhängern  befand  sich  yermutlioh  schon  damals  die  Familie 
Wilhelms  von  Volpiano,  des  Abtes  von  St.-Bänigne  in  Dijon, 
der  durch  seine  Mutter  mit  dem  Hanse  Arduins  verwandt 'ge- 
wesen zu  sein  scheint^)  Wenigstens  wissen  wir  von  Wilhelms 
Verwandtschaft  mit  Otto  Wilhelm  von  Burgund,  dem  Sohne 
Adalberts  und  Vetter  Arduins  von  Ivrea.^)  Wir  wissen  auch, 
dass  der  Graf  Grundbesitz  in  Volpiano,  dem  Stammgut  der 
Familie  des  Abtes,  besass,^)  und  haben  so  allen  Grund  zu  der 

0  Allerdings  war  sie  nicht  die  Schwester  Arduins,  wie  Prov&na, 
Studi  critiche  sovra  la  storia  d'  Italia  p.  54  auf  Grund  älterer  Fabeleien 
meinte.  Vgl.  Garatti,  Della  contessa  Adelaide  e  delle  origine  Umbertine 
im  Archivio  storico  ItaL  ser.  IV,  10  (1882),  p.  201.  Dass  sie  eine  vornehme 
Langobardin  war,  wissen  wir  aus  der  V.  Wilhelmi  c.  2;  vielleicht  gehörte 
sie  dem  Hause  der  Aledramiden  an,  das  durch  eine  Tochter  Berengars  II., 
also  eine  Tante  Otto  Wilhelms,  mit  dem  Hause  desselben  verschwägert 
war  (vgl.  Bresslau,  Konrad  IL  I,  393),  da  gerade  in  dieser  Familie  der 
sonst  in  Italien  ziemlich  seltene  Name  Wilhelm  Öfter  begegnet. 

^)  Vgl.  Papst,  £xcurs  IV:  Ueber  Arduins  Geschlecht  und  Familien- 
Verbindungen  bei  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  II.  II,  458;  vgl.  Archivio  stör. 
Ital.  a.a.O.  p.  191. 

»)  ürk.  Otto  Wilhelms  v.  28.  Oct.  1019,  HPM  I,  428,  nr.  249.  In  dem 
Druck  bei  Guichenon- de  Levis  fehlt  der  betreffende  Passus. 

Sa^ekiir,  CUmlacenscr.    II.  \ 


Annahme,  dass  beider  Besitz  aus  derselben  Erbmasse  stammte. 
Für  die  Beziehungen  Wilhelms  zu  Arduin  sind  ttbrigens  aus- 
reichende Belege  vorhanden.  Wenn  der  Abt  bei  König  Hein- 
rich der  Begünstigung  des  Empörers  angeschuldigt  wurde,  so 
dass  er  schliesslich  zu  ihm  eilte,  um  sieh  zu  rechtfertigen, i) 
so  liegt  allerdings  der  Verdacht  sehr  nahe,  dass  diese  An- 
klagen nicht  ganz  unbegründet  waren. 

Schon  als  Jtfönch  war  Wilhelm  mit  Bischof  Peter  von  Ver- 
celli  in  Streit  geraten,  demselben,  auf  den  sich  noch  bei  Leb- 
zeiten Ottos  IIL  Arduin  warf,  um  ihn  schliesslich  töten  und 
verbrennen  zu  lassen/^)  Wenn  der  Kaiser  für  diese  Frevel- 
that  die  Güter  des  Markgrafen  einziehen  Hess  und  unter  andern 
Benefizien  an  Petera  zweiten  Nachfolger  Leo  verlieh,^)  wenn 
Arduin  wieder  einen  Teil  derselben  an  das  von  Wilhelm  ge- 
stiftete Kloster  Fruttuaria  schenkte  und  so  den  Bischof  un- 
zweifelhaft erzürnte,  so  ward  auch  dadurch  der  Abt  dieses 
Klosters  in  das  Interesse  Arduins  und  in  die  Feindschaft  gegen 
Leo  gezogen.  Dass  der  italienische  König  nach  seiner  Nieder- 
lage sich  wieder  auf  Vercelli  warf  und  es  nahm,^)  konnte  zum 
mindesten  Abt  Wilhelm  nicht  unerwünscht  kommen.  So  stand 
er  beständig  im  feindseligsten  Verhältnis  zu  Bischof  Leo,  dem 
eifrigsten  Verteidiger  der  deutschen  Herrschaft,  von  dem  Wil- 
helm zu  sagen  pflegte^):  „Dieser  grausame  Leo  ist  ganz  von 
Oott  verlassen,  weil  er,  wenn  Gott  mit  ihm  wäre,  das,  was 
Gottes  ist,  um  seinetwillen  lieben  würde.**  Wilhelm  versicherte 
auch  nach  Leos  Tode,  dieser  sei  ewiglich  verdammt. 

Einen  deutlichen  Beweis  ftkr  das  nahe  Verhältnis  zu  Arduin 
und  den  Kreisen  der  italienischen  Nationalpaiiei  bietet  die 
Gründungsgeschichte  von  Fruttuaria.     Es  war  eine  Stiftung, 

*)  V.  Wilb.  c.  20:  Henrico  »iquidefH  imperatori  de  eo  suggestum  ftterat, 
qnod  Uli  derogans  illumque  contemnendum  adiudicans  Arduini  qiMqtte 
partif  qui  sibi  Italiae  regnum  praeripueratf  faveret  illumque  j^yo  posse 
defensitaret ;  vgl.  LOwenfeld,  Leo  v.  Vercelli  S.  27. 

*)  Provana  p.  60. 

«)  Provana  app.  nr.  3,  Urk.  Ottos  III.  v.  999;  St.  1190. 

4)  Anialfi  Gesta  Mediol.  I,  c.  16:  Siquidem  postea  Verceüensem  w-bem 
cepit  etc.  Ueber  die  Behandlung  der  Parteigänger  Leos  vgl.  jetzt  Bnin. 
V.  quinque  fratrum  c.  10,  SS.  XV,  2,  726. 

*)  V.  Wilh.  C.23:  Simili  invidia  quoque  Leo  Ve^'ceüensis  episcopus 
ad  actus  universoa  istius  patris  extiterat  infestus. 


an  der  neben  der  Familie  des  Abtes  von  Dijon  Otto  Wilhelm, 
Ardnin  mit  seiner  Gemahlin  und  vornehme  lombardische  Adels- 
geschleehter  beteiligt  waren.  Sie  fiel  in  eine  Zeit,  in  der 
Arduin  das  Uebergewicht  über  die  deatsehen  Waffen  behaup- 
tet hatte.O 

Wohl  bald  im  Anfang  des  neuen  Jahrtausends  kam  Wil- 
helm nach  Italien,  betete  in  Rom  und  empfing  den  Segen  des 
Papstes.  Vielleicht  war  es  damals,  als  er  gemeinsam  mit  Odilo 
die  Reform  von  Farfa  bewirkte.  Auf  der  Heimreise  erkrankte 
er  im  Kloster  der  hl.  Christina  am  Oglio,  das  Oerbald,  ein 
Schüler  des  Majolus,  leitete.  In  Yereelli,  wohin  er  sich  nach 
seiner  Genesung  begab,  verfiel  er  in  eine  schwerere  Krankheit, 
in  der  er  vier  bis  fUnf  Stunden  bewusstlos  lag.  Damals  suchten 
ihn  seine  drei  Brüder,  Niethard,  der  den  Grafentitel  führte, 
Gotfried  und  Robert,  auf  und  nahmen  ihn  zur  Erholung  mit 
auf  die  väterlichen  Güter  bei  Ivrea.^) 

Wilhelm  hatte  die  Abtei  des  hl  Benignus  zu  einer  weit 
berühmten  erhoben;  kein  Wunder,  dass  jetzt  bei  den  Seinen 
der  Gedanke  auftauchte,  ein  ähnliches  Kloster  auf  dem  Erb- 
gut des  Hauses  zu  errichten.  Vornehme  Herren  aus  den  be- 
nachbarten Städten  liehen  dem  Unternehmen  ihre  Unterstützung, 
ebenso  vne  Otto  Wilhelm  mit  dem  Abte  und  seinen  Brüdern 
in  geheime  Unterhandlungen  trat  Auch  Arduin  erkannte  den 
Vorteil,  den  die  Errichtung  einer  ihm  nahe  stehenden  Abtei 
Vercelli,  der  Hochburg  der  deutschen  Partei,  gegenüber,  seinen 
Bestrebungen  bieten  mnsste.^) 

Zwei  seiner  Brüder,  Niethard  und  Gotfried,  versprachen  Wil- 
helm schon  damals  mit  dem  burgundischen  Vetter  im  geheimen. 


0  Bezüglich  der  GrUndnngsgeschichte  ist  manches  zweifelhaft  und 
dunkel.  Es  scheint,  dass  es  hier  zu  Schiebungen  des  Besitzes  gekommen 
ist  und  dass  man  später  ein  Interesse  hatte,  den  ursprünglichen  Rechts- 
zustand zu  verdunkeln.  (Vgl.  Gingins-la-Sarra,  Recherches  sur  la  dona- 
tion  faite  an  monastere  de  Fruttuaria  etc.,  M^moires  et  documents  de  la 
Snisse  Romande  XX,  489.)  Ich  glaube  aber  nicht,  dass  man  bei  der 
schlechten  Ueberliefernng  der  meisten  Urkunden  und  unserer  jetzigen 
Kenntnis  der  Dinge  zu  ganz  gesicherten  Resultaten  kommen  kann. 

«)  V.  Wilh.  0.17. 

')  Vgl.  die  Urk.  Ardnins  bei  Provana  app.  nr.  31,  p.  377:  Dignamque 
non  parvipendentes  dikcHonem  ac  praedicti  ahbatis  aupplicationem  nostri- 
que  atahis  et  totitui  Italiae  nationis  salutem. 

1* 


und  alle  ihre  Habe  Gott  zu  weihen.^)  Gottfried  kam  Id  der  sich 
That  nach  Dijon  in  der  Absicht,  allen  seinen  Besitz  aufzugeben 
und  auf  eigenem  Grund  und  Boden  ein  Kloster  zu  errichten. 
Er  machte  aber  zunächst  keine  legale,  d.  h.  urkundlich  beglau- 
bigte, Schenkung  an  das  burgundische  Kloster,  denn  Niethard 
trat  vor  der  Hand  als  Erbe  in  den  Besitz  ein.^)  Als  aber 
dieser  bald  darauf  dem  Bruder  nach  Dijon  folgte,  wurden  der 
Abtei  Si  Benigne  doch  italienische  Güter  überwiesen.^)  Am 
23.  Febr.  1003  soll  der  Bau  der  neuen  Stiftung  zwischen  Ama- 
lone  und  Orco  begonnen  worden  sein;^)  indes  spricht  Arduin 
in  der  am  28.  Januar  1004  für  Fruttuaria  ausgestellten  Urkunde 
nur  von  der  Absicht  Wilhelms,  das  Kloster  zu  errichten,^)  und 
noch  zwei  Jahre  später  befand  man  sich  in  den  Anfängen  des 
Baues.<^)  Arduin  bestätigte  in  jenem  Diplom  unter  Abwehr  jeder 
fremden  Vergewaltigung  die  Sicherheit  des  Grundstücks  mit  allen 
Besitzungen,  verbriefte  seine  Schenkungen  an  die  zu  gründende 
Abtei  und  sprach  namentlich  den  Wunsch  aus,  dass  die  Simonie 
von  derselben  stets  fern  bleibe.  Wichtig  aber,  weil  der  clunia- 


>)  V.Wilh.  C.17. 

«)  ürk.  Wühelms  von  Dijon  bei  Levis,  Opp.  Wilhelmi  praef.  p.  XXI, 
HPM  I,  414,  nr.  244:  Verwm  omnes  fratres  eiusdem  lod,  qui  presentes  fue- 
runt  et  oculis  hoc  viderunty  hü  sciimt  et  scire  possunt^  quoniam  idem 
dominus  Gothefredus  in  predicto  loco  nuUam  fecit  legalem  don^iticnem  ex 
propriOj  quod  relinquebaty  patrimoniOj  quia  in  eo  sticcesserat  fratci'  eins 
Nitardiis  iure  hereditario,  qui  non  muUo  post  secutus  est  fratrem  suum  in 
2>retitulato  Divionensi  nwnastefno.  Vgl.  die  Urk.  Bischof  Lamberts  v.  Lan- 
gres  V.  11.  Jan.  1017  (Levis  p.  XXXII):  Quidam  eriim  suiis  camali  pro- 
pagine  germanus  nomine  Qodefredus  ad  sanctam  veniens  conversionetyi 
tot  um  quodcumqite  hdbuit  secum  Deo  devote  conttdit  . . . 

»)  Vgl.  die  Urk.  d.  Grafen  Gerard  v.  3.  Febr.  1 020,  Metz  (Levis  p.  XLVIII): 
Insuper  etiam  omne  praedium  ditorum  fratrum  Nitardi  et  Godefredij  quod 
ipsi  Divionensi  monastei-io  tradiderunt  in  toto  regno  Italiae,  quando  mo- 
nachi  effecti  sunt. . . .  Das  Chron.  S.  Benigni  ed.  Bougaud  p.  155  sagt  ge- 
radezu: Venientes  ergo  uterque  ad  hoc  Divio7iense  coenohium  exceptis 
rebus  aliis  dederunt  sancto  profectori  nostro  Benigno  quoddam  iuHs  sui 
predium  Vidpianum  vocatum  etc. 

*)  Vgl.  die  oft  gedruckten  Verse,  zuletzt  beiProvana  p.  217  n.  4.  Sie 
stammen  aus  der  späten  und  fabelhaften  Chronik  von  Fruttuaria,  die  Delia 
Chiesa  benützte,  und  sind  deshalb  zweifelhafter  Natur. 

*)  Provana  p.  377:  quam  abbas  W.  venerabilitei'  aedificare  desiderat, 

®)  Urk.  Johanns  (de  Levis  p. XXVIII):  construere  ...  coepisti;  ... 
constrtiere  niteris  , . . 


censische  Einflnss  deutlich  hervortritt,  ist  die  Be^timmuDg,  dass 
znm  Abte  der  ordiniert  werde,  den  der  Vorgänger  noch  vor 
seinem  Tode  designiert  nnd  die  Brüder  gewählt  hätten,  und 
dass  die  Weihe  von  einem  beliebigen  Bischöfe  an  beliebigem 
Orte  erfolge.  Damit  nun  aber  ans  der  Thatsache,  dass  zwei 
Brüder  Wilhelms  nach  Dijon  kamen,  wo  dieser  Abt  war,  nicht 
die  Abhängigkeit  Frnttuarias  von  St.  Benigne  geschlossen  würde, 
Hessen  Niethard  und  Robert,  der  allein  auf  dem  väterlichen 
Erbe  als  Laie  zurückblieb,  die  autonome  Freiheit  von  Frut- 
tuaria,  das  in  einer  Wüstung  entstand,  aus  der  nie  ein  Bischof 
Zehnten  empfing,  durch  einen  notariellen  Act  seitens  des  Tu- 
riner Archidiacons  Oontard  feststellen,  als  der  Besitz  aus 
dem  Eigentum  der  Brüder  in  das  Gottes  überging,  d.  h.  als  in 
Fruttuaria  das  Kloster  sieh  erhob.*)  Der  Weihe  der  neuen 
Abtei  zu  Ehren  der  hl.  Jungfrau  und  des  hl.  Benignus,^)  die, 
ungewiss  wann  5),  durch  den  Bischof  Oetavianus  von  Ivrea  vor- 
genommen wurde,*)  wohnte  Arduin  bei.  Er  und  seine  Ge- 
mahlin Hessen  es  auch  sonst  an  Unterstützung  nicht  fehlen.^) 
Selbst  das  Mutterkloster  erhielt  kostbare  Gewänder  und  Ge- 
webe.«) 

0  Es  geschah  das  zwischen  1004  und  1006;  denn  während  in  der 
Urk.  Arduins  dieses  Actes  nicht  gedacht  ist,  wird  er  von  1006  an  fast  in 
Jeder  Urk.  erwähnt.  Vgl.  Urk.  Johanns  XVIII.  v.  2.Dec.  1006  (Levis  p.XXlX; 
J.-L.  8950);  Urk.  Heinrichs  IL  v.  1014  (Levis  p.XXXVII;  St.  1621)  u.s.  w. 
Namentlich  die  Urk.  Wilhelms  a.  a.  0. :  Denique  BobertuSf  qui  solus  ex 
fratribus  suis  remansit  laicus  inter  cetera  possessionis  sue  dona  ipse  et 
predictus  frater  eins  Nitardus,  quae  Domini  contuUerunt  ad  constnien- 
dum  monasteniim  speciaXitcr  locum  Fructuaria  dictum,  ita  tU  possi- 
debant  quietum  et  solidumf  Gontardo  venerabili  viro  Taurinensi  archi- 
diacono  tradiderunt,  ut  inde  faceret  legale  testantentum,  quod  appellatur 
iudicatiiSf  quod  et  factum  est  eo  rationis  tenore,  ut  postquam  a  prefatorum 
fraJtrum  possessione  transiret  in  Domini  j^ossessionem  nuUo  modo  primam 
et  antiquam  perderet  libertatis  dignitatein, 

*)  Chron.  S.  Ben.  a.  a.  0.  p.  155. 

')  Im  Jahre  1006  war  das  Kloster  erst  begonnen;  vgl.  S.  4  n.  6. 

*)  Verse  bei  Provana  a.a.O.:  Praesul  Ottobianus,  quod  iure  dicando 
sacravit 

*)  Vgl.  die  Urk.  Arduins  a.  a.  0. 

•)  Vgl.  die  Urk.  Lamberts  v.  1017  a.a.O.;  Urk.  Wilhelms.  Die  Art 
und  Weise,  wie  das  mit  der  RechtssteUung  von  Fruttuaria  in  Verbindung 
gebracht  wird,  deutet  darauf  hin,  dass  diese  Schenkungen  das  Kloster 
St.  Benigne  entschädigen  sollten. 


6 

Hatten  auch  die  Stifter  durch  das  erwähnte  Judicat  Gon- 
tarda  Schlttsse  gegen  die  souveräne  Freiheit  des  Klosters  ab- 
zuwenden gesucht,  so  glaubte  der  Abt  nur  durch  sichere 
Freiheitsbriefe  eine  Gewähr  gegen  andere  Auffassungen  und 
Anfechtungen  der  selbständigen  Stellung  zu  gewinnen.  So 
wandte  er  sich  zuerst  im  August  1006  an  König  Heinrich 
—  dessen  Gunst  er  vielleicht  gerade  damals  wiederznerwerben 
gewusst  hatte  —  und  erhielt  von  ihm  am  31.  mit  dem  könig- 
lichen Schutze  völlige  Immunität  und  Bestätigung  des  Judi- 
cats.O  Wenig  später  intervenierte  der  Bischof  Walter  von 
Autun  fär  ihn  bei  Papst  Johann  XVIII;  am  2.  December  1006 
nahm  der  Papst  die  Abtei  in  seinen  Schutz  und  bestätigte 
die  freie  Abtwahl,  sowie  das  Schriftstück,  das  der  Turiner 
Archidiacon  aufgesetzt  hatte.^) 

IL 

Die  Gesinnungsgenossen  Wilhelms  in  Cluni  hatten  kaum 
ein  Interesse,  sich  der  Herrschaft  Heinrichs  IL  entgegenzu- 
setzen. Für  sie  war  höchstens  die  Frage  von  Bedeutung,  wie 
der  neue  Fürst  sich  zu  Peterlingen,  der  burgnndisch-ottonischen 
Familienstiftung,  stellen  würde.  Seit  den  Tagen  Ottos  I.  war 
das  burgundische  Königreich  in  thatsächlicher  Abhängigkeit 
vom  Reiche;^)  aus  ihrem  Besitz  hatte  Adelheid  Peterlingen 
ausgestattet  und  die  Ottonen  hatten  sämmtlich  nicht  nur  die 
Besitzungen  auf  deutschem  Reichsboden,  sondern  auch  den 
allgemeinen  Bestand  der  Stiftung  bestätigt.^)  Jetzt  nahte 
Odilo  im  October  1003  mit  den  alten  Privilegien  dem  Könige 
und  erhielt  einen  neuen  Sicherheitsbrief  über  die  elsässischen 
Güter  des  burgundischen  Klosters.^)  Vom  Hof  lager  zu  St.  Hippo- 
lyth  im  Elsass  kehrte  Odilo  unmittelbar  zurück.  Im  November 
übte  er  bereits  seine  Amtspflichten  wieder  in  der  Heimat.<^) 


^)  Urk.  Heinrichs  bei  Provana  app.  iir.32,  p.SSO;  HPM  I,  nr.  211, 
p.362;  St.  1430. 
«)  J.-L.  3950. 

s)  Blümcke,  Bargund  unter  Rudolf  III,  Greifswald  1869,  S.28if. 
*)  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  H.  I,  389. 
B)  Grandidier,  Hist  d'Alsace  I,  titd58;  St.  1367. 
•)  CHOL  III,  nr.  2575. 


Nicht  lange  daraof  zog  Heinrich  nach  Italien,  am  Ardiiin 
zu  bekämpfen.  Damals  eilte  auch  Odilo  über  die  Alpen.  ^ 
In  Pavia ,  wohl  in  der  Celle  des  hl.  Majolus,  schlug  der  Abt 
sein  Lager  auf.  Er  mischte  sich  mit  unter  die  Gäste,  welche 
die  Wahl  und  die  Krönung  Heinrichs  am  14.  und  15.  Mai  in 
der  lombardischen  Krönnngsstadt  feierten.  Da  erfolgte  am 
Abend  jener  nationale  Aufstand.  Während  die  Flammen  der 
Deutschen  die  unglückliche  Stadt  verheerten,  sass  König  Hein- 
reich in  Ciel  d'oro,  jenem  einst  von  Majolus  reformierten 
Kloster,  fttr  das  auch  Odilo  bereits  einmal  bei  Otto  IIL  inter- 
veniert hatte.  Hier  baten  ihn  die  Pavesen  um  Gnade;  hier 
fand  sich  jedenfalls  der  Abt  von  Cluni  ein,  um  seine  Fürbitte 
für  die  Bewohner  der  Stadt  einzulegen,^)  deren  Gastfreund- 
schaft er  und  seine  Vorgänger  so  oft  genossen.^)    Wie  lange 


*)  Jotsaldi  V.  Odil.  II,  c.  6:  Ea  tanpeatatej  qua  regnum  Italiae  qui- 
dam  fwhilis  Arduinus  arripuerat  et  ille  fnagnus  Henricus  inter  cctcros 
clarissimus  regni  tnonarchiam  consentientibus  Italiae  principibiui  iam  in 
codetn  solo  Italico  positus  affectabaty  supradictm  pater  transiens  per  Ita- 
linm  devenit  ad  quandam  aquam,  quae  moenia  Papiac  pratterßuens  ab 
amtrali  parte  mutiiato  a  se  rwfninc  dat  vocari  Ticinum, 

*)  Jots.  V.  Odil.  I,  c.  7:  Gaudehai  Italia^  cum  Odihnis  aderat  prae- 
scntia,  et  praecipue  familiaris  sibi  Papia^  cuiue  prece  et  industria  tenipo- 
ribiis  Henrici  et  Conradi  imperatorum  liberata  est  ab  excidio  gladii  et 
periciüo  i^icendii.  Ein  Grund,  diese  Nachricht  mit  Hirsch,  Jahrb.  Hein- 
richs II.  I,  809  anzuzweifeln,  ist  ganz  und  gar  nicht  vorhanden. 

3)  Im  BuUar.  Glun.  p.  8  findet  sich  eine  Bulle,  angeblich  Johanns  XIX, 
mit:  ob  interventum  donini  invictissimi  et  pii  Henrici  . . .  Imperatoris 
aiigusti.  Der  LUcke  im  Druck  nach  zu  urteUen,  stand  wohl  im  Original  ein 
Wort  hier,  das  ausgefallen  ist.  Jedenfalls  handelt  es  sich  um  Heinrich  II. 
In  der  neuen  Ausgabe  der  Jaff^schen  Regesten  nr.  4065  wird  diese  Urk. 
1024  gesetzt  und  Johann  XIX.  zugeschrieben,  zugleich  aber  bemerkt,  dass 
jene  oben  citierten  Worte  dieselbe  verdüchtig  machten.  Anders  wäre  es, 
wenn  man  sie  auf  Johann  XVIII.  beziehen  könnte;  vgl.  Alberich  von  Trois- 
fontaines  (SS.  XXIII,  779)  zu  1005:  Item  adpetitionem  imperatoris  Henrici 
summtts  pontifex  lohannes  XIX,  (so  bezeichnet  er  auch  sonst  Johann  XVIII.) 
Privilegium  mirabile  dedit  abbati  Cluniacensi  Odiloni.  Bedenklich  ist  aber 
das  imperatoris  augusti,  was  schwerlich  nur  eine  unrichtige  Conjoctur  in 
dem  anscheinend  schwer  lesbaren  Diplom  ist  Eine  andere  Erklärung 
yersucht  Bruel  (CHOL  IV,  p.  8  n.  1).  Es  giebt  nämlich  von  Johann  XIX. 
eine  ganz  gleiche  Urkunde  für  Glnni,  in  der  an  Stelle  Heinrichs  Konrad 
genannt  ist.  Nach  Bruel  wäre  die  Urkunde  von  Johann  XIX.  kurz  vor 
Heinrichs  II.  Tode  mit  Auslassung  des  kaiserlichen  Namens  vorbereitet, 


8 

Odilo  in  Italien  blieb,  lässt  sich  nur  annähernd  ermitteln;  am 
22.  Angnst  1004  nrknndete  er  bereits  wieder  zu  Hanse.^) 

Im  April  1007  finden  wir  den  Abt  wiederum  in  der  Um- 
gebung Heinrichs  auf  einem  Hoffcage  zu  Neuburg  an  der  Donau, 
auf  dem  sich  mehrere  italienische  Bischöfe  und  Aebte,  «owie 
weltliche  Grosse  der  Halbinsel  versammelt  hatten.^)  Was  Odilo 
in  diesen  Kreis  fährte,  war  doch  sicherlich,  dass  der  König 
damals  ernstlich  entschlossen  war,  nach  Italien  zu  ziehen.  Es 
waren  wohl  die  Deutschgesinnten  der  Halbinsel,  die  Heinrich 
an  der  Donau  umgaben.  Auch  der  Abt  Hugo  von  Farfa  er- 
schien, um  sich  bitter  über  die  Crescentier  zu  beklagen,  die 
auch  die  Feinde  der  deutschen  Hen'schaft  waren.  Heimlich 
arbeitete  Johannes  Crescentius,  die  Ankunft  des  Königs  zu 
hintertreiben.  Der  arme  geplagte  Abt  des  kaiserlichen  Klostera 
legte  im  Privatgespräch  seine  Würde  in  die  Hände  des  Herrn. 
Aber  Heinrich  bat  ihn  zu  warten;  er  komme  noch  im  selben 
Jahre  nach  Italien.^)  An  der  Erhaltung  der  Abtei  Farfa  lag 
Odilo  so  viel  als  dem  Könige:  so  sehen  wir  beider  Interessen 
in  Bezug  auf  die  italienische  Frage  eng  verknüpft.  Aus  dem 
italienischen  Zuge  vnirde  zunächst  nichts ;  die  flandrischen  und 
polnischen  Wirren  zogen  die  deutschen  Heerscharen  auf  einen 
andern  Kriegsschauplatz. 

Wahrscheinlich  ist,  dass  Odilo  im  August  1012  in  Mainz  war, 
obgleich  die  Urkunde  für  Ciel  d'oro,  in  der  seiner  Intervention 

dann  in  den  verschiedenen  Exemplaren  1024  und  1027—1033  der  Name 
Heinrichs  oder  Konrads  eingesetzt  worden.  Da  die  Urkunde  dem  Inhalte 
nach  besser  in  diese  Zeit  passt,  glaube  ich,  dass  Alberich  eine  andere 
Urkunde  im  Sinne  hat  Vgl.  darüber  mehr  im  vierten  Gap. 

»)  CHOL  m,  nr.  2594. 

'^)  Phkcitum  v.  2.  April  1006  bei  Ughelli,  Italia  sacra  III,  622;  Über  die 
Datierung  s.  Jahrb.  Heinr.  IL  II,  5  n.  2.  Ueber  die  Echtheit  des  von  Live- 
rani  angefochtenen  ActenstÜckes  vgl.  Bresslau,  Eonrad  IL  II,  447. 

^)  Hugos  Anwesenheit  bezeugt  die  Urkunde  bei  Ughelli  a.  a.  0.  — 
Dazu  vgl.  Hugonis  Hist.  Farf.  XI,  541 :  Interea  contentio  alia  oria  est  nobis 
in  Marchia,  pro  qua  me  oportuit  ire  ultra  montem  ad  Heinricum  regem; 
ubi  cooperante  Deo  rege  omnino  placatOj  occuUe  iUi  refutavi  istam  abba- 
tiam  pro  peccatOy  quod  omnes  acitis.  Qui  multum  rogavit  me,  uf  usque 
ad  8uvm  huc  adventum  illum  praestolarer,  quem  ipso  dicebat  anno  esse, 
Expectavi  autem  iüo  et  altero  et  usque  in  tertium  a^mum:  quo  minime 
veniente,  dimisi  iüam.  Dann  ward  Guido  gewählt;  in  der  That  begegnet 
An.  Farf.  1009:  Guido  abbas. 


gedacht  ist,^)  stark  angezweifelt  wird.  Indes  wäre  seine  An- 
wesenheit am  kaiserlichen  Hoflager  am  so  begreiflicher,  als 
der  Papstwechsel  und  der  Umschwung  der  Verhältnisse  infolge 
des  Ablebens  Johanns  des  Crescentiers,  das  der  Tyrannei  die- 
ses Geschlechts  ein  Ende  machte  und  den  Römerzng  erleich- 
terte, Odilo  an  den  Rhein  geführt  haben  könnte.  Wie  sehr 
ihm  an  dem  neuen  Zuge  Heinrichs  gelegen  war,  zeigt  der 
Umstand,  dass  er  sich  zu  Weihnachten  1013  wieder  bei  Hein- 
rich in  Pavia  einfand.^)  Diesmal  sollten  unter  anderm  wirk- 
lich die  Angelegenheiten  von  Farfa  entschieden  werden,  nach- 
dem Hugo,  der  zwei  Jahre  vergeblich  auf  den  deutschen 
Herrscher  gewartet,  auf  seine  Abtwttrde  zu  Gunsten  Widos, 
der  jedoch  auf  die  cluniacensischen  Einrichtungen  verpflichtet 
wurde,3)  verzichtet  hatte.  Auch  Hugo  erschien  in  Pavia,*) 
aber  der  König  verschob  die  Angelegenheit  auf  die  Synode 
von  Bavenna,  wohin  ihm  die  Aebte  von  Cluni  und  Farfa  folg- 
ten. Man  drängte  Hugo  allgemein,  sein  Amt  wieder  aufzu- 
nehmen, besonders  Odilo  schien  viel  daran  zu  liegen,  den 
reformeifrigen  Mann  an  der  Spitze  des  Klosters  zu  erhalten. 

In  Ravenna  trafen  Heinrich  und  Papst  Benedict  YIII.  zu- 
sammen. Odilo  mag  also  hier  den  Tusculaner  kennen  gelernt 
haben;  aber  er  folgte,  wie  es  scheint,  König  und  Papst  nicht 
nach  Rom.^)    Vielleicht  hatte  der  Abt  an  den  Massregeln,  die 


')  Robolini,  Notizie  appartenenti  alla  storia  della  sua  patria  II,  296 : 
interventu  et  petitione  domini  Odelonis  venerabilis  abhatis,  St.  1561.  Es 
liegt  jedoch  eine  echte  Urkunde  zu  gründe. 

*)  Jots.  Vit.  Odil.  II,  4:  Eo  tempore  quo  HeinrictiS  rex  ad  arcem  Ro- 
mani  imperii  festinabat^  %tt  de  regno  ad  imperium  pronwvereturj  comita- 
batur  cum  eo  beatissimus  Odilo  et  gloriosissimae  virginis  adorandtim  par- 
tum utrique  celebravenint  ap^id  Papiam,  ditissimum  Italiae  oppidu^ft^; 
Petr.  Dam.  Vit.  Odil.  (Bibl.  Clun.  col.319):  Fraeterea  cum  vir  Dei  cum  Hein- 
rico  rege,  qui  postmodum  factus  est  imperator,  in  Tidnemi  simul  urbe 
comistcret  et  dominicae  natalitatis  gloriam  cdebrarct,  contigit  etc. 

>)  MabiUon,  Ann.  Bened.  IV,  191. 

*)  Hist.  Farf.  SS.  XI,  542 :  In  hoc  stetimüs  tisque  dum  imperator  venit 
et  coronatus  est.  Ctii  obviam  fui  Papiam;  cumque  venissemus  RavennaCj 
imperator  cum  omnibus  cogere  me  coepit,  et  maxime  prae  cunctis  dominus 
Odilo  abbas,  ut  reciperem  abbatiam. 

B)  Giesebrecht,  Kaiserzeit  II,  124  meint  zwar,  er  wäre  fortan  der  un- 
zertrennliche Begleiter  des  Königs  auf  dem  ganzen  Zuge  geblieben.  Doch 
iat  das  nicht  nur  nicht  nachzuweisen,  sondern  sogar  unwahrscheinlich,  da 


10 

HeiDrich  traf,  um  dem  vielfach  zerrütteten  Lande  wieder  auf- 
zuhelfen, namentlich  den  von  einem  schrankenlosen  Adel  hart 
bedrängten  Kirchen-  und  Klosterländereien  grössere  Sicherheit 
zu  verschaffen,  einen  nicht  geringen  Anteil.  Denn  noch  von 
Ravenna,  wo  Odilo  in  seiner  Umgebung  war,  erliess  der  Herr- 
scher Verordnungen  an  alle  Kirchen  und  Abteien,  ihre  Verluste, 
den  Zeitpunkt  derselben,  den  Umfang,  die  näheren  Umstände, 
die  jetzigen  Besitzer  der  Güter  aufzuzeichnen.^)  Auch  Hugo  von 
Farfa  feiiigte  auf  Verlangen  des  Königs,  der  den  Besitzstand 
des  Klosters  nicht  nur  bestätigte,  sondern  auch  durch  einige 
Schenkungen  vermehrte,^)  eine  Liste  der  geraubten  Besitzungen 
an  und  noch  länger  beschäftigten  Heinrieh,  wie  Benedict  VIIL 
die  Verhältnisse  der  Farfeser  zu  den  Crescentiern,  namentlich 
die  Streitigkeiten  über  die  Castelle  Tribuccum  und  Buccinia- 
num,  vor  deren  ersterem  der  Papst  sogar  mit  Heeresmacht 
erschien.  Am  Ende  mussten  es  die  crescentischen  Brttder  doch 
übergeben,  am  2.  August  1014  wurde  Hugo  vom  Papst  noch  das 
andere  Castell  zugesprochen.^) 

Als  Heinrich  H.  damals  Italien  betrat,  hatte  sich  Ardnin 
hinter  die  festen  Burgen  seines  Landes  zurückgezogen  und 
nur  den  allerdings  vergeblichen  Versuch  gemacht,  mit  dem 
deutschen  Könige  in  friedliche  Unterhandlungen  zu  treten. 
Den  Zug  nach  Rom  und  die  Kaiserkrönung  hatte  er  nicht  zu 
stören  versucht 4)  Wenn  sich  auch  Odilo  damals  in  der  Um- 
gebung Heinrichs  nicht  mehr  befand,  so  muss  seine  Persön- 
lichkeit und  das  Mass  seiner  Einwirkung  auf  die  Erlasse  von 

Kaiser  Ueinrich  den  Reichsapfel  doch  wohl  nicht  nach  Cluni  geschickt, 
sondern  Odilo  selbst  Übergeben  hätte.  Ringholz  3. 80  lässt  irrig  Odilo  der 
römischen  Synode  beiwohnen,  indem  er  Jots.  V.  Odil.  II,  c.  9— It  auf  die- 
sen römischen  Aufenthalt  bezieht.  Indes  zeigt  die  Nachricht,  dass  Odilo 
damals  Wein  verlangte,  quod  atiue  imbecillitati  acconwdum  ford,  dass  wir 
es  mit  einem  späteren  Aufenthalt  zu  thun  haben;  denn  leidend  war  der 
Abt  erst  in  den  letzten  flinf  Jahren  seines  Lebens;  vgl.  Jots.  V.  Odii.  I,  c.  14. 

*)  Hist.  Farf.  SS.  XI,  542:  Praedicttis  auteni  imperator,  ex  quo  Baven- 
nam  venitf  praecepit  cunctis  abbatihus  et  episcopisj  ut  scriberent  res  per- 
ditas  suarum  aecclesiarum,  qualiter  et  qwindo  perdiderint  vel  a  qwUfiis 
detinerentur ;  vgl.  Hefele,  Gonziliengesch.  IV,  689. 

»)  St.  1602. 

')  Placitum  v.  2.  Aug.  1014  bei  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  app.  p.  646; 
vgl.  Hist.  Farf.  SS.  XI,  542.  544^  vgl.  J.-L.  4006. 

*)  Thietmari  Chron.  VII,  c.  33,  ed.  Kurze  p.  187. 


11 

Ravenna  doch  in  hohem  Grade  in  der  EnDnerang  des  Herr- 
schers geblieben  sein.  Als  nämlich  der  Papst  dem  Kaiser 
einen  mit  dem  Kreuze  geschmückten  Reichsapfel  übergab, 
zweifellos  um  anzndenten,^)  dass  der  römische  Stuhl  die  Herr- 
schaft über  die  Welt  zu  verleihen  habe,  lehnte  der  feinsinnige 
Fürst  die  beabsichtigte  Deutung  ab,  indem  er  das  Geschenk 
dem  Kloster  Cluni  übersandte,  dessen  Mönche  ihm  als  die 
würdigsten  Nachahmer  Christi  erschienen,  von  dessen  Symbol 
die  Weltkugel  überragt  war.^)  Es  lag  darin  seinerseits  die 
Anerkennung,  dass  das  französische  Kloster  als  der  Mittel- 
punkt der  auf  Wiederbelebung  und  Vertiefung  christlicher 
Tugenden  gerichteten  Bewegung  anzusehen  sei.  Einstimmig 
wird  uns  von  dem  engen  Verkehr  des  Kaisers  und  des  Abtes 
von  Cluni  berichtet,^)  dessen  Rat  jener  schätzte,  und  jedenfalls 
zeugten  die  reichen  Geschenke  Heinrichs,  die  die  französische 
Abtei  bewahrte,  nicht  minder  als  der  Codex  mit  dem  augusti- 
nischen  Commentar  zu  den  pauliuischen  Briefen,  den  Odilo  sei- 
nem kaiserlichen  Freunde  überreichte  und  der  sich  noch  heute 
in  der  Bamberger  Bibliothek  befindet,^)  dafür,  dass  beide  Män- 
ner einander  herzlieh  nahe  standen  und  dass  das  Verhältnis 
nicht  nur  auf  einem  conventioneilen,  durch  die  Geschäfte  be- 
dingten Verkehr  beruhte,  sondern  dass  eine  tiefere  seelische 
Harmonie  auf  Grund  gemeinsamer  kirchlicher  Bestrebungen 
zwischen  ihnen  entstanden  war. 


^)  Rod.  Glab.  Hist.  I,  c.  5,  §  23 :  foret  ei  docwnentum  non  aliter  debere 
imperare  vel  militare  in  mundOf  quam  tit  dignus  Juiberetur  vivificc  criicis 
tiicri  vexiUo.  Das  ist  natürlich  die  mönchische  Interpretation,  die  Hein- 
rich II.  klug  genug  hineinlegte. 

*)  a.a.O.:  NtUliSj  inquit,  melius  hoc  presens  donum  possidere  ac  ce»*- 
nere  congruit  quam  Ulis  qui  pompis  mufidi  calcatis,  crucem  expeditius 
sequuntur  Salvatoris.  Qui  protimts  müit  illud  ad  Cluniefise  monaste- 
rium  Gaüiarum,  quod  etiam  twic  temporis  Iwbebatur  religxosissimu/in  cete- 
rorum,  cui  et  alia  dona  plurima  contukrat  omamentorum.  Vgl.  Papst, 
Jahrb.  Heinr.  IL  II,  425. 

^)  Jots.  V.  Odil.  II,  c.  12:  Snpra  modum  enim  eum  diligehat  iüiusque 
comiliis  humiliter  adherehat;  Adern.  Hist.  III,  c.  37:  et  cum  Odilone  abbate 
eiusdem  loci  crebrius  coüoquium  familiäre  exercebat  et  in  aula  palatii 
8ui  eum  prae  omnibus  diligebat. 

*)  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  II.  II,  110;  Ringbolz,  Der  hl.  Abt  Odilo 
p.  XLVI  flf. 


12 

IIL 

Znnäcbst  erlitt  der  R5merzag  Heinrichs  eine  unliebsame 
Unterbrechung  durch  das  drohende  Gewitter,  das  sich  im 
römischen  Gebiet  wie  im  Norden,  wo  Arduin  und  sein  Anhang 
lauerten,  zusammenzog.  So  schlau  waren  die  Grossen  und 
Kleinen  in  der  Lombardei,  der  Markgraf  Otbert  und  seine 
Söhne  und  der  ganze  kleine  Lehnsadel,  dem  neuen  lombar- 
dischen Könige  und  römischen  Kaiser  Heinrich  die  Hnldigungs- 
eide  zu  leisten.^  Aber  als  er  in  Rom  sich  befand,  da  brach 
daselbst  der  Aufstand  unter  der  Führung  dreier  Lombarden 
aus,  der  Söhne  desselben  Otbei-t,^)  und  wenn  die  Empörung 
auch  am  andern  Tage  niedergeschlagen  wurde,  so  hatten  die 
Leute  doch  bereits  Arduin  und  seinem  Anhang  die  Hand  ge- 
reicht. Heinrich  hatte  gerade  Zeit  genug,  mit  einigen  Geiseln 
sich  über  Pavia,  wo  er  Ostern  feierte,  Verona  und  den  Brenner 
nach  Deutschland  zurückzuziehen,^)  als  die  Scharen  des  Na- 
tionalkönigs sich  auf  die  Kirchen  und  Güter  der  der  deutschen 
Herrschaft  günstigen  Bischöfe  warfen.  Der  Paveser  Kirchen- 
besitz wurde  verheert;  der  Bischof  Peter  von  Novara  floh  unter 
unsäglichen  Leiden  über  Eis  und  Schnee  der  Alpen  mit  nackten 
Füssen  vor  den  Verfolgern,  während  die  Feinde  seine  Burgen 
brachen,  Häuser  niederrissen,  Weinpflanzungen  ausrotteten  und 
Bäume  entrindeten.^)    Vercelli,  Como  und  andere  Orte  fielen 

0  Das  wird  in  den  Urk.  Heinrichs  II.  bei  Provana  app.  nr.  36  u.  37 
liervorgehoben. 

3)  £s  ist  das  allgemein  anerkannt,  von  Provana  p.  281 ;  Giesebrecht 
II,  125;  Bresslau,  Konrad  II.  I,  416.  Vgl.  Thietmari  Chron.  VIII,  c.  1; 
IX,  c.  1. 

^)  Hier  ist  die  Darstellung  Giesebrechts  II,  126  nicht  ganz  correct, 
wenn  er  meint,  Arduin  habe  sich  indessen  nicht  zu  regen  gewagt  und 
auch  Otbert  habe  sich  ruhig  verhalten.  Aber  Thietmar  VIII,  c.  3  sagt  aus- 
drücklich, nachdem  er  von  dem  Aufenthalt  des  Kaisers  in  Oberitalien  ge- 
sprochen: dehinc  sedatia  ttimultibus  universis  reversus  est  ab  Italia; 
somit  muss  es  schon  während  seiner  Anwesenheit  zu  Unruhen  gekommen 
sein.  Wenn  ferner  die  Sühne  Otberts  von  Este  von  ihm  mit  nach  Deutsch- 
land genommen  wurden,  so  muss  das,  was  in  der  Urk.  gegen  Otbert,  seine 
Sühne  u.  a.  (Provana  nr.  37)  bemerkt  wird:  ipsos  contra  nos  non  solum  cogi- 
tasse  aut  consiliatos  fuisse,  sed  etiam  atisus  nefarios  et  conatua  im/puros 
opere  exercuisse  et  publice  bella  contra  no8  preparassCj  was  dann  durch 
die  Verwüstung  von  Paveser  KirchengUtem  erläutert  wird,  noch  während 
seiner  Anwesenheit  erfolgt  oder  vorbereitet  worden  sein. 

*)  Vgl.  die  Urk.  v.  Novara  bei  Provana  app.  nr.  3$. 


13 

in  ihre  Hände.  Abt  Wilhelm  von  Dijon  blieb  diesmal  dem 
Kaiser  wahrscheinlich  treu;  denn  gerade  im  Mai  1014  gewährte 
ihm  Heinrich  ein  umfangreiches  Privileg  über  sämmtliche  Gttter 
der  Abtei,  anch  die,  welche  ans  dem  Erbe  Roberts  von  Vol- 
piano  stammten.^)  Vermntlich  geschah  es  damals,  wenn  nicht 
bei  früherer  Gelegenheit,  dass  Wilhelm  seinen  Schttler  Johannes 
in  Heinrichs  Gegenwart  zum  Abt  weihen  Hess  nnd  den  Kaiser 
in  die  Brüderschaft  von  Fruttnaria  aufnahm.^)  Dagegen  stand 
der  Familienbesitz  seiner  Neffen,  der  Söhne  seines  Bruders 
Robert,  auf  der  Proscriptionsliste;  sie  werden  unter  den  Re- 
bellen aufgezählt,  die  dem  Kaiser  die  Treue  brachen; 3)  ihre 
Güter  wurden  jetzt  dem  wackeren  Leo  von  Vercelli  zugewiesen. 
Allenthalben  zog  Heinrich  den  Grundbesitz  der  Friedensstörer 
ein;  er  kam  den  Kirchen  von  Pavia,  Vercelli,  Novara  und 
Como  zu  Gute.^)  Das  energische  Vorgehen  des  Kaisers  und 
die  noch  immer  beträchtliche  Macht  der  deutschen  Partei 
brachten  auch  diesen  letzten  Versuch  zum  Scheitern;  es  war 
gewiss  natürlich,  dass  Arduin  nach  Aufgabe  seiner  Pläne  ge- 

»)  St.  1621. 

*)  Urk.  Eonrads  II.  v.  1027  für  Fruttuaria  bei  Levis  praef.  p.XXVI 
(St  1943):  No8  noiftrosqtie  in  perpetuum  successores,  prout  divae  memoriae 
praedecessorefn  nostrum  Henricum  suo  ac  fratrwn  contiibemio  sociaveritf 
omnium  benefactoruni  siiorum  participem  habere  cupienSy  primum  eiusdem 
coenohii  abbatem  nomine  lohannem  eius  in  praesefitia  consecrari  fecit  et 
tarn  ipsum  quam  toUim  ewndem  locum  stuie  imperiali  tutelae  commisitj  ea 
ntaxime  pro  catiaa,  ut  eandem  iUi  in  omnibus  libertatem  conaervet,  quam 
CUmiacense  montLsteritim  obtinere  diffnoscitur.  In  der  Utk.  Heinrichs  IL 
wird  Johannes  allerdings  noch  nicht  erwähnt,  ebenso  wenig  gerade  auf 
die  Freiheit  Clunis  Bezug  genommen.  Levis  p.  XXVII  setzt  die  Erhebung 
Johannes'  ins  Jahr  1005  in  der  Meinung,  Heinrich  sei  damals  in  Italien 
gewesen;  indes  war  zur  Zeit  des  ersten  ROmerzuges  Heinrichs  der  Kloster- 
bau kaum  begonnen  worden. 

»)  Urk.  Heinrichs  v.  1014  bei  Provana  nr.ST,  p.889;  HPM  1,406: 
Dedimu8  praedia  Girardi  et  fratrum  eius^  filiorum  Boberti  de  Vulpiano. 
Ich  halte  diesen  Robert  v.  Vulpiano  fllr  den  Bruder,  nicht  für  den  Vater 
WUhelms,  wie  Provana.  Denn  erstens  hatte  Wilhelm  keinen  Bruder  namens 
Girard,  ferner  aber  waren  die  Brüder  des  Abtes  bis  auf  Robert  bereits 
Mönche,  also  weder  im  Besitze  von  Grundbesitz,  noch  auch  schwerlich 
bei  dem  Aufstande  beteiligt.  Dass  Heinrich  aber  geradezu  den  Besitz  von 
Fruttuaria  confisciert  habe,  wie  Gingins-la-Sarra  a.  a.  0.  p.  484  meint,  halte 
ich  angesichts  der  gleichzeitig  ausgestellten  Urkunde  für  Fr.  für  undenkbar. 

*)  Provana  nr.  36.  37.  38.  89.  40. 


14 

brochen  und  gedemtttigt  za  seinen  trenesten  Anhängern  sieh 
zurückzog,  in  das  Kloster  seines  Verwandten  Wilhelm,  das  so 
recht  ein  Monument  des  nationalgesinnten  lombardischen  Adels 
geworden  war.  Hier  besehloss  er  am  14.  Mai  1015  als  Mönch 
sein  ruhe-  und  glttckloses  LfCben.i) 

Wilhelm  war  yielleieht  in  diesen  letzten  Monaten  noch 
um  den  König  bemttht  Es  ist  möglich,  dass  jene  grosse 
Lateransynode  bereits  im  Januar  1015  abgehalten  wurde,  auf 
der  er  unter  einer  Menge  von  Gläubigen ,  Achten  u.  s.  w.,  ttber 
vierzig  italienischen  Bischöfen  und  römischen  Gardinälen  er- 
schien ,  um  die  Freiheit  des  lombardischen  Klosters  von  Bene^ 
dict  YIII.  bestätigen  zu  lassen.  Der  Papst  vollzog  den  Act  am 
3.  Januar  2)  und  sämmtliche  anwesenden  Prälaten  gaben  ihre 
Unterschrift,  nachdem  schon  vorher  Bischof  Warmund  vonivrea, 
in  dessen  Sprengel  Fruttuaria  lag,  feierlich  die  Freiheit  von 
bischöflicher  Oberhoheit  ausgesprochen  hatte.  Auch  an  Bruno 
von  Langres  hatte  Wilhelm  sich  deshalb  gewandt;  doch  ver- 
hinderte sein  Tod  die  Ausstellung  der  Urkunde.  Erst  Lambert 
erfüllte  den  Wunsch  des  Abtes  am  11.  Januar  1017,  indem  er 
erklärte,  dass  Fruttuaria  von  seinem  Bistum  vollständig  unab- 
hängig sei.') 


>)  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  IL  II,  438;  Necrol  S.Benigni:  XVIIIKaL 
lun.  Obiit  Hardninua  rex  et  monach}i8, 

>)  Ughelli,  Italia  sacra  IV,  1066;  Mansi  XIX,  861 ;  Levis  praef.  p.XXIX; 
J.-L.  4007.  Es  ist  eine  sog.  Notitia,  keine  Papstbulle.  AnnOf  qui  com- 
putatur  ab  incamatione  Domini  MXV.  indictione  XII,  residente  in  synodo 
doniino  et  glorioso  papa  Benedicto  iuxta  banlicam  Laieranenaem  adfuit 
quidam  abbas  Wilhelmi  nomine;  vgl.  das  Privileg  Wilhelms  a  a.0.:  In- 
super  atUem  siibnianim  scriptu  apostolico  a  summis  pontificibus  univer- 
salis ecclesiae  prius  a  d,  papa  loJiannCf  deinde  ah  eius  siuicessore  d.  papa 
Benedicto,  ubi  in  Lateranensi  basilica  sedeibat  undiqxie  circumfidtus  plena 
synodo,  in  qua  . . .  quadraginta  adfuerunt  episcopi  cum  8,  Petri  cardinali- 
bus, . . .  Die  Datierung  bietet  Schwierigkeiten.  Setzt  man  die  Synode  1015, 
so  stimmt  zn  diesem  Jahre  weder  die  Indiction  XII,  noch  die  Anwesen- 
heit Bischof  Lamberts,  der  erst  1016  Bischof  wird  und  vor  1017  Januar 
nicht  einer  römischen  Synode  beigewohnt  haben  kann.  Wahrscheinlich 
aber  ist  die  Unterschrift  Lamberts,  der  mitten  unter  italienischen  Bischöfen 
unterzeichnet,  im  Text  aber  nicht  als  Intervenient  genannt  wird,  erst 
nachträglich  hinzugefügt  worden. 

>)  Urk.  Lamberts  v.  11.  Jan.  1017  bei  Guichenon,  Bibl.  Sebns.  cent. 
II,  79;  Levis  p.  XXXIL 


15 

Der  materielle  Besitz  der  Abtei  wuchs  zusehends.  Ein 
Teil  des  volpianischen  Haasbesitzes,  der  Erbgüter  Otto  Wil- 
helms in  Italien,  die  Schenkungen  Arduins  bildeten  den  Grund- 
stock des  Abteigutes. ^)  Otbert,  ein  Enkel  des  Grafen  Otbert 
wahrscheinlich  von  Asti,  schenkte  Güter  und  Castelle  in  den 
Grafschaften  Asti,  Acqui,  Alba  und  Bredulium  —  letztere 
zwischen  Tanaro  und  Stura^)  — ;  die  Familie  der  Markgrafen 
von  Turin,  Olderich  Manfred  U,  als  er  und  sein  Vater  Gerard 
in  Fruttuaria  die  Kutte  genommen  hatten,  seine  Brüder,  den 
Bischof  Odelrich  von  Asti  und  Oddo  II,  sowie  ihren  Vetter 
Arduin  V.  finden  wir  unter  den  Gönnern  der  oberitalischen 
Abtei.3)  Nicht  minder  Hessen  Mitglieder  des  Hauses  der  Ale- 
dramiden,  ein  Cleriker  Hugo  und  seine  Brüder  Otbert  I.  und 
Anselm  II,  Söhne  des  Markgrafen  Anselm,  sowie  Wilhelm  11. 
und  Riprand,  ihre  Vettern,  ihr  Schenkungen  zu  Teil  werden.^) 
Aber  es  scheint,  dass  durch  die  Confiscationen,  die  Heinrich  11. 
zu  Gunsten  der  lombardischen  Bischöfe  vornahm  und  die  den 
Grundbesitz  der  Herren  von  Volpiano  trafen,  auch  die  Be- 
sitzuDgen  von  Fruttuaria,  soweit  sie  aus  dieser  Erbmasse  stamm- 
ten, gefährdet  waren.  Die  Verhältnisse  lagen  hier  um  so  ver- 
wickelter, als  durch  die  widersprechenden  Regierungsmassregeln 
Arduins  und  Heinrichs  IL  überhaupt  ein  höchst  unsicherer 
Rechtszustand  geschaffen  wurde  und  infolge  der  Schenkungen 
der  Herren  von  Volpiano  an  Dijon  und  ihren  Eintritt  in  Saint- 
Bänigne  das  Verhältnis  der  Abtei  Fruttuaria  zu  dem  Mutter- 
kloster von  vornherein  sehr  zweifelhaft  sein  konnte.  Diese 
Umstände  bestimmten  anscheinend  Abt  Wilhelm,  die  von  dem 
burgundischen  Vetter  geschenkten  Güter  im  Jahre  1019  noch- 
mals urkundlich  verbriefen  zu  lassen,^)  und  den  an  Dijon 
überwiesenen  Grundbesitz^  ftir  Fruttuaria  durch  ein  Schein- 
manöver zu  retten,  indem  man  ihn  gegen  lothringische  Güter 


>)  ürk.  V.  28.  Oet.  1019,  HPM  I,  p.  428  nr.  249;  Levis  praef  p.  XLIV. 

>)  BresBlau,  Jahrb.  Konrads  IL  I,  868. 

s)  Vgl.  Bresslau  a.  a.  0.  S.  361. 

«)  Bresslau  S.  H93. 

^)  Ueber  diese  Urk.  vgl.  Giogiogs-la-Sarra  a.a.O.,  der  den  Nach- 
weis flihrte,  dass  sie  anmöglich  sich  mit  den  andern  Urk.  in  Einklang 
bringen  Hesse.  Man  kann  in  ihr  nur  eine  nachträgliche  Bestätigung  er- 
bUcken. 


16 

an  den  Grafen  Gerard  von  Metz  abgab,  der  ihn  seinerseits  an 
Fruttnaria  schenkte.*)  Im  Jahre  1014  besass  Frnttnaria  Guter 
in  den  Grafschaften  und  Episcopaten  Ivrea,  Turin,  Yereelli, 
Novara,  Mailand,  Pavia,  Asti,  Aqui,  Alba,  Albenga,  Savona 
nnd  Tortona;^)  später  kamen  Grundstücke  in  den  Comitaten 
Ferrara  und  Aosta  hinzu.^) 

Mit  dem  materiellen  Wohlstande  wuchsen  die  Kirchen - 
und  Reliquienschätze.  Natürlich  waren  Mönche  aus  St.  Benigne 
nach  Fruttnaria  geführt  worden;  sie  brachten  Bücher,  Märtyrer- 
gebeine und  kirchlichen  Schmuck  mit.^)  Neben  zahlreichen 
andern  Reliquien  rühmte  die  Abtei  sich  derer  der  Heiligen 
Tibuiiaus,  Agapit,  Alexander  und  Julian.^)  Die  eifrige  Pflege 
der  cluniaccnsischen  Gewohnheiten,  die  Wilhelm  hierher  ver- 
pflanzte, führte  zahlreiche  Mönche  nach  dem  neuen  Kloster. 
Im  Jahre  1014  besass  die  Abtei  fünf  Zellen  oder  Obödienzen 
in  Asti,  Navigena,  Quaranta,  Cavalliaca  und  Pademo.^)  In 
der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  stieg  ihre  Zahl  auf 
etwa  dreissig,  während  bereits  zu  Wilhelms  Lebzeiten  in  Frnt- 
tnaria selbst  angeblich  hundert  Mönche  Gott  und  den  Heiligen 
dienten.'^) 


2.  Die  Erhebung  Burgunds. 

I. 

Genau  zur  selben  Zeit,  als  König  Heinrich  in  Gefahr 
schwebte,  durch  die  Erhebung  Arduins  einen  wichtigen  Teil 
des  Reiches  zu  verlieren,  hatte  auch  Robert  von  Frankreich, 
der  seinem  Vater  996  als  alleiniger  Herrscher  gefolgt  war,  den 
Verlust  eines  Herzogtums  zu  befürchten,  das  sich  seit  längerer 


>)  Urk.  bei  Giiichenon,  Bibl.  Scbus.  II,  81 ;  Levis  p.  XLVII  u.  XLVIU. 
Beide  Urkunden  vom  selben  Tage  Metis  ptiblice  HL  Non.  Febr. 

«)  Urk.  Heinrichs  11.  v.  1014,  St.  1621. 

8)  Urk.  Heinrichs  III.  v.  18.  April  1055  bei  Guichenon  II,  74;  St. 2470. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  155. 

'^)  Urk.  Otto  Wilhelms  und  seines  Sohnes  Rainald  vor  1023  (Levis 
praef.  p.  XLVI) :  ubi  inter  phirimas  8anctorum  coüectas  reliquiaa  beatorum 
JHbtirtiif  Agapitij  Älexmidri  atque  Inliani  venerantur  patrocinia. 

«)  Urk.  Heinrichs  II.  v.  1014. 

')  Chron.  S.Ben,  p.  155. 


17 

Zeit  im  Besitz  seines  Hauses  befand.  Als  nämlich  am  15.  Octo- 
ber  1002  Herzog  Heinrich  von  Burgnnd,  der  Oheim  des  Königs, 
das  Zeitliche  gesegnet  hatte,  machte  Otto  Wilhelm,  der  Adoptiv- 
sohn i)  Heinrichs,  Ansprüche  auf  die  Erbschaft.  In  beiden 
Fällen,  in  Italien  wie  in  Bargnnd,  war  es  also  dasselbe  dy- 
nastische Interesse,  das  sich  gegen  die  Centralgewalt  erhob. 
Fanden  wir  den  Abt  Wilhelm  von  Dijon  dort  auf  Seiten  seines 
Verwandten  Ardnin,  so  lieh  er  hier  dessen  Vetter  seinen  Bei- 
stand. Indem  wir  den  bargnndisehen  Grafen  für  die  Gründung 
von  Fruttnaria  eintreten,  den  italienischen  König  dem  Mntter- 
kloster  St.-Bänigne  Gutes  erweisen  sehen,  malt  sich  leicht 
das  Bild  eines  gewissen  Znsammenhangs  beider  Kämpfe:  denn 
es  ist  dieselbe  Partei,  die  gleichzeitig  dem  deutschen  Könige 
Italien,  dem  französischen  Burgnnd  streitig  macht 

Wie  ein  Mann  war  der  ganze  burgnndisehe  Adel  bei 
Otto  Wilhelm.^)  Die  Städte  und  Burgen  Heinrichs  schlössen 
sieh  dem  Könige.^)  Der  Gegner  hatte  es  verstanden,  seine 
Stellung  durch  verwandtschaftliche  Verbindungen  zu  stärken. 
Dass  er  Ermentrud,  die  Witwe  des  letzten  Grafen  von  Mäoon, 
Alberichs  II,  heiratete,  gab  ihm  die  Gewalt  über  diese  Graf- 
schaft und  die  Grafschaft  Burgund.^)  Antun  und  Auxerre,  die 
Comitate  Heinrichs,  verteidigte  er  jetzt  gegen  Robert^)  Nevers 
besass  er  ebenfalls;  er  stattete  seinen  Schwiegersohn  Landrich, 
einen  wilden  und  kühnen  Ritter,  damit  aus.  Er  und  Bischof 
Bruno  von  Langres,  der  Schwager  Otto  Wilhelms,  der  Bru- 
der Ermentruds,  waren  seine  festesten  Stützen.^))    Nur  über 


^)  Gbron.  S.  Ben.  ed.  Bong&ud  p.  134:  succesaor  Hinrici  ducis  et  heres; 
p.  163:  qui  eum  hco  ßii  adoptavit  Eine  ausführliche  gut  geschriebene, 
aber  nicht  immer  kritische  Schüderung  dieser  Kriege  giebt  E.  Petit,  Bist, 
des  dncs  de  Boorgogne  de  la  race  cap^tienne  I  (Paris  1885),  p.  67—87. 

')  Rod.  Glab.  II,  c.  8:  habens  (rex)  secum  Hugonem  eitisdem  urbis 
pontificem  solum  ex  omni  Burgundia  parti  regis  faventem. 

')  a.a.O.:  nolentes  eum  suscipere  in  civitatibus  et  caatris,  quae  fue- 
rant  ducis  Menrici. 

*)  Vgl.  Excurs  I. 

^  Pfister,  Etndes  p.  256. 

*)  Bod.  Glaber  II ,  c.8.  Jedenfalls  ist  Landrich  vor  990  oder  991 
Graf  y.  Nevers  geworden;  vgl.  Ann.  Nivem.  991:  Hoc  anno  fuit  magnum 
beüum  inter  Landricwin  comitem  et  Archibaldum  2.  Idus  Augustiy  die  Martis; 
der  12.  August  indes  nicht  991,  sondern  990  ein  Dienstag. 

Saekar,  Gluniacenaer.    II.  2 


18 

Chalon  verfligte  er  niebt,  auf  das  er  als  Enkel  des  letzten 
Grafen  gegen  dessen  Sohn  Ansprüche  erhob,  den  Bischof 
Hugo  von  Auxerre,  der  trotz  seiner  geistlichen  Würde  vom 
Könige  mit  der  väterlichen  Grafschaft  belehnt  worden  war.^) 
Namentlich  Bruno,  dessen  hartnäckige  Thatkraft  in  der  Ver- 
folgung der  Feinde  auch  urkundlich  gerühmt  wird, 3)  galt  als 
der  Hort  der  Freiheit  Burgunds.  So  lange  er  lebte,  sagt  der 
Chronist,  vermochte  Robert  nichts  auszurichten ,  so  oft  er  durch 
Raub  und  Brand  die  burgundischen  Gefilde  verheerte.^)  Mit 
diesen  Männern  stand  Wilhelm  in  Verbindung;  er  galt  sogar 
ganz  besonders  als  Ratgeber  Brunos  in  dessen  königsfeind- 
lichen Unternehmungen.  Natürlich  richtete  sich  Roberts  und 
seiner  Gemahlin  Constanze  ganzer  Zorn  auf  ihn.  Sie  drohten 
seine  Klöster  zu  brandschatzen.  In  der  That  entriss  ihm  der 
König,  der  Bruno  gegenüber  machtlos  war,  später  die  Abtei 
Montier- Saint -Jean.^)  So  weit  war  es  gekommen,  dass  der 
mönchsfreundliche  Robert  gegen  französische  Reformklöster  mit 
Gewalt  vorgehen  musste. 

Das  erste  Mal  kam  er  im  Bunde  mit  den  Normannen 
Ende  1008  nach  Burgund  und  lagerte  Anfang  November  vor 
Auxerre,  dessen  Bischof  allein  von  der  Sache  des  heimischen 
Adels  sich  getrennt  hatte  und  sich  jetzt  beim  Könige  einfand.^) 


»)  Vgl.  Excurs  I. 

')  Vgl.  die  Urk.  des  Abtes  Dudo  v.  Montierender  (Coli.  Moreau  XX, 
fol.  226):  Bruno  preaid  egregius  Dei  iustitiam  faciendam  paratiasimus  et 
ad  debeUandos  superbos  opinatissimtis  .  . .  quam  omni  vite  aue  tempore  ah 
omni  direptione  et  hoatium  pervasione  immunem  servavit. 

')  Ghron.  S.  Ben.  a.  a.  0.  p.  173 :  Quamdiu  vixitf  ita  Burgundiam  patro- 
cinando  protexit  atque  defendit,  etc.  . . .  nihil  in  ea  retinere  potuit,  quam- 
dit*  Bruno  epiacopus  viant. 

*)  Rod.  V.  Wilh.  c.  10;  Chron.  S.Ben,  p.  173. 

^)  Das  Chron.  Autissiod.  hat  zu  1005:  Anno  MV.  Bobertua  rex  dvi- 
totem  Autiaaiodonmi  obaedit  in  vigilia  aancti  Martini  IV.  Id  Novembris, 
So  hat  Hirsch,  Heinrich  IL  I,  386  diese  Jahreszahl  angenommen.  Indes 
setzen  sowohl  die  Hist  Franc.  Senon.,  SS.  IX,  869,  als  Odorann  in  der 
Chronik  von  Sens  (HF  X,  165)  die  Belagerang  von  Auxerre  ins  Jahr  1003 
und  dasselbe  geht  aach  ans  Rod.  Glab.  U,  c.  8  hervor,  wo  dieses  Ereignis 
an  den  Tod  Heinrichs  mit  den  Worten:  SequenH  denique  anno  ange- 
schlossen wird.  Femer  aber  stimmen  sftmmtiiche  Quellen  darin  überein, 
dass  Auxerre  früher  als  Avalen  belagert  wurde.  Vor  dem  letzteren  Orte 
war  aber  der  König  im  August  1005  (vgl.  unten  S.  19,  n.  2),  wlihrend  er 


19 

Hoeh  oben  auf  dem  Castell  des  hl.  Germanns,  in  dessen 
Mauern  sieh  das  Kloster  befand,  leitete  Landrich  die  Verteidi- 
gung. Abt  Heldrieh,  dessen  wir  früher  gedachten,  musste  auf 
Verlangen  des  Königs  die  Burg  verlassen,  auf  der  nur  acht 
Mönche  zur  Bewachung  des  Heiligen  zurttckblieben.  Es  ge- 
schah das  auf  den  Rat  Odilos  von  Glnni,  der  herbeigekommen 
war,  um  die  Eintracht  der  Fürsten  und  den  Frieden  wiederher- 
zustellen, sowie  um  dem  Könige  Anerkennung  zu  verschaffen. 
Es  gelang  ihm  jedoch  nicht,  die  Verbündeten  vom  Sturm  auf 
das  Gasten  abzuhalten,  obgleich  er  den  König  und  die  Fürsten 
tadelte;  erst  der  hartnäckige  Widerstand  der  Belagerten,  die 
unter  der  Gunst  des  Himmels  fochten  ,i)  nötigte  den  König 
zum  Rückzüge,  der  unter  grossen  Verwüstungen  erfolgte. 

Günstiger  lief  der  zweite  Feldzng  ab,  den  er  im  Sommer 
1005  unternahm.  Drei  Monate  belagerte  er  Avalen  und  end- 
lich zwang  die  Belagerten  der  Hunger  ihn  aufzunehmen.  Am 
25.  August  finden  wir  Graf  Otto  Wilhelm  und  den  Bischof 
Walter  ^on  Autun  im  königlichen  Lager  vor  der  Festung;^) 
sie  intervenierten  für  Wilhelm  von  St.-Bänigne  und  es  scheint, 

nach  der  Chronik  von  Auxerre  diese  Stadt  erst  am  10.  November  1005  be- 
lagerte. Die  Urk.  v.  25.  Aug.  1005  (HF  X,  515)  beweist  nan  aber,  dass  da- 
mals der  Friede  schon  abgeschlossen  war  oder  eben  wurde.  Pfister, 
Etudes  p.  259  nimmt  zwei  Belagerungen  von  Auxerre  an,  eine  1003  und 
eine  1005,  kommt  aber  zu  künstlichen  Annahmen.  Willkürlich  datiert 
Wagner,  Das  Geschlecht  der  Grafen  Yon  Bnrgund  S.  19  die  Belagerung 
von  Auxerre  auf  1004.  Wie  aber,  wenn  die  Zahl  im  Ghron.  Autiss.  apo- 
kryph w'äre?  Das  Ghron.  Autiss.  geht  nämlich  auf  eine  Annalenreihe  zu- 
rück, die  am  Bande  einer  Ostertafel  ^im  God.  Paris,  lat  5253  steht  Dort 
liest  man  f.  62'  oben  am  Bande:  Retro  anno  V,  Boibertua  rex  civitaU  AtUis- 
siodero  ohsedit  vigilia  mncti  Martini  IUI.  Idus  Novembris.  An  der  Seite 
steht  von  jüngerer  Hand  in  arabischen  Ziffern:  1005.  Nun  fftngt  die  Seite, 
auf  der  das  Galendarium  beginnt,  mit  MVU  an;  wenn  man  von  dieser 
2jahl,  über  der  die  obige  Notiz  sich  findet,  fünf  Jahre  zurückreohnet,  kommt 
man  auf  1003.  In  dieses  Jahr  ist  also  auch  nach  dem  Ghron.  Autiss.  die 
Belagerung  zu  setzen. 

1)  Bod.  Glab.  Ü,  c.  8;  Gesta  abb.  S.  Germani  o.  1 ;  Gesta  poni  Autiss. 
wohl  aus  Bod.  Glab.;  vgl.  N.  Arch.  XIY,  408;  Bist  Franc.  Senon.  SS.  IX,  369. 

*)  Urk.  bei  HF  X,  515;  P^rard,  Becueil  de  plusieurs  piöces  curieuses 
servant  &  l'hist  de  Bourgogne,  Paris  1619,  p.  171:  Actum  apud  Ävaionem 
coitnun  in  obMiane,  F&lschlich  bezieht  Petit  S.80  die  von  Bod.  Glaber 
II,  c.  8  bezüglich  St  Germain  erzählte  Geschichte,  nach  der  gleichzeitig 
mit  dem  Siege  des  Königs  ein  Münch  die  Messe  celebrierte,  auf  Avalou. 


20 

dass  damals  der  Friede  dem  Abschlags  nahe  war.  Vielleicht 
hatte  ihn  der  Abt  vermittelt.  Der  Krieg  hörte  auf  und  Wil- 
helm von  St.-Bänigne  blieb  weiter  in  der  Gunst  des  Königs. 
So  bestätigte  im  nächsten  Jahre  Robert  auf  Bitten  des  «sehr 
tenern  und  getreuen  Grafen  Otto''  gelegentlich  der  Zusammen- 
kunft mit  Heinrich  II.  an  der  Maas  die  Schenkung  eines  Dienst- 
mannen Letbald  an  St-B^nigne  i),  und  am  80.  Mai  1006  ge- 
dachte er  Wilhelms  mit  Bewunderung  in  einer  Urkunde  fttr 
F6camp  in  der  Normandie,  wo  Robert  sich  zur  Zeit  aufhielt^) 

n. 

Wie  die  italienische  Adelsbewegung  im  Jahre  1014  noch 
einmal  in  Fluss  kam,  so  folgte  der  burgundischen  Erhebung 
am  Anfange  des  Jahrtausends  im  Jahre  1014  ein  letzter  Auf- 
stand gegen  den  französischen  König.  Leider  entziehen  sich 
die  Zusammenhänge  unserer  Kenntnis;  wir  vermögen  nur  an- 
zugeben, dass,  so  lange  Bischof  Bruno  von  Langres  lebte, 
die  Grafschaft  Dijon  im  Widerstände  gegen  den  König  geblie- 
ben war.  Die  Burg  Dijon,  unter  Lothar  karolingisches  Königs- 
gut,^)  dann  im  Besitz  der  Bischöfe  von  Langres,  war  schliess- 
lich als  Lehen  an  den  Grafen  Hugo  von  Beaumont  gelangt, 
der  ihre  Verteidigung  und  die  Verwaltung  des  Gebietes  einem 
vornehmen  Edelmann  Humbert  Mailly  wiederum  zu  Lehen 
gab.  Er  und  sein  Verwandter,  der  Vicegraf  Wido,  genannt  der 
Reiche,  von  Dijon,  wehrten  sich  aufs  hartnäckigste  gegen  den 
König, ^)  der  in  ohnmächtiger  Wut  die  Umgegend  verheerte. 
Wilhelm  aber  hatte  seine  Mönche  in  benachbarte  Klöster  ver- 
teilt, einige  mit  den  Büchern  und  dem  Klosterschmuck  in  der 
Burg  und  der  St.  Vincenzkirche  untergebracht.  Nur  wenige 
waren  zum  Schutze  der  Abtei  mit  Odilo  von  Gluni,  von  dem 
man  Einfiuss  auf  den  König  erhoffte,  zurückgeblieben.  Endlich 
der  zerstreuten  Mönche  wegen  soll  der  fromme  Fürst  unverrich- 


1)  HF  X,  589;  vgl.  Bd.  I,  S.  265. 

*)  HF  X,  587:  et  divina  Providentia  repertwn  domnum  Chuiüelmvm 
abbatem. 

')  Vgl.  Witte,  Lothringen  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts 
S.  19;  Lot,  Les  demiers  Carolingiens,  Paris  1891,  p.  33  n.  2  und  p.  331. 

«)  V.  Gamerii  bei  P^rard  p.  126. 


21 

teter  Sache  nach  Franeien  heimgekehrt  sein^):  eine  Legende, 
die  zu  seinem  sonstigen  Verhalten  den  Klöstern  gegenüber  im 
Kriege  wenig  passi 

Die  Bnrg,  in  der  der  König  nichts  ansrichtete,  so  lange 
Brano  lebte,  kam  schliesslich  doch  in  seine  Gewalt.  Bis  zu 
seinem  letzten  Atemzuge  war  jener  der  erbittertste  Gegner 
Roberts  geblieben.  Als  er  aber  am  30.  oder  31.  Janaar,  wahr- 
scheinlich 1016,  starb,  trat  sein  Nachfolger  Lambert  dem 
Könige  die  Herrschaft  ab;  man  erzählte  sich,  als  Preis  ftlr 
seine  Erhebung  zum  Bischöfe.^)  Es  war  jedenfalls  nach  der 
Ordnung  aller  dieser  Angelegenheiten,  als  König  Robert  in 
Dijon  auf  Bitten  Hugos  von  Ghalon  die  Rechte  der  Abtei 
St-Bönigne  mit  deutlicher  Anspielung  an  den  eben  beendeten 
Krieg  bestätigte  und  vermehrte.^) 

In  der  nächsten  Zeit  gelang  es  Robert,  der  offenbar  nicht 


*)  Ghron.  S.  Ben.  p.  173;  Petit  p.  82  setzt  die  Belagerang  von  Dijon 
irrtümlich  ins  Jahr  1005  und  verbindet  sie  mit  dem  ersten  Feldzuge. 

>)  V.  Garnerii  a.  a.  0.  Der  Tod  Brunos  wird  im  Ghron.  S.  Ben.  ge- 
setzt: MXYI  aecundo  Februarii  peractis  in  epiacopatu  annis  XXXV  und 
in  dasselbe  Jahr  der  Belagerung  von  Dijon.  Ebenfalls  ins  Jahr  1016  setzen 
die  Annales  S.  Ben.,  die  von  der  Chronik  abhängen,  den  Tod.  Das  Necrol. 
S.  Ben.  bei  Montfancon,  Bibl.  Mss.  n,  1166  ff.  giebt  den  IIL  Kai  Febr., 
also  den  30.  Januar.  Diesem  Todesjahr  scheint  einiges  zu  widersprechen. 
Entgegen  steht  eine  Urk.  Roberts  IL  v.  25.  Jan.  1015  oder  1016  in  Dijon 
(also  nach  der  Einnahme),  auf  Intervention  Lamberts  ausgestellt,  die  aller- 
dings stark  verdächtig  ist  und  von  Pfister,  Regestes  de  Robert  nr.  49  für 
unecht  erklärt  wird.  Ich  halte  indes  für  möglich,  dass  die  Unterschriften 
teilweise  erst  nachträglich  hinzugefügt  wurden.  Da  das  angebliche  Ori- 
ginal noch  vorhanden  ist,  käme  es  vor  allem  auf  diplomatisch-paläogra- 
phische  Prüfung  desselben  an.  Wenn  Pfister  aber  die  Urk.  auch  deswegen 
anzweifelt,  weil  Graf  Hugo  von  Ghalon  im  Text  c%uto8  oder  provisor  von 
St. Benigne  heisst,  so  verweise  ich  auf  Ghron.  S.Ben,  p.  181,  wo  er  pro- 
tector  et  advocatus  huiua  loci  genannt  wird.  Dasselbe  Privileg  mit  einigen 
Abweichungen  ist  bereits  in  dem  um  1052  verfassten  Ghron.  S.Ben,  p.180 
benutzt  Da  also  in  unserer  Urk.  die  Möglichkeit  einer  späteren  Verfäl- 
schung immerhin  vorliegt,  muss  sie  bis  zu  genauerer  Prüfung  zurückge- 
stellt werden.  Lambert  kommt  ausserdem  bereits  in  einer  Urk.  Bened.  VIII. 
für  Fruttuaria  v.  3.  Jan.  1015  unter  den  subscribierenden  Bischöfen  vor, 
J.-L.  nr.  4007.  (Vgl.  oben  S.  14.)  Da  aber  auch  eine  von  Pfister  S.  263,  n.  1 
angeführte  Urk.  v.  Mai  1018  anno  ...  ^iscopatus  domini  Lamberti  IIL 
datiert  ist,  halte  ich  am  Jahre  1016  fest 

3)  Petit  I,  p.  346,  Pieces  justif.  nr.  6. 


Zweites  Capitel. 

Die  französischen  Reformen  unter  König 

Robert. 


1.  Kirchliche  Zustände. 

Die  Regierung  König  Roberts  ist  ein  beständiges  Ringen 
mit  den  aufrührerischen  Adelsgewalten  um  Herrschaftsrechte. 
Wie  sie  danach  trachteten,  ihre  Selbständigkeit  dem  Sohne 
Hugo  Capets  gegenüber  zu  wahren  und  zu  erhöhen,  so  hatte 
dieser  keine  grössere  Aufgabe,  als  die  königliche  Herrschaft 
nicht  nur  nominell,  sondern  auch  thatsächlich  zur  Anerkennung 
zu  bringen.  Es  war  doch  ohne  grosse  Bedeutung,  dass  die  Her- 
zöge von  Aquitanien  und  der  Normandie  ihm  bereitwillig  die 
königlichen  Ehren  erwiesen  und  dem  Könige  als  ihrem  Lehns- 
herrn huldigten,  wenn  sie  in  ihren  Ländern  so  gut  wie  selb- 
ständig herrschten.  Die  Wahl  und  Investitur  der  Bischöfe  hatte 
das  Königtum  schon  im  zehnten  Jahrliuudert  nicht  nur  in  die- 
sen Gebieten  9  völlig  an  die  localen  Gewalten  verloren,  son- 
dern auch  in  der  Bretagne  und  in  der  Touraine  machten  die 
angesessenen  hohen  Geschlechter  Robert  die  erheblichste  Con- 
currenz.2)  Nur  in  Bourges  gelang  es  ihm  schliesslich,  aber 
auch  nicht  ohne  Widerstand,  durch  die  Erhebung  seines  Halb- 
bruders Gauzlin  das  Investiturrecht  zu  behaupten  und  so  einen 


0  Vgl.  Imbart  de  la  Tour,  Les  ^lections  ^piscopales  dans  T^iise  de 
France  du  IX«  au  Xlle  siecle,  Paris  1891,  p.  247  ff.  250  ff.  üeber  die  Ver- 
hältnisse der  Gascogne,  der  Grafschaft  Toulouse  und  Gothiens,  sowie  der 
spanischen  Mark  vgl.  de  la  Tour  p.  253  —  259.  Ueberall  hatte  hier  das 
Königtum  seinen  Einfluss  auf  die  Bischofswahlen  verloren. 

'^)  Vgl.  Pfister  p.  179 ff.;  Imbart  de  la  Tour  p.248. 


25 

gewisBen  Einfluss  bis  nach  Aqaitanien  zu  wahren.^)  Während 
die  eanonigeh  vorgeschriebene  Wahl  durch  Cleras  und  Volk 
von  nur  untergeordneter  Bedeutung  war,  hatten  die  Laien- 
gewalten in  den  meisten  Fällen  die  Entscheidung.  Ihre  Herr- 
schaft äusserte  sich  in  der  Vergebung  der  geistlichen  Aemter 
nach  Gunst  und  auf  Grund  materieller  Vorteile.  Fiscalische 
Gesichtspunkte  vertraten  die  rein  kirchlichen  Interessen;  nicht 
die  Person,  sondern  die  Zahlungsfähigkeit  des  Bewerbers  gab 
den  Ausschlag.  Vom  Könige  2)  bis  zum  niedrigsten  Geistlichen 
wurde  die  Eröffnung  neuer  Einnahmequellen  von  massgeben- 
der Wichtigkeit.^)  Der  Bischof,  der  sein  Amt  kaufte,  trachtete 
darnach ,  durch  Verkauf  der  niederen  Weihen  und  Aemter  den 
Verlust  und  die  Ausgabe  zu  decken.^)  Es  war  nur  eine  Sophi- 
sterei, wenn  man  dieses  uncanonische  Verfahren  durch  die 
Theorie  zu  verteidigen  suchte,  dass  nur  der  Altar  dem  Heiligen, 
die  Kirche  irgend  einem  Herrn  gehöre,  und  somit,  wie  jedes 
andere  Object,  den  Bedingungen  des  Erwerbslebens  unterliegen 
könne.  Aber  je  mehr  der  Verkauf  der  geistlichen  Aemter 
um  sich  griff,  sobald  er  einmal  eingerissen  war,  desto  stärker 
regte  sich  der  Widerspruch  derjenigen,  deren  Kritik  überall 
an  den  wunden  Stellen  des  öffentlichen  und  kirchlichen  Lebens 
einsetzte.^) 

Konnte  sich  Odo  von  Gluni  diesem  Vergehen  gegenttber 
noch  mit  einigen  gelegentlichen  abfälligen  Aensserungen  be- 
gnügen ,<^)  so  war  der  Missbrauch,  der  mit  dem  Verkauf  geist- 

1)  Falberti  epist.  71  (Migpie  141, 236).  Im  10.  Jahrhundert  wird  des  könig- 
lichen Einflusses  bei  den  Wahlen  der  £rzbischöfe  von  Bourges  nirgend 
Erwähnung  gethan.  Dagegen  machte  sich  der  des  robertinischen  Hauses 
in  dieser  Zeit  bemerkbar;  vgl.  Imbart  de  la  Tour  p.  246. 

^)  Vgl.  Rod.  Gl.  II,  c.  7;  Luchaire,  Institutions  monarch.  II,  72. 

3)  Vgl.  Acta  Cenom.  HF  X,  886  n.  6;  Chron.  S.  Petri  b.  Dum,  Bibl. 
de  TYonne  II,  508. 

*)  Vgl.  Rod.  Gl.  II,  c.  7. 

*)  Vgl  Rod.  Gl.  II,  c.  7;  vgl.  Adem.  III,  c.  57:  Post  mortevn  deniq^ie 
supradicti  epiacopi  Criraldi  decertahant  prindpes  Lemovicenses  pro  episco- 
patu  cum  simonidca  heresi  pontificatum  vindicare  conati. 

^  Coli.  II,  c.  29;  III,  c.  2.  3.  Ebenso  unergiebig  sind  in  Bezug  auf 
diesen  Punkt  die  Cluniacenserviten.  Nur  ganz  gelegentliche  Andeutungen 
über  dieses  Uebel  in  loh.  Y.  Od.  I,  c.  37:  ne  ...  videatw  ex  iÜis  esse^  qui 
donwn  sancti  spiritua  emere  aut  vendere  non  verentur;  Syri  V.  Maioli  HI, 
c.8  und  V.Abb.  clO.  11, 


26 

licher  Aemter  und  Amtshandliingen  getrieben  wurde,  gegen 
Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  so  gestiegen,  dass  die  einen 
schon  kein  Vergehen  mehr  darin  erblickten, 0  die  andern  nur 
mit  Schrecken  den  simonistischen  Aassatz  alle  Kreise  erfassen 
sahen.  Wie  um  dieselbe  Zeit,  vielleicht  durch  Gerbert,  eine 
ältere  Schrift  des  Ambrosins  über  diesen  Gegenstand  eine  Neu- 
bearbeitung erfuhr,^)  so  erhob  sich  damals  Abbo  von  Fleury  in 
seiner  an  die  Könige  gerichteten  Denkschrift  in  eingehender 
Ausführung  gegen  das  Uebel.  Zwei  falsche  Voraussetzungen, 
meinte  er,  hätten  zu  jener  unheilvollen  Praxis  geführt,  einmal 
die  Annahme,  dass  eine  bestimmte  Kirche  überhaupt  jemandem 
zustehe  ausser  Gott,  woraus  das  Recht  des  Verkaufes  herge- 
leitet werden  könnte,  sodann  die  Theorie,  dass  der  Altar  dem 
Bischöfe,  die  Kirche  irgend  einem  Herrn  gehöre,  während  der 
geweihte  Baum  und  der  Altar  eine  Einheit  bilde,  wie  Leib 
und  Seele.^)  Jede  Kirche  aber  stelle  die  allgemeine  Kirche 
dar,  die  Niemandes  sei,  denn  Gottes.  Denn  Christus  habe  zu 
Petrus  gesagt:  „Auf  diesem  Fels  werde  ich  meine  Kirche  er- 
bauen': so  sei  dieselbe  auch  nicht  die  Kirche  Petri,  und  ebenso 
wenig  hätten  seine  Nachfolger  das  Becht,  sie  fllr  sich  in  An- 
spruch zu  nehmen.  Abbo  war  unter  den  Führern  des  franzö- 
sischen Mönchtums  der  einzige,  der  die  Simonie  literarisch  an- 
griff. Mag  man  sich  öfter  in  Mönchskreisen  ^)  und  auch  in  dem 
engeren  Kreise  der  Cluniacenser  heftig  dagegen  ausgesprochen 
haben,  so  waren  diese  doch  viel  zu  sehr  durch  Bücksichten 
gebunden ,  um  sich  an  die  practische  Bekämpfung  eines  Uebels 
zu  machen,  dessen  Wurzeln  gerade  an  den  Höfen  lagen. 

Auch  abgesehen  von  der  herrschenden  Simonie  finden 
wir  in  dieser  Zeit  in  Frankreich  Zustände,  die  den  italieni- 
schen in  mancher  Hinsicht  sich  nähern.  Wir  begegnen  auch 
hier  mehrfach  verheirateten  Bischöfen,^)  die  ihre  Kinder  mit 


0  Abb.  Apologeticus,  Migne  141,  466:  de  qwi  re  adeo  conauetudo  in- 
olevitf  tU  hoc  iam  credatur  sine  peccato  fieri;  ganz  ähnlich  später  in  der 
V.  Petri  Damiani  c.  16,  Migne  144,  133. 

>)  S.  J.  Harttang,  N.  Arch.  I,  593. 

3)  Dasselbe  ftthrt  er  in  dem  Briefe  XIV  ad  G.  aus. 

*)  So  Rodulfus  Glaber,  dessen  Aeosserungen  H.  Kuypers,  Stadien 
über  Rudolf  den  Kahlen,  MUnst  Diss.  1891,  S.  62  f.  zosammenstellt. 

*)  Acta  archiep.  Rothomag.  bei  Mabiilon,  Vetera  Anal.  U,  p.  438  von 


27 

Kirehengpat  ausstatteten  und  mitunter  auch  so  in  Verlegenheit 
gerieten,  dass  sie  das  Pfrttndengnt  der  Chorherren  einzogen 
und  diese  vertrieben.  In  andern  Fällen  sogen  Scharen  von 
ttberfittssigen  Bedienten  ^  die  mit  dem  Verlust  von  Leibeigenen 
wie  in  Italien  an  Zahl  wuchsen,  das  Kirchenvermögen  in  einer 
Weise  aus,  dass  es  selbst  einem  Manne  wie  Fulbert  von 
Chartres  schwer  wurde,  seinen  Verpflichtungen  in  Bezug  auf 
Armen-  und  Krankenpflege  nachzukommen.^)  Der  niedere 
Clerus,  der  moralisch  auf  sehr  niedriger  Stufe  stand,^)  war 
durchweg  verheiratet:  es  war  ein  stillschweigend  gebilligter 
Zustand.')  Aber  auch  im  höheren  war  das  Znsammenleben 
mit  Frauen  so  sehr  eingewurzelt,^)  dass  das  Concil  von  Bourges 
im  Jahre  1031  eine  Beihe  älterer  Canones  wieder  auffrischte, 
indem  man  den  in  Franengemeinschafl;  lebenden  Glerikem  bei 
Strafe  der  Absetzung  die  Entlassung  der  Frauen  gebot  und 
die  Beförderung  zum  Archidiacon  von  dem  Versprechen,  nie 
eine  Gattin  oder  Concnbine  zu  halten,  abhängig  machte.  Man 
schloss  Clerikersöhne  von  jeder  geistlichen  Würde  aus   und 


Robert  von  Rouen:  quamplurimos  filios  procreavit;  vor  seinem  Tode 
erst:  Feminam  enim  rdiquit.  Ueber  die  Verheiratung  Barchards  III.  von 
Lyon  vgl.  Gisi  im  Anz.  f.  Schweiz.  Gesch.  1883,  S.  809  ff.  Aach  Enbischof 
Amalf  von  Tours  war  wohl  verheiratet  Wenigstens  findet  sich  unter 
einer  Urk.  im  Liber  de  servis  nr.  44  (Pablications  de  la  soci^t^  arch.  de 
Touraine  XVI,  43)  die  Unterschrift:  Bainaldua  gener  archüpiscopi. 

»)  Fulberti  epist.  57. 

>)  Beispiele  von  Diebstahl  seitens  der  Hofgeistlichkeit  bei  Helgaud 
c  4.  9.  16. 

')  Vgl.  Abbonis  Apoiogeticas. 

*)  Belege:  Acta  conc.  Lemov.  bei  Labbe  IX,  906;  Migne  142,  1396: 
et  (üii  qui  dua»  uxores  ante  diaconatum  hahuerant  Ein  sehr  lehrreiches 
Zeagnis  bietet  eine  Urk.  im  Liber  de  servis  nr.  49  a.  a.  0.,  in  der  der  Abt 
Albert  von  Marmoutier  einem  Hörigen  die  Freiheit  giebt  und  ihn  znm 
Cleriker  weiht:  Praeterea  ut  caate  se  agat  et  ptidicitiam  tiAeatwr;  et  si  ad 
ordines  ecclesiasticos  promotus  fueritj  nunquam  ausu  illicito  mulieri  aocietw, 
turpi  cupidine  iüectMa  et  nefaria  temeritatey  skwt  nonnuüif  deceptuSf  qui 
püblicis  fronte  perdita  nuptiis  contra  ins  fasque  uxoribus  sacrüegia  immo 
$ceie8tioribu8  aduUeris  copuUmtwr  ( 1 032 —  1 064) ;  vgl.  nr.  7 1 .  Sodann :  Chartes 
poit.  de  l'abbaye  de  Saint-Fleurent  nr.  51  (Arch.  bist,  de  Poitou  II):  annuente 
non  solurn  coniuge  presbiteri  Qirberga  nomine  etc. ;  Marchegay,  Archives 
d'Anjoa  II,  p.  28:  Äirardi  qtwndam  praepositi  filiam.  Die  Verheiratung 
burgundischer  Cleriker  weist  nach  Gisi  im  Anz.  für  Schweiz.  Gesch.  1885, 
Heft  3,  S.  401. 


28 

versagte  denen,  die  sie  bereits  hatten,  jede  höhere  Weihe. 
Man  bestimmte  endlieh,  dass  niemand  seine  Tochter  einem 
Priester  znr  Frau  gäbe  oder  dem  Sohne  eines  solchen,  und 
untersagte,  dass  jemand  die  Tochter  eines  Clerikers  heirate.0 
So  suchte  man  die  Familien  der  Geistlichkeit  vollständig  zu 
isolieren. 

Die  tiefe  Zerrüttung,  in  der  die  Weltgeistlichkeit  sich  be- 
fand, nahm  ihr  die  Fähigkeit,  kräftig  und  geschlossen  der 
Laienbevölkerung  zu  begegnen,  die  an  den  morschen  Pfosten 
der  kirchlichen  Hierarchie  rüttelte.  Während  die  Bischöfe  die 
Hilfe  des  Grafen  2)  oder  des  Königs  oft  vergeblich  anriefen 
und  genötigt  waren,  in  eigener  Person  gegen  den  Adel  zu 
Felde  zu  ziehen  ^)  oder  mit  Söldnerheeren  ihren  Besitz  zu  ver- 
teidigen,^) begannen  die  Burgherren  wie  die  Bauern  auf  dem 
Lande  sich  gegen  die  bischöfliche  Jurisdiction  und  die  sacralen 
Rechte  des  Episcopats  aufzulehnen.  Zum  grössten  Verdruss 
des  Bischofs  zog  der  excommunicierte  Edelmann  nach  Rom,^) 


0  Acta  concil  Bituric.  c.  3.  5.  6.  8.  10.  19.  20. 

')  Fulb.  epist.  32:  necesaario  mihi  conveniendus  estprimitus  Odo  comes, 

^)  Beispiele  für  diese  Zeit  Ademar  III,  42;  Hermann.  Aug.  a.  1036; 
Hugonis  archiep.  Türen,  epist.  an  Hubert  von  Angers,  HF  X,  499.  Von 
Arnulf  von  Orleans  heisst  es  Mirac.  S.  Bened.  II,  c.  19:  quia  eidem  viro 
viribtus  'armatorum  ohdti  difficile  eratj  cum  ipse  muUis  saeculari  potetitia 
praeditis  regibus  quoque  persaepe  restitisse  comprobetur. 

*)  Fulb.  epist.  1 12  an  Hildegarius:  Tyrannos  potitts  appeUabo^  qui  belli- 
eis  occupati  negotiiSy  tnuUo  stipati  latus  milite,  solidarios  pretio  conducu7it; 
epist.  113:  Atulivi  enim  de  quibusdam  episcopis  .. .  quia  saeciäaria  arma 
awplectuntur  et  niilitares  copias  pretio  conducunt;  cf.  Pfister,  De  Fulberti 
vita  p.  56.  Diese  Stellen  sind  Spannagel,  Zur  Geschiebte  des  deutschen 
Söldnerwesens,  Leipziger  Diss.  1885,  entgangen;  ebenso  ist  das  Vorkom- 
men italienischer  SOldner  in  Venetien  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts 
nicht  nur  durch  Petrus  Damiani,  sondern  durch  das  zuverlässigere  Chron. 
Venet.  SS.  VII,  25  gewährleistet 

»)  Fulb.  epist.  84.  Ein  Graf  Rodulf  hatte  die  Kirche  Chartres  ge- 
schädigt und  war  vor  den  König  gerufen,  nicht  erschienen.  Daher  hatte 
ihn  Fulbert  excommuniciert:  Nunc  vero  ad  liniina  sancti  Petri  contefidity 
tanquam  ibi  possit  accipere  de  peccatis  absoluiioneffij  unde  venire  non  vuU 
ad  eniendationem.  Acta  concil.  Lemov.  a.  a  0.:  Rursum  in  concilio  con- 
quiaitum  est  de  excommunicatis  Aquitagenis,  qui  ignorantibus  episcopis 
suis  a  lUntiatio  papa  poenitentiam  et  absoUUionem  accipiunt.  Als  Beispiel 
wird  erzählt:  Stephanus  Arvemensis  praesul  ante  kos  annos  Pontium  comi- 
tem  Arvemenseni  excommunicatio^ie  obstrinxit  pro  uxore  legitima,  quam 


29 

wo  der  Papst,  über  die  Grttnde  der  Kirehenstrafe  nicht  unter- 
richtet, um  80  mehr  geneigt  war,  den  Schuldbeladenen  vom 
Banne  loszusprechen,  als  er  sich  hüten  musste,  die  Sache  irgend 
einer  Person  zn  vernachlässigen  <)  und  seine  Autorität  im  Aus- 
lande aufs  Spiel  zu  setzen.  Nicht  als  ob  es  sich  hier  um 
einen  prinzipiellen  Gegensatz  zwischen  der  universalen  Binde- 
und  Lösegewalt  gegen  die  bischöfliche  Jurisdiction  gehandelt 
hätte:  die  Bischöfe  erkannten  vollkommen  an,  dass  der  Papst 
die  höchste  richterliche  Gewalt  in  Kirchensachen  habe,^)  nur 
sollte  der  richtige  Instanzenweg  inne  gehalten  werden,  nur 
sollte  der  römische  Bischof  nicht  ohne  Wissen  der  Bischöfe 
und  ohne  Kenntnis  der  Grttnde  der  Kirchenstrafe  diese  auf- 
heben.3)  Das  Recht  dazu  bestritt  ihm  zwar  niemand:  aber 
wohin  sollte  es  führen,  wenn  der  Spruch  des  Papstes  das  ein- 
zig wirksame  Strafmittel  der  Bischöfe  einfach  illusorisch  machte? 
Und  dieser  Gesichtspunkt  wurde  von  der  Curie  so  sehr  aner- 
kannt, dass  der  Papst  selbst  —  wir  wissen  leider  nicht,  ob 
Benedict  VIII.  oder  Johann  XIX.  — -  die  Bischöfe  aufforderte, 
ihn  in  jedem  Falle  von  der  Verschuldung  des  Excommunicierten 
zu  unterrichten.^) 

Geht  daraus  deutlich  hervor,  dass  es  sich  damals  keineswegs 
um  einen  prinzipiellen  Streit  zwischen  dem  Episcopat  und  dem 
römischen  Stuhl  gehandelt  hat  —  in  der  Sache  war  man  voll- 
kommen einig  — ,  so  ist  doch  nicht  zn  leugnen,  dass  der  Laien- 
adel  thatsächlich  mit  Vorliebe  die  Wege  einschlug,  auf  denen 
er  sich  am  bequemsten  der  lästigen  Aufsicht  der  Bischöfe  ent- 

dimiserat  et  aliam  duxercU.  Quem  cum  nidla  ratione  veüet  absolvere  nisi 
emendatum,  comes  Bamae  a  domno  papa  absolutionem  acc^it,  ignorante 
papa  eum  excommunieatum.  Ein  von  Roho  v.  Angouldme  Excommanicierter 
pflgert  ebenfallB  nach  Rom. 

0  Acta  coneU.  Lemov.  bei  Migne  142,  1598. 

*)  Acta  concil.  Lemov.:  ludicivm  enim  totius  ecclesiae  maasime  in 
apostolica  Bomcma  sede  canatat.  Bei  einer  andern  Gelegenheit  erklärte 
der  Enbischof  von  Bonrges  aaf  demselben  Concil:  Borna  testificatur  ecck' 
noy  cui  oantradicere  nefaa  est.  Auch  Folbert  von  Chartres  sagt  in  seinem 
Briefe:  Proinde  totus  mwndus  ad  te  convertit  oculos  teque  unum  omnes 
beatisnmwn  praedicant  ..,  cui  toHua  ecclesiae  cwra  commissa  est, 

*)  Acta  conciL  Lemov.  a.  a.  0. :  Nam  inconsuUo  episcopo  suo  ab  apo' 
stolico  poenitentiam  et  absolutionem  nemini  acdpere  licet,  Aehnlich  das 
Concil  von  Seligenstadt,  Über  das  ich  weiter  anten  gehandelt  habe. 

*)  Vgl.  Acta  concil.  Lemov.  a.a.O.;  ein  Beispiel  Fulberti  epist.  84. 


30 

zog.  Die  strengen  Ehegesetze,  die  eine  Verheiratung  inner- 
halb des  sechsten  und  siebenteli  Verwandtschaftsgrades  unter- 
sagten,') die  Unmöglichkeit  einer  Scheidang,  wenn  nicht  auf 
Grundlage  des  Ehebrnchs,^)  forderten  leicht  die  Kritik  und  den 
Unwillen  der  Vornehmen  heraus,  während  die  Zehntenforde- 
rungen, die  ungünstige  sociale  Lage,  die  Fortwirkung  der  alten 
antikirchlichen  Gesinnung  und  dogmatische  Einwirkungen  ita- 
lienischer Secten  die  landsässige  Bevölkerung  zum  Aufruhr 
reizten.  Lebte  die  Kirche  in  einem  beständigen  Kampfe  mit 
dem  Burgadel  und  dem  weltlichen  Grossgrundbesitz,  so  gährte 
es  fortwährend  unter  den  Bauern  einzelner  französischer  Pro- 
vinzen, namentlich  in  Burgund.  Die  manichäischen  Lehren 
machten  rasende  Fortschritte.  Die  Gültigkeit  der  Ehen  wurde 
bestritten,  die  überirdische  Begnadung  des  Priesterstandes  ge- 
leugnet, die  Kreuzesverehrung,  Altar-  und  Bilderdienst  in  den 
Staub  gezogen,  die  Lehren  über  Trinität,  Taufe  und  Abendmahl 
für  unsinnig  und  überilüssig  erklärt,  der  Heilswert  der  christ- 
lichen Liebeswerke  und  kirchlicher  Busse  verworfen,  die  Ewig- 
keit der  Materie  behauptet,  die  Zehntenzahlung  verweigert^): 
genug,  es  handelte  sich  um  eine  halb  aufklärerische,  halb 
sociale  Bewegung,  die  den  Episcopat  in  grossen  Schrecken 
versetzte  und  zu  einer  radikalen  Bekämpfung  aufforderte.  Je 
fester  die  Verbreiter  dieser  Lehren  an  ihren  Sieg,  an  die  Be- 
kehrung des  ganzen  Volkes  glaubten,^)  desto  erklärlicher  ist 
ihre  grausame  Verfolgung  durch  die  Kirche. 

Während  die  Aufinerksamkeit  der  Bischöfe  durch  diese 
Schwierigkeiten  mehr  und  mehr  auf  das  kirchliche  Leben  der 
Laien  gelenkt  wurde,^)  hob  sich  die  Stellung  der  Mönche,  die 


^)  Vgl.  Concil.  Biturio.  c.  17;  Abbonis  Apolog.  bei  Migne  189,  463: 
inter  eo8  gut  necdwn  transierunt  septimam  generis  lineam, 

^  Vgl.  Fulberti  epist.  41.  42;  Concü.  Bituric.  c.  16. 

*)  Vgl.  Rod.  Glaber  II,  c.  11  and  III,  c.  8;  V.  WazonU  episc  Leod. 
e.  24;  Acta  synodi  Atrebat.  c.  25,  Migne  142,  1269  £;  Odoranni  Opusc.  X, 
Migne  142,  819;  Gesta  synodi  AureL,  HF  X,  636  f.;  loh.  Floriac.  epist  ad 
Olibam  abb.,  ib.  p.498. 

*)  Bod.  Gl  II,  c.  1 1 :  in  brevi  ad  se  traasit  partem  nan  modicam 
vidgi;  V.  Wazonis  c.  24:  modico  fermento  nisi  exterminentur,  totam  nuu- 
8am  posse  carrumpi;  Rod.  Gl.  III,  c.  8:  Dicebant  nempe  fort  in  proxvmum 
in  iüorvm  scilicet  dogma  cadere  populum  Universum. 

»)  Rod.  Gl.  UI,  c.  3. 


31 

mitten  in  einer  ländlichen  Bevölkernng  ganz  anders  geeignet 
waren,  im  Volke  zu  wirken,  als  der  Weltclerns  der  Bischofs- 
städte. Sie  drängten  sich  in  alle  Lebenskreise  ein,  sie  fessel- 
ten doreh  ihre  sociale  Wirksamkeit  zahllose  Interessen  an 
sich,  sie  lernten  an  den  Barghöfen  verkehren  und  boten  dem 
gemeinen  Mann  Unterhalt  für  Leib  und  Seele.  In  ihnen  lebte 
das  Höchste  von  religiöser  Kraft;  sie  repräsentierten  das 
christliche  Ideal  am  reinsten,  das  auf  der  einen  Seite  von  der 
religiösen  Begeisterung  so  eifrig  gesucht,  als  es  auf  der  andern 
vom  nüchternen  Materialismus  mit  Fassen  getreten  wurde.  Im 
Reiche  der  Ideen  wirken  stets  die  äussersten  Gegensätze  auf- 
einander; es  konnte  gar  nicht  anders  sein,  als  dass  das  Mönch- 
tum  die  Führung  der  conservativen  Interessen  ttbernahm. 

So  ist  es  zu  begreifen,  dass  der  König  ganz  und  gar  von 
ihm  gewonnen  wurde.  Ein  bigotter,  durchaus  beschränkter  Fttrst 
mit  den  Allttren  eines  Betbruders  —  im  südwestlichen  Frank- 
reich nannte  man  ihn  den  Theosophen^)  — ,  ein  Mann,  der 
weder  seiner  Frau,  noch  den  Vasallen^)  Achtung  abgewinnen 
konnte,  war  er  der  geistlichen  Democratie  und  ihrer  biblischen 
Beredsamkeit  unrettbar  verfallen.  Schwärme  von  Mönchen 
und  Clerikem  umgaben  den  König  auf  seinen  Wanderzttgen 
und  bildeten  seinen  Hofstaat  in  den  Pfalzen,  hunderte  von 
Annen  wurden  an  den  hohen  Festtagen  gespeist  und  beschenkt^) 
In  allen  Königssitzen  erhoben  sich  Mönchsklöster  oder  Col- 

*)  Urk.  y.  Sept.  999  bei  Besly,  Bist  des  comtes  de  Poitou  p.  268 : 
regnante  Botberto  rege  theoaopho, 

')  Falb,  epist  95  an  Fulco  von  Anjou:  Tom  horrendo  facinore  prae- 
sentiam  domini  regis  tui  dedecoravere  sateUitea  .. .;  epist  lliqui  etiam 
vaide  contristatue  est  de  ma  vüit^xte,  qwxm  tbi  »criptam  invenit  (an 
Wilhelm  von  Aquitanien).  Ferner  Chron.  Vindocin.  (Ghroniques  des 
öglises  d'Anjoa  ed.  Marchegay  et  Salmon  p.  163)  966:  simid  cum  Boherto 
ßio  9W>,  qium  vidimu8  ipse  inertissime  regnanUm,  a  cuiu%  ignavia 
neque  praesens  Henricus  regidus,  filius  eius,  degenerat.  Ueber  seine  Stel- 
lung im  Süden  Frankreichs  vgl  Y.  Abbonis  c.  20,  wo  Abbo  in  La  R^oUe 
äussert:  FoientioTy  inquiens^  frnnc  swn  domvno  nastro  rege  Framcorum 
intra  hos  fineSf  ubi  nüUus  eius  veretur  dominium^  tätem  possidens  domum. 
GHesebrecht,  Kaiserzeit  II,  866  übersetzt  anzutreffend:  «Hier  zu  Lande  bin 
ich  mit  meinem  Kloster  mi&chtiger  als  der  König,  dem  niemand  ge- 
horcht*   Es  ist  nur  von  Aquitanien  die  Rede. 

>)  Helgaudi  Y.  Bob.  c.  21.  25. 


32 

legiatstifter,  verfalleDe  wurden  wiederhergestellt,  zahlreiche 
Kirchen  wachsen  auf  seinen  Befehl  förmlich  aus  der  Erde. 
Dnrch  ihn  kam  das  Mönchtum  anf  die  Bischofssitze,  Männer 
von  niederer  Gebart,  deren  Emporkommen  der  aristocratisehe 
Episcopat  mit  instinctivem  Widerwillen  bemerkte.^)  Es  ge- 
hörte in  diesen  Kreisen  fast  zum  guten  Ton,  die  Mönche  zu 
hassen;  man  wollte  durchaus  nicht  für  mönchsfreundlich  gelten'): 
so  scharf  hatten  die  Gegensätze  in  Frankreich  sich  zugespitzt 
Das  Mönchtum  hatte  dem  Weltclerus  überall  den  Bang  abge- 
laufen, am  Königshofe  wie  an  den  Fttrstenhöfen,  und  in  den 
Herzen  der  Bevölkerung.  Man  kann  die  unvergleichlichen 
Fortschritte  des  reformatorischen  Mönchtums  nicht  besser  er- 
fassen, als  indem  man  den  weiteren  Wegen  der  Klosterreform 
nachgeht. 

2.  Die  Klosterreformen  im  elften  Jahrhundert. 

Francien. 

Schon  im  Jahre  994  war  Majolus  von  Cluni  nach  Saint- 
Denis  berufen  worden,  um  die  alte  berühmte  Abtei  zu  refor- 
mieren. Da  er  aber  auf  der  Reise  vom  Tode  weggerafft 
wurde,  unterblieb  die  Wiederherstellung  des  Klosters  fQr  die 
nächste  Zeit  Seiner  Güter  beraubt  und  mannigfach  bedrängt 
lag  der  Ort  brach  ,^)  bis  König  Hugo  dem  Nachfolger  des 
Majolus,  Abt  Odilo,  die  Ausführung  des  lange  gehegten  Planes 
übertrug.*)  Erst  im  Jahre  1008  aber,*)  wohl  auf  der  Synode 
von  Chelles,«)  wurde  der  Prior  von  Cluni,  Vivian,  zum  Abte 

^  *)  Rod.  61.  III,  c.  2 :  Qiui  de  caum  etiam  primates  regni  sensit  pluri- 
mum  contumaceSf  qui  despectis  hwnilibus  sui  simües  digebant  superbos. 

')  Fulb.  epist  35 :  Comperi  autem  ex  liiteris  tuis  tibi  molestum  esse, 
qmd  te  monasticae  vitae  dixvmus  amatorem. 

3)  Urk.  für  St-Denifi  von  1008,  HF  X,  591. 

*)  Adern.  III,  c.  30 :  Beati  Dionisii  coenobiumf  quod  iam  pristinam 
monasticam  carruperat  normam,  rex  Hugo  regulari  honestate  restauravit 
per  tnanus  venerabilis  Odilonis  abbatis, 

<»)  Chron.  S.  Dionysü,  Bibl.  de  Pecoie  des  chartes  XL  (1879),  275: 
1008,  Ordinatio  donmi  Viviani  abbatis;  Urk.  v.  1008,  HF  X,  591:  veneror 
bilem  virum  dominum  Vivianum  iam  superius  sancto  hco  abbatem  prae- 
fecimus. 

«)  lieber  die  Synode  von  Cbeiles  vgl.  Pfister  p.  66  ff. 


33 

von  St -Denis  erhoben.  Aber  er  starb  bereits  nach  seehs 
Jahren.^)  Odilo  Übernahm  von  neuem  die  Leitung  der  Abtei, 
gab  sie  Aher  unter  dem  Druck  des  Alters  und  dem  Wachsen 
der  Geschäfte  wieder  auf  und  ersuchte  den  König,  einen  Mönch 
Albert,  der  von  vornehmem  Geschlecht,  gelehrt  und  fromm  war, 
an  seine  Stelle  zu  setzen.^)  Er  ttberlebte  Odilo  nicht  lange 
und  starb  im  Jahre  1049.') 

Die  grossen  königlichen  Abteien  hatten  nun  sämtlich  die 
Einwirkung  der  Cluniacenserreform  erfahren,  bis  auf  die  eine, 
die  in  unmittelbarer  Nähe  der  Hauptstadt  und  der  königlichen 
Besidenz  lag.  Es  ist  bezeichnend  und  gewiss  nicht  zufällig, 
dass  St.-Denis  und  St-Germain  erst  verhältnismässig  spät  ihre 
Thore  den  Beformmönchen  öffneten.  Die  letztere  Abtei,  fllr 
die  König  Robert  eine  ganz  besondere  Zuneigung  hatte/)  war, 
nachdem  die  Normannen  sie  dreimal  eingeäschert  hatten,  von 
Abt  Morand  wieder  aufgerichtet  worden.^)  Ihm  folgte  1006 
ein  vornehmer  Herr  Ingo,<^)  der  seit  1002  in  St-Martin  von 
Massay,^)  seit  1015  auch  in  St-Peter  in  Sens^)  die  Abtwürde 
bekleidete.  Etwa  zwanzig  Jahre  herrschten  während  seiner 
Amtsführung  weltliche  Lust  und  weltliches  Leben  in  den  gott- 


>)  Ghron.  S.  Dien.  1014  a.  a.  0. 

>)  Ein  verstümmeltes  Wahldiplom  Roberts  für  Albert  HF  XI,  87g, 
in  dem  bemerkt  wird,  dass  Odilo  wegen  zu  grosser  Geschäfte  die  Abtei 
abgäbe  und  dass  der  König  mit  Odilos  WUlen  erwählt  habe  quendam 
numachum  nomine  Albertum,  ipsim  hei  alumnum,  regukuris  institutionihus 
apprime  et  fructuosis  aetibiiSj  nobilissimis  ortum  natalibus  et  tarn  novi 
quam  veteria  instrumenti  detritum  eruditiaribM. 

')  Ghron.  S.  Dion.  1049. 

*)  Vgl.  die  ürk.  Heinrichs  1.  v.  1058,  HF  XI,  697:  Nostri  enim  patris 
et  praedecessorum  auctoritcts  erga  praedictum  locwm  tanta  condescentione 
in  quibwcunque  necesse  fuit  annuit^  ut  nihil  paene  foret,  quod  a  noatra 
m4ignificentia  et  nwnificentia  impetrare  non  poaaet. 

<»)  Vgl.  Schnaase,  Gesch.  der  bild.  Künste  IV,  565. 

<)  Ann.  S.  Germani  minores  a.  1006  (SS.  IV,  4).  Morands  Todestag 
ist  der  I.April,  NecroL  S.  Germani  bei  Boaillart,  Hist.  de  Tabbaye  royale 
de  Saint-Germaln  des  Pr^s,  Paris  1724,  pr.CXI. 

^)  Ghron.  S.  Hart.  Massiac.  (Labbe  U,  738)  a.  1002. 
^)  Ghron.  S.  Petri  Vivi  bei  Dom,  Bibl.  hist  de  TYonne  ü,  p.  500; 
Helgaudi  Vita  Boberti  (Migne  141,  911). 

Sackur,  Clnniacenier.   ü.  3 


34 

geweihten  RänmeD.  Endlich,  als  er  tot  war,i)  gingen  Robert 
nnd  Constanze,  seine  Gemahlin,  den  Abt  Wilhelm  Yon  Dijon 
mit  der  Bitte  an,  hier  Wandel  zu  schaffen.^)  Höchstens  filnf 
Jahre,  während  deren  der  König  gegen  die  adeligen  Bedrttcker 
des  Stiftes  vorging,»)  von  1026—1030*)  leitete  Wilhelm  die 
Abtei,  die  auch  unter  seinem  Nachfolger  Adrald  hinsichtlich 
der  Disciplin  auf  der  Höhe  sich  erhielt.^) 

Auch  in  dem  benachbarten  Sprengel  von  Meaux  fasste 
Wilhelm  von  Dijon  festen  Fuss.  Hier  unterwarf  Odo  II.  von 
Champagne,  der  seit  1019  in  dem  Besitz  der  Grafschaft  Meaux 
war,<')  dem  Abte  das  Kloster  des  hl.  Faro.*^) 

In  der  Touraine  hatte  gegen  Ende  des  zehnten  Jahrhun- 
derts die  unter  Odo  von  Cluni  reformierte  Abtei  St- Julien  die 
Ftthrung.  Ihrem  Leiter,  Abt  Gosbert,  gelang  es  noch  mehrere 
andere  Abteien  seiner  Herrschaft  zu  unterwerfen,  die  er  sehr 
zum  Aerger  der  Turoner  auf  Kosten  des  Juliansklosters  be- 
reicherte.®) Er  war  zweifellos  der  Abt  G.  des  der  Abtei  Mar- 
montier  benachbarten  Klosters,  den  Abbo  von  Fleury  coabhas 
nennt  und  auffordert,  in  den  Zwistigkeiten,  die  in  Marmou- 
tier   zwischen  Abt  Berner   und    den   Mönchen    ausgebrochen 


^)  Ingo  starb  am  29.  Jan.  1 025,  GhroD.  S.  Petri  Vivi  a.  a.  0.  p.  503 ; 
Necrol.  S.  Germani  bei  Bouillart  pr.  CIX. 

>)  Ghron.  S.  Benigni  p.  159. 

>)  Urk.  Roberts  bei  Bouillart  pr.  XXIII. 

*)  In  einer  Urk.  Roberts  bei  Bouillart  pr.  XXIV.  XXV  von  1030, 
39.  Jahr  Roberts,  erscheint  bereits  Adraudus.  Pfister  p.  XL  und  LXXXV 
datiert  aber  nicht  richtig:  1031^  avant  l«r  mors,  wozu  die  Regierungsjahre 
nicht  stimmen.  Da  Wilhelm  auch  sonst  vor  seinem  Tode  Aebte  einge- 
setzt hat,  ist  dies  auch  in  St.  Germain  durchaus  wahrscheinlich.  Es  fehlen 
ausreichende  Gründe  zu  den  Interpretationen  auf  p.  XL.  Die  Regierungs- 
epoche ist  hier  der  29.  März  991.  Adralds  Todesjahr  1061  geben  die 
Ann.  S.  Germani  min. ;  der  Todestag  XVIU.  Eal.  Sept.  im  NecroL  S.  Ger- 
mani pr.  CXVL 

»)  Urk.  Heinrichs  L  v.  1058,  HF  XI,  697. 

«)  Blümcke,  Burgund  unter  Rudolf  III.  S.  88. 

^  Chron.  S.  Ben.  ed.  Bougaud  p.  159:  Necnon  et  Odo  comes  pari  de- 
votione  locum  sancti  Faronis  in  urbe  Meldorum  eidem  commisit  venerabili 
patri;  wenn  Alberich  von  Troisfontaines  (SS.  XXIII,  777)  diese  Notiz  zu 
998  bringt,  hat  das  natürlich  gar  keine  Bedeutung. 

^)  Brevis  bist.  S.  Juliani  Turon.  ad  a.  984  bei  Salmon,  Ohroniqnes  de 
Touraine  p.  228. 


85 

waren,  wirksam  einzagreifecJ)  Sieht  man,  wie  Abbq  ihm 
gegenüber  Odilo  von  Glnni  als  den  Bannerträger  der  ganzen 
Religion  bezeichnet,  wie  er  ihn  auffordert,  die  Brüder  des 
Nachbarstifts  zu  belehren,  wie  er  ihn  als  CoUegen  anredet,  so 
erkennt  man  die  Solidarität  jener  drei  Vertreter  der  cluniacen- 
sisehen  Beform.  Kurz  vor  Abbos  Tode  ist  Gosbert  von  Saint- 
Julien  wahrscheinlich  Abt  von  Marmoutier  geworden,  als  Ber- 
ner den  Angriffen  seiner  Mönche  weichen  musste.^) 

In  der  Grafschaft  Maine  war  es  die  Abtei  La  Conture, 
die  durch  Gosbert  neues  Leben  empfing.  Von  den  Normannen 
arg  geschädigt,  lag  das  Kloster  unbewohnt,  bis  Graf  Hugo, 
ein  der  Mönchsreform  geneigter  Herr,  an  eine  Wiederherstellung 
und  Ergänzung  der  Ruinen  ging.  Die  Einrichtung  übernahm 
der  Abt  von  St.-Julien,  der  auch  hier  um  das  Gedeihen  des 
materiellen  Wohlstandes,  um  die  Pflege  benedictinischer  Kloster- 
zucht grosse  Verdienste  erwarb.^)  Sein  Nachfolger  Ingelbald 
hatte  bereits  den  Abtstuhl  bestiegen,  als  ein  Vasall  jenes  Gra- 
fen Hugo  in  Tuffiac  im  Einverständnis  mit  Ingelbald  und  seiner 
Gongregation  ein  Kloster  gründete,  dem  er  mit  Bewilligung 
seines  Lehnsherrn  und  des  Diöcesanbischofs  Avesgaud  den 
Mönch  Hermenteus,  der  wahrscheinlich  aus  La  Couture  stammte, 
zum  Abt  gab.^) 

0  Abbonis  epist  VIII.  ad  G.  abbatem. 

')  £r  ist  in  Marmoatier  1004  and  1007  nachzuweisen;  vgl.  Gallia 
Christ.  XIV,  col.  200.  Nach  dem  Gartal.  Toarangeau  ed.  Nobilleau,  Toars 
1879,  einem  Sammelwerk  des  16.  Jahrhunderts,  das  Analysen  der  Urk.  mit 
kurzen  Angaben  Über  die  Aebte  und  deren  Siegel  enthält,  war  Gausbert 
von  1000—1007  Abt  von  Marmoutier.  Offenbar  unrichtig  datiert  ist  eine 
Urk.  von  angeblich  998,  in  der  Gausbert  als  Abt  erscheint  (p.  9).  In  einem 
Diplom  von  1007  ist  bereits  Sichardus  Abt  von  Marmoutier  (p.  11).  Im 
Gartul.  de  Marmoutier  pour  le  Dnnois  ed.  Mabille  (Ghateaudun  1874)  nr.  3, 
p.  4  kommt  Gausbert  in  einer  Urk.  v.  1004  vor. 

>)  Gallia  Ohrist  XIV,  458 ff.;  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  128;  Brevis 
bist,  'furon.  S.  Jol.  bei  Salmon  p.  228.  Die  Beform  erfolgte  gegen  das 
Jahr  990,  denn  in  dem  Gartul.  des  abbayes  de  Saint-Pierre  de  la  Oouture 
et  de  Saint-Pierre  de  Solesmes,  Le  Maus  1881,  beginnen  nach  langer  Pause 
die  Urkunden  erst  wieder  in  diesem  Jahre.  Graf  Hugo  erscheint  hier 
wiederholt  als  Wohltlülter  der  Abtei;  vgl.  nr.  5  und  6,  p.  7  und  8.  Bischof 
Avesgaud  ebenfalls  am  19.  Juni  1009  (nr.  7,  p.9).  Dafür  bedingt  er  sich 
aus:  »i  qui  noster  canonicu8  mortem  obierity  idem  orationum  et  elemosi- 
narwn  pro  eius  anima  reddere  studeant  ac  8%  monachus  fuerü. 

*)  Gallia  Christ  XIY,  instr.  col.  130.  136. 

8* 


36 

Aach  eine  andere  von  Clani  einst  ausgegangene  iKichtnng 
katii  im  Gebiete  von  Le  Mans  zur  Geltung:  durch  Wilhelm  von 
BelSme  gelangte  nämlich  Lonlai  an  Fleury,  das  damals  unter 
Gauzlin  stand.  Es  wurde  von  floriacensischen  Mönchen  be- 
siedelt und  erhielt  einen  Abt  namens  Wilhelm.^) 

Herzogtum  Burgund. 

Die  mächtigste  Persönlichkeit  im  burgundischen  Herzog- 
tum war  Otto  Wilhelm,  der  Stiefsohn  Herzog  Heinrichs,  Graf 
Ton  Burgund,  Mäcon  und  Nevers.  Als  Graf  von  Mäcon  hatte 
er  öfter  Gelegenheit  für  die  Bechte  Clunis  einzutreten  ,2)  nicht 
minder  seine  Söhne  Rainald  und  Wido  und  sein  Enkel,  Graf 
Otto  von  Burgund.^)  War  Otto  Wilhelm  einst  mit  den  Achten 
zweier  Besitzungen  in  den  Diöcesen  Belley  und  Chalon,  Ambä- 
rieu  und  JuUi  wegen,  in  Streit  geraten,^)  so  gab  er  doch  später 
nach,  und  auch  Graf  Rainald  fand  sich  bereit,  bei  einer  an- 
deren Gelegenheit  den  cluniacensischen  Besitz  zu  schützen.^) 
Nicht  weniger  mönchsfreundlich  zeigte  sich  der  Vicegraf  Archem- 
bald  von  Mäcon,  indem  er  im  Jahre  1035  vor  einer  Reise  nach 
dem  hL  Lande  den  Gluniacensern  eine  Kirche  des  hl.  Laurentius 
schenkte,<^)  an  der  einem  später  geäusserten  Wunsche  gemäss 
Mönche  angesiedelt  werden  sollten.'') 

Obgleich  die  Förderung,  welche  die  Grafen  von  Burgund 
dem  Klosterwesen  zu  Teil  werden  Hessen,  wesentlich  ihrem 
Verwandten,  dem  Abte  Wilhelm  von  Dijon,  zu  gute  kam,  so 
findet  sich  doch  unter  den  von  Cluni  aus  besiedelten  Klöstern 
wenigstens  eines,  das  Otto  Wilhelm  seine  Entstehung  ver- 
dankte: St.  Salvator  zu  Vaux  bei  Poligny  in  der  Diöcese  Be- 
sannen. Im  Anfange  selbständig  und  von  ihrem  Gründer  Otto 
Wilhelm  und  dessen  Sohn  Rainald  eifrig  gefördert,  kam  die 


0  y.  Oftazlini  I,  c.  22;  Roberti  de  Monte  Chron.,  HF  XIV,  887;  vgl. 
Gallia  Christ.  XIV,  498. 

«)  CHOL  m,  nr.2406  (997—1007);  2552  (März  1002). 

>)  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  p.  1 :  Elogium  Odil  c.  36.  38.  42.  48.  Schen- 
kungen Ottos  an  Clani  CHCL  HI,  nr.2694.  2712.  2718. 

*)  CHCL  m,  nr.  2736;  vgl.  IV,  nr.  2949. 

»)  HF  XI,  608. 

•)  CHCL  IV,  nr.  2922. 

0  ib.  nr.2982  (1089).    Urk.  seiner  Witwe  Beatrix  ib.  nr.  2939. 


37 

Abtei  auf  des  letzteren  Antrag  durch  Badolf  IIL  mit  allem 
Zubehör  1029  an  Odilo.  Er  sollte  hier  Mönche  ansiedeln,  an 
deren  Gebete  man  grosse  Hoffnungen  knüpfte.  0  Wie  der  Erz- 
bischof Hugo  von  Besanfon  wenige  Jahre  darauf  durch  Schen- 
kungen von  Kirchen  und  Zehnten  dem  Kloster  sein  Wohlwollen 
bewies,^)  so  hat  auch  die  Familie  des  Stifters  weit  später  nicht 
jener  Gründong  vergessen.^) 

In  den  andern  Sprengein  des  burgundischen  Herzogtums 
hatte  bereits  Majolus  eine  so  rege  Thätigkeit  entfaltet,  so 
warme  Verehrung  sich  erworben,  dass  ein  Fortbestand  der 
engen  Beziehungen  der  Bischöfe  zu  Cluni  auch  nach  seinem 
Tode  zu  erwarten  war. 

Hatte  Bischof  Walter  von  Autun  der  Abtei-  an  der  Grosne 
schon  zu  Zeiten  des  Majolus  mehrere  Male  Kirchen  nebst  den 
dazu  gehörigen  Zehnten  verliehen,^)  hatte  er  bereits  diesem  Abte 
seine  Verehrung  ausgedrückt  und  mit  Cluni  eine  Gebetsver- 
brüderung geschlossen,^)  so  wandte  er  sich  jetzt  an  Odilo  und 
seine  Mönche  mit  der  Bitte,  in  Mesvres,  einem  Kloster  seiner 
Diöcese,  reguläre  Klosterzucht  einftlhrep  zu  wollen.  Das  Ab- 
kommen, das  der  Bischof  mit  den  Gluniacensern  traf,  hielt  sich 
im  Rahmen  der  alten  Verträge:  zwischen  beiden  Kirchen  soll  der 
alte  Bund  bewahrt  bleiben  und  in  jeder  derselben  fbr  das  Seelen- 
heil der  andern  gebetet  werden.  Um  dem  Vorwurf  vorzubeugen, 
er  habe  den  Besitz  der  Kirche  Autun  geschmälert,  übertrug 
der  Bischof  die  Abtei  Mesvres  dem  Abte  von  Cluni  zwar  zu 


0  Die  Urkunde  bei  MabiUon,  Acta  SS.  VI,  1,  p.  575;  Origin.  Guelf.  II, 
169,  nr.  79,  HF  XI,  552;  P^rard,  Becaeü  de  plasieurs  piöces  cnrieuses  ser- 
Tant  k  l'histoire  de  Bourgogne,  Paris  1619,  p.  177;  Chevalier,  M6moire8 
hiat  de  Pollgny  (1767)  I,  814;  CHOL  IV,  nr.  2817:  ad  habitandum  Un  Clu- 
niacenaea  monachos,  gut  tarn  pro  nostra  quam  omnium  sahäe  Deo  assidue 
precea  et  vota  persolvant.  —  In  Heinrichs  III.  Urk.  für  Hugo  vom  4.  Dec. 
1049  findet  man:  ceüam  vero  in  archiepiscopatxi  Bisuntinensi  quaevoeaUur 
Vaüü  in  honore  8.  Dei  genetrida  subtus  castrum  Foloniacum;  Dunod, 
Hist  de  Bourgogne  II,  128  lässt  Otto  Wilhelm  irrtttmlich  Vaux  an  St.*B6- 
nigne  verleihen. 

>)  CHOL  IV,  nr.  2890  (Juni  1032);  Chevalier,  M^moires  hist  de  Po- 
ligny  1,  815. 

>)  Chevalier  I,  316,  Urk.  Wilhelms  v.  1069. 

*)  CHCL  II,  nr.  1668;  III,  nr.  1947. 

«)  ib.  III,  nr.  1947:  quia  Cluniacensis  cenobii  congregaiio  apeciali  prt 
ceteris  amore  nobia  caniti/ncta  est. 


38 

Becht  and  Eigentam,  behielt  jedoch  seinen  Nachfolgern  nnd 
dem  Domcapitel  VerfUgungsrechte  in  Gemeinschaft  mit  den 
cluniacensischen  Aebten  vor,  wobei  aasdrttcklich  bei  der  Abt- 
wahl die  Einwilligung  der  letzteren  fttr  nnnmgänglich  erklärt 
wurde. ^)  Der  Bischof  begünstigte  übrigens  nicht  einseitig  die 
Bichtung  Odilos.  Auch  Wilhelm  von  Dijon  erfreute  sich  seiner 
Förderung;  mehrere  Male  intervenierte  Walter  für  ihn  behufs 
Beschaffung  von  Privilegien.^) 

Den  Mittelpunkt  der  Beformbestrebungen  in  der  Autuner 
Diöcese  bildete  auch  unter  Walters  Nachfolger  die  Abtei  Fla- 
vigny,  die  einst  Helderich,  der  Schüler  des  Majolus,  reformiert 
hatte.  Unter  Helmoin  kam  St  Georg,  eine  Abtei,  die  gänzlich 
verödet  war  und  die  schon  Bischof  Walter  wiederzubeleben 
beabsichtigt  hatte,  mit  Hilfe  des  Grafen  Hugo  von  Ghalon  an 
Flavigny  zu  dauerndem  Eigentum^)  und  ebenso  gelangte  Cor- 
bigny,  wo  mit  der  Lockerung  der  Zucht  drückende  Armut  ein- 
getreten war,  an  den  Abt  Amadeus,  dem  das  Kloster  recht- 
mässig zukamt)  und  der  seine  Gongregation  ausserdem  um 
einige  Zellen  erweiterte.^)  Die  weiteren  Unternehmungen  der 
Gluniacenser  im  Sprengel  Autun  führten  Odilo  und  Wilhelm  zu 
gemeinsamer  Thätigkeit  zusammen.  Der  Schwiegersohn  Otto 
Wilhelms  von  Burgund,  Graf  Landrich  von  Nevers,  hatte  näm- 
lich im  Jahre  1026  oder  1027  aus  Vezelay,  der  alten  Stiftung 
Gerards  von  Boussillon,  die  Mönche  mit  ihrem  Abte  heraus- 
geworfen und  die  Uebernahme  der  Abtei  durch  Odilo  und 
Wilhelm,  aber  ohne  Befragen  des  Bischofs  Helmoin  von  Autun, 
veranlasst    Aufs  heftigste  erglimmt  drohte  dieser  sämtliche 


»)  CHCL  III,  nr.  2276  (994—1000):  ea  raJtione,  ut  societas  viostri  loci 
et  Climiacensis  coenobiiy  sicut  tempore  domni  Maioli  ahbatis  caritatis  vin- 
culo  colligata  permansitj  sie  etiam  cuncto  in  tempore  inconviUsa  pertnanere 
possit  etc. 

8)  S.  Bd.  I,  S.  264  f. 

>)  Urk.  Helmoins  v.  1026  bei  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  app.  p.  652; 
Ann.  Flavin.  bei  Labbe  I,  272. 

0  Mabillon  a.a.O.  p.669  (1034);  vgl.  Grignard,  Notitia  chronologica 
de  exordiis  veteris  abbatiae  S.  Petri  Flaviniac,  Studien  und  Mitteilungen 
aus  dem  Benedictiner-  und  Cisterzienserorden  I  (1881),  p.  258  ff. 

*)  Necrol.  Flavin.  (SS.  Vm,  286):  14.  Kai  ApHl  Amaäeiis  abbas  Fla- 
viniacensis  obiitj  gut  Senemurensemf  Colckensem,  BeUHocenaem  ceüaa  ad- 
quisivit  et  Corhiniacum  recuperavit;  Grignard  a.  a.  0.  p.  263. 


39 

Kireben,  die  Dijon  and  Clani  in  der  Diöeese  hatten,  mit  dem 
Interdiet  za  belegen  und  Odiles  Abtei  Mesvres  einzuziehen. 
Geistliche  und  Laien  hetzte  er  nach  Kräften  gegen  die  Ein- 
dringlinge. Er  bannte  sie,  verbot  das  Kloster  Vezelay  zu  be- 
wohnen und  religiöse  Pflichten  auszuüben.  Vergeblich  beriefen 
sich  die  neuen  Mönche  von  Vezelay  auf  die  Freiheitsprivilegieu 
des  Ortes.^)  Die  Antworten  des  Bischofs  traten  die  Brttder 
mit  Füssen,  so  dass  selbst  ihre  Freunde  meinten,  sie  seien  zu 
weit  gegangen;  auch  fand  der  Satz  weit  und  breit  Anerken- 
nung, dass  kein  Abt  ohne  eanonische  Untersuchung  und  bischöf- 
liches Urteil  seines  Amtes  entsetzt  werden  dürfe.  In  der  That 
blieb  Helmoin  Sieger.  Bei  seiner  hartnäckigen  Weigerung,  die 
Mönche  von  Vezelay  vom  Bann  zu  befreien,  bevor  sie  die  Abtei 
verliessen,  gab  Wilhelm  von  Dijon  im  Namen  Odiles,  wenn 
auch  schweren  Herzens,  nach.^) 

In  Chalon  s.  S.  herrschte  zur  Zeit  Odiles  Graf  Hugo,  der, 
wie  wir  wissen,  als  er  im  Jahre  999  den  bischöflichen  Stuhl 
von  Auxerre  bestieg,  durch  die  königliche  Gnade  die  väterliche 
Grafschaft  hatte  behalten  dürfen.  In  der  burgundischen  Geistlich-^ 
keit  nahm  er  den  ersten  Bang  ein;  war  er  doch  hochangesehen 
beim  Könige  und  dessen  gleichnamigem  Sohne,  dem  Herzoge  von 
Bargund.3)  Als  einziger  ergriff  er  in  den  burgundischen  Un- 
abhängigkeitskämpfen die  Partei  Boberts.  In  seiner  Grafschaft 
hatten  die  Gluniacenser  ausser  einer  abhängigen  Gelle  ^)  bereits 
ein  Kloster  in  ihrem  Besitz,  St.  Marcel,  das  aber  erst  unter 
Odilo  anscheinend  zu  höherer  Blüte  gelangte.  Wir  finden  unter 
ihm  einen  Prior  Siegfried^)  und  einige  Mal  ist  hier  der  Abt 
selbst  nachzuweisen.^^)     In  seiner  Gegenwart  fanden  mehrere 


*)  Vgl.  die  Urk.  im  Chron.  Vezellac.  bei  d'Achery,  Spicil.  II,  498  flf. 

«)  Brief  Wilhelms  von  Dijon  an  Odilo,  HF  X,  505.  Die  Zeit  ergiebt 
sich  daraus,  dass  in  dem  Schreiben  von  dem  eben  erfolgten  Ableben 
Richards  von  der  Normandie  und  des  Grafen  Otto  Wilhelm  die  Rede  ist. 

^  Vgl.  die  Urkunden  bei  £.  Petit,  Bist,  des  ducs  de  Bourgogno 
nr.  17.  18.  27. 

*)  Urk.  Gregors  V.  f.  Cluni  v.  998-999. 

>)  CartuL  de  St  Marcel,  Bibl.  nat.  1. 12824,  f.  85.  97.  109. 

•)  ib.  f.  97.  Schenk,  v.  Kl  lun,  anno  X  regnante  Boberto  rege:  in 
praesentia  domni  OdUonis  abbatis  et  domini  Siefredi;  f.  121:  in  praesmtia 
domni  Odilonis  ohne  Datum. 


40 

Sehenkuogen  statt,  and  wie  hoch  man  ihn  schätzte,  beweist 
ein  Schenknngsinstrnment,  in  dem  noch  im  Jahre  1050  nach 
dem  Hingange  des  frommen  Abtes  Odilo  seligen  Angedenkens 
datiert  ist^)  Zahlreiche  Schenkungen,  Kauf-  und  Tauschver- 
träge,  von  denen  mr  aus  dieser  Zeit  Kenntnis  haben,  lassen 
auf  eine  gedeihliche  wirtschaftliche  Entwickelung  des  Priorats 
schliessen. 

Was  aber  Graf  Hugo  betrifft,  so  wendete  er  sein  Interesse 
mehr  Gluni  selbst  und  einer  Stiftung  seines  Vaters,  Taray-le - 
Monial,  als  dem  Kloster  des  hl.  Marcellus  zu.  So  unterstellte 
er  die  kleine  Abtei  St.  Gosmas  und  Damianns  dem  Abte  von 
Cluni:  ein  Act,  den  König  Robert  und  sein  Sohn  Hugo,  als 
Odilo  persönlich  am  königlichen  Hofe  erschienen  war,  bestä- 
tigten.^) Wichtiger  war  es,  dass  Graf  Hugo  die  schon  unter 
Majolus  gegründete,  aber  seither  unter  einem  selbständigen 
Leiter  befindliche,  Abtei  Paray-le- Monial  im  Mai  999  im 
Kloster  des  hl.  Marcellus  vor  dem  Könige  auf  dessen  und 
Herzog  Heinrichs  Rat  an  Odilo  überwies:  er  verzichtete  dabei 
ausdrücklich  ftlr  sich  und  seine  Familie  auf  alle  Herrschafts- 
rechte mit  dem  allgemeinen  Verbot,  dass  der  Ort  überhaupt 
einem  weltlichen  Herrn  unterstehe.^)  König  Robert  bestätigte 
seinerseits  diese  Verfügung.^)  Paray  wurde  von  nun  an  durch 
Prioren  geleitet,  deren  erster  unter  Odilo  Adraldus  ^)  war.  Hugo 
entzog  aber  der  Stiftung  seines  Vaters  nicht  seine  Gunst;  er 


^)  Gart,  de  St.-Marcel  a.  a.  0.  f.  117:  regnante  Henrico  imperatore  post 
tramitum  heate  recordatianis  pii  Odilonis  abbatis  IL  anno;  vgl  auch 
f.  107:  in  quo  domnua  et  reverendissimus  Odüo  abbas  magis  prodesse  quam 
praeesse  videtur, 

«)  CHHLin,  iir.2711. 

>)  Die  Urkunde  Hugos  im  Auszuge  bei  Mabillon,  Act.  SS.  VI,  1,  573; 
Ann.  Ben.  IV,  123.  Vollständig  bei  Chifflet,  Lettre  tonchant  Beatrix  pr.  194; 
P6rard,  Recueil  p.  167;  CHOL  HI,  nr.  2484:  considerans  supradietum  hcum 
in  eodem  statUf  quo  pater  suus  decreverat,  omnino  per  se  stare  non  posse. 
Placuit  etiam  huic  testamento  inseri^  ui  ah  hoc  die  nee  nostro  nee  paren- 
tum  nostrorunif  nee  cuiuslibet  terrenae  potestatid  iugo  subiciaiur  idem 
locus;  Jota.  Vit.  Odil.  II,  c.  3 :  Degehai  aliqtumdo  S.  Odilo  in  quodam  suo 
coenobiOf  quod  nuncupatur  Aurea  vaüis,  loco  acilicet  religioso  et  fratrum 
iUic  cofnmanentium  sanctitate  famoso. 

*)  CHOL  m,  nr.  2485. 

B)  Cartul.  de  Paray-le-Monial,  Bd.  I,  Beilage. 


41 

nrkundete  später  mehrere  Male  fbr  sie  and  bedachte  sie  mit 
Landbesitz,  Marktrechten  und  Kirchen.^) 

In  Nevers  neigten  sowohl  Graf  als  Bischof  den  von  Clnni 
aasgehenden  Reformtendenzen  zu.  Graf  Landrich,  der  Schwie- 
gersohn Otto  Wilhelms,  förderte,  wie  wir  wissen,  die  Ansied- 
long  claniacensischer  Mönche  in  Vezelay,^)  sein  Sohn  Rainald 
schenkte  später  zum  Seelenheil  seiner  ganzen  Familie  nmfang- 
reiehen  Grandbesitz  an  Clani.^)  Aaf  dem  bischöflichen  Stahle 
sass  damals  Hago,  ein  reformfreandlicher  Mann,  der  im  Jnli 
1015  oder  1016  den  Mönchen  von  Paray-le-Monial  ein  Grund- 
stück an  der  Loire  zugestand ,  das  im  Besitze  der  Chorherren 
des  hl.  Cyriacus  von  Nevers  gewesen  war.^)  Dieselben  Welt- 
geistlichen beherrschten  auch  die  Abtei  St  Salvator  zu  Nevers, 
die,  einst  in  hoher  Bltlte,  wie  viele  andere  zu  Grunde  gegangen 
und  dem  benedictinischen  Klosterleben  entfremdet  worden  war. 
Auf  den  Rat  des  bisherigen  Leiters  des  Stifts,  des  Abtes  Ada- 
lelm,  und  der  Geistlichkeit  von  Nevers  stellte  es  der  Bischof 
unter  Odilo  zu  freiester  Verfllgung  bei  Wiederherstellung  der 
Benedictinerregel,  geleitet  durch  die  Hoffnung  auf  die  Gebete 
der  Gluniacenser.^) 

Normandie. 

In  dem  Landesteile  Frankreichs,  in  dem  die  Normannen 
dauernd  ihre  Sitze  aufschlugen  und  dem  sie  ihren  Namen 
gaben,  war  der  Wechsel  aller  Verhältnisse,  die  Veränderung, 
die  sich  vollzog,  natargemäss  noch  einschneidender  als  in  den 
andern  westfränkischen  Gebieten.  Ein  eben  erst  dem  Christen- 
tum gewonnener,  in  den  weiteren  Schichten  sicher  noch  fast 
heidnischer,  halbbarbarischer  Volksstamm  hatte  sich  da  nieder- 


^)  Gartul.  de  Paray  a.a.O.;  Petit,  Hist.desducsdeBoargogneiur.il. 
25;  letztere  Urk.  auch  CHOL  IV,  nr.  2924.  Urkunden  Hugos  fUr  Paray 
auch  ColL  Moreau  Bd.  XIV.  XVUI.  XIX  (Bibl.  nat.). 

')  S.  oben  S.  38. 

8)  Urk.  bei  Petit  a.  a.  0.  nr.  26,  p.  866  und  CHOL  IV,  nr.  2811. 

«)  GaUia  Christ.  XII,  instr.  col.  322. 

*)  GaUia  Christ.  XII,  instr.  col.  824;  CHCL IV,  nr.  2961;  Urk.  v.  6.  Nov. 
1045.  Die  Gallia  Christ  hat  einen  wichtigen,  wahrscheinlich  erst  später 
gemachten  Zusatz,  wonach  die  Abtei  immer  der  Kirche  und  den  Bischöfen 
von  Nevers  unterworfen  bleiben  solle.  Der  Satz  widerspricht  aber  dem 
Vorangehenden. 


42 

gelassen,  während  Kirchen  und  Abteien  zumeist  in  Trüm- 
mern lagen  nnd  wohl  nur  zum  kleinsten  Teile  die  Schicksals- 
schläge der  vergangenen  Zeit  überdauert  hatten.  Mag  es  auch 
wahr  sein,  dass  Rollo  mit  dem  Eifer  eines  Neubekehrten  an 
die  Wiederherstellung  der  christlichen  Gotteshäuser  ging,  dass 
er  bereits  in  den  ersten  Tagen  nach  seiner  Taufe  den  nor- 
mannischen Kirchen  ausgedehnten  Grundbesitz  zuwies,^)  so  ist 
mit  dem  Bestreben  die  noch  vorhandene  Geistlichkeit  zu  ge- 
winnen ein  Erfolg  auf  reformatorischem  Gebiet  doch  schwer- 
lich verbunden  gewesen:  erzählte  man  doch  noch  am  Ende 
des  Jahrhunderts  von  der  Barbarei  der  normannischen  Her- 
zöge, die  nur  zerstörten  und  nicht  bauten,  mönchische  Nieder- 
lassungen auseinanderjagten,  statt  sie  zu  fördern  und  zu  unter- 
halten.2)  Eine  umfassendere  Reform  und  Wiederherstellung 
der  Klöster  setzte  doch  wohl  eine  tiefere  und  längere  Chri- 
stianisierung der  Bevölkerung  und  die  Vollendung  anderer, 
noch  dringenderer  Einrichtungen  voraus,  als  in  den  ersten 
Jahrzehnten  möglich  war;  wenigstens  blieb  der  erste  Reform- 
versuch, der  mit  aquitanischen  Mönchen  unter  Wilhelm  L  in 
Jumi^ges  gemacht  wurde,'*^)  ohne  erkennbare  Folgen.  Erst 
Richard  I,  dessen  Frömmigkeit,  Freigebigkeit,  Gutmütigkeit 
und  Gerechtigkeit  grosses  Lob  seitens  der  Kirche  ernteten,^) 
konnte  eine  Erneuerung  des  klösteriichen  Lebens  in  den  alten 
Abteien  des  Landes  in  Aussicht  nehmen. 

Hier  fasste  zuerst  die  Schule  von  Brogne  festen  Fuss. 
Ein  Genter  Mönch,  Mainard,  regte  beim  Herzoge  die  Wieder- 
herstellung der  Abtei  Saint -Wandrille  an,  von  der  nur  elende, 


^)  Chronique  de  Robert  de  Torigni  ed.  Delisle  1, 12  f.;  De  immut 
ordin.  monach.  a.a.O.  II,  191;  Introductio  monachonim  et  Mirae.  S.  Mich, 
in  M6moires  de  la  8oci^t6  des  antiqu.  de  la  Normandie  XXIX  (1877), 
p.  866. 

>)  Liber  de  revelatione,  aedificatione  et  auctoritate  monasterii  Ffscam- 
nensu  c.  21  bei  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  313.  Danach  sagte  Wilhelm  von 
Dijon:  audivimus  duces  NormannicLC  homineä  barbaros  et  truculent08  sub- 
vertere  et  7ion  aedifica/re  tanta  tempUij  ädere  et  effugare,  et  non  coüigere 
atit  nutrire  spirittuiliwn  hominum  congregationes  sanctas. 

^)  Chron.  de  Robert  de  Torigni  z.  J.  985  ed.  Delisle  1, 16;  De  immut 
monach.  II,  192;  vgl.  Bd.I,  S.  83. 

*)  Dudo  de  gestis  Normann.  III,  Migne  1 141,  725;  vgl.  auch  Licquet, 
Hist.  de  Normandie,  Bouen  1835, 1, 177  ff.;  Gu^rard,  CartuL  de  St.-P^re  1, 40. 


43 

von  Gestrttpp  durchwachsene  und  von  Schlangen  bewohnte 
Manerreste  vorhanden  waren.  Er  soll  um  so  mehr  Erfolg  ge- 
habt haben,  als  ein  vornehmer  Normanne  Torsting  bei  der 
Hirsehjagd,  wie  es  heisst,  auf  die  verfallene  Klosterruine  geriet 
und  beobachtete,  wie  der  verfolgte  Hirsch  am  verlassenen  Altar 
vor  den  bellenden  Hunden  Schutz  fand  —  eine  legendenhafte 
Erzählung,  die  um  so  weniger  Glauben  verdient,  als  sie  in 
ähnlicher  Form  auch  anderwärts  vorkommt.  Im  Jahre  961 
wurde  Mainard  mit  der  Beform  beauftragt.  Mit  Eifer  ging 
man  ans  Bauen  und  Einrichten;  in  Stein  erhoben  sieh  präch- 
tige Gebäude;  Bücher,  Urkunden,  Kirchenschätze  und  Heiligen- 
reliquien wurden  aus  Gent  gespendet;  in  dem  reich  ausgestat- 
teten und  privilegierten  Kloster  walteten  fortan  fromme  Mönche. 
Aber  nicht  lange  bltthte  die  Abtei.^)  Seit  Mainard >)  ftlnf  Jahre 
später  auf  Verlangen  des  Herzogs  die  Leitung  von  Mont-Saint- 
Michel  übernommen  hatte,  ward  Saint -Wandrille  mehr  und 
mehr  in  den  Hintergrund  gedrängt,^)  bis  zur  Zeit  Bichards  U. 
Abt  Gerard  von  Grespy,  ein  ausgezeichneter  Mann,  der  mit 
König  Bobert  und  Fulbert  von  Ghartres  zu  Füssen  Gerberts 
gesessen  hatte,^)  die  Herrschaft  über  das  Kloster  gewann.^^) 

Mont-Saint-Michel ,  wohin  Mainard  berufen  wurde,  war  in 
Abhängigkeit  von  einigen  Grossen  geraten,  die  in  der  Abtei 
Gleriker  ansässig  gemacht  hatten,  welche  jährlich  wechselten 
und,  wie  unsere  allerdings  parteiische  Quelle  berichtet,  sich 
die  Zeit  mit  Zechgelagen,  Jagdfreuden  und  andern  Vergnü- 
gungen veiirieben.  Als  sie  trotz  wiederholter  Mahnungen  ihr 
lockeres  Leben  nicht  aufgaben,  beschloss  der  Herzog  im  Ein- 
verständnis mit  dem  Erzbischof  Hugo  von  Bouen  und  seinem 
Bruder,  dem  Grafen  Budolf,  die  Gleriker  durch  Mönche  zu  er- 
setzen. Nachdem  man  sich  mit  dem  Papste  ins  Einvernehmen 
gesetzt  und  Mönche  von  verschiedenen  Seiten  herangezogen 
hatte,  mussten  die  Weltgeistlichen ,  die  sich  nicht  zum  Profess 


0  Mirac.  S.  Widframmi  c.  4,  d'Achery,  Spicilegiiim  II,  285  ff. 

")  Von  Mainard  in  St.  Wandrille  heisst  es  De  immut.  ord.  mon.  a.  a.  0. 
II,  194:  qui  tempore  primi  Ricardi  coeperat  ewndein  locum  pro  posse  siio 
emendare. 

»)  Mirac.  S.  Wulfir.  o.  6,  col.  286. 

*)  ib.  c.  7,  col.  289. 

»)  ib.  col.  287. 


44 

auf  die  Benedietinerregel  bequemten,  den  Klosterbrüdern  wei- 
chen, deren  Leitong  Mainard  anvertraut  wurde.  Der  Herzog 
beschenkte  das  Kloster  reichlich  mit  Kirchen,  Dörfern  und 
Ländereien,  es  wurde  gebaut  und  fllr  kirchlichen  Schmuck  und 
Zierrat  gesorgt  i) 

Nun  hatte  offenbar  schon  Richard  L  die  Absicht,  alle  be- 
deutenderen normannischen  Klöster  in  einer  Hand  zu  yer- 
/  einigen:  derselbe  Mainard  wurde  nämlich  auch  Abt  von  Saint- 
Ouen  in  Rouen.^) 

Während  in  diesen  Abteien  wieder  frisches  religiöses  Leben 
einzog,  lebten  in  Fieamp  Canoniker  in  Schwelgerei  und  Ueppig- 
keit,  ähnlich  wie  in  Mont-Saint-Michel.  Ihr  regelloses  Treiben 
veranlasste  den  Herzog  eine  Benedictinerreform  ins  Auge  zu 
fassen.  Er  mochte  bereits  seit  längerer  Zeit  den  Neubau  der 
Kirche  und  der  Abtei  begonnen  haben:  während  das  Kloster 
jedoch  zunächst  noch  unvollendet  blieb,  empfing  die  prächtige 
Kirche  im  Jahre  989  die  Weihe.^)  Mainard  war  vermutlich 
nicht  mehr  am  Leben,  als  Richard  L  sich  an  Majolus  von 
Gluni  behufs  Einführung  regulärer  Mönche  wendete.  Der  Abt 
kam  auch  nach  F^camp,  erklärte  aber  nur  unter  der  Be- 
dingung die  Reform  übernehmen  zu  wollen,  wenn  der  Herzog 
auf  die  Weidegelder,  die  er  in  seinem  Lande  für  das  Weide- 
recht auf  den  fiscalischen  Gütern  bezog,  zu  Gunsten  der  Kirche 
verzichte  und  dies  als  Gesetz  für  seine  Nachfolger  verbindlich 
mache.   Als  Richard  nun  darauf  nicht  einging,  kehrte  Majolus 


')  Introductio  monach.  a.a.O.;  Johann  XII.  bestätigte  angeblich  die 
ürkande  des  Herzogs  (p.  872;  Gallia  Christ.  X,  instr.  105);  das  päpstliche 
Privileg,  das  angeführt  wird  (J.-L.  nr.  3757),  ist  jedoch  sicher  ezfunden, 
wie  schon  aus  der  Tendenz  der  ganzen  Schrift  deutlich  hervorgeht.  — 
Ueber  die  Beform  von  St.-Michel,  die  966  stattfand,  vgl.  Chron.  S.  Mich. 
966  (Labbe  I,  347);  De  abbatibus  monast.  S.  Mich,  (ebenda  I,  351)  966; 
Chron.  de  Robert  de  Torigni  966  ed.  Delisle  I,  26;  Ordericus  Vitalis  ed. 
Prevost  II,  9.  366  n.  2. 

*)  Chron.  Armoric.  sen  Andegav.  981;  Order.  Vit.  II,  9. 

>)  Chron.  S.  Stephani  Codom.  989  bei  Dachesne,  Hist.  Nortmann.  SS. 
p.  1017;  Wilhelmus  Gemmet.  IV,  c.  19  bei  Dachesne  p.  248.  Vgl.  Mabillon, 
Ann.  Ben.  IV,  57;  Chron.  S.  Benigni  ed.  Bougaud  p.  156;  Rudolfi  V.Wil- 
helmi  c.  15;  De  immut  ord.  monach.  a.a.O.  p.  192.  Dass  das  Kloster  anter 
Richard  I.  nicht  vollendet  wurde,  lehrt  Wilh.  Malmesber.  II,  c  178:  coeno- 
hium  Fiscamfienae,  quod  pater  (seil.  Rieh.  L)  inc?u>aver(U, 


45 

tinvemchteter  Sache  znrttck,  and  die  Reform  unterblieb  fttr 
die  nächste  Zeit.^) 

Inzwischen  starb  der  Herzog  am  20.  November  996  zn 
Fäcamp.  Sein  Nachfolger  Biehard  II.  zeigte  dieselbe  kirchliche 
Frömmigkeit,  die  wir  bei  den  meisten  Fürsten  am  Anfange  des 
elften  Jahrhunderts  finden.^)  Aehnlich  wie  bei  Wilhelm  dem 
Grossen  von  Aquitanien  ging  bei  ihm  kraftvolles  Wirken  mit 
einer  besonderen  Vorliebe  für  die  Männer  der  Kirche  Hand  in 
Hand,  die  er  mit  Geschenken  überhäufte.  Bischöfe  und  Cleri- 
ker,  Aebte  und  Mönche  warteten  ihm  auf  am  Hofe  von  Bouen ; 
aus  dem  Orient  selbst  erschienen  Klosterbrüder  alljährlich,  um 
die  bewilligten  Tribute  von  ihm  einzuziehen;')  während  er 
andererseits  die  Pilger,  die  nach  dem  heiligen  Lande  zogen, 
mit  Mitteln  unterstützte.  Er  nahm  den  Gedanken  des  Vaters 
wieder  auf  und  beschloss  jetzt  ernstlich,  dem  uncanonischen 
Leben  der  Cleriker  zu  Föcamp  ein  Ende  zu  bereiten. 

Da  war  es  der  grosse  Buf,  den  Wilhelm,  der  Abt  von 
St-B^nigne,  sich  bereits  erworben,  der  den  Herzog  zu  einer 
Anfrage  bei  diesem  Schüler  des  Majolus  veranlasste.  Obgleich 
der  Abt  von  Dijon  die  Boheit  und  Barbarei  der  Normannen 
fürchtete^)  —  vielleicht  hatte  die  Absage  des  Majolus  keinen 
andern  Grund  ^)  —  und  zur  Entschuldigung  vorgab,  sie  hätten 
keine  Bosse  und  Saumtiere  zur  Beise,  so  musste  er  doch  nach- 
geben, als  Biehard  das  Fehlende  sandte.*)  Im  Jahre  1001'') 
machte  sich  Wilhelm  auf  und  nach  wenigen  Tagen  empfing 
ihn  der  Herzog  mit  seinen  Mönchen.  Die  Cleriker  mussten 
auch  hier  weichen,  während  eine  dreimal  so  grosse  Zahl  regu- 


^)  Liber  de  reveL  c.  15. 

>)  WUh.  Gemmet.  V,  c  1;  WUh.  Malmesber.  II,  c.  178;  Hugo  Flavin. 
Chron.  II,  c.  27. 

*)  Mirac.  S.  Wulfr.  c.6,  col.286;  Fulberti  Garnot  epist  23;  Rod.  da- 
her I,  c.  5. 

*)  Liber  de  reveL  c.  21. 

^)  Wenigstens  sagte  er  bereits  dem  Grafen  Burchard  von  Gorbeil, 
der  ihn  zur  Beform  von  St.-Maar  des  Fossös  aafTorderte:  Valde  mim  kibo' 
rionan  nobi8  est  exteras  atgue  incognitas  adire  regiones,  nostraque  relin- 
quere  et  vestra  appetere  (Y.  Burch.  c.  8). 

•)  Liber  de  revel.  c.  21;  Rod.  V.  Wilh.  c.  15. 

0  Ghron.  Fiscamn.  (Labbe  I,  824)  1001;  Ghron.  Rothomag.  (ib.  p.  866) 
1001;  Ord.  Vital.  II,  248. 


46 

larer  Klosterbruder  sich  nm  Wilhelm  seharte.  Richard  liess  es 
an  GUterverleihuDgen  und  Schenkungen  nicht  fehlen;  er  ent- 
schädigte den  Abt  für  die  der  Kirche  entzogenen  Besitzuogeu  >) 
und  sprach  ihm  im  Verein  mit  seinen  Bischöfen  die  Gewalt 
über  den  Ort  zu.^)  Er  erklärte  sogar  Föcamp  für  frei  von 
jeder  bischöflichen  Herrschaft  den  Anfeindungen  der  Geistlich- 
keit zum  Trotz,  welche  die  Freigebigkeit  des  Herzogs  gegen 
das  Kloster  mit  Neid  und  Unwillen  ansah,  und  veranlasste 
den  Erzbischof  von  Ronen  auf  seine  Rechte  zu  verzichten  und 
sich  der  Gewalt  über  zwölf  andere  Kirchen  zu  Gunsten  Fi- 
camps  zu  begeben.  Bischöfe  und  Edle  unterzeichneten  der 
Reihe  nach  das  Documenta)  Auch  König  Robert  musste  am 
Himmelfahrtstage  1006,  als  er  zu  Ficamp  weilte,  die  Be- 
sitzungen der  Abtei  und  ihre  Souveränität  bestätigen.  Er 
fUgte  hinzu,  dass  er  dem  Kloster  alle  diejenigen  Garantien 
der  Sicherheit  gewähre,  die  nur  irgend  eines  von  seinen  Vor- 
fahren empfangen  habe,  und  bemerkte  auBdrttcklich,  dass  man 
in  der  Wahl,  Ordination  und  Weihe  des  Abtes  dem  Brauch 
zu  folgen  habe,  der  in  dem  berlihmtesteA  aller  Klöster,  dem 
Quell  alles  mönchischen  Lebens,  in  Cluni,  bewahrt  und  beob- 
achtet werde.^)  Endlich  schickte  Herzog  Richard,  der  von  dem 
hohen  Glerus  des  Landes  seiner  mönchisichen  Neigungen  und 
jseiner  Übermässigen  Begünstigung  F^camps  wegen  nicht  nur 
angegriffen,  sondern  sogar  mit  dem  Bann  bedroht  wurde,  den 
Abt  von  Ficamp  mit  Geschenken  nach  Rom.  Doch  muss  der 
Herzog  durch  seinen  Boten  etwas  verlangt  haben,  was  der 
Papst  augenblicklich  nicht  erfüllen  konnte:  vielleicht  ein  offe- 
nes Vorgehen  gegen  den  rebellischen  Clerus,  das  Benedict  VUL 
aus  Politik  ablehnen  musste.  Einstweilen  durfte  sich  Richard  IL 
..damit  begnügen,  dass  der  Papst  den  Schutz  des  römischen 


>)  Liber  de  revel.  c.  22. 

«)  V.Wüh.  c.  15. 

»)  Liber  de  revel.  c.  25. 

*)  Urk.  V.  30.  Mai  1006  (HF  X,  587):  In  abbatis  autem  dectione,  ordi- 
natione  Hve  consuettidine  iüa  apud  ipsos  consuetudo  seqtuäur,  quae  hae- 
tenua  in  Cluniaco  coenobionan  aervata  est  iUustriasimo,  unde  fons  sanctae 
monaaticae  religionis  per  tntdta  iam  longe  lateque  derivatua  hca,  ad  hunc 
usque  Deo  profluxit  propitio.  —  Die  Freiheit  von  weltlicher  Gewalt  wird 
besondere  betont  in  einer  undatierten  Urk.  Herzog  Wilhelms  11,  Monast 
Angl.  II,  97 1 .  Vgl.  Liber  de  revel.  c.  25. 


47 

Stuhles  über  ihn  and  die  Stiftang  seines  Vaters  aassprach  und 
streng  verbot,  dass  ein  Bisehof  den  Kirchenbann  über  ihn  ver- 
hänge, bevor  die  Sache  vor  der  römischen  Curie  zar  Verhand- 
lung gekommen  sei :  sonst  solle  jede  derartige  Strafe  wirkungs- 
los bleiben.  Wilhelm  von  Dijon  kehrte  mit  den  Privilegien  an 
den  normannischen  Hof  zurück  und  berichtete,  was  ihm  Bene- 
dict mündlich  zu  seiner  Entschuldigung  anvertraut  hatte:  aus- 
drücklich stellte  aber  der  Papst  die  Freiheit  Clunis  als  Muster 
hin  für  die  rechtliche  Stellung  der  nordfranzösischen  Abtei,  i) 
Unter  der  Wirksamkeit  Wilhelms  wuchs  der  Buf  des 
Klosters  in  ungeahntem  Masse.  Der  Herzog  selbst  stellte  die 
von  seiner  Oemahlin  Judith  2)  gegründete  Abtei  Bemai  unter 
die  Herrschaft  des  Abtes  von  F6camp.')  Männer  vornehmen 
Standes,  Gleriker  und  Laien,  beugten  sich  unter  dem  Krumm- 
stab desselben.  Ein  Bischof  Osmund^)  nahm  hier  die  Kutte,^) 
zwei  französische  Hofgeistliche  Tecelin  und  Berengar  fanden 
in  Fäcamp  eine  Zuflucht,  ebenso  ein  vornehmer  Angelsachse 
von  königlichem  Blute,  namens  Clemens,  der  schliesslich  nach 
Dijon  übersiedelte,  um  den  häufigen  Besuchen  seiner  Lands- 
leute in  Föcamp  zu  entgehen.^) 

*)  Liber  de  revel.  c.  25  und  in  Verbindung  damit  eine  Urk.  Bene- 
dicts yill.  V.  25.  Dec.  1016  fttr  Riebard  IL  bei  Pflugk-Harttung,  Acta  pont. 
Born.  ined.  1, 10  nr.  18  (J.-L.  4015),  wo  der  Name  Wilhelms  nicht  genannt 
ist,  aber  aus  den  Worten:  quia  carus  est  tarn  tibi  qwim  noki»  et  fidelis 
nuntiuSf  quem  direocisti  unschwer  zu  ermitteln.  Eine  Urkunde  für  F^camp 
aus  dieser  Zeit  ist  nicht  erhalten. 

>)  Order.  Vit  II,  9;  Cbron.  de  Robert  de  Torigni  zu  1017,  ed.  Delisle 
I,  82;  Monast  Angl.  U,  949. 

*)  Seit  dem  August  1025  ist  Wilhelm  hier  nachzuweisen,  Mabillon, 
Ann.  Ben.  IV,  286. 

*)  Ghron.  S.  Benigni  ed.  Bougaud  p.  156.  157;  Necrol.  S.  Benign!  bei 
Mottt^Btacon,  Bibl.  manuscr.  11, 1160  IT.:  IL  Non.  ItU.  obiit  Osmimdus  epi- 
9Copu8;  Necrol.  S.  Germani  Paris.:  IL  Non,  Itd.  Ob.  Oamundus  episcapw 
piae  memoriae,  aanetae  Trinitatis  monachus;  vgl.  A.  Longnon,  Notice  snr 
le  plus  ancien  obituaire  de  Fabbaye  de  Samt-Germain  des  Pr^s  in  Notices 
et  docum.  publ.  pour  la  soci^t^  de  France,  Paris  1884,  p.  80.  Osmund  ward 
auch  in  F6camp  begraben,  Turner,  Account  of  a  tonr  in  Normandy  I 
(London  1820),  p.  65. 

*)  Man  dachte  an  0.  v.  Salesbury,  mit  Unrecht,  da  dieser  erst  1078 
bis  1099  regiert,  also  zu  einer  Zeit,  als  die  Chronik  von  St-B^nigne  schon 
längst  geschrieben  war. 

^)  Ghron.  S.  Benigni  p.  157. 


48 

Von  Fäcamp  aus  rttekte  aber  anob  die  Scbnle  Wilbelms 
von  Dijon  in  alle  andern  normänniseben  Klöster  ein.  Ein  neuer 
Zug  sebien  mit  Wilhelm  in  die  Reformbewegang  dieser  (rebiete 
gekommen  zu  sein. 

In  Mont-Saint-Micbel  batte  bis  zam  16.  April  991  Mainard 
seines  Amtes  segensreich  gewaltet;  i)  ibm  folgte  sein  gleich- 
namiger Neffe  mit  neaen  Mönchen  ,2)  um  sich  mit  Erfolg  dem 
Wiedererwerb  der  früher  dem  Kloster  gehörigen  Güter  zn 
widmen.^)  Auf  Richards  II.  Rat  wählte  er  vor  seinem  Tode 
1009  *)  Hildebert  zum  Abt,  unter  dessen  Amtsführung  die  Auf- 
findung des  hL  Autbert  erfolgte.^)  Als  er  am  7.  Januar  1017^) 
das  Zeitliche  segnete,  folgte  ein  zweiter  Hildebert,  der  die 
Abtei  bis  zum  30.  September  1028  ^)  leitete.  Spätestens  in  die- 
sem Jahre,  wenn  nicht  yielleicht  viel  früher,  trat  der  Einflnss 
Wilhelms  ein.  Jetzt  erhielt  nämlich  der  Mönch  Suppo  von 
Fruttnaria  die  Abtei  St-Michel,^)  sicherlich  auf  Veranlassung 
Wilhelms,  während  der  Herzog  kurz  vor  seinem  Tode  die  Be- 
sitzungen und  Rechte  des  Klosters  von  neuem  bestätigte  und 
erweiterte,  indem  er  dem  Abte  ausser  zwei  abhängigen  Stif- 
tern Stadtrechte  in  dem  Flecken  des  hl.  Michael  und  für  die 
Weihe  Freiheit  in  der  Wahl  des  Bischofs  gewährte.^)    Aber 


*)  De  abb.  S.  Mich.  991 ;  der  Todestag  im  Obituarium  S.  Mich.,  HF 
XXIII,  577. 

')  Introd.  monach.  a.  a.  0.  p.  879. 

>)  Vgl  BibL  uat,  Coli.  Moreau  XVI,  64. 

*)  HF  XXm,  579. 

')  Introductio  monach.  a.  a.  0.  p.  884  ff. 

^)  Obit.  S. Mich.  a.a.O.;  Indiculus  abbatum  S.  Mich,  ebenda  p. 575: 
VIIL  Id,  lan, 

7)  Indic  abb.  a.  a.  0. :  IL  Kai  Oct. 

*)  Ghron.  S.  Ben.  p.  158:  Commisit  et  alia  loca  memarattis  comea  Ri- 
chardu8  sepefato  abbati  WUhelmo  . . .  Montem  8,  Michaelia  etc.  Da  von 
Wilhelms  Thätigkeit  sonst  nichts  zu  erkennen  ist,  so  ist  anzunehmen,  dass 
er  seinen  Schüler  Suppo  nach  Mont-Saint-Michel  schickte.  De  abb.  S.  Mich. 
1026  heisst  es:  Eodem  anno  Suppo  ahbas  Fructuatiensis  atisctpit  donum 
abhatiae  S.  Michaelis;  ebenso  Bobert  de  Torigni  SS.  VI,  515  und  Delisle 
I,  358  zu  1 165:  Praedictcts  reliquias  ...  Suppo  abbas  Montis  a  monasterio 
sancti  Benigni  Fntctuarienais,  ttbi  priua  fuerat  abbaa,  et  prece  et  precio 
ad  monasterium  S,  Michaelis  adportavit.  Abt  von  Fruttuaria  wurde  er 
jedoch  erst  später. 

^)  Die  Urkunde,  ohne  Datum  bei  Mabillon,  Ann.  Ben,  IV,  app.  p.651 


49 

offenbar  gelang  es  Suppo  nieht,  festen  Fuss  zu  fassen.^)  Der 
Gegensatz  nnd  Hass,  der  zwischen  Normannen  nnd  Italienern 
zar  Zeit  bestand,^)  nicht  minder  aber  der  Umstand  überhaupt, 
dass  den  Mönchen,  die  anf  ihr  freies  Wahlrecht- stolz  waren, 
ein  fremder  Abt  anfgedmngen  ward,  erregten  den  Widerstand 
der  Mönche  gegen  Snppo,  der  abgewiesen  wurde.  An  seiner 
Stelle  walteten  nun  zwei  Aebte,  Almodus^),  der  später  Abt  von 
Görisy  wurde,  und  Theoderich  von  Jumiöges.  Endlich  fand  im 
Jahre  1033  auf  Veranlassung  Johanns  von  F^camp  doch  die 
Ordination  Suppos  statt;  aber  trotz  seiner  Freigebigkeit  gegen 
das  Kloster  vermochte  er  den  Widerwillen  der  Brttder  nicht 
zu  brechen^)  und  kehrte  1048^)  nach  seiner  Heimat  zurück, 


verüffentlicht  Die  Unterschriften  ftthrenjedoch  auf  1026;  Br^uigny,  Table 
chronol.  I,  547  setzt  sie  c.  1023. 

^)  De  abb.  S.  Mich.  1023:  Et  dum  laboraret  (seil.  Suppo)  in  renuiv- 
ciatione  Fructuarensis  monasterii  et  in  adeptione  integra  Montis  duo  abba- 
tes  rexerunt  abhatiam  S.  MichadiSj  videlicet  Älmodua  abbas  Caesarii,  alter 
Theodericus  abbas  Oemeticensis.  Danach  scheint  Suppo  gar  nicht  nach 
Mont-Saint- Michel  gekommen  zu  sein;  auch  das  Ghron.  S.  Ben.  weiss  von 
einem  ersten  Versuche  nichts.  In  der  Abtliste  bei  Detisle,  Robert  de 
Torigni  II,  198  n.4  ist  Suppo  hinter  Almodua  und  Theodericus  genannt. 
Die  gleichzeitige  Leitung  zweier  Aebte  bestätigt  auch  der  Indic.  abb.  in 
HF  XXin,  575,  wo  zu  Älmodus  nnd  Theodericus  bemerkt  ist:  XVI.  Kai 
lun.  Üebrigens  war  Almodus  damals  noch  nicht  Abt  von  C^risy.  Ann. 
S.  Mich,  zu  1028:  Eodem  anno  abbas  Suppo  suscepit  hanc  abbatiam.  Nach 
Delisle's  Angabe  steht  Suppo  im  Original  auf  Rasur. 

*)  Vgl  darüber  den  Brief  Johannes'  von  F^camp  an  l^o  IX.  bei  Ma- 
billon,  Ann.  Ben.  IV,  477. 

')  Er  begegnet  als  Abt  in  einer  Urkunde  des  Herzogs  Alanus  von 
Bretagne  von  1082,  MabÜlon,  Ann.  Ben.  IV,  app.  p.  669.  In  den  Ann. 
S.  Mich,  ist  sein  Name  zu  1030,  der  Theoderichs  zu  1031  nachträglich  zu- 
gefügt worden. 

*)  Ann.  S.Mich.  1083:  Ordinatus  est  abbas  septimus  Suppo  huius  loci; 
De  abb.  1038:  Ordinatus  fuit  Suppo  abbas j  muUa  bona  contulit  abbatiae  et 
propter  odium  monaehorum  recessit  et  reversus  est  ad  solum  proprium; 
Ghron.  S.  Ben.  p.  159. 

B)  Ann.  S.  Mich.  1048;  De  abbat.  1048;  Ghron.  S.  Ben.  a.a.O.  Sein 
Todestag  war  der  4.  November  nach  dem  Necrol.  S.  Benign!  bei  Mont- 
&ucon  a.  a.  0.  Für  sein  Verhältnis  zu  den  Mönchen  ist  bezeichnend  eine 
Urkunde  Herzog  Wilhelms  n.  im  Gart,  de  Mont-Saint-Michel  (God.  Paris, 
lat  5430^,  p.  10):  Suppo  abbas  istius  loci  contra  ius  fasque  mokndinum 
dedit  Bamnutfo  monetario,  monachis  id  contradicentibus  una- 
nimi  consilio. 

Sftokur,  Cluniaoenaar.    II.  4 


50 

wo  er  Frnttnaria  noch  Jahre  lang  leitete.  Unter  ihm  kam 
jedoch  1039  das  Kloster  des  hLVicturius  bei  Le  Mans  durch 
einen  Kriegsmann  Reginald  und  seine  Gemahlin  Hersinde  an 
die  normannische  Abtei  mit  der  Bestimmung,  dass  dort  Mönche 
angesiedelt  werden  sollten.  >) 

Wie  Mont- Saint- Michel  ging  St.-Oaen  von  der  Richtung 
Gerards  von  Brogne  zur  Schule  Wilhelms  von  Dijon  über: 
jedenfalls  ein  Schaler  desselben  war  jener  Hildebert,  der  aus- 
drücklich als  Bestaurator  des  Klosters  bezeichnet  wird  und 
1006   das   Zeitliche   segnete.^)     Um   dieselbe   Zeit  bestätigte 

/  Bichard  II,  der  sich  auch  sonst  freigebig  zeigtc/O  die  Be- 
sitzungen des  Stiftes.^)  Von  St-Ouen  drangen  die  duniacen- 
sischen  Einrichtungen  in  andere  normannische  Abteien.  So 
ward  ein  deutscher  Mönch  von  St-Ouen,  Isembert,  Abt  von 
St-Triniti  de  Ronen,  einem  Kloster,  das  Graf  Goscelin  und  seine 
Gemahlin  Emmeline  1030  gegründet  hatten;^)  und  zwei  Jahre 
später  wurde  durch  den  Mönch  Durandus  die  Abtei  Cirisy  im 
Sprengel  von  Bayeux  wiederhergestellt.  Herzog  Bobert  sprach 
das  Kloster  von  weltlicher  und  geistlicher  Herrschaft  frei,  nicht 
ohne  reiche  Schenkungen  zu  spenden,*)  die  sein  Nachfolger 
noch  vermehrte.'')    Zu  Herzog  Wilhelms  Zeit  erfolgte  schliess- 

j  lieh  die  Beform  von  La  Croix  St -Laufroy  ebenfalls  durch 
Mönche  von  St-Ouen.^) 

In  Jumiöges,  dem  alten  Kloster  in  der  Nähe  der  Sdne- 
mttndung,  setzte  Wilhelm  ebenfalls  einen  seiner  SehOler,  den 
Prior  von  Fäeamp,  Theoderich,  zum  Abt*)   Er  kam  aus  Dijon 

>)  Oallia  Christ.  X,  instr.  coL  106. 

*)  Ann.  S.  Mich.  1006;  De  immut.  ord.  monach.  a.&.0.  p.  198;  Chron. 
Rothomag.  1006.  Das  Chron.  S.  Ben.  p.  158  führt  unter  don  von  Richard 
zur  Reform  ttborgebenen  Klöstern  das  obengenannte  auf, 

»)  Coli.  Moreau  XVI,  51;  XYIU,  29. 

*)  Br^quigny,  Table  chronol.  I,  515. 

*)  Oallia  Christ.  X,  instr.  col.  9.  lieber  die  Gründe,  welche  uns  be- 
stimmen die  Angaben  Hugos  von  Flavigny  zu  übergehen,  s.  Sackur, 
Richard,  Abt  von  St.-Vannes,  Bresl.  Diss.  1886,  Excurs. 

«)  Urk.  V.  12.  Nov.  1032  im  Monast.  Anglic.  II,  958;  vgl.  p.949;  Mab., 
Ann.  Ben.  IV,  331.  Ueber  C^risy  vgl  P.  de  Farcy,  Abbayes  de  Pevech^ 
de  Bayeux  I,  l.fasc.  (1887),  p.  1.  77. 

7)  Urk.  V.  20.  April  1 042,  Br^quigny  II,  26. 

^)  De  immut  ord.  monach.  p.  197. 

^)  J.  Loth,  Bist,  de  Tabbaye  royale  de  St -Pierre  de  Jumieges  I 


51 

und  leitete  zu  einer  Zeit  die  drei  Abteien  Jumiöges,  Bernai 
und  Mont-St.-Miehel.i)  In  dem  zuerst  genannten  Kloster  ward 
er  1017  Abt.*)  Wir  wissen  sonst  über  ihn  nicht  viel*):  mit 
Abt  Lednin  von  St.-Vaast  in  der  Diöeese  Cambrai  trat  er  1024 
in  Verbindung,  als  er  ihm  zu  Ronen  gegen  Anglieourt  die  Gelle 
Hasprä  abtrat^)  und  mit  dem  Abte  Albert  von  St.-Mesmin  bei 
Orleans  unterhielt  er  Beziehungen.^)  Unsicher  ist  das  Jahr 
seines  Ablebens.  Während  in  einem  Placitum  vom  Sommer 
1027  ein  Abt  Wilhelm  von  Jumiöges  begegnet,<')  ist  Theoderich 
wiederum  im  Jahre  1030  urkundlich  nachweisbar,'')  so  dass 
man  zweifeln  kann,  ob  Fehler  in  den  Daten  vorliegen,  oder 
ob  der  Abt  Wilhelm  etwa  der  Abt  von  Dijon  ist^)  oder  ob  die 
Urkunde  von  1030  zwar  zu  Theoderiehs  Licbzeiten  aufgesetzt, 
aber  erst  später  vollzogen  wurde.^) 

Als  Abt  Wilhelm  etwa  Anfang  1029  sich  nach  seinem 
Heimatlande  zurückzog,  wählte  er  auf  Ansuchen  des  Herzogs 
Bobert  den  bish^gen  Prior  Johannes  von  Föcamp  zum  Abt 
dieses  Klosters.  Er  war  ein  Landsmann  Wilhelms,  ein  Ra- 
vennate,  literarisch  wie  medicinisch  gebildet,  letzteres  auf  Ver- 
anlassung Wilhelms  selbst,  der  ihn  mit  besonderer  Liebe  in 
Dijon  erzogen  und  gefördert  hatte.^^)  Der  reiche  Kranz  von 
Tugenden,   der  ihn  schmückte,   forderte   die  Achtung  seiner 


(Ronen  1882),  142  set^t  Wilhelms  Reform  bereits  an  den  Anfang  des  Jahr- 
hunderts unter  Abt  Bobert  Dessen  Tod  und  Theoderichs  Auftreten  wird 
p.  145  auf  nach  1014  verlegt. 

1)  Chron.  Gemmet.  in  HF  X,  322. . 

>)  Chron.  Normann.,  HF  X,  322. 

')  Wenn  Loth  p.  146  sagt,  dass  er  aus  Perche  stammte  und  zwar 
aus  dem  Hause  Montgommery,  so  ist  das  nirgend  belegt. 

*)  Urk.  y.  13.  Jan.  1024  bei  Miraeus,  Opp.  dipl.  I,  265;   Gesta  episc. 
Camerac.  U,  c.  29,  SS.  VII,  461. 

^)  Vgl.  die  Urkunde  bei  Migne  1 139,  585. 

")  Es  ist  zwischen  14.  Mai  und  6.  August  1027  abgefasst,  Mabillon, 
Ann.  S.  Ben.  IV,  332;  HF  X,  614. 

7)  Gallia  Christ.  X,  instr.  10. 

")  Was  das  Wahrscheinlichere  wäre. 

•)  Wie  Loth  p.154  will. 

^^)  Chron.  S.Ben,  p.  157.  158.  Die  letzten  Notizen  aus  einem  Briefe 
des  Abtes  Warinus  von  St.  Arnulf  an  Johannes  von  F6camp  bei  MabiUou, 
Vetera  Annal.  1723,  p.452:  Wühelmus  ...  vos  unica  caritate  inter  ceteros 
nutrivitf  dilexitf  promovitf  honoravit, 

4* 


52 

Zeitgenossen  am  so  mehr  henror,  je  mehr  sie  geneigt  waren, 
über  seine  kleine  Figar,  die  ihm  nach  italienischer  Art  den 
Namen  Johannelinas  einbrachte,  za  spotten.  <)  Unter  ihm  machte 
die  Congregation  von  F^eamp  weitere  Fortschritte.  So  refor- 
mierte er  die  verfallene  Abtei  Blangy  im  Sprengel  von  Th6- 
ronanne  auf  Veranlassung  des  Grafen  Roger  von  St-Paal  und 
seiner  Gemahlin  Hadvis,  indem  er  einen  seiner  Mönche  als 
Abt  einsetzte  und  seiner  Abtei  anch  flir  die  Zukunft  dieses 
Recht  sicherte.^)  Nur  wenige  Jahre  später,  1035,  kam  das 
Kloster  des  hl.  Taurinus  zu  Evreux  an  F^camp,  welches  daftlr 
Yilliers  abgab,  das  dem  Herzoge  fttr  eine  Nonnenabtei  geeig- 
net schien.  Mit  vieler  Mühe  hatte  er  Johannes  zu  dem  Tausch 
bewogen,')  wie  dieser  überhaupt  mit  Zähigkeit  die  alten  Rechte 
seines  Klosters  verteidigte.  So  gab  er  auch  nur  ungern  und 
sicher  aus  Furcht  vor  Wilhelm  dem  Eroberer  nach,  als  dieser 
ohne  Befragen  des  Leiters  von  F^camp  den  Abt  von  Bemai, 
Vitalls,  nach  Westminster  in  die  gleiche  Stellung  berief  und 
dessen  leiblichen  Bruder  Osbern  in  dem  normannischen  Kloster 
nachrücken  liess.^)  Aus  einer  angesehenen  und  segensreichen 
Stellung  riss  den  Schttler  und  Nachfolger  Wilhelms  von  Dijon 
der  Tod  am  22.  Februar  1078.^) 


^)  lieber  diesen  Johannes  haben  wir  ein  satirisches  Gedicht,  angeb- 
lich Fulberts  von  Chartres,  bei  Du  M6ril,  Po^sies  lat  ant^r.  au  XII.  siede 
p.  189  ff.  und  Jaff(§,  Die  Cambridger  Lieder,  Berlin  1869,  p.  21,  nr.  XI.  Dass 
er  gemeint  ist,  sieht  man  aus  verschiedenen  Anspielungen.  So  heisst  es: 
lohanneSj  abba  parvulus  staturüy  non  virtutibuSf  sagt  einem  Genossen, 
qtu>cum  erat  in  heremo  (Joh.  v.  F6c.  war  Ravennate!),  er  wolle  wie  ein 
Engel  in  der  Wüste  leben  etc.  Dann:  Miraiwr  codi  cardinea,  ultra  non 
curat  ho  min  68.    Joh.  v.  F6c.  war  mediciniseh  gebildet  1 

>)  Die  Urkunde  bei  Mabillon,  Ann.  S.  Ben.  IV,  350,  wo  die  Reform 
ins  Jahr  1032  gesetzt  wird;  Miraeus,  Opp.  dipl.  II,  1130  und  Waaters,  Table 
chronol.  I,  471  setzten  sie  1031. 

')  Hist  civile  et  6ccles.  du  comt^  d'Evreux,  Paris  1722,  pr.  1.  Die 
Aebte,  welche  der  Abtei  später  vorstanden,  waren  sämtlich  MOnche  von 
F6camp;  vgl.  De  immut.  ord.  mon.  p.  105. 

*)  S.  den  darauf  bezüglichen  Briefwechsel  bei  Mabillon,  Veten  Anal 
p.  450.  451. 

^)  Chron.  Fiscamn.  1078;  Necrol.  S.  Germani  bei  Bouillart,  Hist.  de 
l'abbaye  de  St-Germain-des-Pr^  pr.  CX:  VIII.  KaL  Mart,,  ebenso  Necrol. 
S.  Benigni  bei  Montfaucon.  Ein  Verzeichnis  der  unter  ihm  in  F6camp 
vorgenommenen  Weihen  bei  Mabillon,  Ann.  S.  Ben.  IV,  app.  p.  668.  lieber 


53 

Um  dieselbe  Zeit  oder  wenig  später,  als  Johanses  seine 
selbständige  Wirksamkeit  in  F^camp  begann ,  gelang  es  einem 
lothringischen  Reformator,  ttber  den  wir  an  anderer  Stelle  aus* 
ftthrlicher  zu  berichten  haben,  in  der  Normandie  einigen  Ein- 
finss  zu  gewinnen.  Es  war  Riehard,  der  Abt  von  St.-Vannes 
bei  Verdun.  Zu  jeder  Zeit  bestrebt,  im  Interesse  des  Friedens 
zu  wirken,  stets  bemttht,  zwischen  den  in  endlosen  Fehden 
verwickelten  Grossen  zu  y ermitteln, i)  griff  er  anch  in  Gemein- 
schaft mit  dem  Verdaner  Chorherm  Ermenfried  in  die  nor- 
mannischen Verhältnisse  ein  zu  einer  Zeit,  als  unter  Robert 
dem  Teufel  ein  heftiger  Kampf  zwischen  dem  Herzoge  und 
dem  normannischen  Adel  das  Land  schwer  schädigte.  Seine 
Bemühungen  waren  —  wie  es  heisst^)  —  auch  von  Erfolg 
begleitet;  und  da  mit  seiner  Hilfe  der  Haupträdelsftlhrer  wenig- 
stens zeitweise  unschädlich  gemacht  wurde,  so  blieb  ihm  der 
Herzog  dankbar  und  anhänglich  gesinnt.  Sein  Rat  soll  darum 
am  Fttrstenhofe  massgebend  gewesen  und  unter  Wilhelm  H. 
auch  der  Kirche  von  Ronen  fruchtbar  geworden  sein,  wo  er 
im  Auftrage  des  Herzogs  kirchliche  Ordnungsgeschäfte  ttber- 
nahm.  Noch  Hugo  von  Flavigny  hatte  augenscheinlich  Be- 
weise dafür  und  erwähnt  namentlich  ein  Buch,  das  seine 
Institutionen  enthielt  und  hinter  dem  Hauptaltar  zu  Ronen 
in  Ketten  aufbewahrt  wurde.^)  Indes  sehe  ich  nicht,  dass 
Richard  in  der  Reform  normannischer  Klöster  thätig  gewesen 
wäre.  Nur  in  einem  Falle  ist  eine  Verbindung  seiner  Schule 
mit  der  von  Dijon  hier  nachzuweisen.^) 

Und  doch  erhob  sich  unter  Herzog  Wilhelm  Kloster  auf 
Kloster.  Er  selbst  grttndete  mit  seiner  Gemahlin  zwei  Klöster 
in  Gaen,  während  die  normannischen  Barone  sich  beeiferten, 
ihre  Fürsten  nachzuahmen,  und  in  religiösen  Bestrebungen 
sich  gegenseitig  ttberboten.  Man  setzte  sich  dem  Spott  der  Ge- 


den  Aufenthalt  des  späteren  Erzbischofs  von  Rouen  Maurilius  in  Föoamp 
vgl.  Ord.  Vital.  II,  871j  Chron.  S.  Stephan!  Codom.  1067. 

1)  Vgl.  Richard  von  St.-Vannes  S.  60  ff. 

*)  Der  einzige  Gewährsmann  ist  Hngo  von  Flavigny,  und  das  nOtigt 
uns,  das  Folgende  mit  allem  Vorbehalt  wiederzugeben. 

«)  Hugo  Flav.  II,  c.  30. 

*)  Der  erste  Abt  von  St.-£yroal,  Theoderich,  ist  auch  sein  Schüler 
gewesen,  Ordericns  Vitalis  ed.  Provost  II,  68. 


54 

nossen  aas,  wenn  man  nicht  Cleriker  oder  Mönehe  auf  eigenem 
Grund  und  Boden  unterhielt. i)  In  der  Absehiedsrede,  die  er 
im  Jahre  1087  seinen  Getreuen  hielt,  zog  der  König  von  Eng- 
land die  Summe  der  auf  Hebung  des  Klosterwesens  gerich- 
teten Thätigkeit  der  normannischen  Herzöge.  Wir  erfahren 
hier,  dass  bis  auf  ihn  neun  Mönchs-  und  ein  Frauenkloster 
der  herzoglichen  Familie  ihre  Entstehung  verdankten,  unter 
seiner  Herrschaft  aber  nicht  weniger  als  siebzehn  Mönohsstifter 
und  sechs  Nonnenabteien  errichtet  wurden.^)  Namentlich  der 
Adel  hatte  sich  in  ungeahnter  Weise  in  diese  mönchischen 
Ideen  eingelebt  und  in  seinen  Städten  und  Burgen  in  zahl- 
losen Fällen  aus  den  von  Di  Jon  aus  reformierten  Klöstern,  ja 
selbst  aus  Gluni  und  Fleury,  Mönche  angesiedelt  Bedenkt 
man,  wie  gerade  diese  Verschlingung  kriegerischer  und  geist- 
licher Elemente  das  Rittertum  der  Normannen  kennzeichnete, 
zu  grossen  Unternehmungen,  wie  der  Eroberung  Englands, 
und  zu  Zügen  gegen  die  Ungläubigen  anfeuerte,  so  wird  man 
den  Aufschwung  dieser  religiösen  Begeisterung  auf  die  Männer 
zurückzuführen  haben,  die  das  Feuer  kirchlichen  Eifers  zuerst 
in  die  Kreise  des  seiner  Roheit  wegen  gefürchteten  Normannen- 
adels hineintrugen. 

Bretagne. 

In  der  Bretagne  hatte  sich  im  zehnten  Jahrhundert  Conan  I, 
der  Graf  von  Rennes,  zum  Landesherm  über  die  übrigen  Grafen 
emporgeschwungen;  er  hinterüess  bei  seinem  Tode  die  Herr- 
schaft gesichert  seinem  Sohne  Gaufred,  der  die  Stellung,  [die 
sein  Vater  erworben  hatte,  in  seinem  Hause  durch  ein  kräf- 
tiges und  kriegerisches  Regiment  befestigte.^)  Seine  Regie- 
rung war  auch  ft[r  die  brötagnischen  Abteien  eine  Zeit  der 
Wiederbelebung;  so  wie  alle  andern  TerritorialftLrsten  um  die 
Wende  des  elften  Jahrhunderts  konnten  sich  auch  die  Grafen 
und  Herzöge  der  nordwestlichen  Gebiete  Frankreichs  den  For- 
derungen der  kirchlichen  Kreise  nicht  länger  entziehen.  Von 
den  Mönchen  hatten  sich  einige  vor  den  Dänen  in  sicherer 


»)  Order.  Vit.  II,  12. 
«)  Order.  Vit  III,  241 . 

3)  Villeneuve,  Cartul.  de  l'abbaye  de  St.-Georges  de  Rennes,  Mem. 
de  la  sociale  arch^ol.  du  d^part  dllle  et  Vilaine  IX  (1875),  p.  144. 


55 

gelegene  Landesteile  geflüchtet,  wie  die  Brüder  von  Loch- 
menech^)  nnd  Si-Gildas,  die  unter  ihren  Achten  Taneth  nnd 
Dajocus  nach  dem  Sprengel  Bonrges  ühersiedelt  waren,  wo, 
wie  wir  bereits  sahen ,  kirchlicher  Sinn  zuerst  sich  wieder  her- 
vorgewagt  und  wo  Ebbe  von  D^ols,  der  Gründer  einer  der 
ersten  Beformabteien,  ihnen  eine  Zuflucht  eröffnet  hatte.  Sie 
kehrten  später^)  in  die  Heimat  zurück,  die  sie  sich  unter 
Kämpfen  zurückerobern  mussten.  Endlich  versuchte  man  auch 
hier  an  die  duniacensische  Bewegung  anzuknüpfen.  Herzog 
Gaufred  selbst  sandte  im  Jahre  1008  zum  Abte  von  Fleury 
und  bat  um  einen  Mönch,  der  die  genannten  Klöster  wieder- 
herstelle und  reformiere.  Es  war  Felix,  der  sich  nach  der 
Bretagne  begab.  Aber  ehe  man  noch  ans  Werk  gehen  konnte, 
starb  der  Herzog  auf  der  Rückreise  von  einer  Bomfahrt^) 
Zwar  hatte  er  den  Mönch  von  Fleury  seiner  Gemahlin  und 
besonders  seinem  Bruder,  dem  Bischöfe  Judicael  von  Vannes, 
in  dessen  Diöcese  die  Klöster  lagen,  empfohlen.  Felix  wäre 
jedoch  heimgekehrt,  wenn  nicht  Hadwidis  und  ihr  Schwager  ihn 
durch  dringende  Bitten  zurückgehalten  hätten.  So  ging  die 
Wiederherstellung  der  verlassenen  und  verödeten  Stifter  vor 
sich;  man  erneuerte  Kirchen  und  Schulgebäude,  pflanzte  Wein 
an  und  Obstbäume.  Da  verleideten  die  Unruhen,  die  nach 
Gaufreds  Tode  ausgebrochen  waren ,^)  Felix  den  Aufenthalt; 
er  sehnte  sich  nach  der  Heimat  In  der  That  rief  ihn  Gauzlin 
zurück,  aber  er  zwang  ihn  das  übernommene  Amt  weiter 
durchzufahren,  weihte  ihn  am  4.  Juli  zum  Abt  und  empfahl 
ihn  den  Baronen  der  Bretagne  und  dem  Diöcesanbischofe. 
Seinen  Wohnsitz  schlug  Felix  auf  den  Rat  des  Herzogs  Alanus 
und  des  Bischofs  in  dem  durch  Alter,  Fruchtbarkeit  der  Län- 
dereien ausgezeichneten,  an  Getreide,  Wein,  Obst  und  Fischen 
reicheren  Kloster  St.-Gildas  auf.    Er  starb  am  4.  März  lOSS.*^) 

»)  Für  das  Folgende  vgl.  V.  S.  Gildae  c.32— 38j  Chron.  Ryenso,  HF 
X,  320;  V.  Gauzlini  I,  c.  24. 

*)  Sie  Schemen  938  nicht  mehr  in  D^ols  gewesen  zu  sein,  vgl.  J.-L. 
nr.  3603,  N.  Arch.  XI,  380. 

')  Cartul.  de  Redon  ed.  Courson  nr.  296. 

*)  Vgl.  Urkunde  Alanus  III.  für  St.-M6en  von  1008  bei  A.  de  la  Bro- 
derie,  Kecueil  d'actes  inödits  des  ducs  de  Bretagne,  Bennes  1888,  nr.  1, 
p. 3;  Villeneuve  a.a.O.  p.  147;  H.  Martin,  Hist.  de  France  III,  72. 

«)  Gallia  Chr.  XIV,  060. 


56  . 

Damit  war  die  Einwirkung  der  Reformmönehe  auf  die 
Klöster  der  Bretagne  nicht  erschöpft.  So  erblühte  ia  der 
Abtei  Redon  in  den  neunziger  Jahren  des  zehnten  Jahrhun- 
derts, wie  es  seheint,  neues  Lieben  mit  den  Achten  Mainard  und 
Catwallo,  von  denen  der  zweite  ein  Bruder  des  Grafen  Gau- 
fred war.i)  Beteiligt  war  auch  hier  ein  floriacensischer  Mönch, 
Teudo,  an  der  Reform.^)  Gründungen  folgten  auf  Gründungen. 
Ist  auch  cluniacensischer  Einfluss  nicht  immer  erkennbar,  so 
schufen  und  erwarben  doch  die  Abteien  Mont-Saint-Michel  3), 
St-Fleurent  de  Saumur^),  Marmoutier^)  und  St- Julien  <^)  von 
Tours  mehrfach  Priorate  und  Kirchen  seitens  des  reformfreund- 
lichen Herzogs,  der  auch  normannische  Klöster,  wie  Mont- 
Saint-MicheP),  neben  Marmoutier  gern  unterstützte.  Von  den 
verschiedensten  Seiten  drang  das  Cluniacensertum  in  das  Land 
und  wirkte  zweifellos  nicht  unbeträchtlich  auf  die  Hebung 
religiösen  Sinnes.  Durch  unsichtbare  Leitungen  pflanzte  sich  eine 
Bewegung  fort,  die  auch  in  zahlreichen,  anscheinend  selbständi- 
gen Stiftungen  erkenntlich  wurde.  So  erhoben  sich  ausser  den 
schon  genannten  Dependenzen  Turoner  Abteien  Klosteranlagen 
des  Herzogs  und  des  hohen  Adels,  wie:  Saint-M^en  9),  Cellier**)), 
Saint-Gildas-des-Bois  1*»),  Quiberon^i),  Quimperl^'^),  St-Georges 

0  Vgl.  Cartul.  de  Kodon  ed.  Coiirsou. 

')  V.  Gauzlini  I,  c.  24.  Abt  ist  aber  Teudo  anscheinend  nicht  ge- 
wesen, wie  aus  dem  Cartul.  de  Redon  nr.  296  hervorgeht,  wo  auf  Mainard 
sogleich  CatwaUo  folgt,  der  nach  proL  GCCXCIII  noch  ca.  1050  nachweis- 
bar ist 

°)  Diese  schon  z.  Z.  Conans  I.  990  unter  Abt  Mainard  nach  dem 
Cartul.  de  St.-Michel,  Bibl.  nat.  5430  a,  p.47. 

*)  De  la  Broderie  nr.  2,  p.  6.    Es  ist  das  Priorat  Livr6. 

^)  Morice,  M6moires  pour  servir  de  preuves  a  Thist.  de  Bretagne  I 
(Paris  1742),  col.360;  de  la  Broderie  nr.  3,  p.  10:  St.-£xup^re  de  Gahard, 
eine  Niederlassung,  die  öfter  beschenkt  wurde;  femer  Marcill6  (Morice 
1,386 f.;  de  la  Broderie  nr. 6,  p.  14);  P61erie  und  Chateauceaux  (Morice 
I,  383.  384). 

«)  So  St.-Cyr  de  Rennes,  das  1037  gegründet  wurde,  Morice  I,  374. 

')  Morice  I,  372;  Coli.  Moreau  XXI,  f.  70.  76.  207.  212  (Urk.  von 
1030—1032). 

")  Morice  I,  358;  de  la  Broderie  nr.  1,  p.  3. 

•)  Morice  I,  355. 

")  ib.  col.  363. 

")  ib.  col.  368. 

")  ib.  col.  365. 


57 

de  Rennest),  Si-Cyr  de  Nantes 2)  a.  a.  Sieherlich  waren  auch 
hier  die  elaniaeensisehen  Klöster  der  Tonraine  oder  der  Nor- 
mandie  in  vielen  Fällen  nieht  unbeteiligt  gewesen. 

Anvergne. 

Am  zahlreichsten  waren,  nachdem  Odilo  sein  Amt  ange- 
treten hatte,  die  Niederlassungen  Clanis  in  der  Anvergne. 
Hier  besass  es  drei  Klöster,  Sonvigny,  Rivis  nnd  Sanxillanges 
neben  sieben  kleineren  Filialen.^)  Noch  enger  wnrden  natür- 
lich die  Beziehungen  zu  diesem  Landesteil  unter  Odilo  selbst, 
dessen  Familie  bei  Brioude  ansässig  war.  Dass  sein  Ge- 
schlecht, noch  ehe  er  Mönch  wurde,  dem  burgundischen  Klo- 
ster gegenüber  sich  freigebig  und  anhänglich  zeigte,  wurde 
bereits  bemerkt;  natürlich  konnten  Einwirkungen  nach  dieser 
Richtung  auch  auf  die  andern  angesessenen  Landwirte  und 
Grundbesitzer  dieser  Gegenden  nicht  ausbleiben.^)  Neben  Sou- 
vigny,  wo  die  Wunder,  die  am  Grabe  des  Majolus  geschahen, 
Scharen  von  Wallfahrern  anzogen,  blühte  Sanxillanges  in 
überraschender  Weise  auf  Während  man  unter  Aymard  im 
ganzen  23  Schenkungen  fttr  dieses  Stift  zählt,  wuchs  ihre  Zahl 
unter  Majolus,  so  viel  wir  wissen,  etwa  um  das  zehnfache, 
und  für  die  Zeit  Odilos  sind  heut  noch  gegen  260  Schenkungs- 
acte  nachzuweisen.^)  Bischof  Stephan  IV.  von  Glermont  selbst 
und  seine  Familie  überwies  dem  erwähnten  Stift  drei  Kirchen, 
die  eine,  Chauriac,  mit  der  Bestimmung,  dass  daselbst  ein 
Kloster  errichtet  werde.«) 

Unter  den  auvergnatischen  Adelsgeschlechtem  nahm  das 


1)  Morice  I,  col.  368;  VUlenouve,  Cartul.  de  l'abbaye  de  Saint-Georges 
de  Rennes  a.a.O. 

«)  Morice  I,  375. 

3)  La  Fertö,  Scuriolae,  Boscus  S.  Petri,  S.  Maria  ad  Montes,  S.  Florus, 
Brioude  und  RUiacus  (J.L.  3896).  Die  Kirche  S.  Florus  kam  durch  den 
Cleriker  Eustorgius  an  Cluni  nnd  wird  in  der  Urk.  Gregors  V.  von  998 
—999  bereits  angeführt  Irrig  datiert  Bniel  also  die  Schenkungsurkunde 
(CHOL  III,  nr.  2790)  auf  ca.  1025.  Ebenso  willkttriich  ist  seine  Bemer- 
kung: Cet  Eustorge  paratt  dana  un  acte  pr^cidant  nr,  2788  en  qualiti  de 
frhre  d^Odilon. 

*)  CBGL  m,  nr.  2100.  2135.  2271.  2274.  2805  etc. 

^)  Vgl.  das  Cartul.  de  Sauxillanges  ed.  DonioL 

•)  GaUia  ohrist  II,  75. 


58 

der  Vicegrafen  von  Thiers  eine  ansehnliche  Stelle  ein.  Im 
Anfange  des  elften  Jahrhunderts  war  Wido  das  Haupt  der 
Familie.  Er  machte  einst  eine  Schenkung  an  Clnni,  damit  die 
Mönche  seiner  gedächten  in  ihren  täglichen  Gebeten.^)  Im 
Jahre  1016  stiftete  er  die  Kirche  St-G^nes  de  Thiers  und  liess 
sie  in  Rom  bestätigen  ,2)  nachdem  er  bereits  ftlnf  Jahre  vorhier 
in  Gemeinschaft  mit  seiner  Gemahlin  Riklendis  und  seinen 
Söhnen  Theodart,  Wilhelm  und  Stephan  an  die  Reform  des 
kleinen  Benedictinerklosters  Thiers,  das  er  ererbt  hatte,  ge- 
gangen war.3)  Abt  Peter,  dem  man  persönlich  Sittenstrenge 
nachrühmte,  hatte  vergeblich  versucht,  der  Benedictinerregel 
hier  Geltung  zu  verschaffen.  Da  er  nun  nicht  durchdrang  und 
den  Ungehorsam  der  Brüder,  die  von  verschiedenen  Seiten 
sich  zusammengefunden  hatten,  nicht  zu  zügeln  vermochte, 
kam  er  auf  den  Gedanken,  sich  bei  Odilo  eine  Stütze  zu  suchen. 
Wido  gab  seine  Zustimmung  mit  der  Bedingung,  dass  die 
Aebte  von  Cluni  nach  dem  Tode  des  Petrus,  dem  er  für  Lebens- 
zeit sein  Amt  sicherte,  das  Kloster  in  derselben  Weise  wie 
Sauxillanges,  Souviguy  u.  a.  einrichteten  und  leiteten,  während 
er  selbst  für  sich  und  seine  Erben  auf  jegliche  Leistungen  und 
Abgaben  verzichtete. 

In  der  engeren  Heimat  setzte  auch  die  Familie  Mercoeur 
sich  durch  die  Neugründung  des  Klosters  La  Vofite-pr^s-Chilhac 
ein  dauerndes  Denkmal.  Odilos  Brüder,  der  Propst  Berald 
von  Puy,  Bertrann,  Stephan  und  Ebo  hatten  zuerst  den  Plan 
einer  Klostergründung  gefasst,  unglückliche  Ereignisse  jedoch 
seine  Ausftihrung  verzögert.  Erst  nach  ihrem  Tode  gingen 
ihre  Söhne  und  andere  Verwandte  Abt  Odilo  in  der  Ab- 
sicht an,  den  Gedanken  der  Väter  wiederaufzunehmen.  Da 
Odilo  ihnen  zuredete  und  seinerseits  die  Sache  in  die  Hand 
nahm,  blieb  diesmal  der  Erfolg  nicht  aus.  Nachdem  er  auf 
einem  Hügel  La  Voüte  eine  Kirche  errichtet,  Hess  er  sie 
am  14.  September  1025  durch  Bischof  Stephan  von  Clermont 
weihen  und  stellte  am  selben  Tage  im  Kreise   des   ganzen 

')  GHGL III,  nr.  2006.  Dass  es  derselbe  Wido  ist,  ersieht  man  darens, 
dass  unter  dem  Diplom  sich  die  Namen  der  Sühne  Widos  von  Thiers: 
Stephan,  Theodart,  Wilhelm  finden. 

^)  Baluze,  Hist  g6n^al.  de  la  maison  d'Auvergne  I,  pr.  p.  30. 

»)  Die  Urk.  v.  Sept  1011  bei  Baluze  II,  pr.  29  und  CHCL  III,  nr.  2682. 


59 

Geschleehts,  seiner  Neffen  and  Schwestern  und  anderer  Edlen, 
die  Dotationsarkunde  aas:  zam  Seelenheil  aller  lebenden  and 
gestorbenen  Mitglieder  des  bedeutenden  Haases.  Das  neue 
Kloster  warde  einzig  and  allein  anter  den  Schatz  des  römischen 
Stahles  and  anter  die  Leitnng  der  Aebte  and  Mönche  von 
Clani  gestellt.  0 

Aqaitanien. 

Wilhelm  V.  von  Aqaitanien  hat  es  in  dieser  Zeit  wie  kein 
zweiter  verstanden,  grosse  Herrehertugenden,  energisches  kraft- 
volles Wirken  in  politischer  Beziehung  mit  dem  engsten  An- 
schluss  an  die  religiösen  Ideen  der  Zeit  zu  vereinen.  Während 
seine  äusseren  Verbindungen  ttber  die  Pyrenäen  zu  König  Sancho 
von  Navarra,  Alfons  von  Spanien  und  über  den  Canal  zu  Knut 
von  England  und  Dänemark  reichten,  während  er  mit  den 
italienischen  Grossen  gegen  Konrad  II.  intriguierte,  warf  er  im 
Innern  seine  Vasallen  nieder,  so  dass  niemand  mehr  die  Hand 
gegen  ihn  zu  erheben  wagte,  machte  er  den  höchsten  Adel 
des  Landes,  die  Grafen  Gaufred  und  Fulco  von  Anjou^),  Wil- 
helm von  AngoulSme^),  die  Vieegrafen  von  Limoges^)  und 
Grafen  von  P^rigord  ^)  zu  ergebenen  Lehnsträgern  und  fesselte 
er  die  Unterworfenen  an  sich,  indem  er  ihnen  ganze  Graf- 
schaften und  Burgen  zu  Lehen  gab. 

Von  Jagend  auf  pilgerte  Wilhelm  V.  fast  Jahr  aus  Jahr  ein 
nach  Rom  und  wenn  nichts  so  besuchte  er  den  hl.  Jacob  in 


>)  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  556;  OHCL  III,  nr.  2788;  Chassaing,  Spi- 
cile^um  Brivat,  1886,  nr.  2,  p.  2. 

*)  Adern.  III,  c.  30.  41.  56:  a  Fulcone  comitCf  qui  tunc  in  servitio 
ducis  Fictavis  erat. 

^)  Adera.  III,  c.  41 :  Habebat  secuni  magni  cotmlii  virumj  comitenh 
Engolismac  Willelmumj  cuius  maxinie  consilio  petidebat;  c.  57:  diix  pru- 
defUissunus  cum  consiliario  8uo  Wülelmo  comite  Engolismensi;  c.  60  holt 
WUhelm  von  AngouiSme  den  Herzog  gegen  eine  Burg  herbei;  c.  62  mit 
ihm  1024  in  Italien;  dann  intercedente  Wiüelmo  comite  EgolismenH  setzt 
er  Ademar  an  Stelle  seines  verstorbenen  Vaters,  des  Vieegrafen  von 
Limoges. 

*)  ib.  III,  c.  62 :  praefecit  Let)iovicae  vicecomiteni  Ademarum  in  loco 
defuncti  pcUria  8uL 

^)  ib.  c.  45:  ttUor  filiorum  eiua  et  nepotis  fuit  ideni  dux. 


60 

Compostella.  Wenige  Laien  mochten  in  ihrer  Barg  eine  reiche 
Bibliothek  gehalten  haben,  wie  er;  wenige  ihre  Masse  einer 
eifrigen  Leetüre  gewidmet  haben,  wie  er  sie  die  langen  Nächte 
hindareh  trieb,  bis  ihn  der  Schlaf  ttbermannte.  Weisheit  and 
Wissen  galten  bei  ihm  viel.  Mit  dem  gelehrten  Fnlbert  von 
Ghartres  stand  er  in  engen  Beziehangen;  bei  ihm  Hess  er  flir 
seine  Bibliothek  Bücher  abschreiben.^) 

Auf  den  Cleras  des  Landes  übte  er  einen  starken  Ein- 
flass.  Alduin  von  Limoges  kam  lediglich  dareh  Wilhelm 
auf  den  bischöflichen  StahP),  nnd  ebenso  ward  sein  Nach- 
folger, der  Propst  von  St-Leonard,  Jordanas,  darch  den  unter 
Vorsitz  des  Herzogs  abgehaltenen  Convent  za  Limoges  erhoben 
nnd  ohne  Zuziehung  des  Metropolitans  von  Bourges  consecrieri^) 
Und  als  der  Erzbischof  Acios  von  Bordeaux  gestorben  war, 
reichte  sein  Einfluss  hin,  um  in  Gemeinschaft  mit  dem  Her- 
zoge Sancho  von  Gascogne  einen  Franken  Gotfried  auf  den 
Metropolitansitz  zu  bringen.^)  In  Synoden  und  Kirchenver- 
sammlungen ftihi*te  er  oder  sein  Sohn  den  Vorsitz;  selten  fand 
man  ihn  ohne  einen  Bischof  zur  Seite.^)  Selbst  religiöse  und 
kirchliche  Anordnungen  traf  er,  da  er  in  den  Bischöfen  nur 
Werkzeuge  seines  Willens  erblickte.^)  Diese  Stellung  der 
Landeskirehe  gegenüber  vererbte  sich  auf  seinen  Sohn.  Be- 
zeichnend ist  der  Brief  des  Glerus  von  Limoges  nach  Jordans 
Tode,  in  dem  Herzog  Wilhelm  VL  ersucht  wird,  ohne  simo- 
nistische Missbräuche  einen  neuen  Bischof  zu  ernennen:  «Ganz 


0  Fulberti  epiat.  125. 

')  Nomina  et  gesta  Lemovic.  episc.  c.  8  (Labbe,  Nova  bibl.  manuscr. 
II,  268):  Alduinits  per  manum  dticis  Ghiiüermi  in  episcopatum  stwcesait 

^)  Nom.  et  gesta  Lemov.  c.  9 ;  Ademar  III,  c.  67 :  degit  in  episcopatus 
honorem  lordanum  etc.;  vgl.  Pfister,  Etudes  sur  le  r^gue  de  Robert  le 
Pieux  p.  180. 

♦)  Adern,  m,  c.  69;  vgl.  Pfister  p.  191. 

^  Adern.  III,  c.  4 1 :  Aliquando  vix  inveniebatur  sine  aliquo  episco- 
porum, 

*)  Adern.  III,  c.65:  Itaque  dux  fortissinnw  Wilhdmns  niandat  vhi- 
qiie  per  episcopoSf  ut  suaderent  plebeni  Doniini  amcilium  cum  ieiuniis  et 
letaniis  implorare.  In  einem  Briefe  an  Fulbert  von  Ghartres  (Migne  141, 
830)  spricht  er  von  episcopis  noatris.  Pfister  p.  191  vermutet  wohl  mit 
Becht,  dass  der  Herzog  auch  Herr  über  die  Sitze  von  Poitiers,  Sidntes, 
AngoulSme  und  P6rigueaz  war. 


61 

Aqaitanien  gehört  Dir*,  rnfen  die  Capitelherren,  ,, alles  unsere 
ist  Dein;  Da  bist  unser  Schtttzerl* ') 

Neben  dem  Herzoge  waren  freilieh  zeitweise  die  loealen 
Laiengewalten  nicht  ohne  Einflnss  aaf  die  Besetzung  der 
Bischofstuhle.  Mitunter  scheinen  sie  dieselben  geradezu  be- 
herrscht zu  haben,  und  selbst  wenn  Wilhelm  schliesslich  ttber 
sie  Tcrftigte,  kann  es  schwerlich  ohne  Einverständnis  der 
grossen  Vasallen  geschehen  sein.  So  hatte  seit  Jahrzehnten 
das  Haus  der  Vieegrafen  von  Limoges,  an  dessen  Spitze  unter 
Wilhelm  dem  Grossen  Wide  stand,  den  Stuhl  von  Limoges 
inne,  wo  erst  zwei  Brüder  Widos,  Aldegar  und  Alduin,  dann 
deren  Neffe,  wohl  Widos  Sohn  Gerald,  folgten  ,2)  während  wir 
auf  den  Sitzen  von  Angoul6me  und  Salutes  wieder  zwei  Brü- 
der, Grimoard  und  Islo  aus  P^rigord,  finden.^) 

Die  Bischöfe  waren  von  den  weltlichen  Gewalten  mitunter 
schwer  bedrückt  und  man  darf  sich  nicht  wundern,  dass  sie 
hier,  wie  auch  sonst,  das  Streben  verrieten,  von  dem  Laien- 
adel sich  möglichst  unabhängig  zu  machen  und  ihre  Herrschaft 
über  die  geisflichen  Institute  ihrer  Besidenzen  auszubreiten. 
So  wusste  Grimoard  von  AngoulSme  das  Hauptkloster  St-Eparch 
von  den  bisherigen  Patronen,  den  Grafen  der  Stadt,  in  seine 
Gewalt  zu  bringen;^)  und  von  dem  Vieegrafen  von  Limoges 
erkaufte  Bischof  Alduin  St-Martialis.^)  Der  Reform  ward  da- 
durch kein  Dienst  geleistet;  denn  den  Bischöfen  stand  ihre 
Herrschaft  und  die  unabhängige  Benutzung  des  Klostereigentums 
höher  als  das  reguläre  Klosterleben,  und  so  kam  es,  dass  unter 
Grimoard  St.-Eparch  viele  Jahre  überhaupt  keinen  Abt  hatte  <^), 
und  Alduins  Nachfolger,  Gerald  von  Limoges,  die  Weihe  des 
Abtes  Hugo  von  St-Martialis  verzögerte,  aus  Aerger,  dass  er 
nicht,  wie  sein  Vorgänger,  die  unbedingte  Herrschaft  über  die 
Abtei  zu  erwerben  vermochte.'')    Während  der  Episcopat  auch 


0  Gallia  Christ.  II,  instr.  col.  178:  tota  Aquitania  est  tua  ...  omnia 
nostra  9unt  tua^  tu  custoa  noatri  es. 

*)  Adern.  III,  0. 35. 

»)  ib.  C.86.  61.       *)lb.  C.36.       *)  ib.  c.49. 

^  ib.  c.36:  a  Wiüdmo  comite  sancti  Eparchii  manasterium  expeciit 
et  sibi  vindicavit  et  per  muUos  annos  sine  aJbhate  manere  fecit. 

'')  ib.  c.  49:  prohibens  ei  dare  consecrationen^  causa  zeli,  quia  non 
poterat  vindicare  sibi  abbatiam. 


62 

sonst  der  klösterlicben  Reform  gegenüber  sieh  durehans  gleieh- 
gilltig  verhielt,^)  fehlten  doeh  einzelnen  Refomimännem  Ge- 
legenheiten nicht,  an  verschiedenen  Orten  wirksam  einzu- 
greifen. 

In  der  Diöcese  Limoges  hatte  ein  Schiller  Abbos  von 
Fleury,  Bernard,  der  Sohn  des  Vicomte  Hugo  von  Gomborn, 
festen  Fuss  gefasst.  In  dem  Benedictskloster  an  der  Loire 
von  Abbo,  der  znr  Zeit  Schulmeister  war,  erzogen,  erhielt  der 
Mönch  von  seinem  Vater  die  Abteien  Solignac  und  Beaulieu;^) 
letzteres  Kloster,  ein  Lehen  des  Grafen  von  Toulouse,  war  von 
dem  Grafen  von  P6rigord  auf  Hugo  von  Comborn  übergegangen. 
Bernard  wurde  sogar  etwa  1005  als  der  zweite  dieses  Namens 
Bischof  von  Gabors,')  nachdem  er  schon  vorher  ein  simonistisches 
Anerbieten  des  Grafen  Wilhelm  von  Toulouse  im  Einverständnis 
mit  Abbo  zurückgewiesen  hatte.  In  seinen  Klöstern  hatte  er 
tnit  widerspenstigen  Mönchen  zu  kämpfen,  die  ihm  zeitweise 
sein  Amt  bitter  verleideten;  trotzdem  behielt  er  die  Abteien 
auch  als  Bischof  Ton  Gabors.  Während  aber  Solignac  noch 
nach  seinem  Tode  als  reguläres  Kloster  erwähnt  wird ,4) 
geriet  Beaulieu  in  arge  Zerrüttung,  da  Bemards  Vater  der 
Abtei  einen  Laien,  einen  Verwandten  Hugo  von  Gastelnau, 
vorsetzte,  gegen  den  die  Brüder  sich  erhoben.  Sie  klagten 
vor  den  aquitanischen  Bischöfen,  die  ihrem  Amtsbruder  von 
Limoges  aufgaben,  bis  über  sechs  Wochen  zu  Weihnachten 
einen  regulären  Mönch  zum  Abte  von  Beaulieu  zu  machen.^)  Es 
scheint  dies  Bernard  gewesen  zu  sein,  der  vielleicht  schon  nach 
Bernard  II.  einige  Jahre  die  Abtei  geleitet  hatte  und  1037 
ebenfalls  den  Stuhl  von  Gabors  bestieg.®)  Doch  blieb  das 
Kloster  noch  später  lange  Zeit  ohne  Zucht  und  Regel,  be- 

^)  Bischof  Alduin  zerstörte  die  Abtei  St. -Stephan  von  Emoatiers  und 
restituierte  daselbst  Ganoniker.  Dafür  siedelte  er  die  Mönche  in  Limoges 
an,  natürlich  nur  um  sie  besser  zu  beherrschen  (Adem.  III,  c.  35).  Ein 
der  Abtei  St  Eparchius  zu  Angouldme  gehöriges  Kloster  entfremdete  er 
derselben  vollständig  (c.  36). 

>)  Vgl.  für  das  Folgende  Y.  Abbonis  c.  10. 

')  Garns,  Series  episc.  p.  525;  Deloche,  Cartul.  de  Beaulieu  en  Li- 
mousin;  Notes  et  ^claircissements  XIV. 

*)  Concil.  Lemoyic,  Labbe,  Nova  bibl.  II,  790. 

ß)  Concil.  LemoY.  a.  a.  0.  p.  788  ff. 

•)  Deloche,  Introd.  p.  CCLXVII. 


63 

lästigt  nnd  in  seinem  inneren  Frieden  dnreh  weltliehe  Grosse 

gestörtO 

Denselben  Bischof  Ton  Cahors,  Bemard  UI,  sehen  wir  in 

der  Folgezeit  in  Verbindung  mit  Odilo.  Er  schenkte  in  Ge- 
meinschaft mit  seinem  Bruder  Robert  an  Clnni  eine  Kirche 
des  hl.  Satamin  in  der  Ortschaft  Carenniacas  oder  Garenti- 
niacus.^)  Als  nan  Odilo  im  Jahre  1047  von  dem  Bischof  da- 
hin besehieden  wurde,^)  drängten  ihn  zahlreiche  vornehme 
Herren,  das  alte  einst  bertthmte  Kloster  Moissac,  das  den  un- 
günstigen Zeitverhältnissen  zum  Opfer  gefallen  war,  unter  seine 
Obhut  zu  nehmen  und  zu  reformieren.  Nach  anfänglicher 
Weigerung  willigte  der  Abt  ein,  liess  einige  Brüder  zurück 
und  gab  ihnen  mit  Zustimmung  des  Grafen  Pontius  von  Tou- 
louse, der  für  Cluni  schon  öfter  geurkundet  hatte,^)  und  der 
übrigen  einfiussreichen  Personen  der  NachbarschafI;  einen  Mönch 
Durandns  zum  Leiter.  Durandus  bewährte  den  Ruf  seiner 
Schule,  indem  er  die  Kirche  wiederherstellen  und  weihen  liess. 
Mehrere  Kirchen  und  Abteien,  darunter  L6zat,  brachte  er  unter 
seine  Herrschaft.^) 

In  der  Grafschaft  Poitou  knüpfen  gegen  Ende  des  zehnten 
Jahrhunderts  die  Reformeinwirkungen  sich  zunächst  an  den 
Namen  des  Abtes  Gosbert  von  Si-Julien  in  Tours.  .  Gosbert 
war  blutsverwandt^)  mit  der  Familie  des  Grafen  Theobald  von 
Chartres,  dessen  Tochter  Emma  dem  Herzoge  Wilhelm  IV.  von 
Aquitanien  die  Hand  gereicht  hatte.'')  Von  ihr  ging  der  Ge- 
danke aus,  die  Abtei  Maillezais  wiederherzustellen.   Sie  wandte 


>)  Urk.  Urbans  II.  v.  23.  Mai  ohne  Jahr  (Bibl.  Clun.  col.525):  BeUi- 
loci  monasterium  tonffia  iam  tempcmhus  sine  monasticae  regulae  disciplina 
fuit,  et  sicut  rervm  secularium  detrimentiSj  ita  etiam  animarum  per- 
ditionibua  patuii  etc.;  vgl.  Deloche  p.  XXII— XXVIII. 

>}  CHOL  IV,  nr.2856.   Brael  datiert  aber  falsch  auf  ungefähr  1031. 

')  Chron.  Moissiac.  (Bibl.  nat.  lat  4991  \  f.  157'):  ad  inmcendum  locum 
CarenfMcum  vocatttm, 

♦)  CHOL  IV,  nr.2947.  2948.  2961. 

^)  Alles  aus  der  ungedruckten  Chronik  des  Aimericus  von  Peirac.  Vgl. 
Marion,  L'abbaye  de  Moissac,  Bibl.  de  P6cole  des  chartes  ser.  III,  1 ,  S9  ff« 

*)  Petri  Malleac.  monachi  de  coenobio  Malleac.  I,  §  2  (Migne  146,  1254): 
Abba8  quoqtief  quoniam  Mi  et  aanguinitate  et  mtdto  erat  munere  obnoxius, 

^)  Vgl.  Blümcke,  Burgund  unter  Rudolph  III,  Beilage. 


64 

sich  an  den  Abt  toh  St.  Jalien  mit  der  Bitte,  dreizehn  Mönche, 
von  denen  einer  Propst  werden  sollte,  anszasenden,  in  der  Ab- 
sicht, die  neue  Abtei  yorläufig  von  dem  Tnroner  Kloster  ab- 
hängig ZQ  machen.^)  Ende  der  achtziger  Jahre  des  zehnten 
Jahrhunderts  erfolgte  die  Weihe  durch  den  Erzbischof  Gnm- 
bald  von  Bordeaux.  Die  Entwicklung  der  Jungen  Stiftung 
wurde  aber  bald  jäh  unterbrochen. 

Um  dieselbe  Zeit  veranlasste  nämlich  ein  ehelicher  Zwist, 
der  kaum  eine  Wiederversöhnung  hoffen  Hess,  die  Herzogin, 
sich  zu  ihrer  Familie  zu  fittchten,  während  ihr  Gemahl,  vom 
Alter  gebrochen,  sich  zu  den  Mönchen  von  St-Cyprian  zu  Poi- 
tiers  zurttckzog.2)  Aus  Hass  gegen  seine  Frau  vertrieb  er  jetzt 
die  Turoner  Mönche  aus  Maillezais  und  überwies  das  Kloster 
dem  hl.  Cyprian.  Vielleicht  war  es  eine  Folge  dieser  That, 
dass  Emma  jetzt  in  Burgeuil,  einem  ihr  zur  Mitgift  ttber- 
gebenen  Gute,  mit  Zustimmung  ihres  Bruders  Odo  I.^)  und 
mit  Unterstützung  des  Abtes  Gosbert  eine  neue  Klostergrttn- 
dung  vornahm.^)  Odo  gewährte  der  Abtei  freie  Abtwahl, 
bei  der  Simonie  vor  allen  Dingen  ausgeschlossen  sein  sollte, 
und  suchte  durch  strenge  Verbote  jeglicher  Eingriffe  in  Be- 
sitzungen und  Rechte  dem  Kloster  Sicherheit  zu  schaffen.  Die 
Stifterin  selbst  stattete  Burgeuil  mit  Grundbesitz  aus,  legte 
den  Mönchen  aber  einen  Zins  an  die  Chorherren  von  St  Hi- 
larius  in  Poitiers  auf.  Sie  bat  Papst  Johann  XV.  um  Bestäti- 
gung der  Gründung  und  Excommunication  der  Frevler.^)  Nach 
Odos  I.  Tode,  994,  bestätigten  die  Könige  Hugo  und  Robert 
auf  Ansuchen  seiner  Witwe  Berta  und  Gosberts  die  neue  Stif- 
tung: bei  der  Abtwahl  soll  auf  die  Gräfin  und  ihre  Söhne 
Rücksicht  genommen  werden.<^) 

Inzwischen  war  Wilhelm  IV.  auch  mit  dem  Abte  von 
St.  Cyprian  in  Streit  geraten  und  hatte  dieses  Kloster  mit  dem 


^)  Petrus  Malleac.  I,  §  2. 

>)  ib.  §  5. 

»)  Gallia  Christ.  XIV,  instr.  col.  148;  Besly,  Bist,  des  comtes  de  Poi- 
ton  p.  288.  Vgl.  die  Urkunden  bei  Morice,  M^moires  p.  servir  de  preuves 
k  rhist  de  Bretagne  I,  col.  350. 

«)  Adern.  III,  c.  41 ;  Petrus  Malleac.  I,  §  5. 

B)  BaUetin  de  la  soctöt6  hist.  de  Touraine  IV,  360  ff. 

«)  HF  X,  563;  Besly  p.  278. 


65 

des  hl.  Maxentins  vertauscht.  Als  ihn  nach  fünfjähriger  Tren- 
nung von  seiner  Gemahlin  schwere  Krankheit  darniederwarf, 
suchte  er  die  Versöhnung  mit  ihr  und  verzichtete  zu  ihren  und 
ihres  Sohnes  Gunsten  auf  die  Herrschaft^)  Wohl  kurze  Zeit 
darauf  segnete  er  das  Zeitliche. 

Jetzt  ging  auch  Wilhelm  V.  daran,  die  vertriebenen  Mönche 
von  St-Julien  nach  Maillezais  zurttckzurnfen  und  sie  in  ihren 
Besitz  wieder  einzusetzen.  Das  Amt  des  Propstes  übernahm 
Theodelin ,  ein  Mann  jüdischer  Abkunft,^)  wie  es  hiess,  dessen 
mönchische  und  geistige  Vorzüge  lebhaft  gerühmt  wurden.  Er 
wusste  sich  einen  hervorragenden  Platz  im  Rate  des  Herzogs 
zu  erwerben.3)  Wilhelm  V.  schien  bestrebt,  gut  zu  machen,  was 
sein  Vater  gegen  die  Gründungen  seiner  Gemahlin  gesündigt 
hatte.  Er  beschenkte  Burgeuil  mit  Kirchen  und  Waldland  ^) 
und  räumte  den  Mönchen  der  andern  Abtei  die  ganze  Insel, 
auf  der  Maillezais  lag,  nebst  dem  Castell,  das  sein  Vater  hatte 
errichten  lassen,  ein.^)  Es  war  im  Juli  1003,  als  der  Herzog 
letzteres  Kloster  unter  päpstlichen  Schutz  stellte  bei  einem  jähr- 
lichen Zins  von  20  Solidi,  dem  Klosterbesitz  Immunität  ge- 
währte und  die  Zinsbauern  vor  Fronden  schützte.^)  Bald 
darauf  wurde  der  Grund  zum  Neubau  des  Stiftes  gelegt.  Sowohl 
für  das  eine  wie  fttr  das  andere  Kloster  suchte  man  die  Bestä- 
tigung der  Curie  nach.  Verbriefte  Silvester  IL  im  Jahre  1003 
im  Einverständnis  mit  Bischof  Bainald  von  Angers,  dass  kein 
Bischof  gegen  den  Willen  des  Abtes  und  der  Mönche  in  Bur- 

0  Petrus  Malleac.  I,  §  5. 

>)  ib.  §  7 :  Fmt  quippe,  ut  fertw,  genere  HebraenSj  natione  GaUus. 

>)  II,  Praef.  (a.a.O.  col.  1262). 

*)  Besly  p.  217.  353.  355.  356. 

^)  Petras  Malleac.  II,  §  2:  Et  quidem  tum  ab  incamatione  Domini 
nostri  redemptoris  miÜesimua  tertiits  anniM  volvebaiur,  cum  haec  mense 
ItUio  Fictavis  agebantur  ac  regnare  Francis  rex  Eohertus  ferd)aitwr.  Schon 
vorher  bemerkte  der  Autor:  nomenque  matris  (seil.  Emmae)  inter  testor 
torea  acsi  viveret,  pro  eo  quod  eius  anniversarius  dies  mortis  agehatur, 
conscribere  fecit  In  der  Zeit  stimmt  Uberein  das  Chron.  S.  Mazentii 
(Marchegay  et  Mabille,  Chroniques  des  ^glisea  d'Anjon  p.  387):  1003.  Anno 
mülesimo  tertio  primum  donum  fuit  Maliaco  coenobium  constntendi  a 
Wiüelmo  comite, 

*)  Die  Urk.  bei  Lacurie,  Hist  de  Pabbaye  de  Maillezais,  Fontenay-le- 
Comte  1852,  p.  197  mit  dem  &l8chen  Datum:  mense  ItUii  anno  miü^mo 
centesimo  tertio. 

Sftokur,  ClanlMenMr.    II.  5 


66 

genil  Synoden  abzuhalten  befugt  sei  und  dass  der  Herzog  und 
seine  Erben  den  von  der  Congregation  gewählten  Abt  ohne 
Widerspruch  zu  bestätigen  haben, >)  so  erlangte  Theodelin,  der 
im  Jahre  1007  nach  Gosberts  Tode  selbständiger  Abt  von 
Maillezais  geworden  war,^)  von  Papst  Sergius  IV.  auf  persön- 
liches Ansuchen  die  Bestätigung  der  von  Herzog  Wilhelm  ge- 
währten Yergiinstigungen.^)  Der  Ruf  und  die  Wirksamkeit 
Theodelins  brachten  es  dahin,  dass  ihm  mehrfach  Klöster  unter- 
geben wurden.^)  In  erster  Reihe  Burgenil,  dessen  Mönche 
nach  dem  Tode  Bemos,  der  auf  Gosbert  gefolgt  war,  sich 
Theodelin  zum  Abt  erbaten/*^)  Um  Maillezais  machte  er  sich 
dadurch  noch  besonders  verdient,  dass  er  die  Gebeine  des 
hL  Rigomer  aus  dem  Gau  von  Le  Maus  nach  dem  aquitanischen 
Kloster  übertragen  liess.<^)  Mit  Odilo  von  Cluni  verband  ihn, 
wie  seinen  Nachfolger  Humbert,  ein  Societätsverhältnis,  das 
später  rühmend  anerkannt  wurde '^)  und  nach  Humberts  Ab- 
leben die  Wahl  eines  Gluniacensers  zum  Abt  von  Maillezais, 
Goderanns,  erleichterte.  Am  1 .  Januar  1045  hat  Theodelin  sein 
Leben  beschlossen.^) 

^)  J.-L.  3940;  gedr.  bei  Oll^ris,  (Euvres  de  Gerbert  nr.Xm,  p.  172. 

>)  Nach  Petras  Malleac.  II,  §  4  (Migne  146,  col.  1271)  starb  TheodeÜD 
am  1.  Jan.  1045  im  37.  Jahre  seiner  Amtsführung.  Das  Chron.  S.  Maxentii 
Pictav.  a.  a.  0.  p.  387  berichtet  zu  1010,  dass  Wilhelm  V.  Bonute  praeaidente 
Sergio  papa  et  Botberto  Francorum  rege  regnante  Maillezais  grUndete  und 
ausstattete,  und  dass  er  Theodelin  zum  Abte  machte.  Bei  der  Unge- 
nauigkeit  der  chronologiBchen  Angaben  dieser  Quelle  ist  iUr  den  Amts- 
antritt Theodelins  nichts  zu  gewinnen. 

')  ib.  §  2.  3.    Bei  Jafif6  nicht  verzeichnet. 

*)  ib.  §  3,  coL  1 265 :  Multa  denique  ea  tenipestate  eidem  patri  exceptis 
his  duobuSf  licet  invito  commissa  sunt  coenobia,  quorum  quidem  (dia  per 
se  regebat  f  alia  vero  probis  ac  religiosia  fratribus  iniungdxU  disponenda. 

')  ib.  §  3,  col  1265;  Ademar  III,  c.  41.  Demnach  ist  die  Abtreihe 
von  Burgeuil  im  Chron.  S.  Maxentii  a.  a.  0.  p.  385,  wo  nach  Bemo  gleich 
Bainaadus  genannt  wird,  entweder  unrichtig  oder  so  zu  interpretieren, 
dass  BaifUMiduB  der  Stellvertreter  Theodelins  in  Borgeuü  war.  Bezüg- 
lich eines  andern  Klosters  vgl.  Besly  p.  307  und  Lacurie  p.  203. 

^)  Petrus  Malleac.  II,  §  4;  Transl.  Rigomeri,  Mabillon,  Acta  SS.  VI, 
1, 120;  Chron.  S.  Maxentii  a.a.  0.  p.388  zu  1014. 

')  Lacurie  p.  209,  Wahlurk.  Goderanns:  cariUUivae  fratemitcUis  socie- 
tate  sicut  fuit  qtwndam  cum  suo  predecessare  aanctisaimo  videlicet  Odüane 
et  patribtis  nostria  Temdone  et  Hwmberto  ingressis  viam  universae  camis. 

»)  Petrus  Malleac.  II,  §  4;  Chron.  S.  Maxentii  p.  395. 


67 

Die  UntersttttzuDg  und  Förderung  der  Stiftangen  seiner 
Mutter  entspricht  darchans  dem,  was  wir  sonst  ttber  Wilhelms 
Stellang  zum  reformatorischen  Mönehtum  wissen.  Er  stand, 
wie  schon  sein  Verhältnis  zn  Theodelin  lehrt,  den  strengen 
Achten  nahe  nnd  gestattete  ihnen  Einfluss  auf  seine  Regierung. 
An  der  Erneuerung  der  Disciplin  in  den  alten  Klöstern  Saint- 
MartiaP)  und  Charroux-),  wo  zuletzt  ein  simonistischer  Abt 
war,  der  durch  Gunbald  von  St.-Savin  ersetzt  wurde,  hatte  er 
hervorragenden  Aateil.  In  enge  Beziehungen  trat  er  zu  Odilo 
von  Gluni.  Dieses  Kloster  und  St.-Michael  bei  Chiusi  unter- 
stützte er  mit  Vorliebe.^)  Einmal  kam  er  sogar  nach  Gluni, 
wo  er  ehrenvoll  empfangen  wurde;^)  mehr  als  einmal  urkun- 
dete  er  zu  Gunsten  des  burgundischen  Klosters.^)  Auch  seine 
Gemahlin  Agnes,  die  Tochter  Otto  Wilhelms  von  Burgund, 
erwies  sich  Odilo  noch  nach  dem  Tode  des  Herzogs  günstig.*) 
Wie  sehr  sie  den  Tendenzen  der  Zeit  huldigte,  zeigen  ihre 
Klostergrttndungen.  Sie  stiftete  Vendöme  im  Sprengel  von  Cbar- 
tres,^)  ein  Nonnenkloster  in  Saintogne  und  erbaute  die  Chor-  . 
herrencoUegiate  St.  Nicolas^)  und  St.  Hilarius  in  Poitiers.*) 

Jedenfalls  durch  den  Herzog  kam  die  Abtei  St  Cyprian 

^)  Ademar  III,  c.  43 :  in  praesentia  WiUelmi  ducia  monastica  ibi  est 
ordinata  disciplina, 

^)  ib.  c.  58 :  Duac  quoque  WiUdmun  . . .  regulärem  disciplinam  restau- 
ravU  in  Carrofo.  Vgl.  Pfister,  De  Fulberti  Carnotensis  episcopi  vita  et 
operibus  p.  87. 

')  ib.  c.  41:  Coenobio  Cluniacensi  et  coenobio  aancti  Michadia  ad  Clu- 
sam  in  Itcdia  et  midtis  aliis  per  Bwrgundiam  et  Aquitaniam  monasteriis 
Dei  iuxta  oram  maritimam  plwra  in  redditihua  dona  terrarum  ad  copiam 
aupplementi  aervorum  Chriati  deUgavit. 

*)  CHOL  m,  nr.  2277  (991—1015):  atque  a  aenioribua  memorati  lod 
honorificentiaaime  suaceptua. 

*)  ib.ni,  iir.2709.  2716.  2737. 

*)  ib.  IV.  nr.  2855.  Im  Hinblick  auf  die  Freundschaft  ihres  Vaters 
gewährte  ihr  Odilo  eine  Bitte  um  Precarbesitz  III,  nr.  2742. 

^)  Die  ausführliche  Erzählung  dieser  Klostergrttndung  in  den  Gesta 
cons.  Andeg.  a.  a.  0.  Die  25  Münche  kamen  aus  Marmoutier.  Die  Weihe 
erfolgte  am  31.  Mal  1040.  Chron.  S.  Albini  Andegav.  1040,  p.23;  Chron. 
S.  Sergii  Andegav.  1040,  p.  1.35;  Chron.  Vindoc.  1040,  p.  166;  Chron. 
S.  Maxentii  1040,  p.  393;  Convent.  episc.  ad  dedicat,  HF  XI,  506. 

^  Das  Cartulaire  de  St-Nicolas  in  den  Archives  bist  de  Poitou  I, 
p.  5  ff. 

0)  Hist.  novi  monast.  Pictav.,  HF  XI,  119. 

6* 


68 

von  Poitiers,  in  die  sich  Wilhelm  lY.  anfänglich  znrttckgezogen 
hatte,  in  Odilos  Grewalt.^)  Wahrscheinlich  setzte  dieser  den  Abt 
Giselbert  oder  Gaubert 2)  ein,  den  Abbo  von  Fleury  im  Novem- 
ber 1004,  als  er  auf  dem  Wege  nach  La  B^ole  sich  in  Poitiers 
aufhielt,  fm  Kampfe  mit  seinen  widerspenstigen  Mönchen  fand. 
Abbo  wandte  sich  damals  brieflich  an  Odilo  mit  der  Aufforderung, 
energisch  einzuschreiten.')  In  welcher  Weise  die  Streitigkeiten 
beigelegt  wurden,  wissen  wir  nicht.  Indes  nahm  sich  Wil- 
helm V.  wenigstens  des  äusseren  Besitzes  der  Abtei  an,  indem 
er  alle  Räubereien  in  der  Ortschaft  des  hl.  Cyprian,  die  unter 
der  Herrschaft  des  Abtes  stand,  streng  untersagte.^) 

Etwas  sicherer  sind  wir  von  dem  Einwirken  Odilos  in  der 
Abtei  Si-Jean  d'Ang^ly  unterrichtet.  Die  Erhebung  des  Hauptes 
Johannes  des  Täufers  in  der  Basilica  zu  Ang^ly  im  Jahre 
1010^)  durch  den  Abt  Alduin,<^)  die  glänzende  Versammlung, 
die  sich  damals  zusammenfand,  —  aus  Aquitanien,  Frank- 
reich, Italien  und  Spanien  waren  Könige,  wie  Robert  von 
Frankreich  und  seine  Gemahlin,  Sancho  von  Navarra,  Fürsten 
und  Grafen,  wie  Odo  von  Champagne,  Bischöfe,  wie  Landulf 
von  Turin,'')  Aebte  u.  s.  w.  zusammengeströmt  —  legte  Herzog 


^)  Vgl.  Adern.  III,  c.  41 :  coenobiaque  suae  ditionis  nonnuUa  eimdem 
magisterio  tradidit, 

*)  Cartul.  de  Saint-Gyprien,  Archives  hist  de  Poiton  (1874)  UI,  nr.  17. 
19.  314.  466.  513. 

')  Abbonis  epist  XII.  ad  Odilonem  (Migne  139,  438):  quem  locumpost- 
quam  reperi  vestrae  auhditum  ditioni  nostrum  credidu   Vgl.  Bd.  I,  S.  296. 

*)  Cartul.  de  St-Cyprien  nr.l7. 

»)  Nach  der  Gallia  Christ.  II,  1097.  Qnellenmässige  Belege  in  Petrus 
Malleac.  II,  §  3  a.  a.  0.  col.  1265:  Ea  siquidem  tempestcUe  miüesimus  deci- 
mu8  fertur  ah  incamatione  ScUvatoris  emersisse  annus  . . .  Abbas  Ängiria- 
censis  eccleaiae  iÜis  didms  caput  sanctissimum  praecursoris  lohannis  bap- 
tistae  Domini  . . .  levare  aJtque  omni  populo  . . .  ostentare  voluit  Sodann 
ein  Citat  ex  veteri  Chronico  ms.  bei  Besly  p.  325 :  Anno  Domini  1010 
diebua  Ch^iüelmi  ducia  Aquitaniae  caput  lohannis  baptiste  in  basilica 
Angeriacensi  inventum  ab  Alduino  abbate  in  mense  Octobri. 

*)  Juli  990  bestätigt  König  Hugo  auf  Bitten  Wilhelms  von  Aquitanien 
die  Abtei  St. -Jean  nunc  a  pristino  penitus  honore  desolatam  cuidam  servo 
Dei  nomine  Hüduino  mit  dem  Datum  mense  lulio  regnante  Hugone  annos 
tres  im  Cartul.  de  Saint- Jean  d'Ang%  (Bibl.  nat.  lat  nr.  9498)  saec.  XVII, 
fol.  20. 

*)  Nach  einer  Aufzeichnung  bei  Besly  p.  225. 


69 

Wilhelm  den  Gedanken  nahe,  das  Fest  zn  krönen,  indem  er 
den  reformatorischen  Bestrebungen  in  dem  Kloster  des  hl.  Jo- 
hannes Eingang  gewährte.  ^  Er  berief  also  Odilo,  der  die 
religiöse  Zneht  erneuerte  und  nach  dem  Tode  Aldnins  seinen 
Schfller  Rainald  zum  Abt  machte,  und  als  dieser  kurze  Zeit 
darauf  aus  dem  Leben  schied,  nochmals  zu  Gunsten  Aimerlchs 
über  den  Abtstuhl  verfbgte.^)  Unter  seiner  Leitung^)  wurde 
die  aquitanische  Abtei  durch  mächtige  weltliche  Herren  schwer 
bedrängt,  so  dass,  wie  es  scheint,  Odilo  sich  an  Papst  Jo- 
hann XIX.  wandte,  der  den  hohen  Adel  Aquitaniens  auffor- 
derte, die  Besitzungen  Johannes  des  Täufers  gegen  derartige 
Anfälle  zu  schützend) 

Im  Jahre  1023,  wie  es  scheint,  war  Odilo  wieder  in  Poi- 
tiers,  vielleicht  gelegentlich  einer  jener  Friedenssynoden,  die 
in  der  Folgezeit  in  den  aquitanischen  Diöcesen  mehr  und  mehr 
ttblich  wurden.  Gleichzeitig  mit  ihm  hatten  sich  nämlich  auch 
die  Bischöfe  von  Limoges  und  AngoulSme  und  die  Achte  von 
Poitou  in  der  Residenz  des  Bischofs  Isembert  von  Poitiers  ein- 
gefunden. Hier  war  es,  wo  der  Vicegraf  Kadolom  von  Aulnay'^) 
in  der  Saintogne  der  Abtei  Cluni  das  Kloster  St.  Johannes  in 
Molgone  ttberwies,*)  das  in  seinem  Besitz  war  und  das  er  ge- 


>)  Die  Verehrung  Wilhelms  ftir  Johannes  den  Täufer  geht  aus  Ful- 
berti  epist.  64  hervor. 

*)  Adern.  III,  0.56:  Et  gloriosw  dux  recogitans  Dei  honorem  accito 
Odilone  mnctissimo  Cluniacensi  abbate  in  sancti  lohannis  monasterio  re- 
gtdarem  renovavit  distridionemf  ubi  Odilo  äbbatem  Bainaldum  disposuit 
defuncto  Alduino  abbate.  Et  Bainaldo  82)iritum  reddente  Aimiricum  pro 
eo  domnus  Odilo  patrem  praeposuit. 

')  1018—1027  nach  Gallia  Christ.  II,  1098.  Im  Jahre  1027  schliesst 
er  mit  den  Mönchen  von  St.*Maria  und  St.-Andrea8  von  Quinciacas  einen 
Vertrag,  Cartul.  de  St.-Jean  d'Ang^ly  f.  109. 

*)  Epist.  Joh.  XIX.  in  der  Gallia  Christ.  II,  instr.  col.  466;  Migne  141, 
1154;  J.-L.  nr.4097. 

')  Er  ist  mit  seinem  Sohne  Wilhelm  in  einer  Urkunde  vom  Mttrz 
1028  nachzuweisen  bei  Besly  p.  365.  Eine  Kadelo  vicecomes  macht  mehrere 
Schenkungen  an  St.-Jean  d'Ang^ly,  Cartul.  de  St.-Jean  d'Ang^ly  f.  35. 

•)  Vgl.  die  Urk.  Isemberts,  Gallia  Christ.  II,  instr.  col.  330;  CHCL  IV, 
nr.  2816,  o.  Jahr.  Bruel  datiert  auf  Mai  1029.  Die  Unterschriften  der  drei 
Bischöfe  weisen  auf  1021 — 1029.  Da  nun  in  dieser  Zeit  nur  eine  Synode 
von  Poitiers  von  1023  bekannt  ist  (Hefele,  Conziliengesch.  IV,  679),  so 
liegt  die  Annahme  nahe,  dass  die  Urkunde  damals  ausgestellt  wurde. 


70 

meinsam  mit  seiner  Gemahlin  Amelia  nnd  ihrem  Sohne  Wil- 
helm vorher  mit  einem  AUod  Trion  im  6an  von  Poitiers  ans- 
gestattet  hatte.*)  Anf  den  Rat  anderer  stellte  er  die  Abtei 
nnter  die  Herrsehaft  Odiles  ihrer  Sicherheit  nnd  ihres  Be- 
sitzes halber:  er  solle  Mönche,  die  er  wolle,  dahin  abord- 
nen. Bischof  Isembert  bestätigte  die  Uebertragang  der  Kirche 
nnd  gewährleistete  ihr  Sicherheit  nnd  Unabhängigkeit^) 
Nach  Kadoloms  Tode  erschien  der  Abt  von  Clnni  bei  seinem 
Sohne  Wilhelm  nnd  liess  sich  den  Besitz  von  nenem  be- 
stätigen.^) 

So  viel  sich  also  erkennen  lässt,  erstreckte  sich  der  Ein- 
fluss  Odiles  nnr  anf  die  Gebiete  von  Poitiers  nnd  Cahors.  Die 
Abteien  des  Sprengeis  Limoges  befanden  sich  nach  den  Be- 
merkungen des  Bischofs  Jordan  auf  dem  Concil  zn  Bonrges 
in  geordneten  Verhältnissen.  Er  rühmte  ihre  Vorsteher  und 
gedachte  besonders  lobend  der  Klöster  St.  Martialis,  Chambron, 
Solignac,  Userche,  St.  Martin  nnd  St  Angustin  und  der  Nonnen- 
congregation  bei  der  Basilica  der  hl.  Jungfrau.^)  Das  Characte- 
ristische  war,  dass  der  aqaitanische  Episcopat  durchweg  die 
Herrschaft  ttber  seine  Abteien  zn  behaupten  wusste.  Er  er- 
schien auch  um  diese  Zeit  in  einer  wachsenden  Fürsorge 
für  eine  Reinigung  nnd  Besserung  der  aquitanischen  Kirchen- 
verhältnisse. Abgesehen  von  den  Bemühungen  um  den  Frieden 
Anfang  der  dreissiger  Jahre,  von  denen  noch  später  zn  reden 
ist,  ging  man  namentlich  darauf  aus,  den  Clerus  von  allen 
unlauteren  Elementen  zn  befreien,  und  sowohl  Beweibte,  als 
Verbrecher  von  den  clericalen  Würden  auszuschliessen,  die 
Disciplin  den  Laien  gegenüber  aufrecht  zu  erhalten.  Als  die 
Frage  nach  dem  Apostolat  des  hl.  Maiüalis  in  allen  aqui- 
tanischen Diöcesen  die  Gemüter  aufs  höchste  erregte,  zeigte 
sich  zur  Evidenz,  mit  welchem  Interesse  man  wieder  theo- 
logische Fragen  erörterte.  Der  klösterliche  Aufschwung  erlitt 
freilich,  wie  es  scheint,  bald  wieder  einen  Rückschlag,  der  von 


0  Die  Urkunde,  deren  Unterschriften  ebenfalls  auf  1021—1029  weisen, 
bei  MabUlon,  Ann.  Bened.  IV,  328.  Es  soll  in  Trion  eine  Celle  für  Mönche 
errichtet  werden. 

«)  CHOL  IV,  nr.  2816. 

»)  ib.  m,  nr.  2744. 

*)  Acta  concil.  Lemovic.  bei  Labbe,  Nova  bibl  II,  791. 


71 

nenem  Gelegenheit  zu  Eingriffen  von  oben  gewährte.  0  Damals 
erfolgte  die  systematisehe  Einführung  von  Cluniaeensem^)  in 
die  Abteien  des  Landes  auf  Veranlassung  des  Herzogs  Wil- 
helm Gotfried,  der  1058  seinem  Bruder  in  der  Regierung  ge- 
folgt war. 

Durch  die  geographische  Lage  und  besondere  Umstände 
waren  den  einzelnen  Ftthrern  der  Reformbewegung  in  Frank- 
reich bestimmte  Wirkungskreise  zugewiesen  worden.  Die  Nor- 
mandie  durfte  Wilhelm  von  Dijon,  so  lange  er  lebte,  als  seine 
Domäne  betrachten,  in  Maine,  Touraine  und  der  benachbarten 
Grafschaft  Poitou  wirkte  Gosbert  von  St  Julien ,  in  der  Bre- 
tagne reichten  sieb  die  Leiter  normannischer  und  Turoner 
Klöster  die  Hände.  Odiles  Thätigkeit  umfasste  Francien,  das 
burgundische  Herzogtum,  wo  er  mit  Wilhelm  von  Dijon  Ehren 
und  Leiden  teilte,  die  Auvergne  und  die  Diöcesen  Poitou  und 
Gabors.  Unbestritten  war  sein  Einflass  im  Königreiche  Bur- 
gund,  und  hier  hatte  er  auch  die  nachhaltigsten  Erfolge. 

*)  Hist.  monast.  novi  Pictav.,  HF  XI,  119:  Et  quia  omnia  monasteria 
per  Aquitaniam  regulafi  erant  ordinatione  destitutaj  —  viec  enim  in  (diquo 
eorum  rdigionU  trames  potuerai  inveniri  —  coepit  insistere,  vt  in  eis 
fmmasticum  ordinem  posaet  reformare,  unde,  accersitis  a  Cluniaco  viria 
valde  rdiffiosis,  eisdem  monasteriis  eos  praefecit. 

>)  Vgl.  Chron.  Gaafredi  monachi  S.  Martialis  a.  1063,  HF  XI,  288; 
Chron.  S.  Hazentii  a.  1070  a.a.O.  p. 405. 


Drittes  Capitel. 

Die  Cluniacenser  im  Königreich  Burgund. 


Lyoa  und  Vienne. 

Das  burgnndische  Königsgeschleclit  hatte  von  jeher  die 
claniacensisehe  Beform  begünstigt  In  mehreren  Urkunden 
spricht  Rndolf  HI.  ans,  dass  es  für  den  König  nichts  ehren- 
YoUeres  und  lobenswerteres  gäbe,  als  die  Kirchen  Gottes  zu 
restaurieren  und  durch  tägliche  Schenkungen  zu  bereichern.^) 
Dass  er  Odiles  Wahl  beiwohnte,  dass  er  wahrscheinlich  zur 
selben  Zeit  die  Abtei  den  Fürsten,  Richtern  und  Grafen  em- 
pfahl, in  deren  Gebiet  sie  Besitz  hatte,  damit  die  Mönche  „im 
Vertrauen  auf  unsere  und  Eure  Hilfe  für  uns  und  das  Wohl 
unseres  gesamten  Reiches  zu  Christus  beten  und  bei  den  von 
ihnen  unternommenen  guten  Werken  beständig  verharren^  2)  — 
ist  nicht  minder  ein  Beweis  yoUer  Würdigung  ihrer  Bestre- 
bungen, als  die  materiellen  Zuwendungen,  die  er  dem  Kloster 
angedeihen  liess.  Im  Jahre  998  bestätigte  er  einmal  alle 
Schenkungen  burgundiscber  Könige  an  das  Kloster  in  den 
Grafschaften  Lyon,  Frejus  und  Vienne, 3)  in  einem  andern  Di- 
plom aus  demselben  Jahre  überhaupt  alle  Grundrechte  und 
Privilegien  Clunis  im  burgundischen  Reiche^)  auf  Bitten  seiner 
Gemahlin  Agiltrud  und  des  Erzbischofs  Burchard;  und  so  sehr 
dieser  König  durch  die  Grossen  des  Landes  beschränkt  war, 
überwies  er  der  Abtei  doch  die  Kirche  St.-Blaise-aux-Liens  in 


^)  TrouUlat,  Monuments  de  Phist.  de  r^v6ch6  de  Bäle,  Proventruy 
1862  I,  139.  140. 

•)  CHOL  ni,  nr.  2270. 

')  ib.  nr.  2465. 

*)  ib.  nr.  2466.    30.  October— 31.  December  998, 


73 

der  GrafBchaft  Genf.^)  Bedeutend  freigebiger  yerhielt  er  sieb 
aber  der  Abtei  Romainmontier,  jener  alten  Familienstiftung, 
gegenüber,  der  er  in  den  Jabren  1009—1012  alljährlich  Gttter 
und  Rechte  überwieB  oder  ehemaligen  Grundbesitz,  der  später 
abhanden  gekommen  war,  restituierte.^)  Auf  Rudolfs  und  seiner 
zweiten  Gemahlin  Ermengardis^)  Elostergrttndungen  kommen 
wir  bald  zu  spreehen:  noch  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls 
wies  die  Königin  Odilo  aus  ihrem  Allodialgut  Landbesitz  zu.^) 
Wie  Rudolf  die  Sicherheit  der  cluniacensischen  Gttter  för- 
dern half,  bemtthten  sich  Bischöfe  und  Edle  seines  Landes  um 
die  Ausbreitung  der  mönchischen  Nonnen.  Die  Erzbisehöfe 
von  Lyon  hatten  seit  lange  sich  den  Mönchen  von  Cluni  ge- 
neigt erwiesen.  Burchard  L  erliess  ihnen  im  Februar  949 
Leistungen,  zu  denen  sie  durch  den  Besitz  zweier  Kirchen 
verpflichtet  waren.^)  Sein  Nachfolger  Amblard  schätzte  das 
Stift  vor  allen  andern  in  der  Nachbarschaft  und  liess  sich  in 
die  Gebetsbrttderschaft  der  Mönche  aufiiehmen.<^)  Er  vermachte 
ihnen  testamentarisch  bedeutenden  Grundbesitz  und  veranlasste 
die  Gründung  einer  abhängigen  Celle.'')  Burchard  IL  endlich, 
der  Bruder  Rudolfs  III,  schloss  mit  den  Brttdern  der  benach- 
barten Abtei  einen  Vertrag,  indem  er  sich  gegen  Abtretung 
von  Land  auf  Lebenszeit  verpflichtete,  ihnen  allezeit  als  Schtttzer 
und  Verteidiger  ihres  Besitzes  im  Gau  von  Vienne  zur  Seite  zu 


»)  Urk.  V.  14.  Jan.  1029,  Orig.  Guelf.  II,  p.  163,  nr.  74  und  CHCL  IV, 
nr.  2812;  Hidber,  Schweiz.  Urkandenregister  nr.  1295. 

')  Vgl  die  Urk.  Rudolfs  fttr  Romainmoutier  im  CartuL  de  Romain- 
moutier,  M^moires  et  documents  de  la  Suisse  Romande  III,  p.  Uff.  426. 
458;  M6m.  de  la  Suisse  Romande  XIX.  Einige  Urk.  Rudolfs  fUr  dasselbe 
Kloster  auch  bei  Cibrario  e  Promis,  Documenti,  Sigilli  e  Monete,  Torino 
1833,  p.  7. 18. 

')  Ueber  ihre  Herkunft  vgl.  Gisi  im  Anzeiger  fttr  schweizer.  Gesch. 
rv,  454.    Er  hält  sie  fttr  eine  Dame  aus  dem  Hause  Chambery. 

*)  Archivio  storico  ital.  ser.  IV,  11,243;  Cibrario  e  Promis  a.a.O. 
p.102;  CHCL  IV,  nr.  2892. 

»)  CHCL  I,  nr.  734. 

•)  ib.  II,  nr.  1450:  uf  in  vestris  orationUms  mereatur  conscriM  ac 
vestris  precibua  particeps  fieri,  quoniam  vos  prae  ceteris  vestris  vicinis 
venerabiliter  dileacit. 

"*)  ib.:  quaHnus  monachi  Cltmiacensis  loci  in  Nimsiaco  ceüam  Deo 
dicatam  tibi  canstruerent. 


74 

stehen. I)  Gegen  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  hatten  die 
Clnniacenser  bereits  sieben  abhängige  Mönchscellen  im  Erz- 
bistum Lyon.^)  Derselbe  Erzbischof,  der  sieh  in  gntem  Ein- 
yernehmen  mit  Radolf  befand  ,3)  wird  als  der  Urheber  der 
Wahl  eines  cloniaeensisehen  Mönches  zum  Abt  yon  Savigny 
bezeichnet 

Die  Erzbischöfe  von  Lyon  hatten  es  wie  wenige  verstan- 
den ,  die  bischöflichen  Rechte  hinsichtlich  der  in  ihrer  Diöcese 
liegenden  Klöster  zu  wahren.  Doch  hatte  schon  Amblard  den 
den  Abt  von  Savigny  vom  Könige  dahin  privilegieren  lassen, 
dass  es  keinem  Lyouer  Erzbischofe  erlaubt  sein  solle,  die  Be- 
sitzungen der  Abtei  zu  schmälern;  die  Obödienzrechte  aber 
blieben  ihm  vorbehalten,  ebenso  die  Bestätigung  der  Abtwahl.^) 
Schon  im  Jahre  1007  finden  wir  Odilo  unter  den  Ratgebern 
Bnrchards  bei  der  Besetzung  des  Abtstuhles  von  Savigny,  als 
die  schwerbedrückten  Mönche  den  Durantus  zu  ihrem  Leiter 
erkoren.  Im  Einverständnis  mit  Odilo,  Rainald  von  Ainay,  Ber- 
nard von  Isle-Barbre  und  Wigo  von  St-Thenderius  bestätigte 
ihn  der  Erzbischof.^)  Als  nun  Durantus  etwa  1020  sein  Leben 
beschlossen  hatte,  kamen  die  Brüder  seines  Klosters,  sogar  auf 
Verlangen  des  Erzbischofs  Burchard,  zu  Odilo  und  erbaten  einen 
seiner  Mönche  zu  ihrem  Abte.  Die  Forderung  wurde  nicht  ab- 
geschlagen, und  nun  waltete  der  Gluniacenser  Icterius,  wahr- 
scheinlich ein  Verwandter  Odilos,  vierundzwanzig  Jahre  als  Abt 
zu  Savigny  ;<))  sein  Todestag  ist  der  9.  oder  10.  Mai  1044.   Nach 

0  CHOL  n,  nr.  1 508 :  noveritiSf  quia  sanct^  recordationis  Burchardtts 
Lugdu/nensis  ecclesi^  presid  f^dus  voluit  inire  nobiscum  et  cum  monachia 
nostris  Deo  nobiscum  militantibua  et  conventionem  habuitj  ut,  8%  ei  de 
terra  b.  Petri  apostoli  cUiquid  largiremur  ad  usum  tantum  vit^  eivia,  nobis 
adiuitor  et  defensor  eooisteret  suis  omnibus  diebtis  et  custos  et  advocatus 
spesque  fidissima  ex  omnihis  rebus,  quas  in  Viennensi  pago  habemus. 

»)  Privileg  Gregors  V.,  J.-L.  2980;  vgl.  Ringliolz,  D.  hl.  Abt  Odilo 
p.  23.  Es  sind  die  Gellen  S.  Hariae  Taluzatis,  welche  durch  eine  März  999 
datierte  Urkunde  von  Blismodis  an  Clnni  kam  (CHOL  III,  nr.  2482),  Po- 
liacus,  Artedunus,  Ambierle,  Savigneux,  Gavariacus,  Luiniacus. 

0  Bresslau,  Konrad  II.  II,  54. 

*)  Orig.  Guelf.  n,  p.  138,  nr.  50.  Urk.  Konrads  v.  7.0ct.  976:  quatenus 
episcopus  subiectionis  sive  obedientiae  rtcepta  reverentia  dMta.  Vgl.  auch 
die  Urkunde  fUr  Isle-Barbre  bei  Lyon  ebenda  p.  135,  nr.  48. 

^)  Gartulaire  de  Savigny  I,  nr.  581. 

^)  ib.  I,  nr.  632,  Bestätigungsurkunde  Burchards  ohne  Datum.    Die 


75 

seiner  Zeit  scheint  Unruhe  nnd  Verwiming  in  dem  bnrgnn- 
disehen  Kloster  ausgebrochen  zu  sein:  seine  beiden  nächsten 
Nachfolger  wurden  ihres  Amtes  entsetzt.^) 

Icterins,  der  sich  durch  seine  Tüchtigkeit  besonders  aus- 
gezeichnet haben  muss,  blieb  nicht  auf.Sayigny  beschränkt; 
auch  anderwärts  hat  man  ihn  sich  zum  Abte  erbeten.  Wenn 
sich  auch  keine  Beweise  dafUr  finden,  dass  er  mit  dem  Abte 
Iterius  des  von  der  Königin  Ermengarde  unterstützten  Klosters 
St-AndrMe-Bas  zu  Vienne  identisch  ist,^)  so  bediente  dieselbe 
Königin  sich  doch  seiner,  um  die  von  ihr  bei  einer  Kirche  der 
Jungfrau  Maria  angelegte  Abtei  Taloire  bei  Annecy  mit  Mönchen 
zu  besiedeln;  mit  Erlaubnis  Rudolfs  und  nach  Beratung  mit  den 
Erzbischöfen  Leodegar  von  Vienne  und  Emmo  von  Tarantaise, 
den  Bischöfen  von  Genf  und  Valence  und  anderen  geistlichen 
nnd  weltlichen  Grossen,  die  zur  Weihe  der  Kirche  zusammen- 
gekommen waren,  wurde  Taloire  dem  Abte  Icterius  yon  Savigny 
unterworfen.  Die  Besitzungen,  die  sie  schenkte,  behielt  Ermen- 
gard  noch  für  ihr  Leben  gegen  einen  Zins  an  die  Mönche; 
nach  ihrem  Tode  gingen  sie  in  deren  freien  Besitz  ttber.^)  Auch 
Yon  Rudolf  wnsste  die  Königin,  unterstützt  durch  die  Erz- 
bischöfe  yon  Lyon  und  Vienne,  die  Bestätigung  ihrer  Bestim- 
mungen zu  erlangen.^)  Etwa  um  dieselbe  Zeit,  da  diese  Ueber- 


Brüder  kamen  zn  Odilo  commtmi  assensUf  iussu  domini  Btjurchardi  . . . 
Dann  weiter:  tficut  devotio  praedicti  domini  Burchardi  archipresidis postu- 
laret.  Wieder  treten  als  Burchards  Ratgeber  Bemard  von  Isle-Barbre  und 
und  Arnulf  von  Ainay  auf.  Breve  Chron  abb.  Sav.,  HF  XI,  199:  Erat 
Iterius  iste  Cluniaci  sitb  obedientia  S.  Odilonis.  Es  ist  wohl  nicht  der- 
selbe Iterins,  der  sich  CHOL  ni,  nr.  2765  von  1022  findet:  Data  per 
manua  Iterii  levite  et  monachi. 

^)  Breve  Chron.  Sav.  a.a.  0.  p.  120,  wo  sein  Todestag  auf  den  9.  Mai 
1044  angegeben  wird,  sowie  eine  Regierungszeit  von  vierundzwanzig 
Jahren.  Der  10.  Mai  findet  sich  im  Obituar.  Lugdun.  eccl.  ed.  Guigne, 
Lyon  1867,  p.  44. 

')  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  290  hat  das  zwar  angenommen,  doch  finde 
ich  in  dem  Cartuhure  de  Tabbaye  de  St.-Andr6-le-Bas  ed.  Chevalier,  Lyon 
1869,  keinen  Beleg  dafür. 

3)  Die  Grtindungsurkunde  steht  HPM  1,  496  und  Archivio  storico  ital. 
ser.  IV,  II,  341.  Die  Regierungszeit  der  Bischöfe  und  der  Umstand,  dass 
Rudolf  noch  lebte,  nötigen  die  Urkunde  1030—1032  zu  setzen. 

*)  ürk.  Rudolfs,  HF  XI,  548.  Hier  werden  bereits  Brüder  von  Ta- 
loire erwähnt:  et  utUitatem  fratrum  TcUveris  monastice  Deo  famulantium. 


76 

tragnng  erfolgte,  im  Jnni  1030,  erhielt  der  Abt  von  Savigny 
das  Kloster  St  Paul  de  Boateville  in  der  Saintogne  zur  Ordi- 
nation and  zn  dauerndem  Besitz,  das  Graf  Gotfried  yon 
AngonlSme  and  seine  Gemahlin  Petronilla  ans  eigenen  Mitteln 
erbaut  hatten.^)  Zur  Weihe  erschienen  der  Erzbischof  von  Bor- 
deaux und  die  Bischöfe  von  Saintes,  P^rigueux  und  Angon- 
ISme.  Gerade  der  Graf  und  seine  Frau  regten  auch  ihre  Ge- 
treuen zum  Bau  von  Kirchen  an.^) 

In  der  Diöcese  Vienne  besassen  die  Ciuniacenser  gegen 
Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  eine  abhängige  Celle  und  ein 
Kloster,')  über  deren  Besiedelung  wir  nicht  näher  unterrichtet 
sind.  Reichlicher  fliessen  die  Nachrichten  ttber  die  Wieder- 
herstellung des  in  Verfall  geratenen  Nonnenklosters  Si-Andrö- 
le-Haut.  Begünstigt  durch  Karl  den  Grossen  hatte  sich  das 
im  achten  Jahrhundert  durch  die  Sarrazenen  zerstörte  Gano- 
nissinnenstift  wieder  gehoben,  bis  in  der  folgenden  Zeit  schwere 
Stürme,  zwei  Belagerungen  von  Vienne,  870  durch  Karl  den 
Kahlen,  882  durch  Ludwig  und  Karlmann,  ferner  die  Einfälle  der 
Araber  und  Ungarn,  die  Abtei  von  neuem  in  Verfall  brachten.^) 
König  Rudolf,  der  sich  an  Odilo  wandte,  von  ihm  und  dem 
Bischof  Malen  yon  Grenoble  mit  Rat  unterstützt  wurde,  baute 
sie  aus  eigenen  Mitteln  von  grundaus  wieder  auf  und  liess  sie 
durch  Nonnen  von  St-C6saire  d'Arles  einrichten.  Am  25.  August 
1031  stellte  der  König  in  Peterlingen,  dem  Kloster  Odilos,  die 
wichtige  Urkunde  aus,  die  seine  Schenkungen  aufzählte,  die 
Immunität  aussprach  und  das  Kloster  allein  unter  den  Schutz 


Mithin  kann  dieses  Actenstttck  nicht  mit  Bouqnet  ca.  1020,  sondern  nur 
ca.  1031  gesetzt  werden.  Breve  Chron.  Sav.,  HF  XI,  199.  Ans  einer  Hand- 
schrift des  British  Mnseum  hat  Bresslaa  im  Nenen  Archiv  XI,  102  ein 
Necrologiam  aus  Taloire  veröffentlicht,  in  welchem  sich  der  Todestag  der 
£rmengard  VIII.  Kai.  Sept.  mit  dem  Zusatz  fundatrix  huius  loci,  der 
Rudolfs  Non.  Sept.  mit:  qui  fu/ndavit  hunc  locu/ni  eingetragen  findet 

0  Breve  Chron.  Savin.  a.a.O.  p.  199;  Hist.  pont.  et  com.  Engolism. 
c.  31  bei  Labbe  II,  257.  Die  Urkunden  bei  Guichenon,  Bibl.  Lebus.  cent 
I,  58.  62;  Cartul.  de  Savigny  l,  nr.633.  634. 

>)  Cartul.  de  Savigny  I,  nr.635. 

')  J.-L.  2980.  Es  ist  das  mona^teriwn  Tademiacum  und  die  cella 
Clauseüa, 

*)  Charvet,  M^moires  de  St.-Andr^-le-Haut  de  Vienne,  Lyon  1868, 
p.  41  ff. 


77 

des  Vienner  Erzbischofs  stellte.  0  Selbstverständlich  liess  es  auch 
die  Königin  an  Zuwendungen  nicht  fehlen;  mit  Kirchenschmnck 
und  Gerät  aller  Art  ehrte  sie  die  Nonnen,  mit  denen  neues 
Leben  in  die  vernachlässigte  Stätte  einzog/') 

Juraburgund. 

Der  bnrgundischen  Königsfamilie  blieb  die  Kaiserin  Adel- 
heid bis  in  die  letzten  Tage  ihres  Lebens  eng  verbunden.  Auf 
ihrer  Rundreise  durch  die  heiligen  Orte  von  Burgund,  welche 
die  Witwe  Ottos  L  noch  kurz  vor  ihrem  Tode  unternahm,  er- 
schien sie  auch  in  St- Victor  in  Genf.')  Sie  fand  das  Kloster 
so  verfallen,  dass  sie  dem  Bischöfe  riet,  den  Ort  wieder  neu 
mit  Mönchen  zu  bevölkern.  Es  war  ein  freudiges  Ereignis, 
das  die  Beform  zweifellos  sehr  förderte,  als  nicht  lange  nach 
dem  Besuche  der  greisen  Kaiserin  Hugo  von  Genf  die  Gebeine 
des  Märtyrers  auffand :  der  Festtag  des  hl.  Victor  versammelte 
die  geistlichen  und  weltlichen  Grossen  Burgunds  in  Genf,  die 
der  Beisetzung  der  teueren  Reliquien  unter  dem  Altare  in  der 
Basilica  beiwohnten;  König  Rudolf  selbst  und  seine  Gemahlin 
Agiltrud,  des  Königs  Bruder  Burchard  von  Lyon  verliehen 
durch  ihre  Anwesenheit  dem  Feste  würdevollen  Glanz.  Um 
den  Ort  zu  ehren,  beschloss  jetzt  auch  der  Bischof  reguläre 
Mönche  nach  St.  Victor  zu  führen.  Mit  Erlaubnis  des  Königs 
und  seines  Bruders,  des  Erzbischofs,  wandte  sich  Hugo,  da 
das  Kloster  zu  arm  war,  um  selbständig  zu  existieren,  an 
Odilo  von  Cluni  mit  der  Bitte  die  Abtei  zu  ttbemehmen.  Selbst- 
verständlich griff  Odilo  auf  der  Stelle  zu:  so  ward  bestimmt, 
dass  fortan  St.  Victor  im  Besitze  Glunis  bleiben  und  dessen 
Aebte  die  Ordinationen  in  dem  Genfer  Kloster  vornehmen  sollten, 
ein  Zugeständnis,   das   Bischof  Hugo  gewiss  nicht  ganz  aus 

>)  Die  Urkunde  Rudolfs  v.  25.  Aug.  1031,  HF  XI,  553  und  Charvet 
a.a.O.  p. 201.  Vgl.  Viennae  sanctae  et  senatoriae  Antiquitates  sacrae  et 
prophanae  bei  Dnbois,  Bibl.  Floriac.,  Lyon  1605,  p.  67.  Dazu  sehe  man  die 
Wahlarkunde  der  Aebtissin  Aldegard  von  1084  bei  Charvet  a.  a.  0.  p.  205: 
ex  regiis  aumptibus  a  fundamentis  renovavit  ac  sancH  Cesarii  Arelatensis 
manachabus  tempore  domni  Burchardi  archiepiscopi  ordinavit.  Nach  Char- 
vet p.  46  nahmen  sie  zwar  die  Benedicünerregel,  behielten  aber  doch  ge- 
wisse Einrichtungen  der  Canonissinnen  bei. 

>)  Bibliotheca  Floriac.  p.  67. 

<)  Epitaph.  Adelh.  c.  17.   Vgl.  Bd.  I,  344. 


78 

freien  Sttteken  Odile  angeboten  haben  wird.^)  Es  verdient  her- 
vorgehoben zu  werden,  dass  also  anch  hier  Rudolf  lU.  und  Bur- 
ehard  uns  als  Begünstiger  der  Reformbewegung  entgegentreten, 
lieber  die  Reformen  zweier  anderer  burgundischer  Klöster 
sind  wir  bezüglich  der  näheren  Thatsachen  nicht  unterrichtet. 
Wir  mUssen  uns  damit  begnügen  zu  berichten,  dass  ein  Graf 
Giselbert,  wohl  der  Bruder  Brunos  von  Langres  und  der  Ermen- 
trud,  Otto  Wilhelms  Gemahlin,  Odilo  beauftragte,  das  im  Jura 
gelegene  Kloster  Nantua  wieder  zur  regulären  Zucht  zurück- 
zuführen.^) Rechtlich  untergeben  war  Cluni  eine  andere  Abtei 
im  Schweizer  Jura,  die  Gelle  des  hl.  Engendus,  als  deren  Abt 
wir  zu  Odilos  Zeit  Gauzerannus  finden,  ohne  mit  Bestimmtheit 
sagen  zu  können,  ob  er  aus  Cluni  stammte  oder  nicht ^)    Die 


0  Die  Urknnde  ist  oft  gedruckt:  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,571;  Ann. 
Bened.  IV,  app.  637;  Origin.  Gaelfic.  IE,  p.  146,  nr.  57;  Guichenon,  Bibl.  Seb. 
Cent.  I,  nr.  13;  zuletzt  CHOL  ÜI,  nr.  2984.  Sie  ist  aber  auch  sehr  ver- 
schieden datiert  worden.  Schon  Mabillon  hat  die  späte  Datierung  Gniche- 
nons  auf  1019  zurückgewiesen;  ebenso  wenig  datiert  aber  Bruel,  CHOL 
m  a.  a.  0.  richtig  auf  993—999.  Adelheid  kam  999  nach  S.- Victor.  Non 
tnuUo  post  fand  die  Auffindung  der  Reliquien  statt;  die  Beisetzung  dürfte 
dann  vielleicht  am  Victorstage,  10.  October  1000,  erfolgt  sein  und  zwar 
darum,  weil,  wie  das  honae  nwnoriae  Adalheid  zeigt,  die  Kaiserin  bereits 
tot  war,  andrerseits  kann  sie  noch  nicht  lange  tot  gewesen  sein  —  sie 
starb  wohl  zwischen  der  Auffindung  und  der  Beisetzung  des  Märtyrers  — , 
weil  sie,  wie  ans  einer  Urkunde  Heinrichs  III.  vom  4.  Dec.  1049  bei  Gran- 
didier,  Hist.  d'Als.  I,  408  hervorgeht,  noch  die  Verblödung  Hugos  und 
Odilos  anordnete.  Hier  heisst  es:  corroboramus  iüam  conveniewtiam  ad 
honorem  et  utilitatem  Genevensis  ecclesiae,  quae  facta  est  inter  bofuie  me- 
moriae  Hugonem  eiusdem  civitatis  episcopum  et  fdicis  memoriae  venerabilem 
Ogdilonem  Cluniacensem  abb<Uemj  dictante  imperatrice  Adeldda^  Rodülfo 
rege  laudante,  faventibus  in  hoc  fratre  eius  Burcardo  archiepiscopo  ceteris- 
que  regni  principibus. 

^)  Jots.  Vit.  Odil.  II,  c.  16:  In  loeis  Iiirensibtis  Nantoatis  est  mono- 
sterium  sancto  patri  ad  componendum  regularis  vitae  statu/m  a  OisMerto 
comite  traditum.  In  demselben  Kloster  heilte  Odilo  nach  c.  17  einsteinen 
kranken  Knaben,  indem  er  ihn  ex  calice  sancti  Maioli  trinken  lässt. 

*)  Jots.  Vit.  Odil.  II,  c.  1 S :  devenerunt  ad  quandam  ceUam  sancto 
Eugendo  ahbati  iure  subditanij  ubi  honorifice  a  fratribus  HUc  manentibus 
suscepti  post  exhibitam  humanitatem  quieverunt.  Natiürlich  muss  es  heissen 
ceUam  sancti  Eugendi  abbati  (sc.  Odiloni)  etc.  Im  weiteren  Verlauf  der 
Erzählung  wird  Oauzerannus  abbas  S.  Eugendi  genannt  Nach  Dunod, 
Hist.  de  Bourgogne  I,  117  erscheint  Gauzerannus  1015  and  1020.  Die  im 
Catalog.  abbat.  S.  Eugendi  SS.  XIII,  745  bei  seinem  Namen  angeführten 


79 

Sorge  für  beide  Abteien,  sowie  seine  Befonnen  in  den  ost- 
bnrgundiscben  Diöeesen  Genf  und  Lausanne  ftthrten  Odilo  öfter 
in  jene  Gegenden^) 

Nicht  Clani  selbst,  seine  Filiale  Peterlingen  hatte  Anteil 
an  der  Klostergrttndnng  eines  bnrgnndischen  Edlen  Rudolf, 
der  von  der  religiös  aufgeregten  Strömnng  der  Zeit  fortgerissen, 
zor  Basse  seiner  Sünden  ein  Kloster  zn  erbauen  beschloss.  Er 
wandte  sich  998  nach  Peterlingen;  durch  die  dortigen  Mönche 
in  seinem  Vorhaben  bestärkt,  ging  er  an  die  Ausführung  seines 
Planes  und  errichtete  dem  hl.  Petrus  zu  Bevaix  im  Waadt- 
lande  am  See  von  Neufchatel  ein  Benedictinerstift,  das  er  mit 
Schenkungen  bedachte  und  Odilo  in  Besitz  und  Ordination 
ttbergab:  zwei  Solidi  sollen  die  Mönche  jährlich  dafür  nach 
Rom  zahlen.  Aber  Rudolf  sicherte  doch  seiner  Familie  für 
später  noch  einigen  Einfiuss:  einer  seiner  Erben,  den  er  er- 
nennen will,  soll  die  Yogtei  über  das  Kloster  übernehmen  und 
immer  soll  einer  seiner  Nachkommen  Advocat  von  Bevaix 
sein.  Der  Bischof  von  Lausanne  vollzog  die  Weihe  der  neuen 
GrUndung.2) 

Savoyen  und  Provence. 

Unter  den  mächtigen  Geschlechtem,  die  gegen  Ende  des 
zehnten  Jahrhunderts  in  Burgund  neben  dem  Königshause  her- 
vortreten, ist  das  der  Grafen  von  Savoyen.')  Auch  dieses 
Haus,  das  unter  Rudolf  IIL  schon  eine  bedeutende  Stellung 
einnahm,  finden  wir  unter  den  Begünstigern  unserer  Abtei: 


Urkunden  reichen  von  ca.  1008  — ca.  1023.  Sein  Nachfolger  Odericus  (nach 
Danod  1,117:  1025,  1032  und  1936)  ist  nach  dem  Catalog.  1023—1089 
nachzuweisen.  Die  Abtei  war  ehemals  nicht  ohne  Bedeutung.  YgL  Dunod 
a.a.O.  I:  Preuves  pour  Phistoire  de  Tabbaye  de  S.  Claude  LXV ff. 

^)  JoU.  Vit  Odil.  II,  7:  in  Peterlingen;  II,  15:  Peterlingen;  II,  16:  Nan- 
tua;  II,  17:  Nantua;  II,  18:  Jura,  St  Eugenius;  II,  21:  ex  partibus  Ultra- 
juianis  und  Nantoatis. 

')  MatUe,  Monuments  de  l'histoire  de  Neufchatel,  Neufchatel  1844, 
I,  p.  1 ;  OHGL  UI,  2453  vom  20.  Febr.  998.  Im  Jahre  1005  ist  Rudolf  noch 
am  Leben,  da  er  in  diesem  Jahre  mit  Odilo  einen  Tausch  abschliesst 
Matile  I,  p.3;  CHOL  III,  2607.  lieber  Bischof  Heinrich  vgl.  Gesta  ep. 
Lausann.  SS.  XXIV,  197.  Ueber  den  comitatus  Waldensis  Bresslau,  Kon- 
rad IL  II,  66  ff.  Heinrich  III.  bestätigt  am  4.  December  1049:  cdlam  etiam 
Bethuatiam  a  BodtUfo  qtiondam  bona  viro  Cluniacensi  monasterio  traditam. 

>)  Bresslau,  Konrad  IL  U,  60  ff. 


80 

beide  Linien,  die  ältere  von  Sayoyen-Belley,  wie  die  von  Aosta, 
machten  sieh  nm  den  Fortschritt  der  Reform  verdient  Darch 
ihre  Fördemng  gewann  Clnni  an  Boden  im  Bistnm  Grenoble, 
wo  es  bereits  im  Herbst  996  durch  Bischof  Hombert  eine 
Ortschaft  nebst  mehreren  Kirchen  erworben  hatte,^)  and,  nn- 
gewiss  wann,  in  Domäne  Mönche  ansiedelte.^)  Amadeas  I, 
Graf  von  Savoyen-Belley,  verlieh  nnn  am  22.  October  1030 
dem  Abte  Odilo  die  Kirche  des  hl.  Maaritias  zu  Malancöne 
im  Einverständnis  mit  dem  Bischöfe  Malenos  von  Grenoble, 
einem  Verwandten  des  Haases  der  Wigonen,  und  seinem 
Domcapitel,  nicht  ohne  sich  Patronats-  und  Repräsentations- 
reehte  vorzubehalten.  Die  Urkunde  ward  am  Hofe  des  Königs 
ausgestellt  und  von  diesem  selbst  unterzeichnet;^)  derselbe 
Graf  schenkte  bald  darauf  noch  Landbesitz  an  die  Kirche.^) 
Nicht  lange  Zeit  nachher  finden  wir  in  Malaucöne  refor- 
mierte Mönche.  Auf  jener  Versammlung  am  Königshofe  war 
auch  Graf  Humbert  Biancamano  von  Aosta,  der  das  Docu- 
ment  als  erster  bekräftigte.  Er  mit  seinen  Söhnen  Ama- 
deus,  Aimo  und  Oddo  gaben  an  die  Brüder  eine  Kirche  des 
hl.  Germanus,  einen  Wald  und  drei  Hufen  in  Savoyen,  zwei 
in  Belley;  er  bemerkt  ausdrücklich,  dass  sie  zu  seinem  AUo- 
dialgut  gehören,^)  andere  Uebertragungen  folgten  auf  Bitten 
Odilos.*)  Alles  das  bildete  später  die  Gelle  Le  Bourget,  die 
im  Besitze  Clunis  zum  ersten  Mal  in  der  Bulle  Stephans  IX. 
von  1058  aufgeführt  wird.') 


0  CHOL  m,  nr.  2307.  Humbert  von  Grenoble  giebt  die  Hälfte  castri 
de  Visilia  cwn  domo  mea  et  totum  hwrgum  cum  eccUaia  sanctf  Mari^  u.  a., 
ausserdem  eine  Kirche  des  hl.  Martin. 

*)  Vgl.  Cartul.  de  Domäne  nr.  1 ,  p.  1 ;  nr.  2,  p.  4 ;  nr.  22.  27  u.  a.  St 

*)  Guichenon,  Hist  de  la  royale  maison  de  Savoie  II,  pr.  8;  Archivio 
stör.  ital.  ser.  IV,  II,  234 ;  vgl.  Carutti,  II  conte  Umberto  in  Arch.  stör.  ital. 
ser.  IV,  I,  468 ;  HPM  I,  490. 

*)  Guichenon  1, 189-,  Arch.  stör.  ital.  ser.  IV,  I,  467  und  II,  235. 

^)  Guichenon  II,  pr.  5  und  Arch.  stör.  ital.  ser.  IV,  II,  239,  wo  aus- 
drücklich steht:  haec  supra  memorata  doinus  ad  auetentcttionem  fratrum 
apud  MaÜacenam  degentivim, 

«)  Guichenon  II,  pr.  6;  Arch.  stör.  I,  478.  479;  II,  240.  241. 

^)  Arch.  stör.  1, 470 :  CeUam  etiam  quae  vocatur  Burgwn^  quam  Arno- 
deua  comes  dedit  Deo,  fratribus  eius  faventibua  (so  offenbar  eu  emen- 
dieren  fUr  larentibu8)  Burchardo  videlicet  aJtque  Oddone,  J.-L.  4386  vom 
6.  März  1058. 


81 

Verfolgen  wir  die  Diöcesen  des  ehemaligen  proven^alisehen 
Reiches  nach  Süden,  so  stossen  wir  in  mehreren  derselben,  in 
Viviers*),  Us^z*),  Saint-Pol^),  Orange*),  bereits  in  den  ersten 
Jahren  Odilos  auf  eluniacensische  Ansiedelungen,  die  in  Ab- 
hängigkeit von  dem  Stammkloster  geblieben  waren.  Es  sind 
meist  kleine  Gellen,  deren  Entstehung  und  Anfangsgeschichte 
sich  in  der  Regel  unsern  Blicken  entzieht:  kleine  Colonien 
clnniaeensiseher  Mönche,  die  an  irgend  einer  der  Abtei  ge- 
hörigen Kirche  angesiedelt  wurden. 

Unter  Odilo  machte  der  Einfinss  der  Cluniacenser  in  die- 
sen Gegenden  weitere  Fortschrittte.  In  L^rins,  das  unter  Ma- 
jolus  reformirt,  aber,  wie  es  scheint,  unter  selbständige  Aebte 
gestellt  worden  war,  tauchte  Odilo  eine  Reihe  von  Jahren  als 
Abt  wieder  auf.*) 

In  der  Diöcese  Gap  besassen  die  Cluniacenser  das  Kloster 
Ganagobie  und  die  Celle  St-Andrö-de-Rosans,^)  die  der  Kle- 
riker Richaudus  im  April  988  an  Cluni  zur  Besiedelung  mit 
Mönchen  gegeben  hatte.')    Im  Jahre  1010  weihte  nun  Bischof 

^)  Hier  vier  Gellen  Mizoscum,  de  Rumpono  Monte,  ad  Fontes,  Risus. 
Nur  über  die  zweite  giebt  die  Urkunde  CHOL  II,  nr.  976—977  Auskunft. 
Silvius  giebt  sie  an  Cluni,  ut  domnus  abba  Mayolus  vel  sua  congregatio 
in  ibidem  locum  monastetnum  constriMnt  et  monachos  in  ipso  mittant. 

*)  Das  Kloster  St.  Peter  und  St.  Satumin  an  der  Rhone,  wohin  Wil- 
helm von  Dijon  geschickt  worden  war.    S.  Bd.  I,  S.  260. 

^  cella  S.  Amandi. 

^)  Die  cella  Podium  Odolenum  und  das  Kloster  St.  Pantaleon. 

'^)  Er  erscheint  in  zwei  undatierten  Urkunden  als  Abt,  Bibl.  Cluniac. 
col.333  und  334;  Gartul.  de  L6rins  I,  53  und  193.  In  der  Coli.  Moreau  XX, 
f.  248  trägt  aber  eine  der  Urkunden  (vhi  et  Vodilo  abbas  Cluniacensis  prcte- 
esse  videtur)  das  Datum :  IV.  Kai.  Sept.  a.  incam.  Dom.  MXXVIII.  In 
der  Series  abbat.  Lerin.,  Gart,  de  L^rins  I,  p.  358  ist  Wernerius  auf  ca.  990, 
Odilo  997—1020,  Amalrich  1028—1046  angegeben.  Mabülon,  Acta  SS.  VI, 
1,  573  entnimmt  aus  zwei  handschriftlichen  Chroniken  von  L^rins,  dass 
Odilo  nur  von  1022—1028  Abt  war,  und  weist  ausdrücklich  die  Meinung 
zurück,  dass  er  bald  nach  des  Majolus  Tode  die  Leitung  übernommen. 
Nach  Alliez,  Bist  du  monast.  de  L^rins,  Paris  1862,  II,  63  war  Amalrich 
schon  von  1025—1046  Abt.  Carraurais,  L'abbaye  de  Montmajour,  Marseille 
1877,  p.  29  meint  irrig,  erst  Wilhelm  von  der  Provence  habe  L^rins,  das 
unter  Montmajour  stand,  Odilo  übertragen. 

•)  J.-L.  3896. 

^)  CHOL  n,  nr.  1784;  Roman,  Tableau  bist  du  d^part.  des  H&utes- 
Alpes,  Paris-Grenoble  1890,  II,  p.  2. 

Saokar,  Clnniaceoaer.    U.  Q 


82 

Feraldu8  eine  andere  Kirche  des  hl.  Andreas  bei  Gap  auf  An- 
suchen eines  Bürgers  Adalald  und  seiner  Frau  Frodina,  welche 
die  Kirche  zur  Unterhaltung  eines  Priesters  dotiert  hatten.^) 
Dieselbe  Kirche  unterwarf  er  am  27.  März  1029  den  Clunia- 
censem,  fbr  die  sich  neben  einem  Canonicus  von  Gap  der 
Propst  Petrus  von  Si-Andr^-de-Rosans  verwendet  hatte.  ^) 
Zahlreiche  Schenkungen  kamen  in  der  Folge  an  die  mit 
Mönchen  besiedelte  Kirche.^) 

Wir  wissen,  dass  das  proveufalische  Grafenhaus  durch  die 
Vertreibung  der  Sarrazenen  und  den  Erwerb  des  von  ihnen 
occupierten  Landes  einen  bedeutenden  Machtzuwachs  erhielt 
Diesem  Umstände  verdankte  die  Reform  neue  Erfolge  in  den 
proven^alischen  Sprengein. 

So  war  der  Hof  Valensolle,  ein  Erbgut  des  Majolus,  das 
dieser  Wilhelm  I.  von  der  Provence  und  seinen  Brüdern  auf 
Lebenszeit  geschenkt  hatte,  an  Cluni  zurückgekommen.^)  Nach- 
dem Bischof  Almerad  von  Riez  in  einem  der  nächsten  Jahre 
auf  die  Zehnten  von  St.-Maximin,  die  er  lange  bestritten,  in- 
dem er  einmal  in  der  Kirche  erschien,^)  verzichtet,  sandte  Odilo 
den  Prior  Rainald  mit  der  Bitte  an  den  Bischof,  ihm  über 
die  Kirche  von  Valensolle  freie  Disposition  zu  gewähren,  ein 
Ansuchen,  dem  Almerad  um  so  weniger  widerstand,  als  er  be- 
reits 80  Solidi  von  den  Mönchen  erhalten  hatte.^)  Und  gegen 
eine  nochmalige  gleich  hohe  Gratification  in  Geld  und  anderen 
Geschenken  zeigte  er  sich  nicht  minder  williUhrig,  als  sie  ihn 
um  die  Erlaubnis  angingen,  neben  der  altheiligen  Kirche  ein 
Kloster  errichten  zu  dürfen.'') 

Ebenfalls  auf  ehemaligem  Grundbesitz  Wilhelms  I,  in  Sa- 


*)  GartuL  de  St.-Andr6-de-Qap,  Notice  bist,  et  doouments  in^dits  sur 
le  prieur^  de  Saint-Ändr6-de-Gap,  im  Bulletin  d^ist.  eccl68.  et  d'arch6ol. 
relig.  des  dioceses  de  Valence,  Gap,  Grenoble  et  Viviers  II,  257. 

>)  CHOL  IV,  nr.2813  und  im  Auszuge  in  Notice  hist.  etc.  a.a.O. 

')  Notice  hist.  a.a.O. 

*)  CHOL  III,  nr.  1837;  s.  Bd.I,  S.  232. 

«)  ib.  nr.  1866. 

^)  ib.  nr.  1990.  Urk.  Almerads:  vi  de  ecclesia  Valentiola  et  ältari  eis 
auctoritatefn  concederemtis,  sictU  inter  nos  et  iUos  convenit  , . .  ut  ipsam 
ecclesiam  cum  altari  liceat  tenere^  ordinäre^  veX  dare  sine  ullius  conttxh 
dictione, 

»)  ib.  nr.  1991. 


83 

rians  im  Erzbistum  Arles,  erbaute  ein  Möaeh  von  Clnni,  Leo- 
degar,  eine  Kirche,  die  der  Erzbischof  Regimbald  den  heiligen 
Peter  und  Paul,  Martellus  und  Saturnin  weihte,  und  die  Mönche 
besiedeln  sollten.^) 

Die  Restitution  von  Grundbesitz,  der  einst  Majolus  gehört 
hatte,  setzten  Wilhelm  IIL  mit  seiner  Gemahlin  Lucia  und  seine 
Neffen  Gausfred  und  Bertrann,  die  gleichzeitig  in  der  Provence 
herrschten,  fort.^)  Die  ersten  beiden  hatten  den  Cluniacensern 
schon  vorher  einen  Mansus  bei  der  Stadtmauer  von  Gap  zum 
Unterhalt  der  Mönche  abgetreten.^) 


1)  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,574  nach  einer  handschriftlichen  Notiz; 
die  Urkunde  jetzt  CHOL  IV,  nr.  2866.  Eine  andere  Elostergrtindung,  die 
von  St.  Colnmba  in  der  Diöcese  Toulouse,  die  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1, 576 
anführt,  wage  ich  nicht  unter  Odilos  Gründungen  zu  rechnen,  da  in  der  Ur- 
kunde nur  die  Schenkung  einer  Kirche  seitens  des  Bischofs  Petrus  Roge- 
rius  enthalten,  von  München  aber  nicht  die  Rede  ist.  Die  Urkunde  ist 
erhalten  im  Cod.  Paris,  lat.  1 1834.  Das  Datum  ist:  HeinHco  regnante  no- 
billissinw  rege  Francoruniy  also  1031—1048,  da  Odilo  noch  lebt. 

*)  CHOL  IV,  nr.  2916.  2917 :  qiuindam  terram  sancti  Maioli  aliquando 
hereditcUemj  actenus  vero  possessam  a  nostris  anteceasorihua,  nomine  Dilic^ 
dam  et  Septem  fontes  .. .  in  episcopatu  Begenai.  Die  Urk.  v.  1087.  Die 
erste,  die  der  Grafen  Gausfred  und  Bertrann,  ist  ap%id  Serrianum  viUamf 
also  im  Sprengel  von  Arles  ausgestellt,  die  zweite,  die  Wilhelms  III,  apud 
Podii  Odolinum  tnonasterium,  im  Sprengel  Orange,  einem  von  Cluni  ab- 
hängigen Kloster. 

>)  Urk.  V.  VII.  Id.  Mai.  1030  im  Cartul.  de  Saint-Andr^-de-Gap  a.  a.  0. 
p.  258. 


6^ 


Viertes   Capitel. 

Wachsende  Bedeutung  des  französischen 

Mönchtums. 


1.  Der  römische  Stuhl  und  der  nordfranzösische 

Episcopat. 

Nach  zwei  Seiten  sehen  wir  die  mönchischen  Anstalten  zn 
einem  wesentlichen  Teile  ihre  Stellung  zn  den  Diöcesanbischöfen 
nicht  wenig  verändern.  Während  die  bedeutenderen  gänzlich 
oder  doch  in  vieler  Hinsicht  dem  Einflüsse  des  Episcopats  ent- 
zogen werden,  finden  zahlreiche  andere  und  mit  ihnen  Kirchen 
und  Ländereien  nicht  mehr  in  den  Bischöfen,  sondern  in  grösse- 
ren Klöstern  und  deren  Achten  ihren  geistlichen  und  rechtlichen 
Beziehungsort:  es  bilden  sich  Kreise  und  Gruppen,  die  mit  der 
Diöcesangliederung  der  kirchlichen  Hierarchie  wenig  gemein 
haben,  welche  die  episcopalen  Rechte  der  Diöcesanbischöfe 
nach  mehr  als  einer  Seite  hin  zu  durchbrechen  drohen. 

Je  weniger  diese  Entwicklung  die  Begeisterung  der  Bischöfe 
fUr  sich  in  Anspruch  nehmen  durfte,  die  den  wachsenden  Ein- 
fiuss  des  Mönchtums  mit  Misstrauen  und  Unwillen  betrachteten, 
desto  mehr  erfreute  sich  dieses  der  Gunst  des  römischen 
Stuhles.  Hatte  schon  Silvester  11.^)  das  Wohl  der  römischen 
Kirche  mit  der  Blttte  Glunis  in  Beziehung  gesetzt,  so  zeigt  die 
folgende  Entwicklung  ein  immer  stärkeres  Verschmelzen  der 
Interessen  des  Mönchtums  und  der  des  Stuhles  Petri.  Die 
Schutz-  und  Exemtionspriviliegien  der  Päpste  traten  in  Wirk- 
samkeit Der  Mangel  an  juristischer  Schärfe,  der  in  den  Ur- 
kunden hervortritt,  ftthrte  notwendig  zu  streitigen  Auffassungen. 


»)  S.  Bd.  I,  S.  853. 


85 

So  wie  das  Mönchtum  sich  mehr  nnd  mehr  daran  gewöhnte, 
die  Schntzpflicht  Roms  anznrnfen,  so  wuchs  das  Selbstbewnsst- 
sein  der  römischen  Kirche.  Anch  sie  konnte  nicht  unberührt 
bleiben  yon  dem  Machtgeftlhl,  das  die  kirchlichen  Kreise  in 
steigendem  Masse  empfanden:  so  nahmen  auch  die  Päpste  des 
elften  Jahrhunderts  bald  mehr  bald  weniger  jede  Gelegenheit 
wahr,  den  Bischöfen  gegenüber  auf  die  universalen  Ansprüche 
der  Kirche  Petri  zurückzugreifen.  Es  musste  zu  um  so  stär- 
keren Conflicten  mit  dem  Episcopat  kommen,  je  mehr  er  sich 
der  römischen  Oberherrschaft  entwöhnt  hatte. 

Wieder  trat  die  Verbindung  Roms  und  der  französischen 
Mönche  im  Gegensatz  zum  Episcopat  gelegentlich  der  Forde- 
rung hervor,  die  der  Bischof  von  Orleans  hinsichtlich  des 
Obödienzeides  des  Abtes  von  Fleury  erhob.  Gauzlin  wies«  wie 
sein  Vorgänger  Abbo  das  Ansinnen  des  Bischofs  zurück;  ja, 
als  Fulco  am  Benedictsfeste  uneingeladen  mit  grossem  Gefolge 
nach  Fleury  kam,  wurde  er  mit  Schimpf  und  Schande  davon 
gejagt.  Es  kam  zu  turbulenten  Scenen.  Das  Geschrei  der 
Bürger  erfüllte  die  Strassen.  Die  Marktbesucher  wurden  aus- 
einander getrieben,  viele  mit  Knütteln  getötet*)  Im  franzö- 
sischen Episcopat  machte  dieses  kurze  Verfahren  das  grösste 
Aufsehen.  Der  Abt  verweigerte  nicht  nur  den  Eid,  sondern 
auch  jede  canonische  Abhängigkeitserklärung.  Mochte  man 
ihm  als  Benedictiner  die  Berechtigung,  jenen  abzulehnen,  zuge- 
stehen, so  schrieb  doch  der  gelehrte  Fulbert  von  Chartres  an  Abt 
Gauzlin:  er  könne  kein  Gesetz  und  keinen  vernünftigen  Grund 
ausfindig  machen,  der  ihn  von  dem  Joch  dieser  Untergebenheit 
befreie.^)  Im  Interesse  des  Friedens  bat  auf  der  andern  Seite 
Fulbert  den  Bischof  von  Orleans,  nachzugeben  und  auf  den  Eid 
und  sonstige  Leistungen  weltlichen  Rechtes  zu  verzichten,  wenn 
sich  Gauzlin  zu  dem  einfachen  Versprechen  der  Untergeben- 


»)  Vgl.  V.  Gauzlini  I,  c.l2. 

*)  Fulberti  epist.  72:  Ego  enim  neque  legetn  neque  modwn  ratiocina- 
tionia  invenire  possum,  qui  vos  ab  iugo  subiectionis  huius  absolvat  . . .  Ne 
quis  V08  sedticat  inünibus  verbis.  Worin  die  Forderung  Fulcos  bestand, 
erhellt  aus  epist  41  an  Fulco:  Igitur  si  abbas  S.  Benedicti  de  veatro  con- 
temptu  cvXpam  8Mam  recognoverit  et  illam  deinceps  stibiectionem  promiseritj 
quae  vobis  canonice  debetur,  hortor  et  stuideOj  ut  recipiatis;  sacramenta 
vero  et  caetera  quae  ad  mundanam  legem  pertinent  . . .  missa  faciatis. 


86 

heit  verstehe.  Sefaon  war  man  damals  in  diesen  Kreisen  ge- 
wiss, dass  der  König,  dnreh  seine  Umgebung  beeinflasst,  die 
Mönchspartei  begünstige.  Aber  der  Abt  von  Flenry  wieh  keinen 
Schritt;  er  wurde  von  Falco  exeommuniciert,  der  ergrimmt  auch 
seine  Amtsgenossen  zn  gleicher  Handlnngsweise  aufforderte. 
Der  tiefe  Gegensatz,  der  die  beiden  Parteien  trennte,  trat 
augenblicklich  hervor,  als  Gauzlin  auf  dem  französischen  Con- 
zil,  das  die  beiderseitigen  Bechte  prüfen  sollte  und  dem  auch 
der  König  beiwohnte,  ein  päpstliches  Privileg  vorlegte,  nach 
welchem  der  Bischof  das  Kloster  nur  auf  Einladung  des  Abtes 
besuchen  dürfe.  Die  Freunde  des  Erzbischofs  Leotherich  von 
Sens  und  Fulcos  von  Orleans  erhoben  sofort  ein  wüstes  6e- 
schrei:  man  wolle  die  Urkunde  verbrennen,  drohte  man,  wenn 
man  sie  nur  erst  in  die  Hände  bekäme.  Fulco  forderte  den 
Abt  geradezu  auf,  das  Privileg  ins  Feuer  zu  werfen.  Ein 
römischer  Cardinal  wohnte  dem  Auftritte  bei  und  machte  Jo- 
hann XVIII.  Mitteilung.  Der  Papst  schrieb  einen  entrüsteten 
Brief  an  den  Könige):  einige  französische  Bischöfe  hätten  die 
Autoriiät  des  römischen  Stuhles  so  sehr  verhöhnt,  dass  sie  ihm 
jeden  weiteren  Gehorsam  aufkündigten.  Sein  Gesandter  sei 
aufs  empörendste  beleidigt  worden,  indem  man  in  seiner  Gegen- 
wart sich  verächtlich  über  die  römische  Kirche  ausgesprochen 
habe.  Johannes  zog  die  Sache  nach  Bom.  Bis  zu  den  näch- 
sten Ostern,  sollten  die  Hauptübelthäter  Leotherich^)  und  Fulco^) 
bei  Strafe  des  Bannes  erscheinen;  auch  den  Abt  von  Fleury^) 
lud  er  vor;  „Weil  Du  die  Autorität  der  römischen  Kirche  ver- 
teidigt und  uns  zur  Ehre  gehandelt  hast,  so  gewähren  wir  und 
der  hl.  Petrus  Dir  unser  Vertrauen  und  unsern  Segen'  schrieb 
ihm  der  Papst.  Zwar  entschied  nicht  mehr  Johann  XVIII.  die 
Sache  <^);  aber  wenn  späterhin  dem  Abte  von  Fleury  gestattet 


»)  V.  Gauzlini  I,  c.  14;  J.-L.  nr.  3958. 

>)  ib.  I,  c.  15.  Brief  an  Leotherich;  J.-L.  nr.  3959. 

8)  ib.  I,  c.  16.  Brief  an  Fulco;  J.-L.  nr.  3960. 

*)  ib.  I,  c.  17.  Brief  an  Gauzlin;  J.-L.  nr.  3961. 

^)  Hier  herrscht  in  der  Vita  Gauzlini  I,  c.  18  Verwirrung^  wenn  es 
heisst :  Qui  apostolicis  obaudiens  praeceptis  Romam  tendit.  Sed  eum  (Joh.) 
quem  cupieratf  viventem  non  reperit.  Suscipitur  tarnen  cum  ingenti  honore 
a  Benedicto.  Da  Benedict  VIIL  gar  nicht  auf  Johann  XVIIL  folgte,  ist 
hier  wahrscheinlich  ein  Capitel  in  der  V.  Gauzl.  ausgefallen;  denn  das, 
was  folgt,  steht  in  gar  keinem  Zusammenhange  zum  Vorangehenden.  Von 


87 

wird,  von  einem  beliebigen  Bischöfe  sich  weihen  zn  lassen, 
aasser  von  denen  von  Sens  nnd  Orleans,  so  beruhte  das  jeden- 
falls auf  einer  päpstlichen  Entscheidung,  die  den  Bischof  de- 
finitiv von  der  Untergebenheit  unter  den  Diöcesanbischof  be- 
freite.*) 

Unter  Johanns  Nachfolger  Sergins  verschärfte  sich  der 
Confiict  zwischen  dem  römischen  Stuhle  und  der  nordfranzö- 
sischen Geistlichkeit  Der  Graf  Fulco  Nerra  von  Anjou,  ein 
Kirchenränber  ohne  Gleichen,  hatte  bei  seiner  Burg  Loches 
im  Gau  von  Tours  ein  Kloster  errichtet,  zu  dessen  Weihe  er 
den  Erzbischof  Hugo  aufforderte.  Als  dieser  die  Einladung  mit 
dem  Verlangen  ablehnte,  Fulco  solle  erst  das  geraubte  Gut  den 
Besitzern  ausliefern,  bevor  er  sein  eigenes  Gott  weihe,  wandte 
sich  der  Graf  erzürnt,  wie  es  heisst  mit  reichen  Geschenken,  an 
Johann  XVIII.^)  und  stellte  die  Stiftung  unter  seinen  Schutz.  Aber 
erst  Sergius  IV.^)  war  es,  der  seinen  Gardinallegaten  Petrus  mit 
dem  Auftrage,  den  Willen  Fulcos  zu  erfüllen  und  die  Abtei  zu  con- 
secrieren,  nach  Frankreich  sandte.  Im  französischen  Episcopat 
erregte  diese  Handlungsweise,  die  man  der  Bestechung  zuschrieb, 
den  gewaltigsten  Unwillen.  Einstimmig  hielt  man  es  für  un- 
geziemend, dass  der,  welcher  den  römischen  Stuhl  inne  habe, 
die  apostolischen  und  canonischen  Vorschriften  überschritte, 
die  dahin  gingen,  dass  kein  Bischof  in  der  Diöcese  eines 
andern  irgend  eine  Handlung  ohne  seine  Erlaubnis  verrichte. 
Selbst  die  Mönche  scheinen  sich  teilweise  diesem  Verfahren 

Benedict,  wird  erzählt,  erlangte  Gauzlin  die  Excommunication  des  Vice- 
grafen  Gaufred  von  Bourges,  der  ihm  den  Zutritt  zur  Stadt  verweigerte. 
Davon  ist  vorher  nichts  gesagt;  c.  11  wird  nur  kurz  seine  Erhebung  zum 
Erzbischof  von  Bonrges  berichtet.  Es  ist  anzunehmen,  dass  hier  ein 
Capitel  ausgefallen  ist,  welches  die  Schwierigkeiten  behandelte,  die  Gauz- 
lin bei  der  Besitzergreifung  des  erzbischöflichen  Stuhles  erfuhr.  Ueber 
den  Zeitpunkt  des  Streites  mit  Fulco  ist  deshalb  vielleicht  nichts  zu 
folgern. 

*)  Consuet.  Veteres  Floriac.  bei  Joh.  a  Bosco,  Vetus  bibl.  Floriac, 
1605,  p.408;  Pardiac,  Hist.  de  St.  Abbon  p.  321  will  diese  Einführung  auf 
die  Vorgänge  der  Synode  von  St.  Denis  beziehen;  doch  handelte  es  sich 
hier  nur  um  die  Zehnten-,  nicht  um  die  Unterordnungsfrage. 

»)  J.-L.  nr.  8962. 

3)  Vgl.  Rod.  Glab.  Hist.  II,  c.  4.  Glaber  nennt  den  Papst  Johann, 
aber  ans  den  Urk.  Sergius  IV.  (J.-L.  nr.  3980  und  3987)  geht  hervor,  dass 
dieser  es  war. 


88 

entgegengesetzt  zn  haben,  wenn  Rodulfhs  Glaber  dem  Papst 
zwar  eine  grössere  Ehrfurcht  zugestand,  aber  Eingriffe  in  fremde 
Diöcesen  fiir  aneanonisch  erklärte.  Die  Weihe  fand  in  der  That 
statt;  es  hatten  sieh  sogar  eine  Anzahl  Bischöfe  eingefunden, 
die  unter  der  Botmässigkeit  des  Grafen  von  Anjou  standen. 
Dass  eine  Klage  des  Erzbischofs  gegen  Fulco  bei  der  römischen 
Curie  abgewiesen  wurde,  ist  unter  diesen  Umständen  begreiflich. 
So  musste  denn  mehr  und  mehr  eine  Entfremdung  des 
nordfranzösischen  Episcopats  und  der  Curie  erfolgen.  Man  mag 
sich  deshalb  vorstellen,  was  die  Erhebung  Gauzlins,  der  erst 
vor  kurzem  den  Bischöfen  so  schroff  entgegengetreten  war, 
auf  den  Stuhl  von  Bourges  zu  bedeuten  hatte.  Er  war  ein 
natürlicher  Sohn  Hugo  Capets.  Wieder  rief  man  einstimmig: 
Nicht  zieme  es,  dass  ein  Bastard  die  Kirche  beherrsche  ^),  und 
der  Vicomte  Gausfred  von  Bourges  verweigerte  ihm  hartnäckig 
den  Eintritt  in  die  Metropole.  Endlich  im  Frtthjahr  1016  finden 
wir  König  Robert  zugleich  mit  einer  Gesandtschaft  Odilos  von 
Cluni  in  Rom;  und  da  uns  von  andrer  Seite  berichtet  wird, 
dass  Odilo  im  Interesse  Gauzlins  thätig  war  2),  so  darf  man  wohl 
die  Unterhandlung  zwischen  Benedict  Vm.  und  dem  Könige  von 
Frankreich  zu  Gunsten  Gauzlins  in  dieses  Jahr  setzen,  zumal 
jetzt  ein  directer  Befehl  des  Papstes  an  den  Vicegrafen  dem  Abte 
von  Fleury  die  Thore  von  Bourges  öffnete  3),  wo  er  unter  grosser 
Teilnahme  des  Volkes  am  1.  Dezember  1017^)  als  Erzbischof 
einzog.  Sicherlich  hatte  sich  der  Abt  von  Cluni  damals  in 
hohem  Masse  den  Dank  des  Königs  verdient;  denn  gerade 
während  dieses  römischen  Aufenthaltes  erwirkte  Robert  für 
ihn  eine  Bulle  von  Benedict  YIII,  die  an  die  Bischöfe  von 
Burgund,   Aquitanien  und  Provence  gerichtet  war^)   und  sie 

^)  Ademari  Hist.  III,  c.  39 :  Sed  et  ipsi  quinquennio  seditionem  agen- 
teSj  noluerurU  eum  in  civitatefH  reciperCj  dicetites  una  voce:  Non  decet 
dominari  ecceaiae  filium  scorti. 

')  Ademari  Interpret.:  sequtstro  Odilone  abbate. 

8)  V.  Gauzlini  I,  c.  19;  J.-L.  nr.  3995;  dort  irrig  ca.  1013  datiert. 

*)  Pfister,  Etudes  p.  191. 

*)  J.-L.  nr.  4013  v.  1.  Sept.  1616;  Bull.  Cluniac.  p.  6:  IgituVj  quia  in 
eodem  loco  iuges  orntiones  et  missaruni  celebrationes  et  elemosinae  fiunt  pro 
statu  sanctae  Dei  ecclesiae  et  oninium  fidelium  vivorutn  et  defunctonmi 
scdute  et  requie,  ipsius  dispendium  commune  omnium  nostrum  est  detri- 
mentum. 


89 

aufforderte,  eine  Beihe  von  Kircbenränbem,  die  den  elnniacen- 
sischen  Besitz  vielfach  angegriffen  nnd  belästigt  hatten,  zu 
excommunieieren.  Er  verlangte,  dass  die  Frevler  vom  April 
big  Michaeli  Busse  nnd  Genngthuung  leisteten:  dann  solle  ihnen 
verziehen  sein.  Im  Nichtfalle  trifft  sie  der  Kirchenbann  und 
ein  furchtbarer  Fluch.  Das  Wichtigste  aber  sind  für  uns  die 
Worte,  mit  denen  der  Papst  seine  Verteidigung  Clunis  begrün- 
det: „Weil  an  derselben  Stätte  fortwährend  Gebete,  Messen 
und  Almosen  geschehen  fUr  das  Bestehen  der  hl.  Kirche  Gottes, 
fttr  die  Rettung  und  Seelenruhe  aller  Gläubigen,  der  Lebenden 
und  Toten,  so  ist  die  Schädigung  eben  jener  Abtei  unser  ge- 
meinsamer Schaden.^ 

Nur  wenig  später  suchte  auch  Richard  II.  von  der  Nor- 
mandie  durch  Wilhelm  von  Dijon  in  Rom  Schutz  gegen  die 
Bischöfe  seines  Landes,  von  deren  Seite  ihm  wegen  einseitiger 
Begünstigung  des  Mönchtums  die  Gefahr  der  Excommnication 
drohte.^) 

Die  Kluft  zwischen  Rom  und  den  Bischöfen  des  nörd- 
lichen Frankreichs  schien  sich  mehr  und  mehr  zu  erweitem. 


2.   Cliini  und  die  Opposition. 

Vor  allem  brach  sich  aber  auf  dem  römischen  Stuhle  das 
Bewusstsein  mehr  und  mehr  Bahn,  dass  das  Heil  der  Kirche 
auf  dem  Regularclerus  beruhe,  dass  die  Mönche  die  wahren 
Vorkämpfer  ftir  die  christlichen  Ideale  seien:  ein  Gesichtspunkt, 
den,  wie  wir  wissen,  um  dieselbe  Zeit  Heinrich  II.  zum  Aus- 
druck brachte,  als  er  den  Cluniacensern  den  ihm  von  Bene- 
dict VIII.  überreichten  Reichsapfel  zum  Geschenk  machte.^) 
Wenn  aber  auch  der  nordfranzösische  Episcopat  zeitweise  dem 
wachsenden  Einfluss  des  Mönchtums,  dem  Ansturm  gegen  die 
diöcesanen  Rechte  sich  entgegenstellte,  so  gab  es  doch  sicher 
genug  Bischöfe,  welche  die  Verdienste  des  Klosterwesens  um 
die  Wiedererweckung  des  kirchlichen  Geistes  vollauf  zu  wür- 
digen verstanden,  wie  Fulbert  von  Chartres,  der  erste  Gelehrte 
seiner  Zeit,  der  ebenso  sehr  in  medizinischen  als  juristischen 
Kenntnissen  seine  Zeitgenossen  überragte.   So  wenig  er  geneigt 

0  8.  oben  8. 46  f.       »)  8.  oben  8.11. 


90 

war,  woblbegrttndete  Rechte  des  Episcopats  dem  Mönchtnm 
preiszugeben,  so  offenbarte  er  sich  doch  als  warmer  Freund  der 
Religionsbestrebungen  der  Clnniacenser.  In  der  Wirksamkeit  und 
der  Begünstigung  des  Mönchslebens  sab  er  die  wahre  Religion 
verkörpert*);  in  Odilo  und  seinen  Anhängern  verehrte  er  die 
Heiligen  und  Weisen  der  Kirche^)  und  fUr  den  Abt  von  Clnni 
im  besondem  beseelte  ihn  eine  hingebende  Begeisterung.')  Er 
nennt  ihn  einmal  Erzengel  der  Mönche,  mit  dem  er  sich  in 
keiner  Weise  vergleichen  könne,  und  dieser  Ausdruck  wird 
bald  geflügeltes  Wort.'^) 

Ueberhaupt  wuchs  das  Ansehen  Odiles  und  seines  Klosters 
seit  dem  Anfange  des  Jahrhunderts  in  ungeahntem  Masse.  Die 
Freiheiten  Clunis  wurden  zu  einem  ausgesprochenen  Vorbild  fbr 
andere  Abteien,  wie  Fruttnaria  und  F^camp.  Selbst  in  der 
formelhaften  Sprache  der  Urkunden  heisst  Odilo  der  ruhm- 
reiche^), der  ehrwürdigste^),  süsseste^)  Vater,  der  mit  wach- 
samer Sorge  in  geziemendster  Weise  herrscht^),  der  nicht  nur 
in  Clnni,  sondern  allen  auf  der  Erde  durch  Wort,  That  und 
Beispiel  nützte),  während  die  Abtei,  der  er  vorstand,  als  hoch- 
berühmt  ^o)  und  hochgeheiligt  1*)  bezeichnet  wird,  als  ein  Ort, 
der  mit  allen  köstlichen  Tugenden  geschmückt  ist.*^) 

^)  Fulberti  epist.  75.  Er  identifiziert  hier  amor  monasticae  vitae  mit 
amor  religionis. 

2)  a.  a.  0. :  quod  nunc  cum  sanctis  virü  ac  sapientihis  agis,  patrem 
nostrum  Odilonem  loquor  et  asseclas  eius. 

8)  Vgl.  die  Briefe  104—107. 

*)  Fulberti  epist.  104:  exc^to  iUo  sancto  nwnachorum  archangdo  Odi- 
lone,  cui  me  in  nrdlo  comparare  praesumo.  Diese  Bezeichnung  als  von 
Fulbert  herrührend  bei  Jots.  V.  Odil.  I,  c.  11.  Fulberti  epist.  105:  veniam 
atUem  aliquandOf  8%  licuerit,  ad  eos,  quos  vere  inJwMtcU  Spiritus  sancttis. 

*)  CHOL  III,  nr.  2042. 

*)  ib.  IV,  nr.  2815:  reverentissimus  Odilo. 

')  ib.  nr.  2814:  dulcissimus  pater  Odilo. 

^)  ib.  nr.  2042 :  qui  ad  presens  regitwr  decentissime  sub  gloriosi  patris 
Odilonis  pervigili  sollicittidine. 

•)  ib.  nr.  2771:  vM  domnus  ahha  Odilo  preesse  et  multo  rnagis  pro- 
dessCj  non  solum  ibi,  sed  cunctis  in  orbe  verbo,  opere  et  excmplo  cemitur. 

*o)  ib.  nr.  2049.  2379.  2765.  2867:  famosissimo  coenobio,  ad  famosissi- 
mum  coenobium. 

m 

")  ib.  nr.  2776:  iam  dicto  sacratissimo  Cluniacensi  monasterio. 
^^)  ib.  nr.  2465 :   loco  praefato  omnibua  virtutwn  monilibus  decenter 
adomato. 


91 

König  Robert  war,  wie  bemerkt,  in  der  Hand  der  geist- 
lichen Demoeratie,  die  an  den  Hof  nnd  in  die  Bargen  des 
Adels  drang,  die  anch  die  bischöflichen  Sttthle  mehr  and  mehr 
in  Besitz  zn  nehmen  drohte.  Politische  Geschäfte  nnd  diplo- 
matische Sendangen  wnrden  hänfig  Mönchen  ttbertragen.  Aber 
je  mehr  sie  in  der  Oeffentlichkeit  Einflnss  gewannen,  je  mehr 
sie  in  weltlichen  Geschäften  sich  bewegten,  desto  weniger 
konnte  eine  gewisse  Entfremdung  von  ihrer  eigentlichen  Auf- 
gabe ausbleiben.  Es  ist  eine  bemerkenswerte  Thatsache,  dass 
das  Mönchtum  jedesmal  seinen  eigentlichen  Zweck  negiert  und 
damit  die  Keime  des  Verfalls  aufnimmt,  so  oft  es  sich  auf 
einem  Höhepunkte  seiner  Entwickelung  befindet.  Odilo  er- 
schien den  Zeitgenossen  wie  ein  Heerkönig,  dem  gewaltige 
Scharen  getreuer  Mannen  stets  folgten.  Aber  eben  jenes  Ein- 
greifen in  die  weltlichen  Geschäfte,  jener  pretentiöse  Aufwand, 
das  Eindringen  in  verschiedene  Lebenssphären  ist  es,  was 
den  Unwillen  und  den  Spott  der  Gegner  herausfordert;  nicht 
weniger  mochten  jener  Pfaffendttnkel  und  Asketenstolz  *),  die 
scharfe  Zange  voller  Vorwürfe,  welche  die  höchsten  Kreise 
nicht  schonte,  leicht  den  Hass  derer  hervorrufen,  welche  die 
neue  Zeit  an  der  alten  zu  messen  pflegen. 

Eine  heftige  Opposition  gegen  das  reformatorische  Mönch- 
tum erwuchs  nicht  nur  unter  den  Bischöfen,  sondern  im  Bene- 
dictinerorden  selbst.  In  einzelnen  französischen  Klöstern,  wo 
die  cluniacensischen  Institutionen  schon  vor  längerer  Zeit  ein- 
geführt waren,  erhob  sich  um  die  Wende  des  zehnten  Jahr- 
hunderts eine  Partei,  deren  Bestrebungen  gegen  die  Centrali- 
sationspläne,  gegen  den  im  Steigen  begriffenen  Absolutismus 
der  Gluniacenser  gerichtet  waren.  Man  sieht  in  der  Regel  die 
Aebte  der  Stifter  mit  den  grossen  Führern  der  Bewegung  in 
Verbindung:  wohl  überall  stand  die  Unterwerfung  jener  Klöster 
unter  die  Herrschaft  des  Stammklosters  in  Frage.  Aufs  deat- 
lichste  hat  wenigstens  Odilo  die  Bildung  einer  Congregation 
verfolgt:  die  meisten  der  Klöster,  die  er  reformierte  oder  neu 
errichtete,  hat  er  verstanden,  von  sich  abhängig  zu  machen. 

Wir  wissen,  dass  St.  Marcel  de  Sauzet  bereits  unter  Ma- 

>)  Vgl  die  Glosse  Ekkehftrts  von  St.  Gallen  bei  Hattemer,  St.  Galler 
Sprachschätze  II,  79,  wo  von  Richard  und  Poppo  gesagt  wird :  quorum 
uterque  dicit  se  sanctum  Benedictum  quidem  esse. 


92 

jolns  von  Clnni  ans  besiedelt,  als  ein  selbständiges  Kloster 
aber  dem  römischen  Stuhl  untergeben  wurde  ^);  Odilo  hat  es 
dann  durchgesetzt,  dass  dasselbe  durch  den  Grafen  Ademar 
von  Valenee  und  seine  Gemahlin  Rothilde  ^)  in  den  dauernden 
Besitz  von  Cluni  kam.  Paray,  die  Stiftung  des  Grafen  Lam- 
bert von  Chalon,  hatte  Majolus  mit  einrichten  helfen;  aber  das 
Kloster  war  fbr  souverän  erklärt  worden :  unter  Lamberts  Sohn, 
Hugo  von  Auxerre,  gelangte  es  an  Odilo.^)  Peterlingen  war 
ursprünglich  von  jeder  Herrschaft  befreit  and  mit  dem  Rechte 
der  freien  Abtwahl  ausgestattet  worden;  unter  Odilo  ist  es 
ganz  entschieden  in  der  Gewalt  Clunis.^)  In  St.-Maur-des- 
Foss^s  hatte  Majolus  einen  cluniacensischen  Mönch  Teuto,  und 
zwar  abhängig  vom  Mutterkloster  zum  Abt  gemacht.  Wie  auf- 
gebracht waren  nun  die  Mönche  desselben,  sicherlich  Odilo  am 
meisten,  als  König  Robert  jenen  Teuto  als  selbständigen  Lei- 
ter einsetzte:  man  wollte,  wie  ausdrücklich  überliefert  wird, 
St.-Maur  zu  einer  untergeordneten  Celle  herabdrücken.^)  Jene 
Rebellion,  die  wir  um  die  Wende  des  zehnten  Jahrhunderts 
gegen  den  Abt  Berner  in  Marmoutier  ausbrechen  sehen,  hing 
mit  einer  Aenderung  der  rechtlichen  Stellung  des  Klosters 
zu  Cluni  zusammen;  es  hatte  auch  offenbar  keinen  andern 
Sinn,  als  den  Marmoutier  in  Abhängigkeit  zu  bringen,  wenn 
Odilo  in  dem  Streit  gegen  die  aufrührerischen  Mönche  dunia- 
censische  Klosterbrüder  hinfbhrte,  die  indes  mit  Schimpf  und 
Schande  verjagt  wurden.^)    Dass  sich  Odilo  und  Abbo  von 


0  Bd.  I,  S.  232. 

«)  CHCL  IV,  nr.  1921. 

»)  Bd.  I,  S.391. 

*)  ib.  S.  219. 

»)  ib.  S.  249. 

^)  Abbonis  ep.  VIII  ad  G.  abbatem  bei  Migne  139,  431 :  quoniam  me- 
cum  nie  totius  religioriis  signifer  Odilo  contenmitur  et  frcUres  Cluniensis 
coenobii,  ut  nobis  relatwn  est,  de  Maiore  monasterio  cum  dedecore  sunt 
expulsi.  Nun  berichtet  uns  die  Narratio  de  commendatione  Turonicae 
proYinciae  im  Recueil  de  Chroniqnes  de  Touraine  von  Salmon  p.  312, 
dass  unter  Berner  durch  König  Robert  und  einen  Papst  Stephan  die 
Abtei  Marmoutier  von  der  Herrschaft  Clunis  losgesprochen  worden  sei; 
Majolus  wäre  darauf  hingeeilt  —  und  zwar  1005  — ,  um  sie  wiederzge- 
winnen.  Nun  herrscht  zwar  in  der  Chronologie  die  grösste  Verwiming, 
weder  Robert,  Stephan,  Majolus,  noch  die  Jahreszahl  1005  passen  zu- 
sammen. Da  der  Brief  Abbos  aber  den  Oonflict  zwischen  Odilo  und  Mar- 


93 

Flenry  des  Abtes  Berner  annahmen,  zeigt  doch,  dass  sie  in 
den  rebellisehen  Mönchen  auch  ihre  Gegner  sahen.  Ebenfalls 
in  Schwierigkeiten  geriet  Odilo  wohl  bei  dem  Versnche,  Saint- 
Cyprian  von  Poitiers  durch  einen  abhängigen  Abt  in  fester 
Zucht  zu  halten.  Dass  dieses  Kloster  dem  Abte  von  Cluni 
thatsächlieh  unterstand,  ist  sicher;  Abbo  von  Fleury,  der  auf 
seiner  Reise  nach  La  R^ole  1004  daselbst  einkehrte,  forderte 
Odilo  auf,  gegen  die  Empörer  einzuschreiten.*)  Wir  beob- 
achten ähnliche  Vorgänge  in  Solignae  und  Beaulieu,  wo  der 
Mönch  Bernhard  von  Fleury  Abt  geworden  war  und  vielleicht 
darauf  -ausging,  jene  Klöster  der  Mutterabtei  ganz  zu  unter- 
werfen: machte  er  sich  doch  in  allen  seinen  Entschlüssen  von 
Abt  Abbo  abhängig.^)  Es  ist  dann  wieder  wichtig  für  die 
Beurteilung  der  ganzen  Bewegung,  dass  die  Brttder,  die  sich 
in  Micy  im  Sprengel  von  Orleans  gegen  ihren  Abt  erhoben, 
zum  grössten  Leidwesen  Abbos  Bischof  Fulco  zu  Hilfe  riefen^), 
der  auch  später  die  bischöflichen  Rechte  gegen  die  Bestrebungen 
der  Cluniacenser  verfocht,  die  dahin  gingen,  den  Klöstern  eine 
von  dem  Episcopat  unabhängigere  Stellung  zu  geben. 

Bei  air  den  Revolten,  die  wir  hier  beobachtet  haben, 
spielen  Intriguen,  Verleumdungen,  Verrätereien,  Pamphlete  und 
Spottschriften  eine  grosse  Rolle.  Oefter  soll  Odilo  geklagt 
haben,  dass,  wenn  auch  Gehässigkeit  unter  den  übrigen  Men- 
schen auftrete,  sie  doch  in  einigen  Mönchsklöstern  sich  geradezu 
ihr  Nest  gebaut  habe.^)  Und  in  der  That,  bei  diesen  frommen 
Klosterbrüdern  war  der  Klatsch  wie  nirgend  zu  Hause.  Miss- 
gunst und  Verfolgung  trieb  Mönche  von  einem  Kloster  zum 
andern;  wie  man  auf  der  einen  Seite  gute  Freunde  zu  Heiligen 
stempelte,  hing  man  andern  die  schwersten  Verbrechen  an. 
Wir  finden  Mönche  um  den  Abt  geschart,  wie  eine  Kloster- 
aristocratie,  und  gegen  sie  und  den  Abt  stehen  andere,  die 
den  Mutterklöstern  gegenüber  ihre  Selbständigkeit  verfechten. 
Es  ist  die  Partei,  die  einmal  im  Bunde  mit  dem  Bischöfe  gegen 

moutier  völlig  gewährleistet,  so  stehe  ich  nicht  an,  die  Motive  aus  der 
späten  Narratio  zu  entnehmen. 

^)  Abbon.  ep.  ad  Odilonem  bei  Migne  139,  438. 

«)  Vito  Abbon.  c.  10. 

')  Abbon.  ep.  ad  mon.  Miciae.  bei  Mifi^e  189,  437. 

')  Rod.  Giaber,  Bist.  V,  c.  1. 


94 

den  Abt  auftritt;  wir  würden  bei  reichlicheren  Nachrichten  das 
Schauspiel  noch  öfter  sich  wiederholen  sehen,  wie  jene  Unruh- 
stifter, die  Abbo  von  Fleury  so  hasst,  mit  dem  Episcopat  gegen 
den  Abt  in  Verbindung  stehen.  Es  lässt  sich  diese  Beziehung 
noch  anderwärts  nachweisen.  Wir  hören  jetzt  viel  von  Sati- 
rikern, die  ihren  Spott  und  ihre  Verleumdung  gegen  ihre  regu- 
lären cluniacensischen  Brüder  ergiessen,  die  Freunde  Odilos 
und  Abbos.  Namentlich  wird  ein  elender  Scribent  Friedericus 
genannt,  der  für  seine  erlogenen  Schriften  nach  Jerusalem  pil- 
gern musste^);  es  wird  erzählt,  dass  Odilo  selbst  einige  dieser 
sogenannten  Historiographen  durchprügeln  und  mit  gehimpf 
und  Schande  aus  seinem  Kloster  jagen  liess.  Eine  ganze  Menge 
solcher  Leute  wirkte  im  geheimen  mit  ihrem  Klatsch  auf  die 
Gemüter  und  versuchte  die  Disciplin,  den  Schild  der  Glunia- 
censer,  zu  zerstören.^)  Nun  haben  wir  eine  derartige  Satire. 
Sie  hat  den  Bischof  Adalbero  von  Laon^)  zum  Verfasser  und 
ist  in  ihrem  wichtigeren  Teil  gegen  Odilo  und  seine  Mönche 
gerichtet:  es  liegt  also  sehr  nahe,  sie  mit  den  erwähnten  Pam- 
phleten in  Verbindung  zu  bringen. 

Sind  auch  die  einzelnen  Beziehungen  und  Anspielungen 
in  Adalberos  Gedicht  meist  unklar,  so  lässt  sich  doch  als  all- 
gemeiner Zag  der  Widerwille  gegen  das  mönchische  Leben  er- 
kennen, das  alle  Gesellschaftskreise  durchdringt  Der  Bischof 
fürchtet  den  Ruin  der  Kirche,  wenn  jene  Gewohnheit  und  Sitte 

*)  Abbon.  ep.  ad  mon.  Miciac.  bei  Migne  139,  487:  Verum  eorum 
innocentia  ab  huUismodi  peste  quam  sit  extranea^  testatur  Fridericus  igno- 
bilis  scribaf  qui  nunc  JRierosolymis  exsulat  pro  suorum  mendaeiorum  fa- 
brateria,  pro  excogitationym  de  suis  fratribus  vitiorum  inaudita  hisioria. 
In  Bezug  auf  Marmoutier  fragt  Abbo  (ep.  ad  G.  abb.  a.  a.  0.  430):  At  for- 
tassis  ilk  quondam  noster  Fredericus  bonorum  aefnuUUus  fratrum,  insidiator 
pessimuSf  huiustnodi  apud  vos  scholas  instituit? 

')  Abbon.  ep.  ad  mon.  Mic.  a.  a.  0.:  Odilo  Cluniacensium  rector  huius- 
modi  historiographos  nuperrime  detedos  de  suo  monasterio  flagris  caesos 
expulit  et  ferro  abscisionis  terribiliter  inussit. 

')  Abbon.  ep.  ad  mon.  Mic.  a.  a.  0. :  Frosequefidi  quippe  sunt  a  ehrt- 
stianis  saterrici^  quos  persecuti  sunt  paganij  quorum  nunc  muUitudo  ex- 
crevit;  epist.  ad  Odilonem  p.  438:  qu^d  im,  qui  dicuntwr  monachi,  effi- 
ciantur  satyHci  criminatores  fratrum,  incentores  vitiorum  ac  veperino 
dente  corrodunt  viscera  matris  ecclesiae;  epiat.  ad  6.  abb.  a.a.O.:  simpli- 
ciores  fratres  falsis' circumventionibus  soüicitant. 

*)  Vgl.  über  ihn  Pfister,  ^tudes  p.  59. 


95 

Bestand  habe,  dass  Männer  niederer  Geburt,  ohne  Bildung  and 
Lebensart,  in  die  Staatsämter  eindringen,  dass  die  Herren  von 
Adel,  die  Hüter  des  Rechts,  Grafen  und  Richter  die  Mönchs- 
kutte nehmen,  beten,  sich  neigen,  schweigen  und  mit  ernster 
Miene  einhergehen  J)  AlF  die  von  Adalbero  verspotteten  Sitten 
werden  von  ihm  nicht  ohne  Witz  als  Inhalt  einer  Schrift  an- 
gegeben, welche,  betitelt:  „Uraltes  Gesetz'^  die  Crotoniaten, 
die  Pythagoräer  gesandt  haben  sollen:  offenbar  eine  Anspie- 
lung auf  die  Neigung  der  Cluniacenser,  ihre  Einrichtungen  als 
alte  Gewohnheiten  nachzuweisen-^)  Das  Gegenstück  zu  jener 
Democratisierung  der  Hofämter  und  Episcopate  ist  die  Ver- 
weltlichung des  Mönchsordens.  Der  Adel  nimmt  mönchische 
Tugenden  und  Gewohnheiten  an  —  und  Odilo  befehligt  die 
Heereszüge  seiner  Mönche  als  König  und  Kriegsfürst.^)  „Diese 
Umbildung  des  richtigen  Verhältnisses  bedeutet  den  Umsturz 
des  Reiches''  sagt  der  Bischof  von  Laon.  Er  fordert  König 
Robert  dringend  auf  —  denn  an  ihn  ist  die  Schrift  gerichtet  — , 
sich  dem  Einfluss  der  Mönche  zu  entziehen,  ihn  zu  brechen; 
er  führt  dem  Könige  Odilo  und  seine  Mönche  in  ein  paar 
Farcen  vor,  aus  denen  gerade  so  viel  historische  Züge  zu  ent- 
nehmen sind,  als  aus  den  Satiren  moderner  Witzblätter. 

Der  Verfasser  fingiert,  dass  in  einem  Kloster  eine  Un- 
sicherheit über  entgegengesetzte  Vorschriften  eintrete.  Er,  der 
Bischof,  überlegt  die  Sache,  und  einer  der  Mönche  geht  Odilo 
um  Rat  an.4)    Auf  schäumendem  Rosse  kommt  er  abends  in 

>)  Adalberonis  carmen  ad  R.  regem  ed.  Valesius,  HF  X,  65 : 
V.  37 :  Iuris  custodea  cogunt  portare  cucullas^ 

Orentj  inclinent,  taceant,  vultusque  reponant 
^)  Adalb.  Carmen  v.  33 : 

Scripta  patent  celebrea  qicae  mittunt  Crotoniataej 
Desuper  est  titulus  „lex  antiquissima^^  scriptus. 
Auch  die  Gisterzienser  erhoben  den  Vorwurf,  dass  die  Cluniacenser  ihre 
Neuerungen  für  alte  geheiligte  Einrichtungen  ausgäben.  Vgl.  Petri  Venerab. 
epist.  IIb.  I,  28 :  Proprias  namque  leges  ipsi  vobiSy  prout  libuit,  componentes 
hos  sacrosanctas  didtis. 

")  Adalb.  carm.  v.  115:  rex  Oydelo  Cluniacensis ;  v.  147:  signifer,  eine 
Bezeichnung,  die  ihm  auch  Abbe  in  seinem  Briefe  an  Qosbert  zu  Teil 
werden  lässt;  v.  156:  militiae  princeps;  v.  157  wird  gesprochen  von  mona- 
chorttm  beÜicus  ordo, 

*)  Adalb.  carm.  y.  76^87.  Das  ist  wohl  der  Sinn  der  Stelle.  Man 
hat  übrigens  praesul  (v.  95),  pontificem  (v.  109)  mit  „Abt*'  übersetzt  (vgl. 


96 

den  Hof  des  Klosters  gesprengt,  das  er  am  Morgen  verlassen. 
Das  Volk  länfl;  zusammen  und  stannt  ihn  an,  der  Bischof  er- 
kennt ihn  nicht  wieder.  Auf  dem  Haupte  trägt  er  eine  Bären- 
mtttze,  sein  Talar  ist  bis  an  die  Schenkel  verkürzt,  vorn  wie 
hinten  geteilt,  natürlich  nm  freie  Bewegung  fbr  das  Reiten  zu 
gestatten.  Er  trägt  einen  gestickten  Kriegsgurt  und  was  hängt 
da  nicht  alles  herum!  Bogen  und  Köcher,  Zange,  Hammer, 
Schwert,  ein  Feuerstein  mit  dem  Stück  Stahl  und  eine  Eichen- 
keule; dazu  trägt  er  weite  Hosen.  Weil  ihn  seine  mächtigen 
geschwänzten  Sporen  am  Gehen  hindern,  hüpft  er  auf  den 
Zehen  einher.  «Bist  Du  mein  Mönch,  den  ich  aussandte?^  — 
„Jetzt  Ritter,  sonst  Mönch;  jetzt  leist'  ich  Kriegsdienst  auf  Be- 
fehl des  Königs:  König  Odilo  von  Cluni  ist  mein  Herr.^  Es 
scheint,  dass  Adalbero  in  diesem  Bilde  die  Einziehung  einer 
Abtei  in  den  Bereich  der  cluniacensischen  Congregation  zu 
schildern  beabsichtigte:  wie  der  Mönch,  der  am  Morgen  vom 
Bischöfe  entsandt  wird,  am  Abend  in  Odilo  seinen  streitbaren 
Herren  sieht,  dessen  Uniform  er  bereits  angenommen  hat,  dass 
hier  dargestellt  wird,  wie  ein  Kloster  nach  dem  andern,  mit 
welcher  Geschwindigkeit  es  ans  der  Gewalt  des  Bischofs 
eximiert  wird,  indem  es  unter  die  Herrschaft  des  freien  Cluni 
gelangt. 

Weiterhin  wird  ein  Römerzug  des  grossen  Abtes  geschil- 
dert.^) Es  heisst,  im  Sprengel  von  Tours  seien  wieder  Räuber 
über  Kirchen  und  Klöster  hergefallen;  der  hl.  Martin  vergoss 
bittere  Thränen.  Odilo  selbst  ging  es  nicht  besser,  das  Raub- 
gesindel hauste  auf  seinen  Besitzungen.  Er  beschliesst  daher, 
in  Rom  Hilfe  gegen  die  Frevler  zu  suchen.  Sobald  die  Mönche 
davon  Kunde  erhalten,  erheben  sie  grosses  Geschrei.  „Auf  der 
Stelle,  Meister'S  brüllen  sie,  „befiehl  den  Deinen  Waffen  anzu- 
legen, und  wie  wir  uns  auszurüsten  haben!''  —  Nun  sollen 
sie  die  Halbmondschilde  an  den  Hals  hängen  und  darauf 
den  Brustharnisch  befestigen;  den  Helm  binden   sie   an  den 


des  Valesius  Note,  die  Uebersetzung  bei  Pignot,  Hist.  de  Vordre  de  Cluny 
I,  S52).  Da  Adalbero  selbst  sich  aber  mit  dem  praeatU  identifiziert,  scheint 
es  mir  notwendig,  es  mit  „Bischof*'  zu  übersetzen.  Wir  haben  es  hier 
wohl  mit  einer  vom  Bischöfe  abhängigen  Abtei  zu  thun,  deren  Abt  nur 
ignoriert  wird,  weU  er  keine  Bedeutung  hat. 
1)  Adalb.  carm.  vv.  120ff. 


9? 

wackelnden  Lendengurt,  das  Hanpt  schmücken  sie  durch  den 
mit  Schnhriemen  befestigten  Dolch.  Die  Pfeile  kommen  auf  den 
Rücken,  das  Schwert  fassen  sie  mit  den  Zähnen.  Dann  nOtigt 
der  Abt  die  schlafifen  Jünglinge,  die  Wagen  zn  besteigen,  nnd 
die  Schar  der  Greise,  zu  Rosse  zu  sitzen:  je  zwei  finden  auf 
einem  Esel  Platz,  je  zehn  auf  einem  Kamel,  und  reicht  das 
noch  nicht  aus,  so  können  noch  drei  auf  eine  Gazelle.  So 
schreiten  eine  Million  Mönche  vor  die  Quinten  >),  ein  dreitägiger 
Kampf  entspinnt  sich.  Die  beiden  ersten  Schlachttage  sind 
glücklich,  am  dritten  flieht  Odilo  mit  seinen  Mönchen  auf  und 
davon.  Das  geschieht  am  1.  December.  Nun  schickt  Odilo 
Boten  zu  König  Robert,  vor  dem  nächsten  März  soll  die  Sache 
noch  einmal  versucht  werden,  er  möge  mit  einer  gewaltigen 
Schar  zu  Hilfe  kommen.  Dies  will  Adalbero  hindern.  Die 
ganze  Erzählung  ist  für  uns  ein  Rätsel.  Wir  wissen  nichts 
von  einer  Romreise  Odiles,  die  unglücklich  ablief;  denn  von 
einem  wirklichen  Kampfe  kann  ja  selbstverständlich  nicht  die 
Rede  sein. 

Es  ist  indes  weniger  von  Wichtigkeit,  welche  historischen 
Vorgänge  hier  zu  Grunde  liegen,  als  welche  Misstände  die 
Satire  zu  geissein  beabsichtigte.  Wohl  in  erster  Reihe  jenen 
unbedingten  Gehorsam,  der  selbst  den  verkehrtesten  Befehlen 
des  Oberabtes  gezollt  wurde,  und  der  namentlich  einem  Teile 
der  Mönche  selbst  höchst  zuwider  war.  Nicht  minder  werden 
natürlich  die  mitgenommen,  welche  dem  grossen  Mönchskönige 
unbedingt  Folge  leisten.  Dann  aber  hatten  sich  mit  der  Welt- 
stellung des  französischen  Mönchtums  notwendig  die  Uebel- 
stände  eingeschlichen,  die  mit  einer  umsichgreifenden  Verwelt- 
lichung stets  verbunden  waren:  in  erster  Reihe  der  grosse 
Aufwand,  das  grosse  Gefolge  auf  Reisen  des  Abtes.  Während 
im  zehnten  Jahrhundert,  wie  es  scheint,  nur  wenige  Mönche 
und  Pferde  den  Abt  begleiteten,  und  man  zufrieden  war  mit 
dem  Nachtquartier,  das  sich  gerade  bot,  mag  seit  dem  Anfange 
des  elften  Jahrhunderts,  vielleicht  infolge  der  zahlreichen 
Fehden,  ein  grösserer  Bedarf  an  Begleitung  und  Ausrüstung 
aufgekommen  sein,  nnd  die  Gefolge  mögen  schon  die  Ausdeh- 
nung und  den  Umfang  angenommen  haben,  der  ihnen  den  An- 


^)  Adalb.  cami.  v.  145:  MiUia  mille  viri  procedunt  ante  Quiritea. 

B»okar,  ClaniaoenBer.  II.  7 


98 

schein  gerüsteter  Heerhaufen  geben  konnte.  Gerade  von  Odilo 
wird  ans  erzählt,  dass,  wo  er  stand  und  ging,  ihm  eine  solche 
Menge  Mönche  folgten,. dass  er  schon  nicht  mehr  einem  Führer 
and  Fürsten  der  Mönche,  sondern  einem  Erzengel  glich  i),  and 
noch  weit  später  wurde  den  Cluniacensem  ihr  gewaltiges  Ge- 
folge, der  grosse  Tross,  das  viele  Gerät,  das  sie  mitschleppten, 
zum  Vorwurf  gemacht.^)  Dazu  kommt  ein  anderes.  Schon  in 
der  Mannigfaltigkeit  der  Dinge,  mit  denen  die  Mönche  aasge- 
stattet werden,  liegt  ein  Vorwurf  gegen  die  zahlreichen  Aende- 
rungen,  welche  die  Cluniacenser  in  Bezug  auf  die  Tracht 
gegenüber  der  Benedictinerregel  sich  erlaubt  zu  haben  schie- 
nen. Nicht  als  ob  sie  wirklich  erheblich  neues  geschaffen 
hätten;  ihre  Kleidung  ist  im  wesentlichen,  wie  wir  früher  her- 
vorhoben, den  Institutionen  Benedicts  von  Aniane  entnommen, 
der  den  Mönchen  manches  zugestand,  wovon  die  alte  Regel 
nichts  weiss.  Aber  wir  wissen  doch,  dass  die  Aebte  je  nach 
Bedarf  die  alten  Vorschriften  ergänzten,  manches  änderten  und 
den  Bedürfnissen  der  Zeit  immer  wieder  Rechnung  trugen.^) 
Mit  den  vielfach  neuen  Verpflichtungen,  die  das  Mönchtum 
übernahm,  mit  der  Ausdehnung  der  Reisen  war  eine  Vermeh- 
rung und  Umbildung  der  Gebrauchsgegenstände  notwendig 
verbunden.  Ausserhalb  Frankreichs  stiess  die  cluniacensische 
Tracht  zuerst  auf  gewichtige  Opposition:  der  St.  Galler  Mönch 
Ekkehard  wendet  sich  in  seinen  Glossen  gegen  die  weiten 
Gucullen,  breiten  Tonsuren  und  die  zwei  Röcke,  die  sie  über 
dem  Hemde  trugen,  sowie  gegen  die  tausend  Dinge,  mit  denen 
sie  Gott  reizten^),  und  ebenso  sprechen  die  Mönche  von  Monte- 

^)  Jotsaldi  y.  Odil.  I,  c.  11:  Qtiocunque  exibat,  quocunque  praecede- 
bat,  tanta  sequebatur  eum  frequentia  fratrum,  ut  iam  non  dttcem  ac  prin- 
cipem,  sed  revera  putares  eum  esse  archa7igelum  motuichorum, 

')  Bemardi  Clarevall.  Apologia  ad  GuUlelmum  abb.  o.  1 1  bei  MabUlon, 
Opp.  I,  col.  544. 

^)  Vorrede  des  Peter  Venerabilis  zu  seinen  Statuten  (Bibl.  Ciun. 
col.  1854):  Hoc  8%  nominare  singillatim  necessitas  imperaret,  ostenderem  a 
pHmo  sancto  Odone  nsque  ad  'idtimum  sanctitatis  titulo  insignitum  Hugo- 
neni  sanctum  patrem  universos  de  institutis  consuetudinibus  plurima  suis 
temporibuSf  urgente  tarnen  necessitate,  utili  setnper  causa  mutasse.  MuUa 
enim  priores  utiliter  institueruntj  quae  sequentes  i7iterveniente  causa  uti- 
liter  mutaverunt. 

*)  Hattemcr,  Sprachschätze  II,  p.  222,  n.  5:    id  est  ypocrisi  preitero 


Ö9 

CassiDo  in  ihrem  Gutachten  ttber  die  Claniacenservorsehriften 
ganz  besonders  ihre  Unzufriedenheit  ttber  Tonsur  und  Kleidung 
der  französischen  Mönche  den  Hersfeldern  gegenttber  aus,  denen 
sie  anraten,  einen  Mönch  zum  Studium  nach  Monte- Cassino 
zu  senden.^) 

Während  nun  Anfang  des  elften  Jahrhunderts  die  Clunia- 
censer  in  ihrer  regelwidrigen,  vielleicht  schon  ttppigen^)  Klei- 
dung Anstoss  erregten,  vollzog  sich  auch  in  den  profanen 
Sitten  und  Trachten  insofern  ein  Umschwung,  als  mit  der 
provengalischen  Grafentochter  Constanze,  der  Gemahlin  König 
Roberts,  sttdfranzösisches  Volk,  leichtfertige  und  frivole  Ge- 
sellen, die  in  Bewaffnung  und  Pferdeschmuck  neue  Moden 
mitbrachten,  in  die  nördlichen  und  östlichen  Teile  Frankreichs 
eindrangen  und  ihren  AnzUgen,  den  glattrasierten  Gesichtern 
und  Köpfen,  ihren  kurzen  und  geteilten  Röcken  Eingang  in 
die  Kreise  des  Volkes  verschafften.  Gerade  die  Cluniacenser 
nun  waren  es,  die  sich  dem  Ueberhandnehmen  dieser  Gewohn- 
heiten mit  Macht  widersetzten.  Wilhelm  von  Dijou  predigte 
im  Jahre  1018  gegen  die  unanständige  Kleidung  3)  der  Fremden, 
Rodulf  Glaber  findet  nicht  Worte  genug,  seinen  Unwillen  ttber 
den  Untergang  der  guten  alten  Sitte  Luft  zu  machen,  und  giesst 
seinen  Aerger  zuletzt  noch  in  holprige  Verse.**)    Siegfried  von 


blattunf  wttero  chugelun  et  miüe  aliiSj  quilnts  achimuxtici  nostri  irritave" 
runt  Deum  in  adventationibtis  suis,  maxime  autem  in  duobus  roccis,  in 
quih^us  dicibolus  crucem  Domini  per  eos  deUre  conatur,  ne  ea,  sicut  Bern- 
dictus  instiiMit,  monachi  vestianttir;  und  II,  p.  79,  n.  4:  Ane  die  (minna) 
wären  heretici,  unde  sint  hiuto  richarth  popo,  quorum  uterque  dicit,  se 
sanctum  Benedictum  quidem  esse  et  ideo  reguUxm  mtUasse  et  tiMticam  Do- 
mini unam  in  dtMS  roccos. 

0  Brief  der  Casinaten  an  den  Abt  Hartwig  von  Hersfeld  (1072—1085) 
ans  einer  Handschrift  des  British  Museum  von  Dümmler  ed.  im  N.  Archiv 
III,  189.  Teile  des  Schreibens  edierte  Mabilion,  Acta  SS.  V,  praef.  XXX 
aas  einer  Basler  Handschrift  Doch  fehlte  die  Adresse,  und  das  Schreiben 
ist  regelmässig,  zuletzt  noch  von  Ringholz  p.  41  ans  Ende  des  zehnten 
Jahrhunderts  gesetzt  worden.  Eine  vortreffliche  Bestätigung  des  Urteils 
der  Hersfelder  gewährt  die  von  einem  Hersfelder  Münch  verfasste  Schrift : 
De  unitate  ecclesiae  conservanda,  Libelli  de  Ute  II,  p.  277  ff. 

^)  Vgl.  Bemardns  Cläre v.  a.a.O.  c.  10:  Miles  et  monachns  ex  eodem 
panno  partiuntwr  sibi  cucuUam  et  chlamydem. 

»)  Rod.  GUb.  V.  Wüh.  c.  25. 

*)  Hist.  m,  c.  9. 

7* 


100 

Gorze,  der  Schüler  Wilhelms,  spricht  seine  Besorgnis  Poppo 
von  Stablo  gegenüber  aus,  dass  jene  schändlichen  französischen 
Possen  und  Nenernngen  in  Deutschland  Eingang  fänden  <),  — 
zn  einer  Zeit,  da  Heinrich  III.  im  Begriff  stand,  sich  mit  der 
aqaitanischen  Agnes  zu  vermählen. 

Bei  der  Lectttre  der  Satire  Adalberos  gewinnt  man  den 
Eindruck,  als  ob  Eigentümlichkeiten  jener  narrenhaften  Auf- 
züge von  dem  Verfasser  zur  AusstafSerung  der  Mönche  von 
Cluni  verwertet  wurden  —  ich  erinnere  nur  an  den  kurzen, 
vorn  und  hinten  geteilten  Rock  des  erwähnten  Cluniacenser- 
mönchs;  es  war  dann  kein  übler  Gedanke,  das  ernste  Glunia- 
censertum  in  einem  Aufeuge  auftreten  zu  lassen,  der  ihm  im 
höchsten  Grade  widerlich  war.  Und  es  war  dem  Könige 
gegenüber,  an  den  die  Satire  gerichtet  ist,  umsomehr  ange- 
bracht, auf  diese  Weise  das  «alte  Gesetz"  der  Gluniacenser 
lächerlich  zu  macheu,  als  sie,  z.  B.  Wilhelm  von  Dijon,  gerade 
Robert  die  Duldung  jener  fahrenden  Leute,  jene  Neuerungen 
als  Vergehen  angerechnet  hatten. 

So  scheint  allerdings  in  dieser  Satire  die  Opposition,  die 
sich  gegen  das  Mönchtum  erhob,  nach  den  verschiedensten 
Seiten  hin  ihren  Ausdruck  gefunden  zn  haben.  Das  Eindringen 
desselben  in  die  höchsten  Glassen,  das  herausfordernde  Auf- 
treten, die  Verweltlichung,  die  Neuerungssucht,  die  nahe  Be- 
ziehung zu  Rom,  alles  dies  wird  zur  Zielscheibe  des  Witzes 
der  Gegner. 


>)  Gedr.  bei  Glesebrecht  II,  714. 


Fünftes  Capitel. 

Die  Cluniacenser  in  Spanien. 


Die  Geschichte  der  christlichen  Staaten  im  Norden  der 
iberischen  Halbinsel  ist  durchzogen  von  endlosen  Kriegen  gegen 
die  Maaren,  die  seit  ihrer  Festsetzung  in  Spanien  nnanfhörlich 
bestrebt  waren,  ihre  Herrschaft  weiter  nach  Norden  auszu- 
dehnen; zum  Glttck  begünstigte  die  Natur  des  durch  steile 
Gebirgsketten  befestigten  Landes  die  Abwehr  der  von  reli- 
giösem Fanatismus  begeisterten  Moslem.  In  derselben  Weise, 
wie  im  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts  in  der  Provence,  ver- 
heerten die  Sarrazenen  Jahr  aus  Jahr  ein  bei  ihren  Nachbarn 
Kirchen  und  Klöster,  äscherten  sie  ganze  Orte  ein,  und  Plätze, 
die  heut  einem  der  kleinen  christlichen  Potentaten  gehorchten, 
trugen  morgen  das  Gewand  arabischer  Gultur.  Zahllose  Christen 
kosteten  die  bittere  Gefangenschaft  der  Cordovaner.  Man  sah 
ganze  Episcopate  auf  einmal  erlöschen,  weil  der  Bischof  oder 
seine  Hauptstadt  in  maurische  Hände  fielen,  und  nicht  selten 
wechselten  je  nach  dem  Verhältnis  zu  dem  Vordringen  der 
Mauren  die  Residenzen  der  Prälaten.  Dazwischen  wurde  hier 
und  da  restauriert,  zerstörte  Abteien  wiederhergestellt,  wie  in 
Asturien  und  Leon.^)  Aber  bei  der  Unsicherheit  der  Zustände, 
den  wechselnden  Beziehungen  der  Klöster  zu  den  Bischöfen, 
die  zunächst  die  Oberherrschaft  über  die  in  ihren  Sprengein 
liegenden  Abteien  behaupteten,  diese  aber  bisweilen  zu  blossen 
Dependenzen  der  Hauptkirche  herabdrttokten ,  indem  sie  Welt- 
geistliche hineinlegten, —  da  endlich  die  Mönche  selbst  gezwungen 

0  Vgl.  Florez,  Espaua  sagrada  Bd.  36,  p.  XIX.  XXIX;  Bd.  16,  app. 
p.426.  433.  434.  441. 


102 

waren,  die  Waffen  gegen  die  Ungläubigen  zn  führen  ^),  konnte 
von  einer  gedeihlichen  Entwicklang  des  Klosterwesens  nicht 
die  Rede  sein,  so  sehr  die  Könige  mitunter  nach  glücklichen 
Erfolgen  gegen  die  Mauren,  von  Dank  gegen  Gott  und  die 
Heiligen  erfüllt,  an  die  Restauration  der  wiedergewonnenen 
Stifter  gingen.^)  So  konnte  es  schliesslich  dahin  kommen, 
dass  in  den  cantabrischen  Gebirgen  kaum  Spuren  der  Bene- 
dictinerregel  sich  erhielten.^) 

Zu  einem  Umschwung  kam  es  erst  im  elften  Jahrhundert. 

Nur  einmal  in  der  Geschichte  hat  Navarra  eine  selbstän- 
dige Bolle  gespielt,  als  Sancho  der  Alte  durch  glückliche  Kriegs- 
erfolge und  günstige  dynastische  Verbindungen  seine  Herrschaft 
von  Galizien  im  Westen  bis  zu  den  Pyrenäen,  fast  über  das 
gesamte  christliche  Spanien,  ausbreitete.^)  Mit  kräftiger  Hand 
hielt  er  die  Sarrazenen  in  Schranken  und  rang  ihnen  einen  Er- 
folg nach  dem  andern  ab.  Von  den  Pyrenäen  bis  zum  Castrum 
Najera  gewann  er  alles  dem  christlichen  Glauben  zurück,  auch 
die  Strasse  nach  Santiago,  welche  die  Pilger  aus  Furcht  vor 
den  Sarrazenen  mieden,  um  auf  dem  unwegsameren,  aber  siche- 
reren Gebiet  von  Alava  zu  pilgern.^)  Während  seit  dem  Untergang 
der  Karolinger  die  christlichen  Staaten  der  Halbinsel  in  ihren  un- 
unterbrochenen Kämpfen  um  ihre  Existenz  ein  von  dem  Cultur- 
leben  der  übrigen  römisch- christlichen  Reiche  unberührtes  Da- 
sein führten,  tritt  Sancho  von  Navarra,  der  Aragon  und  Gastilien 
erworben,  in  den  Kreis  der  germanisch-romanischen  Interessen, 
wie  etwa  Knut  von  England  und  Dänemark  sich  um  den  An- 
schluss  seiner  Länder  an  die  grosse  mitteleuropäische  Gemein- 
schaft in  jener  Zeit  bemühte.  Mit  König  Bobert  von  Frank- 
reich tauschte  Sancho  Geschenke,   und   von   ihm   erhielt   er 

^)  Rod.  Glaber  II,  c.  9 :  Tunc  etiam  ob  exercitus  raritatem  compulai 
sunt  regionis  iüins  monachi  sumere  arma  bdlica. 

*)  Vgl.  Florez,  Espana  sagrada  Bd.  26,  p.  425. 

*)  y.  Eneconis  o.  S  (Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  107):  cuim  ea  tempe- 
state  vix  tentie  vestigium  aptid  Cantabros  exstabat;  Yepes,  Chronica  gene- 
ral  de  la  erden  de  S.  Benito  V  (Yalladolid  16] 5),  fol.467:  Urk.  Sanchos 
für  Offa:  Nam  ordo  monaaticiia  omnium  ecclesiasticortmi  ordinum  tum  tem- 
poris  omni  nostrae  patriae  erat  ignotus. 

*)  Schäfer,  Geschichte  von  Spanien  II,  313  ff. 

^)  Translatio  b.  Aemilii  bei  d'Aguirre,  Coi).  concU.  Hispan.  III,  216. 


103 

Sabsidien^),  die  er  gegen  die  Ungläabigen  branchte;  dem  Her- 
zoge Wilhelm  von  Aquitanien  stand  er  pereönlich  nahe,  nieht 
nur  dass  Saneho  der  Beisetzung  des  Hauptes  Johannes  des 
Täufers  beiwohnte^):  er  richtete  jährlich  Gesandte  mit  statt- 
lichen Gaben  an  den  mächtigen  Nachbar,  der  unter  dem 
Schutze  des  spanischen  Königs  nach  Santiago  de  Compostela 
pilgerte.^)  So  spannen  sich  mancherlei  Fäden  über  die  hohen 
Wände  der  Pyrenäen.  Es  entspricht  diesen  nahen  Beziehungen 
zu  Frankreich,  dass  der  spanische  König  mit  in  den  Strom 
der  geistlichen  Tendenzen  gezogen  wurde,  die  damals  in  dem 
Vaterlande  Odilos  überall  die  Herrschaft  zu  erringen  begannen. 
An  Sanchos  Namen  knüpft  sich  eine  umfassendere  Reorgani- 
sation des  Klosterwesens  in  den  drei  von  ihm  beherrschten 
Reichen  Navarra,  Aragon  und  Castilien.  Berücksichtigt  man, 
dass  der  eigentliche  Wert  der  damaligen  Klosterreformen  in 
ihrer  socialen  Bedeutung  liegt,  so  war  es  ein  sehr  naheliegen- 
der Gedanke,  vor  allem  Kirchen  und  Klöster  in  den  dem 
Islam  abgenommenen  Gebieten  wieder  herzustellen,  letztere 
mit  regulären  Benedietinern  zu  bevölkern. 

Aragon. 

Durch  seine  Beziehungen  zu  Aquitanien  wird  König  Saneho 
von  den  Reformen  der  Glnniacenser  genauere  Kenntnisse  er- 
langt haben;  er  selbst  hat  Odilo  nie  gesehen.'*)  Als  er  den 
Plan  fasste,  die  klösterliche  Zucht  in  den  ihm  untergebenen 
Gebieten  wieder  zu  erneuern^),  sandte  er  einen  Mann,  namens 

0  Bod.  Glaber  II,  c.  9. 

>)  Ademari  Bist.  III,  c.  56. 

»)  ib.  c.  41. 

*)  Jotfi.  Vit.  Odil.  I,  c.  7 :  Quid  etiam  Stephaiuis  rex  Hungrorumy  sivc 
Sancitis  rex  Hesperidum  populorwnj  qui  quamvis  eum  praesentialiter  non 
viderint,  tarnen  ad  famam  sanctitatis  eins  intercurrentibtis  legaiis  et  reci- 
procis  litteris  astrinxerunt  iUum  sibi  beneficiis  et  copiosis  tnuneribus, 
cammendantes  se  humiliter  orationibua  iüius  et  suffragiis. 

')  An  die  Wiedereroberung  gewisser  Gebiete  von  den  Mauren  knüpft 
Saneho  selbst  in  der  erwähnton  Urk.  für  Ona  die  Reform.  Vgl  Urk. 
Sanchos  III.  bei  Bianca,  Aragon,  rer.  commentarii,  Gaosaraugostae  1792: 
expiUsia  I»mahelitarum  gentibus  a  regni  sui  finibus  . . .  staivit  regnum 
8uum  a  8ordibu8  et  prophanationibus  supradictas  gentis  penitus  emundare 
et  eccleaias  ffwnasteriaque  olitn  ab  eisdem  dinUa  renovare,  Christique  ser- 


104 

Paternns,  mit  einigen  Gefährten  nach  Cliini,  damit  er  sieh  in 
die  Vorschriften  des  klösterlichen  Lebens  vertiefe  und  sie  nach 
Spanien  Qberfbhre.0  Seit  der  Zeit  ruhte  wohl  nicht  der  Zu- 
lauf spanischer  Mönche  nach  Cluni^);  ein  spanischer  Bischof 
selbst,  Sancho  von  Pamplona,  der  im  Kloster  Leyre  erzogen 
worden  war,  wo  auch  König  Sancho  Mayor  seine  Jugend  ver- 
bracht hatte 3),  ein  Mann  von  grossem  Ansehen,  der  auch 
unsem  Abt  mit  reichen  Gaben  unterstützte,  erschien  jenseits 
der  Pyrenäen  und  leistete  vor  Odilo  die  Mönchsgelttbde  ttber 
der  Regel  Benedicts.^)  Bald  nach  Sanehos  des  Grossen  Tode 
finden  wir  ihn  in  dem  französischen  Kloster,  wo  er  mit  seinen 
Geldmitteln  den  Ausbau  und  den  Schmuck  der  Kirche  fördern 
half  ^)  Aber  er  ging  wohl  später  wieder  nach  Spanien  zurttck: 
denn  kurz  vor  seinem  Ableben  beauftragte  er  noch  zwei  Brü- 
der, Odilo  seinen  Tod  anzuzeigen.«) 

Paternus  war  inzwischen  lange  zurückgekehrt  und  dem 
Kloster  S.  Juan  de  la  Pena  in  Aragon  wohl  gegen  1020  vor- 
gesetzt worden.^)  Es  war  das  erste  Kloster  des  Königreichs; 
seit  alten  Zeiten  standen  hier  die  Gräber  der  aragonischen 
Herrscher.     Die  Privilegien,  die  es  jetzt  erhielt,   waren  den 

vorum  gregem  et  beati  Benedicti  nonnam  per  nwnasteria  ordinäre.  Ganz 
ähnlich  spricht  sich  Sancho  IIl.  in  einer  andern  Urkande  bei  Florez, 
Espaüa  sagrada  Bd.  46,  p.  816  ans. 

1)  Vita  Enecon.  c.3.  Vgl.  die  Urkunde  Sanehos  bei  Mabillon,  Ann. 
Ben.  IV,  276.  Eine  ausführliche  Geschichte  der  Anfänge  der  Reform  giebt 
Sancho  der  Grosse  selbst  in  der  Urkunde  für  Ona  bei  Yepes  a.  a.  0.  Irrig 
stellt  Ferrera,  Historie  von  Spanien,  übers,  von  Baumgarten,  Halle  1755, 
p.  221  und  225  die  Sache  so  dar,  als  wäre  Patemus  mit  seinen  Gefährten 
bereits  in  Cluni  gewesen,  als  Sancho  die  Keform  beschloss  und  sie  zu- 
rückrief. 

*)  Rod.  Glab.  III,  c  8 :  convenerunt  iütu:  ab  Hispaniis  qtiamplures 
Iwnestae  conversationis  iam  dudwn  more  viventes  propriae  regionis  tnonachL 

>)  D'Aguirre,  Collect,  concil.  Hisp.  lU,  p.  195. 

*)  Jotsaldi  Vita  Odil.  I,  c.  7. 

»)  Odil.  epist.  ad  Patemnm  abb.  bei  D'Ach^ry,  Spie.  III,  p.3Sl. 

•)  Jots.  V.  Odil.  I,  c.  7.   Er  starb  am  26.  März,  Necr.  Vill,  Bd.  I,  384. 

')  Vita  Enecon.  c.  8.  Ueber  den  Zeitpunkt  der  Wiederherstellung 
weichen  die  Ansichten  ab.  Ferrera  a.  a.  0.  III,  p.  225  setzt  die  Urkunde 
1025,  Gams,  Kirchengesch.  v.  Spanien  11,2,  p.  419  sagt,  die  Stiftnng  sei 
vor  1022  erfolgt.  Vgl.  auch  Sackur,  Studien  über  Rodulfus  Glaber,  N.  Arch. 
XIV,  402.  1021  wird  schon  Leyre  in  Navarra  von  S.  Juan  aus  reformiert; 
8.  unten  p.  108. 


105 

claniacensisehen  nachgebildet;  man  wollte  weder  von  einer 
wettlichen  noch  von  einer  geistlichen  Herrschaft  etwas  wissen : 
die  Bischöfe  Mantins  von  Aragon  und  Sancho  von  Pamplona 
sprachen  es  frei;  zahlreiche  Schenkungen  der  königlichen  Fa- 
milie folgten.^)  Man  stimmt  darin  überein,  dass  die  Geschichte 
von  S.  Juan  die  Geschichte  Aragoniens  ist:  in  keinem  Lande 
habe  ein  geistlicher  Mittelpunkt  die  weltlichen  Interessen  und 
Ideen  in  gleicher  Weise  beherrscht.^)  Schon  Sancho  der  Grosse 
setzte  mit  den  Landesbischöfen  fest,  dass  die  Bischöfe  von 
Aragon  ans  den  Mönchen  unserer  Abtei  gewählt  würden,  eine 
Bestimmung,  die  sein  Nachfolger  Ramiro,  der  nach  der  Teilung 
des  Reiches  beim  Tode  des  Vaters  Aragon  erhielt,  auf  einem 
Conzil  zu  S.  Juan  später  anerkannte.')  Ueberhaupt  hat  er 
die  Bereicherung  und  den  Schutz  der  Abtei  fttr  seine  schönste 
Aufgabe  gehalten;  er  empfahl  sie  der  Gunst  seines  Sohnes 
Sanchos  III,  der  alle  Besitzungen  wieder  verbriefte^),  die  Pri- 
vilegien vom  römischen  Stuhle  bestätigen  und  zugleich  um 
den  päpstlichen  Schutz  Alexanders  II.  ftiü  S.  Juan  bitten  liess.^) 
Dem  Patemus  blieb  Odilo  weiter  verbunden;  nach  dem 
Ableben  Sanchos  von  Navarra  1035  drückte  er  ihm  seine 
heissesten  Wünsche  fttr  die  Befreiung  des  Landes  von  den 
Einfällen  der  Ungläubigen  und  das  Zustandekommen  des  Frie- 
dens unter  den  Söhnen  Sanchos,  namentlich  aber  ftir  Ramiro 


0  Vgl.  die  Urk.  Sanchos  III.  bei  Bianca,  Commentarii  p.  163:  decreta 
sive  libertates,  qualia  habet  Cluniacetise  nwtiasterium.  Urk.  Sanchos  III. 
ebenda  p.  103:  facto  privilegio  secundum  privilegia  Cluniacensis  monasterii. 

')  Gerviniis,  Gesch.  Aragoniens,  Ges.  Schriften  I,  p.  234 ff.;  vgl. 
Schäfer,  Gesch.  v.  Spanien  II,  p.  SB2  f. 

>)  Bianca  p.  99 ;  D'Aguirre,  Collect  concil.  III,  227 ;  Notizia  concil. 
Hispan.,  Salamanca  1686,  p.  208  ff.:  Hoc  vero  est  noatrae  institutionis  de- 
ci-etwm:  Ut  episcopi  Aragonenses  ex  monaehia  praefati  coenobii  habeantur 
et  eligantur.  Das  Decret  ist  datiert:  VII.  Kai  ItiL  Era  MLXII.  Ueber 
die  Datierung  sind  sehr  verschiedene  Ansichten  aufgestellt  worden.  Vgl. 
Bianca  a.  a.  0.,  der  die  Zahl  der  Aera  als  Jahre  nach  Christi  Geburt  rech- 
net, d'Agnirre  a.  a.O.,  der  Era  MLXXII  also  a.  Chr.  1034  annimmt  Pignot, 
Hist.  de  Pordre  de  Clnny  1, 425  setzt  das  Conzil  1034;  Garns,  Kirchengesch. 
y.  Spanien  II,  2,  p.  420  sieht  in  der  Urkunde  nur  eine  schlechte  Copie  des 
Beschlusses  der  Synode  von  Pamplona  von  1028. 

*)  Urk.  Sanchos  UI.  bei  Bianca  p.  63. 

^)  Urk.  Sanchos  III.  bei  Bianca  p.  104:  rogansy  iam  suprafatum  mo- 
nasterium  nan  dedignaretw  apostolico  patrocinio  muntre. 


106 

aus,  dessen  Gttte  nnd  Rechtdehaifenheit  —  worin  er  der  Abglanz 
des  Vaters  sein  solle  —  ihm  Bischof  Saneho  geschildert,  der  dem 
Fürsten  in  Glnni  dadurch  ein  unvergängliches  Andenken  ge- 
schaffen habe;  für  ihn  würden  daselbst  täglich  zu  bestimmten 
Stunden  Psalmen  gesungen.  Paternns  möge  die  Boten,  die  er 
und  der  Bischof  von  Pamplona  sende,  nach  S.  Juan  fbhren, 
und  dem  Bisehofe  alles,  was  er  an  Geld  und  Kirchengut  dort 
gelassen  habe,  übermitteln,  da  das  Gold,  das  Saneho  mit 
nach  Cluni  gebracht,  bereits  fttr  schadhaft  gewordene  Altar- 
tafeln verwendet  worden  sei.^)  Es  ist  merkwürdig,  dass  gerade 
Ramiro  der  Sympathien  der  kirchlichen  Kreise  sich  erfreute,  er, 
der  wegen  seines  verräterischen  Ueberfalls,  den  er  auf  Navarra, 
trotz  seines  Verzichtes  auf  dieses  Land,  sofoii;  nach  Sanchos 
Tode  in  Abwesenheit  seines  Bruders  Garcias  unternahm,  den 
Vorwurf  der  Wortbrüchigkeit  auf  sich  geladen  hat.^)  Patemus 
behielt  nicht  lange  seine  Abtwürde  von  S.  Juan ;  er  wurde  dann 
Bischof  von  Saragossa,  wo  er  allerdings,  wie  es  scheint,  der 
Mauren  wegen  nie  residiert  hat;  sein  Tod  erfolgte  zwischen 
1063  und  1077.3) 

Von  Peüa  verbreitete  sich  nun  die  duniacensische  Beform 
weiter  in  den  drei  Beichen,  welche  der  Name  Sanchos  zu- 
sammenhielt. 

Noch  er  tibergab  Paternus  die  Abtei  St.  Jacob  de  Ayvar 
in  Aragon,  die  schon  vor  Alter  verfallen  war,  mit  all  ihrem 
Besitz:  schon  hatte  man  der  Gebietsgrenzen  gar  nicht  mehr 
geachtet  Sowohl  Ramiro,  als  Saneho  III.  erkannten  die  Er- 
neuerung des  Klosterlebens,  die  Wiederherstellung  des  Besitzes 
und  der  Rechte  von  neuem  an.  In  den  Kreis  der  durch  den 
grossen  König  von  Navarra  in  Aragon  bewirkten  Klosterrefor- 
men gehört  auch  die  der  einst  hochberühmten  Abtei  S.  Victo- 
rian,  aus  der  früher  wohl  treffliehe  Erzbischöfe  und  Aebte  her- 
vorgingen, die  aber  von  den  Barbaren  in  Trümmer  gelegt 
worden  war;  hier  residierten  eine  Zeit  lang  die  Bischöfe  von 
Rota,  in   deren  Sprengel  das  Kloster  lag.*)    Aber  der  König, 

^)  OdiL  epist.  ad  Paternum  a.  a.  0.,  leider  unvoUständig. 
*)  Schäfer,  Gesch.  v.  Spanien  II,  333. 

3)  Ferrera  III,  247;  Garns  p.420:  um  1040;  der  Todestag  der  8.  Nov., 
Necr. Vill.  a.a.O. 

*)  So   sagt   der  Bischof  Salomon   von  Bota   in   einem  Briefe   an 


107 

der  im  Jahre  1026  den  Anfang  der  BeformatioD  gemacht,  — 
er  hatte  aaeh  bereits  begonnen,  es  wieder  aufzubauen  —  kam 
doch  nicht  zur  Vollendung^);  erst  sein  Sohn  Ramiro  verwirk- 
lichte den  Gedanken  des  Vaters.  Ein  hochgelehrter  und  kluger 
Mann,  ein  Campaner  Johannes^),  nahm  den  Abtstuhl  ein  und 
am  21.  Mai  1044  verbriefte  Ramiro  die  Souveränität  des  Klo- 
sters, das  eben  so  frei  sein  solle  von  jeder  weltlichen  wie 
bischöflichen  Autorität:  es  soll  seine  und  seiner  Nachfolger 
Hofcapelle  sein,  er  nimmt  es  in  seinen  königlichen  Schutz.^) 
Reichen  Besitz  an  Ländereien  und  Kirchen  schenkte  er  dem 
Kloster  und  empfahl  es  seinem  Sohne  Sancho  III.  Dieser, 
dem  die  grossen  Freiheiten  Clunis  vor  Augen  schwebten,  Hess 
in  jenem  selben  Jahre  1071,  in  dem  auf  seine  Veranlassung 
Papst  Alexander  II.  das  apostolische  Proteetorat  über  S.  Juan 
de  la  Pena  aussprach  4),  durch  den  römischen  Cardinalpriester 
Hugo  Candidus,  der  im  März  zu  Jacca  am  Hoflager  des  Kö- 
nigs weilte,  und  die  Achte  Aquelin  von  S.  Juan  und  Grimald 
von  S.  Vietorian  ^)  den  Papst  um  die  Ausdehnung  des  römi- 
schen Schutzrechts  über  die  letztere  Abtei  ersuchen,  worauf 
der  König  die  Freiheiten  des  Klosters  im  Jahre  1076  bestätigte 
und  ihre  Anerkennung  seinen  Söhnen  und  Neffen  angelegent- 
lichst empfahl.<^) 

Von  S.  Victorian  waren  nun  wieder  einige  andere  kleinere 
Klöster  im  Sprengel  von  Rota  abhängig,  die  dann  jedenfalls 
von  dort  aus  besiedelt  und  eingerichtet  wurden:  so  die  Abtei 
der  hl.  hl.  Justin  und  Pastor  von  Orma,  S.  Peter  de  Taberna 
und  S.  Maria  de  Ovarra,  von  denen  die  beiden  letztgenannten 
unter  Sancho  III.  mit  S.  Victorian  vereinigt  wurden.^) 


Sancho  III.:  apad  sanctum  Victorianunij  tiln  primum  aedi  in  cathedra  et 
uH  primum  crisma  confeci  bei  Florez  Bd.  46,  p.  319. 

0  Ramiro  sagt  in  der  Urkunde  (Florez  a.  a.  0.  p.  313):  quod  monaste- 
riiim  iam  pater  mens  restaurare  inceperat.   Ebenso  in  der  ürk.  Sancbos  III. 

*)  Ein  Abt  Johannes  von  S.  Victorian  begegnet  im  Necrol.  del  mo- 
nasterio  de  San  Victorian,  Florez  Bd.  47,  p.  280  zum  10.  Juli. 

^)  Urk.  Ramiros  a.a.O. 

*)  J.-L.  nr.4691. 

^)  Grimaldus  begegnet  im  Necrol.  von  San  Victorian  zum  29.  Sept 

*)  Urk.  Sancbos  III.  v.  1076  bei  Florez  Bd.  46,  p.  316:  talia  praecepta 
et  privilegia  et  decreta  et  libertateSy  qtuüia  habet  Cluni<icen8e  monasterium. 

^)  Florez  p.  319.    Diese  Abteien  waren  noch  unter  Bischof  Salomon 


108 

Hier  lebte  auch  in  den  siebziger  Jahren  ein  Mönch  Berna- 
dinns,  den  der  Bischof  Dalmatias  Raimund  von  Rota  im  Jahre 
1078  nach  der  Abtei  S.  Maria  de  Alaone  sandte,  die  bei  der 
Wiederherstellung  des  Bistnms  frtther  mit  einigen  anderen 
Klöstern  dnrch  Saneho  III.  an  die  Gathedralkirehe  von  Rota 
gekommen  war.  Ursprünglich  für  Mönche  bestimmt,  war  sie 
im  Laufe  der  Zeit  ihnen  entgangen  und  in  die  Hände  irreli- 
giöser Weltgeistlichen  geraten,  bis  der  genannte  Kirchenftirst, 
dem  die  Vernachlässigung  der  kirchlichen  und  klösterlichen 
Interessen  durch  seine  Vorgänger  schwer  aufs  Herz  fiel,  dem 
unleidlichen  Zustande  durch  die  Berufung  des  Mönches  von 
S.  Victorian  ein  Ende  machte.^) 

Navarra. 

In  Navarra  erhob  in  jener  Zeit  wieder  die  Abtei  Leyre 
ihr  Haupt,  als  König  Saneho  der  Grosse  sie  dem  gleichnamigen 
Bischöfe  von  Pamplona  zur  Reform  ttbergab;  dieser  ttbemahm 
selbst  ihre  Leitung,  um  die  duniacensischen  Gebräuche  von 
S.  Juan  de  la  Peüa  nach  Navarra  zu  verpflanzen:  die  betreffende 
Urkunde  vom  21.  October  1021  ist  von  der  königlichen  Familie, 
Bischöfen  und  Achten  unterzeichnet^)  Die  spanischen  Klöster 
sollten  die  Schulen  der  Bischöfe  werden:  wie  die  aragonesi- 
sehen  Bischöfe  aus  S.  Juan,  so  sollten  nach  einem  Beschluss 
der  Väter  von  Pamplona  im  Jahre  1028  die  Bischöfe  von  Irun 
stets  aus  der  Abtei  Leyre  hervorgehen.^) 

Sicherlieh  war  es  wieder  Patemns  oder  seine  Schule,  mit 
deren  Hilfe  der  König  am  12.  Mai  1080  die  Reform  von  San 
Millan  de  CogoUa  bewerkstelligte.  Zuerst  erfolgte  nach  einem 
dreitägigen  Fasten  die  feierliche  Translation  des  Heiligen  von 
seiner  alten  Grabstätte  nach  der  neuen;  dann  ftihrte  Saneho 
im  Einverständnis  mit  Clerus  und  Volk  die  Benedictinerregel 
ein  und  liess  den  von  der  Congregation  gewählten  Mönch 
Ferrutius  zum  Abt  weihen;  dabei  stattete  er  das  neue  Bene- 
dictinerstift  aus  und  verbriefte  seine  Freiheit  von  jeder  geist- 

(1068—1075)  der  Kirche  von  Rota  untergeben.    Vgl.  Epist.  Salomon.  bei 
Florez  p.  231. 

0  Urk.  des  BischofB  Dalmatius  bei  Florez  p.  285. 

>)  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  273  ff. 

3)  Mabillon  a.  a.  0.  p.  274. 


109 

liehen  oder  weltliehen  Herrsehaft,  was  die  Mönehe  ihrerseits 
bestätigten  0  und  was  aneh  König  Gareias  von  Navarra  später 
anerkannte/'^)  Drei  Jabre  naeh  S.  Millan  erlebte  das  Kloster 
S.  Maria  de  Yraehe  dureh  Sancho  den  Grossen  die  Wieder- 
erweckung der  klösterlichen  Zucht.^)  Unter  dessen  Nachfol- 
ger bestanden  in  Navarra  die  klösterlichen  Tendenzen  fort.  Mit 
Odilo  nnterhielt  Garcias  Beziehungen.  Als  er  den  König  kurz 
nach  seines  Vaters  Tode  in  sehweren  Zeiten  um  Unterstützung 
anging,  berief  er  sich  auf  die  Freundschaft  und  die  Verbindung, 
die  einst  zwischen  Cluni  und  Sancho  bestanden  hatte.^)  König 
Garcias  selbst  gründete  nach  Odiles  Tode  im  Jahre  1052  die 
Abtei  S.  Maria  de  Najera,  deren  Stiftungsurkunde  des  Königs 
Brüder,  die  geistlichen  und  weltlichen  Grossen  des  Landes 
unterschrieben.^) 

Castilien. 

Als  im  Jahre  1017  der  Graf  Sancho  von  Castilien  ge- 
storben war,  hätte  ihm  in  der  Regierung  sein  Sohn  Garcias 
folgen  müssen ;  aber  er  wurde  bei  der  Feier  seiner  Vermählung, 
als  er  eben  die  Kirche  betreten  wollte,  ermordet.  So  nahm 
Sancho  von  Navarra,  der  Schwager  des  jungen  Fürsten,  der 
Schwiegersohn  des  verstorbenen  Sancho,  Castilien  ftlr  sich 
in  Anspruch.«)  Nachdem  der  König  von  Navarra  Graf  von 
Castilien  geworden  war,  begann  auch  die  Wirksamkeit  der 
Schule  des  Paternus,  dessen  Zucht  sich  in  Aragon  bewährt 
hatte.  Der  Schwiegervater  des  Königs,  Graf  Sancho,  hatte 
einst  zu  Ona  ein  Doppelkloster  gegründet,  das  sowohl  von 
Mönchen  als  von  Nonnen  bewohnt  wurde.^)  Als  aber  letztere 
sich  einem  lockeren  und  üppigen  Leben  hingegeben  hatten^), 


^)  Yepes,  Ghroniqae  g^n^rale  de  l'ordre  de  St.  Benoit,  1648,  p.  514; 
Transl.  S.  Aemilii  bei  d'Aguirre  UI,  216. 

«)  Yepes  p.  515. 

*)  Fenrera  III,  225;  d'Aguirre,  Notizia  concil.  Hispan.  p.  191. 

«)  Brief  OdUos  an  Garsias  bei  d'Ach6ry  III,  8S1. 

^)  Yepes,  Chronica  general  de  la  orden  de  San  Benito  VI,  f.  464, 
escrit  XXI.    Urk.  v.  12.  Dec.  1052. 

«)  Schäfer,  Gesch.  v.  Spanien  II,  948. 

^)  Garns,  Kirchengesch.  v.  Spanien  II,  2,  419. 

")  Vita  Eneconis  c.  3 :  pulsis  ex  eo  monialibua,  qiMrum  vita  parwn 
nwnasticae  reffulae  respondebat. 


HO 

worden  sie  Anfang  der  dreissiger  Jahre  von  Patemns,  der  auf 
das  Ansaehen  der  Stände  des  Reiches  nach  Oila  kam,  entfernt, 
und  die  Leitung  und  Ordination  der  Brüder  vom  Könige  und 
den  Bisehöfen  einem  in  Peua  erzogenen,  von  den  eingeführten 
Brüdern  gewählten  Mönche  Garsias  übergeben;  am  27.  Juni  1033 
erfolgte  die  Privilegierung  des  Klosters.  Mit  glänzenden  Rech- 
ten wurde  das  Stift  ausgestattet:  jeder  weltliche  wie  geistliche 
Eingriff  wird  abgewehrt;  nie  soll  Excommunication  über  das- 
selbe verhängt  und  der  Abt  nur  auf  Grund  canonischer  Ent- 
scheidungen eines  Generaleonzils  abgesetzt  werden.  Die  ganze 
königliche  Familie,  die  drei  Bischöfe  von  Bnrgos,  Palencia  und 
Alava  unterzeichneten  das  wertvolle  Documenta)  Nach  Garsias 
Tode^)  bemühte  sich  König  Sancho,  für  das  Weitergedeihen 
der  unter  ihm  reformierten  Klöster  aufs  eifrigste  bedacht,  per- 
sönlich einen  würdigen  Abt  ausfindig  zu  machen:  da  hörte  er 
von  einem  Eremiten  lüigo  in  Aragon;  lange  liess  dieser  sich 
vergeblich  bitten,  seine  Einsiedelei  mit  der  glänzenden  Stellung 
eines  Abtes  von  Ona  zu  vertauschen.  Erst  als  Sancho  sich 
selbst  zu  ihm  begab,  Hess  er  den  Widerstand  fahren  und  lohnte 
seinem  königlichen  Gönner  durch  ein  treflfliches  Regiment,  das 
Armen-  und  Krankenpflege,  zahlreiche  Wunder  auszeichneten.') 
In  Oüa  liegt  König  Sancho  begraben.^)  Lange  Jahre  überlebte 
ihn  lüigo;  er  ist  wahrscheinlich  am  1.  Juni  1057  gestorben.^) 
Oüa  war  später  dem  Orden  von  Gluni  nicht  unterworfen,  son- 
dern bildete  selbst  eine  grosse  Congregation,  die  nicht  weniger 
als  dreiundsiebzig  abhängige  Klöster  umfasste.*) 

Nicht  lange   nach  der  Reform  von  Oüa  siedelten  dunia- 

>)  Yepes,  Chronica  general  V,  fol.  467,  Escrit.  XI^V;  vgl  V.  Eneconis 
c.  S :  Tandem  episcopof^tm  et  regis  procerutnque  conseftsu  omne  coenobium 
riris  religione  insignibuSj  qui  sub  Paterno  edocti  erantj  incolendum  tradihir. 

*)  Er  starb  am  21.  Man  nach  dem  Necrol.  Yül.  Bd.I,  384. 

')  V.  Eneconis  c.  4. 

*)  Die  Urkunde,  in  der  der  König  den  Wunsch  ausspricht,  in  Oila 
begraben  zu  werden,  bei  Yepes  V,  fol.  468,  Escrit  XL  VI;  Necrol.  Rotense 
bei  Florez,  Bd.  46,  344:  Sep^dtus  est  Onie  monasterio. 

^)  Ohron.  Burgense:  Era  1095.  obiit  5.  Ennecus  abbas,  Kap^gf^  gagr. 
Bd.  23,  310;  V.  Eneconis  c.  4.  Garns,  Kirchengesch.  II,  2,  422  setzt  seinen 
Tod  nach  den  abweichenden  Nachrichten  lt)57 — 106S.  Nach  Yepes  V, 
fol.33^  hat  Inigo  von  1038—1070  regiert 

')  Yepes  V,  fol.3:U— 334:  Catalogo  de  los  mnchos  Mon&sterios  etc. 


111 

censiHche  Mönehe  auf  VeranlassuDg  Sanchos  des  Grossen  nach 
Gerdana  ttber^),  einer  Abtei,  mit  der  nach  dem  Tode  des  Abtes 
Recimnnd  von  S.  Maria  von  Reymund  das  eben  genannte 
Kloster  vereinigt  wnrde.^)  Als  nnn  nach  Sanchos  Ableben  sein 
zweiter  Sohn  Ferdinand  in  den  Besitz  von  Castilien  gelangt 
war,  ttbergab  dieser  im  Jahre  1040  dem  Abte  Gomez  von  Cer- 
dana  das  St.  Vincenzkloster  im  Snbnrbium  von  Bargos,  das 
Kloster  S.  Mametis  in  Alfoz  zwischen  Alara  nnd  Evecia  de 
Campo,  das  der  hL  Engenia  ebenfalls  im  Snburbiam  der  casti- 
lischen  Metropole,  S.  Martin  in  Triezo  mit  allen  Besitzungen, 
Zehnten  u.  s.  w.;  dafttr  ttberliess  Gomez  dem  Könige  die  Abtei 
S.  Lanrentins  in  Bnrgos,  die  doch  jedenfalls  auch  von  Reform- 
mönchen bewohnt  war  und  nnn  zn  einer  selbständigen  wnrde.^) 
Wie  es  dazu  kam,  dass  die  Abtei  S.  Zoylns  de  Carrion  in 
Castilien  von  elnniacensischen  Mönchen  bewohnt  wurde,  ent- 
zieht sich  unserer  Kenntnis;  jedenfalls  sind  sie  schon  1047 
dort  ansässig^);  nicht  ohne  Grund  hat  man  vermutet,  dass 
der  erste  Propst  Alnardus  war,  dessen  Signum  sich  unter  einer 
Urkunde  des  Grafen  Gomez  von  Carrion  vom  15.  März  1047 
findet.^)  Nicht  weniger  als  dreizehn  von  S.  Zoylus  abhängige 
Klöster  zählt  man,  deren  ansehnlichsten  wohl  die  Abteien 
S.  Faenndus,  S.  Romanus  de  Rupibus  und  S.  Martin  de  Fro- 
mestra  waren.«) 

So   begann  in  dem  christliehen  Spanien  mit  den  günsti- 
geren  politischen  Verhältnissen  durch  Odiles  Einwirkung  ein 


0  Ferrera  III,  238. 

«)  ib.  p.  247. 

=)  Yepes,  Chronique  g6n.  de  Tordre  de  S.  Benoit  (1648)  p.  497,  ürk. 
Ferdinands  1. 

*)  Yepes,  Chron.  general  de  la  orden  VI,  fol.  459,  Escrit  XIIII.  ürk. 
des  Grafen  Gomez  de  Carrion  von  Freitag  dem  15.  März  1047.  £r  unter- 
wirft das  Hospiz  S.  Facundus:  ecclesiae  sancti  lohannis  baptistae  et  sanc- 
tonim  Zoyli  atque  Faelicis  et  monachis  ordinia  Cluniacensis  ibi  Deo  ser- 
vientibuSf  wt  ipsi  et  posteri  eam  in  perpetuum  hubeant  et  possideant. 

'^)  Yepes  VI,  fol.  74  u.  88.  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  449  spricht  von 
einem  ersten  Abte  Arnulf,  den  Odilo  gesandt  haben  soll.  Das  beruht 
offenbar  auf  einem  Irrtum,  den  Pignot  1,  424,  der  fast  stets  auf  secundäre 
Bearbeitungen  zurückgebt,  natürlich  nachschreibt. 

«)  Yepes  VI,  fol.  83-87. 


112 

frischer  Zog  die  weltlichcD  nnd  geistlieheD  Kreise  zu  durch- 
wehen. Die  Könige  sind  überall  das  bewegende  Element; 
nirgend  haben  die  Klöster  so  sehr  im  Mittelpunkte  aller  Inter- 
essen gestanden,  wie  hier.  Sie,  nicht  die  Bischofsitze,  warea 
die  Centren  der  Provinzen;  um  so  wichtiger  war  die  Unab- 
hängigkeit ihrer  Stellung,  die  überall  garantiert  wurde.  Wie 
sehr  man  den  Einfluss  Clunis  zu  schätzen  wusste,  beweist  am 
besten  die  Thatsache,  dass  bei  den  erneuten  Kämpfen  gegen  die 
Mauren  man  alle  Beute  an  Gold  und  Silber  dem  hl.  Petrus  von 
Cluni  zu  weihen  gelobte,  ein  Gelübde,  das  in  der  That,  als  nach 
einem  glänzenden  Siege  kostbare  Schätze  der  Sarrazenen  in  die 
Hände  der  Christen  fielen,  erfüllt  wurde.^)  Unter  Ferdinand  I.  und 
seinem  Sohne  Alphons  VI.  von  Castilien  wurden  die  Beziehungen 
zu  Cluni  noch  enger.  Ersterer  wandelte,  was  die  Begünstigung 
der  französischen  Mönche  betraf,  in  den  Fusstapfen  seines 
Vaters:  so  bewilligte  er  auch  der  Abtei  Cluni  einen  jähr- 
lichen Zins  von  hundert  Unzen  Goldes.  Alfons  VI.  verdoppelte 
diese  Leistung;  er  ist  dem  Abte  Hugo  von  Cluni  mit  wahrhaft 
kindlicher  Liebe  und  Verehrung  zugethan :  er  habe  ein  Testa- 
ment gemacht,  schreibt  er  ihm,  dass  sein  Nachfolger  den  Zins, 
den  er  dem  Kloster  zahle,  weiter  entrichte;  wenn  er  dies  nicht 
wolle,  soll  er  das  Königreich  selbst  verlieren.^)  Allerdings  hatte 
er  Hugo  viel  zu  verdanken;  wie  sein  Vorgänger  O^lo  den 
Bruderkämpfen  nach  Sanchos  des  Grossen  Tode  nicht  gleich- 
gültig zusah,  so  begleitete  Hugo  den  von  seinem  Bruder  Sancho 
gefangenen  Alfons  mit  Gebeten.  Ihnen  schrieb  man  in  Cluni 
dessen  Befreiung  zu  3);  jedenfalls  konnte  man  später  die  Freund- 
schaft des  Königs  für  die  französische  Abtei  nicht  genug  rüh- 
men ;  er  soll  den  fast  erstorbenen  klösterlichen  Sinn  in  Spanien 
wieder  belebt  haben,  was  jedenfalls  übertrieben  ist,  aber  zwei 


')  Rod.  Glaber  IV,  c.  7.  Ueber  die  Auslegung  vgl.  Studien  über  Ro- 
dulfus  Glaber,  N.  Arch.  XIV,  405. 

*)  Alfonsi  ep.  ad  Hngouem  bei  d'Ach6ry  III,  407:  Ad  hoc  Hcito,  cen- 
snntf  quem  pater  m€U8  illo  sanctissimo  loco  Cluniacefm  solittis  er<U  darCf 
egOf  annuente  DeOj  in  diebua  vitae  meae  duplicabo  . . .  sin  autetn  nolucfit 
. . .  ipso  regno  careat. 

8)  Vgl.  Hugonia  Vita  Hugonis,  Bibl.  Clun.  col.  443;  HUdeb.  Vita  Hug. 
a  a.  0.  cd.  419;  Miracul.  S.  Hug.  a.  a.  0.  col.  452;  Petri  Venerab.  Mir.  lib.  I, 
c.  28  a  a.O.  col.  12%. 


113 

Klöster  gründete  er  selbst,  andere  Stiftungen  förderte  er  and 
besiedelte  er  mit  Claniaeensern.i)  Seine  Geschenke  nnd  sein 
Wirken  ftir  das  französische  Kloster  stellten  ihn  in  den  Augen 
der  Mönche  über  alle  Fttrsten  der  älteren  und  neuen  Zeit.^) 
Psalmengesänge,  Gebete  und  Almosen  wurden  für  sein  Seelen- 
heil veranstaltet;  noch  bei  seinen  Lebzeiten  wurde  bestimmt, 
dass  sein  Todestag  in  allem  wie  der  Kaiser  Heinrichs  III,  der 
seiner  Gemahlin  wie  der  der  Kaiserin  Agnes  gefeiert  werde. 
Wie  sehr  Sancho  III.  von  Aragon  die  Privilegien  von  Cluni 
zum  Muster  für  seine  Abteien  nahm,  ist  erwähnt  worden.  Am 
Ende  war  es  doch  das  wichtigste,  dass  Hugo  erst  Spanien 
enger  an  den  römischen  Stuhl  und  damit  an  die  Gemeinschaft 
der  christlichen  Staaten  knüpfte:  auf  Hugos  von  Cluni  Ver- 
anlassung fand  der  römische  Ritus  in  Spanien  Aufnahme.^) 

So  wogten  die  Beziehungen  und  Einwirkungen  herüber 
und  hinüber:  der  Orden  von  Cluni  zählte  später  sechsund- 
zwanzig abhängige  Priorate,  Decanate  und  Abteien  jenseits  der 
Pyrenäen.^) 


*)  Petri  Venerab.  Mir.  I,  c.  28:  Praeter  haec  duo  monasteria  in  Mispa- 
niis  ex  proprio  construxitj  alia  a  quibiisdam  aliis  personis  construi  per- 
misitf  et  ubi  construerentuTf  adiuvit:  in  quibu8  Cluniacenses  monachos 
ponens,  et  unde  omnipotenti  Deo  regulariter  servire  possent,  regia  libera- 
litate  affluenter  largiens.  Et  pene  mortuvm  monastuMe  religionis  fervorem 
ex  parte  in  Hispaniis  reparavit. 

*)  Statuta  S.  Hugon.  abb.  pro  Alfonso  rege  bei  d'AchSry  III,  40S : 
fideli  amicOj  qui  tanta  ac  talia  bona  nobis  fecit  et  adhuc  indesinenter 
facitj  ut  neminem  regum  vel  principum  sive  priacis  sive  modemis  tempo- 
ribus  ei  camparare  poaaimua. 

>)  Alfonsi  epist  a.  a.  0.:  De  Romano  autem  officio^  quod  tua  iussione 
accepimiis. 

*)  Bibl.  Clun.  col.  1746. 


8»okar,  Clmdaoenter.   U.  8 


Sechstes  Capitel. 

Die  Cluniacenser  in  Lothringen. 


1.  Die  oberlothringisohen  Kirchen  am  Ende 

des  zehnten  Jahrhunderts. 

I. 

In  Lothringen  folgte  auf  die  Jahre  der  Uumhe  und  der 
Empörung  in  der  ersten  Hälfte  des  zehnten  Jahrhunderts  eine 
friedliche  Zeit  unter  der  geschickten  und  energischen  Herr- 
schaft des  Erzbischofs  Bruno  von  Cöln,  die  geeignet  war,  die 
Schäden,  die  das  vielgeprüfte  Land  erlitten  hatte,  zu  beseitigen. 
In  einer  Hand  hielt  der  Kirchenfttrst  die  weltlichen  und  geist- 
lichen Zttgel,  und  kaum  je  ist  diese  Vereinigung  beider  Ge- 
walten einem  Lande  so  sehr  von  Vorteil  gewesen  als  diesmal. 
Wie  er  in  seiner  Schule  eine  glänzende  Schar  tüchtiger  Cle- 
riker  heranbildete  0^  so  besetzte  er  mit  ihnen  die  oberlothrin- 
gischen Bischofssitze.  Während  Bruno  die  herzogliche  Gewalt 
in  Lothringen  inne  hatte,  wurden  die  Stühle  von  Metz,  Toul 
und  Verdun  je  einmal  erledigt  Jedesmal  sandte  er  dann  einen 
Geistlichen  seiner  Zucht  in  die  verwaiste  Bischofsstadt.  So 
verdankten  Wigfried  von  Verdun,  Gerhard  von  Toul  und  Theo- 
derich I.  von  Metz   ihm   ihre  Erhebung.^)    Obgleich   er  Erz- 

>)  Dümmler,  Otto  der  Grosse  p.  399. 

')  Sigeberti  Vita  Deod.  c.  7.  Von  Gerhard  und  Wigfried:  collegae  fue- 
runt  huius  nostri  Deodoricij  ex  discipUna  scilicet  BrufwniSf  incliti,  cuius 
etiam  iudicio  ad  gradum  pontificatus  meruerunt  provehi.  Ueber  Gerhard 
vgl.  noch  besonders  Widrici  Vita  Gerardi  c.  3  und  Urk.  Gerhards  von  982 
bei  Calmet  I,  389 :  qtiod  postqtiam  . . .  necnon  et  damni  Brunonis  glorioH 
archiepiscopi  et  regia  germanitate  praeceüentis  iussione  dictante  aiatodiam 
aninia^mm  et  regimen  smcepimtis  ecclesiae  Tullensium. 


115 

bisehof  von  Cöln  war,  verwaltete  er  doch  als  Reichsverweser 
nach  Adalberos  L  Tode  den  leeren  Stahl  von  Metz,  bis  dessen 
Nachfolger  ihn  erlangte.^) 

Die  Bischöfe,  die  in  dieser  Zeit  eingesetzt  wurden,  ent- 
stammten den  ersten  Familien  des  Landes:  Gerhard  war  aus 
Cöln  gebürtig  und  von  vornehmem  Geschlecht^);  sein  Bruder 
Azelin  begegnet  als  Graf  von  Toul.^)  Theoderich  von  Metz 
war  ein  leiblicher  Vetter  Kaiser  Ottos  des  Grossen,  denn  ihre 
Mtltter  waren  Schwestern.^)  Adalbero  IL  endlich,  Theoderichs 
Nachfolger,  ging  aus  dem  ersten  Adelsgeschlecht  Lothringens 
hervor:  sein  Vater  war  der  Herzog  Friedrich  vom  Mosellande, 
den  sein  Sohn  Theoderich  in  dieser  Würde  beerbte.^)  Man 
musste  dem  hohen  Adel  die  bischöflichen  Stühle  vorbehalten, 
um  ihn  an  das  Interesse  der  Kirchen  und  damit  an  das  otto- 
nische  Haus  zu  fesseln.  Dann  aber  waren  die  Kirchen  verarmt; 
nur  Männer  von  Vermögen  und  weitreichenden  Verbindungen 
schienen  geeignet,  ihnen  aufzuhelfen. 


>)  Urk.  Theod.  fUr  St.  Arnulf  bei  Meurisse,  Hist.  des  ^vdqnes  de 
r^glise  de  Metz  (1684)  p.  326:  4^od  post  obitum  domni  AdeUberonis  pii 
decessoris  nostrij  dum  divae  metno^'iae  domnus  Bruno  archiepiscopuSf  in 
quo  regni  tunc  procuratio  incumbebatj  sedem  vacuam  tempore  aliq'uanto 
disponeret, 

«)  Widrici  Vita  Gerardi  e.  2. 

")  Nämlich  982  findet  sich  in  zwei  Urkunden  Gerhards  ein  S.  Azdini 
comiix»  TullensiSf  frattis  domni  pontificis  bei  Calmet  I,  389,  391.  Zuletzt 
begegnet  971  bei  Calmet  I,  385,  Gallia  Christ.  XIII,  457:  S.  SindebaMi  cmni- 
tis  Tuü,  Derselbe  in  Adsonis  Mir.  S.  Mansueti  und  Haupts  Zs.  f.  d.  Altert. 
XVIU.  —  Vor  ihm  weise  ich  Graf  Eberhard  nach,  einen  Verwandten  Hein- 
richs I,  DH  I,  ur.  16,  Urk.  Heinr.  vom  28.  Dec.  927:  rogatu  Eberhardi  fidelis 
et  dilecti  comitis  atque  propinqui  nostri.  Damals  gewährt' aber  Heinrich 
dem  Bischöfe  die  Ausübung  der  Grafenrechte,  St  19.  —  Dann  in  St.  24, 
DH  I,  nr.  21  vom  27.  Dec.  929  erscheint  wieder  consanguineus  noster  comea 
Rebarhardua. 

*)  Sigeb.  Vita  Deod.  c.  1 . 

*)  Constant  Vita  Adalb.  c.  1:  paire  FridericOj  qui  Gaüiae  medianae 
dux  . . .  matre  BeatficCf  quae  Magni  Hugonis  filia  fuit  Wenn  Witte, 
Lothringen  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrh.  p.  18  aus  dem  Oalliae 
tnedianae  dux  den  Scbluss  zieht,  dass  er  nur  Herzog  von  Oberlothringen 
war,  so  ist  das  kaum  beweisend.  Eher,  dass  Gesta  abb.  Trud.  (SS.  X,  378) 
Friedrich  dux  Moseüanorum  heisst.  In  Constant.  Vita  Adalb.  c.  18  wird 
Friedrichs  Sohn  Theoderich  dann  genauer  bezeichnet  als  dux  eorumy  qui 
eis  citraque  Mosam  Mosellamque  resident.    Vgl.  Waitz,  D.  Vg.  V,  1 5G. 

8* 


116 

In  der  That  sehen  wir  diese  Herren  mit  dem  Königshanse 
in  steter  Verbindung.  Auf  der  Reiehsversammlang  zu  Köln 
im  Juni  965,  auf  der  sich  ein  grosser  Teil  des  deutschen 
Episcopats  eingefunden  hatte,  weilten  wohl  zuerst  die  drei 
Bischöfe  Oberlothringens  zusammen  am  Hofe  des  Kaisers J) 
Gerhard  von  Toni  erhielt  damals  drei  Privilegien,  für  Bouxiöres, 
St  Mansuy  und  St.  fevre^).  Wir  sehen  Bruno  weiter  sich  für 
ihn  verwenden;  nicht  nur  interveniert  er  beim  Kaiser'),  seine 
Stimme  wird  bei  der  Ernennung  des  Abtes  Adam  von  St  Man- 
suy besonders  hervorgehoben.^)  Leider  starb  der  Erzbischof 
nicht  lange  darauf  in  jungen  Jahren^);  aber  noch  kurz  vor 
seinem  Tode  hatte  er  seine  getreuen  Schttler  Wigfried  und 
Theoderich  um  sich.«)  Die  erste  Stelle  vertrat  seither  bei  Otto 
sein  Vetter,  der  Bischof  von  Metz.  Kein  Jahr  vergeht,  in  dem 
wir  ihn  nicht  in  seiner  Begleitung  finden.  Von  der  Hofver- 
sammlung in  Aachen  am  17.  Januar  966  an,  wo  er  mit  Ger- 
hard von  Toul  bei  Otto  weilte^),  macht  sich  sein  Einfluss  auf 
dem  ganzen  italienischen  Zuge,  der  jetzt  folgte,  ftthlbar.  Er 
offenbarte  sich  in  hervorragendem  Masse,  als  die  italienischen 
Prälaten  sich  an  seine  Vermittelung  wandten,  um  vom  Kaiser 
etwas  zu  erreichen.^)  Alle  Beichsgeschäfte  sollen  durch  ihn 
verhandelt  worden  sein.^)  Aufs  engste  schlössen  sich  ihm  Ger- 
hard von  Toul  und  Wigfried  von  Verdun  an:  er  war  der  bedeu- 
tendste von  den  oberlothringischen  Bischöfen,  ihm  ordneten  sich 
die  andern  in  ihren  kirchlichen  Angelegenheiten  willig  unter.^^) 

>)  Dümmler,  Otto  d.  Gr.  p.  873  ff. 

")  MG.  DO  I,  nr.  289—290  vom  2.  Juni  965,  St.  366—368. 

*)  DO  I,  288:  una  cum  fratris  nostri  Brunania  archiepiscopi  subventu 
fUr  Bcuxi^res. 

*)  DO  I,  289:  cum  consilio  Brunonis  archiepiscopi. 

B)  Am  10.  October  965,  Dümmler  p.  396. 

*)  Ruotgeri  Vita  Brun.  c.  43. 

^)  Dümmler  p.  404. 

»)  Sigeb.  Vita  Deod.,  SS.  IV,  475:  cum  de  causa  sua  cum  apud  impe- 
ratorem  sibi  fieri  intcrceasorem  rogaret  ...  si  pro  causa  sua  imperatoriam 
interpeUasset  maiestatem.  Sigeb.  Translatio  S.  Luciae  bei  Meurisse,  Bist, 
des  ^v^ques  de  Metz  p.  320:  Per  hunc  tractabantur  cuncta  imperii  nego- 
Ha  ...  per  hunc  quisquej  quae  obtinenda  erant,  optinebat, 

»)  Auch  die  V.  S.  Kaddroe  (Mab.  A.  SS.  V,  499)  sagt  von  ihm:  licet 
occupatus  saecüli  negotiis  (neque  enim  aliter  poterat  tantae  consulere  wrbi). 

»°)  Sigeb.  Tranfll.  S.  Luc.  a.a.O.  p.322:  Qerardo  TuUensi  et  VuinO' 


117 

Theoderich  bewahrte  seine  StellaDg  bei  Otto  IV)  Dessen 
griechische  Braut  hatte  er  in  Benevent  empfangen  müssen,  als 
sie  im  Frühjahr  972  nach  Italien  kam,  um  mit  dem  jungen 
Könige  der  Franken  die  Vermählung  zu  feiern.^)  Später  aller- 
dings hasste  er  sie  wie  den  Tod.  Er  begleitete  Otto  II.  auf 
seinem  ROmerznge  Anfang  der  achtziger  Jahre;  in  Rossano 
blieb  er  mit  Theophano  zurück,  während  der  Kaiser  jene 
Niederlage  gegen  die  Sarrazenen  erlitt.  Die  giftigen  Schmä- 
hungen des  unzarten  Weibes  gegen  den  Gemahl  sollen  ihn 
dermassen  entrüstet  haben,  dass  er  nach  des  Kaisers  Tode 
fast  allein  von  dem  gesamten  lothringischen  Adel  sich  auf  die 
Seite  Heinrichs  des  Zänkers  stellte  und  gegen  den  jungen  Otto 
Partei  ergriff.^)  Diese  Handlungsweise  von  Seiten  eines  Mannes, 
der  seine  ganze  Stellung  seinen  Verwandten  verdankte,  auf 
den  auch  der  letzte  Kaiser  seine  Gunstbezeugungen  gehäuft  — 
noch  am  20.  Juni  983  erhielt  er  von  ihm  ein  Privileg  in  Man- 
tna  ^)  — ,  empörte  die  Lothringer  so  sehr,  dass  Theoderich,  der 
einst  sich  in  dem  Glänze  der  kaiserlichen  Gnade  sonnte,  ver- 
achtet und  vergessen  in  die  Grube  sank.  Damals  zog  Gerhard 
von  Toul  über  Pavia,  wo  er  Adalbert,  den  späteren  Märtyrer, 
und  Majolus  von  Cluni  traf,  nach  Rom,  als  hier  in  der  fremden 
Erde  der  junge  Kaiser  ein  frühes  Grab  gefundea  hatte.^) 

Bei  weitem  die  wichtigste  Rolle  spielte  in  dieser  Zeit  aber 
Verdnn.  Obgleich  König  Lothar  anfangs  von  Gerbert  ftlr  die 
Sache  des  jungen  Otto  gewonnen  worden  war,  so  hatte  er 
doch  bald  die  Vorteile  erkannt,  die  er  bezüglich  seiner  An- 
sprüche auf  Lothringen  aus  den  deutschen  Wirren  ziehen 
könne  ^i),    und    ein    Bündnis    mit   Heinrich    von    Baiem    ge- 


frido  Virdunenaif  qui  olim  in  aula  imperatoris  famüiari  contubemio  sibi 
adhaeserantj  et  modo  in  exeqtiendis  ecclesiasticae  religionia  officiis  una- 
nimi  devotione  sibi  invicem  obtemperabant.  Dazu  vgl.  Vita  Deod.  c.  7 : 
Wicfridus  usus  est  in  omnibu»  prompta  opera  praestdis  Deoderici. 

»)  St.  610;  DO  II,  nr.  62,  Urk.  Ottos  II.  973  für  Toul  auf  Interventioii 
der  Kaiserin  Adelheid :  venerabilis  quoque  Metensium  antiatitis  Theoderici, 

>)  Dümmler,  Otto  d.  Gr.  p.  480. 

»)  Alpert,Libellu8deep.Mett.SS.IV,699;  vgLWitte,  Lothringen  p.  61. 

*)  DO  I,  nr.813;  St.  859. 

»)  Vita  Gerardi  c.  6  und  7. 

•)  Witte,  Lothringen  p.  56. 


118 

schlössen.*)  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die 
trenlose  Haltung  der  Bürgerschaft  selbst  den  französischen 
König  veranlasste,  gegen  Verdnn  zu  rttcken.^)  Hier  war  kurz 
vorher,  gegen  Ende  984^),  Adalbero,  der  Sohn  des  Grafen 
Gotfried,  von  diesem  und  dem  jungen  Otto  zum  Bischöfe  er- 
hoben worden,  nachdem  eben  nach  Wigfrieds  Tode  ein  Cle- 
riker  Hugo,  der  das  Bischofsamt  Übernehmen  sollte,  wieder 
davon  geritten  war  und  ein  anderer  Adalbero,  der  Sohn  der 
Beatrix  von  Lothringen,  den  einträglichen  Bischofssitz  von 
Metz  dem  ihm  bestimmten  der  verarmten  Verdnner  Kirche 
vorgezogen  hatte.^)  Aber  obgleich  Gotfrieds  Sohn  bereits  die 
Weihe  erhalten  hatte,  so  weigerte  sich  die  französisch  gesinnte 
Bürgerschaft  doch  durchaus,  ihn  anzuerkennen.^)  Um  so  leich- 
ter wurde  Lothar  die  Besitznahme  der  Stadt  Aber  während 
der  König  nach  Zurttcklassnng  einer  Besatzung  abzog  <^),  ver- 
suchte Graf  Gotfried  mit  seinem  Anhang  die  Stadt  zu  Über- 
rumpeln, indem  er  auf  dem  andern  Moselufer  ein  befestigtes 
Warenhaus  der  Kaufleute  besetzte.  Vermutlich  war  es  damals, 
als  Lothar  den  Abbruch  der  Ummauerung  des  Klosters  St.  Paul 
verlangte^),  damit  die  Gegner  nicht  daran  einen  Stützpunkt 
gewännen.  Als  aber  der  König  noch  einmal  gegen  das  Schanz- 
werk der  Feinde  rückte,  hatte  er  wieder  entschiedenen  Er- 
folg. Denn  gerade  die  Häupter  der  kaiserlichen  Partei,  Got- 
fried, sein  Sohn  Friedrich,  sein  Oheim  Siegfried  u.  a.,  gelangten 
in  Lothars  Hände  ^),  der  sie  der  Obhut  der  Grafen  Odo  und 
Heribert  übergab.^)  Wie  siegesgewiss  der  westfränkische  König 
war,  beweist,  dass  er  Gozilo  und  Siegfried  gegen  annehmbare 
Bedingungen,  wie  es  scheint,   freiliess ^^),  von  Graf  Gotfried 


»)  Havet,  Lettres  de  Gerbert,  Introd.  p.XV. 

«)  Vgl.  Gerberti  epist.  79. 

»)  Havet  p.  39,  n.  3. 

*)  Gesta  episc.  Verdun.  c.  4.  5.  Hier  wird  ausdrücklich  bemerkt,  dass 
die  Bürger  Adalbero,  den  späteren  Bischof  von  Metz,  sine  regio  doTw 
aufnahmen.  Gegen  die  Kritik  von  Wilmans  vgl  Schulthess,  Papst  Sil- 
vester II.  p.  11,  §  22. 

»)  Gerb,  epist  79. 

*)  Epist.  63;  Richeri  Bist.  III,  c.  102. 

^)  Epist.  53. 

«)  Richer  III,  c.l07. 

»)  Epist.  47.  48.  50.  51.        »«)  Epist  58. 


119 

aber  die  Aaslieferang  von  Mons  mit  dem  üennegaa  an  Bainer 
forderte,  sowie  den  Verzicht  auf  die  Grafschaft  Verdnn,  wäh- 
rend sein  Sohn  das  Bistum  aufgeben  sollte.^)  Es  geschah  das 
im  Juni  oder  Juli  985.  Aber  erst  zwei  Jahre  später,  nach 
Ludwigs  y.  Tode,  erfolgte  die  Freilassung  des  Grafen  2)  gegen 
die  Abtretung  von  Dörfern  im  Bistum  Verdun  und  Gewährung 
des  Bechtes,  darin  Burgen  zu  bauen.  Adalbero  aber  konnte 
jetzt  von  seinem  Bistum  Besitz  ergreifen.^) 

n. 

Alle  drei  oberlothringischen  Bistümer  waren  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts  beträchtlich  verarmt.^)  Trugen  die  Unfälle 
der  letzten  Zeit,  die  unsicheren  politischen  Verhältnisse,  die 
Schicksale  des  Eirchengutes  einen  bedeutenden  Teil  der  Schuld 
an  diesen  Verhältnissen,  so  beförderten  das  Räuberunwesen 
und  die  unaufhörlichen  Grenzplänkeleien  den  kläglichen  Zu- 
stand. Namentlich  der  Sprengel  von  Toul  war  von  Burgund 
aus,  wo  es  ganze  Bäubernester  in  der  Nähe  ausgedehnter 
Waldungen  gab&),  in  steter  Gefahr.^)  Auf  der  andern  Seite 
war  der  Sprengel  von  Langres  von  Touler  Raubrittern  be- 
droht^), die  auch  Adalbero  von  Metz  veranlassten,  gegen  einige 
ihrer  Burgen  zu  ziehen.^) 


0  Epist.  59. 

>)  A.  17.  Juni  987,  epist  103,  p.  95.        ^)  Schulthess  p.  85. 

*)  Für  Verdun  erhellt  das  aus  Gesta  episc.  Vird.  c.  4.  —  Für  Metz 
vgl.  eine  Urk.  Theoderichs  für  St.  Arnulf  bei  Meurisse  p.  362:  villam  Ben- 
nuiffum,  quam  ifi  initio  nostrae  pronwtionis  a  lohanne  qvondam  venerando 
abhaJte,  terria  ecclesiae  nostrae  attenitatis,  in  beneficium  promerueramus.  — 
Für  Toul  verweise  ich  auf  eine  Urk.  Ottos  IL  vom  18.  März  975  (St.  646), 
DO  II,  nr.  99:  deplangentes  paupertaiem  . . .  sanctae  Tuüensis  ecclesiae. 
lieber  die  Armut  der  Touler  Kirche  in  noch  späterer  Zeit  vgl.  Vita  Leo- 
nis  IX,  Watterich,  Vitae  pontif.  I,  137. 

>)  Mirac.  S.  Bercharii  c.  21,  Mabillon,  Acta  SS.  II,  819. 

')  V.  Deoderici  c.  12:  et  praedpue  caJLamitom  erat  eis  vicinitas  ßtw- 
gwndiontun, 

7)  Mirac.  S.  Berch.  c.l8  a.a.O.  p.  818. 

")  Constantii  V.  Adalberonis  c.  20.  Den  hier  erwähnten  Berald  von 
VendoBuvre  weise  ich  auf  einer  Synode  in  Toul  vom  Oct  971  bei  Galmet 
I,  385  nach.  In  einer  Urk.  Leos  IX.  von  1051  für  das  Kloster  Portus-suavis 
im  Touler  Sprengel  (Gallia  Christ  XIII,  instr.  467)  erscheint:  Vindiacordia 
uxor  Baraüi  de  Vendopera. 


120 

Ueberhaopt  hatten  die  Bischöfe  von  dem  nnbotmästiigen 
Laienadel  schwer  za  leiden.  Gerhard  von  Toni  sah  sogar  sein 
Leben  bedroht*),  während  Wigfried  von  Verdnn  einmal  in  Ge- 
fangenschaft des  Grafen  Sigebert  gelangte.-)  In  Toul  wie  in 
Metz  begegneten  die  Kirehenfttrsten  zeitweise  heftiger  Opposi- 
tion nnter  ihren  Unterthanen.  Noch  ttber  das  Grab  verfolgten 
den  reformfreundlichen  Ganzlin  die  ttblen  Nachreden  der  Lente^), 
nnd  nicht  minder  hatte  sein  Nachfolger  Gerhard  sich  ttber  Ge- 
hässigkeiten nnd  Klatschereien  zu  beklagen,  Beleidigungen, 
für  welche  noch  Berthold  von  Toni  Rache  nehmen  mnsste/) 
Politisoh-sociale  Streitpunkte^)  mochten  nicht  weniger  als  die 
einseitige  Bevorzugung  des  Mönchtnms  den  Widerspruch  ein- 
zelner Parteien  hervorrufen,  wie  etwa  einem  Ädalbero  von  Metz 
die  Unterthanen  seine  Vorliebe  für  die  Mönche  vorhielten  und 
seine  Frömmigkeit  als  Dummheit  und  Stumpfsinn  auslegten.*) 

Die  geistliche  Leitnng  der  Diöcesen  störten  anscheinend 
principielle  Gegensätze  noch  wenig.  Fehlten  auch  verheiratete 
Cleriker  nicht,  deren  Söhne  wieder  dem  Priesterstande  zu- 
strebten, so  merkt  man  doch  nichts  von  den  Unruhen,  welche 
diese  Uebelstände  in  den  romanischen  Kirchen  hervorriefen. 
Wiesen  die  einen  die  Zumutung  zurück,  Priestersöhnen  die 
Weihen  zu  erteilen,  so  sahen  andere  ttber  Person  und  Ge- 
schlecht hinweg,  wie  Ädalbero  IL  von  Metz,  der  während 
seines  bischöflichen  Amtes  ttber  tausend  Priester  ordinierte.^) 

Ganz  gewiss  waren  die  Bischöfe  aber  hinsichtlich  der 
äusseren  Verwaltung  der  Kirchen  am  rechten  Platze.    Uner- 


»)  Widrici  V.  Gerardi  c.  20. 

*)  Gesta  episc.  Virdun.  contin.  c.  3;  Gerb,  epist.  102,  p.  95. 

')  V.  Gerardi  c.  17:  ut  phmmi  nosM  temporis  ad  detrahendum  potituf 
quam  laudandum  ore  patent  promptiUo, 

*)  Gesta  episc.  lull.  c. 36. 

«0  Mirac.  S.  Apri  c.  31  (SS.  IV,  519). 

^  Constant  V.  Adalb.  c.  6.  20. 

^  V.  Adalb.  c.  24:  Episcopi  sui  temporis  aliqui  fastu  superbiaef 
aliqui  simplicitate  cordis^  filios  secidarium  sacerdotum  ad  8acro8  ordines 
admittere  dedignabantuTj  nee  ad  clericatwn  eos  recipere  volentes  etc.  Vgl. 
dasa  eine  Urk.  Richards  von  St.  Vannes  (Qallia  Christ  XIII,  560):  lecto 
8fiOf  tU  sibi  Visum  estj  coptUavit  et  coniunxit  AmtUfus  clericuSj  frater  8ar- 
vardi  militiSf  et  quotannis  advixit  censum  ipsitui  mtUieris  per  viUicos  abs- 
que  Ulla  contradictione  seu  de  sua  femina  S.  Vitonua  aceepit  etc. 


121 

mttdlich  ersehienen  sie  am  kaiserlichen  Hofe  nnd  sorgten  für 
die  Sicherang  ihres  Kirchenbesitzes;  unaufhörlich  lag  ihnen  die 
Erhöhung  ihrer  materiellen  Mittel  und  die  Abhilfe  wirtschaft- 
licher Mängel  am  Herzen.  Sie  sind  eifrig  bestrebt,  die  länd- 
lichen Verhältnisse  zu  ordnen,  die  Zehnten  den  Kirchen  zu 
revindicieren ,  die  Einkünfte  des  Bistums  fest  einzuteilen  ^)  und 
zu  sparen.  So  löste  Bischof  Adalbero  fast  jährlich  den  kaiser- 
lichen Kriegsdienst  ab,  weil  er  sich  am  meisten  über  den  kost- 
spieligen Hofhalt  ärgerte,  dessen  er  unterwegs  benötigte.^) 

Persönlich  waren  die  Kirchenflirsten  von  der  Notwendig- 
keit der  Reform,  von  tiefem  sittlichen  Ernst  durchdrungen. 
Waren  sie  doch  in  den  Reformideen  bereits  aufgewachsen, 
und  wenigstens  einer  von  ihnen,  Adalbero  von  Metz,  war  bei 
den  Mönchen  von  Gorze  in  die  Schule  gegangen.^)  lieber 
allen  Zweifel  war  ihre  Frömmigkeit  und  ihre  Hingebung  an 
die  Pflichten,  die  das  Evangelium  ihnen  auferlegte.  Ihre 
Armenpflege  macht  ihrem  Herzen  alle  Ehre;  aber  es  erseheint 
fast  unklug  und  in  hygienischer  Hinsicht  gewiss  nicht  zu 
billigen,  wenn  der  eine  mehrere  hundert  hungernde  Italiener 
von  einer  italienischen  Reise  mit  nach  Toul  brachte^),  der 
andere  gewaltige  Scharen  bresthafter  Burgunder,  die  eine 
Poekenepidemie  ergriffen  hatte,  in  Metz  nicht  nur  aufnahm, 
sondern  sogar  eigenhändig  wusch  und  verpflegte.^)  Wie  ihre 
Art,  Gastlichkeit  zu  üben,  so  hatte  ihre  Frömmigkeit  mitunter 
etwas  Exaltiei-tes.  Sie  begnügten  sieh  nicht,  in  Gebeten,  Fasten, 
Wachen  und  andern  religiösen  Uebungen  in  weitester  Aus- 
dehnung^) ihren  Pflichten  nachzukommen:  der  Bischof  von 
Toul  z.  B.  liess  die  Heiligenleben  in  kleine  Bücher  schreiben 
und  rings  um  sein  Bett  so  aufstellen,  dass  sie  bei  jeder  Be- 
wegung, die  er  im  Schlafe  machte,  sich  ebenfalls  bewegten: 
denn  darin  sah  er  einen  Schutz  gegen  jede  böse  Anfeindung.^) 

^)  Lamprecht,  Der  Character  der  klösterlichen  Reformbewegung  im 
10.  Jahrhundert,  Picks  Monatsschrift  VlI,  224. 

»)  V.  Adalb.  c.  25. 

*)  Y.  Adalb.  c.  2 :  Scolaribus  disdplinia  apud  Ovrgitenses  castissime 
detritus  et  instüutus. 

*)  V.  Gerardi  c.  8.  10.        »)  V.  Adalb.  c.  14.  Vgl.  Bd.  I,  S.  307. 

*)  Wie  z.  B.  Adalbero  II.  alljährlich  die  grossen  Fasten  in  härenem 
Gewände  bei  den  Brüdern  von  Gorze  zubrachte.  V.  Adalb.  c.  22. 

')  V.  Gerardi  c.  22, 


122 

Der  ausgeprägteste  ttbereinstimmende  Zug  sämtlicher  obcr- 
lothringiseher  Prälaten  ist  ihre  Vorliebe  ftlr  das  reguläre  Mönch- 
tum  und  die  unausgesetzte  Fürsorge  für  die  Klöster  der  Diö- 
cesen. 

War  es  auch  ohne  weitere  Folgen,  wenn  Gerhard  von 
Toul  ein  Nonnenstift  St.  Gengulf  im  Süden  der  Stadt  anlegte 
—  denn  er  machte  mit  den  Damen  üble  Erfahrungen  ^)  — ,  so 
war  es  bedeutsamer,  dass  unter  ihm  die  Reform  von  St  Man- 
suy  vollendet  wurde.^)  Von  noch  grösserer  Wichtigkeit  war 
es,  dass  Wigfried  von  Verdun  eine  neue  Kirche  zu  Ehren  des 
hl.  Paulus  errichtete,  aus  dessen  Grabe  in  der  alten  Kirche 
St  Saturnin  ausserhalb  der  Stadtmauern  heilbringendes  Oel 
floss,  das  zahlreiche  Kranke  heranlockte.  Auf  Verlangen  der 
Bürger  legte  er  bei  St  Paul  eine  Benedictinercongregation  an^ 
für  deren  Unterhalt  ausreichend  gesorgt  wurde.^)  Aber  die 
glücklichsten  Fortschritte  machte  doch  die  neue  Richtung  im 
Sprengel  von  Metz.  In  Abwesenheit  des  Bischofs  Theoderich, 
der  Otto  den  Grossen  auf  seinem  Römerzuge  begleitete,  wurde 
der  Grund  zu  St.  Vincenz  gelegt;  er  hatte  die  Sorge  fttr  den 
Bau  seinem  treuen  Freunde  Odilbert,  dem  Abte  von  Gorze, 
übertragen^);  sicherlieh  doch  auch  in  der  Absicht,  ihn  mit  der 
Einrichtung  des  klösterlichen  Lebens  zu  betrauen.  Zahllose 
Reliquien  italienischer  Heiligen  wusste  der  Bischof,  seine  ein- 
flussreiche Stellung  bei  Otto  missbrauchend,  den  italienischen 
Achten  und  Bischöfen  abzuringen,  um  seine  Stiftung  damit  zu 
zieren.^)  Die  Päpste  Johann  XIII.  und  Benedict  VII.  bestätigten 


*)  V.  Gerardi  c.  5. 

>)  DO  I,  nr.  289.  BeztigUch  seiner  Fürsorge  für  St.  Mansuy  vgl. 
Galiia  Christ.  XIII,  instr.  459.  400. 

^)  Gesta  ep.Vird.  cont.  c.  3:  Qumn  mox  a  fujidanietitis  erexü,  et  Deo 
volente  peregit,  et  ad  peticioneni  civium  . . .  monachos  ibi  posuit.  Die  Er- 
hebung des  hl.  Paulus  erfolgte  am  28.  August. 

*)  Vita  Deud.  c.  14:  Cuiua  constrtiendae  curam  conrnUaerat  abbati 
Gorziensi  Odilberto,  viro  sibi  amicissimo  et  divina  atque  humana  scientia 
in  <minibu8  nonUnatissimo. 

'^)  Vita  S.  Eaddr.  c.32:  quare  tmdecumque  poterat  sanctorum  corpora 
et  reliquiM  in  suam  dioeöesim  transferebat;  Vita  Deod.  c.  16.  Vgl  nament- 
lich bezüglich  der  hl.  hl.  Protus  und  Jacintus  ans  Farfa,  des  hl.  Leontins 
aus  Vincenza.  Der  Kaiser  scheint  ihn  bei  seinem  Unternehmen,  die  ita- 
lienischen Kirchen  zu  berauben,  unterstützt  zu  haben.  Wenigstens  finden 


123 

sie  nacheinander.*)  Keiner  soll  die  Freiheit  haben,  die  Strenge 
der  Regel  scheaend,  hier  und  dorthin  zu  schweifen  oder  in 
andre  Klöster  sich  zu  begeben.  Wie  die  Tendenz  des  lothrin- 
gischen Episcopats  von  jeher  dahin  ging,  die  Klöster  möglichst 
fest  in  seiner  Gewalt  za  halten,  so  wird  auch  hier  die  Ab- 
hängigkeit des  Klosters  vom  Bischöfe  ausdrücklich  ausge- 
sprochen, ebenso  ist  der  Abt  „in  der  Gewalt  des  Bischofs*  zu 
erwählen.^) 

Offenbar  erfolgten  diese  Vorbehalte  der  bischöflichen  Herr- 
schaft, um  das  Klosterleben  strenger  controlieren  und  das 
Abteigut  ihr  nutzbar  machen  zu  können.  Gerade  das  aber 
zog  die  Klöster  in  die  weltlichen  Interessen  und  Beziehungen 
des  Episcopats.  Gorze  freilich ,  das  schon  dadurch  eine  freiere 
Stellung  einnahm,  dass  es  ausserhalb  der  Stadt  lag,  bltlhte 
weiter  3),  doch  sicher  auch  nur  in  beschränktem  Masse,  da 
Adalbero  IL  eine  neue  Reform  durch  Wilhelm  von  Dijon  fttr 
notwendig  hielt,  in  St.  Arnulf  war  aber  mit  der  gedrückten 
materiellen  Lage  ein  Sinken  der  Klosterzucht  und  des  religiösen 
Lebens  eingetreten^);  desgleichen  befand  sich  die  St.  Peters- 
abtei in  Metz  Ende  der  siebziger  Jahre  in  schlechten  Verhält- 
nissen.*) In  Toul,  wo  die  Stifter  ebenfalls  vom  Bischöfe  ab- 
hängig, sind,  ist  der  Besitz  der  Abteien  selbst  in  dessen  Hand 
nicht  einmal  gesichert.  So  wurde  Montierender  vom  Grafen 
Heribert  von  Vitry  einfach  fortgenommen«)  und  Moyenmoutier 
und  St  Die  waren  zuerst  in  Herzog  Friedrichs  Händen  und 
'kamen  zeitweise  wenigstens  in  die  Gewalt  der  Beatrix  von 
Lothringen.    Im  Verduner  Sprengel  war  überhaupt  bis  jetzt 


wir  öfter  einen  kaiserlichen  Presbyter  Heriward  dabei,  die  Reliquien  ab- 
zuholen. 

^)  Vita  Deod.  c.  14  und  20.  Die  Bulle  Johanns  vom  29.  Sept.  970, 
die  Benedicts  vom  April  981. 

')  Vita  Deod.  c.  14:  Et  iUnd  monasterium  sancti  Vincentii  respiciejis 
Sit  ad  sedem  episcopalem  prothomartyris  Christi  Stephani  iubemus,  atque 
abbas  in  potestate  episcopi  ipsius  loci  eligendtts  sit. 

•)  Const.  Vita  Adalb.  c.  22 :  quia  locus  idem  et  sacrae  religionis  di- 
strictio7ie  insignis  et  divitiis  opulentus  et  situ  amoenit(Uequ,e  gratissi' 
mus  etc. 

*)  Meurisse  p.  840. 

»)  ürk.  Ottos  II.  vom  11.  Mai  977,  St.  708,  DO  II,  nr.  169. 

«)  Vita  Gcrardi  c.  21. 


124 

nar  St.  VanneB  von  der  Reform  berührt  worden ,  aber  das 
wJBsen  wir,  dass  die  Abtei  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  stark 
herabkam.  So  welkte  die  erste  lothringisehe  Reform  doch  all- 
mählich ab.  Während  die  Bischöfe  bei  festliehen  Weihen  nnd 
Translationen  von  Heiligen  die  Einmütigkeit  nnd  den  Glanz 
des  oberlothringisehen  Episcopats  repräsentierten  i),  ki^nkelte 
des  klösterliche  Leben  doch  überall  an  seiner  Abhängigkeit 
von  der  Kathedralkirche.  Es  kam  dazu,  dass  die  Ueberschweng- 
lichkeit  der  asketischen  Stimmung  von  vornherein  keine  geeig- 
nete Grundlage  steten  Gedeihens  bilden  konnte. 

Man  hatte  offenbar  ein  starkes  Bewnsstsein  von  der  Miss- 
lichkeit  der  Zustände,  aber  indem  man  zu  einseitig  die  Schuld 
auf  die  Mönche  schob,  glaubte  man  nun  in  der  Cultivie- 
rnng  der  Schotten  das  richtige  Mittel  zur  Hebung  gefunden 
zu  haben.  Gerhard  hatte  Air  sie  und  griechische  Mönche  ein 
besonderes  Interesse  und  unterhielt  von  ihnen  eine  Anzahl  an 
seinem  Hofe.^)  Die  ausgesprochenste  Vorliebe  für  sie  zeigte 
aber  Adalbero  II.  von  Metz.^)  Hier  waren  die  Schotten  ja 
schon  unter  Adalbero  L  nach  St.  Clemens  und  Felix  gedrungen 
und  Kaddroe  ihr  erster  Abt  geworden.  Durch  ein  Wunder, 
das  bei  der  Translation  des  hl.  Clemens  sich  ereignete,  ver- 
anlasst, soll  Adalbero  II.  mit  dem  damaligen  Abte  Fingenius 
und  dem  Primicer  Wigericus  an  eine  Restauration  der  Kloster- 
räume und  der  Kirche  gegangen  sein.^)  Wenn  wir  wenig- 
stens das  Datum  des  unechten  Privilegs  Ottos  II I.  beibehalten 
können,  so  geschah  wohl  diese  Reform  im  Frül\jahr  991.^) 
Ein  Jahr  später  ging  der  Bischof  an  die  Wiederherstellung 


>)  Weihe  zweier  Altäre  in  St.  Vincenz  6.  Aug.  972:  cooperatUibus 
Wigfrido  Virdwiensi,  Gerhardo  TiUlensi  pontificUms;  vgl.  Transl.  S.  Luc. 
bei  Meurisse  p.  322;  Vita  Gerardi  c.  12.  Gerhard  lud  Theoderich  zur  Ein- 
weihung der  Stefansbasilica. 

•)  Vita  Gerardi  c.  1 9 :  Coetum  quoqtAe  Grecorum  ac  Scottorum  agglo- 
nierans  non  modiami  propriia  dUhat  stipendiis  commixtum  diversae  linguae 
populum;  vgl.  c.  22:  Quidam  boni  testimonii  ex  ScottiSj  quos  alebat  etc. 

^)  Const.  Vita  Adalb.  c.  26:  nam  Scotti  et  reliqui  mncti  peregrini 
aemper  sibi  dtdcisaimi  habebantur. 

*)  Chron.  S.  Clement.  SS.  XXIV,  499. 

'^)  Diese  Urkunde,  welche  dem  Fingenius  die  PrivUegien  bestätigt, 
die  Kaddroe  von  Otto  II.  erhalten,  bei  Mabillon,  De  re  dipl.  p.  397;  Hist. 
de  Metz  III,  8t.  --  Die  chronologischen  Daten  passen  nicht 


125 

des  alten  zerfallenen  Klosters  St.  Symphorian.^)  Auch  hier 
waren  die  Schotten  wohl  im  Uebergewicht,  denn  Otto  IIL 
privilegierte  am  25.  Januar  992  das  Kloster  dahin,  dass  der 
Abt  Fingenins  und  sein  Nachfolger  Schottenmönche  hätten,  so 
lange  wie  möglich;  erst  wenn  sie  fehlten,  sollten  aus  belie- 
bigen Nationen  hier  Mönche  gehalten  werden.^)  In  der  That 
konnte  auch  Adalbero  sich  nicht  auf  Schotten  allein  be- 
schränken.^)  Fingenius  kam  nun  endlich  nach  St.  Vannes,  das 
nach  dem  am  4.  Dezember  973  erfolgten  Tode  Humberts  durch 
Laienhand  vernachlässigt  worden^)  und  in  Armut  geraten  war.^) 
So  sehen  wir  am  Ende  des  Jahrhundei*ts  in  allen  drei  Spren- 
gein die  Schottenmönche  von  den  Bischöfen  bevorzugt  und  auf 
der  Höhe  der  Situation. 

Am  Anfang  des  neuen  Jahrtausends  drangen  indes  die 
Cluniacenser  auf  allen  Wegen  nach  Oberlothringen.  In  den 
drei  Sprengein  erfolgte  ein  gewaltiger  Umschwung.  Wir  werden 
dieser  Bewegung  jetzt  im  einzelnen  nachzugehen  haben. 


>)  Const.  Vita  Adalb.  c.  10:  qui  licet  antiquiiate  nihil  praeter  ruinös 
et  casus  praetenderet ;  Chron.  S.  Clem.  SS.  XXIV,  499;  Gesta  ep.  Mett.  c.47, 
SS.  X,  b42. 

«)  Urk.  Ottos  III.  vom  25.  Jan.  992  bei  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  25; 
Gallia  Christ.  XIII,  398. 

3)  Vita  Adalb.  c.  1 1 :  Monachorum  copia  pulcherrima,  quos  undecum- 
que  coüegercd;  etc.  Schon  des  Fingenius  Nachfolger  Siriaudus  stammte  aus 
Gorze,  ib.  c  26. 

*)  Vgl.  meine  Dissert.  p.  6;  Bisch.  Wigfr.  v.  Verd.  für  S.  Vannes,  Gallia 
Christ.  XIII,  554:  sed  competentium  rerum  facuUatibuSf  quae  ad  custodien- 
dum  sanctitatis  pertinent  cuUunif  minus  idonee  strudum  fuisse  perspeximus. 
Die  Abtreihe  bei  Hugo  Flav.  ist  offenbar  nicht  ganz  richtig.  £r  nennt 
Adelmar  an  zweiter  Stelle  nach  Humbert,  dann  Adelard;  nun  finden  wir 
in  einer  Urk.  von  967,  Gallia  Christ.  XIII,  556:  abbatis  nostri  Adelardi 
post  virum  videlicet  sanctissimvm  Humbertum  religionis  incentorem  etc. 
Andrerseits  stirbt  Humbert  erst  973.  Unter  der  Urkunde  8,  Adelardi 
abbatis  und  S.  Humberti  abbatis.  In  einer  andern  undatierten  Urk.  Wigfr., 
Gallia  Christ.  XIII,  554  begegnet  Adelmarus, 

*)  Gesta  episc.  Virdun.  c.  9;  Vita  S.  Richardi  c.  4;  Richard,  Abt  von 
St.  Vannes  p.  7. 


126 

2.  Die  Schule  Wilhelms  von  Dijon. 

Diöcese  Metz. 

Die  Bekanntschaft  Bischof  Adalberos  n.  mit  Wilhelm  von 
Dijon  vermittelte  ein  Metzer  Cleriker,  Benedict  mit  Namen, 
der  in  St.  Benigne  Mönch  geworden  war.  Die  Folge  war,  dass 
der  Metzer  KirchenftlrBt  den  Abt  zu  sich  beschied  nnd  mit  der 
Reform  von  St  Arnulf  betraute.^)  Nachdem  er  eben  jenen 
Benedict  zum  Abt  erhoben,  schied  Wilhelm  nicht  ohne  reiche 
Geschenke  seitens  des  Bischofs  und  seines  Schülers,  Gaben, 
die  er  nach  Dijon  und  Fruttuaria  verteilte.^)  Als  Benedict 
nach  einiger  Zeit  starb  3),  Übernahm  der  Abt  von  St  Benigne 
noch  einmal  die  Fürsorge  ftlr  das  Stift,  diesmal,  um  sie  erst 
mit  dem  Tode  an  seinen  Nachfolger  abzugeben.  Mit  Warin  ^) 
begann  dann  eine  neue  Epoche  hinsichtlich  der  Bauthätigkeit; 
von  Leo  IX.  erhielt  er  am  11.  October  1049,  am  Tage  der 
Kirchweih  ^),  ein  wertvolles  Privileg,  derselbe  Abt  wurde  auch 
Herr  über  die  Abtei  St  Felix  nnd  Clemens  in  Metz.   Er  erhielt 


«)  Beide  Quellen,  Bod.  Vita  Wilh.  c.  16  und  ChroD.  S.  Benig.  p.l50, 
sind  offenbar  ungenau.  Nach  Rodulf  Glaber  Übernimmt  Wilhelm  die  Abtei 
und  giebt  sie  brevi  tempore  zurück.  Tunc  enim  geht  er  nach  Italien.  Auf 
dieser  Reise  erfolgten  seine  Krankheit  und  die  Vorbereitungen  zur  Grün- 
dung von  Fruttuaria,  so  dass  also  die  Reform  von  St.  Arnulf  kurz  vor  die 
Gründung  des  italienischen  Klosters  zu  setzen  wäre.  Nach  der  Chronik 
setzt  Wilhelm  den  Benedict  ein,  den  Rodulf  gar  nicht  erwähnt,  und  bei 
der  Abreise  beschenkt  ihn  Adalbero,  ne  ...  rediret  vacuus  a  munere. 
Auch  Benedict  schenkt  ihm  pro  benedictione.  Qtiae  prefatns  pater  tarn 
in  hoc  loco  quam  Fructtumensij  a  se  noviter  ceptOf  divisitj  ut  8ibi  placuit. 
Danach  hätte  die  Reform  nach  der  Grundlegung  von  Fruttuaria  stattge- 
funden. Indes  Hesse  sich  der  Widerspruch  so  lösen,  dass  die  Geschenke 
Benedicts  erst  zur  Verteilung  kamen,  als  Fruttuaria  zu  bauen  begonnen 
worden  war.  Jedenfalls  wird  Wilhelms  Eingreifen  in  Lothringen  in  die 
Zeit  zwischen  der  italienischen  Reise,  welche  die  italienische  Stiftung 
vorbereitete  und  der  Grundsteinlegung  derselben  gesetzt  werden  müssen. 

>)  Chron.  S.  Ben.  p.  150. 

3)  1 024  soll  er  gestorben  sein  nach  der  Gallia  Christ.  XIII,  902. 

*)  Epist.  Warini  ad  Job.  abb.  Fiscamn.,  Mabillon,  VeteraAnal.  p.  451: 
qui  obitum  patris  nostri  saepe  dicendi  domini  abbatis  Wilhelmi  praesto- 
UUtiS  est  et  successoris  etus,  id  est  domni  abbatis  Oddonis,  electioni  et  ordi- 
nationi  interfuitf  nach  dessen  Tode  Warinus  folgte. 

^)  Dedicatio  eccL  S.  Arnulfi,  SS.  XXIV,  545;  Notae  S.  Aruulfi  1049, 
ib.  p.526;  GestA  episc.  Mett.  c.48,  SS.  X,  543. 


127 

sogar  das  Recht,  beim  dentschen  Könige  bei  Anfechtungen 
dieses  Besitzes  zu  klagen,  nicht  beim  Bischöfe,  der  geneigt 
sein  konnte,  das  Eigentum  des  Hauptklosters  zu  schädigen;  in 
jedem  Falle  erbot  sich  der  römische  Stuhl  zur  Verteidigung 
seiner  Interessen,  i) 

Nicht  nur  die  Metzer  Klöster,  sondern  auch  Gorze  erfuhr 
jetzt  die  Einwirkung  des  Abtes  von  Dijon.  Hier  war  auf 
Johannes  Abt  Odilbert  gefolgt,  dann  Immo  von  Bischof  Theo- 
derich I.  erhoben  worden.^)  Er  leitete  zugleich  das  Kloster 
Prüm3)  und  erfreute  sich  bei  Adalbero  IL  grosser  Wertschätzung. 
Seine  Strenge  und  tiefe  Frömmigkeit  gefiel  auch  Heinrich  II, 
der  den  Abt  den  Reichenauer  Mönchen  naoh  dem  Tode  Wer- 
ners aufdrängte;  freilich  nur  ftlr  zwei  Jahre,  da  der  Wider- 
wille der  oberdeutschen  Klosterbrüder  gegen  den  Lothringer 
zu  stark  war.^) 

Nach  Immos  Tode^)  überwies  Theoderich  11.  von  Metz 
Gorze  dem  Abte  •  von  Dijon.  lieber  sein  Wirken  wissen  wir 
nichts;  er  behielt  die  Abtei  aber  bis  zum  Tode,  und  da  erst 
folgte  einer  seiner  Schüler,  Sigfried  mit  Namen,  der  vorher 


>)  Gallia  Christ.  XIII,  394  ff. 

')  Nach  Hirsch,  Jahrb.  Heinr.  II.  I,  410  wurde  er  etwa  978  Abt;  Odil- 
bert ist  977  zuerst  nachzuweisen  bei  Cbampollion  Figeac,  Documents  in- 
6dit8  II,  nr.  3S:  Notice  sur  le  cartnlaire  de  l*abbaye  de  Gorze  nr.  114.  Bei 
Gu^rard,  Polyptique  dirmiuon  II,  app.  351,  nr.  17  findet  sich  eine  Urkunde 
eines  Abtes  Ermenfried  von  Gorze  vom  17.  Aug.  984  (auch  Cart.  de  Gorze, 
Bibl.  nat  5436,  f.  58).  Offenbar  ist  er  mit  Immo  identisch,  da  Ermenfried 
seine  Vorgänger  Algenald,  Johannes  und  Oldebertus  nennt. 

«)  Series  abb.  Prüm.,  SS.  XIII,  302. 

*)  Vgl.  Hermanni  Contr.  Chron.  1006  und  1008;  Chron.  Suev.  1006  und 
1008.  Pardiac,  Hist.  de  S.  Abbon  p.  139  macht  seinen  Nachfolger  in  Rei- 
chenau,  Bemo,  zu  einem  Schttler  Abbos,  woflir  aber  jeder  Beleg  fehlt 

^)  Chron.  8.  Benig.  p.  159.  Wann  Immo  gestorben  ist,  l&sst  sich 
nicht  sicher  ermitteln.  Sein  Todestag  ist  der  22.  August,  Necr.  S.  Benigpai 
bei  Montfancon.  Er  ist  nachzuweisen  bei  Champollion  Figeac  a.  a.  0.  nr.  122 
im  Jahre  1006,  nr.  123  in  einer  undatierten  Urkunde  Constantins,  Abtes 
von  St.  Felix  seit  1004  (Chron.  S.Clement.  1003,  doch  Nachfolger  Fingens, 
der  1004  starb).  Dann  tritt  in  den  Regesten  eine  Lttcke  ein:  Sigfried 
begegnet  zuerst  nr.  126  im  Jahre  1032.  —  Sicher  ist,  dass  Immo  noch  um 
1012  lebte,  um  welche  Zeit  der  Abt  Constantin  von  St.  Symphorian  seine 
Vita  Adalberonis  II,  die  ihn  als  lebend  erwühnt,  schrieb.  Vgl.  Vita  Adalb.  II. 
c.  26  und  M.  G.  SS.  IV,  658. 


128 

Weltgeistlicher  in  Metz  gewesen  war.  Sigfried  gehörte  zu  den 
Vertretern  des  starren  kanonischen  Princips  in  diesen  Gegen- 
den. Unter  ihm  kamen  Gorzer  Mönche  in  die  bereits  982 
gegründete  Gelle  Amel  im  Sprengel  Verdun^),  und  im  Metzer 
Sprengel  sassen  sie  znr  Zeit  auch  in  Varang^ville.^) 

So  sehr  uns  die  Quellen  Über  das  Auftreten  Wilhelms  im 
Metzer  Sprengel  im  Stich  lassen,  soviel  lässt  sieh  erkennen, 
dass  er  die  Klöster,  in  denen  er  wirkte,  bis  zu  seinem  Tode 
behauptete.  Das  ist  um  so  bemerkenswerter,  als  nicht  alle 
lothringischen  Bischöfe  diese  fremden  Aebte  gern  ertrugen, 
und  ein  derartiges  Zusammenwirken  immer  ein  persönliches 
Verhältnis  zwischen  dem  Bischöfe  und  dem  Reformator  vor- 
aussetzt Auch  im  Touler  Sprengel  schienen  sich  die  Dinge 
anfänglich  ebenso  günstig  zu  gestalten. 

Diöcese  Toni. 

Vermittelte  ein  ehemals  Metzer  Gleriker  die  Bekanntschaft 
Wilhelms  mit  Adalbero  II,  so  bildete  der  Touler  Domherr 
Arnulf  das  Bindeglied  zwischen  dem  französischen  Abte  und 
Bischof  Berthold.  Ein  gelehrter  und  in  weltlichen  Dingen  be- 
wanderter Mann,  hatte  er  in  St.  Benigne  die  Aufmerksamkeit 
Wilhelms  auf  sich  gelenkt  Kein  Wunder,  dass  der  Abt  sich 
nicht  dazu  verstehen  konnte,  den  brauclf baren  Mönch  auszulie- 
fern, als  der  Bischof  den  entlaufenen  Gleriker  zurückforderte.^) 
Schliesslich  fesselte  die  Festigkeit  Wilhelms  Berthold  von  Toni 
derart,  dass  er  ihm  die  Abtei  St.  fevre  zur  Reform  überwies. 
Nach  wenigen  Jahren  war  die  Umwandlung  beendet,  und  da 
der  Reformator  im  Kloster  strebsame  Männer  fand,  wählte  er 


>)  Urk.  Ramberts  von  Verdun  vom  6.  Sept.  1032,  Bist,  de  Metz  III, 
pr.  87;  Gallia  Christ.  XIII,  557;  vgl.  Clouet,  Bist,  de  Verdun  II,  35  flf. 

3)  Bestätigungsurk.  Leos  IX.  vom  15.  Jan.  1051,  Eist,  de  Metz  III, 
pr.  88;  v.  Pflugk-Harttung,  Acta  I,  18,  nr.  23;  J.-L.  nr.  4250. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  151.  Dass  das  vor  1005  geschah,  schliesse  ich 
daraus,  dass  in  dieser  Zeit  Berthold  und  Wilhelm  bereits  in  Verbindung 
miteinander  stehen,  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  168.  —  Die  Nachricht  der 
Chronik:  ex  quibm  unum,  Widricuin  nominCf  post  non  midtos  annos  in 
eodem  monasterio  constituit  pairem  monachorwn  ist  nicht  richtig,  da,  wie 
wir  weiter  sehen  werden,  Widrich  zunächst  Propst  wurde. 


129 

eineo,  Widericb,  zam  Propst.  Auch  für  Arnulf  wurde  ge- 
sorgt. Als  Bischof  Berthold  am  11.  Juni  1005  auf  Ftlrspraehe 
Brunos  von  Langres  und  des  Grafen  Otto  Wilhelm  in  Gegen- 
wart des  letzteren  und  des  Abtes  Wilhelm  der  Eirehe 
St  Bälin,  die  im  Besitze  des  Klosters  St.  Benigne  war,  zwei 
Pfarreien  unter  der  Bedingung  schenkte,  dass  Mönche  ange- 
siedelt würden  und  die  Pfarreien  mit  Vicaren  besetzten  ^),  über- 
nahm Wilhehns  Sehttler  als  Prior  die  Vorstandtschaft,  in  der 
er  sich  durch  den  Bau  einer  neuen  prächtigen  Basilica  und 
bedeutender  Klostergebäude  verdient  machte.^)  Die  Eingriffe 
der  fremden  Macht  und  die  Betonung  ungewohnter  Grund- 
sätze, die  Forderung  von  Zehnten  und  Patronatsrechten  moch- 
ten bei  geistlichen  und  weltlichen  Nachbarn  in  Stadt  und 
Land  bereits  eine  starke  Misstimmung  erzeugt  haben,  als 
Bischof  Hermann,  Bertholds  Nachfolger,  sich  zum  Organ  die- 
ser Opposition  machte.^)  Wenn  unter  ihm  die  Mönche  von 
St  ^vre  keine  guten  Tage  hatten  und  der  Propst  angeb- 
lich vor  Schlägen  nicht  sicher  war^),  so  mögen,  wie  auch 
anderwärts,  die  Selbständigkeitsgelttste  der  Brüder,  das  an- 
spruchsvolle Auftreten  des  Propstes,  der  nur  seinem  Abte  Ge- 
horsam schuldete,  den  Unmut  des  Bischofs  und  seiner  Clique 
hervorgerufen  haben.  Doch  nahm  sich  der  Bischof  wieder  der 
Mönche  an,  die  Wilhelm  in  St  B^lin  angesiedelt  hatte,  als 
Touler  Gleriker  ihnen  das  Recht  bestritten,  in  einer  Parrochie 
Priester  einzusetzen,  und  dem  Abte  von  St  Urban  und  einem 
Edelmanne,  namens  Stephan,  die  ihnen  gewisse  Zehnten  miss- 
gönnten, —  letzterer  hatte  sogar  ihre  Arbeiter  geprügelt  und 
verjagt  —  rief  er  zu:  «Wir  können  nicht  zugeben,  dass  die 


>)  Urk.  Bertholds  bei  P6rard  p.  169  and  MabUloo,  Ann.  Bened.  IV,  168. 
.  ')  Chron.  S.  Ben.  p.  160. 

*)  Notizia  BrnnontB  episc.  Tüll,  de  instauratlone  coenobü  S.  Apri  bei 
Mabülon,  De  re  diplomatica  IIb.  VI,  nr.  153:  hia  et  aliift  occaaionibus 
coepit  ordiri  qwurimonia  contra  locum  et  cum  di/famatione  vituperationis 
8cand(ütim  . . .  ünde  factum  est,  ut  a  vicinis  murmurantibtM  et  detrahen- 
t%bu8,  blasphemawtibus  et  accusantibus  locus  adversitatem  diu  suatineretf 
quam  a  quibusdam  excitabat  nan  tarn  malitia,  quam  minus  peccans  igno- 
rantia;  Wiberti  Vita  Leonia  I,  o.6  (Watterieb,  Vitae  pont.  Rom.  1, 133): 
in  quos  procacissimae  adiUatorum  et  invidorum  Hnguae  supra  modum  in- 
stigabant  animum  praefati  antistitis. 

*)  Bod.  Vita  Wilhelmi  c.  22. 

Saokar,  OlmÜManaer.    U.  9 


130 

Mönche  gegen  Recht  and  Billigkeit  von  Euch  belästigt  nnd 
bedrängt  werden/*) 

Aber  mochte  Bischof  Hermann  den  Anfordemngen  der 
claniacensischen  Mönche  nicht  immer  die  Stütze  gewähren, 
die  sie  fttr  wünschenswert  hielten,  mochte  er  sieh  die  Stim- 
mung der  Gegner  zu  eigen  gemacht  haben,  einen  desto 
stärkeren  Rückhalt  fanden  sie  an  seinem  Nachfolger,  Bruno 
von  Egisheim.  Durch  Generationen  hatte  seine  Familie  in 
Elostergrttndungen  ihre  Hinneigung  zu  den  neuen  kirchlichen 
Ideen  bewiesen.^)  Er  selbst,  seit  1007  von  Bischof  Berthold 
erzogen  3)  und  an  die  Begünstigung  des  asketischen  Mönch- 
tums  gewöhnt,  empfand  mit  den  Jüngern  des  hL  Aper  schwer 
die  Zeiten  ihres  Niedergangs  und  den  Druck  der  bisehöflichen 
Ungnade.^)  Als  dann  Hermann  fern  von  der  Heimat  gestor* 
ben  war  —  man  sah  darin  eine  Strafe  fttr  sein  Verhalten 
gegenüber  den  Mönchen  — ^  war  noch  vor  seiner  Weihe  und 
der  Krönung  Konrads  II.  in  Rom  sein  Erstes,  dass  er  dem 
Propste  von  St.  ifevre  die  Abteien  Moyenmoutier,  dessen  Abt 
Almannus  von  Berthold  übel  behandelt  worden  war^),  und 
St  Mansuy  zur  Reform  empfahl,  als  Zucht  und  Seelsorge  sei- 
nen Ansprüchen  nicht  mehr  genügten.*) 

*)  P6rard  p.  174  ff.:  idcirco  ferre  non  possumtLS,  ut  contra  ins  a  vobis 
molestentwr  aut  fortitudinem  patiantur;  Mabillon,  Ann.  Bened.  IV,  237  £ 

>)  Vgl.  Bd.  I,  S.  221  f.;  die  Gründungen  sind  Altorf,  Hessen  bei  Saar- 
barg, Lure-en-ComtS  und  Woffenheim  im  Elsass;  vgl.  Grandidier,  Bist 
d'Alsace  I,  350  und  407 ;  Rainart,  Itor  litterar.  in  Alsatia  et  Lotharingia, 
Paris  1724,  p.  450  führt  aus  dem  Necrolof]:.  Altorf  4.Sept  an:  EberharduB 
comes,  qw  requiescit  in  summo  chorOf  item  damina  Berta  comitisBa  dus 
uxoTj  item  Hugo  comes  et  monachua  huius  loeif  qui  requiescU  ante  aUare 
sancti  Oregorii  in  capeüa,  item  HugOf  comes  frater  praedicti  HugoniSj  qui 
requiescit  in  hoc  monasterio.  Hi  fuerunt  fvndatores  monasterii,  Vgl.Wiberti 
Vita  Leonis  1,  c.  1.  2;  Riehen  Eist.  Senon.  II,  c.  14.  Danach  ist  Chron. 
Median.  Mon.  des  Joh.  de  Bayon  (1826)  bei  Cahnet,  Hlst  de  Lorraine  II, 
pr.  LXII  zu  berichtigen,  der  Hessen  und  Altorf  für  identisch  ansieht  Vgl. 
Leos  IX.  Balle  für  das  Nonnenkloster  Woffenheim  vom  18.  Nov.  1049  bei 
SchöpfUn  1, 163;  J.-L.  nr.4201. 

')  y.  Leonis  I,  c.  2. 

*)  ib.  I,  c  6:  Nunc  pro  eis  murum  semet  quantum  poterat  opponebat, 
nunc  quod  solum  poterat  cum  flentibus  flebat. 

*)  Libelli  de  primis  Median!  monast  abbatibus,  Grandidier,  Bist. 
d'Alsace  II,  p.  XLVHI. 

•)  y.  Leonis  I,  c.  11. 


131 

Vermntlieh  damals,  als  er  in  Italien  beim  Kaiser  weilte, 
um  die  Erlanbnis  der  Weihe  durch  den  Erzbisehof  Poppo  von 
Trier  einzuholen  ^),  traf  Bmno  mit  Wilhelm  von  Dijon  zusam- 
men, der  sich  zur  Zeit  am  Hof  lager  befand.  Er,  der  bereits 
den  Plan  gefasst  haben  mochte,  die  Leitung  der  ihm  unter- 
gebenen Klöster  aufzugeben  und  jüngere  Kräfte  an  seine  Stelle 
zu  setzen,  sprach  dem  Bischöfe  den  Wunsch  aus,  Widerich 
zum  Abt  von  St  fevre  zu  erheben.  Und  in  der  That,  als  Bmno 
von  der  am  9.  September  1027  in  Trier  erfolgten  Weihe  heim- 
kehrte, beförderte  er  den  Propst  und  machte  ihn  ausserdem 
zum  Abt  von  Moyenmoutier  und  St.  Mansny.^)  Somit  waren 
die  drei  bedeutendsten  Abteien  des  Touler  Sprengeis  unter 
einem  Schüler  Wilhelms  von  Dijon  vereinigt 

Wie  jede  Klosterreform  mit  Neubauten  verbunden  war,  so 
beschloss  man  auch,  die  alte  ein-  oder  zweimal  bereits  abge- 
brannte Abtei  des  hl.  Aper  von  Grund  aiff  neu  zu  errichten. 
IJntersttttzt  durch  seinen  Propst  Lambert  ging  Widerich  ans 
Werk.  Mit  Freuden  ergriffen  die  Bürger  der  Stadt,  die  unter 
dem  neuen  Regime  mit  den  fremden  Mönchsinstitutionen  sich 
ausgesöhnt  hatten,  den  Gedanken.  Nicht  nur  gewaltige  Fels- 
stücke und  Mauersteine  schafften  sie  bereitwillig  zur  Stelle; 
sie  räumten  auch  die  Manerreste  des  alten  Klosters  mit  ihrer 
Hände  Arbeit  hinweg.  Geld  floss  reichlich  zusammen.  Selbst 
weniger  Bemittelte  trugen  ihr  Scherflein  bei  zum  Klosterban, 
je  nach  dem,  fünf,  zehn  oder  fünfzehn  Solidi,  sechs  oder  zwölf 
Heller.  Bischof  Bruno  selbst  spendete  dreissig  Pfund  Goldes^), 
Kaiser  Konrad  mehr  als  fünfzehn  Pfund,  die  Kaiserin  etwa 
den  dritten  Teil.  Auch  andere  Wohlthäter  stehen  auf  der 
Liste.  Der  Bischof  von  Metz  ist  mit  zwei  Pfund  beteiligt,  von 
lothringischen  Achten  opferte  Richard  von  St  Vannes,  der  einige 

^)  Bresslaa,  Jahrb.  Konrads  II.  I,  224. 

')  V.  Leonis  I,  c.  13:  voluntate  et  petitu  domm  Guiüelmi  ipaius  loci 
tunc  temporis  venerabilis  patris.  Da  Wilhelm  damals  in  Italien  war,  ist 
es  am  wahrscheinlichsten,  dass  jene  Besprechang  hier  erfolgte.  Joh.  de 
Bayoo,  Cbron.  Med.  Hon.  (1326)  c.  45:  Änno  miUesimo  vigesimo  octavo 
Wülermua  {ibbaa  iwter  cetera  Medianense  aanctorumque  Manaueti  et  Apri 
coenobia  rexit.  übt  cum  videret  se  minus  posse  sufficerCf  pro  veUe  domni 
Brunonis  epiacopi  guendam  Widricum  abbatem  ddegU;  Bod.  Vita  Wilb. 
c.  22:  Widricum  nomine,  qui  post  iUum  eiusdem  loci  pater  devotus  extitit, 

•)  V.  Leonis  I,  c.  13. 

9* 


132 

Jahre  vorher  im  Tonler  Sprengel  den  Gmnd  zn  einem  Klöster- 
ehen  gelegt  hattet),  ^n  Pfand,  während  der  Reiehsabt  von 
Stablo  das  vierfache  aufwenden  konnte.*) 

So  wnrde  der  Elosterban  von  St  ilvre  gldchflam  zu  einem 
Denkmal  der  lothringiachen  Beformwirknngen  des  elften  Jahr- 
hnnderts.  Es  ist  das  einzige  Mal,  dass  wir  die  drei  Hanpt- 
Vertreter  der  französischen  Beform  in  Lothringen,  Wilhelm, 
Richard  and  Poppe,  bei  einer  Sehöpfong  gemeinsehafUieh  be- 
teiligt sehen,  der  dnzige  Fall,  der  die  Solidaritilt  jener  Amtft- 
briider  ans  hent  noch  offenbart  Aber  am  wie  viel  häufiger 
werden  sie  sich  in  ihren  Bestrebnngen  begegnet  sein?  Nur 
ahnen  können  wir  noch  ans  anseren  dürftigen  Nachrichten, 
was  ihr  Wirken  fttr  manche  Landesteile  bedentete. 

Im  Jahre  1033  bestiltigte  Eonrad  IL  den  Besitz  von 
St  i^vre^),  fUr  St  Mansny  spendete  er  Gold-  and  Silber- 
geschenke.^)  Ein  Jahr  daraaf,  am  14.  Jani  1034,  verbriefte 
Bischof  Bruno  die  der  Hanptabtei  gehörigen  Kirchen.^)  Die 
Schale  Widerichs  trat  ebenbürtig  neben  die  der  anderen  lo- 
thringischen Aebte.  Wird  ans  überliefert,  dass  er  nioht  we- 
nigen Stiftern  Leiter  geben  konnte*),  so  werden  wir  seine 
Schüler  vor  allem  in  den  kleineren  Abteien  des  Toaler  Sprengeis, 
St  Salvator,  St  Diä ''),  Mansny,  Moyenmoatier  suchen.  Es  be- 
zeichnet so  recht  den  Fortschritt  der  Reform  dieser  Gegenden, 
wenn  wir  am  8.  October  1036,  wenige  Jahre  nach  dem  Tode 
Wilhelms  von  iMjon,  die  Aebte  Halinard  von  St  Benigne,  Gre- 
gor von  St  Bölin,  Widerich  von  St  ilvre,  Hunold  von  St  Mansny 
und  Norbert  von  Moyenmoutier  in  Toni  versammelt  fiuden.^} 


1)  Tnmslatio  et  MiracnU  S.  Firmini  n,  c  14. 15,  SS.  XV,  2,  809.  810. 
Der  erste  Propst  war  Odo. 

')  NotizU  Brunonis  a.a.O. 

*)  Calmet,  Eist  de  Lorraine  I,  pr.  408;  Benoit,  Eist  eceles.  et  polit 
de  Toul,  Totti  1707,  pr.XXV. 

0  Urk.  Brunos  v.  3.  Sept  1037,  Gallla  Christ  XIII,  464. 

>)  Urk.  Brunos,  Calmet  I,  411. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  152:  MüUoa  denique  ervdiena  in  ianeta  eonver- 
saHonef  äUquantos  cdiarum  moncuteriorum  patres  monaeharum  ex  8i*a  pro- 
Mit  congregatione, 

')  Bioheri  Bist.  Senon.  II,  c.  16;  Gesta  episc.  Tuli.  c.  86;  vgl.  V.  Leo- 
nis  I,  c.  13. 

**)  P6rard  p.  185;  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  380.    Urk.  fttr  St.  B^Un. 


133 

Die  Beziehungen  des  Klosters  von  D^on  zu  der  benachbarten 
Tonler  Diöcese  haben  also  trotz  des  selbständigen  Fortgangs 
der  Reform  anch  anter  Wilhelms  Nachfolger  fortgedanert  Und 
dass  man  später  noch  in  St  itvre  sich  des  Znsammenhangs 
mit  Clnni  bewnsst  war,  beweist  der  Umstand,  dass  nnter  der 
verhältnismässig  kleinen  Zahl  von  Heiligenleben,  die  sich  am 
Ende  des  elften  Jahrhunderts  in  der  Klosterbibliothek  befan- 
den, die  Mönche  vor  allem  die  Biographien  von  Odo,  Majolus 
nnd  Odilo  bewahrten.^) 

3.  Die  Schule  RicliardB  von  St.  Vannes. 
Richard  in  Reims  und  St.  Vannes. 

Fttr  die  Verdnner  Kirche  war  es  nach  den  Vorfällen  am 
Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  ein  günstiges  Geschick,  dass 
fast  zu  gleicher  Zeit  zwei  Männer  an  ihre  Spitze  traten,  die 
geeignet  waren,  sie  zu  neuem  Glänze  zu  erheben:  Heimo,  den 
sein  Geschlecht  nicht  minder  als  sein  Character  auszeichnete, 
der  vom  Bischofstuhl  aus  auf  seinen  Clerus  anregend  wirkte, 
und  Richard,  der  in  seinen  klosterlichen  Bestrebungen  an  Clnni 
anknüpfte.  Er  wurde  in  dem  Verduner  Kloster  St.  Vannes 
zum  Haupte  einer  weit  reichenden  und  weit  verzweigten  Be- 
wegung. 

Spross  einer  vornehmen  fränkischen  Familie  2),  die  bei 
Montfaucon  ansässig  war,  —  seine  Eltern  werden  Walther  und 
Theodrada')  genannt  —  hatte  Richard  drei  Brüder,  Adalbert^), 
Erembold^)  und  Walter^),    die  sich  der  Landwirtschaft  oder 

1)  Catalog  der  Bibl.  St.  Aper  in  Toni  mit  der  Ueberschrlft:  Hi  mnt 
libri  invmti  in  armario  8.  Äpri  temporUms  abbatis  Widonia  (gest  1084), 
Neuer  Liter.  Auseiger  1807,  S.  65. 

*)  V.  Riohardi  c.  2:  parenHbua  nobüiasimia;  Hngo  Flav.  11,  c.l:  nobi- 
liuima  Francorum  «tirpe  progenüus,  Ueber  seinen  Geburtsort  vgl.  Richard 
von  St.  Vannes  S.  4,  n.  8. 

*)  Der  Todestag  seiner  Matter  ist  der  28.  Dec.,  Necrol.  S.  Vitoni, 
N.  Arch.  XV,  182. 

*)  Necrol.  S.Vit.:  IL  Kai,  lun.  AdaWertus  frater  damini  abbatia 
Bichardi. 

»)  Necrol.  S.  Vit. :  XL  Kai,  Dec.  Eremboldua  frater  domini  abbatia 
Bichardi. 

•)  Necrol.  S.  Vit.:  VIIL  Kai  Aug.  Walterus  mileay  frater  domini 
abbatia  Bichardi;  vgl.  die  Urk.  bei  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  285. 


134 

dem  KriegsdieoBt  gewidmet  zu  haben  seheinen.  Er  selbst  ward 
für  das  geistliehe  Amt  bestimmt  und  an  der  Marienkirche  in 
Reims  erzogen,  wo  ihm  hervorragende  Geistesanlagen  und  tiefe 
Religiosität  hohe  kirchliche  und  Verwaltnngsämter  nachein- 
ander einbrachten.^)  Aber  unbefriedigt  und  von  Verlangen 
nach  voller  Seelenruhe  brennend,  verliess  er  angeblieh  ohne 
Wissen  des  Erzbisehofs  Aemter  nnd  Ehren  und  besehloss  in 
Gemeinschaft  mit  dem  Grafen  Friedrieh  von  Verdun,  der  eben 
von  einer  Pilgerreise  zurückgekehrt  war>),  in  St  Vannes  die 
Kutte  zu  nehmen,  wo  Fingenius  mit  sieben  Schottenmönchen 
ein  ärmliches,  wenigstens  nach  späteren  Begriffen  nicht  eben 
musterhaftes')  Leben  ftlhrte.  Aber  nach  kurzem  Aufenthalt 
verliessen  sie  das  Kloster,  da  sie  sich  mit  den  Gewohnheiten 
der  Mönche  nicht  befreunden  konnten,  und  begaben  sich  nach 
Gluni.  War  es  ihre  Absicht  gewesen,  hier  zu  bleiben,  so 
schickte  sie  Odilo  nach  Verdun  zurück  mit  dem  Auftrage, 
dort  zu  reformieren.  Als  aber  auch  jetzt  ihre  Versuche  schei- 
terten, auf  Fingen  zu  wirken,  beschlossen  sie  endgültig,  die 
Schotten  ihrem  Schicksal  zu  überlassen  und  sieh  an  einen 
andern  Ort,  angeblich  in  das  von  Bischof  Wigfried  gegründete, 
damals  unter  Abt  Hervin  blühende  Kloster  St  Paul  zurück- 
zuziehend) Aber  es  kam  nicht  dazu;  dureh  die  Vision  einer 
alten  Klausnerin  bewogen,  hielt  Fingenius  die  beiden  Eifrer 
zurück  und  liess  sie  die  Mönchsgelübde  ablegen.^) 

Drei  Monate  später,  am  8.  October  1004,  starb  Fingen.<^) 

^)  Vgl.  Richard  von  St.  Vannes  S.  5.  Wie  weit  man  im  einselnen  auf 
Hugo  von  Flavigny  fassen  darf,  ist  mir  immer  zweifelhafter  geworden. 

*)  Richard  von  St.  Vannes  S.  6. 

*)  Gosta  episc  Vird.  cont  c.  9:  rebus  inop8f  aedifieiis  angusta,  parum 
laudabilis  converscUione  rdigiosa.  Ueber  die  DarsteUang  Hugos  v.  Flav. 
vgl.  Richard  S.  7,  n.  4. 

*)  V.  Richard!  c.  5;  Hugo  Flav.  U,  c.  4,  der  St  Paul  weniger  religiös 
darstellt,  als  St.  Vannes;  vgl.  Richard  S.  S,  n.  2.  Die  Gesta  episc.  Virdun. 
cont.  c.  9  wissen  nichts  von  St.  Paul  und  bemerken  nur:  iterwn  migrandi 
alias  consÜium  habttere.  Die  Nennung  von  St.  Paul  in  der  V.  Rieh,  und 
bei  Hugo  beruht  möglicherweise  erst  auf  späterer  Tradition. 

^)  Gesta  episc.  Virdun.  cont.  c.  9. 

^)  Das  Datum  Necrul.  S.Vit:  VIII.  Id.  Oct.  Anno  domini  Mqtiarto 
obiit  domnus  Fingenius  abbas  huius  loci.  Danach  Hugo  Flav.  11,  c.  4; 
Gesta  episc.  Vird.  cont  c.  9:  Post  trcs  autem  menses;  danach  V.  Rieh.  c.  6: 
Post  tres  vir  emensos  menses.   Ann.  S.Vit.  100.5;  Ann.  S.  Benign!  lüOo. 


135 

Als  er  in  der  Kirche  Si  Felix  ausserhalb  der  Mauern  von  Metz 
bestattet,  kam  es  zur  Neuwahl.  Nach  lebhaften  Auseinander- 
setzungen zwischen  den  Mönchen  entschied,  wie  es  scheint, 
Bischof  Haimo  durch  sein  Eingreifen  den  Streit  zu  Gunsten 
Richards  ^),  der  am  28.  October  die  Weihe  erhielt 

Die  Beziehungen  zur  Reimser  Kirche  wurden  weiter  auf- 
recht erhalten.  Nicht  lange  nach  Antritt  seines  Amtes  finden 
wir  Richard  in  der  schon  im  zehnten  Jahrhundert  von  Fleury 
aus  reformierten  Abtei  St.  Thierri,  wo  er  eine  folgenreiche  Be- 
kanntschaft machte.^)  In  dem  Reimser  Kloster  lebte  damals 
an  der  Seite  des  Pförtners  Eilbert  ein  junger  Novize,  eifrig  den 
klösterlichen  Pflichten  hingegeben,  der  junge  Poppe,  der  im 
Jahre  978  zu  Deynze  im  Listergau  in  tPlandem  geboren  war.^) 
Er  hatte  sich  ursprünglich  dem  ritterlichen  Leben  zugewandt 
und  dann,  von  Gewissensqualen  verfolgt,  zweimal  Pilgerreisen 
unternommen,  einmal  mit  zwei  Begleitern  nach  dem  heiligen 
Lande,  das  andere  Mal  im  Jahre  1005  mit  dem  Grafen  Theo- 
derich von  Holland  nach  Rom.^)  Das  hatte  ihn  zwar  vor  der 
Hand  beruhigt,  so  dass  er  sich  sogar  zu  einer  Heirat  ent- 
sehloss,  aber  als  er  des  Nachts  mit  einigen  Gefährten  ausritt, 
um  seine  Braut  heimzuftlhren,  schreckte  ihn  ein  Himmelszeichen 
so  sehr,  dass  er  der  Welt  entsagte  und  sich  nach  St.- Thierri 
zurückzog.^)  Hier  traf  ihn  nun  Richard,  nahm  ihn  mit  nach 
Verdun*),  und  bald  sollte  Poppe  an  seiner  Seite  zu  höheren 
Pflichten  und  Würden  emporsteigen. 

Im  Bistum  Cambrai. 

Nicht  lange  nach  jenem  Besuche  in  St  Thierri  berief 
Graf  Balduin  von  Flandern  nnsern  Abt  nach  Arras,  um  das 


^)  Gesta  episc  Vird.  c  9;  bezüglich  der  anderen  Quellen  vgl.  ßi- 
cbard  S.  9. 

')  V.  S.  Popponis  c.  9:  Subsequenti  tempore  . . .  virum  abbatem  Eichar- 
dum  ad  sanctum  contigit  Theodencum  vetiisse.  Der  Zeitpunkt  ist  zwischen 
1006  und  1008,  wahrscheinlich  1007  oder  1008. 

s)  Ladewig,  Poppe  von  Stablo,  Berlin  1883,  S.24. 

♦)  Ladewig  S.  26.  27. 

ß)  Ladewig  S.  28  ff. 

•)  V.  S.  Popp.  c.  9 :  Virdunum  cum  praedicto  venerabÜi  Bickardo 
abbate  ire  perrexit. 


136 

Kloster  des  hl.  Vedastns  wieder  in  geordneten  Zustand  zu 
versetzen. 

Hier  wirtsebaftete  Abt  Fnlrad,  ein  Mann  von  gelehrtem 
Wissen  und  dem  Erzbisehofe  Danstan  von  Canterbury  einst 
befreundet  bei  dessen  Lebzeiten J)  Aber  in  dem  Bestreben, 
seine  Abtei  der  Herrschaft  des  Bischofs  von  Cambrai  auf  Grund 
von  Privilegien  zu  entziehen,  die  wenigstens  der  Chronist  des 
Bistums  ftar  falsch  verstanden  hielt^).  geriet  er  mit  den  Bischöfen 
in  einen  Conflict,  der  durch  die  Parteinahme  Balduins  von 
Flandern  zu  Gunsten  des  Abtes  und  den  politischen  Gegen- 
satz des  Flanderers  gegen  den  deutsehen  König  und  dessen 
Anhänger,  Erluin  von  Cambrai,  noch  verschärft  wurde.  Und 
nicht  begnügte  sich  Folrad  mit  dem  Schutze  eines  klöster- 
lichen Dienstmannen,  der  das  Kloster  zu  einer  Art  Festung 
umwandelte  und  mit  dem  ganzen  Tross  einer  vornehmen  Hof- 
haltung sich  hier  breit  machte  3),  sondern  er  ging  sogar  soweit, 
im  Einverständnis  mit  Balduin  kirchliche  Güter  in  der  Gegend 
von  Arras  anzugreifen.^)  Es  ist  einleuchtend,  dass  der  Bischof 
sich  danach  sehnte,  den  gefährlichen  Abt  zu  beseitigen.  Aber 
erst  als  Balduin  mit  Heinrich  IL  Frieden  geschlossen  hatte 
und  von  Reichswegen  mit  Valenciennes  belehnt  worden  war, 
wurde  Fulrad  die  Stütze  des  Grafen  von  Flandern  entzogen^), 
der,  jetzt  auch  mit  Bischof  Erluin  ausgesöhnt,  seine  Hand  zur 
Entfernung  Fnlrads  reichte.  Dieser  wurde  festgenommen  und 
ein  gewisser  Heribert  Abi  Da  dessen  Kräfte  jedoch  nicht 
ausreichten ,  um  die  zerrütteten  Verhältnisse  von  St.  Vaast  zu 
reformieren,  wandte  sich  Balduin  der  Bärtige  an  den  Abt  von 
St  Vannes. 

Im  Jahre  1008  begann  Richards  Wirksamkeit  Es  machte 
Schwierigkeiten,  den  klösterlichen  Dienstmannen,  die  während 


^)  Vgl.  den  Brief  Fulrads  an  Dunstan  vom  Sommer  988  bei  Stubbs, 
Memorials  of  Saint-Dunstan  p.  383. 

*)  Gesta  ep.  Camerac.  I,  c.  107. 

^)  Hugo  Flav.  II,  c.  1 1 .  Mir  scheint,  dass  sowohl  Ladewig,  Poppe 
S.  31,  als  Cauchie,  La  quereile  des  investitures  I  (Louvain  1890),  p.  XLI 
bei  der  Beurteilung  Fulrads  zu  sehr  den  gehässigen  Darstellungen  der 
Gesta  episc.  Camerac.  und  Hugos  gefolgt  sind, 

0  Gesta  episc.  Camerac.  I,  c.  116, 

p)  Vgl.  Richard  S,  I.U. 


137 

jener  nnrahigen  Jahre  Abteibesitz  zu  Lehen  empfangen  hatten, 
die  Beute  zu  entreissen  und  die  für  das  mhige  Gedeihen  des 
Stiftes  notwendige  materielle  Grundlage  zu  schaffen.^)  Ver- 
dnner  Mönehe  kamen  naeh  St  Vaast,  aber  die  alten  Brüder 
wehrten  sieh  nach  Kräften  gegen  die  Massregeln  des  fremden 
Reformators  und  schreckten  selbst  vor  einem  Mordversuch 
nicht  zurtlck.2)  Nicht  nur  der  neue,  ungewohnte  Zwang,  son- 
dern überhaupt  der  principielle  Widerwille  gegen  den  ihnen 
aufgezwungenen  Abt  reizte  sie  zu  ftusserstem  Widerstände. 

In  den  nächsten  Jahren  war  Richard  abwechselnd  in  dem 
Verduner  Kloster  und  in  St.  Vaast  thätig.')  Nach  St.  Vannes 
hatte  er  Leduin,  jenen  Mönch,  der  den  Mordstahl  gegen  ihn 
gezückt,  mitgenommen,  um  ihn  zu  bessern  und  der  bisherigen 
Umgebung  zu  entziehen.  Die  schwerste  Arbeit  war  aber  sicher 
gethan,  als  Richard  der  Abtei  einen  eigenen  Propst  in  Poppe 
vorsetzte.^)  Nicht  lange  indes  behauptete  sich  dieser  in  seiner 
Stellung,  in  der  er,  von  den  Mönchen  freudig  empfangen,  sich 
der  Wiedergewinnung  des  klösterlichen  Besitzstandes  widmete; 
denn  aus  der  fruchtbarsten  Thätigkeit  sandte  ihn  Abt  Richard, 
um  seine  Demut  zu  erproben  —  vermutlich  traute  er  ihm  ehr* 
geizige  Absichten  zu  — ,  nach  dem  weniger  bedeutenden  Vas- 
loges^),  während  der  treue,  durch  Demut  und  Unterwürfigkeit 
ausgezeichnete  Graf  Friedrich,  der  bereits  mit  Richard  nach 
Si  Vaast  gekommen  war,  seine  Stellung  einnahm.^)  Die  nomi- 
nelle Leitung  behielt  aber  der  Abt  von  St  Vannes,  ftlr  den 
auch  Papst  Benedict  VUI.  am  27.  November  1021  urkundete.'') 
Wenige  Monate  später,  am  6.  Januar  1022  %  schloss  Friedrich 


0  V.  Popp,  eil;  Gesta  episc.  Camerac.  I,  c.  116;  vgl  Richard  S.  17; 
Ladewig^S.  31 ;  Cauchie  p.  XLI. 

«)  Hugo  Flav.  n,  0.11. 

^  Vgl.  Richard  S.  18. 

0  Ladewig  S.  88. 

»)  V.  Popp.  c.  13. 

•)  V.  Rieh.  c.  10;  V.  Popp.  c.  11.  Dass  Friedrich  schon  vor  Poppo 
einmal  Propst  oder  Prior  von  St.  Vaast  war,  wie  Ladewig  S.  31.  33  annimmt, 
ist  wenig  wahrscheinlich,  da  keine  unserer  Quellen  derartiges  erwähnt. 

"*)  J.-L.  nr.  4038;  vgl.  Richard  S.  19,  n.  8,  wo  ich  ausgeführt  habe,  dass 
wahrscheinlich  auf  diese  Urkunde  von  MXXI  die  Nachricht  des  Hugo  von 
Flavigny  von  Richards  römischer  Reise  im  Jahre  MXI  zurückgeht. 

«)  Necrol.  S.Vit.,  N.  Arch.  XV,  127  und  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  252. 


138 

als  Prior  von  St  Vaast  sein  wecbselreiches  Leben  zum  tiefsten 
Schmerze  des  alten  Freundes.  Es  war  wohl  bald  nach  dem 
Ableben  des  Grafen,  als  Richard  die  selbständige  Leitung  der 
Abtei  seinem  Schüler  Lednin  tiberliess. 

.  Ein  ganzes  Jahrzehnt  war  vergangen,  seit  anf  dem  Bischof- 
stahle von  Cambrai  ein  folgenreicher  Wechsel  eintrat  Nach 
dem  Tode  Erluins  war  ein  Mitglied  der  königlichen  Hofcapelle, 
Gerhard,  ein  Schnlgenosse  Richards  von  St  Vannes,  wie  die- 
ser einst  Reimser  Cleriker,  Bischof  von  Cambrai  geworden.^) 
Aach  nach  ihrer  Trennung  von  Reims  standen  sieh  beide  nahe, 
und  wenn  Richard  nicht  an  der  Ernennung  Gerhards  beteiligt 
war,  so  gehorchte  er  sicher  mit  Freuden  dem  Befehle  des 
Königs,  in  Gemeinschaft  mit  Abt  Berthold  von  luden  und  Graf 
Hermann  von  Enham  den  alten  Vertrauten  nach  seinem  Bischof- 
sitze zu  führen,  wo  man  unter  den  Gewaltthätigkeiten  des 
Gastellans  Walter  von  Cambrai  der  Ankunft  des  neuen  Bischofs 
mit  Ungeduld  entgegensah.^) 

Richard  hatte  allen  Grund,  Gerhards  Erhebung  lebhaft  za 
begrttssen;  hatte  doch  das  engere  Verhältnis,  das  sich  zwischen 
beiden  herausgebildet  hatte,  schon  vorher  Folgen  im  Sinne 
der  von  Richard  geförderten  Mönchsreform  gezeitigt  Gerhards 
Vater,  Arnulf  von  Florennes,  ein  Sohn  Gotfrieds  und  der  Al- 
paidis^),  hatte,  im  Besitze  von  Reliquien  des  hl.  Gengulfus,  den 


Sein  Epitaph  bei  Mabillon,  Vet.  Anal.  p.  877;  HF  X,  327.  Ueber  sein  Todes- 
jahr B.  Bresslau,  Jahrb.  Heinr.  11.  III,  243. 

1)  Vgl.  Gesta  episc.  Camerao.  I,  c.  121.  122;  III,  c.  1;  Mir.  S.  Gengnlfi 
c  6,  SS.  XV,  792. 

')  Vgl.  Ges^  episc.  Gamerac.  III,  o.  1 ;  Richard  S.  21. 

»)  Mir.  S.  Gengulfi  c.3,  SS.  XV,  791.  Vgl.  die  undatierte  ürk.  bei 
Duvivier,  Recherches  aar  le  Hainant  ancien  11,879:  S,  Älpaidis  eituque 
ßii  Amulphi  ,,,  S.  Wiricif  frattis  Amulphi,  Ueber  ihre  Datierung  s. 
Richard  S.  22,  n.  3  und  Lahaye,  Etudes  sur  Tabbaye  de  Waulsort,  Liege 
1890,  p.  28.  Sehr  interessant  ist  folgende  Urk.  v.  1015  bei  Deviliers,  De> 
Bcription  anal,  de  cart.  et  chart.  du  Hainant  III,  p.  258:  Arnulphus, 
frater  domini  Gerardi  venerdbüis  CameracenaU  episcopi,  parvo  tempore 
ante  mortem  stuim  pergens  Brnnam  ttsque  Franciam  duxit  aecuni  quam 
noviter  acceperat  Heluidem  uxorem  suam;  sed  priuaquam  exiret  de  Lo- 
tharietm  provintia,  antequam  intraret  sylvam  qwie  didtwr  Theoretia,  hae- 
reditatem  suam  sub  potestate  fratris  sui  domni  Gerardi  in  traditorum 
manus  misit  . . .,  quapropterea  in  beüo  citiwf  occiso  et  eius  post  quinque 


139 

Bau  eines  ^losten  begonnen,  dessen  VoUendang  bei  seinem 
Tode  den  Söhnen  Gotfried  und  Gerhard  znfiel.  Als  jedoch 
letzterer,  der  zur  Zeit  als  Chorherr  in  Reims  lebte,  von  seinem 
Freunde  Richard  Reliquien  Johannes'  des  Täufers  erhielt,  eilte 
er  hocherfreut  nach  Florennes,  um  dort  über  ihnen  eine  Kirche 
und  in  Verbindung  damit  ein  Kloster  zu  stiften.  Dank  der 
Unterstützung  seines  Bruders  Gotfried  konnte  Gerhard  schon 
zu  Weihnachten  desselben  Jahres,  da  man  den  Bau  begonnen, 
die  Kirche  weihen  und  Weltgeistliche  ansiedeln.^)  Aber  schon 
im  Jahre  1010  oder  1011  wurden  diese  durch  Mönche  ersetzt, 
die  der  Abt  von  St  Vannes  unter  der  Leitung  eines  gewissen 
Wendrieus  ansiedelte.^)  Die  neue  Abtei,  die  im  Ltttticher 
Sprengel  lag,  ging  im  Jahre  1015  an  den  Bischof  von  Lttttich 
ttber  infolge  eines  Krieges  zwischen  Lambert  von  Löwen  und 
Gotfried  von  Lothringen,  zu  dessen  Anhängern  das  Haus  des 
Bischofs  von  Cambrai  gehörte.*)  Noch  war  sie  damals  nicht 
vollendet;  erst  im  Jahte  1026  erfolgte  die  Weihe  durch  Bischof 
Raginar  von  Lttttich.^)  Noch  eine  andere  Klosterstiftung  der- 
selben Familie  wurde  dem  Einflüsse  Richards  unterworfen: 
Haumont,  eine  alte,  aber  von  Chorherren  bewohnte  Abtei  im 
Sprengel  Cambrai.  Sie  befand  sich  im  Lehensbesitz  Gotfrieds 
von  Florennes,  mit  dessen  Unterstützung  sein  Bruder  Gerhard 

dies  WDore  deftmcfüf  pro  animabw  utrcrumque  in  ecclesia  sancti  lohannis 
aepttUuram  tradiderunt  predictu8  episeopua  Qerardus  et  frater  eins 
Godefridus  eidem  eccksiae  haec  suprascripta  ...  alodivm  Qyvereum 
cum  partCf  quam  habebat  soror  eorwn  Alpaidtis  ..,,  q%u>d  Qyvereum 
postea  concambivit  abbaa  Wendrieus  cwn  abbate  de  AUo  Monte  Fulquino 
. . .  per  manue  amborum  utrobique  advocatorum^  Bagineri  acilicet  comitia 
et  Godefiridi  et  hoc  per  presentiam  et  manue  Henrici  imperatoria.  Danach 
stellt  sich  der  Stammbaam  dieses  Hauses  folgendermassen: 

Alpaidis    Gotefiridus 

Widericus    Amolfus 


Gotefridns    Gerardus    Alpaidis    Amulfus  Helvidis. 

Godefridua  de  Florines  begegnet  als  Zeuge  in  einer  Urk.  Balderichs  von 
Lfittich  von  1015,  Duvivier  II,  373. 

0  Vgl.  Richard  S.  23  und  24. 

')  So  wird  er  in  der  Urk.  v.  1015  bei  Devillers  a.  a.O.  genannt.  Aegi- 
dius  AureavaU.,  SS.  XXIV,  68  nennt  ihn  Benedict 

9)  Richard  S.  25.  Offenbar  in  diesem  Kampfe  fiel  Gerhards  Bruder 
Arnulf;  vgl.  die  Urk.  bei  Devillers  a.  a.  0. 

*)  Vgl.  Richard  S.  25,  n.  1. 


140 

Mönche  ans  Riobards  Schule  hineinlegte.  Sie  erhielt  in  Fnlcnin 
einen  tttchtigen  Leiter.^) 

Wie  auf  den  Besitzungen  geineg  Hanses,  so  sorgte  der 
Bischof  im  Bereiche  seiner  Diöcese  fttr  Belebung  der  mönchi- 
schen Institute.  Die  Abtei  St  Autbert  in  Cambrai  hatte  bereits 
Bischof  Erluin  begonnen  wiederherzustellen,  aber  erst  Gerhard 
konnte  am  1.  October  1015  die  Weihe  vornehmen.')  Auch  das 
dortige  Marienkloster  erhob  sich  wieder  seit  dem  Jahre  1023 
aus  tiefem  Verfall  unter  Gerhard,  der  in  Gemeinschaft  mit  dem 
Verduner  Abte  am  Tage  der  Weihe,  am  18.  October  1030,  den 
von  Erluin  wieder  aufgefundenen  Schutzheiligen  Gaugericus') 
in  einem  feierlichen  Act  auf  den  Bischofstuhl  setzte.^)  Somit 
zeigen  sich  wenigstens  Spuren  einer  Einwirkung  Richards  in 
der  Bischofstadt  selbst.  Die  grösste  Ausdehnung  erreichte  je- 
doch die  Schule  von  St  Vannes  erst  in  diesen  Gegenden,  als 
Richard  im  Jahre  1022  oder  1023  die  selbständige  Leitung  von 
St  Vaast  seinem  Schüler  Leduin  anvertraut  hatte. 

Leduin  von  St-Vaast 

Wir  wissen  von  Leduins  Lebensgang  nicht  viel;  er  war 
erst  Laie,  nach  Hugo  von  Flavigny  von  vornehmer  Abkunft 
und  mit  der  Bildung  der  Zeit  vertraut^)  Ursprünglich  ein 
Gegner  der  Reform,  teilte  er,  einmal  ftlr  sie  eingenommen,  den 
weltflttchtigen  Sinn,  die  treue  Gottesknechtschaft  und  die  Milde 
des  Herzens    der  Gesinnungsgenossen.*)     Bereits    am   1.  Mai 


^)  Gesta  episc.  Camenc  II,  c.85;  in,  c.6;  Chron.  S.  Andr.  I,  c.  10; 
Gaacbie  p.  XLII. 

«)  Fulberti  V.  Autberti,  N.  Arch.  XV,  472. 

«)  V.  Autb.  a.  a.  0. 

0  Richard  S.  27.  28. 

»)  Hugo  Flav.  n,  SS.Vni,S79:  quia  erat  nobilibus  ortus  natalibus 
et  lUteris  adprime  erudUu8,  Nach  dem  sehr  späten  (saec.  XYIII)  Necrol. 
S.Vedasti  ed.  v.  Drival,  Arras  1878,  p.  10:  ex  tractu  Berclav.  Dass  er 
Laie  war  V.  Poppon.  c.  11 ;  Gesta  episc.  Camerac.  HI,  c.  59;  vgl.  III,  c.  16. 

*)  Hago  Flav.  a.a.O.  sagt:  ita  aiH  ßiorum  animos  obligaveratj  tU 
immemor  iniuriaef  memor  gratiae  diceretiAr;  Gesta  episo.  Camerac.  III,  c.  59: 
per  indoctam  Dei  sapientiam,  stidtam  ostendit  grammaUcorum  infUUam 
doctrinanif  dwm  quid^id  saecuU  fuit  cavity  et  quae  Dei  sunt  fidelis  Ope- 
rator adimplevit 


141 

1023  ^)  finden  wir  ihn  als  Abt  von  St.  Vaast  mit  dem  Grafen 
von  Flandern  und  Bisehof  Gerhard  in  Compiögne,  wo  er  mit 
dem  Bischöfe  von  Beauvais  einen  Verbrttdemngsvertrag  ab- 
sehloss.')  Im  Frtihling  des  nächsten  Jahres  zog  Ledain  sogar 
nach  Rom,  wo  Papst  Benedict  VIIL  auf  seine  Bitten  am 
16.  März  die  Erwerbungen  der  Abtei  durch  eine  Urkande  be- 
stätigte.^) Ledain  hat  fttr  sein  Kloster  manches  Gate  gestiftet; 
im  Jahre  1031  stellte  er  es  von  Grand  aas  her.  Bei  der  Weihe 
der  Kirche,  die  Gerhard  von  Cambrai  vornahm,  erschienen  Abt 
and  Mönche  nach  der  Predigt  des  Bischofs  and  liessen  sich 
von  diesem  die  Privilegien  des  Ortes  bestätigen:  wenn  es  er- 
forderlich sei,  dass  der  Bischof  erseheine,  so  möge  er  auf  die 
Einladung  des  Abtes  kommen.^)  Dank  der  günstigen  geo- 
graphischen Lage  entwickelte  sich  St  Vaast  unter  Leduin  zu 
einem  bedeutenden  Handelsplatz,  an  dem  Kaufleute  verschie- 
dener Länder  zusammenkamen,  deren  Zölle  und  Marktgelder 
der  reichen  Abtei  zuflössen.^)  Wann  Leduin  starb,  ist  unge- 
wiss; seinen  Nachfolger  Johannes  haben  die  Mönche  unter 
dem  Einfluss  Gerhards  und  Balduins  gewählt.*) 


>)  Hogo  Flav.  II,  17  irrt  sich  »Iso  in  der  Zahl,  wenn  er  sagt:  Eodem 
anno,  qui  erat  ab  ine.  dorn.  1024,  iu89u  et  obedientia  patria  Bichardi  Le- 
duinus  . . .  praelatus  est  abbatiae  aancti  Vedasti.  In  eil:  qui  postmodum 
iu88u  et  obedientia  praedicti  patria  sub  eo  aancti  Vedcuti  annia  mxdtia 
rexit  aeckaiam  ist  aub  eo  falsch.    Gesta  episc.  Camerac.  III,  c.  16. 

*)  Miraeos,  Opera  diplom.  1, 149. 

>)  Bulle  Benedicts  Vm.  für  Leduin  am  16.  Mars  gesehrieben,  22.  da- 
tiert bei  Gnimann,  Gartulaire  de  St.  Vaast  p.59:  noverint  omnea  filii  eccle- 
aiae  adisae  noatram  aedem  venerabilem  ahbatem  . . .  Leduinum  .,,  et  hvmi- 
liter  petiiaae  etc.    J.-L.  nr.  4056. 

0  Gesta  episc.  Camerac.  III,  50:  A  fundamento  monaaterium  reatau- 
ravit  et  omnibua  utilitatibiia  ampliavit.  Urkande  Gerhards  vom  18.  März 
1031  bei  Guimann  p.61  ff.:  novum  opua  ecclesie  aancti  Vedaati,  quod  a  Le- 
dmno  abbate  venerabili  conatructum  est 

*)  Vgl.  die  Urk.  Leduins  von  1036  bei  Duchesne,  Bist  de  la  maison 
de  B^thune,  Paris  1639,  pr.  4.  Aus  demselben  Document  ersehen  wir  die 
Verteilung  der  Klosterämter  zu  Leduins  Zeit  Es  war  Decan:  Albericus, 
Propst:  Hugo,  Capellan:  Adulfus,  Cantor:  Ricuinns,  Scholasticus:  Rober- 
tus,  Schatzmeister:  Guido  und  Gunfridus. 

')  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c.  59.  Leduins  Todestag  ist  IV.  Non.  lan. 
nach  dem  NecroL  S.  Qermani  de  Pratis  bei  BouiUart,  Eist  de  l'abbaye  de 
St.  Germain  p.CVUI;  Necrol.  S.  Maximini  bei  Hontheim,  Prodromus  II,  966; 


142 

Bald  naeh  der  Uebernahme  von  St.  Vaast  trat  Leduin  in 
Gemeinsehaft  mit  dem  Bisehofe  als  Reformator  und  Gründer 
einiger  Klöster  im  Sprengel  Cambrai  aaf.  So  erriehtete  er  ein 
Kloster  in  Billi-Berelan,  einem  der  Abtei  St.  Vaast  gehörigen 
Dorfe,  das,  in  frachtbarem  Sampfland  gelegen,  bei  einer  Be- 
siedelnng  die  Möglichkeit  gewährte,  einige  Mönche  unterzu- 
bringen und  die  benachbarten  Güter  zu  schützen.^) 

Bei  den  andern  Abteien,  in  denen  Lednin  beschäftigt 
war,  handelte  es  sich  um  Reformen.  In  Marchiennes,  der  be- 
deutendsten Frauenabtei  im  Gebiet  Baldains  des  Bärtigen, 
führten  die  Nonnen  ein  ausschweifendes  Leben  und  waren 
auf  dem  besten  Wege,  die  materiellen  Mittel,  die  zu  ihrer 
Unterhaltung  dienten,  zu  vergeuden.^)  In  dem  benachbarten 
Franenkloster  Hamage  lebten  noch  späterhin  nur  einige  we- 
nige Canonici'^);  ebenso  hatten  sich  in  Denain,  das  auch  für 
Nonnen  bestimmt  war,  Cleriker  eingenistet.  Während  hier 
bald  wieder  reguläre  Schwestern  einzogen  und  Leduin  in  Ge- 
meinschaft mit  Bischof  Gerhard  eine  Aebtissin  einsetzte  4), 
mussten  die  Nonnen  von  Marchiennes  den  von  Leduin  einge- 
führten Mönchen  weichen:  es  war  im  Jahre  1024^),  als  Graf 
Baldnin   und  Gerhard  die  Reform  durch  Leduin  bewirkten.<^) 


Nocrol.  S.  Vit,  N.  Arch.  XV,  127.  Necrol.  S.  Ved.  p.  10  hat  CredUur  obitiis 
2.  lanuarii, 

■)  Gesta  episc.  Camerac.  II,  c.  20. 

>)  Mirac.  S.  Rictrud.  III,  §  15,  A.  SS.  Mai  III,  93:  Et  quoniam  vitam 
feminarum  dissolutam  exoaam  habebat,  svbatantiamf  qua  Deo  servientes 
sustentari  debuerant,  eas  totam  disaiparef  lU  coeperant,  non  smtinuit. 
Der  Graf  wandte  sich  an  Leduin  und  sagte:  Vides,  inquit,  venerande  pater, 
Flandriarum  monasteria  Normannica  incursione  destructa  et  quod  aetas 
nostra  inops  ait  virorunif  qui  ad  ea  instauranda  aliqfMm  impendant  aoüi- 
citudinem  etc. 

^)  Gesta  episc.  Camerac.  II,  c.  27. 

*)  Gesta  episc  Camerac.  II,  c.  28. 

^)  Ann.  Marchian.  1024,  wo  es  heisst:  Hoc  anno  üe  . . .  abbaa  S.  Ve- 
dasti  abbatiam  sandae  Rictrudis  Marchianensis.  Natürlich  ist  die  Lttcke 
durch  Leduinua  zu  ergänzen.  In  der  Andr.  March.  bist.  reg.  Franc,  SS. 
XXVI,  207  wird  die  Zeit  bestimmt  durch  Anno  XXVIII.  Boberti  regia, 
d.i.  1024;  vgl.  das  von  mir  excerpierte  Chron.  Marcianense  c.  18  und  20, 
N.  Arch.  XV,  457.  460. 

')  Qesta  episc.  Camerac.  II,  c.26:  Oerardo  epiacopo  et  nutrchume  Bai- 
duino  aatagentibtia;  Mirac.  S.  Rictr.  a.a.O.;  Andreas  March.  a.  a.  0.:  de 


143 

Baldnin  V.  erkannte  1038  an,  dass  das  Kloster  seit  seiner 
OrOndnng  von  den  Abgaben  für  die  Schirmvogtei  befreit  sei.^) 
Neun  Jahre  leitete  Lednin  Marehiennes.  Im  Jahre  1033  über* 
nahm  einer  seiner  Schüler  den  Stab  von  Marehiennes,  Albe- 
rieh>),  fbr  den  Baldnin  im  Jahre  1046  anf  einer  grossen  Ver- 
sammlung arkandete.^)  Wie  überall,  erhob  sieh  anch  hier  eine 
neue  Kirche,  die  1029  darch  Gerhard  von  Cambrai  die  Weihe 
empfing.^)  Im  Jahre  1035  hören  wir  aber  wieder  von  ihrem 
Brande.^) 

In  dasselbe  Jahr,  wie  die  Einführung  der  Brttder  iü  Mar- 
ehiennes, fällt  die  Uebernahme  von  Haspres  durch  Leduin.  Das 
Kloster  stand  unter  dem  Abte  Theoderieh  von  Jumiäges,  dem 
Schüler  Wilhelms  von  Dijon.  Die  grosse  Entfernung  Haspres 
von  Jumiöges  hatte  eine  sorgfältige  Beaufsichtigung  der  Kloster- 
brüder durch  ihren  Abt  erschwert,  und  so  war  die  Zucht  ver- 
fallen: vergeblich  hatte  Gerhard  Abt  Theoderich  zur  Reform 
aufgefordert.  Als  nun  Ende  1023  Bischof  Gerhard  mit  Leduin 
auf  einer  Reise  vorttberkam  und  das  schamlose  Treiben  der 
Mönche  beobachtete,  forderte  er  entrüstet  den  Abt  von  St.  Vaast 
auf,  das  Kloster  gegen  Güter  seines  Klosters  von  Theoderich 
einzutauschen  und  dann  religiöses  Leben  und  strenge  Zucht 
wiederherzustellen.  Nun  wurde  hin  und  her  verhandelt.  End- 
lich kam  es  am  13.  Januar  1024  zum  Abschluss  des  Geschäftes 
in  Ronen  am  Hofe  Richards  II,  wohin  sich  Leduin  begeben 

abbaiia  8.  Bictrudia  Marchianemü  exptUsae  sunt  aanctimonidles  quam  per 
trecentoa  et  triginta  annoa  possederanty  et  recolati  sunt  ibi  monachi  per 
lAduinum  abbatem  8,  Vedasti  et  Balduinum  camitem  FUmdriarum;  Epist. 
Wüh.  Andr.  SS.  XXIV,  690:  procurantibus  B,  camite  Flandrorum  et  L. 
abbate  S,  Vedastif  quod  monasterio  Marchianensi  expulsia  monialibus,  in 
quo  trecentia  et  amplius  annis  resederant. . . . 

0  Gu^rard,  Polyptique  dlrminon  II,  app.  p.  356,  nr.  XXI;  Wanters 
I,  p.  479. 

>)  Mir.  S.  Rictr.  III,  §  16;  Ann.  March.  103S.  Seltsamerweise  wird 
Alberich  hier  als  dritter  Abt  bezeichnet,  ohne  dass  ein  zweiter  genannt 
würde.  Aus  den  Mir.  S.  Rictr.  geht  aber  hervor,  dass  er  unmittelbar  auf 
Lednin  folgte.  Es  gab  dann  einen  (Decan  Alberieh  von  St  Vaast,  der 
sich  1036  noch  in  St.  Vaast  befindet.  Vgl.  die  Urkunde  bei  Duchesne, 
Hist  de  la  maison  de  B^thune  pr.4. 

')  Gart,  de  Marchienne,  Bibl.  nat.  1.  nr.  1204,  p.  145. 

^)  Ann.  March.  1029. 

^)  Ann.  March.  1085;  vgl.  Mir.  S.  Rictr.  III,  §  19,  a.a.O.  p.94. 


144 

hatte.  Der  Herzog  Belbst  and  seine  Söhne  Richard  nnd  Ro- 
bert, Bischof  Warin  von  Beanvais,  wie  der  Erzbisehof  Robert 
von  Ronen  unterzeichneten  die  Urkunde,  in  der  Leduin  gegen 
Abtretung  der  oben  erwähnten  Celle  Anglicourt  die  Herrsehaft 
über  die  Abtei  Haspres  zugesprochen  wurdet;  am  22.  März  be- 
stätigte Papst  Benedict  VIIL  den  Tausch.^)  Und  nun  ging  er 
an  die  Reform.  Leduin  entfaltete  eine  reiche  Thätigkeit,  indem 
er  namentlich  die  Baulichkeiten  des  Klosters  erweiterte. 

Eilbert  von  St-Thierri. 

Neben  Richard  von  St.  Vannes  und  Leduin  von  St.  Vaast 
bediente  der  reformeifrige  Bischof  sich  der  Hilfe  seines  Bru- 
ders Eilbert  zur  Vollendung  seiner  Zwecke.  St.  Andreas  und 
Maroilles  sind  die  beiden  Abteien,  die  mit  seinem  Namen  eng 
verknttpft  sind.  Was  die  letztere  betrifft,  so  war  sie  durch 
einen  gewissen  Humbert  auf  eigenem  Grund  und  Boden  zn 
Ehren  der  Jungfrau  Maria  gegründet*"^),  dann  am  8.  September 
921  von  Karl  dem  Einfältigen  an  den  Bischof  Stephan  von 
Cambrai  verliehen  worden.^)  Auch  sie  war  dann  in  die  Hände 
von  Clerikern  gekommen  und  in  Zucht  und  Wohlstand  ver- 
fallen.^) Als  Gerhard  auch  hier  an  die  Ausweisung  der  ver- 
weltlichten Chorherren  ging,  berief  er  seinen  Bruder  Eilbert 
zur  Einrichtung  und  Leitung  der  jetzt  eingeführten  Mönche. 
Eilbert  war  zuerst  Laie,  dann  Mönch  von  St  Thierri  bei  Reims 


^)  Gesta  episc.  Camerac.  II,  c.  29.  Das  Diplom  bei  Miraeus ,  Opera 
diplom.  I,  365;  bei  Wauters  I,  485  flUschlich  1044  datiert  Vgl.  M.  G.  SS. 
VU,  462,  nr.  25.  Nach  der  Bistumschronik  wären  nach  dem  Tansch  König 
Robert,  Balduin  von  Flandern  und  Richard  von  der  Normandie  zogegen 
gewesen.  Nach  dem  Papstprivileg' (Guimann,  Gart  de  St  Vaast  p. 59; 
J.-L.  nr.  4056)  geschah  der  Tausch:  cum  consensu  eomitis  Iformannorum 
Richardi  et  archiepiscopi  Bothomagensia  Botbertif  necnon  et  marehionU 
Flandrorum  Balduini,  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  der  Chronist 
Robert,  den  Sohn  Richards  II,  der  sich  auf  dem  Diplom  findet,  mit  dem 
Künige  verwechselte. 

>)  J.-L.  nr.4056:  1022—1024  datiert,  nach  Obigem  auf  1024  zu  be- 
stimmen. 

')  Gesta  episc.  Gamerac.  II,  c.  32. 

*}  Gesta  episc.  Gamerac.  I,  c.  68. 

*)  Ghron.  S.  Andr.  I,  c.  10;  Brasseur,  Origines  etc.  p.  28ff.  Nach  ihm 
erfolgte  die  Reform  1020. 


145 

gewesen  und  hatte  es  bis  zum  Pförtner  gebracht  za  der  Zeit, 
als  der  Jange  Poppo  in  jenem  Kloster  weltmOde  anpochte.^) 
Da  St  Thierri  bereits  reformiert  war,  so  sehen  wir  hier  die 
elnniaeensische  Strömung  wieder  von  einer  andern  Seite  in 
Niederlothringen  einwirken. 

Derselbe  Eilbert  ward  dnrch  seinen  Brnder  auch  Abt  von 
St.-Andrö  du  Cateau.  Auf  dem  AUod  eines  Eriegsmannes 
Heriward  erbaute  Gerhard  ein  Bethaus  des  hl.  Andreas,  neben 
dem  er  vierundzwanzig  reguläre  Mönche  unter  Eilberts  Leitung 
ansiedelte.^)  Der  Bischof  wusste  den  Kaiser  ftir  die  neue 
Stiftung  zu  gewinnen,  denn  als  er  sich  1023  in  desselben  Um- 
gebung befand  —  er  war  in  diesem  Jahre  in  einer  kaiserlichen 
Mission  in  Frankreich  — ,  gewährte  Heinrich  IL  reiche  Ge- 
schenke 3);  Gerhard  selbst  liess  es  an  Gttterverleihungen  nicht 
fehlen  und  bestätigte,  nachdem  am  22.  September  1025  die 
Weihe  erfolgt  war^),  in  einer  Urkunde  alle  Schenkungen,  die 
fbr  St  Andreas  gemacht  worden  waren.^)  Es  war  wohl  wäh- 
rend seines  Aufenthalts  in  Lothringen  im  Jahre  1033,  als  Kaiser 
Konrad  in  einem  Diplom  die  Gründung  von  St.  Andreas  und 
die  Reform  von  Maroilles  bestätigtet^);  er  ernannte  damals 
Eilbert  und  seine  Nachfolger  für  immer  zu  speciellen  kaiser- 
lichen Capellänen.'') 

Eilbert  starb  am  11.  Mai  1047.  Sein  Nachfolger,  wohl  in 
beiden  Klöstern,  war  Waldrich,  der  zuerst  Cleriker,  dann  Mönch 


')  Vita  S.  Popp.  c.  7:  qui  domni  Gerardi  Cameraceimuin  episcopi 
came  et  apiritu  germanua  extiiit  . . .  Coepit  (sc.  Poppo)  interim  a  prae- 
dicto  Eilberto  Marriliacensium  postea  abbate  litteris  strenue  entdiri;  c.  8: 
Eilberto  iunc  temporia  monasterii  potiario  . . . 

')  Ghron.  S.  Andr.  I,  c.  18:  viginti  quattuor  monachos  ibidem  sub 
Sacra  rdigione  et  regviari  norma  servitwros  delegavit  fratremque  suwn 
domnum  Eilbertutn  vitae  venerabilis  vimm  abbatem  eis  praefecit. 

8)  Chron.  S.  Andr.  I,  c.  17. 

*)  Chron.  S.  Andr.  I,  c.  19.  20. 

<^)  Urk.  Gerards  von  1026  bei  Carpentier,  Hist  de  Cambray  11,  491. 

')  Chron.  S.  Andr.  U,  c.  8  lässt  den  Kaiser  1086  auf  dem  Consii  zu 
Tribiir  ein  Diplom  ausstellen;  die  vorhandene  Urkunde  ist  von  1033,  bei 
Carpentier  a.  a.  0.  IV,  6;  Wauters  I,  472;  Stumpf  2050;  vgl.  Bresslau,  Kon- 
rad II.  II,  S9,  n.  3;  in  der  Cbpie,  Coli.  Moreau  XXII,  fol.  28  datiert:  ind.  IL 
anno  dorn.  ine.  MXXXIII,  a.  domni  Conradi  regia  XI,  imperii  vero  Y^, 

0  Chron.  8.  Andr.  II,  c.  3. 

Sftokur,  CluniaoenMr.   II.  10 


146 

in  Florennes  gewesen  war;  eine  Anzahl  gottergebener,  frommer 
Brüder  werden  genannt  >) 

So  hatten  Riehard  von  St  Vannes,  sein  Sehttler  Ledain 
von  St  Vaast  und  Gerhards  Bruder  Eilbert  von  St-Thierri  etwa 
innerhalb  zwanzig  Jahren  unter  der  regen  Beteiligung  des 
Bisehofs  von  Gambrai  den  klösterliehen  und  kirehlichen  Ver- 
hältnissen dieses  Sprengeis  ein  neues  Ansehen  gegeben.  Mit 
Überraschender  Schnelligkeit  waren  hier  die  Weltgeistiichen 
oder  irreguläre  Klosterfrauen  den  Reformmönchen  der  Ver- 
duner oder  Reimser  Schule  gewichen.  Welche  Folgen  roussten 
sich  für  die  allgemeine  Hebung  kirchlichen  Geistes  in  diesen 
Landesteilen  ergeben  I 

Flandern. 

Auch  in  Flandern  war  die  Blüte  der  Reform  des  zehnten 
Jahrhunderts  abgewelkt  Je  mehr  die  Schule  Clnnis  in  syste- 
matischer Weise  ein  dichtes  Netz  über  die  westfränkisehen 
Diöcesen  ausbreitete,  je  mehr  diese  Richtung  zu  centralisieren- 
den  Tendenzen  führte,  desto  schärfer  musste  der  Gegensatz 
zwischen  der  einst  lediglich  auf  der  Persönlichkeit  Gerhards 
von  Brogne  beruhenden,  allmählich  absterbenden  Reformbewe- 
gung und  der  stra£fer  organisierten,  agitatorisch  auftretenden 
cluniacensischen  Richtung  hervortreten.  Auch  fanden  die  Mönche 
später  nicht  mehr  den  Rückhalt  an  dem  Grafenhause,  den 
Gerhard  einst  an  Arnulf  dem  Grossen  gehabt  hatte.  Händel 
und  Kriege,  politische  Schwierigkeiten  lenkten  das  Interesse 
der  Fürsten  auf  andere  Dinge,  persönliche  Abneigung  spielte 
sicher  keine  minder  wichtige  Rolle.  Die  unerquicklichen 
Streitigkeiten  zwischen  Flandern  und  den  Bischöfen  von  Cam-  «• 
brai  hatten,  wie  wir  sahen,  die  Misstände  in  St  Vaast  ge- 
fördert und  die  Reform  verzögert.  Aber  auch  nachher  stand 
Balduin  IV.  den  Reformeiferern,  wenn  nicht  feindselig,  so 
doch  so  kühl  gegenüber,  dass  man  in  ihren  Kreisen  auf  den 
Grafen  übel  zu  sprechen  war.  Im  Jahre  1011  war  man 
überzeugt,  dass  er  für  seine  Uebelthaten  die  Strafen  der  Hölle 
leiden  werde;  man  hielt  sogar  eine  Warnung  für  aussichtslos, 


>)  Ghron.  S.  Andr.  II,  c.  9.  11. 


147 

da  er  nichts  glaube,  man  sah  in  seinem  Reichtum  nur  Schätze 

des  Teufels.^ 

Aber  nur  zwei  Jahre  später,  im  Jahre  1013,  berief  Balduin 
doch  Kichard  von  St.  Vannes  nach  St.  Amand,  wo  Abt  Ratbod 
eben  gestorben  war.^)  Gab  auch  Richard  diese  Abtei  nach 
filnf  Jahren  wieder  ab,  so  übernahmen  doch  mehrere  seiner 
Schüler  die  Fortpflanzung  der  cluniacensischen  Normen  in  die- 
sen Gebieten,  deren  Graf  sich  auch  mehr  und  mehr  den  mön- 
chischen Tendenzen  anschloss.  In  St.  Amand  ergriff  Malbod 
den  Abtstab  *),  den  der  Abt  von  St.  Vannes  niedergelegt  hatte. 
Auch  St  Peter  auf  dem  blandinischen  Berge  bei  Gent,  dessen 
Leitung  Richard  1029*)  übernahm,  gab  er  nach  etwa  drei 
Jahren»)  ab.  Ihm  folgte  erst  Rotbold«),  dann  1034 ')  der  frü- 
here Propst  Wichard  von  Mont-Blandain,  unter  dem  sowohl 
Konrad  11.^),  als  Heinrich  I.^)  von  Frankreich  die  in  ihren 
Reichen  gelegenen  Güter  des  Klosters  bestätigten,  während 
Balduin  V.  von  Flandern^®)  umfassendere  Restitutionen  von 
Klosterbesitz  vornahm. 

Die  ausgedehnteste  Reformthätigkeit  entwickelte  aber  Le- 
dnin  von  St.  Vaast  in  diesen  Gegenden,  vor  allem  zu  St.  Bavo 
in  Gent  Hatten  die  Ottonen  auch  im  zehnten  Jahrhundert 
eine  grössere  Zahl  von  Gütern,  die  der  Abtei  einst  gehörten. 


0  Hugo  Flavin.  II,  c.  1 1 ;  Richard  von  St.  Vannes  S.  28. 

>)  Ann.  Einen,  mai.  1013',  Catal.  abb.*S.  Amandi,  SS.  XIII,  887  zu  1013. 

*)  Ann.  Elnon.  mai.  1018;  Catal.  S.  Amandi  a.a.O.  Nach  1055  kam 
or  nach  Hasnon;  vgl.  Tomelli  Eist.  Hasnon.  c.  5— 18,  SS.  XIV,  152  ff.  und 
De  Ute  Elnon.  et  Hasnon.,  SS.  XIV,  158.    Er  starb  am  9.  Mai  1063. 

*)  Ann.  Bland.  1029. 

^)  Ann.  Bland.  1032.  Richard  erscheint  bei  v.  Lokeren,  Chartes  et 
docum.  de  St.-Pierre  de  Gand  nr.  111  bei  Lebzeiten  König  Roberts,  also 
von  1029—1031. 

')  Er  ist  in  einer  zwischen  1031 — 1034  ausgestellten  Urk.,  v.  Lokeren 
nr.  112,  nachweisbar. 

')  Als  praepositus  erscheint  er  v.  Lokeren  nr.  103  (1031—1034).  Als 
Abt  in  Urk.  aus  derselben  Zeit,  v.  Lokeren  nr.  104—110.  1037  wird  sein 
drittes  (nr.  118),  1040  sein  fünftes  (nr.  123»),  1041  und  1042  sein  achtes 
Jabr(nr.  123»>.  I23c),  1046  sein  zwölftes  Jahr  (nr.  125)  gerechnet,  v.  Lokeren 
wirft  Richard  und  Wichard  permanent  durcheinander. 

«)  Wauters  I,  p.  475;  St.  nr.  2077  a. 

»)  Wauters  I,  p.  479. 

*")  Wauters  I,  p.  477.   Drei  Urk.  v.  6.  Januar,  5.  Juli  und  24.  Juli  1037. 

10* 


148 

zarttckerstattet  ^),  hatte  anch  Heinrich  IL  am  3.  Februar  1003 
nnter  Verbriefung  der  Oblichen  Freiheiten  die  ReBtitntionen 
seiner  Vorgänger  bestätigt^),  so  konnte  sie  trotzdem  materiell 
nicht  leicht  wieder  emporkommen.  In  einem  Briefe  an  die 
Gräfin  Odgiva,  Balduins  IV.  Gemahlin,  in  welchem  Abt  Othel- 
bold  zuerst  auf  ihre  Bitten  ein  Verzeichnis  der  in  St  Bavo 
befindlichen  Heiligenreliquien  aufstellt,  will  er  der  Fürstin  zu 
hören  geben,  wie  bedeutend  St  Bavo  einst  gewesen  und  bis 
zu  welcher  Armut  es  herabgesunken  sei;  er  zählt  die  Be- 
sitzungen des  Klosters  auf,  die  Arnulf  von  Flandern  unter 
seine  Vasallen  verteilt  habe,  merkt  an,  was  später  zurück- 
erworben  wurde,  auch  die  Schenkungen  Balduins  des  Bärtigen 
aus  seinen  eignen  Mitteln,  und  schliesst:  „Indem  wir  dies 
alles  mit  unseren  Steuereinnehmern  aufs  sorgfältigste  aus- 
massen,  können  wir  kaum  zweihundert  Hufen  ftir  den  Unter- 
halt der  Brüder  herausrechnen.  Da  haben  wir  auch,  unsere 
gnädigste  Herrin,  alles  dargelegt,  was  wir  früher  besassen, 
was  später  und  was  jetzt^  ^)  In  solcher  Lage  war  das  Kloster 
St.  Bavo,  als  es  Leduin  —  es  ist  nicht  ganz  sicher,  ob  im 
Jahre  1024  oder  zehn  Jahre  später^)  —  unter  seine  Aufsicht 


^)  S.  Bd.  I,  S.  188. 

*)  Urk.  Heinrichs  IL  bei  Bergb,  Oorkondenbuek  van  Holland  en  Zee- 
land  I,  nr.  75,  p.  46;  St.  1343.  Ganz  ähnlich  ist  wieder  der  entsprechende 
Passus  in  der  Urk.  Heinrichs  III.  ▼.  28.  Mai  1040,  Bergh  I,  nr.  81,  p.  50. 

^  Epistola  Othelbodi  abbatis  ad  Otgivam  Flandr.  comitis.  bei  Miraeus, 
Op.  dipl.  I,  849  ca.  1030  gesetzt;  Wauters  I,  470  datiert  1019—1030.  Wenn 
Leduin  1024  Abt  wurde,  ca.  1020  zu  setzen.  Ueber  den  Brief  vgl.  Warn- 
künig,  Flandr.  Staats-  und  Rechtsgesch.  I,  425,  der  für  die  Echtheit  auf 
Grund  des  im  Archiv  von  Ostflandern  befindlichen  Originals  gegen  Diericx, 
Memoires  sur  la  ville  de  Gand  I,  p.  348  eintritt:  Sed  et  comites  provincia- 
mm  et  episcopi  singuli  eorum  optinuerunt  partes  suas,  unusquisqiie  in 
locis  suis,  usque  ad  tempora  piae  memoriae  predecessoris  nostri,  domini 
videlicet  abbatis  Odwini,  gin  adiens  piissimum  imperatorem  Ottoneni  quas- 
dam  imperio  suo  contigtuis  villas  impetravit,  quibusdam,  lU  erant  ibi  initiste 
direptaCf  morte  ipsius  interveniente  remanentibus.  Was  durch  Otto  IL  an 
Odwin  kam,  war  im  Gau  von  Toumai:  Waterlos,  und  in  der  Grafschaft 
Antwerpen:  Bouchout. 

*)  Smet,  Recueil  I,  446  liest  in  den  nur  in  einer  Handschrift  aus  dem 
vierzehnten  Jahrhundert  vorhandenen  Ann.  S.  Bav.  1034;  in  den  M.  G.  SS. 
II,  189  steht  1024.  Doch  schon  der  Verfasser  des  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert aus  den  Annalen  und  andern  Quellen  compilierten  Chron.  S.  Bav. 


149 

bekam,  am  es  1036  abzugeben;  ttber  seine  Thätigkeit  inner- 
halb dieser  Zeit  sind  wir  nieht  unterrichtet,  ebenso  wenig 
über  die  seines  Nachfolgers  Ramold  von  Bergh,  der  1088  ab- 
gesetzt wurde.  Sicher  ist,  dass  man  ftlr  Ramold  kein  Anni- 
versarium hielt  und  dass  man  später  seine  Begräbnisstätte 
nicht  kannte,  was  allerdings  nichts  ungewöhnliches  warJ) 

Seit  Jahren  hatte  man  sich  in  St  Yaast  ttber  das  regel- 
widrige Treiben  der  Mönche  von  St.  Bertin  entrüstet^),  als 
Balduin  der  Bärtige  von  Flandern  nach  dem  im  Jahre  1021 
eingetretenen  Tode  des  Abtes  Heimfried  einen  Mönch  von 
St.  Yaast,  Roderich,  nach  St.  Bertin  berief.  Er  hatte  nun  frei- 
lieh mit  dem  Widerstände  der  hartnäckigen  Brüder  zu  kämpfen: 
aber  wie  er  selbst  allen  mit  vortrefflichem  Beispiel  voranging, 
wie  der  Himmel  ein  schweres  Strafgericht  über  die  Ungetreuen 
verbängte,  siegte  endlich  die  Reform.»)  Es  war  ein  schwerer 
Schlag,  als  im  Jahre  1033  eine  grosse  Feaersbrnnst  den  gross- 
ten  Teil  des  Klosters  fortrafipfce  ^),  aber  sie  hat  sicher  zum  Er- 
folge der  reformatorischen  Bestrebungen  Roderichs  beigetragen.^) 
Wie  in  den  übrigen  flandrischen  Klöstern  war  mit  der  religiösen 

bei  Smet  I,  548  las  1034,  so  dass  man  vielleicht  an  dieser  Zahl  festhalten 
muss.  Femer  aber  ist  Leduin  1024  in  Ronen,  in  Rom,  sodann  in  Haspres 
und  Marchiennes  beschäftigt,  so  dass  man  zweifeln  darf,  ob  er  noch 
St.  Bavo  im  selben  Jahre  übernahm.  In  der  Chronik  des  Joh.  v.  Thil- 
rode  wird  zunächst  Leduin  gar  nicht  erwähnt;  bei  ihm  herrscht  Con- 
fusion.  Er  benutzt  SS.  XXV,  568  die  Urkunde  Heinrichs  IL  an  Erembold 
und  die  Heinrichs  IE.  von  1040  für  Rumold,  so  dass  man  anch  hieraus 
sieht,  dass  es  keine  andern  gegeben  hat.  In  der  Abtreihe  p.  570  steht 
Lidwinus  richtig  zwischen  Othelbold  und  Rumold. 

*)  Chron.  S.  Bav.  1038:  causa  forte  est  propter  destructioneni  niona- 
steril  vel  propter  nova  aedifida  sive,  quia  in  regimine  abhatiae  non  obie- 
rtmtf  sed  destituti, 

^)  Vgl.  die  Vision  des  St.  Vaaster  Mönchs  vom  Sommer  1012  bei 
Hugo  Flav.  n,  c.  11. 

3)  Simonis  Gesta  abb.  S.  Bertini  I,  c.  1  bei  Gu^rard,  Cartul.  de  St.  Bertin. 

*)  Lambert!  S.  Audomari  Chron.  1038:  Templum  S.  Äudomari  concre- 
matur;  Simon.  Gesta  abb.  1,  c.  2;  Chron.  Joh.  Long.  c.  36  irrtümlich:  et 
haec  est  qttarta  huius  hei  destructio,  qtie  accidit  in  ayino  10.  huius  domini 
Rodend  abbatis.  Vgl.  über  den  Braod  ein  lat.  Gedicht,  das  historisch 
wichtige  Nachrichten  nicht  enthält,  herausgeg.  von  Dümmler  im  N.  Arch. 
II,  p.  228. 

*)  Simon.  Gesta  I,  c.  5 :  Sicsic  niminim  nobis  divini  terroris  virga 
iuste  attritis  et  a  pcccatorum  nostrorwn  cenosa  infedione  penitus  defecatis. 


150 

Umwandlang  eine  SicheruDg  nnd  Gonsolidiernng  des  Besitz- 
standes verbunden.  Der  Abt  sachte  das  Abteignt  zu  vermehren 
und  sorgte  für  die  leiblichen  Bedürfnisse  der  Mönche.  Indem 
er  sich  von  Bischöfen  und  Fttrsten  Bestätigungsurknnden  aus- 
wirkte, schuf  er  Ordnung  und  Sicherheit  fttr  die  Besitzungen 
von  St.  Bertin.^)  Der  Bisehof  Balduin  von  Thörouanne,  der  ihn 
auch  geweiht  hatte,  urkundete  1026  fttr  Roderich.^)  So  hoffte 
dieser  die  Laien,  welche  KlostergOter  in  Händen  hatten  und  her- 
auszugeben sich  weigerten^),  zu  bekämpfen.  Aus  einer  eifrigen 
Wirksamkeit  riss  ihn  der  Tod  am  9.  Juli  1042.^)  Sein  Nach- 
folger Bovo  trat  in  seine  Fusstapfen;  das  Hauptverdienst  des- 
selben bestand  aber  darin,  dass  er  die  durch  den  Brand  zer- 
störte Kirche  von  Grund  aus  wieder  aufbaute,  ohne  sie  indes 
zur  Vollendung  zu  bringen.  1050  fand  man  unter  dem  Haupt- 
altar die  Gebeine  des  Klosterheiligen  und  übertrug  sie  zwei 
Jahre  später  in  die  neue  Grabstätte.  Als  nun  noch  Papst 
Victor  IL  eine  Urkunde  ausstellte  über  die  kirchliche  Freiheit 
des  Ortes  und  die  freie  Abtwahl,  konnte  man  die  selbständige 
Entwicklung  von  St  Bertin  fttr  gesichert  ansehen.  Am  10.  De- 
eember  1065  beschloss  auch  Bovo  sein  Leben.*) 

Von  St.  Bertin  ging  die  Reform  eines  andern  nicht  unbe- 
deutenden flandrischen  Klosters  aus.  Nicht  besser  wie  ander- 
wärts trieben  es  die  Cleriker  von  Bergh  St.  Winnoe.  Man 
erzählte,  Graf  Balduin  IV.  habe  ihre  religiöse  Gewissenhaftig- 
keit auf  die  Probe  stellen  wollen,  als  er  unerkannt  in  der 
Kirche  zu  bleiben  und  den  Matutinen  beizuwohnen  wttnschte. 
Wie  man  ihn  nun  bedeutet  habe,  dass  die  Herren  Canonici 
nicht  gewöhnt  seien,  zu  den  Frttbübungen  sich  zu  erheben, 
habe  er  den  Entschluss,  der  lange  in  ihm  reifen  mochte,  ge- 
fasst,  sie  zu  vertreiben.«)   Ein  Jahr  war  erst  Roderich  Abt  von 

'  ^)  Simon.  Gesta  I,  c.  5. 

«)  Wauters  I,  465;  Chron.  Job.  Longi,  SS.  XXV,  p.  7Sü:  Carte  aeupri- 
vilegia  huiits  domni  abba4:i8  sunt  duo, 

^)  Simon.  Gesta  I,  c.  6. 

*)  Simon.  Gesta  I,  c.  10.  Sein  Epitaph  bei  Drival,  Necrologe  de 
St.  Vaast  (1S7S)  p.  11. 

^)  Simon.  Gesta  I,  c.  11. 

^)  Chron.  S.Bavon.  1023  bei  Smet,  Recueil  1,543.  Wie  weit  dieser 
etwas  legendarischen  Erzählung  echte  Tradition  zu  Grunde  liegen  mag,' 
ist  freilich  nicht  zu  entscheiden. 


151 

St.  Bertiii,  als  Baldnin  ihm  nnd  seinen  Mönchen  St.  Winnoe 
unterwarft)  Anch  hier  wird  man  an  den  Ansbaa  nnd  die 
Erweiterang  der  Kiosterränme  gegangen  sein.  Die  Zahl  der 
Mönche  war  in  erfreulichem  Steigen  begriffen,  als  Roderich 
1028  bereits  einen  der  Brttder  von  St  Bertin,  Germanus,  zum 
Abt  machte;  indes  schon  vorher  scheint  dieser  die  Abtei  unter 
der  Aufsicht  Boderichs  geleitet  zu  haben.^)  Nach  vier  Jahren 
starb  Germanus  aber  und  wieder  folgte  ein  Mönch  von  St.  Ber- 
tin, Rumold,  der  wohl  mit  dem  gleichnamigen  Abte  von  St.  Bavo 
identisch  ist')  In  St  Winnoe  ward  die  Tradition  der  Refor- 
matoren weniger  gut  bewahrt,  als  in  St  Bertin;  jene  Abtei  kam 
in  den  siebziger  Jahren  durch  einen  adeligen  Laien  Ingelbert 
sehr  herunter,  hob  sich  aber  wahrscheinlich  wieder,  als  ein  in 
St  Bertin  erzogener  Mönch  Ermes,  der  sich  zur  Zeit  gerade 
in  Cluni  aufhielt,  1078  den  Krummstab  ergriff.^) 

Wieder  ist  es,  wie  einst  im  zehnten  Jahrhundert,  der  Graf 
von  Flandern,  von  dem  die  Initiative  ausgeht,  die  grossen 
Klöster  des  Landes  den  neuen  Reformbestrebnngen  zu  unter- 
werfen. In  Balduins  IV.  Hand  befanden  sich  diese  Abteien 
genau  so  wie  früher  in  der  Arnulfs  des  Alten.  Noch  weniger 
als  das  erste  Mal  hatte  der  Episcopat  sich  dazwischen  zu 
schieben  vermocht  Auch  Balduin  V.  hielt  diese  Verbindung 
aufrecht;  wenige  Jahre  nach  seinem  Regierungsantritt  finden 
wir  einmal  in  der  Benedictscapelle  auf  dem  öffentlichen  Hofe  zu 
Arras  die  Blüte  der  flandrischen  Reformäbte,  die  von  St  Vaast, 


*)  Simon.  Gesta  I,  c.  9 :  praeficiena  eisdeni  venerdbilem  Eodericum  . . . 
suMciens  hoc  modo  tarn  dictum  coenobiwn  Sithiensibtts  m^onacis.  —  Ganz 
seltsame  Dinge  berichtet  Chron.  Job.  Longi  c.  36,  SS.  XXV,  p.  780:  Nunc 
vero  huiu8  domini  Boderici  abbatis  anno  aecundo  Flandriae  comes  BaU 
duinus  Barbatvs  apud  Bergas  in  arce  castellum  edificare  inceperat,  sed 
mutato  consilio  monasterium  edificavit  in  honore  S,  Winnoci.  Bergh  ist 
ein  altes  Kloster  und  nicht  erst  damals  gebaut  worden.  Lamb.  Audom. 
Chr.  1028:  Canonici  a  Bergis  expulsi  sunt  ist  richtig  bis  auf  die  Zahl. 

*)  Dass  Roderich  nur  sieben  Jahre  Abt  war,  melden  die  Simon.  Gesta 
I,  c.  9  und  Joh.  Long.  c.  86  einstimmig.  Indes  ist  in  einer  Urkunde  Bal- 
duins von  Th^rouanne  bei  Gu^rard,  Cartul.  de  St.  Bertin  p.  176  von  1026 
bereits  Germanua  als  Abt  von  St.  Winnoe  unterschrieben.  Wenn  das 
Signum  nicht  erst  später  hinzukam,  wird  man  vielleicht  annehmen  können, 
dass  Boderich  zuletzt  nur  noch  eine  Oberaufsicht  führte. 

*)  Simon.  Gesta  I,  c.  9;  Joh.  Longus  c.  36. 

*)  Simon.  Gesta  I,  c.  11. 


152 

St  Bertin,  St  Amand,  Si  Peter  auf  dem  blandiniseheii  Berge« 
Marchiennes,  FoDtenelles  in  seiner  Umgebang.')  Von  St  Vaist 
aas  hatte  die  Sehnle  Biebards  von  St  Vannes  ihren  Siegeszng 
gemacht  Aber  aaeh  diesmal  handelte  es  sich  nur  am  eine 
karze  Blttte,  die  kaam  eine  Generation  ttberdanerte.  Gegen 
Ende  des  Jahrhunderts  trat  wieder  eine  Periode  der  Erschlaf- 
fang  ein.  Es  war  zn  der  Zeit,  als  Clnni  längst  seine  Einrieh- 
tnngen  fixiert  hatte  und  ihre  Fortpflanzung  systematiseh  be- 
trieb. Sowohl  in  St  Bertin,  wie  in  Bergh,  in  Arras  and  andern 
flandrischen  Klöstern  zogen  zn  Anfang  des  folgenden  Jahrhan- 
derts  Mönche  ans  Glani  ein.^) 

Verdan. 

Die  grossen  Erfolge,  die  Richard  und  seine  Schale  in  die- 
sen Gegenden  davontrug,  wirkten  notwendig  auf  seine  Stellung 
als  Abt  von  St  Vannes  und  das  Ansehen  dieses  Klosters  selbst 
zurück.  Dazu  kam  es,  dass  er  es  verstand,  sowohl  den  deut- 
schen König,  als  den  lothringischen  Adel  zur  Förderung  seines 
Stiftes  zu  gewinnen.  Es  kam  ihm  zu  gute,  dass  Graf  Friedrich, 
der  dem  Hause  der  Ardennergrafen  angehörte,  durch  seine 
Person  das  Verduner  Kloster  mit  dem  hohen  Adel  des  Landes 
in  Verbindung  brachte.  Seine  ganze  Familie,  namentlich  Her- 
mann von  Enham,  schloss  sich  mit  Eifer  den  Bestrebungen 
des  rührigen  Abtes  an  und  häufte  Schenkungen  auf  die  Abtei, 
die  zu  einem  Asyl  der  weltmüden  Mitglieder  oder  doch  znr 
Begräbnisstätte  des  Hauses  wurde.^)  Eine  grosse  Zahl  anderer 
vornehmer  Herren,  wie  die  Grafen  Theodor^),  Ludwig*),  Hilderat^), 

*)  Urk.  Balduins  für  M&rchiennes  von  1038  bei  Gu^rard,  Polyptique 
d'lrminon  II,  app.  p.356. 

')  Sim.  II,  C.62.  60.  71.  77.  Vgl.  die  Urkunde  Roberts  von  Flandeni 
für  St.  Bertin  von  1106,  BibL  Cluniac.  col.589. 

3)  Vgl.  Richard  S.  1 0. 

*)  Gest.  I.Jan.,  Necrol.  S.  Vit.,  N.  Arch.  XV,  126.  Urk.  bei  Mabillon, 
Acta  SS.  VI,  1,  454;  Gallia  Christ.  XIII,  561. 

»)  Todestag:  XVL  Kai.  Febr.  nach  dem  Necrol.  S.  Vit.  Er  fiel  durch 
Meuchelmord;  seine  Gemahlin  war  Adelheid  nach  einer  Urk.  des  Gart  de 
St  Vannes,  Bibl.  nat  1.  5435,  fol.  25'.   Vgl  Mabillon,  Vet  Anal.  p.  380. 

*)  Gest.  HL  Id.  D«c.,  Necrol.  S.  Vit. ;  Hilderadus  cognamento  Heace- 
linus  Cornea  nobilissimua  in  einer  Urk.  Haimos  fUr  St  Vannes  von  1020, 
Cart.  de  St  Vannes  f.  14;  vgl.  f.  20. 


153 

Manasse'),  Liethard  von  Marcey'),  folgten  dem  Vorgange  des 
Ardennerhanses  und  erwarben,  znm  Teil  erst  in  der  Todes- 
stande, darch  Geschenke  oder  durch  Anlegung  des  Mönchs- 
kleides,  einen  Anspruch  auf  ein  Begräbnis  in  St.  Vannes.  Ein 
anderer  Graf  hat  es  später  dort  zu  hohen  Ehren  gebracht, 
Walerann  von  Breteuil,  Richards  Nachfolger  in  der  Abt- 
würde*);  auch  sein  Vater  Gelduin  schloss  hochbetagt  in  der 
Mönchskutte  sein  Leben.^)  Nicht  nur  der  Adel  fand  hier  eine 
Zaflucht  aus  dem  Getümmel  des  Lebenskampfes:  in  Scharen  ka- 
men friedensbedttrfkige  Seelen  aus  jenen  deutsch -französischen 
Grenzgebieten,  um  unter  Richard  Gott  und  den  Heiligen  zu 
dienen.^)  Unter  der  Gunst  des  Adels  wuchs  der  Besitz  an 
Hufen  in  wenigen  Jahren  um  das  vierfache.*) 

Wie  hob  sich  nun  gar  das  Ansehen  seiner  Schule!  Im 
eigenen  Sprengel  bediente  sieh  Bisehof  Haimo  seiner,  um  an 
der  Kirche  Si  Johannes  und  Maurus,  die  er  wiederhergestellt 
hatte,  reguläre  Nonnen  anzusiedeln^),  und  aus  Si  Mihiel  an 
der  Maas  erbat  sich  Abt  Nanther,  dem  der  Herzog  Theodor 
von  Niederlothringen  zu  seiner  Würde  verhelfen,  Mönche  aus 
Richards  Schule,  wie  er  seinerseits  Klosterbrüder  nach  St  Vannes 
schickte,  um  das  herabgekommene  Stift  zu  neuen  Ehren  zu 
bringen.^) 

Von  grösseren  Folgen  war  die  Wiederherstellung  der  klei- 
nen Abtei  St  Mauritius  und  Rodingas  in  Vasloges^),  wo  der 

»)  Gest.  XIV.  Kai.  Iwn.,  Necrol.  S.Vit.;  vgl.  Hugo  Flav.  II,  c.  29; 
V.  Richardi  c.  11. 

*)  Hugo  Flav.  II,  c.  9;  V.  Rieh.  c.  9;  vgl.  Über  sein  Anniversarium 
N.  Arch.  XV,  126. 

3)  V.  Rieh.  0.  U;  Hugo  Flav.  II,  e.  29  und  SS.  VIII,  406;  Laurentii 
Gesta  abb.  Vird.  e.  1;  V.  Theoderici  e.  14. 

*)  Der  Todestag  nach  dem  Necrol.  S.Vit:  Z7.  Kai.  lun.;  sein  Epi- 
taph bei  Mabillon,  Vet.  Anal  p.  380. 

»)  Hugo  FUiv.  II,  c.  9. 

^)  Richard  S.  12. 

7)  S.  Richard  S.  32  f.  Bestätigungsurk.  B.  Ramberts  bei  Clouet,  Hist 
de  Verdun  II,  11;  Leos  IX.  vom  24.  Oct.  1049  bei  Calmet,  Hist.  de  Lor- 
raine I,  pr.  424;  undatierte  Urk.  B.  Theoderichs  nach  1049  bei  Calmet 
I,  pr.  420. 

")  Ghron.  S.  Michaelis  c.  11 ;  Richard  S.  34. 

*)  S.  Richard  S.  31.  Richard  leitete  diese  Abtei  bis  zu  seinem  Tode; 
vgl.  Hugo  Flav.  II,  c.  10;  in  einer  undatierten  Urk.  im  Gart,  de  St.  Vannes 


154 

junge  Poppo  einige  Jahre  Gelegenheit  hatte,  die  ersten  Sporen 
zu  verdienen.^)  Der  Kaiser  kannte  ihn  bereits''^),  als  er  ihn 
im  Jahre  1020  nach  dem  Tode  des  Abtes  Bertram  heimlich 
znm  Reiehsabt  von  Stablo  erhob,  wo  es  galt,  den  verschlen- 
derten  and  verliehenen  Grundbesitz  den  Präcaristen  und  Bene- 
fizianten  wieder  abzunehmen:  eine  Aufgabe,  fbr  die  Poppo  die 
Befähigung  in  Si  Vaast  und  Beaulien  zu  erweisen  Gelegenheit 
hatte.  Es  entsprach  nicht  den  Tendenzen  Richards,  er  sträubte 
sich  lange;  entliess  er  doch  Poppo  damit  aus  seiner  Abhängig- 
keit. Zeigt  sich  bei  Richard  auch  sonst  das  Bestreben,  seine 
Schüler  ^Is  Pröpste  untergebener  Klöster  zu  verwenden '),  so 
konnte  es  ihm  nicht  erwünscht  sein,  wenn  die  tüchtigsten  sich 
ohne  sein  Wissen  zu  Zwecken  brauchen  Hessen,  die  nicht  im 
Bereiche  seiner  Absichten  lagen.  Aber  fUr  Heinrich  II,  fbr  den 
die  Consolidierung  des  Grundbesitzes  der  Reichsklöster  in  erster 
Linie  stand  und  der  rücksichtslos  seine  Mittel  und  Hilfskräfte 
danach  wählte,  konnten  die  centralisierenden  Prinzipien  Richards 
nicht  in  Betracht  kommen.^) 


(Bibl.  nat.  1.  5435,  f.  19)  sagt  Bicbard:  Ego  igitwr  . . .  dum  essem  BeUoloco 
apud  aanctiwn  Moridum  , . .  utrasque  namquß  gfterriaham  abbatiaa. 

*)  Er  soll  hier  den  Namen  Vasloges  in  Beaulieu  umgewandelt  haben; 
vgl.  Richard  S.  31,  n.  7. 

^^)  Er  besuchte,  vielleicht  1016,  das  kaiserliche  Hoflager  in  Strass- 
burg;  vgl.  Ladewig  S.  37.  Von  einer  Anwesenheit  der  Clunlacenser  in 
der  Umgebung  des  Königs  von  Burgund,  die  Ladewig  annimmt,  ist  aber 
nichts  bekannt. 

^)  Darüber  später. 

*)  Vgl.  Ladewig  S.  38,  dem  ich  in  der  Motivierung  der  ablehnenden 
Haltung  Richards  zustimme.  Ich  halte  es  aber  nicht  für  unglaubhaft,  dass 
R.  anfangs  die  Pläne  des  Kaisers  nicht  gekannt  hat.  Dieser  hatte  von 
vornherein  den  heftigsten  Widerstand  zu  fürchten. 


Siebentes  Capitel. 

Die  Cluniacenser 
lind  die  Kaiser  Heinrich  und  Konrad. 


1.   Heinrich  n. 

I. 

Richards  hierarchiflche  Bestrebangen  hinderten  trotzdem 
nicht,  dass  der  Kaiser  ihn  in  seinem  Bemühen  unterstützte, 
den  Glanz  und  das  Ansehen  von  St.  Vannes  zu  erhöhen.  Er 
wies  ihm  beträchtliche  Geldmittel  zu,  verbriefte  die  Schen- 
kungen, die  Herzog  Gotfried,  Graf  Hermann  und  Graf  Liethard 
der  Abtei  gemacht  hatten,  und  gewährte  die  bisher  von  Graf 
Hermann  von  Enham  als  Lehen  genossenen  Erträge  der  Münze 
von  Mouzon.^)  Er  willfahrte  auch  Riehard,  als  Bischof  Haimo 
den  Plan  fasste,  Verdun  zu  ummauern  und  das  St.  Vitonus- 
kloster  in  den  Mauerring  einzuschliessen.  Denn  da  alle  Pro- 
teste des  Abtes,  der  auf  die  Unruhe  hinwies,  die  der  Strassen- 
lärm  in  das  stille  gottgeweihte  Leben  der  Mönche  bringen 
würde,  an  der  Halsstarrigkeit  des  Bischofs  scheiterten,  wandte 
sich  Richard  an  den  Kaiser,  der  in  der  That  Haimo  zur  Nach- 
giebigkeit zu  bewegen  wusste.^)  Bedenkt  man,  dass  die  Wei- 
gerung Richards  sicher  keinem  andern  Motiv  entsprang,  als 
weil  er  fürchtete,  das  Kloster  werde  in  noch  grössere  Ab- 
hängigkeit vom  Bischöfe  geraten,  so  muss  man  hier  Heinrichs 
Unterstützung  um  so  mehr  beachten,  als  seine  sonstige  Kloster- 


0  S.  Richard  von  St.  Vannes  S.  13. 
*)  Vgl.  ebenda  p.  39.  40. 


156 

Politik  dahin  ging,  die  Bischöfe  durch  die  Unterwerfang  and 
Schwächung  der  Stifter  zu  stärken.^)  In  der  That  war  auch 
sein  ganzes  Bestreben  dahin  gerichtet,  die  reichen  Einkünfte 
der  Abteien  and  ihre  Besitzungen,  die  sich  zum  Teil  grosser 
Freiheiten  erfreuten,  dem  Reichsdienst  nutzbar  zu  machen.  Er 
erreichte  dies  teils,  indem  er  das  Pfrllndengut  nach  Vertreibung 
der  Mönche  zum  Abtgut  sehlug,  mit  Vasallen  besetzte  und  so 
zum  königlichen  Dienst  zog,  teils  indem  er  freie  Stifter  Bischöfen 
unterwarf,  um  ihre  Leistungsfähigkeit  zu  stärken.^)  Mit  scho- 
nungsloser Hand  griff  er  eigenmächtig  in  die  alten  (Gerecht- 
same  der  Klöster,  und  mehr  als  ein  Mönch  Hess  seinen  Grimm 
über  die  unerhörte  Vergewaltigung  in  seine  Feder  fliessen; 
scheute  er  sich  doch  nicht,  alte  Privilegien  umzustossen,  wie 
das  bezüglich  Echtemachs  und  Corveys  nicht  in  Frage  stehen 
kann.  Vom  Anfang  seiner  Regierung  an  verfolgte  er  consequent 
die  Absieht,  das  freie  Wahlrecht  der  Congregationen  zu  unter- 
drücken.3)   Freilich  war  mit  diesen  Eingriffen  meist  eine  geist- 


'  >)  Vgl.  Matthaei,  Elosterpolitik  Heinrichs  IL  p.80;  Odile  Ringholz, 
Des  Benedictinerstiftes  fiinsiedeln  Thätigkeit  ftlr  die  Reform  deutscher 
Klöster  vor  dem  Abte  Wilhelm  von  Hirschan,  Stirdien  u.  Mitth.  aus  dem 
Benedictinerorden  (1886)  I.  u.  II.  Heft,  p.  10  ff. 

>)  Matthaei  p.  68.  71.  73.  83;  Giesebrecht,  D.  Kaiserzeit  II  *,  84—90; 
vgl.  Lesser,  Erzbischof  Poppo  von  Trier,  Leipzig  1888»  S.  4. 

*)  Bezüglich  Echtemachs  vgl  Matthaei  p.  78,  wo  er  in  ein  Wahl- 
privileg Ottos  II.  die  Worte  equo  regia  conaensu  dazwischenschob.  —  Was 
Corvey  betrifft,  so  ist  dieser  Fall  besonders  einleuchtend.  Meine  Be- 
hauptung stutzt  sich  auf  folgende  Thatsachen.  Sämtliche  Kaiserurkunden 
für  Corvey  bestätigen  mit  derselben  Formel  die  freie  Abtwahl.  Nur  die 
Urk.  Heinr.  lU.  vom  24.  Aug.  1002  übergeht  sie.  Nun  erfolgte  zwar  der 
Eingriff  in  die  Wahlrechte  Corveys  erst  1015  (Ann.  Quedlinburg.).  Hirsch, 
Jahrb.  Heinrichs  IL  III,  9  meint  jedoch  mit  Recht,  Heinrich  hätte  bereits 
1002  ein  solches  Einschreiten  durch  seine  Urkunde  vorbereitet.  Möglich 
wurde  dies,  indem  man  unter  den  Vorurkunden  von  Corvey  sich  eine 
solche  Ludwigs  des  Frommen  (MUhlbacher  nr.  755)  aussuchte,  in  der  das 
Wahlrecht  der  Congregation  ebenfalls  übergangen  war.  Die  Urkunde 
Heinrichs,  deren  Original  erhalten  ist,  ist  sicher  im  Jahre  1002  ausgestellt, 
und  alle  Bedenken  dagegen,  dass  der  König  schon  bei  Antritt  seiner 
Regierung  Handlungen  vorbereitete,  die  viele  Jahre  später  zur  AusfÜh- 
rung  kamen,  dass  er  die  Rechte  sächsischer  Stifter  in  dem  Augenblick, 
in  dem  er  besonderen  Grund  hatte,  die  Sachsen  zu  schonen,  verletzte, 
werden  angesichts  des  Umstandes  belanglos,  dass  er  auch  hinsichtlich 
Paderborns  (St.  1353)  den  auf  die  freie  Bischofswahl  bezüglichen  Passus 


157 

liehe  Reform  verbunden,  und  es  wäre  nicht  richtig,  wenn  man 
behaupten  wollte,  sie  wäre  nur  Schein  gewesen,  um  seine 
Politik  zu  verbergen^);  wie  wenig  diese  Reform  aber  mit  ein- 
niaeensischen  Grundsätzen  gemein  hatte,  geht  daraus  hervor, 
dass  mit  ihr  eine  Schwächung  der  Selbständigkeit  und  Frei- 
heit der  Klöster  verbunden  war,  während  man  von  Cluni  aus 
gerade  das  Gegenteil  zu  erreichen  suchte.^)  Wenn  Heinrich  IL 
mit  Odilo  befreundet  war  oder  Richard  von  St  Vannes  durch 
Gaben  ehrte,  so  waren  das  eigentlich  nur  persönliche  Bezie- 
hungen und  beweisen  die  Anerkennung  der  humanitären  oder 
disciplinarischen  Wirksamkeit  beider  Aebte.  Auch  der  Kaiser 
war  ein  Freund  strenger  Klosterzucht,  weil  er  wnsste,  dass  die 
Befolgung  der  Regel  der  beste  Schutz  gegen  die  Vergeudung 
des  Abteigutes  sei,  dass  reguläre  Klöster  leistungsfähiger,  als 
irreguläre.  Dennoch  wäre  es  undenkbar  gewesen,  dass  damals 
Colonieen  französischer  Cluniacenser  nach  dem  inneren  Deutsch- 
land geführt  wurden.^)   Der  Geist,  der  ihr  Klosterleben  durch- 


aas der  Vorarkande  im  Jahre  1008  nicht  mit  übernahm  •—  Thatsachen, 
auf  die  mich  Hr.  Dr.  H.  Bloch  freundlichst  aufmerksam  machte.  Das 
Diplom  Heinrichs  bei  Wilmans,  Kaiserurk.  d.  Prov.  Westfalen  H,  1, 141.  — 
Ueber  die  Reform  von  Corvey  vgl.  noch  Vita  Meinwerci  c.  145;  Thiet- 
mar  VIII,  13. 

^)  GfrOrer,  Eirchengesch.  IV,  144;  auch  Matthaei  p.  66  urteilt  wohl 
ähnlich;  Schnürer,  Pilgriin  von  Cöln  p.  43  stellt  dagegen  die  politischen 
Zwecke  erst  an  zweite  Stelle.  Den  richtigen  Standpunkt  scheint  Lesser 
p.4  einzunehmen. 

')  Giesebrecht  11%  86  bemerkt  richtig:  „Und  doch  waren  diese  Re- 
formen keineswegs  im  Geist  und  Sinn  der  Cluniacenser." 

")  Die  Vita  Meinwerci  c.  28  berichtet  zwar:  Ibi  (seil,  in  Cluni)  impe- 
ratore  favente  . . .  episcopus  Meinwercus  ab  dbbate  et  congregatione  13  frcL- 
trea  ad  canstruendum  monasticae  vüae  cefwbium  petiit,  indes  ist  der  ganze 
vorangehende  Satz:  Cluniacum  —  delegavit  der  späten  V.  Heinrici  c.  28 
entnommen  und  die  Notiz  an  sich  unglaubhaft.  Die  Namen  der  Mönche, 
soweit  sie  überliefert  sind :  Sigehard,  Wino,  Wolfgang,  Egilbert  sind  sämt- 
lich deutsch,  der  heftige  Widerstand  des  Abtes  von  Abdinghof  gegen 
tierisches  Fett  ist  ganz  nnduniacensisch  (s.  Bd.  I,  S.  61).  Die  späten 
Ann.  Magdeb.  1031  berichten  zwar  auch:  manachicum  ordinem  02«ntacen- 
sem  instihiit,  indes  zeigt  einmal  der  Ausdruck,  dass  der  Schreiber  von 
späten  Vorstellungen  ausgeht,  andrerseits  ist  damit  nicht  gesagt,  dass 
die  Münche  gerade  aus  Cluni  kamen.  Möglich  ist  nur,  dass  Meinwerk 
die  MOnche  aus  einem  rheinischen  Kloster  entnahm.  Jedenfalls  hat  sein 
Vorgehen  mit  Cluni  selbst  nichts  zu  thun. 


158 

wehte,  war  viel  zu  sehr  im  romanischen  Volkstum  begründet, 
als  dass  er  jenseits  des  Rheines  hätte  Sympathieen  erwecken, 
nnd  die  rechtliche  Stellang  der  Bischöfe  in  den  deutschen 
Diöcesen  zn  stark  befestigt,  zn  sehr  verwachsen  mit  ihren 
Pflichten  als  Reichsfttrsten,  als  dass  die  ideale  Forderong 
klösterlicher  Autonomie,  die  das  Cluniacensertum  erhob,  hier 
hätte  Anklang  finden  können. 

Die  Schritte,  die  Heinrich  während  seiner  Regierung  in 
Deutschland  in  kirchlicher  Beziehung  unternahm  und  die  ihn 
als  Anhänger  der  neuen  kirchlichen  Richtung  zu  zeigen  schei- 
nen, hatten  ebenfalls  in  erster  Reihe  einen  practisch  politischen 
Zweck.  Dass  er  auf  einer  von  lothringischen  Bischöfen  zahl- 
reich besuchten,  wohl  in  den  rheinischen  Gegenden  abgehal- 
tenen Synode  gegen  die  uncanonischen  Ehen  vorging,  erhielt 
sofort  eine  deutliche  Erläuterung  dadurch,  dass  dieser  Schritt 
sich  gegen  seinen  Gegner,  den  Herzog  Eonrad  von  Kämthen, 
richtete  1),  nnd  wenn  er  gegen  die  in  unerlaubter  Ehe  lebenden 
Otto  und  Irmgard  von  Hammerstein  energische  Massregeln 
anwandte,  so  erkennt  man  schon  aus  der  Thatsache,  dass  er 
sich  hier  mit  dem  auf  einem  schroff  diöcesankirchlichen  Boden 
befindlichen  und  der  römischen  Universalgewalt,  die  Irmgard 
angerufen  hatte,  feindlich  gegenüberstehenden  Erzbischof  Aribo 
von  Mainz  im  Einverständnis  befand,  dass  dieses  Vorgehen  von 
practischen  Rücksichten    eingegeben   war.    Wean  endlich  im 

0  lieber  diese  Synode  vgl.  Gonst&nt.  Vita  Adalb.  c.  15  und  llifetm. 
VI,  28:  Sinodali  iiulicio  iniustcu  fieri  nuptias j  chrisiianos  gentüibus  venun- 
darif  praesens  ipse  canonica  et  auctoritate  apostolica  prokibuitf  Deiqw 
iusticiam  spementes  spirittuili  mucrone  interfici  praecepit  Hirsch  I,  244, 
n.  5  und  Usioger  an  derselben  SteUe  halten  beide  Synoden  auseinander. 
U.  mit  dem  Bemerken,  dass  die  Synode  l'hietmars  eine  sächsische  war. 
£benso  Giesebrecht  II ^,  605.  Indes  folgt  das  nicht  unbedingt  ans  Thiet- 
mar.  Allerdings  bringt  er  sie  allgemein  ohne  nähere  Zeitbestimmung  zu 
den  Ereignissen  Yon  1005,  und  schon  Hirsch  a.  a.  0.  wies  darauf  hin,  dass 
Herzog  Otto  und  Adalbero  von  Metz  100$  nicht  mehr  lebten.  Da  man 
sich  aber  jetzt  p.  244,  n.  5  (Anmerk.  von  Usinger)  dafür  entscheidet,  die 
lothringische  Synode  der  Vita  1004  zu  setzen,  und  Thietmar  sehr  wohl 
erst  später  Nachricht  von  ihr  erhalten  haben  kann,  so  dass  er  sie  an  nicht 
ganz  richtiger  Stelle  einreihte,  ganz  entsprechend  seiner  auch  sonstigen 
Arbeitsweise,  so  wäre  immerhin  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen, 
beide  Synoden  miteinander  zu  identifizieren,  im  andern  Falle  würde  man 
am  ehesten  an  die  Ehen  mit  slawischen  Frauen  zu  denken  haben. 


159 

Jahre  1019  eine  Synode  zn  Goslar  gegen  die  Befreiung  der 
von  einer  freien  Matter  geborenen  Clerikersöhne  eiferte,  aber 
das  Verbot  der  Priesterehe  überhaupt  nieht  berührte^),  so  be- 
merkt man  auch  hier,  dass  es  einzig  und  allein  practisehe  Be- 
weggründe sind,  die  Heinrieh  hier  leiten,  da  es  sieh  dämm 
handelte,  die  Kirehen  vor  Verlosten  an  Leibeigenen  und  an 
Kirehengat  zn  schützen. 

Erst  infolge  seines  dritten  italienischen  Zages  nehmen  wir 
bei  Heinrieh  umfassendere  Pläne  einer  Kirchenreform  wahr,  die 
der  Kaiser  im  Einvernehmen  mit  Papst  Benedict  VIII.  fasste; 
ob  indes  auf  der  Grundlage  der  cluniacensischen  Tendenzen 
oder  überhaupt  in  Verbindung  mit  den  französischen  Mönchen^), 
erscheint  um  so  zweifelhafter,  als  nicht  nur  bei  den  Schritten 
des  Papstes,  der  eine  Synode  zu  Pavia  in  Gegenwart  des 
Kaisers  abhielt-^),  keinerlei  engere  Beziehung  zu  den  Clunia- 
censem  bemerkt  wird,  sondern  die  Cluniacenser  selbst  in  Bene- 
dict nicht  einmal  einen  der  ihrigen  sahen,  wie  ganz  deutlich 
aus  dem  über  ihn  gefällten  Urteil  hervorgeht  Er  wird  von  ihnen 
ausdrücklich  bezeichnet  als:  hervorragend  im  römischen  Adel, 
sehr  klug  durch  seinen  scharfen  Verstand  und,  soviel  die  welt- 
liche Seite  seiner  Macht  angeht,  fUr  die  Angelegenheiten  der 
Stadt  sehr  geeignet^),  d.  h.  es  wird  also  nicht  nur  kein  ein- 
ziger religiöser  Zug  ihm  zugesehrieben,  sondern  die  ganz  osten- 


^)  Jahrb.  Heinrichs  U.  UI,  221. 

')  Wie  Bresslau  und  Giesebrecht  annehmen. 

^  Ueber  die  Datierung  s.  S.  161. 

*)  Jots.  Vita  Odilen.  II,  c.  14:  in  Bomana  nobilitate  praecijnms,  pru- 
derUi  ingenio  prudentissimuSf  et  quantvm  ad  mundanum  culmen  attinet, 
tiirbanü  cauna  aptissimus,  Gregore vius  IV,  31  nennt  ihn  einen  der  ersten 
Reformatoren  im  Sinne  Leos  IX.  und  Nicolaus'  II,  ebenfalls  auf  das  Gonzil 
von  Pavia  gestützt  Es  verdient  heryorgehoben  zu  werden,  dass,  während 
wir  Odilo  sonst  auf  allen  italienischen  Zügen  Heinrichs  II.  und  Konrads  II. 
anwesend  finden,  gerade  auf  demjenigen,  auf  welchem  die  Synode  von 
Pavia  stattfand,  der  Abt  von  Gluni  nirgend  bemerkt  wird.  Denn  dass  er 
damals  nicht  in  Monte-Gassino  war,  wie  man  annimmt,  werden  wir  weiter 
unten  beweisen.  Auch  Müller,  Aribo  p.  19  meint,  die  Synode  von  Pavia 
1022  mit  dem  unbedingten  Verbote  der  Priesterehe  sei  das  erste  sicht- 
bare Zeichen  der  Einigung  beider  Gewalten  in  den  Hauptgedanken  der 
Cluniacenser.  Nach  ihm  p.  24  ist  der  Papst  „der  strengen  cluniacensischen 
Sichtung  ergeben*'.    Doch  das  sind  Phrasen. 


160 

tative  Hervorhebmig  seiner  weltliehen  and  politischen  Eigen- 
schaften beweist  aufs  klarste,  dass  wir  nicht  daran  denken 
können,  ihn  mit  den  Clnniacensern  in  irgendwelche  engere  Ver- 
bindong  zu  bringen.  Es  widerspricht  dem  nicht,  dass  er  Odilo 
besonders  hochhielt:  trat  dieser  doch  auch  für  die  universalen 
Rechte  Roms  ein,  im  Gegensatz  zum  französischen  Episcopat 
Aber  die  Massregeln,  die  Benedict  auf  Grund  episcopaler  Be- 
strebungen unternahm,  betrafen  doch  nur  die  Sicherung  des 
Vermögens  lombardischer  Kirchen,  Tendenzen,  wie  sie  im 
oberitalienischen  Episcopat  schon  längst  mit  Unterstützung  der 
deutschen  Kaiser  gepflegt  worden  waren. 

Zwar  ist  es  ein  Schritt  von  hoher  reformatorischer  Be- 
deutung, wenn  er  auf  das  eifrigste  dafür  eintritt^),  dass  die 
Kinder  unfreier  Cleriker  aus  ihrer  Ehe  mit  freien  Frauen  dem 
Vater  folgen,  um  nicht  nur  der  Kirche  ihre  Leibeigenen,  son- 
dern auch  die  vielfach  dadurch  verlorenen  Güter  zu  erhalten; 
und  von  noch  grösserer  Bedeutung,  namentlich  im  Gegensatz 
zu  der  deutschen  Synode  von  Goslar,  ist  es,  dass  er  die 
Priesterehe  überhaupt  verbietet.^)  Aber  wir  haben  auf  der 
andern  Seite  Grund  genug  anzunehmen,  dass  die  Fülle  von 
theologischer  und  kirchenrechtlicher  Gelehrsamkeit,  die  in  der 
Einleitung  zu  den  Beschlüssen  entwickelt  wird,  nicht  der  Feder 
des  politisch  klugen  und  streitbaren  Grafen  von  Tusculum  ent- 
stammte, der  mit  Waffengewalt  gegen  die  Crescentier  zu  Felde 
zog  und  die  Ungläubigen  in  Unteritalien  in  eigener  Person 
bekämpfte,  sondern  dass  kein  anderer,  als  der  ProtocoUfÜhrer 
der  Synode,  der,  wie  wir  wissen,  selbst  das  grösste  Interesse 
an  diesen  Beschlüssen  hatte,  ihr  Urheber  war.  Wenn  man  die 
Ansicht  ausgesprochen  hat,  dass  Leo  von  Vercelli  die  ganze 
Begründung  der  Acten  verfasste^),  so  kann  man  noch  einen 
Schritt  weiter  gehen,  mit  der  Annahme,  dass  er  und  ähnlich- 
gesinnte italienische  Bischöfe  die  Paveser  Beschlüsse  veran- 


^)  Die  GonzUsacten  bei  Mansi,  CoUect  Oonc.  XIX,  343  ff. 

>)  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  IL  UI,  221. 

')  Löwenfeld,  Leo  von  Vercelli  p.  50.  Wenn  er  ihn  aber  au  den 
Männern  zählt,  die  von  den  Bestrebungen  Giunis  das  Heil  der  Kirche 
erwarteten,  so  ist  das  nur  im  allgemeinsten  Sinne  richtig.  Denn,  wie 
auch  L.  bemerkt,  findet  sich  nicht  der  geringste  Beweis,  dass  er  mit  dem 
französischen  Kloster  in  Beziehungen  gestanden. 


161 

lassten.!)  Brachte  er  doch  in  seiner  Diöcese,  wo  die  gerügten 
Misstände  längst  bemerkt  worden  waren  2),  die  Bestimmungen 
nach  der  Synode  in  einem  fast  wörtlich  übereinstimmenden 
Decret  zur  Geltung.^)  Der  Papst  beabsichtigte  übrigens,  ihnen 
weitere  Gesetzeskraft  zu  geben.  Auf  seinen  Wunsch  sanctio- 
nierte  sie  Heinrich  IL  und  begründete  sie  vom  Standpunkte 
des  weltlichen  Rechts  ans.^) 

Bei  air  diesen  Schritten  vermögen  wir  die  Mitwirkung  des 
französischen  Mönchtums  nicht  nachzuweisen.  Benedict  befand 
sich  offenbar  im  Schlepptau  der  lombardischen  Bischöfe,  in 
deren  Interesse  auch  die  Garantie  der  weltlichen  Macht  lag. 
Aber  er  wirkte  anregend  auf  den  Kaiser,  der  nach  dem  dritten 
Römerzuge,  wohl  auf  Grund  von  Verabredungen,  die  er  mit 
dem  Papste  getroffen,  eine  allgemeinere  Eirchenreform  ein- 
leitete.*) 

Zur  Zeit,  als  Heinrich  mit  dem  französischen  Hofe  in 
Unterhandlungen  trat,  brach  merkwürdigerweise  ein  Conflict 
zwischen  Aribo  von  Mainz,  dem  Primas  des  deutschen  Reiches, 
und  der  Curie  aus.  Aribo,  eine  energische,  reformeifrige  Natur, 
war  sich  von  Anfang  an  der  Pflicht  bewusst,  in  seiner  Provinz 
im  Sinne  kirchlicher  Ordnung  und  Zucht  zu  wirken,  und  hatte 
beschlossen,  nach  Vorschrift  der  Canones  Jahr  aus  Jahr  ein 
die  Suffraganbischöfe  zur  Beratung  zu  berufen.<^)  Die  erste  der- 
artige Synode  trat  wohl  zu  Seligenstadt  im  August  1022  zusam- 
men. Der  Kaiser  befand  sich  damals  noch  in  Italien,  und  damit 
würde  sieh  auch  am  besten  erklären,  dass  nur  ein  verhältnis- 


^)  Dass  Pilgrim  von  Cöln,  wie  Schnürer,  PUgrim  S.86ff.  ausführt, 
besonderen  AnteU  daran  hatte,  ist  eine  haltlose  Annahme. 

>)  Bd.  I,  S.  316.  821. 

3)  Gedruckt  bei  Ughelli  IV,  783;  Provana  nr.  14;  zuletzt  Jahrbücher 
Heinrichs  II.  IE,  Excurs  VII,  §  2,  wo  auch  über  die  Datierung  gehandelt  ist. 

*)  Ich  schliesse  mich  in  der  Datierung  Bresslau  gegen  Giesebrecht 
an.  Die  Schlussworte  der  Goslarer  Beschlüsse  vermag  ich  freilich  nicht 
anders  als  Giesebrecht  auszulegen.  Man  muss  demnach  für  wahrschein- 
lich halten,  dass  die  Ansicht  des  Papstes,  auf  die  in  den  Goslarer  Acten 
Bezug  genommen  wird,  bereits  früher  zur  Geltung  gekommen  ist. 

»)  Vgl.  S.  169,  n.  1. 

')  Er  betont  diese  Pflicht  in  dem  Briefe  an  Meginhard  von  WUrz- 
burz  (Giesebrecht  II,  706)  und  an  Godehard  von  Hildesheim  (ib.  II,  711). 

Saokar,  OlimlMenMr.    II.  X\ 


162 

massig  kleiner  Teil  der  Mainzer  Snffra^ne  nnd  Aebte  dem 
Kufe  Aribos  folgen  konnte.*)  Unter  den  Beschlttssen,  die  hier 
gefasst  Würden,  interessieren  uns  nar  die,  welebe  das  Verhält- 
nis zu  Rom  unmittelbar  berührten. 

Als  Aribo  im  Herbst  1021  den  erzbisehöflichen  Stahl  ein- 
nahm, war  kaum  ein  Jahr  verflossen,  seit  der  Graf  Otto  von 
Hammerstein  mit  seiner  Gemahlin  Irmgard  nicht  nur  den  Vor- 
gänger Aribos,  Erkanbold,  schmählich  behandelt,  sondern  auch 
dem  Kaiser  in  seiner  Burg  getrotzt  hatte.  Die  nncanonische 
Ehe  beider  hatte  die  schwersten  Strafen  der  geistliehen  und 
weltlichen  Macht  herausgefordert  Aber  es  scheint,  dass,  als 
Otto  die  Burg  gegen  freien  Abzug  den  Belagerern  ttbergeben 
hatte,  zwar  Heinrieh  dem  Frevler  nicht  verzieh,  aber  der  Papst 
den  Kirchenbann  löste,  der  auf  dem  Ehepaar  ruhte,  ohne  auf 
die  Trennung  zu  dringen,  oder  doch  die  Entscheidung  sich 
noch  vorbehielt  Aber  Aribo,  ein  starrer  Verfechter  der  kirch- 
lichen Canones,  nahm  den  Kampf  wieder  auf. 

Er  begann  damit,  dass  er  alle  Romfahrten  behufs  Abso- 
lution ohne  Wissen  des  Bischofs  verbot  und  die  Gültigkeit  des 
päpstlichen  Freispruches  von  der  vorherigen  Erfüllung  der  den 
Frevlern  auferlegten  Busse  abhängig  machte.^)    Er  bewegte 


^)  Bresslau  setzt  die  Synode,  deren  Acten  Daten  tragen,  die  nicht 
miteinander  übereinstimmen ,  Jahrb.  Heinr.  n.  in,  359  auf  Grnnd  guter, 
aber  nicht  zwingender  Gründe  in  das  Jahr  1023.  Auffällig  ist  das 
Fehlen  der  Bischöfe  von  Constanz,  Ghur,  Eicbstädt,  Hildesheim,  Speier, 
Verden,  des  Abtes  von  St.  GaUen.  Nun  sind  von  diesen  Walter  von 
Eicbstädt,  Rudhard  von  Constanz  und  Burchard  von  St.  Gallen  sicher  auf 
dem  Römerzuge  Heinricbs  gewesen;  die  Wahrscheinlichkeit  ist  dafUr,  dass 
auch  andere  der  fehlenden  Bischöfe  dadurch  abgehalten  wurden.  Der 
Grund,  den  Bresslau  für  den  triftigsten  hält,  der  des  historischen  Zu- 
sammenhangs, fsült  femer  für  mich  fort,  da  ich  mich  zu  einer  andern  Ver- 
bindung der  Ereignisse  bekenne,  freilich  in  dem  Bewusstsein,  in  dieser 
schwierigen  Frage  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen  zu  haben. 

^)  Vgl.  die  vielcitierten  c.  16  und  18  der  Seligenstädter  Acten,  Jahrb. 
Heinr.  IL  III,  352.  Was  Ladewig,  Poppo  S.  15  folgert  aus  der  Bemerkung 
de  quibusdam  atuUissimis  presbyteriSf  die  die  geweihte  Hostie  (nicht  Mess- 
tuch!) ins  Feuer  werfen,  um  es  zu  löschen  (c.  6),  wird  schwerlich  Bei- 
fall finden.  Weil  nSmüch  nach  Rod.  Glab.  V,  c.  1  bei  einem  Brande  des 
Klosters  Moutier-St.-Jean  sich  ein  solcher  Fall  ereignet  hat,  soll  sich  die 
Synode  von  S.  gegen  den  von  Cluni  ausgegangenen  Brauch  gewandt 
haben  und  dadurch  die  Stellung  des  Ck>nzil8  zu  Climi  und  dem  Papst 


X 


163 

flieh  damit  in  den  Bahnen,  die  nach  ihm  die  französischen 
Bischöfe  auf  dem  Conzil  von  Limoges  einschlagen.  Neu  waren 
waren  sie  auch  damals  nicht,  aber  sie  bezeichneten  doch  sehr 
entschieden  den  Standpunkt  des  Erzbischofs,  der,  wie  der  west- 
fränkische Episcopat,  jeden  Uebergriff  der  römischen  Bischofs- 
gewalt in  rein  diöcesane  Fragen  zurückzuweisen  entschlossen 
war.  Der  Kampf  zwischen  den  damals  erneuten  universalen 
Ansprüchen  des  Papsttums  und  den  Landesepiscopaten  drohte 
also  auch  hier  auszubrechen.  Gleichwohl  scheint  die  Curie 
nicht  gerade  die  Forderungen  der  Synode  zum  Anlass  von 
Disciplinarmassregeln  gemacht  zu  haben.  Dass  Eirchenstrafen 
erst  nach  Erfüllung  der  Busse  oder  Besserung  der  Verurteilten 
aufgehoben  werden  sollten,  hätte  wenigstens  ganz  allgemein 
auch  von  der  Curie  nicht  bestritten  werden  können,  und  dass 
die  Laien,  die  nach  Rom  pilgerten,  um  Sündenvergebung  zu 
erlangen,  mit  einem  Briefe  ihres  Bischofs  versehen  sein  sollten, 
war  eine  so  wohlberechtigte  Forderung,  dass,  wie  wir  wissen, 
bei  einer  andern  Gelegenheit  der  römische  Stuhl  selbst  dem 
französischen  Episcopat  diesen  Weg  vorschlug. 

Aber  Aribo  scheute  auch  vor  den  Consequenzen  seiner 
Decrete  nicht  zurück.  Auf  der  Pfingstsynode,  die  in  Mainz  in 
Gegenwart  des  Kaisers  gefeiert  wurde,  wiederholte  er  den  Ver- 
such, Otto  von  Hammerstein  und  Irmgard  zu  trennen.  Wich 
Otto  jetzt  den  Drohungen  Heinrichs  und  d^m  Zureden  der 
Bischöfe,  so  erwies  sich  sein  Weib  als  der  standhaftere  Teil 
und  scheute  selbst  die  Folgen  der  Reiehsacht  nicht.^  Von  der 
Synode  verflucht,  pilgerte  Irmgard,  um  zu  klagen,  nach  Rom. 

Die  standhafte  Weigerung  der  Gräfin,  sowie  die  schroffe 
Sentenz,  mit  der  Benedict  VlII.  gegen  den  Erzbischof  ein- 
schritt, macht  es  wahrscheinlich,  dass  der  Papst  schon  vorher  in 
dieser  Sache  entschieden  oder  die  Entscheidung  sich  noch  vor- 


hin das  sicherste  Licht''  gestellt  sein!  Aber  einmal  werden  die  betreffenden 
Dummköpfe  auf  der  Synode  als  „Priester**  bezeichnet.  Dann  aber  war  es 
ein  aitheidnischer  Brauch,  zu  LOschzwecken  ein  Brot,  Ei  u.  dgl.  Dinge 
ins  Feuer  zu  werfen  (vgl.  Otto  Jahn,  Die  abwehrenden  und  die  Stthnopfer 
der  Deutschen,  Breslauer  Diss.  1884).  Es  handelt  sich  also  jedenfalls  um 
öfters  wiederkehrende  heidnische  Gebräuche,  die,  wie  so  häufig,  ins 
Christliche  übersetzt  wurden,  und  nicht  um  Erfindungen  der  Oluniacenser. 
»)  V.  Godehardi  post.  c.  19,  SS,  XI,  206. 

11* 


164 

behalten  hatte.^)  So  läBst  sich  am  leichtesten  erklären,  dass 
er  dem  Erzbisehofe  den  Gebrauch  des  Palliums  nntersagte.  Die 
Ungnade  Benedicts  wurde  aber  fttr  Aribo  um  so  fühlbarer,  als 
gleichzeitig  Pilgrim  von  Cöln  sich  in  Rom  der  höchsten  Aus- 
zeichnung erfreute.^)  Der  Erzbischof  von  Mainz  konnte  zu- 
nächst nichts  anderes  thun,  als  die  Bischöfe  seiner  Provinz, 
die  Erzbischöfe  von  Cöln  und  Trier,  zu  einem  Conzil  nach 
Höchst  einzuladen^)  und  eine  Bittschrift  an  den  römischen 
Stuhl  zu  veranlassen.  Wie  sich  die  Sache  weiter  entwickelt 
hätte,  wenn  nicht  Benedict  VIII.  und  Kaiser  Heinrich,  der 
eine  vorsichtige  Neutralität  bewahrt  hatte,  nach  wenigen  Mo- 
naten gestorben  wären,  ist  nicht  zu  ermessen,  noch  weniger  wie 
weit  die  Spannung  zwischen  dem  ersten  deutschen  Kirchen- 
fbrsten  und  der  Curie  auf  die  von  Heinrich  geplante  allge- 
meine Reform  eingewirkt  hätte.  Es  ist  unwahrscheinlich,  dass 
Aribo  der  Zusammenkunft  Heinrichs  IL  und  Roberts  zu  Ivois 
beiwohnte.  Es  wäre  nur  zu  begreiflich,  wenn  der  Erzbischof 
in  dem  Augenblick,  in  dem  er  sich  in  gespanntem  Verhältnis 
zu  Rom  befand,  einer  Politik  fernblieb,  die  im  Bunde  mit  der 


^)  Es  nnterliegt  für  mich  keinem  Zweifel,  dass  das  Vorgehen  des 
Papstes  gegen  Aribo  lediglich  durch  die  Bannung  der  Irmgard,  bezw. 
durch  irgend  welche  Uebergriffe  bei  dieser,  nicht  die  Seligenstädter  Be- 
schlüsse hervorgerufen  wurde.  Es  geht  das  vor  allem  aus  dem  Schreiben 
der  Snffraganbischöfe  an  Benedict  VIII.  (Giesebrecht  ü,  708)  hervor. 
Ueberall  ist  nur  von  der  Verfluchung  Irmgards  die  Rede:  Nam  si  metro- 
politamis  noster  domnus  Aribo  propter  anathematizatflm  dignitatis  suae 
aliquantulum  perderet  Femer  rechtfertigen  sich  in  dem  Schreiben  alle 
oder  nahezu  alle  Suffragane  der  Mainzer  Kirchenprovinz  und  stellen  sich 
als  Mitschuldige  dar,  während  auf  der  Seligenstädter  Synode  nur  ein 
kleiner  Teil  derselben  sich  schuldig  gemacht  hatte.  Ist  aber  die  Ban- 
nung Irmgards  der  Anlass  zu  dem  Vorgehen  des  Papstes  gewesen,  so 
wird  am  wahrscheinlichsten  ein  vorher  erfolgter  Entscheid  der  Curie,  gegen 
den  die  Mainzer  Synode  sich  richtete,  angenommen  werden.  Dieser 
würde  nun  auch  die  Seligenstädter  Beschlüsse  gut  motivieren,  während 
diese  wieder  die  Mainzer  erneute  Excommunication  vorbereiteten.  Ich 
setze  demnach  Seligenstadt  in  den  Anfang  der  Ereignisse,  weil  einmal 
der  Zusammenhang  dadurch  am  verständlichsten  und  femer  die  geringe 
Teilnehmerzahl  am  besten  dadurch  erklärt  wird,  dass  ein  Teil  der  Bischüfe 
sich  eben  auf  dem  Bömerzuge  befand.  Jedoch  bekenne  ich,  dass  es  sich 
hier  nur  um  eine  neue  Combination  handelt. 

>)  S.  Schnürer,  Pilgrim  S.  45  f. 

^)  Vgl.  die  citierten  Briefe  bei  Giesebrecht. 


165 

Carie  eine  iotemationale  Regelung  kirchlicher  Fragen  be- 
zweckte. 

Wie  weit  die  Clnniacenser  dabei  beteiligt  waren,  ist  gar 
nicht  za  sagen.  Dürfen  wir  ans  früheren  Schritten  Heinrichs 
und  des  römischen  Stahles  Schlüsse  ziehen,  so  scheinen  beider 
Bestrebungen  sich  vornehmlich  auf  eine  Bekämpfung  der 
Priesterehe,  Sicherung  des  kirchlichen  Besitzstandes,  auf  den 
Rechtszustand  der  hörigen  Gleriker  und  den  Frieden  der  Kirche 
erstreckt  zu  haben:  Bestrebungen,  die  zwar  stets  im  Sinne  der 
reformatorisch  angelegten  Weltgeistlichkeit,  aber,  vom  Land- 
frieden abgesehen,  nicht  gerade^)  im  besonderen  Interesse  der 
Mönche  lagen.  Gleichwohl  hätten  diese  mit  grösster  Befrie- 
digung eine  internationale  Reform  begrttssen  können:  zu  be- 
zweifeln ist  nur,  dass  die  vornehmlich  zum  Schutze  kirch- 
licher Disciplin  und  bischöflicher  Jurisdictionsgewalt  von  deut- 
scher Seite  geplanten  Massregeln  das  Resultat  cluniacensischer 
Agitation  gewesen  sind. 

Während  zunächst  in  den  einzelnen  Teilen  des  Reiches,  in 
Deutschland  und  Italien,  die  Bischöfe  sich  zu  synodalen  Zu- 
sammenkünften vereinigten  und  kirchliche  Fragen  local  ent- 
schieden, war  auch  die  französische  Geistlichkeit  nicht  müssig 
geblieben  und  in  Gemeinschaft  mit  dem  Könige  zu  Massregeln 
geschritten,  die  hauptsächlich  darauf  gerichtet  waren,  den  Land- 
frieden zu  sichern,  dem  schrankenlosen  Fehdewesen  zu  steuern 
und  die  Laien  zur  Ruhe  und  zum  kirchlichen  Gehorsam  zu- 
rückzuführen. Es  waren  fast  noch  elementarere  Forderungen, 
die  an  die  französische  Kirche  herantraten. 

n. 

So  nehmen  wir  seit  dem  Anfange  der  zwanziger  Jahre 
des  elften  Jahrhunderts  im  Herzogtum  Burgund  eine  auf  Er- 
haltung des  Landfriedens  gerichtete  Bewegung  wahr,  die  sich 
bei  genauerer  Beobachtung  als  die  Fortsetzung  und  Weiter- 
entwicklung jener  Bestrebungen  darstellt,  die  wir  im  Jahre  994 
in  der  Erzdiöcese  Lyon  verlassen  haben.    Aber  der  Character 


^)  Wenn  sich  in  Abbos  Canonsammlung  Canones  über  das  Leben 
der  Weltgeistlichkeit  finden,  so  hing  das  mit  dem  ausgesprochenen  Zweck 
des  Autors  zusammen,  das  MOnchtum  zu  schützen. 


166 

der  UntemebinnDg  war  doch  verändert.  Hatte  man  sich,  soviel 
wir  wissen,  im  Anfange  begnügt,  eine  Anzahl  von  Verboten 
über  Raub  und  Diebstahl  zn  erlassen,  und  die  Frevler, 
wenn  sie  nieht  Genngthnnng  leisteten,  mit  dem  Bann  bedroht, 
so  Ind  man  jetzt  die  gesamte  Ritterschaft  zn  den  Gonzilien 
und  liess  die  Kriegsleute  über  den  herbeigeschafffcen  Heiligen- 
reliquien einen  Eid  schwören,  in  dem  sie  sich  verpflichteten, 
in  die  Kirchen  nicht  einzudringen,  Gleriker  und  Mönche,  die 
nicht  bewaffnet  seien,  nicht  anzufallen  und  nicht  zu  berauben ; 
nicht  Beute  zu  machen  durch  WegfÜhrung  von  Rindern,  Kühen, 
Schweinen  und  andern  Haustieren;  Landleute,  Hörige,  Kanf- 
leute,  vornehme  Frauen  weder  wegzufangen  noch  zu  berauben; 
auf  den  Weiden  Vieh  nicht  wegzunehmen ;  Wohnhäuser,  Mühlen 
und  Weinpflanzungen  nicht  zu  beschädigen;  Transporte  von 
Wein-  und  Fruchterträgen  auf  Karren,  Wagen  oder  Schiffen 
nicht  anzugreifen;  den  Landfriedensbrecher  nicht  zu  bergen 
und  zu  unterstützen.  Aber  während  die  vorgeschrittenen  aqui- 
tanischen  Friedensbeschlüsse  jedwede  Selbsthilfe  untersagen 
und  jede  Rechtsstreitigkeit  vor  das  Forum  des  eompetenten 
Gaugerichts  verweisen,  wird  in  den  burgundischen  Friedens- 
eiden ausdrücklich  der  Fall  der  Privatfehde  ausgenommen. 
Das  Recht,  auf  eigene  Faust  regelrechten  Krieg  zn  führen, 
Gastelle  zu  bauen  und  zu  belagern,  wird  dem  Territorialherrn 
keineswegs  bestritten.  Auf  seinem  AUod,  seinen  Lehen  kann 
er  machen,  was  er  will.  Der  Kampf  der  ritterlichen  Ge- 
schlechter wird  durch  die  Friedenseide  keineswegs  gestört 
Nur  das  Raubrittertum  soll  unterdrückt  werden.^ 

Die  erste  derartige  Versammlung,  von  der  wir  wissen,  be- 
rief Bischof  Hugo  von  Auxerre,  die  rechte  Hand  des  Königs 
Robert  in  allen  kirchliehen  Dingen,  im  Einverständnis  mit  dem 
Herrscher  um  das  Jahr  1020  nach  Verdun,  einem  kleinen  Orte 

^)  Die  Kenntnis  dieser  Thatsachen  ziehen  wir  aus  den  fragmen- 
tarisch erhaltenen  Acten  der  Synode  von  Verdun  bei  Chifüet,  Lettre  tou- 
chant  Beatrix  pr.  187,  die  bisher  allen,  die  sich  mit  dem  Gottesfrieden 
beschäjftigten,  unbekannt  geblieben  sind,  auch  Huberti,  Studien  zur  Rechts- 
geschichte der  Gottes-  und  Landfrieden,  Ansbach  1892,  der  Überhaupt  mit 
dürftigen  Kenntnissen  arbeitet.  Ferner  haben  wir  eine  analoge,  fast  völlig 
gleichlautende  Eidformel  von  einer  Synode  des  Bischofs  Warin  von  Beau- 
vais,  zuletzt  bei  Pfister,  Etudes  p.  LX,  aber  längst  gedruckt  bei  Würdt- 
wein,  Nova  subsidia  XU,  18  ff.,  was  Huberti  ebenfalls  entging. 


167 

in  der  Grafschaft  Chalon.^  Erzbischof  Burchard  von  Lyon 
führte  den  Vorsitz;  zu  den  Teilnehmern  gehörten  manche  be- 
dentende  Kirchenfbrsten  der  Zeit  Um  den  Ernst  und  die 
Feierlichkeit  der  Situation  zu  erhöhen,  waren  ans  verschiede- 
nen Gegenden  Heiligenleiber  herbeigeschafft  worden,  über  denen 
der  Erzbischof  die  waffentragenden  Ritter  —  denn  nur  solche 
betraf  der  Eid  —  jene  Eidesformel  beschwören  Hess,  deren 
Inhalt  wir  oben  angegeben  haben.  Eine  ähnliche  Versamm- 
lung, auf  der  der  Erzbischof  Leotherich  von  Sens  den  Vorsitz 
führte,  fand  etwas  später  in  Höry  im  Gau  von  Auxerre  statt 
Sie  erhielt  eine  besondere  Weihe  durch  die  Anwesenheit  des 
Königs  und  zahlreiche  Heiligenleiber,  die  man  wieder  zu- 
sammengebracht hatte.  Die  ersten  Vertreter  des  französischen 
Elosterwesens,  Odile  von  Gluni,  Wilhelm  von  Dijon,  Gosbert 
von  St  Julien  u.  a.  hatten  sich,  wie  es  scheint,  eingefunden.  Un- 
ermessliche  Volksmassen  waren  zusammengeströmt.^)  Schwere 
Klagen  ttber  Räubereien  und  Flurschaden,  namentlich  über  die 
EinfUUe  des  Grafen  Landrich  von  Nevers  in  das  Besitztum  des 
hl.  Bercharius  waren  an  das  Ohr  des  Monarchen  gedrungen. 
Noch  andere  Dinge  wurden  hier  verhandelt,  denn  der  Abt  von 
Fruttuaria  benutzte  wohl  diese  Gelegenheit,  die  Freiheit  des 
italienischen  Klosters  noch  einmal  festzustellen  und  von  allen 
Anwesenden  bestätigen  zu  lassen. 

Diese  Friedensversammlungen,  welche  die  Sicherung  des 
Landfriedens  bezweckten,  die  namentlich  gegen  den  gemeinen 
Strassenraub  sich  richteten,  fanden  bald  Nachahmung  im  Osten 
des  Landes.  Auf  die  Synode  von  Häry  folgten  ähnliche  Con- 
vente  in  den  Gebieten  von  Dijon,  Beaune  und  Lyon  zu  wieder- 


0  lieber  die  Synode  von  Verdun  unterrichten  die  Gesta  episc.  Autis- 
siod.,  Dura  I,  388  und  die  Acten.  Die  Namen  der  anwesenden  Bischöfe 
weisen  auf  ca.  1020.  Das  Ck)nzil  .ging  nach  den  Gesta  episc.  Autiss.  der 
Synode  von  H6ry  voraas,  was  S^michon  übersah.  Gingins,  La  tr6ve  de 
Dieu  dans  la  Transjurane,  M^moires  et  docnments  de  la  Suisse  Romane 
XX,  499  setzt  sie  irrig  1030,  Petit,  Hist  des  ducs  de  Bourgogne  p.  129 
gegen  1033. 

>)  Diese  Synode  fällt  ca.  1022.  Im  Chron.  S.  Petri  Vi  vi  bei  Dum 
II,  502  wird  sie  mit  In  'tempore  iüo  an  die  bekannte  Manichäersynode 
vom  25.  December  1022  angeschlossen.  In  der  That  spricht  das  Itinerar 
des  Königs  dafür,  dass  er  von  Orleans  unmittelbar  nach  H^ry  zog.  Am 
1.  Mai  ist  er  nämlich  in  Compi^gne;   auch   fdr  die   folgende  Zeit  ver- 


168 

holten  MaloD.^  Während  in  den  erstgenannten  Bezirken  ver- 
mutlich Wilhelm  von  St.  Benigne  nicht  anbeteiligt  war,  scheint 
Odilo  im  Gau  von  Lyon  den  Friedensbestrebangen  seine  Mit- 
wirkung geliehen  zn  haben.  So  nahm  er  an  einem  von  vielen 
Bischöfen  besuchten  Friedensconcil  zu  Anse  in  der  Lyoner 
Diöcese  Teil:  eine  gewaltige  Menschenmenge  drängte  sich  auch 
hier  um  die  herbeigeschafften  Heiligenleiber.^)  Eine  andere 
ähnliche  Versammlung  fand  am  22.  Mai*  1023  bei  St  Privat 
auf  dem  Gebiet  der  Burg  von  Sarrian  statt,  wo  sich  Bischöfe 
und  vornehme  Laien  beiderlei  Geschlechts  eingefunden  hatten.^) 
Noch  vorher,  am  1.  Mai  1023,  umgab  den  König  eine  glän- 
zende Versammlung  zu  Compiögne  in  der  Diöcese  Beauvais.^) 


bleibt  Robert  in  der  Reimser  Eirchenprovinz,  im  nordöstlichen  Frank- 
reich.  Nun  ist  vermutlich  diq  Urkunde  Wilhelms  von  Dijon  für  Frut- 
tuaria,  die  1022  —  10^(3  ausgestellt  wurde  (HPM  I,  414),  auf  derselben 
Synode  ausgestellt  worden.  Der  Erzbischof  Leotherich  Yon  Sens,  wel- 
cher dieser  präsidiert,  unterschreibt  als  erster  die  Urkunde.  Ebenso 
wissen  wir,  dass  König  Robert  und  Gauzlin  von  Bourges,  die  beide 
die  Urkunde  unterschreiben,  der  Synode  von  Höry  beiwohnten.  Eine 
grosse  Menge  von  Bischöfen  und  Aebten,  allein  dreihundert  Mönche 
erscheinen  als  Zeugen  aiif  der  Urkunde.  Die  grosse  Teilnahme  an  der 
Synode  rühmen  auch  die  Gesta  episc.  Autiss.,  Dum  II,  388  und  Mirac. 
S.  Veroli,  HF  X,  375;  es  ist  auch  keine  andere  vom  Könige  besuchte  so 
grosse  Versammlung  bekannt,  auf  der  das  Diplom  hätte  vollzogen  sein 
können.  Dazu  kommt  ein  anderes.  In  der  Urkunde  Roberts  für  Fruttuaria 
(Avalon  1023)  heisst  es:  interveniente  et  stibscribente  Gosfrido  Cabüonenai 
episcopo  cum  reliquis  episcopis,  qui  interfuerunt  cQfidlio  nuper  Airiaci 
hcMto.  D.  h.  die  Angelegenheit  von  Fruttuaria  hatte  bereits  die  gesamte 
Geistlichkeit  in  H6ry  beschäftigt;  dort  hatte  sie  bei  Robert  interveniert, 
der  offenbar  unmittelbar  von  da  nach  Avalon  gezogen  war.  Ich  stehe 
somit  nicht  an,  die  mit  zahllosen  Zengenunterschriften  versehene  Urkunde 
für  die  Schilderung  der  Synode  zu  verwerten. 

^)  Gesta  episc.  Autiss.  a.a.O.:  similiter  et  per  universa  loca  ut  in 
pagis  Divionense  et  Belnense  et  Lugdunense  concilia  ceUhrari  fecit 

»)  Transl.  S.  Hugonis  c.  28  (Mabillon,  Acta  SS.  V,  1045).  Diese  Synode 
ist  vielleicht  identisch  mit  dem  Concil  von  1025,  auf  welchem  Gauzlin  von 
Mäcou  sich  über  die  Weihen  Burchards  von  Vienne  in  Gluni  beschwerte 
(Ragut,  Gart,  de  S.  Vincent  nr.  518,  p.  304). 

*)  CHOL  III,  nr.  2779:  Facta  et  hec  carta  . . .  in  conciliOf  quod  fuit 
apud  Sanctum  Brivatum  in  territorio  Sanianensis  castrif  ubi  fuit  diver- 
sorium  episcoporum  ceterorumque  nobilium  utriusque  sexus  religiosa  con- 
gregatio,  regnante  piis9imo  rege  Bodulfo. 

*)  Vgl.  die  Urk.  Warins  von  Beauvais  vom  1.  Mai  1023  bei  Miraeus, 


169 

• 

Sein  Sohn  Heinrich,  Baldnin  der  Bärtige  von  Flandern,  Herzog 
Bichard  U.  von  der  Nonnandie  and  sein  Bruder,  der  Erzbisehof 
von  Bouen,  eine  Anzahl  Grafen  nnd  Bisehöfe,  aneh  mehrere 
Aebte  waren  erschienen.  Mit  dem  Flandrer  hatte  Abt  Lednin 
von  St  Vaast  sich  eingefunden,  der  mit  dem  Bisehof  Warin 
von  Beauvais  einen  Verbrttderungsvertrag  absehloss.  Auf  diesem 
Hoftage  erschienen  die  deutschen  Gesandten  Heinrichs,  um  die 
geplante  Zusammenkunft  mit  dem  französischen  Herrscher  zu 
verabreden:  es  waren  Bischof  Gerhard  von  Cambrai  und  Abt 
Richard  von  Si  Vannes.  Die  Wahl  geschah  sicher  nicht  ohne 
bestimmte  Absicht:  waren  die  Boten  des  deutschen  Hofes  doch 
beide  aus  dem  Clerus  von  Keims  hervorgegangen.  Bei  der 
Schwäche  des  westfränkischen  Königs  durfte  Heinrich  auf  ihre 
Verbindungen  unter  der  französischen  Geistlichkeit  rechnen. 

Auf  der  Zusammenkunft  beider  Herrscher  zu  Ivois,  die 
noch  im  selben  Jahre  zu  stände  kam,  wo  weltliche  und  geist- 
liche Grosse  beider  Nationen  in  dem  Gefolge  ihrer  Fürsten 
waren,  ward  nun  vornehmlich  über  den  Land-  und  Kirchen- 
frieden verhandelt;  man  beschloss,  in  Gemeinschaft  mit  dem 
Papste  zu  Pavia  eine  feste  Ordnung  der  Dinge  herbeizuführen.^) 
Ein  Gedankenaustausch  des  Clerus  beider  Länder  fand  zweifel- 
los hier  statt;  die  Bewegung,  die  zur  Zeit  in  Burgund  die  all- 
gemeine Unsicherheit  bekämpfte,  konnte  auf  den  Osten,  nament- 
lich die  Kirchenprovinz  Reims  und  das  mittlere  Lothringen 
nicht  ohne  Einfluss  bleiben. 

Vielleicht  war  es  bereits  auf  jenem  Hoftage  in  Gompiögne, 
als  der  Bischof  Warinus  von  Beauvais  in  Anwesenheit  des 
Königs  eine  Eidformel  beschwören  liess,  welche  die  Beteiligten 
bis  zum  nächsten  29.  Juni  und  von  da  auf  weitere  sechs  Jahre 


Opp.  dipl.  1, 149,  im  Ausznge  HF  X,  609,  n.  a;  Mabilloi],  Ann.  Bened. IV,  278; 
A.  SS.  VI,  1,  455.  Vgl.  Pfister,  De  Fulberti  vita  p.  97flf.;  Der».,  Etudes  sur  le 
regne  de  Bobert  le  Pieux  p.  241.  369;  Richard,  Abt  von  St.- Vannes  S.  37. 
^)  Gesta  epiac.  Camerac.  III,  c.  37:  ibi  quoque  diligentissime  de  pace 
sanctae  Dei  ecclesiae  maxime  tractatum  est  et  qiLomodo  christianitatij  quae 
tot  lapsibus  patet^  melitis  subvenire  deberent;  Sigeb.  Gembl.  Chron.  1023: 
de  statu  eccUsiae,  regni  et  itnperii  tractari;  et  condicto  super  his  confir- 
mandis  etiam  papam  Bomanum  simul'ambo  Fapiae  oportune  convenirent. 
Dass  Wilhelm  von  Dijon  zugegen  war,  hat  schon  Bresslau,  Heinrich  II. 
III,  261,  n.  1  vermutet;  er  erhält  kurz  darauf  von  Heinrich  eine  Urkunde 
zu  Brumpt,  St.  1810. 


170 

band.  Die  Absage  von  Strassenranb,  Landfriedensbrneh ,  Sach- 
besehädignng  und  Hegung  von  Ränbern  nnd  Friedensbrechern 
wird  in  ähnlicher  Form  wie  auf  der  Synode  von  Verdnn  darch 
den  Eid  gewährleistet.^)  Warin  nnd  der  Bisehof  Berold  von 
Soissons,  der  bereits  der  Friedenssynode  von  Verdnn  bei- 
wohnte, beabsichtigten  sogar  nm  diese  Zeit  einen  Verein  der 
nordostfranzösischen  Bischöfe  im  Interesse  eines  gemeinsamen 
Vorgehens  zn  Gnnsten  des  Landfriedens  zu  bilden.^)  Aach 
Gerhard  von  Cambrai  ward  anfgefordet,  ihm  beizutreten,  aber 
da  vielleicht  die  Sache  bereits  von  staatswegen  in  die  Hand 
genommen  war,  scheute  er  sich  als  reichstreuer  Eirchenflirst,  mit 
den  westlichen  Nachbarn  auf  eigene  Faust  in  die  Bechtssphäre 
der  weltlichen  Macht  einzugreifen.  Mit  dem  Hinweis  auf  die 
Incompetenz  des  Glerus,  rein  weltliche  Angelegenheiten,  wie 
Sicherung  des  Landfriedens  —  in  Frankreich  galt  das  als 
wesentlich  kirchliche  Aufgabe  —  zu  beti*eiben,  wies  er  den 
Antrag  zurttck:  bis  ihn  der  Lärm,  der  sich  unter  dem  Glerus 
gegen  ihn  erhob,  zur  Nachgiebigkeit  nötigte.  Auf  die  eigent- 
lichen Agitatoren  zu  Gunsten  des  kirchlichen  Friedens werkes 
im  nordöstlichen  Frankreich  und  in  Lothringen  lässt  sich  ein 
Schluss  ziehen:  es  heisst,  dass  Gerhard  namentlich  durch  die 
Aebte  Leduin  von  St  Vaast  und  Roderich  von  St  Bertin  yer- 


1)  Gedruckt  bei  Würdtwein,  Nova  subsidia  XII,  18  ff.,  wo  jedoch  die 
Worte :  qui  hoc  iuraverint  —  contra  iUos  fehlen,  und  Pfister,  Etndes  p.  LX. 
Dass  der  KUnig  zugegen  war,  geht  aus  dem  Schluss  hervor:  hoc  audiaSy 
tu,  rex  Boberte;  es  ist  deshalb  möglich,  dass  diese  Vereidung  zu  Com- 
piegne  erfolgte,  das  im  Sprengel  von  Beauvais  liegt. 

>)  Gesta  episc.  Gamerac.  III,  c.  27.  Was  zunächst  die  Zeit  betrifft, 
so  kann  der  Bund  kaum  vor  1023  gesetzt  werden,  da  die  dabei  beteiligten 
Persönlichkeiten  Warinus  von  Beauvais  von  1022—1030,  Berold  von  Sois- 
sons von  1021—1052  regieren,  Leduin  1023  und  Roderich  1021  Aebte 
werden.  Es  heisst  von  Warin  und  Berold:  mültwn  reipublicae  succurrere 
arbitrati  sunt,  8%  Burgundiae  episcoporum  sententiam  sequereniur.  £s  ist 
begreiflich,  dass  dieser  Hinweis  auf  Burgund  ohne  die  Kenntnis  der  eben 
behandelten  Synoden  unverstanden  blieb.  Giesebrecht,  Kaiserzeit  IP,  147 
dachte  an  eine  Landfriedenaufrichtung  der  Bischöfe  im  Königpreich  Bur- 
gund um  1020.  Wenn  es  in  der  Chronik  von  Cambrai  weiter  heisst:  Hit 
nimirum  totius  aiLctoritatis  expertea  commune  decretum  fecerunt,  ut  tarn 
sese  quam  omnes  sub  aacramento  constringerent,  pacem  videlicet  et  iwtüiam 
servitwros,  so  ist  das  die  Form  der  Friedenseinigungen,  wie  sie  seit  der 
Synode  von  Verdun  auftreten,  wie  auch  Huberti  erkannte. 


171 

anlasst  wurde  *),  seinen  Widerstand  gegen  das  selbständige  Vor- 
gehen der  Saffragane  von  Reims  fallen  zu  lassen:  das  heisst 
durch  zwei  Schüler  Richards  Ton  St  Vannes,  durch  Mitglieder 
der  neuen  reformatorischen  Richtung.  So  zeigt  sieb,  dass  das 
Mönchtum  im  Gegensatz  zum  westdeutschen  Episcopate  durch- 
aus nach  Frankreich  und  zu  den  Absiebten  der  französischen 
Kirche  hin  gravitierte,  auf  die  der  Plan  einer  staatlichen  inter- 
nationalen Regelung  dieser  Angelegenheit  jedenfalls  keinen 
Eindruck  gemacht  hatte. 

ni. 

Man  weiss,  dass  die  erhoffte  Reform  der  Kirche,  die  Hein- 
rich, Robert  und  Benedict  im  Sinne  hatten,  überhaupt  nicht  zu 
Stande  kam,  und  zwar  darum,  weil  bereits  das  nächste  Jahr 
der  Tod  den  Kaiser  und  den  Papst  hinwegraffte. 

Von  den  Vertretern  der  französisch-lothringischen  Kloster- 
reform erfreuten  sich  noch  Ende  1023  Wilhelm  von  Dijon 
und  Richard  von  St  Vannes  der  Gunstbezeugungen  des  deut- 
schen Herrschers.  Für  ersteren,  der  vielleicht  der  Zusammen- 
kunft am  Chiers  beiwohnte,  verbriefte  er  am  2.  December  zu 
Brumpt  von  neuem  die  Freiheit  von  Fruttuaria,  indem  er  be- 
sonders die  Bestimmungen  der  Urkunde  Benedicts  VHI.  be- 
stätigte.^) Ob  Abt  Riebard  bei  der  Begegnung  der  ost-  und 
westfränkischen  Könige  anwesend  war,  wissen  wir  nicht;  wahr- 
scheinlich ist  es  immerhin,  da  wir  den  Kaiser  gleich  darauf, 
vermutlich  am  15.  August,  in  Verdun  finden.  Es  wird  uns  aus- 
drücklich berichtet,  dass  er  es  an  kostbaren  Schenkungen  für 
die  Klöster  der  Stadt,  namentlich  das  Hauptkloster  St  Vannes, 
nicht  fehlen  Hess.  Gewiss  an  jenen  Besuch  knüpfte  sich  die 
Legende  von  dem  Entschluss  Heinrichs,  hier  die  Mönchskutte 
zu  nehmen.^) 

Der  13.  Juli  1024  raubte  den  Mönchen  von  Clnni  ihren 
ergebenen  Gönner:  sie  schrieben  dankbar  seinen  Namen  in 
ihr  Missalbuch;  noch  Jahre  später  verordnete  Odilo  in  seinem 

0  Gesta  epise.  Camerac.  III,  c.  27:  Postea  vero  suorum  crebro  horta- 
mine  circumventua,  sed  maxinie  abbatwn,  Leduini  videlicet  et  Botrici,  pre- 
catu  coactu8  adquievit  invitvs. 

>)  Gaichenon,  Bibl.  Sebus.  cent.  II,  78;  St  1810. 

»)  Vgl.  Richard  S.  37  f. 


172 

Decret  ttber  die  Allerseelenfeier:  „Dass  das  Gedächtnis  anseres 
teuren  Kaisers  Heinrieh  besonders  gefeiert  werde:  wie  wir  es 
ihm  nach  seinen  Verdiensten  schuldig  sind,  von  ihm  selbst  be- 
schenkt durch  reiche  Gaben.''  i) 

Wohl  etwas  frtther  als  Heinrich,  im  Frühjahr  desselben 
Jahres,  war  Benedict  den  Weg  alles  Fleisches  gegangen.^) 
Sein  Nachfolger  Romanus,  der  sich  Consul,  Herzog  und  Se- 
nator aller  Römer  nannte,  gelaugte  durch  Geld  zur  Tiara.^) 
Während  Benedict  in  Gemeinschaft  mit  Heinrich  IL  die  Griechen 
in  Unteritalien  bekämpft  hatte,  scheint  Romanus  eine  entgegen- 
gesetzte Politik  schon  bei  Lebzeiten  des  Bruders  verfolgt  zu 
haben.  Der  Umstand,  dass  weder  Melus,  noch  der  deutsche 
Kaiser  ihre  Herrschaft  gebrochen,  legte  dem  mächtigen  Herrn 
vielleicht  die  Notwendigkeit  eines  Parteiwechsels  auf.  Jeden- 
falls hatte  er  kaum  den  päpstlichen  Stuhl  bestiegen,  als  man 
von  Verhandlungen  der  Griechen  mit  dem  Papste  hörte,  welche 
die  Anerkennung  des  Titels  Universalis  fUr  den  byzantinischen 
Patriarchen  im  Osten  bezweckten.^) 

Ein  wahrer  Sturm  der  Entrüstung  ging  durch  die  refor- 
matorischen Kreise,  Italien  erhob  sich ;  Adressen  über  Adressen 
flogen  aus  Frankreich  nach  Rom.  Denn  es  bedeutete  nichts 
anderes  als  die  Aufgabe  des  ersten  Vorrechts  der  römischen 
Kirche.  Bischöfe  und  Aebte  eilten  herbei,  um  die  Schmach  zu 
verhindern.  Unter  den  Gegnern  des  Papstes  war  vornehmlich 
Wilhelm  von  Dijon.^)  Und  in  der  That,  wie  musste  nicht  ge- 
rade diese  Partei  sich  entsetzen  bei  dem  Gedanken,  die  Uni- 

0  Statutum  S.  Odilonis  de  defunctis  bei  Migno,  Patrol.  lat.  142, 105S: 
Necnon  ut  memoria  cari  fwstri  imperatoris  Heinrici  cum  eiadem  prae- 
cipue  agatur,  constituimtis,  ut  merito  debemus,  muUis  ah  ipso  ditati  opibus, 

')  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  IV,  31. 

»)  Vgl.  Gregorovius  IV,  32;  Bresslau,  Konrad  IL  II,  141;  Gfrörer, 
Gregor  VII.  VI,  215  flf.  —  Rod.  Glaber,  Bist.  IV,  1:  Ac  licet  pro  tempore 
phUargyi-ia  mundi  regina  queat  appeUari^  in  Bomanis  tarnen  inexplicabile 
cubile  locavit 

*)  Rod.  Glaber  IV,  c.  1 :  quatenus  cum  consensu  Romani  pontificis 
liceret  ecclesiam  Constantinopolitanam  in  «tto  orbe^  siaU  Romana  in  uni- 
verso,  universalem  dici  et  haheri;  ähnlich  Bugo  Flav.  II,  c.  17. 

^)  Bugo  Flav.  nennt  auch  Richard.  Aber  ihm,  der  in  Anlehnung  an 
Rod.  Glaber  schreibt,  ist  gar  nicht  zu  trauen.  Er  hat  bei  diesem  von  der 
Entrüstung  der  kirchlichen  Kreise  gelesen  und  denkt  natürlich,  dass  auch 
Richard  dabei  gewesen  sein  müsse. 


173 

versalansprüche  der  römischen  Kirche  von  ihrem  Oberhaupt 
selbst  aufgeben  zn  sehen  P)  Wilhelm  schrieb  damals  dem 
Papste:  ,Da  kam  ein  Gerücht  jüngst  zu  uns:  wer  sich  darüber 
nicht  entsetzt,  soll  wissen,  dass  er  von  der  Liebe  des  Höchsten 
weit  entfernt  ist  Denn  wenn  auch  das  römische  Reich,  das 
einst  die  ganze  Welt  beherrschte,  jetzt  in  den  verschiedenen 
Ländern  durch  unzählige  Fürsten  regiert  wird,  so  ruht  doch 
die  Gewalt,  im  Himmel  und  auf  Erden  zn  lösen  und  zu  binden, 
kraft  unverletzlichen  Gnadengeschenks,  auf  der  Herrschaft 
Petri.  ...  Im  übrigen  wünschen  wir  auch,  dass  Ihr,  wie  es 
dem  universalen  Papste  ziemt,  mit  der  Reform  und  Ordnung 
der  heiligen  und  apostolischen  Kirche  Euch  lebhafter  abgebt/ 2) 
Den  Gedanken  der  universalen  Herrschaft;,  auf  dem  das  ganze 
Gebäude  beruht,  darf  die  römische  Kirche  nicht  aufgeben.  Straffe 
Führung  der  hierarchischen  Zügel  fordert  er  von  dem  Senator - 
Papste,  aber  er  verlängt  auch  eine  Abstellung  der  simonistischen 
Missbräuche,  die  diese  Heiligkeit  sich  zu  gestatten  geruhte. 
Wie  bitter  ist  der  Brief,  in  dem  er  die  Geldgier  des  Tuscu- 
laners  angreift.  „Haltet  ein,  haltet  ein'S  ruft  er  ihm  zu,  „die 
Ihr  heisset  das  Salz  der  Erde  und  das  Licht  der  Weltl"  Und 
wie  treffend  heisst  es  dann  mit  Bezug  auf  die  Zustände  an  der 
Curie:  «Wenn  der  Bach  an  der  Quelle  lau  ist,  so  stinkt  er 
weithin  in  die  Ferne."  ^)  Richard  von  St.  Vannes  soll  unter 
denen  gewesen  sein,  die  selbst  nach  Rom  eilten,  um  dem 
Papste  Vorstellungen  zu  machen:  es  wird  erzählt;  dass  seine 
Bemühungen  von  dem  besten  Erfolge  begleitet  waren  ^),  aber 
die  Quelle  dieser  Nachricht  ist  wenig  glaubwürdig.  Besser  be- 
zeugt ist,  dass  Wilhelm  den  Dank  Johanns  für  seine  Er- 
mahnungen empfangen  habe.^) 

Das  Interesse,  das  das  Mönchtnm  an  der  Erhaltung  und 
Stärkung  der  römischen  Universalgewalt  hatte,  kam  also  auch 
hier  zum  Ausdruck. 


^)  Gfrörer,  Eirchengesch.  IV,  237  ff.,  wie  immer  zu  den  seltsamsten 
Combinationen  geneigt,  sieht  in  jenen  beiden  Cluniacensem  Werkzeuge 
der  deutschen  Begierong. 

«)  Bod.Glaber  IV,  c.  1. 

>)  Budolfi  y.  Wilhelm!  c.  10. 

*)  Hugo  Flav.  II,  c.  17. 

*)  V.Wilhelmi  c.l9. 


174 


IV. 

Inzwischen  hatte  Abt  Richard  Gelegenheit  gefanden,  in 
die  klösterlichen  Verhältnisse  des  Lütticher  Bistums  wirksam 
einzugreifen.  Es  scheint,  dass  anch  hier  die  Beziehungen  Ger- 
hards von  Cambrai  die  Wege  ebneten.  Denn  in  Lobbes,  einem 
hart  an  der  Grenze  beider  Sprengel  gelegenen  Stifte,  dessen 
Abtei  Gerhard  von  Cambrai  unterstand  i),  erschien  Richard  zu- 
erst im  September  1020,  während  der  letzte  Abt  Ingobrand 
seines  Amtes  entsetzt  wurde  ^)  und  bei  Poppo  von  Stablo  eine 
Zuflucht  für  seine  letzten  Tage  suchen  musste.^)  Es  war  Bischof 
Wolbod  von  Lüttich,  der  in  Gemeinschaft  mit  Gerhard  von 
Cambrai  der  Abtei  Lobbes  unter  Richard  eine  neue,  glänzende 
Zukunft  bereitete.^) 

Derselbe  Bischof  bewies  in  seinen  letzten  Lebensjahren 
seine  Zuneigung  ftlr  die  Verduner  Schule  noch  bei  anderer 
Gelegenheit  In  Lüttich  lag  die  St.  Jacobsabtei  unvollendet^), 
deren  Bau  Bisehof  Balderich  im  April  1015  oder  1016  be- 
gonnen hatte  und  deren  Crypta  am  6.  September  1016  ge- 
weiht worden  war.®)  Erst  die  Anregung  Heinrichs  IL  brachte 
Wölbod  zu  weiterer  Fürsorge  fttr  das  angefangene  Stift.  Er 
betraute  Olbert  von  Gembloux,  einen  Geistlichen  französi- 
scher Bildung^),  in  dessen  Kloster  Mönche  aus  der  Schule 
Richards  nicht  fehlten^),  mit  der  Einrichtung  und  Leitung  der 
Abtei.    Und  Olbert  entledigte  sich  seines  Auftrags,  indem  er 


^)  Vgl  Richard  von  StVannes  S.  51,  n.2. 

')  Ann.  Laub.  1020;  die  andern  Quellen  Richard  S.  51,  n.  3. 

')  Er  starb  hier  1030  nach  den  Ann.  Laub. 

*)  Vgl.  Richard  S.  52. 

^)  V.  Baldricl  c.  31 :  iUe  parum  huic  loco  constduit. 

")  Die  Ann.  S.  Jacobi  haben  zu  1015:  Baldericus  epiacopus  coenobivm 
S.  lacobi  in  insida  VII.  Kai  Mali  inchoatf  cuius  et  criptam  in  hono^f 
sancH  Ändreae  VIII.  Idus  Septembris  dedicat.  Die  Grttndungsurk.  vom 
C.  Sept.  10]  6,  also  vom  Tage  der  Weihe  bei  Martene,  Coli.  ampl.  I,  377; 
Wanters  I,  454.  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  II.  II,  197  setzt  danach  auch 
den  Beginn  des  Baues  1016.  Indes  sind  die  Ann.  S.  Jacobi  vielleicht  da- 
hin zu  verstehen,  dass  das  Jahr  1015  sich  nur  auf  den  Beginn  erstreckt^ 
die  Weihe  aber  1016  stattfand. 

^)  Vgl.  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  26. 

®)  So  war  der  Prior  von  Gembloux,  Mysach,  ein  Schüler  Richards; 
vgl.  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  47. 


175 

namentlich  Mönche,  die  dem  Abte  von  St.  Vannes  ihre  Aus- 
bildnng  verdankten,  hier  ansiedelte.  9  Auch  Wolbod  gründete, 
wie  sein  Vorgänger,  in  den  letzten  Lebensjahren  ein  Kloster, 
St  Lorenz.  Konnte  er  seine  Stiftung,  so  wenig  wie  Balderich 
die  seine,  zum  Abschluss  bringen,  so  wandte  er  sich  doch  noch 
kurz  vor  seinem  am  21.  April  1021  erfolgten  Tode  an  den  Abt 
Poppe  von  Stablo  mit  der  Bitte,  die  Fürsorge  für  die  Abtei  zu 
ttbemehmen.^)  Da  diese  aber  weder  vollendet,  noch  Mönche 
angesiedelt  waren,  hatte  Poppo  zunächst  keine  Gelegenheit 
einzugreifen  3),  zumal  Wolbods  Nachfolger,  Durand,  die  Stiftung 
des  Vorgängers  mit  noch  geringerer  Pietät  behandelte,  als 
Wolbod  die  Balderichs.  Bei  Baginars  Amtsantritt,  auf  dem 
der  Vorwurf  der  Simonie  lastete,  fühlte  sich  Poppo  endgültig 
veranlasst,  auf  das  Kloster  zu  verzichten. 

Die  Stellung  dieses  Kirchenfürsten  zur  Klosterreform  wird 
ganz  klar,  wenn  man  sein  Verhalten  St  Lorenz  und  Lobbes 
gegenüber  betrachtet  Gegen  die  Klosterzucht  an  sich  oder 
die  neuen  Gewohnheiten  hätte  gewiss  kein  Bischof  etwas  ein- 
zuwenden gehabt  Was  aber  die  Bedenken  und  den  Wider- 
stand mancher  von  ihnen  hervorrief,  war  das  Streben  nach 
Autonomie,  das  die  cluniacensisch-lothringische  Richtung  aus- 
zeichnete. In  Deutschland  waren  bisher  die  Klöster  der  Juris- 
diction der  Bisehöfe  in  allen  Punkten  unterworfen  gewesen, 
während  die  Klosterreformatoren  mit  der  Forderung  möglichst 
grosser  Freiheit  auftraten  und  durch  die  Vereinigung  mehrerer 
Klöster  verschiedener  Sprengel  unter  einem  Abte  die  Ge- 
schlossenheit der  Diöcesanrechte  durchbrachen.  Es  war  das 
einer  der  Gründe,  weshalb  im  inneren  Deutsehland  die  Ein- 
wirkung der  lothringischen  Richtung  einfach  unmöglich  wurde. 

Auch  Raginar  sah  es  offenbar  nicht  gern,  dass  ein  Abt, 
wie  Richard,  über  Klöster  seiner  Diöcese  herrsche.  Als  daher 
auf  Andrängen  des  Grafen  Hermann  von  Enham  ein  Verduner 
Mönch,  Stephan,  als  Untergebener  Ricl^ards  von  St  Vannes 


0  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  35:  ex  disciplina  abbatis  Richardi;  nach 
den  LUtticher  Quellen  beruft  Balderich  den  Abt;  vgl.  Hirsch,  Jahrb.  Hein- 
richs U.  II,  198,  n.  1. 

*)  Ladewig,  Poppo  von  Stablo  S.  58. 

')  Er  war  nur  vorläufig  mit  der  FUrsorge  betraut  worden;  vgl.  die 
Stellen:  Richard  von  St  Vannes  S.  56,  n.  2. 


176 

mit  seehs  Mönchen  angekommen  war  and  die  Leitung  von 
St  Lorenz  ttbemommen  hatte,  benatzte  Raginar  die  Abwesen- 
heit des  Verdoner  Abtes,  der  sieh  auf  der  Pilgerfahrt  befand, 
am  ihn  am  1.  November  1026  zam  Abt  weihen  za  lassen.^) 
Was  half  der  Zorn  Richards  über  den  anbotmässigen  Schttler! 
St.  Lorenz  blieb  verloren,  and  die  Spannang  zwischen  ihm  and 
dem  Bischöfe  von  Lüttich  vergrösserte  sich  derartig,  dass  er 
im  Jahre  1032  sogar  ^)  die  Leitang  von  Lobbes,  dem  er  zwölf 
Jahre  vorgestanden  hatte,  aafgeben  masste. 

Aber  Raginar  war  nichts  weniger  als  eine  religiös  indiflfe- 
rente,  den  Reformwirkangen  feindliche  Natar.  Er  bereute  sein 
Simonistisches  Vergehen  aufrichtig.  In  Lobbes  machte  er,  ge- 
naa  wie  in  St.  Lorenz,  den  bisherigen  Propst  Hugo  zum  Abt, 
von  dem  er  in  erster  Reihe  erwarten  durfte,  dass  er  in  den 
Fasstapfen  Richards  wandle.^)  St.  Jacob  weihte  er  am  25.  Juli 
1030.^)  Und  das  Lorenzkloster  hatte  keinen  wärmeren  Freund 
als  ihn.  Er  förderte  den  Bau  mit  Hilfe  Olberts  von  St  Jacob  so 
eifrig,  dass  er  im  November  1034  an  die  Weihe  gehen  konnte, 
die  er  in  Anwesenheit  des  päpstlichen  Legaten  Johann  von 
Porto  ^),  des  Erzbischofs  Pilgrim  von  Köln,  der  Mitglieder  des 
Ardennerhauses,  der  Grafen  von  Looz  und  des  Abtes  Poppo  von 
Stablo  mit  grossem  Pompe  vollzog.  Dass  Poppo  zugegen  war,  der 
jenes  Kloster  gerade  bei  Raginars  Regierungsantritt  aufgegeben 
hatte,  dass  dieser  in  väterlicher  Fürsorge  sein  ganzes  Leben 
lang  dem  Abte  Stephan  in  religiösen  und  wirtschaftlichen 
Pflichten  zur  Seite  stand,  beweist  zur  Genüge,  dass  der  Bischof 
nur  die  rechtlichen  Consequenzen  und  die  fremden  Ein- 
mischungen ablehnte,  zu  denen  das  Auftreten  eines  Mannes 
wie  Richard  führte. 


0  Die  Begründang  dieser  Darstellung  Richard  von  St.  Vannes  S.  56  ff.; 
von  Ladewig  S.  55  ff.  missverstanden. 

>)  y.  S.Theoderici  Andag.  c.  10;  Ann.  Laub.  1032;  vgl.  Richard  S.  52, 
n.  5,  was  ich  gegen  Bittner,  Wazo  und  die  Schulen  von  LUttich  S.  36  vor- 
gebracht 

»)  V.  S.  Theoderici  c.  10. 

*)  Lamberti  Parvi  Ann.  1030. 

^)  Vermutlich  hat  seine  Anwesenheit,  die  in  allen  Urkunden  vom 
Tage  der  Weihe  erwähnt  wird,  die  Erzählung  von  Raginars  rOmischer 
Reise  hervorgerufen.  Dass  sie  wahrscheinlich  nie  stattfand,  vgl.  bei  Bress- 
lau,  Jahrb.  Eonrads  IL  II,  2S1,  n.  6. 


177 

Aehnliche  Motive  scheinen  für  das  Verhalten  Raginars 
bezüglich  der  Reform  von  St.  Trond  massgebend  gewesen  zu 
sein.  Schon  vor  Jahren  war  Foppo  von  Stablo  von  dem  Bischöfe 
von  Metz  nach  diesem  Kloster  bemfen  worden,  das  zwar  in 
der  Ltttticher  Diöcese  lag,  aber  der  Metzer  Kirche  gehörte. 
Während  der  bisherige  Abt  von  St  Trond  in  der  GefaDgenschaft 
des  Bischofs  Theoderich  schmachtete,  hatte  der  Abt  von  Stablo 
die  verwaiste  Abtei  im  Auftrage  des  Metzer  Bischofs  durch 
Pröpste  regieren  lassen.^)  Man  begreift,  dass  Ragiuar  von 
Lüttich  eine  derartige  Einmischung  hier  so  wenig  wie  in 
Lobbes  und  St.  Lorenz  ertrug  und  nicht  eher  ruhte,  als  bis 
Abt  Adelhard  freigelassen,  in  seine  alten  Ehren  eingesetzt 
und  noch  reichlich  entschädigt  worden  war.  Erst  im  Jahre 
1034,  in  demselben  Jahre,  in  dem  Poppe  der  Weihe  von 
St  Lorenz  beiwohnte,  angeblich  nach  Adelhards  Tode  2),  wurde 
Guntram,  ein  ehemaliger  Mönch  des  hl.  Trudo,  den  Poppe 
nach  Hersfeld  geschickt  hatte,  auf  Anregung  der  Kaiserin  dem 
Kloster  St  Trond  vorgesetzt  und  in  Lüttich  geweiht.^)  Die 
Sache  lag  jetzt  anders  als  früher;  nicht  der  Reichsabt  von 
Stablo,  sondern  ein  selbständiger,  dem  Ltttticher  Bischöfe  un- 
mittelbar unterstehender  Abt  leitete  nunmehr  das  Trudoskloster. 

V. 

Poppe  hatte  kaum  die  Leitung  von  Stablo  übernommen, 
als  der  Bischof  von  Metz  auf  ihn  aufmerksam  wurde.  Wir 
kennen  die  Entstehungsgeschichte  dieses  von  Theoderich  L  ge- 


*)  Gesta  abb.  Trudon.  c.5,  SS.  X,  230  ff.;  vgl.  Ladewig  S.57— 61; 
Bresslau,  Konrad  II.  II,  280.  Sehr  zweifelhaft  ist  die  Identifiziening  des 
V.  Popp.  c.  19  genannten  Klosters  Villarium,  dem  Foppo  angeblich  den 
Tbeoderich  vorsetzte,  mit  St.  Trond,  wie  Ladewig  will.  Der  Ort,  an  dem 
St.  Trond  erbaut  war,  hiess  Sarchinium. 

>)  Merkwürdigerweise  wird  in  demselben  Jahre  ein  Adelhard  von 
St  Trond  Abt  von  St.  Hubert;  vgl.  Chron.  S.  Huberti,  SS.  Vm,  571:  «mc- 
cessit  (1034)  ei  domntis  Adelardus  a  Ragina/rdo  episcopo  ecclesiae  aancti 
Huberti  abbcis  ordinatWf  qui  fuerat  monasterii  sancti  Trudonia  scholasti- 
CU8  et  thesaurariua.  Die  Uebereinstimmung  im  Namen  nnd  in  der  Zeit 
ist  so  auffallend,  dass  trotz  der  entgegenstehenden  Bedenken  die  Ver- 
mutung erlaubt  ist,  dass  beide  Adelhard  identisch  sind. 

*)  Gesta  abb.  Trudon.  c.  7.  Ein  S.  Guntramni  findet  sich  in  einer  Urk. 
von  St  Trond  vom  8.  Dec,  Sonntag,  die  freilich  ins  Jahr  1000,  1017  oder 
1023  gehören  kann. 

S»cknr»  Clnniaoenier.    n.  12 


178 

gründeten  Klosters,  das  beim  Tode  des  Stifters  unvollendet 
zurttekblieb  and  ohne  die  erforderlichen  Hilfsmittel,  nm  es  in 
den  folgenden  stürmischen  Zeiten  zn  vollenden.^)  Indes  mit 
dem  Jahre  1018,  in  dem  wir  Theoderich  IL  nach  langem  Zwiste 
wieder  am  Hofe  des  Kaisers  finden '),  hörte  dieser  unerträgliche 
Zustand  auf,  und  mit  dem  Frieden  zog  auch  wieder  eine  gott- 
erfülltere  Stimmung  in  die  Seele  des  Kirchen  fttrsten.  Wie  und 
wo  sich  der  Bischof  an  Poppo  wandte,  ist  unbekannt^),  ebenso 
wenig  in  welchem  Zustande  die  Congregation  sieh  befand,  noeh 
ob  überhaupt  zur  Zeit  eine  existierte.  Wahrscheinlich  ist,  dass 
damals  überhaupt  erst  Mönche  nach  St.  Vincenz  gelegt  wurden, 
welche  einen  festen  Besitzstand  zugewiesen  erhielten,  wie  der 
Gründer  der  Abtei  ihn  zusammengebracht  hatte.  Eine  l^olge 
der  reformatorischen  Thätigkeit  Heribrands  —  denn  so  hiess 
Poppos  Schüler  —  war  es  nun  auch,  dass  der  Ausbau  des 
Stiftes  wieder  in  Angriflf  genommen  und  dieses  am  14.  Mai  1030 
geweiht  werden  konnte.^)  Wohl  Anfang  der  vierziger  Jahre 
starb  der  Abt.  Auch  sein  Nachfolger  Folcnin  entstammte  Poppos 
Schule.  Er  war  mit  seinem  Bruder  Mysach  von  Kind  auf  in 
Gembloux  unter  Olbert  erzogen  worden.  Folcuin  hatte  Poppo 
dann  seiner  gelehrten  Kenntnisse  halber  zum  Leiter  der  Schule 
nach  Stablo  berufen^),  während  Mysach  nach  St  Vannes  zog, 
um  dort  von  Abt  Richard  in  den  klösterlichen  Disciplinen  sich 
unterrichten  zu  lassen.*)  Beiden  Brüdern  war  eine  erfolgreiche 
Zukunft  bestimmt.  Ersah  Poppo  Folcuin,  dessen  Fähigkeiten 
er  schätzen  gelernt  hatte,  zum  Abte  von  St  Vincenz  ^),  einem 
Amte,  das  er  bis  zu  seinem  Tode  getreulich  ftlhrte,  so  über- 
nahm Mysach  nach  Olberts  Tode  die  Leitung  von  Gembloux, 
so  dass  wir  nun  die  Vertreter  der  Richtung  Richards  in  dem 
Kloster  an  der  Maas  erblicken. 


»)  S.  S.  122. 

*)  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  U.  lU,  S.  64,  n.  1. 

')  Vgl.  jedoch  Ladewig,  Poppo  S.  90. 

«)  Sigeberti  V.  Deod.  c.23;  Ann.  Mett  breves  1080,  SS.  HI,  155;  Ann. 
S.  Vincentii  1030.  Die  Grossartigkeit  der  Bauten  und  die  zahlreichen  Re- 
liquien rühmt  auch  Alpertus  de  episc.  Mett,  SS.  IV,  699. 

<^)  Gesta  abb.  Gemblao.  c  47,  SS.  VIII,  p.  542. 

<)  S.  oben  S.  174,  n.  8. 

^)  Besondere  Privilegien  verlieh  am  2.  Nov.  1050  Leo  IX.  dem  Abte 
von  St  Vincenz;  J.-L.  4242. 


179 

Wohl  wenig  später,  als  der  von  Metz  wandte  der  Bisehof 
Adalbold  von  Utrecht,  der  in  seinen  letzten  Lebensjahren  mehr 
und  mehr  von  mönchischen  Anschauungen  erfttUt  wnrde,  sich 
an  den  Abt  von  Stablo  mit  dem  Ersuchen,  die  Leitung  des 
Klosters  Hohorst  zu  ttbemehmen.^)  Poppo  aber  behielt  das 
Kloster  nicht,  sondern  übertrug  den  Abtstab  einem  seiner 
Mönche,  Heriger.  Nach  seinem  Tode  gab  er  der  Abtei  zwei 
Aebte,  die  abwechselnd  die  Herrschaft  führten.  Nicht  lange 
nach  Poppos  Eingreifen  zog  sogar  der  gelehrte  Bischof  selbst 
auf  Zureden  desselben  Abtes  das  Möncbskleid  an,  indem  er  ihm 
die  Verwaltung  des  Bistums  übertrug.  Aber  vermutlich  geschah 
das  zu  einer  Zeit,  als  Poppo  sowohl  in  politischen,  wie  klöster- 
lichen Geschäften  sich  viel  bewegte;  denn  obgleich  Adalbold 
die  Klostergelübde  abgelegt  und  das  Mönchskleid  genommen 
hatte,  so  musste  er  doch  das  bischöfliche  Amt  auf  Poppos 
Forderung  wieder  übernehmen,  und  er  führte  es  auch  bis  zu 
seinem  am  27.  November  1026  erfolgten  Ende  ^)  in  der  Kutte 
weiter.  Man  hat  vermutet,  dass  er  vielleicht  während  seiner 
mönchischen  Zurückgezogenheit  seinen  Commentar  zu  Boethius 
verfasste.') 

In  den  drei  lothringischen  Bistümern  Lüttich,  Metz  und 
Utrecht  wirkte  also  der  Abt  von  Stablo  zuerst  disponierend 
und  reformierend.  Einen  ungeahnten  Aufschwung  erlebte  seine 
Thätigkeit  aber  erst  durch  die  engen  Beziehungen,  in  die  er 
zum  Hofe  trat.  Von  besonderer  Bedeutung  nach  dieser  Rich- 
tung war  die  Uebernahme  des  Reichsklosters  St.  Maximin  bei 
Trier,  die  noch  in  die  letzte  Zeit  Heinrichs  IL  fälli^) 

Im  Anfange  des  zehnten  Jahrhunderts  einer  Reform  unter- 
worfen^), hatte  die  Abtei  mit  Hilfe  der  Ottonen  und  durch 

>)  y.  Popponis  c.  10.  lieber  die  Lage  des  Klosters  vgl.  Ladewig 
p.66,  n.  3.  Moll,  Kerkgeschiedenis  van  Nederland  II,  1,  57  nennt  das 
Kloster,  in  das  Adalbold  sich  zurückzog:  HeUigenberg  bij  Amersfoort. 
Eine  Lebensbeschreibung  des  Bischofs  giebt  Moll,  Bisschop  Adelbolds 
Commentar  op  een  metmm  van  Boethius  in  Kerkhistorisch  Archief  ver- 
zameld  door  N.  C.  Kist  en  W.  Moll  III,  Amsterdam  1862. 

')  Bresslau,  Konrad  II.  I,  204,  n.  5. 

')  Moll  in  Kerkhistorisch  Archief  a.a.O.  p.  177. 

0  Sie  erfolgte  wahrscheinlich  1028;  vgl.  Ladewig  S.76. 

*)  Necrol.  S.  Maxim.,  Hontheim,  Prodromus  II,  966:  VII.  Kai.  Febr. 
Ogo  abbaa  huitu  loci,  postea  Tungreims  episcopua,  qui  hoc  monaaterium 

12* 


180 

ihren  Reiehtum  sich  wieder  zu  einer  glänzenden  Stellung  em- 
porgeschwungen. Sehr  oft  finden  wir  die  Aebte  an  den  Höfen 
der  sächsischen  Kaiser,  wo  sie  mit  Erfolg  gegen  die  Landes- 
gewalten ihre  unmittelbare  Stellung  und  die  Reichsfreiheit  ihres 
Besitzes  verteidigten.^)  Unter  Heinrich  IL  war  endlich  das  Abt- 
gut —  den  Besitz,  welcher  lediglich  fttr  den  Unterhalt  der 
Brttder  bestimmt  war,  also  abgerechnet  —  ins  ungemessene  ge- 
stiegen. Da  erfolgte  ein  Schlag.  Heinrich  II,  in  seiner  ganzen 
Klosterpolitik  darauf  bedacht,  die  Stiftsgüter  dem  Reichsfiscus 
dienstbar  zu  machen,  bewilligte  zwar  der  Abtei  die  Freiheit 
von  jedem  Kriegszuge  und  königlichen  Dienste,  aber  er  nahm 
gegen  Ende  1023  dem  alten  Abt  Haricho,  der  nicht  im  stände 
war,  die  Reichspflichten  im  Kriege  und  Frieden  voll  zu  er- 
füllen, alles  weg,  was  nicht  dazu  diente,  die  Mönche  zu  er- 
halten, und  gab  es  dem  Herzog  Heinrich,  Pfalzgraf  Ezzo  und 
Graf  Otto  zu  Lehen,  die  für  den  Abt  die  Heerespflicht  über- 
nahmen.^) Als  nun  gar  Haricho  aus  dem  Leben  schied,  erhielt 
der  Abt  von  Stablo  die  Abtei  zur  Reform.  Mit  Widerwillen 
wurde  er  natürlich  von  den  Mönchen  aufgenommen,  die  sogar 
vor  einem  Mordversuch  nicht  zurückschreckten.^)  Aber  er  hielt 
sich,  wusste  durch  Konrad  II.  eine  Bestätigung  der  gebliebenen 
Besitzungen  und  Rechte  zu  erlangen^),  und  wenn  auch  dieser 
Kaiser^),  sowie  sein  Nachfolger®),  noch  später  die  Hand  nach 
dem  verlockenden  Klostergut  ausstreckte,  so  waren  es  doch 
nur  unbedeutende  Einbussen,  welche  der  Abtei  auferlegt  wur- 
den und  endlich  zu  einem  gänzlichen  Verbot  Heinrichs  III.^) 

a  fundamentis  reparavit  et  locwm  pene  peasumdatum  renovavit  et  numervm 
fratrvm  ad  LX  et  rdigionem  ampUavit;  Necrol.  Eptem.,  N.  Archiv  XV, 
138.    Das  Verzeichnis  der  Mönche  SS.  XIII,  302. 

0  St.  nr.  27.  185.  229.  240.  354.  392.  393.  393 «.  Die  Urk.  von  962 
(St.  800;  DO  I,  nr.  442)  ist  unecht 

»)  ürk.  V.  30.  Nov.  1023,  Beyer,  Mittelrh.  ürkb.  I,  300.  Unecht,  aber 
wohl  zum  7eü  auf  echter  Vorl^^e  beruhend.  Die  Hufenzahl  6656  von 
Lamprecht,  D.  Wirthschaftsleben  I,  703  bestritten. 

■)  V.  Popp.  c.  16:  Biennium  iam  effiuxercUj  Hierichonique  Treviren- 
sium  abbati  apud  sanctvm  Maximinwn,  praefato  iubente  imperatore, 
succesHt. 

*)  Am  11.  Jan.  1026,  Beyer  I,  801. 

«^)  Vgl.  Ladewig,  Poppo  S.  78. 

<)  Ebenda  S.  85. 

^)  Beyer  I,  888.  Urk.  Heinrichs  vom  21.  Jan.  1051 ;  St.  2396. 


181 

und  Leos  IX.^)  führten,  das  PfründeDgat  der  Mönche  anza- 
greifen. 

Dass  Poppe  bald  den  grOssten  Teil  der  Mönche  fttr  sieh 
gewann  —  seine  Widersacher  starben  angeblich  innerhalb 
eines  Jahres  2)  — ,  vermag  man  daraas  zn  ersehen,  das  er  als- 
bald von  St  Maximin  ans  die  neuen  Satzungen  in  andere 
Stifter  zu  übertragen  vermochte.  So  war  in  dem  Trierer 
Kloster  St  Encharias  und  St.  Mathias  am  22.  October  1023 
Abt  Richard  gestorben,  was  Poppe  veranlasste,  einen  seiner 
Mönche,  Bertnlf,  hinzusenden  3),  unter  dessen  Amtsftihrang  das 
Stift  sich^der  Gunst  des  Markgrafen  Adalbert  und  seiner  Frau 
Jutta  erfreute.  Beide  schenkten  Landbesitz  und  Zehnten  mit 
dem  ausgesprochenen  Wunsche,  dass  ihr  Andenken  und  das 
der  Verwandten  in  Ewigkeit  gefeiert  wtlrde.*) 

Um  dieselbe  Zeit  bezeigten  Adalbert  und  Jutta  noch  in 
anderer  Weise  ihre  Neigung  fttr  die  durch  Poppe  eingeführte 
Reform.  Während  der  Graf  nach  Jerusalem  zog,  um  sich  vom 
Patriarchen  die  nötigen  Reliquien  zu  verschaffen,  wurde  auf 
seinem  Grund  und  Boden  zu  Busendorf  in  der  Metzer  Diö- 
eese  ein  Kloster  angelegt^),  dessen  Bau  unter  der  Leitung 
seiner  Gemahlin  fleissig  gefördert  und  endlich  am  31.  Januar 
1033*)  —  wenigstens  zum  Teil  —  durch  Bischof  Theoderich  II. 
geweiht  wurde.  Auch  hier  ernannte  Poppe  einen  Abt,  namens 
Cono^),  der  den  Grafen  am  Tage  der  Consecration  zu  einer 
Dotationsurkunde  fttr  die  Abtei  bestimmte.*) 

Aus  St  Maximin  stammte  jener  Humbert,  der  1027  oder 
1028  Abt  von  Echternaeh,  einem  in   unmittelbarer  Nähe  von 


»)  Beyer  1,386;  J.-L.  nr.4251. 

*)  V.  Popp.  c.  17. 

')  Ann.  S.  Eacharii,  SS.  V,  10;  V.  Popp.  c.  19;  Lesser,  Poppe  von 
Trier,  Leipzig  1888,  S.  64. 

*)  Beyer  I,  355;  über  die  anechten  Schenkungen  des  Adalbero  von 
St.  Panlinns  vgl.  Lesser  S.  74  ff. 

^)  Notitia  fundationis  monasterii  Bosonis-Villae  I,  SS.  XV,  2,  977. 

«)  Notitia  IL  HL  a.  a.  0.  p.  979. 

')  V.  Popp,  c.  19;  nach  der  Not  I.  setzte  Adalberts  Sohn,  Graf  Ger- 
hard, der  1034  dem  Vater  folgte,  den  genannten  Abt  ein.  Vgl.  indes  be- 
züglich der  Unzaverlässigkeit  der  chronologischen  Angaben  die  Noten 
Holder-Eggers. 

•)  Not.  n.  III.  a.  a.  0. 


182 

Trier  liegenden  reichsfreien  Kloster,  wurde.  Das  Stift,  welches 
das  zehnte  Jahrhundert  hindurch  unter  der  Herrschaft  der 
Grafen  von  Luxemburg  gestanden  hatte,  erfuhr  zuerst  973  die 
Benedictinerreform,  als  auf  den  Antrag  des  Grafen  Sigfried  Kai- 
ser Otto  die  Einführung  von  Mönchen  befahl.  Ihr  Abt  wurde 
Bavanger.^)  Auch  Otto  III.  machte  der  Abtei  Zuwendungen, 
indem  er  ihr  das  Münzrecht  und  verschiedene  Schenkungen  zu 
Theil  werden  liess.  Indes  war  sowohl  das  geistliche  Leben, 
wie  der  materielle  Wohlstand  nicht  gut  gediehen.  Denn  wenn 
auch  Abt  Arnold  1016  einen  neuen  Klosterbau  begann,  so  er- 
regte sein  unsittlicher  Lebenswandel  doch  so  viel  Aergemis, 
dass  er  von  Konrad  IL  abgesetzt  wurde  und  an  sSne  Stelle 
eben  jener  popponische  Mönch  von  St  Maximin  trat.^)  Aber 
Humbert  hatte  schwer  mit  der  Unzulänglichkeit  der  Mittel  im 
Kloster  des  hl.  Willibrord  zu  kämpfen,  die  in  ihrer  Gesamt- 
heit kaum  für  den  Unterhalt  genügten,  geschweige  nach  ihrer 
Zerstückelung  durch  den  benachbarten  Adel.  Es  ist  bezeich- 
nend, dass  der  Abt  sich  nicht  an  den  Kaiser  um  Abhilfe 
wandte,  sondern  an  Gisela,  die  immer  barmherzige  Kaiserin, 
indem  er  bat,  ihn  bei  der  Wiedererlangung  der  entrissenen 
Hufen  zu  unterstützen.^)  Die  begonnene  Abtei  führte  Humbert 
zu  glücklichem  Ende,  liess  sie  am  19.  October  1031  durch  den 
Erzbischof  von  Trier  weihen  und  schmückte  sie  mit  Bildern 
und  Malereien;  das  Analogium  aber  zierte  er  mit  Silber.^) 

Dass  die  Klöster  des  engeren  Trierer  Sprengeis  von 
St.  Maximin  ihre  Aebte  erhielten,  ist  fast  selbstverständlich. 
Aber  auch  in  die  Kölner  Diöcese  zog  jetzt  ein  Mönch  der  ge- 


*)  ürk.  V.  1 5.  März,  DO  I,  nr.  427;  St.  524 :  prefieientes  ei  venerabileni 
virum  Eavengerum  abbatetn.  Er  starb  am  14.  August,  Necrol  Eptemac, 
N.  Arch.  XV,  135. 

^)  Catal.  Eptemac.,  SS.  XIII,  739 :  tandeniqtie  propter  incontinentiuni 
corporis  est  depositua  locumque  regiminis  suscepit  abbas  Humbertus,  ex 
monasterio  sancti  Maocimini  assumptua;  vgl.  Necrol.  Eptemac.,  N.  Arch. 
XV,  135;  11.  Id.  Aug.  domnus  Humbertus  predicand^  memoria  presbiter 
et  abbcis  et  constructor  sanct^  religionis  huius  loci. 

B)  Brief  Humberts  an  die  Kaiserin  Gisela  bei  Mone,  Anzeiger  fUr 
Kunde  D.  Vorzeit  1838,  S.  205;  N.  Arch.  III,  324.  lieber  die  Datierong  vgl 
Ladewig  S.  87. 

*)  Catal.  Eptemac.  a.  a.  0.;  Ladewig  S.  87;  Lesser  S.  34. 


183 

nannten  Abtei,  EIlo,  der  die  neu  gegründete  Stiftang  Brauweiler 
übernahm.  Das  Kloster  war  1024  oder  1025  dnreh  den  Pfalz- 
grafen Ezzo,  den  wir  unter  den  Lehnsträgern  des  Abtes  von 
St  Maximin  gefunden  hatten,  einen  Verwandten  des  Kaiser- 
hauses, und  seine  Gemahlin  Mathilde  gestiftet  worden.  Der 
Erzbischof  Pilgrim  unterstützte  das  Unternehmen  des  Paares 
und  wies  dasselbe  an  Poppo  von  St.  Maximin,  der  sieben  ver- 
trauenswürdige, geeignete  Männer  abordnete.  ^  Nach  fünf  Jah- 
ren —  Mathilde  erlebte  die  Vollendung  ihrer  Schöpfung  nicht 
mehr  —  ward  das  Werk  zu  Ende  geführt.  Poppo  liess  nach 
der  am  8.  November,  vermutlich  im  Jahre  1030  2),  erfolgten 
Weihe  einen  Maximiner  Mönch  EUo  zurück  3),  der  durch  den 
Erzbischof  Aribo  ordiniert  wurde;  schon  war  die  Zahl  der 
Mönche  auf  sechzehn  gestiegen.  Auch  Ezzo  überlebte  den 
Festtag  nur  um  vier  Jahre. ^)  Indes  übernahm  die  Familie  der 
Gründer  weiter  die  Förderung  der  Abtei,  und  als  im  Jahre 
1048  ein  neuer  Klosterbau  durch  EUo  unternommen  wurdet), 
da  bestritt  eine  Tochter  des  Pfalzgrafen,  die  Königin  Richiza 
von  Polen,  die  Kosten.»)  Das  Kloster  blieb  in  der  Herrschaft 
des  Erzbischofs  von  Köln,  ein  Bechtsverhältnis,  das  sowohl 
Leo  IX,  als  Heinrich  III.  bestätigte.^) 

Während  Poppo  von  St.  Maximin  aus  die  umliegenden 
Klöster  neu  einrichtete,  war  im  deutschen  Reiche  ein  Thron- 
wechsel erfolgt,  der  fttr  die  Fortschritte  seiner  Bestrebungen 
von  der  grössten  Bedeutung  war.  Der  Reichsabt  von  Stablo 
und  St  Maximin  wurde  eine  wichtige  politische  Persönlichkeit; 
die  Dienste,  die  er  dem  Kaiser  leistete,  nötigten  diesen,  den  Re- 
formtendenzen, die  bisher  auf  die  westlichen  Marken  beschränkt 
waren,  auch  das  innere  und  obere  Deutschland  zu  eröflfnen. 


0  Brunwilarensis  monast.  fundat  actus  c.  14,  SS.  XIV,  138. 

8)  Ib.  c.  17,  p.l35;  Ann.  Brunwilar.  1028,  SS.  XVI,  725:  Aedificatio 
aecclesiae  in  BrumoiUre.  Damit  wird  jedoch  nicht,  wie  Waitz  wohl  irrig 
annimmt,  das  Jahr  der  Weihe  gemeint  sein. 

*)  Ann.  Branwil.  1030:  Ordinatio  abbatis  EllonU. 

♦)  ib.  1034. 

»)  ib.  1048. 

«)  Brunwil.  fundatio  c.  28,  p.  130. 

')  ib.  c.  30. 


184 


2.  Konrad  IL 
L 

Worden  mit  der  Erhebong  des  RomanoB  auf  den  römischen 
Stahl  mit  einem  Male  die  Hofihnngen  zerstört,  die  man  an  die 
reformatorische  Wirksamkeit  Benedicts  VIIL  knüpfen  konnte, 
so  schien  der  ganze  Beformplan  in  nichts  zn  zerfallen,  als 
anch  der  Kaiser,  der  letzte  seines  Geschlechtes,  dahin  ging 
nnd  die  Sorge  nm  das  verwaiste  Reich  alle  andern  Interessen 
in  den  Hintergmnd  driingte.  Der  Ehrgeiz  manches  Fürsten 
erhielt  nenen  Ansporn«*)  Aber  ernstlich  kamen  doch  von  vorn- 
herein nnr  die  beiden  fränkischen  Vettern  in  Frage,  Nach- 
kommen einer  Tochter  Ottos  des  Grossen,  nnd  deswegen  ge- 
eignet, das  nene  Königtum  an  die  alte  Dynastie  anzuknüpfen. 
Wenn  nnn  die  Grossen  des  Reiches  sich  für  den  älteren  von 
ihnen  entschieden^),  so  hat  ausser  den  höheren  Jahren,  der 
anerkannten  Tagend  und  Gerechtigkeit  des  Mannes  vielleicht 
anch  der  Grund  sie  geleitet,  dass  er  im  Gegensatz  zu  dem 
reich  begüterten  und  gefttrchteten  Vetter  die  geringere  Haas- 
macht sein  eigen  nannte.')  Nur  die  uncanonisehe  Ehe  Kon- 
rads erregte  Anstoss  bei  den  Bischöfen  *\  und  Aribo  von  Mainz 
mnss  seiner  ganzen  Vergangenheit  nach  zuerst  an  der  Spitze 
der  Opposition  gestanden  haben. 

Schliesslich  waren  doch  nur  die  oberlothringischen  Herzöge 
auf  Seiten  des  Rivalen,  ihres  Verwandten,  des  jüngeren  Konrad. 
Gozelo  von  Niederlothringen  hat  oflfenbar  eigensüchtige  Pläne  ver- 
folgt, wie  später  beim  Antritt  Heinrichs  III,^)  und  scheint  dem 
Wahlfelde  ferngeblieben  zu  sein.  Jedenfalls  verband  er  sich  nun 


^)  Bresslan,  Konrad  IL  1, 11. 

*)  Die  Person  des  zu  Wählenden  stand  natürlich  fest,  bevor  Aribo 
seine  Stimme  abgab  (vgl  Wipo  c.  2 :  ufide  iam  nutum  Dei  principwn 
cordibuB  inspirari  percepit). 

>)  Vgl.  Wipo  c.  2. 

*)  Rod.  Gl.  IV,  c.  1. 

^)  Ich  vermag  weder  einen  principiellen  Gegensatz  zwischen  Pilgrim 
und  Aribo,  noch  eine  Verbindung  zwischen  Pilgrim  nnd  den  Lothringern 
auf  der  einen,  den  Cluniacensem  auf  der  andern  Seite  zu  erblicken.  Dass 
Gozelo  bei  Konrads  Tode  anfangs  wieder  Heinrich  III.  die  Huldigung 
verweigern  wollte,  beweist,  dass  ihn,  unabhängig  von  der  Person  des  ge- 
wählten  Königs,  ganz  bestimmte  politische  Pläne  leiteten. 


185 

mit  Herzog  Theoderich,  sowie  Bainer  von  Hennegaa  und  Bal- 
dain  Ton  Flandern  und  verpflichtete  die  ihm  untergebenen  Bischöfe 
eidlich,  nur  mit  seinem  Willen  zu  Konrad  zu  gehen  oder  ihm  zu 
huldigen:  eine  Agitation,  die  wohl  schon  vor  der  endgültigen  Ent- 
scheidung begonnen  hatte.O  Die  lothringischen  Bischöfe  befan- 
den sich  unter  dem  Zwange  ihres  waffengewaltigen  Herrn  und 
konnten  sich  dem  Druck  um  so  schwerer  entziehen,  als  die 
Verbindung  mit  Frankreich,  in  die  der  lothringische  Adel 
wieder  einmal  trat,  immer  bereit,  die  Trennung  vom  Beiche  zu 
vollziehen  oder  im  Trüben  zu  fischen,  sie  in  erster  Beihe  den 
Belästigungen  westfränkischer  Heere  auszusetzen  drohte.^)  Dass 
den  Bischöfen  bezüglich  der  Politik  der  Lothringer  keinerlei 
Führung  zukam  und  kirchliche  Gesichtspunkte  somit  nirgend 
in  Frage  standen,  wird  einfach  dadurch  bewiesen,  dass  sie  die 
ersten  waren,  die  bei  guter  Gelegenheit  sich  von  der  Sache 
ihrer  Fürsten  trennten  und  froh,  einer  bedenklichen  Zwangs- 
lage entronnen  zu  sein,  dem  neuen  Könige  huldigten.^) 

Inzwischen  hatten  aber  die  Italiener,  sicher  bald  nach  dem 
Tode  Kaiser  Heinrichs,  den  Abfall  der  Lombardei  ins  Werk 
gesetzt,  und  zuerst  Bobert  von  Frankreich,  dann  Wilhelm  von 
Aquitanien  durch  das  Angebot  der  lombardischen  Krone  für 


^)  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c.50.  Ich  beziehe  die  Stelle  auf  die 
Bischöfe  von  Cöln,  Verdun,  Utrecht,  LUttich  und  Noyon.  Letzterer  ist 
identisch  mit  dem  Bischöfe  von  Toumai.  Tonmai  steht  unter  Flandern, 
dessen  Graf  eben  damals  mit  den  Lothringern  sich  verschwor.  Es  liegt 
hart  an  der  Grenze  des  niederlothringischen  Herzog^ms  und  ist  gerade 
um  diese  Zeit  ans  den  Gesta  Camerac.  in  Beziehungen  zu  Gozelo  und 
Cambrai  nachzuweisen.  Wenn  der  Bischof  auch  nicht  mit  Balduin  auf 
dem  Wahlfelde  zu  erscheinen  hatte,  so  musste  doch  Gozelo  und  Balduin 
daran  liegen,  den  Kreis  der  Verschwörer  zu  schliessen  und  einen  etwaigen 
Verrat  von  rückwärts  zu  verhindern.  Vermutlich  fand  eine  Zusammen- 
kunft dieser  Herren  statt  (in  Toumai?),  nachdem  der  Erzbischof  von 
Köln,  Herzog  Friedrich  und  andere  Lothringer  unzufrieden  das  Wahl- 
feld verlassen  hatten.  Der  Erzbischof  von  Köln  gehörte  zu  denen,  die 
nach  den  Gesta  Camerac.  durch  den  Eid  abgehalten  wurden,  Konrad  zu 
huldigen.  Auf  der  andern  Seite  ist  er  der  erste  gewesen,  der  zu  ihm* 
überging,  da  er  vierzehn  Tage  nach  der  Wahl  bereits  die  Königin  Gisela 
krönte.  Dass  Gozelo  erst  nach  der  Wahl  bei  allen  herumreiste,  erscheint 
mir  demnach  schwer  glaublich. 

')  Das  geht  ganz  klar  aus  den  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c.  50  hervor. 

')  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c.  50. 


186 

sich  zu  gewinnen  gesucht.*)  Während  dieser  in  Oberitalien 
intriguierte,  boten  sich  ihm  die.  Lothringer  von  selbst  als 
Bandesgenossen  dar.  Die  nahe  Verwandtschaft,  die  König 
Robert  mit  Theoderich  von  Oberlothringen  verband,  erleich- 
terte jedenfalls  die  Verbindung  der  Gegner  Konrads,  eine 
Coalition,  so  weitreichend  und  gefährlich,  wie  sie  selten  einem 
deutschen  Könige  sich  entgegenstellte.^) 

Nirgend  ist  ersichtlich,  dass  andere  als  politische  Com- 
binationen  diesmal,  wie  in  anderen  Fällen,  dem  Abfall  der 
Lothringer  zu  Grunde  lagen  und  dass  der  Gegensatz  gegen 
die  Partei  Konrads  IL  durch  kirchliche  oder  religiöse  Motive 
bedingt  war:  wissen  wir  doch,  dass  selbst  ein  Mann  wie  der 
Reichsabt  von  Stablo  und  St.  Maximin  über  den  neuen  Herr- 
scher noch  keine  Meinung  gefasst  hatte.^)  Auch  Odilo  von 
Gluni,  der  der  Krönung  in  Mainz,  wahrscheinlich  bereits  der 
Wahlberatung  in  Kamba  beigewohnt  hattet),  zögerte  nicht,  den 


0  BreBslau  I,  7S. 

>)  Vgl.  den  Brief  Fulcos  von  Anjou  an  König  Robert,  HF  X,  500: 
Nunc  ergo  mandat  (Wilhelm)  vobis,  postidans  suppliciter  gratiam  vestramf 
ut  detineatia  homines  de  Lotharingia  et  Fredericum  ducemj  cAque  alioSj 
q\u>8  poteritiSy  ne  concordent  cum  rege  ConOf  infUctendo  eo8  quantum  qui- 
veritis  ad  auxilium  eius.  Die  Verbindung  mit  Frankreich  geht  aach  aus 
Gesta  episc.  Camer.  III,  c.  50  und  Chron.  S.  Michael,  c.  1 1  hervor,  wo  erzählt 
wird,  dass  Herzog  Theoderich  von  Oberiothringen  den  Münch  Nanther 
ad  quoscumque  regni  principes  dirigebat  legatuMy  et  maxime  ad  consobri- 
num  suum  regem  Francorum,  quoniam  noverat  eum  in  reaponsis  acutissi- 
mum  et  linguae  Gaüicae  peritia  facundüsimum,  Waitz  setzt  die  Abtwahl 
Nanthers  wahrscheinlich  zu  früh,  auf  ca.  1020,  an. 

')  y.  Popponifl  C.30:  Sed  et  ipse  animum  regia  nuper  ordinati,  de 
quo  nihil  adhuc  certum  statuerat,  prudentia  et  aanctitate  ad  amo- 
rem  sui  comparavit  etc. 

^)  Vgl.  Bresslau,  Konrad  II.  I,  34.  Man  wirft  übrigens  die  Frage  auf, 
ob  Odilo  ein  Recht  hatte,  bei  der  Wahl  seine  Stimme  abzugeben  oder 
nicht  Die  Frage  ist  darum  unerheblich,  weil  der  Hauptact  der  mittel- 
alterlichen Wahl  in  der  Vorberatung  liegt,  zu  der  angesehene  Personen 
jeder  Art  und  Nationalität  herangezogen  werden  konnten.  Ich  möchte 
AUS  der  Thatsache,  dass  Aribo  von  Mainz  schliesslich  für  Konrad  IL 
stimmt,  nicht  einmal  den  Schluss  ziehen,  dass  er  auch  bei  der  Wahl- 
beratung von  vornherein  (vgl.  S.  184)  für  ihn  eingetreten  ist,  und  um  so 
weniger  die  Folgerungen  annehmen,  die  an  die  Rivalität  Aribos  und 
Pilgrims  geknüpft  werden,  als  letzterer  vielleicht  nur  unter  dem  Drucke 
der  lothringischen  Herzöge  handelte.    Es  ist  übrigens  wichtig,  dass  auch 


187 

nenen  König  nm  die  BestätigiiDg  der  elsässischen  Besitzangeii 
von  Peterlingen  zu  ersnchen,  und  somit  für  seine  Person  den 
Gandidaten  Aribos  anzuerkennen:  ein  Beweis  fttr  die  völlige 
Gleichgültigkeit  der  kirchlichen  Gegensätze,  die  Aribo  und 
Odilo  sonst  trennten,  in  dieser  Sache.  Er  hatte  es  eilig  gehabt 
mit  seinem  Erscheinen  am  deutschen  Hofe,  aber  auch  nach 
Heinrichs  IL  Wahl  liess  er  ein  Jahr  nur  verstreichen,  bis  er 
dem  Könige  die  Privilegien  von  Peterlingen  vorlegte.  Es  ist 
begreif  lieh,  dass  Odilo  bei  der  Wichtigkeit  des  Thronwechsels, 
besonders  für  die  Geschicke  des  burgundischen  Königreichs,  es 
für  erwünscht  hielt,  die  Dinge  in  der  Nähe  anzusehen,  dass  er 
von  den  französisch-italienischen  Umtrieben  bereits  unterrichtet, 
die  Notwendigkeit  erkannte,  sich  den  Schutz  des  Königs  für 
sein  Stift  zu  sichern:  seine  Anwesenheit  kann  aber  bei  dem 
Mangel  an  Nachrichten  zu  weiteren  Folgerungen  betreffs  der 
Parteiconstellation  kaum  Anlass  geben. 

Die  Goalition  der  Feinde  Konrads  zerfiel,  nicht  aus  Rück- 
sicht auf  Odilo  oder  weil  er  den  Frieden  vermittelte,  sondern 
vermutlich  deshalb,  weil  Robert  H.  vor  dem  geplanten  Angriff 
zurückschreckte  und  nach  der  Befestigung  der  königlichen  Herr- 
schaft die  lothringischen  Fürsten  die  Bischöfe  nicht  länger  von 
dem  Uebergang  auf  die  Seite  des  Siegers  zurückhalten  konnten. 
Pilgrim  von  Köln  unterwarf  sich  als  einer  der  ersten  und  lief 
jetzt,  schlau  genug,  durch  die  Krönung  der  Gisela  dem  Rivalen 
Aribo  den  Rang  ab.  Nur  der  Druck  der  Herzöge  und  die 
Furcht  vor  Frankreich  hatten  den  grössten  Teil  des  Episco- 
pats  zum  Anschluss  an  die  Gegner  Konrads  gezwungen.  Aber 
Gerhard  von  Gambrai,  jener  reichstreue  Kirchenfürst,  und  Poppo 
von  Stablo  hatten  es  verstanden,  eine  neutrale  Haltung  zu 
bewahren.  Sie  erschienen  jetzt  besonders  geeignet,  zwischen 
den  Fürsten  und  Konrad  die  Versöhnung  her  beiz  uflihren^),  die 
zu  Weihnachten  des  Jahres  1025  die  letzten  Verstimmten  dem 
Salier  näherte.^) 

Zeigen  die  Gegensätze,  die  bei  der  Erhebung  Konrads 
hervortraten ,    keineswegs    eine    entscheidende    Beeinflussung 

bei  der  Erhebung  Heinrichs  IL  der  Kölner  Erzbischof  auf  Seiten  der 
Gegner  steht. 

0  V.  Popp.  c.  30;  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c  50. 

>)  Bresslau,  Konrad  II.  1, 112. 


188 

dnreh  fraozÖBisch-lothringische  Reformideen,  so  tritt  das  da- 
niacensische  Element  in  der  Opposition  gegen  die  nncanonische 
Ehe  Konrads  noch  viel  weniger  hervor.^)  In  Frankreich  war 
zwar  die  Bewegung  gegen  Verwandtenehen,  fttr  die  König 
Robert  selbst  das  Beispiel  gegeben  hatte,  fast  noch  allgemeiner 
als  im  Reiche.  Es  lässt  sich  weder  verkennen;  dass  Abbo  von 
Flenry,  freilich  im  Dienste  der  Curie,  den  Sohn  Hngo  Capets 
einst  heftig  angegriffen  hatte,  noch  dass  Rodnlfus  Glaber  sich 
in  der  Beschimpfung  der  uncanonischen  Ehe  Konrads  gar  nicht 
genug  thun  kann.  Aber  der  beschränkte  Klosterbruder  kann 
den  Kaiser,  der  mit  des  Teufels  Hilfe  in  kurzer  Zeit  ganz 
Deutschland  und  Italien  unterworfen  hat^),  überhaupt  nicht 
leiden.  Die  Züchtigung  der  lombardischen  Markgrafen,  die 
dem  Abte  von  Dijon  so  nahe  standen,  hat  offenbar  eine  feind- 
selige Stimmung  in  den  Klöstern  Wilhelms  gegen  Konrad  her- 
vorgerufen, und  Rodulf  Olaber  hat  mit  der  ganzen  Beschränkt- 
heit seines  Verstandes  diesem  Hass  jeden  Augenblick  den 
crassesten  Ausdruck  gegeben.  Er  weiss  von  der  Opposition  der 
Bischöfe  gegen  die  Krönung  Giselas:  selbstverständlich  wirft  er 
sich  erst  recht  in  die  Brust  und  glaubt  nach  Art  dummer  Leute, 
die  keine  eigenen  Oedanken  haben,  das,  was  andere  gesagt 
haben,  in  dem  Tone  sittlicher  Entrüstung  durch  ein  paar 
Schimpireden  überbieten  zu  müssen.  Bezüglich  dieser  Ange- 
legenheit des  kirchlichen  Eherechts  handelt  es  sich  aber  über- 
haupt wie  bei  allen  andern  um  eine  Frage,  die  die  Bischöfe 
vielmehr  interessierte  als  die  Mönche.  Denn  es  ist  eine  Frage 
der  episcopalen  Disciplinargewalt  Keine  andere  Rechtsbefug- 
nis gab  dem  Bischöfe  solche  Gelegenheit,  in  die  persönlichen 
Verhältnisse  der  Laien  einzugreifen,  als  die  Gewalt  über  die 
Eheschliessung.  In  keinem  Punkte  erfuhr  der  Episcopat  solche 
Anfeindung  seitens  der  Untergebenen,  als  in  diesem.  Diese 
Frage  bringt  die  niederen  Volksschichten  zu  der  Ueberzeugung, 
dass  die  Ehen  abgeschafft  werden  müssen ;  sie  trägt  dazu  bei, 
die  absolute  Dispensationsgewalt  des  Papstes  praktisch  zu  be- 
gründen. Weder  in  Frankreich  noch  in  Deutschland  haben 
wir   in   dem  Vorgehen   der  Bischöfe   gegen   unerlaubte   Ehe- 


*)  Ich  stimme  darin  Bresslau  yollkommen  zu. 
«)  Rod.  Glaber  IV,  c.  2,  §  5. 


189 

schliesBiiDgeii  ein  Element  zu  suchen,  das  mit  mönchischen 
Reformtendenzen  zusammenhinge.  Sowie  das  Vorgehen  Hein- 
richs II.  gegen  Konrad  von  Kärnthen,  Otto  von  Hammerstein 
und  Konrad  von  Franken  selbst  nur  eine  Beteiligung  des 
deutschen  Episcopats,  keine  Spur  monachaler  Einwirkung  ver- 
rät, so  fehlt  auch  für  die  Angelegenheit  der  Gisela  jeder  Be- 
leg ftlr  ein  actives  Eingreifen  dieser  Kreise.  Vermittelte  doch 
Poppe  von  Stablo  noch  1032  das  deutsch-französische  Bündnis 
auf  Grund  eines  uncanonischen  Ehevertrags,  und  bei  der  Ver- 
mählung Heinrichs  lU.  mit  Agnes  von  Poiton  bleiben  die  lei- 
tenden Personen  am  Hofe  stumm,  um  das  Räsonnieren  wieder 
den  kleinen,  der  Politik  fernstehenden  Geistern  zu  überlassen. 
Mag  aber  auch  später  das  Mönchtum  bereits  von  einer  strenge- 
ren canonistischen  Richtung  beeinflusst  sein:  zu  Konrads  Zeit 
kann  weder  von  einem  Einfluss  cluniacensischer  Mönche  noch 
duniacensisch  gesinnter  Bischöfe  geredet  werden,  aus  dem 
einfachen  Grunde,  weil  es,  zumal  in  Deutschland,  derartige 
Existenzen  im  Sinne  einer  Partei  mit  bestimmtem  kirchen- 
rechtlichen Programm  überhaupt  nicht  gegeben  hat 

n. 

Odilo  wandte  sich  von  Mainz,  wo  er  die  Urkunde  für 
Peterlingen  hatte  ausfertigen  lassen,  vermutlich  der  Heimat  zu, 
in  der  er  am  1.  December  1024  zuerst  wieder  nachweisbar  ist^) 
Das  nächste  Jahr  verbrachte  er  in  inneren  Angelegenheiten; 
er  war  1025  gerade  durch  die  Stiftung  des  Familienklosters 
La  Vofite  in  Anspruch  genommen.^)  Ebenso  erschien  er  da- 
mals auf  einer  Synode  zu  Anse  im  Gau  von  Lyon  3),  wo  er 
sich  zum  ersten  Mal  auf  die  Angriffe  der  französischen  Bischöfe 
gegen  die  Freiheiten  seines  Klosters  zu  verantworten  hatte. 

Bisher  hatte  die  Opposition  des  Episcopats,  die,  wie  wir 

0  Cartul.  d'Ainay  nr.  188.  Er  schliesst  am  1.  Dec.  1024  mit  dem 
Abte  Gerald  von  Ainay  einen  Tausch  ab. 

>)  CHCL  III,  nr.2788.  Dass  er  1025  bei  Richard  von  St.Vannes  war, 
wage  ich  jetzt  dem  nnglaubhaften  Hugo  Fiavln.  II,  c.  18  nicht  mehr  nach- 
zuerzählen. 

')  Die  Synodalacten  bei  Mansi  XIX,  col.423;  vgl.  Hefele,  Concilien- 
gesch.  IV,  680.  —  Auf  derselben  Synode,  wie  es  scheint,  verzichteten 
mehrere  Personen  auf  Ansprüche  in  Valensolle,  CHCL  III,  nr.  2066.  Vgl. 
auch  oben  S.  168. 


190 

sahen,  gegen  die  Exemtionen  der  Klöster  und  die  mit  der  Re- 
form Yerbnndene  Ablehnung  der  bischöflichen  Jaridiction  ge- 
richtet war,  sich  gerade  an  den  Abt  von  Glnni  nicht  heran- 
gewagt: jetzt  erhob  Bischof  Gauzlin  von  Mäcon  gegen  Odilo 
Klage,  weil  er  Ordinationen  nicht  Yon  ihm,  sondern  dem  Erz- 
bischof Burchard  von  Vienne  habe  vornehmen  lassen. 

Gerade  mit  den  Bischöfen  von  Mäcon  hatten  die  Clunia- 
censer  sieh  bis  jetzt  im  allgemeinen  vortrefflich  vertragen. 
Denn  waren  auch  bald  in  den  Anfängen  der  Abtei  Zwistig- 
keiten  mit  Bischof  Gerald  über  Kirchenzehnten  ausgebrochen, 
so  Uberliess  doch  Geralds  Nachfolger,  Bemo,  den  Mönchen 
nicht  nur  die  bestrittenen  Zehnten,  sondern  rühmte  auch  die 
ganz  besondere  Freundschaft,  die  Cluni  mit  dem  Diöcesansitze 
verband:  er  schloss  sogar  eine  Gebets verbrttdernng  mit  dem 
Nachbarkloster.  <)  Derselbe  Bischof  gestattete  weiter  den  Bau 
einer  Capelle  des  hl.  Julian  auf  einem  von  König  Rudolf  von 
Frankreich  geschenkten  Grundstück  und  bewilligte  neue  Zehn- 
ten.2)  Noch  enger  wurde  die  Freundschaft  unter  Bischof  Maim- 
bod,  der  schon  als  Mitglied  des  Mäconer  Domclerus  alle  Acte 
Bernos  ftlr  Cluni  mitunterzeichnete  und  seiner  frommen  Ge- 
sinnung bereits  im  Jahre  929  Ausdruck  gab,  indem  er  mit 
zweien  seiner  Brüder  zum  Seelenheil  der  Eltern  Cluni  be- 
schenkte.^) Als  im  Jahre  937  infolge  des  Ungarneinfalles  ein- 
zelne Kirchen,  die  Cluni  im  Mäconer  Sprengel  besass,  zu  Grunde 
gingen,  gewährte  der  Bisehof  teilweise  Erleichterungen^);  auch 
in  den  vierziger  Jahren  Hess  er  es  an  Freundschaftsbezeugungen 
nicht  fehlen.^)  Am  15.  Mai  956  ersuchten  üildebrand  und  Ma- 
jolus  im  Namen  des  Abtes  Aymard  um  die  Zehnten  zweier 
Kirchen <^);  und  kaum  war  der  Besitz  angetreten,  als  im  No- 
vember 962  oder  963  Maimbods  Nachfolger  Odo  im  Gau  von 
Mäcon  sechs  Kirchen  und  Capellen  mit  Landbesitz  und  Zehn- 
ten dem  Kloster  zuwies.^)     Das  freundschaftliche  Verhältnis 


»)  ürk.  V.Jan.  939,  CHOL  I,  nr.373;  Ragut,  Cartul.  de  Saint- Vincent 
p.  587;  vgl.  J.-L.  nr.  3584. 

*)  Urk.  Bernos  v.  932—933,  CHCL  I,  nr.  408. 

»)  Jan.  929,  CHCL  I,  nr.  374.        *)  ib.  I,  nr.  484,  Febr.  938. 

»)  ib.  I,  nr.  534. 

•)  ib.  n,  nr.  1000. 

*)  ib.  II,  nr.  1139. 


191 

dauerte  fort^),  aiieh  als  Milo^)  und  Letbald^)  den  Bischofs- 
stahl  eingenommen  hatten:  der  eine  wie  der  andere  schenkte 
Kirchen  and  Zehnten  an  die  aufblühende  Abtei. 

Es  scheint  nicht  einmal,  dass  die  Cluniacenser  die  Em- 
pfindlichkeit der  Bischöfe  von  Mäcon  geschont  hätten  und 
priesterliche  Handlungen  von  ihnen  vornehmen  Hessen:  der 
Erzbischof  von  Besanfon  und  der  Bischof  von  Chalon  teilten 
sich  vielmehr,  wenn  wir  recht  unterrichtet  sind,  in  die  Ehre 
der  Consecration  des  Abtes.  Man  wird  also  annehmen  dürfen, 
dass  Bischof  Gauzlin,  wenn  er  Odilo  zur  Rede  stellte,  von  der 
allgemeinen  im  Weltclerus  verbreiteten  Strömung  fortgerissen 
wurde,  die  sich  gegen  den  mit  Macht  umsichgreifenden  Ein- 
flass  des  Mönchswesens  nicht  ohne  Grund  auflehnte. 

Vergebens  berief  sich  Odilo  auf  die  Privilegien  seiner 
Abtei  ^):  er  hat  damit  offenbar  vor  allem  die  Urkunde  Jo- 
hanns XIX,  die  aber  wahrscheinlich  schon  unter  Benedict  VIII. 
bestellt  wurde,  gemeint,  in  der  die  engen  Beziehungen  Roms 
zu  Cluni  und  das  alte  Verbot,  dass  irgend  ein  Bischof  oder 
Weltgeistlicher  ohne  Einladung  des  Abtes  sacrale  Handlungen 
vornehme,  besonders  zum  Ausdruck  kommt.  Wenn  die  Abtei 
ausdrücklich  von  jedem  Interdict  oder  jeder  Bannung  frei  ge- 
sprochen wird  und  alle  Klagen  gegen  das  Kloster  nach  Rom 
verwiesen  werden,  so  seheinen  schon  längere  Differenzen  mit 
dem  Diöcesanbischof  Odilo  veranlasst  zu  haben,  sich  nach 
allen  Seiten  hin  zu  sichern.^)  Die  Bischöfe  erkannten  jedoch 
auf  der  Synode  die  Beschlüsse  des  Conzils  von  Chalcedon  von 
451  <^)  als  bindend  an,  welches  die  Leute  schalt,  die  den  Mönchs- 

*)  Mit  Ado  (968  —  971)  schloss  Majolus  einen  Tausch  ab,  Ragut, 
CartuL  nr.267,  p.  160. 

')  CHOL  II,  nr.  1553.  Uebertragung  zweier  Kirchen  mit  Zehnten  und 
Zubehör  am  29.  Mai  981. 

»)  CHOL  III,  nr.  2636,  Urk.  v.  Aug.  1006. 

0  Vgl.  Hefele,  Gonciliengesch.  lY,  680;  Bresslau,  Eonrad  II.  1, 147; 
Ringholz,  Der  hl.  Abt  Odilo  S.  32. 

*)  Es  ist  das  die  Urkunde,  über  die  oben  S.  7,  n.  3  schon  gesprochen 
wurde.  Sehr  wahrscheinlich  wurde  die  Urkunde  mit  der  Intervention 
Kaiser  Heinrichs  schon  unter  Benedict  VIII.  gefordert,  aber  infolge  irgend 
welcher  Schwierigkeiten  oder  des  Todes  des  Papstes  erst  unter  Johann  XIX. 
ausgestellt,  eine  Erklärung,  auf  die  mich  Herr  Prof.  Bresslau  freundlichst 
aufmerksam  macht 

•)  Vgl.  Hefele  II,  489  flf. 


192 

stand  nur  zum  Vorwand  nähmen,  die  kirchlichen  und  bürger- 
lichen Angelegenheiten  verwirrten,  in  den  Städten  amherliefen 
und  eigene  Klöster  fttr  sich  gründen  wollten,  ohne  den  Bischof 
zu  befragen:  mit  den  Vätern  von  Chalcedon  verboten  sie  die 
Errichtung  irgend  eines  Klosters  oder  Bethauses  ohne  Zu- 
stimmung des  Bischofs,  forderten  sie  die  unbedingte  Ergeben- 
heit der  Mönche  und  untersagten  denselben  das  Befassen  mit 
weltlichen  Geschäften. 

Odilo  musste  zunächst  auf  sein  Hecht  verzichten:  mehr 
als  ein  Jahr  verging,  bis  er  in  Rom  klagend  vor  Johann  XIX. 
erschien.^)  Er  hatte  sich  vermutlich  im  December  1026  dem 
in  Ivrea  lagernden  Könige  2)  angeschlossen,  bei  dem  sich  auch 
Wilhelm  von  D^on  eingefunden  hatte,  um  das  Schutzprivileg 
Heinrichs  IL  fttr  Fruttuaria  bestätigen  zu  lassen.^)  Vielleicht 
war  Odilo  auch  direct  nach  Pavia  gezogen,  wo  er  die  von 
dem  deutschen  Herrscher  wegen  der  Zerstörung  der  könig- 
lichen Pfalz  hart  bedrängten  Paveser,  wie  man  erzählte,  durch 
seine  Fürsprache  vom  Untergange  rettete.*)  Von  Pavia  zog  er 
Anfang  1027  mit  Konrad  nach  Rom,  der  hier  die  Kaiserkrone 
empfing.  Alsbald  lieh  der  Salier  dem  Abte  seine  wertvolle 
Intervention  beim  Papst  Odilo  scheint  den  Oberhirten  zunächst 
um  erneute  Bestätigung  der  früher  ausgestellten  Urkunde  ge- 
beten zu  haben.^)    Am  28.  März  erneuerte  Johann  XIX.  ans- 


1)  Die  Urk.  Roberts  HF  X,  611  und  CHOL  IV,  nr.  2800,  welche  den 
Besitz  von  Cluni  bestätigt  nnd  verbietet^  dass  jemand  in  confinio  mona- 
sterii  ein  Castell  erriclite,  ist  wohl  erst  eine  Folge  des  vom  Papste  an 
den  König  gerichteten  Briefes. 

*)  Bresslau,  Eonrad  IL  I,  138. 

^)  Die  genaue  Zeitbestimmung  erhellt  aus  dem  jetzt  erst  von  Cipolla, 
Nuovi  studi  suU'  itinerario  di  Gonrado  IL  nel  1026,  Atti  della  K.  academia 
delle  scienze  di  Torino  XXVI  (1891),  892  mit  dem  Datum  edierten  Privi- 
leg Konrads  IL  fUr  Fruttuaria. 

^)  Jots.  V.  Odil.  I,  c.  7;  vgl.  oben  S.  7,  n.  2.  Die  Annahme  Bresslaus 
und  Giesebrechts,  dass  dies  Anfang  1027  geschah,  wird  noch  dadurch  ge- 
stutzt, dass  Odilo  bereits  im  Mai  1027  wieder  in  Reims  war  (vgl.  die  Urk. 
f.  Montierender  HF  X,  613).  Liesse  man  Wipo  c.  12,  dessen  Nachricht 
ohnedies  erst  einer  künstlichen  Interpretation  bedarf,  fallen,  so  möchte 
man  fragen,  ob  nicht  der  plötzliche  Wegzug  Konrads  von  Pavia,  das  er 
bis  dahin  hart  bedrängte,  im  Febr.  1027  Odilo  verdankt  werden  mUsste. 

^)  Das  ist  wohl  die  Urkunde,  die  der  Papst  in  dem  Briefe  an 
König  Robert  erwähnt.  Vgl.  S.  7,  n.  3.    Dagegen  scheint  mir  die  Fpistola 


198 

drttcklieh  in  einem  offenen  Schreiben  an  alle  Gläubigen  —  wenn 
das  betreffende  Schriftstück  wirklich  authentisch  ist  —  das 
Verbot,  das  Kloster  zn  excommnnicieren.  Aber  er  ging  vor  allem 
scharf  gegen  die  französischen  Bischöfe  vor,  welche  die  univer- 
sale Gewalt  der  römischen  Päpste  nicht  anerkennen  wollten. 
Bedenkt  man,  dass  Johann  X^.  noch  vor  kurzem  im  Begriff 
war,  die  allgemeinen  Ansprüche  des  römischen  Stuhles  gegen 
Geld  aufzugeben,  so  kann  man  nicht  bezweifeln,  dass  Odilo 
deoi  päpstlichen  Schreiber  die  Briefe,  die  diese  so  sehr  betonen, 
in  die  Feder  dictierte.  Die  erwähnte  Urkunde  begleitete  ein  Brief 
an  König  Robert,  den  der  Papst  aufforderte,  das  Document 
zu  bestätigen  und  ihm  in  seinen  Landen  Anerkennung  zu  ver- 
schaffen. Da  an  vielen  Orten  der  Zustand  der  Kirche  sogar 
durch  die  Söhne  derselben  verwirrt  und  die  heilige  hierarchische 
Ordnung  untergraben  würde,  Frömmigkeit  und  Gerechtigkeit 
in  Unehre  kämen  und  die  apostolischen  und  königlichen  Pri- 
vilegien mit  Füssen  getreten  würden,  hält  er  dem  Könige  als 
eine  Pflicht  vor,  gegen  die  Feinde  der  Wahrheit,  Heiligkeit 
und  Religion  den  frommen  Brauch  früherer  Väter  zu  vertei- 
digen.   Einigen  Bischöfen  genüge  es  nicht,  unrechten  Erwerb 

Joh.  XIX.  ad  universos  ecclesiae  fideles,  J.-L.  nr.  4079,  Bull.  Glun.  p.  9  mit 
dem  Datum:  Y.  Kai.  April,  anno  papae  III.  ind.  X.  und  der  Bemerkung: 
in  conventu  Romae  congregato  in  praesentia  damini  Conradi  regia  d.  augusti 
nuper  a  Deo  et  nobia  in  imperiwn  Rontani  orbia  eUcti,  ein  Document,  das 
Bresfllau,  Kunrad  II.  1, 148  fUr  die  Hauptbulle  hält,  nicht  unmittelbar  zn 
den  andern  Schreiben  zu  gehören,  da  der  Brief  im  wesentlichen  nur  be- 
tont, dass  Cluni  von  bischöflicher  Ezcommunication  ausgeschlossen  ist, 
welcher  Punkt  in  jenen  Briefen  gar  nicht  hervortritt.  Bemerkenswert  ist 
die  Stelle:  a  praedeceaaoribtta  quoque  noatria  apoatolicae  aedia  praeauJibu8j 
Formoao,  lohanne,  BenedictOf  item  BenedictOj  Chregorio,  Süveatro,  meo  non 
modo  apirituali  patre,  aed  et  camdli  fratre  Benedicto  . . .  corrohoratum  et 
confirmatum.  Muss  diese  genaue  Aufzählung  an  sich  befremden,  so  kommt 
noch  hinzu,  dass  sie  zu.  Bedenken  Anlass  giebt.  Als  Formosus  Papst 
war,  existierte  Cluni  noch  gar  nicht,  mithin  kann  von  einer  Bestätigung 
seiner  Rechte  durch  ihn  nicht  die  Rede  sein.  Ferner  fehlen  die  BestÜti- 
gungsbullen  Leos  VII.  und  Agapits  IL  gänzlich.  Unter  Benedicto,  item 
Benedicto  können  nur  Benedict  Y,  VI.  oder  VII.  gemeint  sein,  von  denen 
Privilegien  fUr  Cluni  nicht  existieren  und  bei  dem  ungünstigen  Urteil  der 
Cluniacenser  über  sie  und  der  Stellung  Clunis  zu  Rom  in  Jener  Zeit  sehr 
unwahrscheinlich  sind.  Endlich  existiert  auch  von  Silvester  IL  fttr  Cluni 
keine  Urkunde.  Ist  der  Brief  etwa  1063  gefälscht  oder  interpoliert  wor- 
den, als  Cluni  wirklich  excommuniciert  worden  war? 

Sackur,  CIiiniAceiiaer.    II.  13 


194 

gegen  alle  Religion  in  sehwelgerischer  Lebensweise  zn  ver- 
geuden, sondern  sie  wollten  aneh  Besitzungen  der  römischen 
Kirche  in  ihre  Gewalt  bringen.  In  ihren  Bestrebungen,  das 
Haupt  zu  zerpflttcken,  vergässen  die  Elenden,  dass  die  Decrete 
des  heiligen  römischen  Stuhles  mit  dem  gleichen  Glauben  und 
der  gleichen  Verehrung  hinzunehmen  seien  von  den  Söhnen 
der  Kirche,  wie  die  Canones,  ohne  Serupeln,  ohne  dass  jemand 
daran  zu  mäkeln  wage.  Kritik  dulde  die  Aensserung  nicht, 
die  durch  das  Siegel  des  hl.  Petrus  bekräftigt  werde,  und,  wie 
Papst  Leo  sage,  sei  es  ein  Wahnsinn,  gegen  den  zu  murren, 
dessen  Schirm  und  Schutz  der  Pförtner  des  himmlischen  Reiches 
sei.^)  Zugleich  richtete  der  Papst  ein  Schreiben  an  Gauzlin 
von  Mäcon.  Er  hält  es  für  unbegreiflich,  wie  jener,  der  stets 
fttr  einen  echten  Sohn  und  Schüler  der  römischen  Kirche  ge- 
golten, dieser  seiner  Mutter  entgegentreten  könne,  wie  er  sich 
erlauben  dürfe,  die  Freiheitsprivilegien  der  Abtei  Cluni,  die 
an  Heiligkeit  in  keinem  Lande  ihres  gleichen  habe,  fttr  un- 
gültig zu  erklären.  Er  wolle  wohl  die  Glieder  der  römischen 
Kirche  gierig  zerreissen:  das  solle  er  bleiben  lassen,  denn  ihn 
treffe  der  Umsturz  mit  Ein  Präjudiz  ttber  Cluni  werde  er  in 
keinem  Falle  dulden.^)  In  einem  dritten  Briefe  beklagte  sich 
Johann  ttber  den  Bischof  von  Mäcon  bei  seinem  Metropolitan, 
dem  Erzbischof  Burchard  von  Lyon,  und  sprach  die  Bitte  aus, 
dieser  möge,  wie  er  sich  bisher  als  Gönner  jener  einzigen  Abtei 
gezeigt  habe,  ihre  fnteressen  beständig  fördern  helfen.  Er  solle 
auch  seinerseits,  wie  er,  der  Papst,  schon  durch  sein  Schreiben 
gethan,  dem  Suffragan  Weihen  und  Ordinationen  in  Cluni  ver- 
bieten.^) 

Den  Bund,  den  Odilo  mit  dem  Papste  geschlossen  hatte, 

I)  BuUuium  Clun.  p.  7;  J.-L.  nr.  4081.  Die  Worte:  hoc  privikgium 
apostolica  auctoritate  ßio  nostro  cariasimo  OdUoni  et  sibi  succedentibus 
in  perpetuum  facere  voluimus;  quod  vestrae  nobilitati  idcirco  cum  his 
litteris  mittimus  zeigen,  dass  die  Urkunde  dem  Könige  mit  dem  Schreiben 
zugesandt  wurde. 

*)  Bull.  Clun.  p.8;  J.-L.  nr.4082:  Quod  ita  (iccipimus,  qtiemadmodum 
81  ipsa  membra  nostra  avide  discerpere  quaereres;  et  quod  9%ne  ruina  tua 
esse  nequit. 

>)  Bull.  Clun.  p.  9;  J.-L.  nr.  4083.  Aus  den  Worten:  sicui  nos  litteris 
nostris  fecimus  ergiebt  sich,  dass  dieser  Brief  wieder  bald  auf  die  vor- 
hergehenden folgte. 


195 

besiegelte  Johann  gleichsam,  indem  er  dem  Abte  ein  dem 
hl.  Petrus  gehöriges  Stück  Land,  das  der  ältere  Wigo,  der 
Grossvater  des  Bisehofs  Hnmbert  von  Valence,  einst  dem 
römischen  Stahl  geschenkt  hatte,  zu  dauerndem  Eigentum 
gegen  einen  Zins  überwies.  <) 

Der  Aufenthalt  Odiles  an  der  Seite  des  Kaisers  in  Rom 
macht  sieh  nun  sonst  auch  in  unsem  Quellen  bemerklich;  so 
wohnte  er  einer  römischen  Synode  bei,  die  in  oberitalienischen 
Angelegenheiten  abgehalten  wurde.^)  Wenn  Konrad  IL  jetzt 
das  alte  Privileg  flir  Peterlingen  von  vor  drei  Jahren  einfach 
wiederholte'),  so  seheint  das  mit  dem  neuen  Stadium  zu- 
sammenzuhängen, in  welches  die  burgundische  Frage  durch 
die  Annäherung  Rudolfs  IIL  an  den  Salier  seit  Ende  1026  ge- 
raten war.  Jedenfalls  muss  Odilo  doch  die  Notwendigkeit  ge- 
fühlt haben,  sich  nun  auch  vom  Kaiser  bestätigen  zu  lassen, 
was  der  König  bewilligt  hatte.  Man  empfindet  den  gemein- 
samen Einfluss  der  bedeutendsten  Cluniacenser,  Odiles  und 
Wilhelms  von  St.  Benigne,  auf  den  Kaiser,  wenn  dieser  in  Ivrea 
der  Abtei  Fruttuaria  dieselben  Freiheiten  zuerkannte,  die  Gluni 
genoss^)  und  sich  und  seine  Nachfolger  in  die  Societät  auf- 
nehmen Hess. 

Inzwischen  hatte  der  Abt  von  Cluni  von  Rom  aus  einen  Ab- 
stecher nach  Monte  Cassino  gemacht,  da  er  wahrscheinlich  auf 
dieser  Reise  das  Benedictsfest,  den  21.  März,  in  der  berühmten 
Abtei  feierte.^)    Abt  Theobald  nahm  ihn  mit  allen  Ehren  auf; 

^)  CHCL  IV,  nr.  2708  datiert:  anno  primo  consecrationia  domni  Con- 
radi  imperatoris.  £s  unterschrieben :  Himü>erttt8  episcoptts  Valent.  —  Wigo 
frater  ipaius. 

')  Vgl.  Bresslau,  Eonrad  11  I,  138. 

>)  St.  1941;  Schöpflin  I,  nr.  156. 

*)  Urk.  y.  20.  Dec.  1026  ed.  Cipolla  a.  a.  0.:  tU  eandetn  Uli  in  omnibus 
liberttUem  conservaretj  quam  Cluniacense  monasterium  ohtinere  dinosciUw, 

^)  Bresslau,  Jahrb.  Heinrichs- II.  III,  210  meinte,  der  Besuch  Odilos 
habe  wohl  noch  unter  Heinrich  II.  stattgefunden.  Es  lässt  sich  jedoch 
zeigen,  dass  Odilos  Aufenthalt  in  Monte  Cassino  zwischen  1024  und 
1028  fällt  Leon.  Chron.  Gas.  II,  c.  54  berichtet,  dass  Odilo  unter  Abt 
Theobald  (1022—1035)  nach  M.  C.  kam,  und  erzählt,  dass  er  sieben  Jahre 
später  durch  cluniacensische  Manche  Reliquien  des  hl.  Maurus  dorthin 
sandte,  die  zu  einer  Zeit  ankamen,  als  der  genannte  Abt,  verfolgt  von 
den  Fürsten  von  Capua,  sich  nach  der  Mark  zurückgezogen  hatte.  Nun 
lebte  Theobald  nach  c.  58  per  quinque  circiter  annos  uaq'ue  ad  ohitum  in 

18* 


196 

am  Festtage  selbst  konnte  Odilo  nicht  dazn  gebracht  werden, 
die  Messe  öffentlich  zu  lesen  und  den  Krnmmstab  zn  führen,  den 
der  Abt  ihm  Ehren  halber  anbot.  Ein  freundliches  Verhältnis 
zwischen  den  Claniacensem  und  den  Brttdern  von  Monte  Gas- 
sino  ward  angeknüpft,  nnd  sieben  Jahre  nach  diesem  Aufent- 
halt überbrachten  Mönche  Odilos  die  erbetenen  Reliquien  des 
hl.  Maurus,  die  in  feierlicher  Procession  eingeholt  wurden. 


3.  Italienische  Reformwirkungen. 

I. 

Die  Lage  der  reichsunmittelbaren  Abteien  Mittelitaliens, 
wie  Farfa  und  Pescara,  war  immer  noch  eine  ganz  klägliche. 
Die  Landbarone  hörten  nicht  auf,  den  ausgedehnten  Grund- 
besitz der  Klöster  zu  belästigen,  und  alle  Massnahmen  der 
Kaiser  erwiesen  sich  als  eitel  und  nutzlos.  Die  Unfähigkeit 
einzelner  Aebte,  die,  von  dem  Landadel  abhängig,  in  unver- 
antwortlicher Weise  Güter  und  Einkünfte  zu  Grunde  richteten, 
kam  der  Ländergier  der  Burgherren  und  der  Adelsgeschlech- 
ter entgegen,  die  wie  Geier  sich  auf  die  halb  aufgelösten 
geistlichen  Institute  stürzten.  In  Farfa  konnte  man  immer  und 
immer  keine  Ruhe  vor  den  Crescentiern  und  ihren  Quälereien 
finden,  und  Casauria  ging  seit  dem  Ende  des  zehnten  Jahr- 
hunderts seiner  Auflösung  entgegen.  Seit  Otto  IL  hatte  sich 
kein  Kaiser  mehr  um  die  Abtei  gekümmert,  so  viel  wir  wissen. 
Auch  Heinrich  II.  liess  die  Aebte  gewähren,  bis  vielleicht  wäh- 
rend seines  letzten  Aufenthalts  in  Mittelitalien  die  Lage  des 
Klosters  seine  Aufmerksamkeit  erregte. 

Der  Kaiser  soll  in  der  Nähe  von  Farfa  geweilt  haben,  als 
ihn  die  Nachricht  von  dem  Ableben  der  Abtes  Adam  erreichte^): 

der  Mark,  also  von  etwa  1031 — 1035,  mithin  trafen  in  dieser  Zeit  die  Re- 
liquien ein.  Da  nun  Odilo  sieben  Jahre  früher  in  H.  C.  war,  muss  sein 
Aufenthalt  1024—1028  gesetzt  werden;  und  weil  1027  ein  längerer  Auf- 
enthalt in  Italien  bezeugt  ist,  und  zwar  im  Frühjahr,  so  stehe  ich  nicht 
an,  seinen  Aufenthalt  in  M.  C.  hierherzusetzen.  Auf  einem  Rechenfehler 
beruht  jedenfalls  die  irrige  Angabe  Ringholz',  Der  hl.  Odilo  S.  53,  dass 
Odilo  1023  direct  nach  M.  C.  gestiegen  sei.  Er  und  Giesebrecht,  Kaiser- 
zeit II,  185  nehmen  ttbrigens  Reformen  an,  die  nirgend  gewährleistet  sind. 
>)  Chron.  Casaur.,  d'Ach^iy,  Spicil.  II,  948.    Die  Chronologie  ist  je- 


197 

eine  UeberlieferoDg,  die  Bich  mit  andern  chronologiBcben  An- 
gaben unserer  Quelle  nicht  verträgt.  Das  wichtigste  ist,  dass 
dem  Abte  Hngo  von  Farfa  die  Frage  der  Neubesetzung  des  Amtes 
vorgelegt  wurde;  aufs  wärmste  empfahl  man  einen  Farfeser 
Mönch,  namens  Guido,  der  auch  mit  Energie  am  1.  Mai  1024 
die  neue  Würde  antrat  Er  hatte  viel  zu  bauen  und  zu  re- 
staurieren, da  die  Wände  eingefallen  und  das  Kloster  zerstört 
war:  *  es  mangelte  an  Brot  und  an  Kleidung.  Der  Tod  des 
Kaisers,  der  wenige  Monate  später  erfolgte,  hinderte  den  Abt, 
zunächst  die  Neubestätigung  der  Privilegien  durchzusetzen. 

Die  ängstliche  Politik,  die  Konrad  II.  gerade  dem  italie- 
nischen Adel  gegenüber  einschlug,  lähmte  seine  Energie  zu 
Gunsten  der  regulären  Stifter  entschieden.  In  Farfa  gestaltete 
sich  die  Lage  so  verzweiflungsvoll,  dass  Hugo  den  Abtstab 
jetzt  wirklich  niederlegte,  um  so  bedauerlicher,  als  sein  Nach- 
folger Guido  der  Last  der  Geschäfte  keineswegs  gewachsen 
war.  Die  fortwährenden  Schwierigkeiten,  mit  denen  der  Abt 
zu  kämpfen  hatte,  machten  das  lästige  Amt  so  wenig  begeh- 
renswert, dass  einer  der  Mönche  es  mit  Hohn  zurückwies,  und 
der  vielgeprüfte  Hugo  sich  am  9.  Juni  1036  noch  einmal  zur 
Uebemahme  bequemen  musste.^)  Zwar  hatte  schon  Guido  von 
Konrad  U.  ein  Privileg  zu  Gunsten  seines  Besitzes  erhalten, 
aber  von  einer  activen  Thätigkeit  des  Kaisers  gegen  die  ge 


doch  sehr  bedenklich.  Nach  der  Chronik  wftre  Adam  1023  gestorben, 
einige  andere  Aebte  gefolgt  und  1024  der  neue  Abt  vom  Kaiser  in  Farfa 
ernannt  worden.  Auch  p.  953  wird  erzählt,  Guido  sei  am  23.  Nov.  1045 
gestorben,  nachdem  er  21  Jahre,  6  Monate,  23  Tage  regiert  habe,  was  auf 
den  1.  Mai  1024  als  Amtsantritt  führt.  Gerade  die  letzte  Angabe  stammt 
sicher  aus  der  verlorenen  V.  Guidonis,  die  der  Chronist  p.  048  (Liber,  qui 
de  eiu8  vita  acriptus  habetur  in  monasterio)  erwähnt.  Vermutlich  ist  die- 
ser Vita  auch  die  Geschichte  der  Erhebung  zum  Abt  entnommen,  die  mit 
den  Thatsachen  nicht  zu  vereinbaren  ist  Nachdem  Guido  nach  Pescara 
gegangen,  paucis  diebua  Un  commoranSj  aimiptis  privilegiis  et  chartis  re- 
vertebatw  ad  imperatorem,  dessen  Tod  er  schon  nnterwegs  erfuhr:  was 
auch  nicht  zu  Heinrichs  Aufenthalt  in  Italien  von  1022  stimmt.  Aber  die 
Verwirrung  geht  noch  weiter.  Nach  der  Chronik  haben  die  Mönche  Kaiser 
Heinrich  H.  eine  Schrift  Überreicht,  in  der  sie  die  Not  der  Abtei  schildern. 
Ein  Blick  auf  die  Adresse  des  Briefes  lehrt  aber,  dass  er  an  Heinrich  m. 
gerichtet  ist.  Somit  dürfte  alles,  was  von  Heinrich  II.  erzählt  ist,  nur  auf 
falscher  Combination  der  V.  Guidonis  oder  des  Chron.  Casaur.  beruhen. 
1)  Ann.  Farf.  1036;  Bresslau  1, 165  ff. 


198 

fährlichen  sabiniBchen  Brttder  oder  während  der  letzten  unan- 
genehmen Wirren  betreffs  der  Abtwilrde  findet  sich  gar  nichts. 
Oefter  vernahm  man  zwar  in  Casanria  damals  den  Namen 
des  deutschen  Kaisers  dank  der  Unermttdlichkeit  des  regsamen 
Abtes  Guido.  Konrad  bestätigte  auf  seinem  Römerznge  im 
April  1027  Besitz  und  Rechte^),  beauftragte  den  Herzog  Hugo 
von  Camerino,  in  des  Kaisers  Namen  die  Abtei  wieder  in  den 
Besitz  ihrer  Dörfer  und  Castelle  zu  setzen,  was  nach  geschick- 
ten UnterhandluDgen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  gelangt), 
und  wandte  sich  nochmals  zehn  Jahre  später  von  Capua  in 
einem  Schreiben  an  einige  Herren,  denen  er  mit  Krieg  drohte, 
wenn  sie  die  Abtei  nicht  in  Ruhe  liessen.^)  Das  wahre  Ver- 
dienst einer  regenerierenden  Wirksamkeit  auf  geistlichem  und 
materiellem  Gebiete  durfte  aber  der  Abt  in  Anspruch  nehmen: 
er  starb  am  23.  November  1045.^) 

Nach  Unteritalien,  nach  Benevent  und  Salerno,  waren  be- 
reits unter  Abt  Odo  Keime  der  cluniacensischen  Reformbestre- 
bungen gekommen.  In  einem  salernitanischen  Kloster  war  sein 
treuer  Schiller  Johannes  Abt  geworden.^)  Diese  Tendeuzen 
mochten  dann  im  stillen  fortgewirkt  haben;  denn  gerade  in 
Salerno  fanden  spätere  Anregungen  wieder  einen  geeigneten 
Boden. 

Mit  Entschlossenheit  und  Energie  hatte  Heinrich  IL  bei 
den  kleinen,  der  griechischen  Herrschaft  geneigten  Ftlrsten 
das  Recht  des  Reiches  geltend  gemacht.  Die  Fürsten  von 
Capua,  Neapel  und  Salerno  hatten  die  deutsche  Oberhoheit 
anerkennen  mttssen;  Pandulf  von  Capua  wurde  sogar  nach 
Deutschland  in   die  Verbannung  geschickt.    Seine  Freiheit  zu 


1)  Chron.  Casaur.  p.949;  St.  1942. 

')  Chron.  Casaur.  p.  950. 

')  Chron.  Casaur.  p.  952 :  quod  si  non  feceritis,  scitote  me  in  proocime 
ad  V08  pro  certo  venturum,  et  vos  et  vostra  bona,  in  quantwn  potero,  per 
omnia  dissipaiurum;  St  2108. 

«)  Chron.  Casaur.  p.953.  Am  13.  März  1047  bestätigte  Heinrich  III. 
in  ausführlicher  Urkunde  den  gesamten,  sehr  ausgedehnten  Besitz  der 
Abtei,  Stumpf,  Reichskanzler  III,  nr.  461;  Reg.  nr.  2325.  Unter  Guido 
wurde  von  Casauria  aus  die  Nicolausabtei  in  Civitella  mit  Mönchen  be- 
siedelt; vgl.  Chron.  Casaur.  p.  951. 

»)  Bd.  I,  S.  112. 


199 

erwirken,  ging  wohl  gegen  Ende  1023  eine  salemitaniBehe 
Gesandtschafl  an  den  kaiserlichen  Hof  ab,  war  Pandnlf  IV. 
doch  der  Bruder  der  Fürstin  Gaitelgrimma  von  Salerno.  Viel- 
leicht dieser  Gesandtsehajft  schloss  sich  als  diplomatischer 
Unterhändler  der  Salernitaper  Alfer  an^),  eine  am  Hofe  Wai- 
mars  IH.  angesehene  Persönlichkeit^)  Eine  schwere  Krank- 
heit jedoch,  in  die  Alfer  in  dem  vielbesnchten  Klosterhospiz 
St  Michael  von  Chinsi  am  Abhänge  des  Mont-Cenis  verfiel, 
nötigte  ihn,  die  Gesandtschaft  aufzugeben,  und  bestimmte  ihn 
zu  dem  Entschluss,  sein  Leben  Gott  zu  weihen.  Odilo  befand 
sich  angeblich  zur  Zeit  in  dem  Fremdenhospiz.  Ist  das  rich- 
tig, so  mag  er  an  dem  Plane  nicht  unbeteiligt  gewesen  sein, 
da  er,  wie  es  heisst,  den  salemitanischen  Gesandten  mit  nach 
Cluni  nahm.  Unsere  Quelle  erzählt  weiter,  dass  der  Fürst 
Alf  er  zurückberufen  und  über  alle  Klöster  von  Salerno  gesetzt 
habe.  Aber  nicht  lange  litt  es  den  asketisch  aufgeregten  Mönch 
in  der  Stadt;  auf  einem  Bergabhang,  genannt  Fenestra,  siedelte 
er  sieh  an  und  erbaute  auf  eigene  Kosten  zu  Cava  die  Kirche 
der  heiligen  Dreieinigkeit,  um  die  sich  bald  Mönche  zu  scharen 
begannen.^)    Endlich  im  März  1025  bestätigten  Waimar,  seine 

^)  In  der  Vita  Alferii  ist  die  Gesandtschaft  Alfers  nicht  näher  be- 
zeichnet. Doch  wissen  wir,  dass  kurz  vor  Heinrichs  Tode  eine  Gesandt- 
schaft Waimars  nach  Deutschland  kam,  die  den  angegebenen  Zweck  hatte. 
Wann  sie  abging,  ist  zweifelhaft.  Ich  nehme  mit  Bresslau,  Konrad  II. 
I,  1 7 1  an,  dass  die  Freilassung  Pandulfs  erst  nach  Heinrichs  Tode  erfolgte. 
Aber  aus  dem  Zusatz  tandem  solutus  bei  Leo  Ost.  U,  c  56  ist  sn  schliessen, 
dass  Heinrich  wohl  lange  darum  gebeten  wurde. 

«)  V.  Alferii  c.8,  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  640;  Muratori  SS.  VI,  205. 
Leider  ist  die  Vita  ein  bedenkliches  Opus;  vgl.  ExcursU.  Die  Krankheit 
und  der  Aufenthalt  Odilos  in  St.  Michael  wird  dadurch  verdächtig,  dass 
wir  von  einer  italienischen  Reise  Odilos  1028—1024  nichts  wissen.  Auf 
der  andern  Seite  wissen  wir  nur  von  dieser  salemitanischen  Gesandtschaft, 
die  sonst  ganz  gut  passen  würde.  Aber  von  irgend  welcher  Sicherheit 
ist  keine  Rede. 

*)  Vita  Alfer.  c.  5  heisst  es:  Qui  cum  plurimum  temporis  in  secre- 
tiari  claustri  conversatione  perageret  . . .  tarnen  memorato  Salemi  principe 
obtinente  remittitur  etc.  Alfer  verliess  dann  nach  seiner  Heimberufung 
wieder  Salerno  et  longe  in  excelsi  montis  latere,  cui  Fenestra  vocabulum 
est,  quietis  stuie  locum  subiitf  primusque  prae  omnibus  Metteliani  Cavam 
monacKorum  mansionem  fecit.  Angesichts  der  Thatsache,  dass  der  Bio- 
graph positive  Nachrichten  fast  gar  nicht  mehr  bringt  und  von  seinem 
Helden  offenbar  nur  eine  ganz  unklare  Kenntnis  hat,  kann  auf  die  unbe- 


200 

Gemahlin  and  ihr  Sohn  die  NeagrttndnngJ)  Wenn  der  Fürst 
es  ansdrttcklich  gestattet,  dass  der  Abt  von  La  Cava  noch  bei 
Lebzeiten  einen  Nachfolger  designiere,  so  denken  wir  nnwill- 
kttrlich  an  clnniacensische  Einriehtangen.  Natürlich  ist  Immu- 
nität Ton  staatlicher  Seite  anerkannt.  Was  die  Rechtspflege 
anbetrifft,  so  haben  weder  weltliche  Richter  im  Bereiche  des 
Klosterbesitzes  etwas  zu  schaffen,  noch  dürfen  Achte  und 
Mönche  zu  der  durch  die  Benedictinerregel  verbotenen  Eides- 
leistung gezwungen  werden.  Bald  wuchs  die  Zahl  der  Mönche 
um  den  reformatorischen  Abt:  der  Ruhm  seiner  klösterlichen 
Thätigkeit  und  seine  Wunderthaten  trugen  seinen  Namen  in 
weitere  Gebiete.  Zu  seinen  Schülern  gehörten  Leo  von  Luoca, 
der  ihm  folgte,  und  Desiderius  von  Benevent,  der  erst  Abt  von 
Monte  CassinOy  dann  Papst  wurde. ^)  Kurz  vor  seinem  Tode 
ernannte  Alfer  seinen  Nachfolger,  jenen  Tuscer,  der  in  Salemo, 
von  dem  Ruf  des  Abtes  angelockt,  sich  zu  diesem  begeben 
hatte.^)  Erst  nach  Alfers  Tode,  der  am  12.  April  1050  ein- 
trat^), gelangte  das  Kloster  auf  den  Höhepunkt  seiner  Bedeu- 
tung, wurde  es  zur  ersten  Abtei  des  südlichen  Italiens.^) 

Heinrich  IT.  hatte  für  die  Fortschritte  der  Gluniacenser 
in  Italien  gar  nichts  gethan,  sei  es,  dass  die  Gelegenheit 
fehlte,  sei  es,  dass  ihre  Tendenzen  seiner  wohlerwogenen 
Kirchenpolitik  zuwiderliefen.  Für  das  ziellose  Vorgehen  Kon- 
stimmte Bemerkung,  dass  er  plurimum  temporis  in  Cluni  verbracht,  kein 
Wert  gelegt  werden.  Denn  einmal  ist  das  ein  relativer  Begriff,  femer 
aber  wäre  eine  Reclamation  Waimars  kaum  verständlich,  wenn  man  an- 
nähme, dass  Jahre  seit  seinem  Eintritt  ins  Kloster  vergangen  gewesen 
seien.  Endlich  aber  soll  doch  der  Ausdruck  nur  für  Alfer  sprechen,  der 
lange  Zeit  OdUos  Schüler  gewesen  sei. 

^)  Die  Urkunde  ist  gedruckt  bei  Muratori  SS.  VI,  201,  Codex  Cav. 
V,  98,  sowie  bei  P.  Gnillaume,  Essai  bist,  sur  l'abbaye  de  Cava  app.  nr.  I. 

')  Vita  Alf.  c.  6;  Leon.  Chron.  Casin.  III,  c.  4;  vgl.  GuUlaume,  Essai 
bist.  p.  22. 

^)  Vita  Alf.  c.  15;  Vita  S.  Leonis  c.  1;  vgl.  P.  Guiilaume,  Un  monaco, 
ed  un  principe  del  secolo  decimo  primo  ossia  San  Leo  da  Lncca  etc.  1876. 

*)  Annal.  Cavens.  1050  (SS.  III,  189)  und  Mabillon,  A.  SS.  VI,  1,  639. 
Ueber  sein  angebliches  Alter  vgl.  Excurs  II. 

^)  Im  zwölften  und  dreizehnten  Jahrhundert  sollen  nicht  weniger  als 
840  Kirchen,  mehr  als  90  Priorate,  wenigstens  29  Abteien  von  La  Cava 
abhängig  gewesen  sein.    Guiilaume,  Essai  bist.  p.  26. 


201 

rads  II.  gab  es  derartige  Bedenken  nicht,  wie  das  Bei- 
spiel von  Novalese  zeigt  Die  Abtei  war  infolge  der  Sarra- 
zenengefahr  durch  den  Markgrafen  Adalbert  von  Turin  nach 
Breme  verlegt  und  auf  seine  und  Kaiser  Heinrichs  II.  Inter- 
vention im  Jahre  1014  von  Benedict  VIII.  mit  der  Freiheit 
von  jeder  weltlichen  und  geistlichen  Gewalt  privilegiert  wor- 
den.i)  Als  nun  Konrad  nach  dem  Ableben  des  Abtes  Ootfried, 
der  möglicherweise  der  Bruder  Wilhelms  von  Dijon  war 2),  im 
Frühjahr  1027  nach  Rom  kam,  muss  der  Einflnss  Odilos  auf 
ihn  so  stark  gewirkt  haben,  dass  er  dem  Abte  von  Cluni  das 
piemontesische  Kloster  Überwies.^)  Odilo  setzte  hier  einen 
gleichnamigen  Neffen  als  Abt  ein.  Dieser,  ein  junger  Mann, 
der  eben  erst  der  schwersten  Lehrzeit  entronnen  war,  begann 
aber  zum  Aerger  der  Mönche  gleich  den  gestrengen  Herrn  zu 
spielen  und  die  ganze  Wirtschaft  umzudrehen,  und  beging  offen- 
bar in  jugendlichem  Uebermut  auch  Ungeschicklichkeiten  dem 
Kaiser  gegenüber.^)  Dieser  nahm  das  zum  Vorwand  und  ttber- 
liess,  ungeachtet  der  von  ihm  selbst  erst  im  Jahre  1026  bestä- 
tigten Freiheitsprivilegien^),  die  Abtei  Breme  gegen  Geldentschä- 
digung dem  ihm  nahestehenden  Bischof  Alberich  von  Como. 


>)  HPM  I,  399. 

')  Er  starb  Dach  dem  Necrol.  Noval.  am  XVIII.  Kai.  Febr.,  nach 
dem  Necrol.  S.  Andr.  Taur. :  XVIL  Kai,  Febr.  Levis,  S.  Wilhelmi  Opera 
praef.  p.  4  spricht,  ohne  einen  Beleg  zu  geben:  de  8,  Gottofredo  Novali- 
ciensi  abbate,  fratre  S.  WUhdmL  Dasselbe  behauptet  Bethmann.  Einen 
Anhaltspunkt  für  die  Annahme,  dass  Gotfried  der  Bruder  Wilhelms  war, 
könnte  man  im  Necrol.  Novalic.  (SS.  VII,  130)  finden,  wo  Wilhelms  Name 
unter  der  Rubrik:  Nostrae  congregationia  verzeichnet  steht. 

')  Jots.  V.  Odil.  11,  C.12:  cum  aciret,  iüam  primum  ah  imperatore 
Conrado  traditam  esse  praedicti  patris  Odilonis  ordinationi.  Dass  der 
pater  Odilo  nur  0.  von  Cluni  sein  kann,  bemerkt  bereits  Bresslau,  Kon- 
rad II.  I,  164,  n.4. 

*)  Chron.  Novalic.  app.  c.  5 :  Qui  iuvenis  tunc  rudis  a  claustralibus 
exiens  disdplinis  conspicit  se  tanti  honoris  SiAblimato  cepit  turbam  mili- 
tarem  sibi  adherere  nonnullis  prediis  terrarum,  unde  sumptus  veniebat 
fnonachis,  iUis  vassis  in  beneficium  tradidit;  contra  monachos  vero  et 
maxime  in  maioribus  inpudenter  inswrgens  ac  contra  eos  sedule  vexans. 
Quid  muUa  ?  dum  pueriliter  cuncta  agitur  ac  nimium  iocis  praeoccupatur 
curtemque  domini  sui  imperatoris  parvi  pendenSy  cogitanSf  ne  quis  posset 
ei  extymplo  obsistere:  dat  predictam  abbatiam  in  beneficia  cuidam  AWe- 
rico  Chumano  episcopo. 

^)  Stumpf,  Reichskanzler  III,  nr.  284. 


202 

Nicht  weil  man  Odilo  fttr  nntanglich  hielt,  setzte  man  ihn  fest: 
als  er  dem  Bischöfe  den  Eid  der  Treue  geleistet,  erhielt  er 
seine  Rechte  wieder.  >)  Nur  das  ging  Eonrad  gegen  den  Sinn, 
dass  Odilo  in  clnniacensischer  Tendenz,  die  er  übertrieb,  aaeh 
ihm  gegenüber  den  souveränen  Abt  hervorkehrte,  und  da  er 
Alberich  eine  Gunst  erweisen  wollte,  scheute  er  sich  nicht, 
seine  eigenen  Massregeln  zu  verleugnen.  Etwas  später  starb 
Bischof  Alberich  plötzlich,  nicht  ohne  dass  der  Verdacht  eines 
Mordes  auf  die  Mönche  fiel.  Aber  durch  alle  diese  Vorgänge 
war  die  cluniaeensische  Elosterzucht  keineswegs  discreditiert 
worden.  Unter  Odilo  erhielten  die  Novaleser  eine  neugegrün- 
dete Abtei  der  hl.  Jungfrau  im  Thale  Coyse  in  Savoyen  zur 
Besiedelung.2)  Und  wenn  auch  der  neue  Bischof  von  Gomo, 
Liudger,  Odilo  absetzte,  so  wurde  später  doch  wieder  ein  un- 
mittelbarer Schüler  des  Abtes  von  Gluni,  Eidrad,  sein  Nach- 
folger, der  das  Kloster  zu  grosser  Zufriedenheit  der  Mönche 
leitete.») 

Die  Abneigung  gegen  die  Selbständigkeitsgelüste  der  Cln- 
niacenser  hatte  Konrad  dazu  geftthrt,  das  Kloster  dem  Bischöfe 
von  Como  zu  unterwerfen.  Sehr  bezeichnend  ist  deshalb  wie- 
der der  völlige  Umschwung  der  Tendenz  unter  Heinrich  III. 
Denn  wenn  von  Abt  Oddo  gesagt  wird,  er  habe  sein  Amt 
vom  Bischöfe  durch  Simonie  erworben^),  so  ist  es  sehr  be- 
merkenswert, dass  er  sich  von  der  Herrschaft  des  Bischofs 
emanzipierte  und  bald  nach  Amtsantritt  vom  Kaiser  die  Be- 
stätigung der  Freiheit  von  jeder  bisehöflichen  und  weltlichen 
Herrschaft,  die  Sicherung  der  Reiehsunmittelbarkeit  zu  er- 
langen wusste.^)  Kaum  ein  anderer  Fall  ist  für  Konrads 
Kirchenpolitik  so  bezeichnend,  als  der  des  piemontesischen 
Klosters.  Die  Einführung  der  clnniacensisehen  Regel  beför- 
derte er  mehr  als  einer  seiner  Vorgänger,  sowohl  in  Italien  als 
im  inneren  Deutsehland;  welche  Regel  im  Inneren  der  Klöster 
herrsche,  war  ihm  zum  mindesten  gleichgültig.    Aber  er  war 


0  ChroiL  Noval.  app.  c.  6. 

*)  Urk.  V.  1036,  Nov.,  Archivio  storico,  ser.  IV,  2,  245. 
3)  Dass  er  Odflos  Schüler  war,  s.Petri  Damiani  Vita  c.  2;  vgl.  Ghrono- 
logia  abb.  Novalic.,  SS.  VII,  133. 
*)  Chron.  Noval.  app.  c.  9. 
*)  HPM  1,567;  St  2398. 


203 

völlig  unberechenbar  and  in  jedem  Falle  geneigt,  nnbekttm- 
mert  am  Recht  and  Herkommen  oder  am  etwaige  Verbriefangen, 
beliebig  in  die  Gerechtsame  der  Congregationen  einzagreifen, 
in  einer  principienlosen  Politik  von  Tag  zu  Tage  neae  Wege 
einzaschlagen. 

IL 

Wirksamer  waren  die  Anregungen,  die  Wilhelm  von  St  Be- 
nigne, der  italienische  Edelmann,  den  grossen  oberitalischen 
Familien  gegeben  hat.  Zwar  sind  die  Fäden,  die  den  ener- 
gischen Abt  mit  der  kirchlichen  Thätigkeit  der  Markgrafen 
von  Tarin  —  denn  dieses  mächtige  Haas  steht  an  geistlicher 
Gesinnung  obenan  —  verbinden,  nur  wenig  sichtbar,  aber  ein- 
mal hatten  wir  die  Familie  der  Abtei  Fruttuaria  ihre  Gunst 
zuwenden  sehen,  und  andrerseits  war  die  Gegend  von  Turin 
und  Ivrea  ja  die  Stätte,  an  der  die  Keime  der  französi- 
schen Beform  von  Wilhelm  bereits  ausgestreut  worden  waren. 
In  dieser  Zeit  stand  an  der  Spitze  der  Familie  der  Markgraf 
Olderich  Manfred  II,  der  eine  Dame  aus  dem  benachbarten 
Hause  der  Otbertiner  geheiratet  hatte,  ein  Mann,  der  ebenso 
klug  als  reich  begütert  war,  und  dem  in  seinen  Bemühungen 
fttr  die  Kirche  sein  Bruder  Airich,  der  Bischof  von  Asti,  zur 
Seite  stand.  1)  In  die  antideutsche  Politik  des  hohen  lombar- 
schen  Adels  wohl  durch  seine  Verbindungen  hineingezogen, 
hatte  er  doch  bei  Gelegenheit  des  ersten  Römerznges  mit  Kon- 
rad sich  ausgesöhnt.^)  Um  diese  Zeit  erfreuten  sich  die  Kirchen 
Turins  der  höchsten  Freigebigkeit  des  Geschlechts  3),  bekämpfte 
er  im  Verein  mit  den  benachbarten  Markgrafen  und  Bischöfen 
die  ketzerischen  Bewohner  eines  Castells  in  der  Diöcese  seines 
Bruders^)  und  damals  geschah  es  auch,  dass  er  in  Susa  und 
Caramagna  zwei  neue  Klöster  zu  bauen  begann.  In  dem  alten 


1)  Ueber  ihn  vgl.  Bresslau,  Konrad  IL  I,  69.  70.  373  fif.  Rod.  Gl&ber 
IV,  c.  2  nennt  ihn  marchionvm  pntdentissimuSj  IV,  c.  3,  §  7:  marchionuin 
düisHmus. 

*)  Bresslau  a.  a.  0.  p.  376. 

>)  Urk.  v.  1.  Juli  1028  fttr  die  Canoniker  d.Ba8U.  v.  St.  Salvator,  St  Ma- 
ria und  St.  Johann  in  Tarin,  1.  Juli  1028  fttr  St.  Salvator,  12.  Mai  1029  für 
St.  Salvator,  HPM  I,  469.  472  und  477. 

*)  Rod.  GUb.  IV,  c  2. 


204 

Alpencastell  erhob  sieb  zunäebst  eine  Kirehe  der  bl.  Jnngfran, 
der  er  als  rentables  Capital  die  aneehten  Gebeine  des  Märtyrers 
Jnstas  mitgab,  die  er,  wie  uns  Bodulfas  Glaber  versiebert,  von 
einem  französiscben  Betrüger  erstanden,  der  unter  wechseln- 
dem Namen  die  provenfalischen  Diöcesen  schon  mit  falschen 
Reliquien  unsicher  gemacht  hatte,  nicht  ohne  Unterstützung 
der  Bischöfe,  die  sich  das  gute  Geschäft,  das  die  Ausbeutung  des 
wunderglänbigen  Volkes  versprach,  ungern  entgehen  liessen.^) 
Obgleich  der  Mönch,  der  mit  Abt  Wilhelm  nach  Snsa  gekom- 
men war^),  Anhänger  seiner  Meinung  fand,  die  er  offen  aus- 
sprach, so  wurde  dem  Betrüge  durch  die  Weihe  der  Kirche 
auf  den  Namen  des  hl  Justus  und  zwar  gerade  am  Tage  der 
Passion  des  Märtyrers  das  Sigel  aufgedrückt.  Es  geschah  viel- 
leicht am  17.  October  1028,  als  Wilhelm  auf  der  Reise  nach 
seinem  Kloster  Fruttuaria  sich  befand,  als  er  Frankreich  ver- 
liess,  um  in  seinem  Vaterlande  zu  sterben.^)  Im  nächsten 
Jahre  beschlossen  nun  Manfred  und  seine  Gemahlin  Berta  mit 
dem  Bischof  von  Asti  ein  Benedictinerkloster  zu  errichten, 
dem  sie  die  Basilica  San  Giusto  zuwiesen  und  mit  ihr  den 
dritten  Teil  des  Thaies  von  Susa,  im  ganzen  15000  Joch  Land, 
mit  Ausnahme  alles,  was  kirchlichen  Rechtes.  Die  Stiftungs- 
urkhnde  wurde  am  9.  Juli  1029  ausgestellt.^)     Noch  vorher, 

^)  Rod.  Glab.  IV,  c.  3,  §  6  sagt:  Nee  tarnen  Morianne,  vd  ützeticae, 
seu  Gh-atinonae  vrbium  presules,  in  qtiorum  diocesibw  talia  profanabantutj 
diligentiam  huiiM  inqiiirendae  rei  adhibuere;  quin  potitis  conciliahtda  eta- 
tuenteSf  in  quibus  nihil  aliud  nisi  inepti  lucri  questum  a  plebey  simul  et 
favorem  faüaciae  exigebant. 

^)  Rod.  Glab.  IV,  c.  3 :  cum  quihus  etiam  sepe  nominatus  abba  WiUd- 
mu8,  nonnullique  abbates  adfuenmt  . . .  nam  et  egomet  cum  aepius  nomifiato 
abbate  iUuc  deveniens  interera^n.  Das  deveniens  scheint  dafür  zu  sprechen, 
dass  man  von  den  Alpen  herunterkam  und  also  auf  einer  Reise  von 
Frankreich  nach  Italien.  Havet,  Reyue  hist.  XIV,  44  denkt  an  1025,  weil 
in  diesem  Jahre  der  17.  October  ein  Sonntag  war. 

*)  Rod.  Vita  Wilh.  c.  29;  Chron.  S.  Benign!  p.  157.  Nach  Rodulf  Gla- 
ber lebte  Wilhelm  biennio  vor  seinem  Tode  in  Italien,  nach  dem  Ghroni- 
con  machte  er  vor  seiner  Abreise  Johannes  in  F6camp  zum  Abt,  was 
nach  dem  Chron.  Fiscamn.  1028  geschah.  Der  Catal.  Fiscamn.  (Labbe 
I,  328)  berichtet:  Wilhelmus  abbas  monasterium  rexit  per  annos  29.  Wir 
würden  also  auf  etwa  1028  —  1029  kommen.  Dagegen  ist  die  Angabe 
Chevaliers  p.  195  Frühjahr  1030  sicher  zu  spat. 

*)  Die  Urk.  f.  Susa  vom  9.  Juli  1029  ist  gedruckt  bei  Augustinus  ab 


205 

am  28.  Mai  1028,  hatten  Olderich  Manfred  nnd  Berta  sich  zur 
Stiftung  einer  Nonnenabtei  in  der  Burg  Caramagna  bereit  er- 
klärt.i)  Beide  Grttndnngen  tragen  den  Stempel  der  Familien- 
stiftnngen,  die  gleichsam  ein  einigendes  Band  des  ganzen 
Hanses,  ein  Familienmonament  sein  sollten.  Denn  nicht  nnr 
nrknndeten  die  Stifter  ftlr  das  Seelenheil  aller  ihrer  Verwandten, 
sondern  ihren  Enkelkindern  und  Urenkeln  bis  ins  ftlnfte  Glied 
wurden  Präsentations-  und  Patronatsrechte  zugestanden,  die 
in  den  Urkunden  bis  auf  den  speziellsten  Fall  der  Erbfolge 
bestimmt  werden.  Das  Ordinationsreeht  sowohl  des  Abtes  als 
der  Aebtissin  bleibt  bis  zur  angegebenen  Frist  in  der  Familie, 
dann  erst  wird  die  Wahl  der  Congregation  überlassen.  Beide 
Abteien  werden  aus  der  Gewalt  des  Diöcesanbischofs  eximiert^), 
und  bezüglich  San  Giustos  ausdrücklich  ein  Privileg  des  Papstes 
erwähnt,  laut  dem  es  dem  gewählten  Abte  freistehen  sollte, 
die  Gonsecration  einem  beliebigen  Bischöfe  zu  übertragen.  Ist 
uns  auch  über  die  Herkunft  der  zuerst  eingesetzten  Leiter 
Dominions  und  Richilde  nichts  bekannt,  —  wir  wissen  nur, 
dass  beide  von  kindauf  im  Elosterleben  erzogen  waren  ^)  — 
so  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  sie  beide  aus  der  Schule 
des  Abtes  von  Fruttuaria  stammten,  von  dem  wir  auch  wissen, 
dass  er  ein  Nonnenkloster  in  Italien  eingerichtet  hat^)    Auf 


Ecclesia,  S.  R.  £.  Cardinalium ,  Archiepisc,  Episc.  et  abbatum  Pedemon- 
taoae  regionis  cbroDologica  historia,  Turin  1645,  p.  238;  HPM  I,  479.  Im 
Auszuf^e  MabilloD,  An.  Bod.  IV,  311:  Et  est  ipsa  res  per  mensuram  itistam 
iugera  quindecim  niilicL  Es  wird  das  alles  gewährt:  Exc^tis  omnibuSj 
que  pertinent  ad  ecclesiastica  iura.  Wie  aus  der  Urkunde  heryorgeht,  be- 
stand Juli  1029  die  Basilica  des  hl.  Justas  schon,  deren  Weihe  Rod.  Glab. 
IV,  c.  3,  §  8  auf  den  17.  October  setzt.  Man  wird  dieselbe  also  wohl  knrz 
vor  die  Datierung  der  Urkunde  verlegen  dürfen. 

1)  Diese  Urkunde  bei  Ughelli  IV,  1038  und  HPM  1,463. 

')  S.  Ginsto:  monasterium  in  regimine  ullius  episcopi  vel  alius  mo- 
nasterii  nee  uüarum  personarum  aut  per  donum  imperatoris  vel  regis 
neque  uüius  personae  etc.  Caramagna:  ut  nuUo  modo  permaneat  ipsum 
monasterium  in  regimine  ullius  episcopi^  in  cuius  episcopio  est  situmj 
nee  aUerius  personae. 

■)  Es  wird  von  beiden  in  den  Urkunden  hervorgehoben. 

*)  Chron.  S.  Benig.  p.  150:  Sanctimonalium  etiam  instituit  monaste- 
rium. Ich  vermute,  dass  es  Caramagna  war.  Dagegen  sieht  mir  die  An- 
nahme, dass  es  Baranum  war,  das  Emericus  de  Barbania  gründete,  dessen 
Tochter  Libania  vom  Abte  von  Fruttuaria  gebildet  sein  soll  (ihr  Epi- 


206 

die  Schwestern  der  Congregation  nimmt  Wilhelm  in  seinem 
Decret  über  die  Totenoffizien,  das  er  für  Fmttaaria  erliess, 
besonders  Rücksicht.^) 

Damit  ist  übrigens  die  Reihe  der  Elosterstiffcungen  inner- 
halb der  Tariner  Diöcese  nicht  erschöpft.  Im  Jahre  1027,  also 
kurz  vor  Caramagna  and  San  Giusto,  entstand  die  Abtei  Sa- 
yilliano,  die  Stiftung  eines  gewissen  Abellonius  and  seiner 
Fran  Amaltrad,  zu  Ehren  St  Peters^),  and  zehn  Jahre  später 
setzte  der  Bischof  Landulf  von  Tarin,  der  innerhalb  seiner  Diö- 
cese kräftig  restaarierend  and  ansbessemd  vorgegangen  war, 
seiner  geistlichen  Thätigkeit  die  Krone  aaf,  indem  er  ein  Bene- 
dictinerkloster  zu  Cavoar  gründete.^) 

So  war  denn  der  Anstoss,  den  Wilhelms  Wirksamkeit  in 
Oberitalien  gab,  von  den  weitesten  Wirkungen.  Im  Osten 
wurde  das  Ravennater  Gebiet  vielfach  durch  ihn  beeinflusst, 
in  Hailand  fasste  seine  Regel  zu  S.  Ambrogio  festen  Fuss, 
in  ganz  Piemont  erhob  sich  Kloster  auf  Kloster  —  schon 
drangen  die  Wirkungen  über  das  Meer  nach  Corsica,  als  Mark- 
graf Adalbert,  Otberts  Sohn,  aus  dem  Hause  der  Aledramiden 
und  seine  Gemahlin  Adelheid  ftlr  das  Seelenheil  des  Grafen 
Angeldus  von  Corsica  der  Abtei  Fruttuaria  das  auf  der  Insel 
gelegene  Marienkloster  von  Travo  mit  mehreren  Besitzungen 
Übergaben.^) 


taphium  bei  Levis,  S.  Wilh.  Op.  praef.  LI  gedruckt,  vgl.  auch  Chevalier,  Le 
ven^rable  GuilL  p.  129),  späteren  Fabeln  so  ähnlich,  dass  ich  mich  nicht 
zu  ihr  entschliessen  kann,  zumal  authentische  Documente  fehlen. 

0  Decretum  de  defunctis  bei  Levis  p.  136. 

>)  Ughelli,  Italia  sacra  IV,  1032. 

3)  1037,  HPM  1,514.  Bestätigungurk.  Widos  von  1041,  HPM  1,540. 
Abt  wird  Johannes. 

*)  Augustin.  ab  Eccl.  a.  a.  0.  p.  2()3.  Der  Verfasser  begeht  nur  den 
Irrtum,  unsem  Wilhelm  zum  Nachfolger  des  Johannes  zu  machen  und  so 
zwei  Wilhelme  anzunehmen. 


Achtes  Capitel. 

Frankreich  nach  dem  Tode  Roberts  !!• 


1.  Robert  und  Wilhelm  von  Dijon. 

I. 

Während  die  deutschen  Kaiser  Heinrich  und  Eonrad  dnrch 
ihre  Stellung  gezwungen  waren,  eine  weitaussehende  Welt- 
politik zu  treiben,  ist  die  Fürstengeschichte  unter  Robert  II. 
mit  Familienangelegenheiten  erfüllt.  So  waren  auch  die  Be- 
ziehungen der  hervorragendsten  Reformäbte  zum  Hofe  regel- 
mässig durch  Familienverhältnisse  hervorgerufen. 

Trotz  des  aniUnglichen  Widerspruchs  der  Grossen  bewirkte 
König  Robert  namentlich  auf  Antrieb  seiner  Gemahlin  Con- 
stanze die  Krönung  seines  ältesten  Sohnes  Hugo  zu  Pfingsten 
1017  im  Palast  von  Compiögne,  seiner  gewöhnlichen  Resi- 
denz. Aber  wie  nun  in  der  Folge  der  junge  Prinz  um  jeden 
Einfluss  auf  die  Regierung  sieh  betrogen  sah^),  kam  es  zum 
Familienzwist:  Hugo  verliess  den  Hof,  schweifte  erst  unstät 
umher  ^)  und  überfiel  schliesslich  mit  einer  kleinen  Schar  gleich- 
altriger junger  Leute  die  Besitzungen  seines  Vaters.^)  Nach 
diesem  Landfriedensbruche  führte  Fulbert  von  Ghartres  eine 


0  Rod.  Glaber,  Hist.  III,  c.  9. 

>)  Fulberti  epist  33. 

3)  Rod.  Glaber,  Hist  III,  c.9;  vgl.  Fulb.  epist.  32.  84.  31.  33  (so  ist 
die  chronologische  Reihenfolge);  Mir.  S.  Bened.  VI,  c.  14  ed.  Certain  p.240: 
Boberto  serentssimo  rege  cum  Hugone  filioy  streniie  iuventutis  viro,  felicU 
bu8  aiiapiciis  Francorum  sceptra  tenente.  . . .  Pfister,  Etudes  p.  74  setzt 
den  Conflict  erst  1025,  indes  muss  man  sich  eine  längere  Regierangszeit 
Hugos  denken. 


208 

Versöhnang  herbei  und  sicherte  Hugo  fortan  wieder  die  Gnade 
des  Königs  nnd  grösseren  Einflnss  anf  die  Staatsangelegenheiten. 
In  dieser  Zeit  erwarb  der  Prinz  darch  seine  Begünstigung  der 
kirchlichen  Parteien,  denen  er  seine  Intervention  bei  dem 
Vater  widmete,  die  besondere  Zuneigung  der  Reformkreise, 
die  seinen  frühzeitigen  Tod  —  er  starb  im  Alter  von  achtzehn 
Jahren  am  17.  September  1025  *)  —  tief  betrauerten.^)  Beide 
Eltern  waren  untröstlich.  Damals  kam  der  Abt  von  Dijon  an 
den  Hof,  vielleicht  bei  den  Exeqnien,  und  beruhigte  den  König 
und  die  Königin  derartig  durch  Worte  des  Trostes,  dass  man 
sagte,  Gott  habe  sie  durch  den  heiligen  Mann  aufgesucht^) 

Als  es  sich  nun  darum  handelte,  einen  von  den  andern 
Söhnen  zum  Nachfolger  wählen  und  krönen  zu  lassen,  standen 
Robert  und  seine  Gemahlin  wieder  auf  verschiedenen  Seiten.^) 
Diesmal  setzte  der  König  seinen  Willen  durch,  indem  er  dem 
von  ihm  begünstigten  zweiten  Sohne  Heinrich,  der  bis  dahin 
das  Herzogtum  Burgund  verwaltet  hatte,  die  Anerkennung  der 
Grossen  und  die  Königskrone  verschaffte.  Robert  stand  damals 
mit  den  Cluniacensern  auf  dem  besten  Fusse;  nach  der  Synode 
von  Anse  hatte  sich  der  König  energisch  zum  Schützer  des 
Klosters  gegen  schlechte  Machenschaften  aufgeworfen  und  die 
Freiheiten  Clunis  bestätigt.^)  Er  hatte  auch  jetzt  die  kirch- 
lichen Kreise  für  sich,  als  er  ftlr  den  kriegstttchtigen<^)  Hein- 


>)  Pfister  p.  75. 

*)  Rod.  Glaber  III,  c.9;  Helgaudi  V.Rob.  c.  IG;  Mir.  S.  Beoed.  VI,  c.14. 

>)  Rod.  V.Wilh.  C.2I. 

<)  Rod.  Glaber  III,  c.  9. 

•»)  HF  X,  61 1 ;  CHOL  IV,  2800. 

•)  Mir.  S.  Bened.  VI,  c.  14;  Rod.  Glaber  V,  c.  1,  §  6,  p.  118:  mm  «c- 
quenti  anno  filius  regia  Rotbertij  Heinricua,  qui  post  illiim  regnavitf  Oil 
eundem  castrum  ira  permotus  veniena  cum  ingenti  exercitu,  mtUta  ibidefn 
hominum  cedes  ab  uiraque  parte  patrata  est.  Die  Burg  ist  Tonnerre, 
d^part.  de  rYonne.  Prou  setzt  dies  1015  mit  RQcksicht  darauf,  dass  im 
vorhergehenden  Jahre  noch  Bruno  von  Langres  gelebt  haben  soll  und 
1015  die  Eroberung  Burgunds  durch  Robert  vollendet  [wurde.  Da  aber 
Hugo  etwa  1007  geboren  ist,  so  kaun  Heinrich  frühestens  1008  das  Licht 
der  Welt  erblickt  haben;  er  wäre  1015  also  erst  sieben  Jahre  und  1017 
(da  Bruno  1016  starb)  höchstens  neun  Jahre  alt  gewesen.  In  diesem 
Alter  pflegt  man  aber  nicht  ira  permotus  ...  cum  ingenti  exercitu  vor 
Burgen  zu  marschieren. 


209  i 


rieh  gegen  Robert,  den  Günstling  der  vielgehassten  Constanze  >), 
in  die  Schranken  trat 

Zu  Pfingsten  1027  erfolgte  za  Reims  die  feierliche  Salbung, 
nachdem  ein  Jahr  früher  anf  einer  Fttrstenversammlung  dar- 
über beraten  worden  war.  Neben  den  bedeatendsten  weltlichen 
Fürsten,  wie  Odo  von  Chartres,  Wilhelm  von  Aquitanien  und 
dem  normannischen  Herzoge,  hatten  sich  zahlreiche,  der  Kloster- 
reform  günstige  Bischöfe  eingefunden.^)  Von  Italien,  wo  er 
sich  im  Frühjahr  in  der  Umgebung  des  Kaisers  befand,  eilte 
Odilo  über  die  Alpen,  um  mit  den  Achten  Airard  von  St.  Remi, 
Richard  von  St.  M^dard,  Dado  von  Montierender  der  Krönung 
beizuwohnen.')  Auch  allgemeine  Regierungshandlungen  wurden 
auf  dem  Hoftage  vorgenommen.  Die  Nachfolge  Heinrichs  und 
eine  friedliche  Zukunft  schien  gesichert:  zwei  Jahre  später 
konnte  der  Abt  von  Cluni  wieder  unter  den  Teilnehmern  einer 
grossen  Festlichkeit  am  französischen  Hofe  erscheinen.  Die  Erz- 
bischöfe von  Bourges,  Sens  und  Tours,  die  Bischöfe  von  Orleans, 
Chartres,  Beauvais  und  Senlis  umstanden  den  Herrscherthron 
Roberts  zu  Orleans  am  14.  Juni  1029,  als  die  Translation  des 
hl.  Anianus  nach  der  neuerbauten  Kirche  erfolgte  und  die  neun- 
zehn Altäre  derselben  die  feierliche  Weihe  empfingen.^) 

Inzwischen  hatte  jedoch  die  Königin  nicht  geruht,  die  beiden 
Söhne  zu  versöhnen  und  gegen  den  Vater  aufzuhetzen.  Wäh- 
rend der  ältere  sich  auf  -Francien  warf  und  Robert  das  Castell 
Dreux  entriss,  fiel  der  jüngere  in  Burgund  ein  und  nahm  Avalen 
und  Beaune.    Man  wollte  den  schwachen  Monarchen  auf  sein 


^)  Ueber  sie  vgl.  Rod.  Glaber  III,  c.  9;  Mir.  S.  Bened.  p.  241;  das 
ürteU  Fulberts  bei  Pfister  p.  77. 

*)  Pfister  p.  77.  78. 

^  Vgl.  die  Urk.  für  Montierender  vom  14.  Mai  1027,  die  Odilo  mit- 
nnterzeichnete,  HF  X,  618  ff.;  jetzt  vollständig  im  Gart,  de  Montierender 
nr.  20 :  qui  ad  benedictionem  mee  prolis  Henrici  futuram  in  die  sancto 
Pentecosten  convenerant, 

*)  Für  diesen  Abschnitt  der  Biographie  Helgauds  hat  L.  Auvray  die 
Quelle  (Cod.  Vat.  reg.  585)  ediert  in  M^langes  d^arch^ol.  et  d'hist.  1887, 
p.  466  ff. ;  aus  derselben  Quelle  schöpfte  die  Hist.  transl.  reliqaiarum  S.  £u- 
spicii  abbatis  c.  2,  HF  X,  370;  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,  278.  Das  Datum 
ist  nach  Cod.  Vat.  Christ,  reg.  585:  XVIIL  KdUndaa  lulii,  nach  der  Trans- 
latio:  XYL  Kai.  luL  Sie  bezeugt  auch  die  Anwesenheit  des  Abtes  Albert 
von  Saint-Mesmin. 

Saoknr,  ClouiAoenser.    II.  14 


210 

Altersteil  setzen.O  Aber  Robert  rückte  mit  einem  Heere  nach 
Bnrgund.  Es  war  Ende  1030,  als  Wilhelm  von  Saint-B6nigne, 
der  die  letzten  beiden  Jahre  in  seinem  Vaterlande  zugebracht 
hatte,  heraufzog,  um  die  Klöster,  die  unter  ihm  standen,  zn 
visitieren,  die  Befolgung  seiner  Lehren  und  der  Regel  zn  prü- 
fen. Er  zog  von  Kloster  zu  Kloster;  auch  die  Reise  nach 
Lothringen  scheute  er  nicht,  um  die  Brüder  wiederzusehen, 
die  in  Gorze  Gott  dienten.^)  Damals  kam  er  auch  nach  Dijon; 
er  traf  hier  zum  letzten  Male  mit  König  Robert  zusammen, 
der  eben  mit  seinen  Söhnen  im  Kampfe  lag.  Der  König  bat 
den  klugen  Abt  um  seinen  Rat  und  flehte  ihn  an,  fttr  ihn  und 
die  Söhne  zu  beten.  Aber  Wilhelm  erinnerte  ihn  an  die  Krän- 
kungen, die  er  selbst  in  der  Jugend  seinen  Eltern  zugefügt 
habe  —  er  dachte  vermutlich  an  die  unkirchliche  Ehe  — ,  an 
die  Bekümmernisse,  deren  Vergeltung  der  Undank  der  Söhne 
sei.  Robert  hörte  auf  zu  klagen  und  trug  sein  Geschick  mit 
Ruhe;  er  hatte  schliesslich  doch  noch  die  Freude,  die  Söhne 
zum  Frieden  zurückkehren  zu  sehen.^) 

Von  Todesahnungen  getrieben,  war  Wilhelm  von  Dijon 
Ende  1080  durch  Frankreich  nach  der  Normandie  geeilt,  um 
die  dortigen  Schüler  wiederzusehen.  Als  er  kurz  vor  Weih- 
nachten zu  Föcamp  von  heftigen  Leiden  befallen  wurde,  er- 
kannte er  bald,  dass  es  zu  Ende  gehe.  Er  sprach  noeh  viel 
mit  den  Brüdern,  ermahnte  sie  and  traf  Anordnungen,  segnete 
sie  und  empfing  die  Sterbesacramente.  Ein  Schlaganfall,  wie 
es  scheint,  beraubte  ihn  dann  der  Spraehe.  So  lag  er  schwei- 
gend, den  Blick  nach  oben  gerichtet,  bis  ihn  am  I.Januar 
1031  früh  bei  Morgengrauen  der  Tod  erlöste.  Sein  Leib  ward 
einbalsamiert  und  in  Föcamp  vor  dem  Altar  des  bL  Taurinus 
in  der  Dreieinigkeitskirche  an  einer  Stelle  beigesetzt,  wo  die 
kommenden  und  gehenden  Brüder  sein  Grabmal  täglich  vor 
Augen  hatten.^) 


1)  Rod.  Gl.  III,  c.  9  §  35;  Mirac.  S.  Bened.  VI,  c.  15,  p.  241. 

«)  Rod.  Gl.  Bist.  IV,  c.  3. 

»)  ib.  UI,  c.  9. 

*)  V.  Wilh.  C.29;   Chron.  S.  Ben.  p.  178;   Ann.  S.  Germani  1030,  SS. 

III,  168.   Das  Datum  wird  tiberliefert  im  Epit  S.  Wilh.,  Gallia  Christ.  (1656) 

IV,  483;  Necrol.  S.  Ben.  a.a.O.;  Necrol.  S.  Germani  bei  Boaillari,  Bist,  de 


211 

IL 

Wilhelm  war  vielleicht  die  markanteste  Ergeheinnng  unter 
den  Fuhrern  des  Mönchtnms.  Er  hatte  etwas  rauhes,  stache- 
liges in  seinem  Auftreten.  Er  schonte  weder  König  noch  Volk, 
und  seine  Predigten  müssen,  soweit  wir  noch  urteilen  können, 
mitunter  einen  polternden  Ton  angeschlagen  haben.  Er  konnte 
hassen  mit  der  Leidenschaftlichkeit  eines  Italieners,  und  er 
gehörte  zu  den  am  meisten  gehassten  Männern  der  Kirche 
seiner  Zeit.^)  Durch  seine  politische  Thätigkeit  auf  der  Seite 
der  Nationalparteien  stiess  er  an  den  Höfen  an,  und  das  hab- 
süchtige und  egoistische  Regiment  Johanns  XIX.  fand  in  ihm 
den  schärfsten  Gegner. 

Dabei  lebte  in  ihm  ein  Schatz  von  Liebe  und  Milde.  Vor- 
würfe und  Hass  verstummten,  wenn  die  Gegner  vor  sein 
Angesicht  kamen.  Unablässig  predigte  er  die  Tugend  der 
Caritas^);  der  Jugend  empfahl  er  durch  Samariterwerke 
Sündenvergebung  zu  suchen  und  bei  eigener  Dürftigkeit  der 
Lebensweise  Arme  und  Fremde  liebreich  zu  unterstützen  — 
die  Hand  der  Armen  sei  Christi  Schatzkammer.^)  Von  den 
Pröpsten  seiner  Abteien  forderte  er  Milde  gegen  die  Mittel- 
losen beim  Einziehen  des  Zinses,  und  auf  seinen  Reisen  durch 
Städte  und  Dörfer  erwarteten  ihn  auf  den  Wegen  zahllose 
Scharen  von  Armen  und  Kranken.^)  Der  harten  Strafrechts- 
pflege  der  Zeit,  die  mit  der  Todesstrafe  gleich  bei  der  Hand 
war  und  die  Verfügung  über  Leben  und  Tod  der  geringeren 
Bevölkerung  und  der  Hörigen  in  die  Hände  eines  rohen  und 
gefühllosen  Adels  legte,  trat  er  oftmals  entgegen,  indem  er 
durch  seinen  Einfluss  oder  gegen  klingende  Münze  Uebelthäter 
von  Beil  und  Galgen  errettete.^)    Er  zuerst  von  den  Zeitge- 


l'abbaye  de  Saint-Germam  des  Pres  pr.  CVIU;  Obituarium  Gemmet.,  HF 
XXIII,417;  Necrol.  S.  Sabinae  Piacent.  B  (ed.  Bresslan,  N.  Arch.  V,  440); 
Necrol.  Novallc.,  SS.  VII,  130;  Necrol.  S.  Andreae  Taurin.,  SS.  VII,  131; 
Necrol.  S.  Salvat.  Taurin.,  HPM  III,  214. 

»)  V.  Wüh.  c.  12. 

«)  Vgl.  Sermo  II,  UI,  VI. 

")  Epist.  7  ad  adolescentnlos.  Levis  p.  SOff. 

*)  V.  Wüh.  c.  27. 

^)  ib.  c.  26 :  MvUos  nempe  ab  huittsmodi  patilnili  suspendio  ac  nece 
per  diversas  provincias  tarn  interi)entu  quam  redemptionis  pi'etio  liberavit 

14* 


212 

noBBCD  fasBte  den  Gedanken,  das  gemeine  rohe  und  ungebil- 
dete Volk  sittlieh  und  geistig  durch  Errichtung  wahrer  Volks- 
schulen zu  heben.  1) 

Und  wie  waltete  er  im  Innern  seiner  Klöster!  Mit  ernster 
Strenge  hielt  er  auf  Tötung  fleischlicher  Begierden  und  auf 
äusserste  Kargheit  in  Kleidung  und  Nahrung.^)  Geringe  Körper- 
pflege ist  ihm  der  vornehmste  Schmuck  der  Heiligkeit'),  Ge- 
horsam die  erste  Tugend  der  Mönche.^)  So  wenig  er  selbst 
frei  war  von  einer  gewissen  Ueberhebung^),  so  hielt  er  doch 
Hochmut  bei  Mönchen  fttr  viel  schlimmer  als  irgend  ein  ande- 
res Vergehen,  ja  selbst  als  die  Ehe.®)  Wenn  man  ihm  den 
Beinamen  Supra-Regula  beilegte  ^),  so  wollte  man  damit  sagen, 
dass  er  in  seinen  harten  Forderungen  noch  über  die  Regel 
hinausging,  lieber  die  litterarischen  und  künstlerischen  Be- 
strebungen in  seinen  Klöstern  ist  an  anderer  Stelle  zu  handeln. 
Mit  dem  internationalen  Verkehr  in  seinen  Abteien,  in  denen 
sich  Italiener,  Griechen,  Engländer,  Franzosen  und  Deutsche 
begegneten,  dürften  wir  den  Punkt  berührt  haben,  der  als  der 
characteristischste  seiner  ganzen  Erscheinung  hervorgehoben 
zu  werden  verdient  Welch*  reiche  Gelegenheit  zum  Austausch 
geistiger  und  künstlerischer  Anregungen! 

Die  fruchtbare  Thätigkeit  des  Abtes  von  St.-Bänigne  fand 
die  höchste  Anerkennung  bei  seinen  Gesinnungs-  und  Arbeits- 
genossen. Nicht  nur  Rodulfus  Glaber,  sein  Biograph  und 
Schüler,  rühmte,  dass  er  mehr  als  alle  andern  für  die  von 
ihm  vertretene  Sache  gewirkt  und  geerntet  habe^),  sondern 

0  Vgl.  unten. 

*)  V.  WUh.  c.  24 :  Mortificatio  nempe  camia  et  abiectio  corporis  ac 
vilitas  vestium  ciborumque  extremitas  vel  parcimonia  in  auorum  universis 
acsi  naturaliter  viguit;  vgl.  epist.  7. 

>)  Epist.  7  (Levis  p.  85) :  Vilis  sit  corporis  cuUuSf  sed  ipse  praecipuus 
est  sanctitatis  ornatus, 

*)  Epist.  8. 

*)  V.  Wilh.  c.  12.  In  einem  Gesprikh  sagte  der  Bischof  von  Langres 
dem  Grafen  Otto  Wilhelm  ins  Ohr:  tut  a^bati,  utpote  propinqiio  scüicet 
suOf  leniter  suggereretf  ut  dationemf  ne  forte  pro  virtuttim  gratia  vel  rerum 
copia  surriperetj  caveret. 

^)  Epist.  8:  Monachus  si  superbtis  est,  mülto  melius  ei  erat,  si  tixo- 
rem  duocisset, 

')  Hugo  Flav.  SS.  VIU,  .391. 

*)  Rod.  Glaber  Hiat.  III,  c.  5  §  18:  prae  omnibus  exinde precedentibuß 


213 

Odilo  gelbst  widmete  ihm  nach  seinem  Tode  den  karzen,  aber 
ehrenvollen  Nachruf:  «Einer  strahlte  ganz  vornehmlich  hervor, 
der  vor  karzem  aus  dem  Leben  schied  und  der  mehr  als  wir 
alle  gearbeitet  hat:  der  Herr  and  Abt  WilhelmasI'^O 

König  Robert  lag  gerade  mit  einem  starken  Heere  vor 
Mirabean,  einem  Räubemest  bei  Dijon,  als  die  Todesnachricht 
ihn  ereilte.^)  Er  sollte  Wilhelm  nicht  lange  überleben.  Am 
20.  Jali  desselben  Jahres  raffte  ihn  der  Tod  in  Melnn  hinweg; 
in  St.  Denis  fand  er  seine  letzte  Ruhestätte.^) 


2.  Allgemeine  Zeitströmungen. 

Misstände  and  Friedensversammlangen. 

Während  der  letzten  Jahre  Roberts  zeigten  sich  die  Vor- 
läufer einer  Hangersnoi  Die  furchtbaren  Regengüsse  im  Winter 
1028  mochten  zuerst  grössere  Befürchtungen  und  schwerere 
Folgen  hervorrufen;  seit  der  Zeit  wuchs  der  Notstand  in  ein- 
zelnen französischen  Gebieten.  Der  Osten  ^)  scheint  verhältnis- 
mässig früh  in  Leidenschaft  gezogen  worden  zu  sein;  wenig- 
stens sah  sich  Wilhelm  von  Dijon,  voll  Mitleid  mit  dem  Elend  ^), 
am  ehesten  genötigt,  den  prächtigen  Schmuck  des  Märtyrer- 
grabes von  St.-B6nigne  hinzugeben  und  alles  Gold  und  Silber, 
Tafeln,  Kreuze,  Weihrauchkessel,  zu  verkaufen,  um  fttr  die 
Armen  Brot  zu  schaffen.®) 

Viel  bedenklicher  wurde  die  Lage  seit  dem  Tode  des 
Königs.    Eine  Mondfinsternis  rief  bereits  die  gewöhnlichen  Be- 


prescriptae  institutionia  laboriosior  ac  spertnologiw  frucHfUxUior  est  re- 
pertw, 

")  y.  Maioli,  Bibl.  Clan.  col.  286:  unus  praecipue  reftUsitj  qui  nuper 
rebus  humanis  excessit,  et  qui  plus  omnibus  nohis  laboravit,  domnus  vide- 
licet  et  abba  Wilhelmw, 

*)  Chron.  BesueDse  ed.  Garnier  p.  316. 

>)  Rod.  Glaber  a.a.O.  §  36;  Mirac.  S.  Boned.YI,  c.  15,  p. 241. 

«)  Miracnla  S.  Adalhardi  I,  c.  4,  SS.  XV,  2,  861 :  fernes  Septem  annis  . . . 
maxime  partes  vexabat  Ambianensivm, 

»)  Hugo  Flav.  II,  c.  27. 

')  Cbron.  S.  Ben.  ed.  Bougaud  p.  147. 


214 

sorgnisse  hervor;  endlich,  am  9.  März,  erschien  ein  Komet,  der 
drei  Tage  lang  sichtbar  blieb«  Zahllose  Heuschreckenschwärme 
zerstörten  BaamfrQchte,  Ernten  and  Wiesenpflanzungen  voll- 
ständig. ^  Das  war  eine  böse  Vorbedentang  fttr  das  kommende 
Jahr.  Da  goss  es  im  Juli  1032  so  entsetzlich  vom  Himmel 
hemnter,  dass  Saaten  nnd  Weinpflanzungen  vernichtet  und 
Bäume  umgebrochen  wurden.  Zur  Zeit  der  Ernte  bedeckten 
die  Aecker  statt  üppigen  Getreides  nur  wildes  Kraut  und 
elender  Schwindelhafer.  Das  Unwetter,  das  mit  aller  Gewalt 
losbrach,  zerstörte  jede  Hoffnung,  die  Ernte  zu  retten.  Die 
Flttsse  traten  aus;  die  Loire  riss  Häuser,  Ställe  und  Menschen 
fort  2),  bei  Tours  die  Brücke.^)  Drei  Jahre  lang  war  in  einigen 
Gegenden  die  Bestellung  der  Aecker  unmöglich.  Volkreiche 
Städte  verödeten,  Dörfer  und  Weiler  auf  dem  flachen  Lande 
wurden  ihrer  Ansiedler  entblösst^)  Die  Getreide-  und  Salz- 
preise erreichten  eine  unerschwingliche  Höhe,  unter  der  nicht 
nur  das  mittellose  Volk,  sondern  auch  die  Reichen  litten.^) 
Laub,  Baumrinde,  Baumwurzeln  und  Flusskräuter  dienten  neben 
Mäusen  schliesslich  als  Nahrung.  In  ganzen  Trupps  stürzten 
sich  die  Hungrigen,  bleich  wie  der  Tod,  auf  ihre  Beute,  wenn 
sie  etwas  geniessbares  aufgespürt  hatten.  In  nächtlichen 
Streifzügen  tötete  man  die  Haushunde  und  das  Vieh  in  den 
Ställen.<^)  Man  schreckte  vor  Mord  nicht  zurück  und  lebte  von 
Menschenfleisch.'^)  Auf  den  Strassen  lagen  die  Verhungerten 
in  grossen  Haufen,  da  bei  der  Menge  der  Sterbenden  die  Toten- 
versorgung fast  völlig  stockte.  Hunderte  wirtschaftlich  herunter- 
gekommene Leute  verliessen  Haus  und  Hof  und  überfluteten 


1)  Mirac.  S.  Bened.  III,  c.  9  ed.  Certain  p.  233  ff. 

*)  Ex  vetere  Chron.  excerpta,  HF  X,  216. 

3)  Mabülon,  Ann.  Bened.  IV,  396. 

*)  Gesta  FontaDell.  app.,  HF  XI,  16. 

^)  Rod.  Glaber  IV,  c.  4,  §  10:  Nam  in  plerisque  locis  fuit  modii  pre- 
cium  sexaginta  solidorutnf  alias  quoque  sextarim  Bolidonim  qtUndecim; 
das  Chron.  Autissiod.  Labbe  I,  292  hat  zum  Jahre  1031  die  Notiz:  Fefidt- 
tue  est  sextarius  salis  solidis  XXIII  et  tritici  soliditt  IV, 

«)  Mirac.  S.  Bened.  a.  a.  0.;  Rod.  Glaber  IV,  c.4,  §  10.  Dazu  vgl. 
Falconis  Gbron.  Trenorch.  bei  Mabiilon,  SS.  VI,  2, 102;  Mirac.  S.  Gerardi 
c.  5;  Ex  Chron.  vet.  excerpta,  HF  X,  216;  Ann.  Laus.  SS.  XXIV,  780;  Gesta 
Fontanell.  a.  a.  0. 

^)  Gesta  Fontanell.  a.a.O.;  Rod.  Glaber  IV,  c.4,  §  10. 11. 


215 

bettelnd  mit  Weib  nnd  Kind  die  nachbarliehen  GebieteJ)  Er- 
greifend ist  die  Sehilderang  einer  unserer  Quellen:  , Damals 
verstummte  Cither  und  Leyer,  und  jede  Musik  hatte  ein  Ende. 
Vorbei  wars  mit  der  Freude;  nirgends  ein  Jubellaut!  Niemand 
stritt  um  Spiel  und  Vergnttgungen,  um  den  Erfolg  des  Glückes: 
überall  war  die  Niedergeschlagenheit,  der  Schmerz  und  die 
Furcht  vor  dem  Unheil  gewaltig;  weit  und  breit  nichts  als 
Trauer  und  Oede.*^) 

Das  Elend  pochte  natürlich  zuerst  an  die  Pforten  der 
Kirchen  und  Klöster.  Hier  lagen  scheinbar  grosse  Beichtümer 
aufgespeichert.  Aber  die  Stifter,  deren  Hauptreichtum  in  ihrem 
Grund  und  Boden  bestand,  wurden  durch  die  Unergiebigkeit 
des  Land-  und  Weinbaus  nicht  minder  schwer  getroffen.  Ausser 
den  Mönchen  hatte  der  Abt  für  die  abhängigen  Leute,  Leib- 
eigene, Zinsbauem  und  Pächter,  zu  sorgen.  In  den  Klöstern 
fanden  denn  die  Klagen  den  allgemeinsten  Widerhall;  hier 
wurden  alle  Mittel  in  Bewegung  gesetzt,  um  Brot  zu  schaffen. 
Man  kaufte  nach  Möglichkeit  die  entwerteten  Grundstücke  zu- 
sammen, um  den  erhöhten  Ansprüchen  genügen  zu  können^), 
nahm  Leute,  die  sich  selbst  nicht  ernähren  konnten,  in  Pension 
und  unterstützte  zahlreiche  Arme.  Dabei  schonte  man  nicht 
nur  das  vorhandene  Barvermögen  nicht  —  jetzt  war  die  Zeit 
gekommen,  wo  auch  in  den  Augen  der  strengsten  Kirchen- 
männer erlaubt  war,  was  sonst  verpönt,  die  Kirchenschätze 
und  den  kostbaren  Schmuck  der  Gotteshäuser  zum  besten  der 
Notleidenden  zu  veräussern;  denn  die  Zahl  der  Armen  über- 
stieg in  jeder  Weise  die  vorhandenen  Mittel.^) 

Wie  Wilhelm  von  Dijon,  so  waren  auch  Odilo  und  Richard 


>)  Anselmi  Gesta  Leod.  c.  87.  Wenn  von  denen,  die  nach  Lüttich 
kamen,  der  Bischof  aUein  dreihundert  unterhielt,  so  kann  man  sich  eine 
VorsteUung  von  dem  Umfang  der  Auswanderung  machen,  da  die  Aus- 
wandrer sicher  auch  andere  Orte  aufgesucht  haben. 

')  Gesta  Fontanell.  a.  a.  0.:  Eo  tempore  periit  cithara  et  lyra,  et 
omne  genua  musicorum  interiit:  sublatum  est  enim  gaudium;  vox  laetitiae 
nusquam  audiehatur;  nemo  de  ludis  et  voluptatibus,  de  secwidorum  suc- 
cessu  ntUluB  disputäbat:  ubique  tristitiaj  dolor  et  metm  malonmh  ingens 
erat;  luctrts  et  vastitas  cwncta  late  tenebat. 

3)  Vgl.  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  23.  37.  62;  Gart,  de  Saintes  nr.  20,  p.  27. 

*)  Rod.  Glaber  a.  a.  0. :  excessit  nimietas  egenorum  in  pleriaque  loda 
thesauroa  ecckaiarum. 


216 

von  Saint-Vannes  aufs  eifrigste  bestrebt,  der  Not  zn  stenern. 
Der  Abt  von  Clani  beklagte,  wie  er  selbst  einmal  sagt,  nicht 
nur  den  Verlust  des  Vermögens,  sondern  auch  das  unerhörte 
Elend,  den  jammervollen  Ruin  des  ganzen  Landes.^)  Zum 
Nutzen  der  Notleidenden  schmolz  er  zahlreiche  Kirchengefässe 
und  Gerätschafken,  u.  a.  die  Krone  Heinrichs  II,  ein.  Und  als 
dies  alles  nicht  genügte,  um  dem  Hunger  der  Armen  abzu- 
helfen, zog  er  von  Dorf  zu  Dorf  und  von  Kirche  zu  Kirche, 
um  die  hohen  Herren,  die  Reichen  und  den  Mittelstand  zu 
Spenden  anzufeuern.  Mit  erhobener  Stimme  versprach  er  in 
seinen  Predigten  ihnen  vollste  Absolution  von  ihren  Sünden.^) 
Bis  nach  Spanien  drangen  die  Bittbriefe,  durch  die  er  den 
Untergang  Tausender  abzuwehren  suchte.^)  Auch  Richard 
hatte  nicht  nur  Kirchenschätze  der  Kirche  Reims  verkaufen, 
sondern  sogar  Abteien,  wie  die  von  St  Amantius  in  Aquitanien, 
an  den  Grafen  von  Rodez  verpfänden  müssen,  mit  dem  dann 
das  Kloster  St.  Vannes  noch  lange  processierte.  Auch  seine 
Boten  und  Briefe  eilten  zu  weltlichen  und  geistlichen  Grossen.^) 

Naturereignisse,  wie  die  eben  geschilderten,  wurden  in 
jener  Zeit  um  so  furchtbarer,  je  mehr  die  socialen  Verhält- 
nisse die  entsetzlichen  Wirkungen  förderten  und  erhöhten. 
Seit  dem  Ende  des  zehnten  Jahrhundeils  war  die  Kirche  be.- 
strebt,  der  wachsenden  Unsicherheit  des  Besitzes  und  jedes 
Gewerbes  ein  Ende  zu  machen.  Sie  hatte  zuerst  versucht,  an 
Stelle  des  Gewaltprincips,  das  jedem  ermöglichte,  mit  dem 
Schwert  sein  Recht  zu  suchen,  das  der  gesetzlichen  Entschei- 
dung zu  befestigen,  sie  hatte  dann  in  den  burgundischen  Frie- 
denseinignngen  die  Laien  über  den  Reliquien  der  Heiligen 
schwören  lassen,  von  jedem  gewaltsamen  Raube  abzustehen. 
Damals  waren  Fälle  der  Notwehr  oder  des  Wiedererwerbs  ge- 

^)  Praef.  ad  V.  Maioli:  Eram  tum  temporis  lugens  et  deflens  non  modo 
damnum  rei  famüiariSf  sed  et  insolitae  cälamitatis  et  inauditae  miscriae 
ingem  periculiMn,  [et  quod  magia  urgebat,  totius  patriae  et  omnium  paur- 
perum  grande  lamenta^ileq^ie  dispendiitm. 

*)  Jotsaldi  y .  Odilonis  I,  c.  9 :  Erat  enim  eo  tempore  fames  valida, 
quae  sui  magnitudine  pene  totas  Qalliarum  sive  Aquitaniae  oppresserai 
provincias. 

>)  Odil.  epist.  8  ad  Garseam,  d'Ach^ry,  Spicilegium  111,381. 

*)  Hugo  Flav.  II,  c.  27;  vgl.  Sackur,  Richard,  Abt  von  St.-Vannes  S.60. 


217 

raubten  EigentnmB  aasdrtlcklich  ansgenommen.  Sei  es  nnn, 
dass  wir  in  den  aqnitanisehen  Friedenssynoden,  die  seit  dem 
Jahre  1028  sich  verfolgen  lassen,  die  Fortsetzung  der  bnrgun- 
disehen  Bewegung  zu  erblicken  haben,  wie  es  scheint,  sei  es, 
dass  es  sich  um  ein  erneutes  selbständiges  Vorgehen  der  aqui- 
tanischen  Kirche  handelt,  jedenfalls  traten  die  Bemühungen 
für  den  Landfrieden  in  ein  neues  Stadium.  In  Limoges  wur- 
den wenigstens  seit  dem  November  1028  Versammlungen  ab- 
gehalten,  an  denen  die  aquitanischen  Bischöfe,  die  Aebte  der 
verschiedenen  Klöster  mit  ihren  Heiligen  und  eine  grosse 
Menge  Volkes  und  vornehmer  Laien  teilnahmen.  Seit  am 
19.  November  1028  gelegentlich  der  Weihe  der  Kirche  St.  Sal- 
vator  eine  Translation  und  Ausstellung  des  hl.  Martialis  und 
anderer  Beliquien^)  stattgefunden,  und  bei  dieser  Gelegenheit 
die  Bischöfe  zum  Frieden  ermahnt,  der  Rechtlosigkeit  gewehrt 
und  die  Friedensbrecher  excommunieiert  hatten  2),  wurden  diese 
Versammlungen  um  so  öfter  wiederholt,  je  schwerere  Zeiten 
jetzt  ttber  die  Bevölkerung  hereinbrachen.')  Nachdem  es  den 
ganzen  folgenden  Winter  geregnet  und  gestürmt  hatte  ^),  zog 
der  Bischof  von  Limoges  bereits  im  März  1029^)  durch  die 
Ausstellung  von  Heiligenreliquien  wiederum  zahlreiche  Men- 
sehenmassen  heran,  die  schwören  mussten,  Friede  und  Recht 
zu  wahren.«)  Die  grossen  Synoden,  die  am  1.  und  18.  November 
1031  zu  Bourges  und  Limoges')  abgehalten  wurden,  verfolgten 

^)  Chron.  Lemovic.  102S,  Labbe  I,  334;  Ghron.  Gaufredi  Vosiensis, 
HF  X,  268;  Sermo  I.  des  Ademar  von  Chabannes  von  1031,  Cod.  lat.  Paris. 
2469  f.  89'.  90;  II,  f.  90;  III,  f.  91'. 

')  Sermo  IX.  des  Ademar  a.  a.  0.  f.  96 :  ubi  ipsi  plures  adfuerunt  epi- 
scopi  adnuntiantea  pacemj  prohibentes  initisticianif  vioUttores  pacis  excom- 
municantes,  . . . 

•)  Vgl.  Sermo  IH.  und  IX. 

*)  Sermo  HI,  f.  91:  Sed  mirum  dictu  peracta  templi  dedicatione  per- 
turbatio elementorwn  gravis  subsectUa  est,  ut  per  contirhxws  qwtttxMr  menses 
venti  et  pluviae  totam  infestarent  terram. 

*)  ib.:  per  mensem  Martium. 

•)  ib.:  pacetn  iterum  et  ivsticiam  confirmare  omnibus  iussit 

*)  Sermo  I,  f.  89:  Sancta  quippe  sinoduSj  quae  ante  hos  dies  videlicet 
in  huius  mensis  capite  apud  sedem  habita  est  Bituricamf  unanimi  pnur 
denter  tractavit  consultu  conciliwn  apud  hanc  vrbem  Leniovicam  in  hoc 
hodiema  die  dehere  iterare ;  Goncil.  Lemovic,  Labbe,  Novabibl.  II,  p.779: 
ante  kos  quindecitn  dies  in  concilio  Bituricensi  . . .  recitare  fecimtts. 


218 

neben  anderen  Absichten  auch  den  Zweck,  namentlich  die  vor- 
nehmen Laien  fttr  eine  Wiederherstellang  des  Friedenszustandes 
zu  gewinnen,  der  Rechtlosigkeit  ein  Ende  zu  machen.  Ademar 
von  Chabannes  predigte  damals,  wie  bei  andern  Gelegenheiten, 
in  Limoges  nnd  ermahnte  zum  Frieden  ^),  während  Bischof  Jor- 
dan den  Anwesenden  verbot,  sich  heimlich  vom  Concil  zu  ent- 
fernen, und  alle  Fürsten  und  Edlen  zusammenberief,  um  sie 
zum  Frieden  zu  einigen.  Die  Geistlichkeit  forderte  vor  allen 
Dingen  fttr  die  Besucher  der  Versammlung  Frieden,  sowohl  fttr 
den  Heimgang  als  noch  wenigstens  acht  Tage  später.^)  Den 
Gehorsamen  wird  Absolution  versprochen,  die,  welche  den 
Frieden  nicht  annehmen,  werden  mit  der  Excommunication  be- 
droht, wie  es  bereits  auf  dem  Concil  zu  Bourges  geschehen 
war.3)  Um  dieselbe  Zeit  wurde  unter  dem  Vorsitz  Wilhelms 
von  Aqnitanien  von  den  Bischöfen  Isembert  von  Poitiers,  Jordan 
von  Limoges  und  Arnald  von  P^rigneux  über  den  Landfrieden 
zu  Poitiers  verhandelt  und  vornehmlich  die  Rückerstattung  jeg- 
lichen Kirchenraubes  beschlossen.^) 


»)  Sermo  I. 

>)  Concil.  Lemovic,  Labbe  II,  p.  781.  782. 

')  ib.;  Quenuidmodum  auteni  inter  BitiiriccfiseSj  Deo  dotiantCj  pax 
firtiiata  est,  ita  inter  Leniovicenses  paceni  fieri  optamus. 

0  Chron.  S.  Maxentü  a.a.O.  1032:  Eo  tempore  fmt  concilium  factum 
Fictavis  de  flde  catholicaj  rege  Roberto  concedentej  ut  per  onmes  civitcttes 
fierent  concilia.  Der  Cbronist  scböpft  hier  wahrscheinlich  aus  einer  Auf- 
zeichnung, die  unter  dem  Titel  Noticia  concilii  Pictav.  bei  Martene,  Thes. 
IV,  79  und  Gallia  Christ.  II,  instr.  col. 331  gedruckt  ist:  ...  rege  videlicet 
Roberto  Francorwn  regna  iuste  disponetite  .,,  tU  concilia  per  singulas  ctt?i- 
tates  celebrarentur  ac  innumera  mxdtitudo  plebium  coadunata  . . .  Inter 
cetera»  vero  diversas  partes  acdditj  ut  Fictavae  urbis  concilium  ageretur, 
duce  videlicet  nobilissimo  Willelmo  svh  Isemberto  ipsius  urbis  episcopo  et 
lordano  Lemovicensium  praesule  atque  Armildo  Petragoricae  regionis  et 
diversorum  ordinum  christianorum  abbatibuSj  videlicet  tnonachis  et  clericis 
necnon  et  fidelibus  popuiis  . . .  statueruntj  ut,  si  quis  hominum  res  sanctae 
Dei  ecclesia^e  frauduknter  aut  violenter  possederat  aut  iniuste  rapuerat, 
cum  summo  studio  restitueret  ety  ut  terras  monasteriorum  integras  liberas- 
que  persolverent.  Quod  et  ita  omties  decreverunt  fteri  et  sub  excommuni- 
catione  et  iuramento  firmaverunt.  Die  Erwähnung  Roberts  II.  würde  auf 
vor  1031  weisen,  indes  geht  aus  der  Noticia  nicht  hervor,  dass  z.  Z.  des 
Concils  von  Poitiers  Robert  noch  gelebt  hat  Aus  Sermo  IX  (s.  unten) 
ersehen  wir  aber,  dass  kurz  vor  1033  in  Poitiers  Friedensversammlungen 
abgehalten  wurden.  Man  wird  also  dem  Chron.  S.  Maxentü  folgen  können. 


219 

Aber  alle  diese  Versache,  dea  weltlichen  Adel  dem  allge- 
meiaen  Interesse  dienstbar  zu  machen,  waren  erfolglos.  Die 
angedrohten  Strafen  machten  auf  die  meisten  so  wenig  Ein- 
draek,  dass  einige  Bischöfe,  wie  die  von  Poitiers  und  Angou- 
leme,  sich  genötigt  sahen,  das  Interdict  ttber  ihre  Diöeesen  za 
verhängen.  Seitdem  rnhte  der  (Gottesdienst  vollständig;  die 
Glocken  schwiegen,  die  Kirchenthtiren  blieben  gesehlossen  und 
warden  von  Gestrüpp  umwachsen,  da  kein  Laie  mehr  in  die 
Gotteshäuser  gelassen  wurde. ^)  Die  Verachtung,  welcher  die 
kirchlichen  Strafen  allgemein  unter  den  Vornehmen  begegneten, 
brach^  die  Bischöfe  zu  dem  Entschlüsse,  die  Excommunication 
nicht  frtther  aufzuheben,  als  bis  sämtliche  Fürsten  sich  gegen- 
seitig und  in  die  Hände  der  Bischöfe  die  Friedenseide  ge- 
leistet hätten.2) 

Erst  im  Jahre  1033  oder  1034^)  begannen  wieder  bessere 
Zeiten.  Unter  den  wärmenden  und  trocknenden  Strahlen  der 
Sonne  entwickelte  sich  ein  solcher  Beichtum  an  Früchten  und 
Weinbergen,  dass  die  Herzen  sich  dankerfüllt  einer  milderen 
und  sanfteren  Stimmung  öffiieten.  Während  in  Limoges,  wo 
das  Fest  der  Weihe  von  St.  Salvator  alljährlich  durch  grossen 
Zulauf  begangen  wurde  und  wohl  auch  anderwärts  die  Kirche 
ihre  Bemühungen,  friedliche  Zustände  herbeizufllhren,  fortsetzte, 
kam  es  —  wenn  wir  recht  unterrichtet  sind  —  nach  jenen 
schrecklichen  Notstandsjahren  und  vergeblichen  Anstrengungen 
der  Geistlichkeit  im  Interesse  des  Friedens  in  Aquitanien  und 
später  in  Burgund  zu  allgemeiner  und  begeisterter  Annahme 
der  von  den  Häuptern  der  Kirche  vorgeschriebenen  Forde- 
rungen.4)    Das  in  einzelnen  Paragraphen  abgefasste  Instru- 


>)  Sermo  IX.  a.a.O. 

*)  Sermo  IX:  Consultu  episcoporum  tatndiu  vero  ista  perdurabit  ex- 
canimunicatio,  donec  cuncti  principes  eorum  inter  se  invicem  imticiam  et 
pacem  foederent  in  manibua  episcoporum, 

')  Der  hl.  Martialis  sagt  (Sermo  IX)  1028:  usque  ad  quinque  annos 
Aquitaniam  non  visitabOy  worauf  der  Notstand  folgte,  d.h.  also  bis  ca. 
1033;  dazu  vgl.  Rod.  Glaber  IV,  c.  5:  Anno  a  passione  Domini  milesimo 
memorate  cladis  penvHcia  subsequentej  also  1034. 

*)  Rod.  Glaber  IV,  c.  5.  Dass  1 033  in  Limoges  ein  grösseres  Concil 
statt&nd,  lehrt  Sermo  IX,  der  1033  gehalten  wurde:  Certe  ntmc  Picta- 
venaes  et  Engolismenses  eccksiae  omnes  ab  episcopis  suis,  qui  huic  con* 
ciUo  interswnt  etc. 


220 

menti),  das  die  eidlich  zu  beschwörenden  Punkte  enthält, 
unterscheidet  sieh  nicht  unbeträchtlich  von  der  Eidesformel,  die 
auf  den  bnrgundischen  Synoden  der  zwanziger  Jahre  vorgelegt 
wurde.^)  Vor  allen  Dingen  ist  man  von  einem  bedingten  Frie- 
den, welcher  Notwehr  und  berechtigte  Vergeltung  nicht  am- 
fasst,  zu  einem  unbeschränkten  Frieden')  vorgeschritten,  indem 
nämlich  einmal  alle  bis  dahin  verübten  Verbrechen  straflos 
bleiben,  Räuber  der  gesetzlichen  Bestrafung  übergeben  werden 
und  die  Friedensbrecher  des  Asylrechts  der  heiligen  Orte  ver- 
lustig gehen  sollen.^)  Sodann  legte  die  Kirche  in  den  späteren 
Versammlungen  den  Schwörenden  Freitag  und  Sonnabend  ge- 
wisse Entbehrungen  auf.  Schliesslich  glaubte  man  dem  Frie- 
denswerk grössere  Dauer  zu  sichern,  indem  man  sich  ver- 
pflichtete, den  Bund  alle  fünf  Jahre  zu  erneuern.  Es  ist  aber 
schwer  zu  sagen,  wann  derartige  Bedingungen  zuerst  aufge- 
stellt wurden:  soviel  scheint  sicher  zu  sein,  dass  es  sich  in 
Aquitanien  um  Jahre  lange  Bestrebungen  handelt  und  dass  es 
ganz  falsch  wäre  ^),  mit  Rodulfus  Glaber  anzunehmen,  dass  man 
erst  im  Jahre  der  Passion  Christi  begonnen  hätte,  die  Friedens- 
saehe  zu  betreiben. 

Aber  nicht  nur  in  Aquitanien,  wo  die  Friedensbewegung 
auch  flirder  nicht  ruhte  —  1036  fand  noch  ein  Friedensconcil 
zu  Poitiers  statt  — ,  sondern  auch  in  andern  Teilen  des  west- 
fränkischen Reiches  hatte  die  Geistlichkeit  das  Werk  in  die 
Hand  genommen.  Von  den  Kirchenprovinzen  Arles  und  Lyon 
aus  pflanzte  sich  die  Bewegung  durch  Burgund  bis  in  die 
änssersten  Teile  des  Reiches  fort.^)  Ueberall  müssen  wir  uns 
schon  im  Anfang  der  dreissiger  Jahre  die  massgebenden  Kreise 
in  eifriger  Thätigkeit  denken.  Die  Nachrichten  sind  freilich 
meist  spärlich.    Was  das  Herzogtum  Burgund  anbetrifift,   so 


^)  Rod.  Glaber  a.a.O.:  Erat  quippc  descriptio  capitatim  digesta  etc. 

•)  Vgl.  oben  S.  166. 

■)  De  inviolabili  pace  conservanda  etc. 

*)  Predo  namque  aiU  Invasor  aUerius  facuUaiis  legwn  disirictione 
artatvs  vel  donis  facuUatum  seu  penia  corporis  acerrime  muUaretur. 

^)  Vgl.  z.B.  Kluckhohn,  Gesch.  des  Gottesfriedens  S.29. 

•)  Rod.  Glaber:  Dehinc  per  Arelatensem  provintiam  ac  Lugdunensem 
sicque  per  universam  Burgundiam  usque  in  tdtinuu  Franciae  partes  per 
universos  episcopatus  indictum  est  etc. 


221 

wissen  wir  nur  von  einem  Friedensconcil  in  Auxerre  im  Jahre 
1033.1)  Bessere  Zeugnisse  stehen  uns  für  die  Bewegung  zu 
Gebote,  soweit  sie  uaeh  Nordosten  vordrang. 

So  kam  in  der  Diöeese  Noyon  bereits  im  Jahre  1030^) 
unter  dem  Vorsitz  des  Bischofs  Hugo  eine  Friedenseinigung  zu 
Stande,  auf  der  das  gesamte  flandrische  Klosterwesen  mit  den 
Heiligen  St  Bavo,  St.  Wandregisil,  St  Amandus,  St  Bertinus 
und  St  Winocus,  der  Markgraf  und  die  Vornehmen  des  Reiches 
erschienen  waren.  Einige  Jahre  ^)  später  kamen  unter  dem 
Drucke  der  Hungersnot  die  Geistlichkeit  der  Diöeese  Amiens 
mit  ihren  Reliquien,  vor  allem  die  Insassen  der  Abtei  Corbie 
mit  dem  hl.  Adalhard  und  natürlich  die  Laien  des  Sprengeis 
an  einem  Orte  zusammen,  wo  über  den  Reliquien  ein  unver- 
letzlicher Friede  aufgerichtet  ward.^)  Man  setzte  fest,  dass 
Streitfälle,  die  bisher  durch  Raub  und  Brand  unter  den  Be- 
teiligten entschieden  wurden,  fortan  vor  dem  Gericht  des 
Bischofs  und  des  Grafen  erledigt  werden  sollten.^)  Auch  hier 
wurde  die  Institution  zu  einer  dauernden  erhoben,  indem  man 
sieh  darüber  verständigte,  alljährlich  am  Tage  des  hl.  Firminus 
den  Bund  zu  Amiens  zu  erneuern.®)    Man  kam  da  eine  Zeit- 

^)  ChroQ.  Autissiodor.  1033. 

•)  Sigeberti  Auct. Affligh.  SS. VI,  399  zu  1030:  Cornea  Balduinus  ... 
congregatü  totius  regni  aui  primatibua  apud  Aldenardum  pacem  cum 
omni  poptdo  coniv/ratam  firmari  fecit.  Danach  Ann.  S.  Bavonis  1030.  De- 
Bcriptio  de  origine  conventas  postea  abbatiae  Tranchin.  1030,  Smet,  Re- 
cueil  1,544;  Ann.  Formosel.  1030:  Bdiquiae  congregatae  svt/iit  Oldenardi, 
Von  S^michon  and  Klackhohn  völlig  übersehen. 

>)  Miracala  S.  Adalhardi  I,  c.4,  SS.  XV,  2,  p.861:  cum  iUo  famea 
Septem  annis  regnasset  cUrociter  . . .  Qtia  comptUsi  necessitate  . . .  Diese 
Worte  zeigen,  dass  es  sich  um  die  grosse  Hungersnot  handelte.  Dass 
dabei  König  Bobert  als  regierend  genannt  wird,  kann  bei  dieser  in  chrono- 
logischen Angaben  ungenauen  Quelle  nicht  ins  Gewicht  fallen.  Kluckhohn 
S.  24  setzt  das  Ereignis  1021,  wie  Holder-Egger  bereits  SS.  XV,  2,  861  n.  4 
richtig  bemerkte,  ohne  jeden  Grund. 

*)  Mirac.  S.  Adalh.  I  c.4:  ibique  pcicis  inviolabiU  pactum  confirma- 
tur  ,. .  integram  pacem,  id  est  tocius  ebdomadäe  decemunt 

^)  ib.  I,  c.4:  Fuit  aiUetn  haec  rq>romis8%o,  ut  si  qui  disceptarent 
inter  se  aliquo  disddio^  non  se  vindicarent  praeda  aut  incendiOj  donec 
statuta  die  ante  aecclesiam  coram  pontifice  et  comite  fieret  pacificaiis  de- 
clamatio, 

^)  \\}.:  et  %U  per  singulos  annos  ad  id  confirmandum  Ambianis  in  die 
festivitatis  8.  Firmini  redeant,  unanimiter  Deo  repromittunt ;  ib.  I,  c.  8: 


222 

lang  regelmässig  zasammen,  entschied  Proeesse  und  führte  die 
Streitenden  zur  Einigkeit.^) 

So  verbreitete  sieh  die  Bewegung  von  Diöeese  zu  Diöeese. 
Die  Bischöfe  zeigten  sich  im  allgemeinen  bereit,  sieh  den  Frie- 
densbestrebangen  anzusehliessen  nnd  die  Bevölkerung  fttr  den 
Frieden  zu  gewinnen.  Um  die  Ehrfurcht  und  Ergebenheit  der 
Laien  zu  fördern,  verkündete  wohl  auch  der  eine  oder  andere, 
die  Friedensbotschaft  sei  vom  Himmel  gefallen.  Nur  einer,  so 
viel  wir  wissen,  war  auch  diesmal  durchaus  abgeneigt,  der 
Aufforderung  der  westfränkischen  Bischöfe  Folge  zu  leisten.  Es 
war  Gerhard  von  Gambrai,  der  das  selbständige  und  radicale 
Vorgehen  der  französischen  Geistlichkeit  mit  seinen  Pflichten 
eines  Reichsftlrsten  nicht  in  Einklang  bringen  konnte.  Forderte 
man  jetzt  von  den  Laien  Aufgabe  jeder  Selbsthilfe  und  Blutrache 
und  gewisse  Entbehrungen  am  Freitag  und  Sonnabend  bei  An- 
drohung der  Excommunication  2),  so  fand  Gerhard  Bibelverse 
genug,  um  zu  beweisen,  dass  die  erstere  Forderung  ungerecht 
und  undurchführbar  sei  und  dass  bei  der  Schwäche  des  mensch- 
lichen Geschlechts  so  harte  Strafen  nicht  angebracht'  wären.^) 
Ihm  schien  der  Gedanke,  den  die  Kirche  jetzt  beständig  ver- 
focht, so  ktthn  und  unausführbar,  dass  es  des  Druckes  und 
des  Drängens  der  Bevölkerung,  sowie  des  Grafen  Balduin  von 
Flandern  4)  bedurfte,  um  ihn  zur  Nachgiebigkeit  zu  bringen. 

Um  so  lebhafter  war  sicher  die  Beteiligung  des  Mönch- 
tnms,  das  sich  mit  den  Klosterheiligen  überall  einfand,  an 
dieser  Bewegung. 


Adoleverat  inter  AmbianeiMes  et  Corbeienses  nova  qtuiedam  religio  et  ex 
rdigione  pulhdaverat  consuetudo,  qua  etiam  reciprocabatwr  omni  anno  etc. 

>)  Mirao.  S.  Adalh.  I,  c.  8. 

*)  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c.  52,  SS.  VII^  485:  Arma  quisquam  non 
ferretf  direpta  non  repeteret;  8ui  sanguinis  vel  cuiuslibet  proximi  ultor 
minime  existens  percussorUms  cogeretur  indulgere;  ieiunium  in  pane  et 
aqua  omni  sexta  feria  observarent  et  in  sabbato  a  came  et  pinguamine  . . . 
Et  haec  sacramento  se  servare  firmarent;  quod  qui  noüet  christianitate 
privaretwr  et  exeuntem  de  saeculo  ntiUus  visitaret  nee  sepulturae  traderet 

')  ib.  c.  52.  53 :  Causa  post  haec  fuit,  qua  Duacum  petiit.  übi  con^ 
ventus  populi  vocibus  de  statuenda  pace  falsa  . . . 

*)  ib.  c.  54 :  His  ita  gestis  Balduinus  tunc  temporis  Flandrensium 
comes  hortari  coepit  episcopum,  ut  populo  favens  pacem  sacramento  fir- 
mare  htberet  . . .  Tandem  taedio  victus  .. .  ad  locum  designatum  venu. 


^  223 

Erhöhte  Sorge  nm  das  Seelenheil. 

I. 

Der  Umsturz  aller  socialen.  Verhältnisse  im  nennten  Jahr- 
hundert hatte  auf  die  Gemüter  den  gewaltigsten  Eindruck  ge- 
macht Ein  tiefes  Sündenbewnsstsein  hatte  weite  Kreise  er- 
griffen. Die  Herzen  zerriss  nicht  nur  der  Kummer  um  die 
Existenz,  sondern  vornehmlich  die  Sorge  um  die  ewige  Rettung. 
Man  bezeichnet  es  als  eine  grosse  Gnade  des  Herrn,  dass  er 
den  Menschen  den  Trost  gelassen  habe,  durch  Schenkungen 
und  Vergabung  ihres  Besitzes  an  die  Kirche  das  Seelenheil  zu 
erwerben.  Salomos  Wort:  „Die  Erlösung  des  Mannes  sind 
seine  Reichtümer"  ¥rird  zu  einem  Fundamentalsatz  irdischen 
Lebens.  Man  überhäufte  die  neu  erstehenden  Abteien  mit 
Schenkungen;  vornehme  und  vermögende  Personen  vertausch- 
ten den  weltlichen  Kriegsdienst  mit  der  Gefolgschaft  Christi. 

Das  Schicksal  der  Seele  nach  dem  Tode  wird  Gegenstand 
tieferen  Nachdenkens;  man  kommt  auf  den  Gedanken,  dass 
das  Ende  der  Welt  nicht  mehr  fern  ist  ^),  deren  Schlechtigkeit 
die  Höhe  erreicht  zu  haben  schien,  welche  die  Propheten  und 
die  Offenbarung  Johannis  mit  grellen  Farben  ausmalten.  Eine 
tief  pessimistische  Weltanschauung  gewinnt  namentlich  in  den 
ersten  Jahrzehnten  des  zehnten  Jahrhunderts  an  Boden.  Glaub- 
ten einzelne  Leute  bereits  in  den  Ungarn  Gog  und  Magog,  die 
Vorläufer  des  Antichrist,  zu  erblicken  2),  so  predigte  Odo  von 
Cluni,  dass  die  Zeit  des  Antichrist  nahe  sei^),  und  deutete  alle 
Zeichen  der  Zeit  auf  die  nahe  Ankunft  des  bösen  Feindes. 


*)  Vgl.  darüber  Raoul  Rosi^res,  La  legende  de  Tan  mil  m  der  Revue 
politique  et  litt^raire  1878,  dann  wieder  abgedruckt  in  seinen  Recherches 
crit.  sur  l'hist.  relig.  de  la  France,  Paris  1879,  p.  135  ff.;  ▼.  Eicken,  Die 
Legende  von  der  Erwartung  des  Weltunterganges  und  der  Wiederkehr 
im  Jahre  1000,  Forsch,  z.  D.  Gesch.  XXIII,  302—818;  Pardiac,  Hist  de 
S.  Abbon,  Paris  1872,  p.  416  ff.  (der  Vf.  führt  zwei  Fabeln  ans  Tritheim 
auf!);  Plaine,  Les  pr^tendues  terrenrs  de  i'an  mille,  Revue  bist.  1878; 
Roy,  L'an  mUle,  Paris  1885;  Pietro  Orsi,  L'anno  mille,  Rivista  storica  ita- 
liana,  Torino  1887;  Anber,  De  Tan  mille  et  de  son  inflnence  pr6tendu  sur 
Tarchitecturo  religieuse  in  der  Revue  de  Tart  chretien  V  (Paris  1861),  48  ff.    _ 

>)  Brief  an  Dado  von  Verdun  (881—923)  bei  Martene  et  Durand, 
Coli.  ampl.  I,  260;  d'Achery,  Spicil.  III,  368. 

»)  S.  Bd.  I,  S.  118. 


224 

Etwa  gegen  Ende  der  fünfziger  Jahre  hörte  der  junge 
Mönch  Abbo  von  Fleury  zu  Paris  eine  Predigt  über  das  Welt- 
ende, in  der  es  hiess,  dass  sogleich  nach  dem  Ende  der  tau- 
send Jahre  der  Antichrist  kommen  und  bald  darauf  das  Welt- 
gericht eintrefifen  werdeJ)  Widersprach  Abbo  auch  dieser 
Prophetie  nach  Kräften  auf  Grund  der  Evangelien,  der  Apo- 
kalypse und  des  Daniel,  so  wird  sich  immerhin  genug  Publicum 
eingefunden  haben,  welches  die  Worte  des  Predigers  gläubig 
aufnahm  und  weiter  verbreitete.  Nur  wenige  Jahre  später, 
wird  uns  berichtet,  erfüllte  fast  die  ganze  Welt  das  Gerücht, 
dass  das  Ende  der  Welt  sicher  eintreten  würde,  wenn  die  Ver- 
kündigung Maria  auf  den  Charfreitag  fiele.  Im  Fleury  empfing 
man  darüber  Briefe  aus  Lothringen.  Abbo  wurde  damals  be- 
auftragt, sie  zu  beantworten  und  zu  widerlegen.  Man  mag 
ungefähr  erraten,  was  er  geschrieben  hat:  dass  das  erwartete 
Zusammentreffen  im  Jahre  970  und  992  bevorstehe  und  dass 
man  sich  damit  im  Widerspruch  mit  den  Weissagungen  der 
Apokalypse  befände. 

Die  Abweisung  der  besprochenen  Ansichten,  die  um  die 
Mitte  des  zehnten  Jahrhunderts  auftauchten,  bezweckte  auch 
der  Tractat,  den  der  Abt  Adso  von  Montierender  zwischen  949 
und  954  über  den  Antichrist  an  die  Königin  Gerberga  von 
Frankreich  sandte.^)  Bezüglich  des  Zeitpunktes  der  Ankunft 
des  Antichrißts  hatte  man  sich  meist  auf  die  apokalyptische 
Weissagung  vom  tausendjährigen  Reich  Christi  gestützt    Die 

^)  Abbonis  Apologeticus,  Migne  139,  471  if.:  fama  pene  totxim  mun- 
dum  impleveratf  quodj  quando  annunciatio  Dominica  in  pctrasceve  con- 
tigissetj  abaque  uüo  scruptdo  finis  saeculi  esset. 

')  Er  wurde  früher  bald  Rab&nus  Maurus,  bald  Augustin,  bald  Alcnin 
zugeschrieben  und  findet  sich  deshalb  in  der  COlner  Ausgabe  der  Opp. 
Rabani  von  1626;  Augustini  Opp.  (Paris  1685)  VI,  243 ff.;  Alcuini  Opp. 
ed.  A.  Quercetanus,  Paris  1617  und  danach  bei  Migne,  Patrol.  hi.  101, 
1291  ff.  Die  gedruckten  Ausgaben  sind  interpoliert  und  unbrauchbar.  Ich 
hoffe  den  reinen  Text  später  auf  Grundlage  der  ältesten  Hss.  edieren  zu 
können.  Inzwischen  verwerte  ich  hier  meine  Vorarbeiten.  —  Vgl  über 
den  Tractat  Hist.  litt^r.  de  la  France  VI,  477;  Riezler  in  der  Hist.  Ztschr. 
Bd.  32,  63 — 75;  Düllinger,  Weissagungsglaube  und  Prophetentum  im  Mittel- 
alter, Histor.  Taschenbuch  V,  304;  Ders.,  Christentum  und  Kirche  zur  Zeit 
ihrer  Grundlegung  S.  432;  Corrodi,  Gesch.  des  Ghiliasmus  II,  364;  v.  Zezsch- 
witz,  Vom  römischen  Kaisertum,  Leipzig  1877;  Häussner,  Die  deutsche 
Eaisersage,  Bruchsal  1882. 


225 

Discessio,  deren  Eintritt  2.  Thessaler  2,  3  als  Anfang  der  Kata- 
strophe bezeichnet  war,  hatte  Odo  anf  die  allgemeine  Apo- 
stasie  vom  kirchlichen  Leben  gedeutet  Die  Auslegung,  die 
Adso  auf  der  Grundlage  alter  Exegeten  versucht  <),  bezieht 
sich  auf  die  Discessio  vom  römischen  Reiche,  indem  er  der 
allgemeinen  Annahme  folgt,  dass  das  römische  Reich  das  letzte 
der  Danielischen  Weltreiche  sei.  Danach  kommt  er  zu  folgen- 
den Schlüssen:  die  Zeit  des  Antichrist  ist  noch  nicht  da;  denn 
wenn  das  Römerreich  auch  zum  grössten  Teil  zersplittert  ist, 
so  wird  doch  die  Würde  desselben  nicht  gänzlich  zu  Grunde 
gehen,  so  lange  es  besteht  in  seinen  Königen.^) 

Lässt  sich  also  auch  aus  dieser  Schrift  der  Schluss  ziehen, 
dass  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  die  Erwartung  des  Welt- 
endes weitere  Kreise  ergriffen  hatte  —  in  England  scheinen 
ähnliche  Anschauungen  noch  gegen  Ende  desselben  Anhänger 
gefunden  zu  habend)  — ,  so  zeigen  auch  die  Urkunden,  dass 
um  die  angegebene  Zeit  und  später  in  einzelnen  Teilen  Frank- 
reichs wenigstens  hier  und  da  die  Verzweiflung  an  einer  Besse- 
rung der  Zustände  zu  unbestimmten  Befürchtungen  über  das 
Ende  der  Welt  geführt  hat.*)  Aber  die  Belege  sind  so  ver- 
einzelt, dass  von  einer  allgemeinen  Weltuntergangsfurcht  nicht 
geredet  werden  kann.  Es  sind  augenblickliche  Misstimmungen, 
die  gelegentlich  im  Norden  Frankreichs  zum  Ausdruck  kamen. 


^)  Vgl.  Döllinger,  Christentum  und  Kirche,  BeiUge  I. 

')  Der  Passus  über  den  letzten  König  ist  aus  der  Tiburtinischen 
Sibylle  entnommen  und  erst  später  in  den  Tractat  interpoliert. 

')  Vgl.  Dietrich,  Abt  Aelfrik  in  lUgens  Ztschr.  für  histor.  Theologie 
1856,  S.  587  flf.;  Pardiac,  Eist,  de  St.  Abbon  p.  200. 

*)  FreUich  ist  die  Formel:  appropinqtuinte  mundi  termino  nur  eine 
Kanzleiformel,  die  sich  bereits  in  den  Formulae  Marculfi,  LL  V,  74  und 
den  Formulae  Turon.  ebenda  p.  185  findet.  Sie  ist  besonders  gebräuch- 
lich gewesen  im  9.  Jahrhundert  (vgl.  Orsi  a.  a.  0.  p.  85),  nimmt  aber  dann 
ab.  Im  10.  Jahrhundert  ist  sie  in  dieser  oder  ähnlicher  Form  nachzuweisen 
fast  nur  in  cluniacensischen  Urkunden:  CHOL  I,  nr. 391  (April  031).  430 
(Febr.  935).  440  (Oct.  935).  519  (ca.  940).  621.  747.  783.807.864;  II,  nr.  1250 
(968—978).  1845  (973-974).  1474  (979).  1701  (984).  In  Band  III  von  987 
bis  1000  finden  sich  keine  directen  Hinweise.  Beziehungen  auf  das  Welt- 
ende finden  sich  dann  bei  Baluze,  Hist.  d'Auvergne  II,  pr.  23  (958);  Gallia 
Christ.  II,  468  (961,  Limoges);  Gu^rard,  Gart,  de  St.-Päre  I,  p.  77,  nr.  18; 
Gallia  Christ.  XYI,  instr.  col.  16  und  zwar  z.  T.  in  selbständigeren  Fas- 
sungen. 

Sftckur,  Cinniacenter.   II.  ]5 


226 

Das  nordöstliche  Frankreich  scheint,  wie  Adsos  Tractat  nnd 
die  Briefe  Abbos  andenten,  zeitweise  anter  pessimistischen  Ein- 
drücken gestanden  za  haben,  während  im  Süden  sich  nur  ge- 
ringe Sparen  1)  irgendwelcher  Befttrchtangen  finden.  Je  mehr 
die  Verhältnisse  sich  besserten,  desto  weniger  durften  ähnliche 
Prophezeiungen  auf  Anhang  rechnen,  und  nur  wenige  phan- 
tastische Köpfe  mochten  wenigstens  auf  Wunder  gefasst  sein, 
als  das  Jahr  1000,  auf  welches  die  apokalyptischen  Weis- 
sagungen am  ehesten  zu  passen  schienen,  heranrückte.  Natür- 
lich trafen  die  Wunder  auch  ein^),  und  namentlich  ein  Erd- 
beben —  „bei  dem  es  nicht  zuging  wie  gewöhnlich,  indem  der 
Sturm  in  die  Erdgänge  fährt  und  die  hohlen  Eingeweide  der 
Erde  zum  Erzittern  bringt,  bei  dem  vielmehr  in  einem  allge- 
meinen und  wüsten  Beben  hier  und  da  die  ganze  Erde  re- 
voltierte* — ,  setzte  am  Gharfreitage,  den  29.  März  1000,  die 
niederlothringischen  und  ostfranzösischen  Abteien  in  gewal- 
tigen Schrecken.3)  Hier  und  da  veranstaltete  man  angesichts 
schrecklicher  Himmelszeichen  BVssprocessionen  und  Volk^ver- 
sammlnngen  und  erwartete  bangen  Herzens  das  plötzliche 
Ende.*) 

II. 

Das  zehnte  Jahrhundert  ging  vorüber,  ohne  dass  die  Be- 
fürchtungen sich  verwirklichten.    Aber  die  unruhigen  Zeiten, 


>)  Die  Cartulftre  von  St.  Victor  in  MarseiUe  bieten  z.  B.  keinerlei 
Aasbeate,  ebenso  wenig  die  von  Ainay  und  Savigny  in  der  DiOcese  Lyon. 
Ein  Beispiel  fUr  Nimes  bei  Eicken  a.  a.  0.  Für  Vienne  die  erwähnte  Ur- 
kunde Gallia  Christ.  XVI,  instr.  col.  1 6. 

^)  Vgl.  Rod.  Glaber  Hist.  IV :  Post  multiplicia  prodigiarum  signa, 
quae  tarn  ante  quam  post,  circa  tarnen  annvm  Christi  domini  miüesimi 
in  orbe  terrarum  contigere;  vgl.  Rod.  Gl.  II,  c.  12;  Ann.  Rem.  et  Colon. 
1000:  Hoc  anno  prodigia  muUa  visa  fuerunt;  Chron.  S.  Medardi  Suess. 
1000,  HF  X,  291;  Miracula  S.  Agili  Resbac.  I,  c.  8,  Mab.,  Acta  SS.  II,  312. 

*)  Vgl.  Ann.  Elnon.  majores  1000:  ut  cunctis  fieret  manifestum^  quod 
ore  x^eritatis  fuerat  ante  promissum.  His  namque  et  aliis  signiSj  quae 
praenuntiata  fuerunt,  opere  compktis,  hine  iam  fit  nostra  spes  certior 
omni  visu  de  his  quae  restant  ordine  complendis;  Ann.  Blandin.  1000; 
Ann.  Floreff.  998;  Ann.  S.  Jacob!  Leod.  1000;  Chron.  S.  Medardi  Sues- 
sion.  1000. 

*)  Mirac.  S.  Agili  I,  c.  3.  4 :  Cumque  nox  atra  media  die  ...  diffudis- 
set  tenebras  omnesqu^  velut  subito  irruituram  praestolarentur  mortem. 


227  , 

die  folgten,  waren  nicht  geeignet,  alle  bangen  Gedanken  plötz- 
lich zum  Schweigen  zn  bringen:  voransschauende  Männer  ver- 
kündeten neue  Zeichen  für  das  kommende  tausendste  Jahr 
der  Passion  Christi.^)  Es  gab  Gemüter,  in  deren  Seelenleben 
der  gefürchtete  Zeitpunkt  einen  hervorragenden  Platz  einnahm: 
Rodnlfns  Glaber  fügte  seinen  drei  Büchern  Geschichte  ein 
viertes  an,  in  dem  das  tausendste  Jahr  der  Kreuzigung  im 
Mittelpunkte  der  Betrachtung  steht.  Auch  sonst  nehmen  die 
auf  das  Jenseits  gerichteten  Gedanken  einen  höheren  Flug. 

Diesmal  scheinen  sich  gewisse  Befürchtungen  vornehmlich 
im  Königreich  Burgund^)  verbreitet  zu  haben,  wo  sogar  der 
Hof  nicht  unbeeinflusst  blieb.  Im  Jahre  1031  heisst  es  in  einer 
Urkunde  Rudolfs  IIL  für  St.  Andr6  de  Vienne^):  „Indem  wir 
den  Untergang  dieser  sinkenden  Welt  vor  uns  sehen,  erwarten 
wir  mit  Furcht  das  Ende  alles  Fleisches."  Und  um  dieselbe 
Zeit  spricht  seine  Gemahlin  Ermengarde  von  den  sicheren 
Zeichen  des  nahen  Weitendes.^)  Damals  begannen  jene  furcht- 
baren Notstände.  Das  Reich  Rudolfs  hatte  bereits  aufgehört 
zu  existieren,  als  das  Jahr  1033  herannahte.  Eine  schreckliche 
Sonnenfinsternis,  die  am  29.  Juni,  am  Tage  Peter  und  Paul,  be- 
gleitet von  wunderbaren  Himmelserseheinungen,  eintrat,  erregte 
furchtbare  Angst ^),  denn  man  sah  in  ihr  eine  trübe  Vorbedeu- 
tung für  das  kommende  Verderben  des  Menschengeschlechtes. 

Die  Unterstützung  der  Kirche  und  ihrer  populärsten  Or- 
gane, der  Klöster,  gewährte  der  Bevölkerung  in  ihrem  Gefühle 
der  Sündhaftigkeit  um  so  mehr  Trost  und  Hoffnung,  je  mehr 

>)  Rod.  Glaber  Bist.  IV. 

*)  Vgl.  Cart.  d'Ainay  nr.  15  (l'»23);  Cart.  de  Savigny  nr.  633  (ca.  1030). 
641  (1025).  643  (ca.  1030);  Urk.  des  Erzb.  Hugo  I.  von  Besan^on  (1033): 
Cum  cosmi  decidentis  Variante  procella  etc.  in  den  M^moires  de  Poligny 
I  (1767),  p.  315. 

3)  HF  XI,  553. 

*)  HF  XI,  655 ;  Archivio  stör.  ital.  IV,  2,341;  Cart.  de  Sav.  nr.  639 
fälschlich  hier  1037  gesetzt;  doch  zeigen  die  Worte:  ex  permissione  se- 
nioris  n%ei  BodtUfij  dass  R.  noch  lebt 

^)  Ann.  Besuenses  1033:  ita  ut  horribiliua  nunquam  dinoscatur  con- 
tigisse  . . .  Tunc  revera  terror  insolitw  invasit  humanuni  genus;  Rod.  Gl. 
IV,  c.  9.  Die  Sonnenfinsternis  wird  sogar  erwähnt  am  Schliiss  einer  Urk. 
des  Cart.  de  Sav.  nr.  358:  Ipso  anno  fuit  natalia  sancti  Petri  in  fei'ia 
sexta,  et  magnum  Signum  apparuit  in  sole. 

15* 


228 

man  ihrer  Fttrbitte  bei  Gott  and  den  Heiligen  Kraft  nnd  Wir- 
kung beimass.  Gewährte  schon  die  einfache  Schenkung  zum 
Seelenheil  des  Gebers  und  seiner  Familie  die  Aussicht  auf 
Sündenvergebung,  so  hatten  die  Mönche  durch  ihre  Gebete, 
Seelenmessen  und  guten  Werke  noch  wirksamere  Mittel  zur 
Verfügung,  den  Himmel  und  den  Weltrichter  günstig  zu  stimmen. 
Aus  dem  Gedanken  an  die  Gemeinschaft  der  Heiligen  und  an 
den  überreichen  Schatz  der  Kirche  an  frommen  Werken,  deren 
Ueberfluss  auch  solchen  zu  gute  kommen  könne,  die  ihrer- 
seits derselben  Wohlthaten  erwiesen,  erwuchs  das  Bestreben, 
die  Fürbitte  der  kirchlichen  Kreise  zu  erwerben.  Die  Seelen- 
messen, das  Messopfer,  bei  dem  die  im  Messbuch  eingetra- 
genen Namen  der  Wohlthäter  verlesen  zu  werden  pflegten, 
wuchsen  beständig  in  der  Wertschätzung  der  Zeitgenossen. 
Kamen  aber  die  Mönche  dem  christlichen  Ideal  in  der  Er- 
füllung ihrer  Pflichten  am  nächsten,  so  durfte  ihre  Fürsprache 
als  die  wirksamste  angesehen  werden,  unter  ihnen  vor  allem 
aber  die  derjenigen,  die  ftlr  die  vornehmsten  Vertreter  mön- 
chischer Bestrebungen  angesehen  wurden.  So  kam  es,  dass 
man  gerade  auf  die  Gebete  und  Messen  der  Mönche  von  Cluni 
und  ihrer  Aebte  ausserordentlichen  Wert  legte.  Schon  1016 
pries  Benedict  VIII.  in  einer  Urkunde  die  fortwährenden  Ge- 
bete und  Messen  der  cluniacensischen  Mönche  zum  Seelenheil 
der  Toten  und  Lebendigen^),  und  Johann  XIX.  weihte  das 
Kloster  zu  einem  Asyl  aller  Schuldbeladenen,  zu  einer  Zuflucht 
göttlichen  Erbarmens.^)  Man  war  überzeugt,  dass  zahllose 
Sünder  nur  durch  die  Heilswerke  der  dortigen  Mönche  aus 
dem  Fegefeuer  erlöst  würden.  Das  Ansehen  Odilos  erreichte 
eine  übermenschliche  Höhe.  Hervorragende  Frauen,  wie  die 
Kaiserin  Adelheid')  und  die  Herzogin  von  Aquitanien^),  Könige, 
wie  Sancho  von  Navarra  und  Stephan  von  Ungarn^),  em- 
pfahlen sich  ihren  Gebeten.  Seit  der  Mitte  des  zehnten  Jahr- 
hunderts Hessen  sich  zahlreiche  Personen,  unter  ihnen  vermut- 
lich auch  Heinrich  II,  in  die  Gebetsbrüderschaft  der  Abtei  auf- 
nehmen.^) Vom  ersten  Morgengrauen  bis  zum  Frühstück  wurde 

1)  S.  oben  S.  89.       >)  J.-L.  nr.  4065. 

«)  Epit.  Adelh.  c.  19.        *)  CHOL  IV,  nr.  2961.        *)  Jots.  I,  c.  7. 
^)  Vgl.  Sackur,  Beiträge  zur  Wirtschaftsgesch.  französ.  n.  lothring. 
KlöBter  im  10.  u.  11.  Jahrh.,  Ztschr.  f.  Social-  u.  Wirtschaftsgesch.  I,  S.  160. 


229 

in  Clani  in  feierlichster  Art  anunterbrochen  das  Hochamt  cele- 
briert^),  und  Odilo  Hess,  als  er  auf  dem  letzten  Krankenlager 
lag,  darch  einen  Mönch  anf  der  Rechentafel  berechnen,  wie 
viel  Messen  er  während  seiner  sechsundfttnfzigjährigen  Amts- 
zeit gelesen  habe.^) 

Das  hingebende  Vertrauen,  das  in  die  Bitten  nnd  Messen 
der  Clnniacenser  gelegt  wurde,  kam  in  einer  Reihe  von  Le- 
genden, die  in  jener  Zeit  entstanden,  znm  Ausdrack.  So  wie 
man  in  Glnni  die  Geschichte  von  dem  frommen  Herzog  Ense- 
bius  erzählte,  dem  die  Seelen  der  Abgeschiedenen,  die  er  ans 
dem  Fegefeuer  befreite,  im  Kampfe  gegen  den  gottlosen  Her- 
zog Ostorgius  von  Sicilien  zur  Seite  standen^),  so  erschien 
Papst  Benedict  VIII.  nach  seinem  Tode  dem  Bischof  Johann 
von  Porto  und  meldete  ihm,  dass  er  aus  den  Qualen  der  Hölle 
nur  durch  Odilos  Ftlrbitte  erlöst  werden  könne.  Sogleich  er- 
hoben auf  des  Abtes  Veranlassung,  dem  die  Vision  des  Bischofs 
mitgeteilt  worden  war,  die  Mönche  in  Gluni  und  in  den  ab- 
hängigen Abteien  und  Obödienzen  ihre  Stimmen  in  öffentlichem 
und  stillem  Gebet  und  reichten  mit  vollen  Händen  Almosen 
für  die  päpstliche  Seele.  Das  nützte;  denn  bald  darauf  sah 
ein  Mönch,  wie  eine  prächtig  geschmückte  Gestalt,  der  dank- 
bare Benedict,  mit  einer  grossen  Schar  Weissgekleideter  sich 
dem  im  Capital  thronenden  Odilo  zu  Füssen  warf.^) 


»)  Rod.  Glaber  V,  c.  1, 

*)  Petri  Damiani  V.  OdU.  c.  2. 

>)  Vgl.  Alberici  Chron.  SS.  XXIII,  770:  Maiolus  abbaa  Cluniacensis 
sanctitatt  et  reUgione  claret.  Huius  fertur  esse  narratio  de  duce  Sardinie 
Eusebio  et  duce  Sicilie  Ostorgio.  Es  braucht  nicht  erwähnt  zu  werden, 
dass  diese  Personen  nirgend  vorkommen.  Bemerkenswert  ist  der  Schluss- 
satz: Sequitur  id,  quod  praedictus  sanctus  abbas  Maiolus  in  contentione 
horum  duorum  prindpum^  dum  circa  abbatiaSf  quas  in  iüis  curahat  fini- 
buSy  disponendas  esset  occupatuSf  captivus  fuit  abductuSj  antequam  candi- 
datorum  venisset  excercitus.  Alberich  schöpft  also  aus  einer  legenden- 
haften Aufzeichnung,  in  der  die  Gefangennahme  des  Abtes  durch  die 
Sarrazenen  in  der  erwähnten  Form  verarbeitet  wurde.  Eine  ähnliche  Ge- 
schichte berichtet  Rod.  Gl.  V,  c.  2  aus  dem  Kampfe  Gotfrieds  von  Anjou 
mit  den  Söhnen  Odos  von  Chartres. 

*)  So  erzählt  Jotsald,  Vita  Odil.  II,  c.  14  die  Legende.  Der  Bischof 
von  Porto  kann  nur  Johann  IV.  sein,  von  1033—1046  (Gams,  Ser.  ep.  VIII); 
aber  hier  herrscht  schon  Verwirrung,  denn  Johann  sass  erst  zur  Zeit 
Benedicts  IX.  auf  dem  bischöflichen  Stuhle.    Jenseits  der  Alpen  ist  Jo- 


230 

Eine  andere  dieser  legendarischen  Erzählungen  war  sehr 
beliebt;  an  sie  sehloss  man  in  der  Regel  die  Einführung  des 
Allerseelentages.  Sie  findet  sieh  in  mehrfacher  FassnngJ) 
Bald  ist  es  ein  Mönch  ans  Rodez  oder  La  Voüte,  der  von 
Jernsalem  heimkehrt,  bald  ein  Bürger  von  Marseille,  eine  Art 
Forschnngs-  nnd  Vergnügnngsreisender,  der  aaf  einer  einsamen 
valkanischen  Felseninsel  mit  einem  Eremiten  zasammentrifft 
and  von  ihm  belehrt  wird,  dass  in  den  Fenerschlttnden  die 
Seelen  der  Stlnder  fUr  ihre  Vergehen  von  Dämonen  gepeinigt 
und  viele  darch  die  Gebete  and  Almosen  Odiles  und  seiner 
Mönche  gerettet  würden.^)  Nach  anderer  Version  werden  die 
Seelen  nur  fUr  Montag  und  Dienstag  aus  den  Höllenqualen 
befreit 3):  aber  die  Tendenz  der  Erzählung  ergiebt  sich  wohl 
aus  der  Aufforderung  des  Einsiedlers,  Odilo  von  dem  Gehörten 
zu  benachrichtigen,  zu  immer  neuen  Gebeten  und  Wohlthaten 
anzuregen  und  der  Bevölkerung  den  Ruhm  seines  Klosters  zu 
verkünden.*) 


hann  IV.  von  Porto  1034,  da  er  am  3.  November  der  Weihe  des  St.  Lorenz- 
klosters  in  Lüttich  beiwohnte  (Martene  et  Durand,  Collect,  ampl.  IV,  11 64  ff.). 
In  ganz  anderer  Gestalt,  in  der  von  den  Gebeten  Odilos  gar  nicht  die 
Rede  ist  und  die  Befreiung  des  Papstes  durch  Almosen  aus  seinen  Reich- 
tümern bewerkstelligt  werden  soll,  erscheint  die  Legende  bei  Petr.  Dam. 
Opusc.  XIX,  c.  3  (Opera  t.  III,  426)  und  in  derselben  Gestalt  später  bei 
Martinus  Polonns,  SS.  XXII,  433  und  Flores  temporum,  SS.  XXIV,  245. 
Sigebert  bringt  die  Erzählung  nach  Jotsald  zum  Jahre  1025  und  bezieht  sie 
auf  einen  Papst  Stephan.  Wenn  Bresslan ,  Jahrb.  Heinrichs  IL  III,  223 
meint,  der  Sinn  der  Legende  sei  doch  der,  dass  man  in  Cluni  glaubte, 
Benedict  habe  nur  durch  seine  Freundschaft  mit  Odilo  und  für  die  Gunst, 
die  er  dem  Abte  bewiesen,  Vergebung  seiner  Sünden  erlangt,  so  hat  man 
in  jener  Zeit  nicht  im  mindesten  bezweifelt,  dass  das  Gebet  der  MOnche 
wirklich  die  Seelen  aus  dem  Fegefeuer  zu  befreien  vermöge. 

»)  Jots.  V.  Odil.  II,  c.  13;  Rod.  Gl.  Eist.  V,  c.  1 ;  Burchardi  epist  ad 
Cluniac.  bei  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1  im  Elogium  S.  Odil.  c.  112. 

')  Rod.  Gl.  a.  a.  0. :  homuntio  quidam  civis  MarsHiensiSf  unus  ex  iUis 
circuitoribm  regionum,  qui  nunqiuim  saturantur  et  experientia  et  novita^ 
tibus  locorum, 

')  Burchardi  epist.  a.a.O. 

*)  Ein  Rotulus  saec.  XVI,  der  die  von  Cluni  abhängigen  Rlüster 
verzeichnet,  enthält  neben  anderen  Bildern  zwei,  welche  die  Legende 
illustrieren.  Auf  einem  sieht  man  die  Meerosklippen,  auf  denen  die  Seelen 
der  Sünder  im  Fegefeuer  brennen,  mit  der  Inschrift:  Non  valet  iüe  locus 
quia  destruit  Cluniacus.    Auf  der  zweiten   Zeichnung  ist  Odilo  mit  den 


231 

Die  grossen  Anforderangen,  die  damit  an  Clani  gestellt 
warden,  führten  schliesslich  zur  Einfährung  des  Allerseelen- 
tages. Odilo  erliess  nämlich  ein  Decret^),  worin  er  fttr  alle 
von  ihm  abhängigen*  Klöster  anordnete,  dass  am  2.  Novem- 
ber, am  Tage  nach  Allerheiligen,  das  Gedächtnis  aller  ver- 
storbenen Gläubigen  durch  Messen,  Psalmen  und  Almosen 
gefeiert  werde.  Zur  Frtthmette  und  zur  Vesper  sollen  sämt- 
liche Glocken  geläutet  werden;  jeder  Bruder  hat  an  diesem 
Tage  privatim  und  öffentlich  Messe  zu  lesen,  zwölf  Arme  sollen 
gespeist  und  alle  Ueberreste  an  den  Almosenier  gegeben  wer- 
den. Des  Kaisers  Heinrich  wird  besonders  gedacht  Hatte 
Odilo  diese  Einrichtung  auch  nur  fttr  die  ihm  untergebenen 
Stifter  getroffen,  so  bemerkte  er  doch  bereits  in  seinem  Er- 
lass,  dass,  wenn  irgend  ein  anderer  sie  sich  zum  Beispiel 
nähme,  er  aller  guten  Wttnsche  teilhaftig  werden  solle.  So 
verbreitete  sich  die  Institution  wahrscheinlich  mehr  und  mehr 
über  den  Kreis  seiner  Klöster  hinaus,  bis  Leo  IX,  wie  es  heisst, 
den  neuen  Festtag  in  die  gesamte  Kirche  einführte.^) 

III. 

Die  Sorge  um  das  Seelenheil  und  das  tiefe  Schuldbewusst- 
sein  ersah  endlich  ein  neues  Heilmittel  in  Pilgerungen  nach  dem 
heiligen  Lande.  Der  Gedanke,  dass  es  ein  Glück  sei,  im  heiligen 
Lande  zu  sterben,  und  dass  ein  solcher  Tod  erstrebenswert  sei, 
fand  weite  Verbreitung.  Seit  dem  Ende  des  zehnten  Jahr- 
hunderts mehrten  sieh  derartige  Reisen,  offenbar  mit  der  Ver- 
minderung der  Gefahren^),  die  den  Wallfahrern  drohten.  Da- 
mals trug  die  Bekehrung  des  Ungarnkönigs,  der  die  Reisenden 
unterstützte  und  freundlich  aufnahm^),  wesentlich  zur  Hebung 


Brüdern  im  Capital  dargestellt,  vor  ihnen  der  Pilger,  der  das  Schreiben 
des  Einsiedlers  überbringt  In  der  Mitte  des  Saales  erblickt  man  die 
Seelen  der  Abgeschiedenen.  Vgl.  Rotulas  societatis  eccl.  et  monast.  im 
BuUariam  Cluniac.  p.  219. 

>)  Gedruckt  Bibl.  Clan.  col.  338.  Ueber  die  Zeit  der  Einführung  vgl. 
Excurs  ni. 

«)  V.  S.  Bertulfi  c.  34. 

')  Ueber  diese  vgl.  Bernhardi  Mirac.  S.  Fidis  c.  13;  V.  Abbonis  c.  10. 

')  Rod.  Glaber  UI,  c.  1 ;  Brief  OdUos  an  Stephan  bei  Pfister,  De  Ful- 
berti  Camot.  episc.  vita  et  operibus,  Nancy  1885,  p.  53  n.  2;  Ringholz, 
OdUo  p.  XXXV. 


232 

des  Orientverkehrs  bei.  Nachdem  die  Zerstörung  der  hl.  Grabes- 
kirche durch  Hakem  Biamrillach  und  Streitigkeiten  der  Nor- 
mannen mit  den  Griechen  den  Verkehr  eine  Zeitlang  gehemmt 
hatten  0)  kam  er  nach  dem  Wiederaufbau  der  Kirche  von  neuem 
in  Fluss.^)  Allmählich  wuchsen  die  Scharen  an,  die  nach  dem 
Grabe  des  Erlösers  zogen ;  zuerst  ergriffen  die  niederen  Klassen 
der  Bevölkerung  den  Pilgerstab,  vielleicht  unter  dem  Druck 
der  Notstände  und  des  Elends,  dann  kamen  die  mittleren  und 
schliesslich  die  mächtigsten  weltlichen  und  geistlichen  Herren 
und  sogar  vornehme  Frauen  neben  ärmeren  und  niederen.') 

In  Aquitanien  namentlich,  im  Südwesten  Frankreichs  bis 
zur  Loire  folgten  vornehme  weltliche  und  geistliche  Herren 
dem  Zuge  der  Zeit^)  Ein  Ereignis,  das  offenbar  Aufsehen  er- 
regte und  weitere  Folgen  hatte,  war,  dass  ein  Mann,  wie  Wil- 
helm von  Angoulgme,  der  Ratgeber  und  Freund  des  Herzogs 
von  Aquitanien,  mit  einem  grösseren  Gefolge  am  1.  October 
1025  eine  Reise  nach  dem  heiligen  Lande  antrat.^)  Als  er 
heimgekehrt  war,  gab  er  vielen  Grossen  Aquitaniens  einen  An- 
sporn. Die  Bischöfe  von  Poitiers  und  Limoges,  Graf  Fulco  von 
Anjou  betrieben  die  Fahrt  nach  Jerusalem.<^) 

Der  Norden  Frankreichs  beteiligte  sich  bis  zu  dieser  Zeit 
noch  wenig  an  diesen  Unternehmungen.^)  Herzog  Richard  IL 
von  der  Normandie  begnügte  sich  mit  der  Unterstützung  von 
Reiselustigen.^)  So  soll  er  auch  der  grossen  Pilgerschar,  die 
siebenhundert  Mann  stark  im  Gefolge  des  Abtes  Richard  von 
St.  Vannes  war  und  in  der  sich,  soviel  wir  vrissen,  nur  zwei 
Normannen  aus  Bayeux  befanden^),  die  Mittel  gewährt  haben. 


>)  Vgl.  Pfister,  Etudes  p.  847. 

»)  Rod.  Glaber  III,  c.  7. 

8)  ib.  IV,  c.  6. 

*)  Beispiele  bei  Ademar  III,  c.  48.  65.  68*,  Acta  conc.  Leinovic.  1031, 
Labbe,  Coli,  concil.  IX,  871. 

^)  Adern.  lU,  c.  65. 

«)  ib.  c.  68. 

^)  Rod.  Glaber  IV,  c.  6  nennt  Bischof  Odolricus  von  Orleans  und  Let- 
bald  von  Aatan.  1033—1036  zog  der  Archidiacon  Herivens  von  Orleans 
nach  Jerasalem,  Urk.  in  der  Bibl.  de  P^cole  des  chartes  1890,  S.  205. 

*)  S.  meine  Dissertation  S.  42. 

*)  Zwei  andere,  Ansfred  and  Wido,  als  Jerusalemfahrer  Coli.  Moreau 
XXI,  26.  247. 


233 

Die  Expedition  Richards  war  eine  der  ersten,  die  von 
Lothringen  nach  dem  Orient  aaf  brach.  Vorher  wissen  wir  nur 
von  einigen  Laien,  die  später  der  Reformbewegung  sich  an- 
schlössen, von  Poppo,  dem  späteren  Abt  von  Stablo  i),^  den 
Robert  und  Lansns  begleiteten,  und  Graf  Friedrich  von  Verdon^), 
dass  sie  das  Morgenland  mit  eigenen  Angen  gesehen.  Jahr- 
zehnte später,  im  Jahre  1025,  fasste  auch  Richard,  der  eben 
erst  mit  Bisehof  Haimo  von  Verdun  einen  Strauss  anszufechten 
hatte,  infolge  dessen-  er  sich  sogar  genötigt  sah,  sich  zeitweilig 
von  Verdun  fernzuhalten,  den  Plan,  an  das  Grab  des  Erlösers 
zu  pilgern.')  Die  Pilger,  unter  denen  von  Lothringern  sich 
Abt  Eberwin  von  St  Martin  und  der  Mönch  Gerwin  von 
St.  Vannes  befanden ,  brachen  wohl  einige  Wochen  nach  der 
aquitanischen  Expedition  Wilhelms  von  AngoulSme  auf  und 
zogen  durch  Baiem,  Ungarn  und  Serbien,  über  Constantinopel 
und  Antiochien  nach  Jerusalem,  wo  Ostern  gefeiert  wurde.  Auf 
demselben  Wege  kehrte  Richard  unter  Mitnahme  der  griechi- 
schen Mönche  Simeon  und  Cosmas,  die  man  in  Antiochien  ge- 
troffen hatte,  nach  Hause  zurttck. 

Anfang  November  zog  Richard,  mit  Jubel  von  der  gesamten 
Bevölkerung  empfangen,  in  seinem  Kloster  ein,  während  Simeon 
und  Cosmas  nach  mancherlei  Fährnissen  im  Juni  1027  den 
Grafen  von  AngoulSme,  von  dem  Clerus  der  Stadt,  Adel  und 
Volk  begrttsst,  in  seiner  Hauptstadt  einziehen  sahen.  Simeon 
aber  ging,  nachdem  er  seinen  Geführten  durch  den  Tod  ver- 
loren und  auch  den  Herzog  von  der  Normandie  nicht  mehr 
am  Leben  angetroffen  hatte,  nach  Lothringen,  erst  nach 
St.  Vannes,  dann  nach  St  Martin,  von  wo  ihn  Erzbisehof  Poppo 
vermutlich  1028  wieder  nach  dem  heiligen  Lande  mitnahm.^) 

Besondere  Grttnde  hatten  den  Abt  von  St  Vannes  zu  der 
Pilgerfahrt  veranlasst  Sonst  war  man  in  diesen  Kreisen  fUr 
derartige  Unternehmungen  nicht  besonders  eingenommen.    Zu 


0  Ladewig,  Poppo  S.  26. 

')  S.  Richard,  Abt  von  St.  Vannes  S.  6. 

^)  S.  meine  Dissertation  S.  41.  Dass  er  vorher  Odilo  nach  St.  Vannes 
geholt  und  ihm  in  seiner  Abwesenheit  sein  Kloster  unterstellt  habe,  wie 
Hugo  Flav.  II,  c.  18  berichtet,  wage  ich  heut  nicht  mehr  nachzuerzählen. 
Das  Factum  ist  zu  unwahrscheinlich  und  wird  durch  nichts  gestützt 

*)  S.  48—50. 


234 

einer  Zeit  zwar,  als  Adso  von  Montierender^),  Gansmar  von 
Savigny^)  and  andere  die  heiligen  Orte  anfsnehten,  waren 
diese  Wallfahrten  noch  vereinzelt  nnd  gaben  wohl  kanm  Ver- 
anlassung zu  schweren  Bedenken.')  Später  aber,  namentlich 
in  den  dreissiger  Jahren  des  elften  Jahrhunderts,  nahmen  sie 
eine  Ausdehnung  an,  dass  sie  nach  verschiedenen  Seiten  hin 
gefährlich  zu  werden  drohten.  Abgesehen  davon,  dass  Bene- 
dictinermönche  strengster  Observanz  bei  den  Zufällen  nnd  Ge- 
fahren der  Reise  kaum  die  regulären  Vorschriften  genau  zu 
beobachten  vermochten,  mussten  die  Sitten  der  Laienbevölke- 
rung bei  einer  Zunahme  der  Abenteuerlust,  die  conservativ- 
kirchliche  Gesinnung  der  Laien  bei  dem  Mangel  an  Aufsicht 
und  plötzlicher  Freiheit  in  der  Begegnung  mit  der  orientalischen 
Cultur  leiden.  In  manchen  kirchlichen  Kreisen  war  man  über 
diese  Pilgerfahrten  beunruhigt  So  wenig  man  die  gute  Ab- 
sicht vieler  verkannte,  so  durfte  man  sich  nicht  verhehlen,  dass 
ein  grosser  Teil  nur  aus  Eitelkeit  sich  auf  die  Reise  begab. 
Man  brachte  den  ungewöhnlichen  Zug  nach  dem  Osten  mit 
der  nahen  Ankunft  des  Antichrist  zusammen,  dem  alle  Völker 
entgegeneilen  und  bei  dessen  Auftreten  auch  die  Erwählten  in 
Versuchung  fallen  würden.^)  So  ward  man  auch  hier  wieder 
an  das  nahe  Weltende  erinnert,  dessen  bange  Erwartung  ge- 
rade in  den  dreissiger  Jahren  die  selische  Unruhe  beflügelte 
und  viele  veranlasste,  das  Grab  des  Heilands  zu  besuchen. 

Mochte  aber  das  französische  Mönchtum  jeden  Ausdruck 
der  religiösen  Ueberschwenglichkeit  billigen  oder  nicht:  so  viel 
unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  es  die  Mönche  waren,  welche 
die  geschilderte  Stimmung  immer  wieder  nährten,  um  ihrerseits 
aus  ihr  unerschöpfliche  Kraft  und  Förderung  zu  ziehen. 

>)  Bd.  I,  S.  1 78. 

*)  Cart  de  Savigny  I,  87 :  dettdit  ab  Hiertiatdem. 

^)  Abbe  von  Fleury  hat  allerdings  seinem  Schiller  Bemard  unter- 
sagt, nach  dem  heiligen  Lande  zu  gehen. 

*)  Vgl.  Rod.  Glaber  IV,  c.  6.  Ueber  analoge  Ansichten  bei  Gregor 
von  Nyssa,  Chrysostomus,  Hieronymus,  Augustin  bei  Augusti,  Denkwür- 
digkeiten der  christl.  Kirche  X,  113  ff. 


Neuntes  Capitel. 

Deutsch-französische  Beziehungen.  - 


L    Odo  von  Champagne 
im  Kampfe  mit  Heinrich  L  und  Konrad  IL 

Nach  dem  Tode  König  Roberts  hatte  seine  Gemahlin  die 
Versnche  wieder  aufgenommen,  den  bereits  gekrönten  und  als 
Nachfolger  anerkannten  Heinrich  zu  Gunsten  des  jüngeren 
Bruders  zu  verdrängen.  Sie  hatte  eine  Anzahl  königlicher 
Pfalzen  in  ihre  Gewalt  zu  bringen  gewusst,  dazu  mehrere 
Städte,  darunter  das  starke  und  wichtige  Sens  ^),  das  seit  dem 
Jahre  1015  im  Besitze  des  Grafen  Rainald  sich  befand.  Jetzt 
musste  er  offenbar  weichen,  da  Graf  Odo  von  Chartres  die 
Hälfte  von  der  Königin  erhielt.^)  Ein  Jahr  später  folgte  Con- 
stanze dem  Gemahl  ins  Jenseits.'^)  Während  Heinrich  sich 
ohne  Schwierigkeiten  in  den  Besitz  der  meisten  zurttckbehal- 
tenen  Orte  setzte,  bemächtigte  sich  Odo,  wie  es  scheint,  nach 
dem  Tode  des  Erzbischofs  Leotherich  von  Sens  der  ganzen 
Landschaft.^)  Er  durfte  es  wagen,  sich  mit  dem  Domthesaurar 
Mainardus  der  Einftlhrung  des  neuen  Erzbischofs,  der  am 
18.  October  1032  zu  Paris  die  Weihe  erhalten  hatte,  der  Auf- 
nahme des  königlichen  Gandidaten  zu  widersetzen.^)  Der  König 


»)  Hugo  Floriac.  c.  10,  SS.  IX,  387. 

')  Hugo  Floriac.  a.  a.  0.  Vgl.  Landsberger,  Odo  von  Champagne  S.44. 

»)  Rod.  Glaber  Bist.  IH,  c.  8. 

*)  Nur  so  ist  die  Nachricht  bei  Rod.  Gl.  III,  c.  8  zu  verstehen :  post 
mortem  eim  coniugi  et  filiis  illiua  Senonicam  siUnipuit  urbem,  quam  etiam 
tunc  adversus  illoa  infamis  possesaor  vcdlaverat. 

*)  Rod.  Gl.  a.  a.  O.j  Chron.  S.  Petri  bei  Duru,  Bibl.  de  l'Yonne  U,  503. 


236 

rückte  noch  im  selben  Jahre  gegen  Seng,  in  Gemeinschaft  mit 
Fuleo  von  Anjon,  dem  alten  Feinde  Odos,  aber  ohne  einen 
Angriff  gegen  die  Stadt  zn  nntemehmen.  Man  begnügte  sieh, 
die  Mönche  von  St  Peter,  die  fttr  Mainard  gegen  Gelduin,  Hein- 
richs vornehmen  Günstling,  Partei  ergriffen  hatten,  in  Schrecken 
zu  versetzen.  Ebenso  erfolglos  verlief  ein  zweiter  Einfall  Hein- 
richs im  nächsten  Jahre;  nach  einigen  Ven^üstnngen  and  der 
Berennung  zweier  Forts  zog  sich  das  königliche  Heer  nach 
einer  Woche  zurückJ) 

Inzwischen  wnrde  der  bnrgnndische  Thron  erledigt  Noch 
bei  Lebzeiten  Rudolfs  IIL  hatte  Graf  Odo  seine  reichen  Geld- 
mittel unter  den  transjnranischen  Baronen  spielen  lassen,  um 
sich  ihren  Anhang  in  dem  Kampfe  zu  sichern^),  der  ihm  mit 
dem  deutschen  Kaiser  bevorstand.  Durfte  er  auf  nähere  ver- 
wandtschaftliche Beziehungen  zu  der  letzten  Dynastie  hin- 
weisen, so  stützte  sich  Konrad  auf  die  staatsrechtliche  Geltung 
der  Verträge,  die  sein  Vorgänger  mit  dem  Könige  von  Burgund 
geschlossen  hatte.  So  stand  in  dem  Augenblick,  als  Rudolf 
starb,  am  16.  September  1032,  Graf  Odo  sowohl  dem  Kaiser 
als  König  Heinrich  feindlich  gegenüber. 

Während  der  französische  Herrscher  den  Widerstand  der 
Bewohner  von  Sens  vergeblich  zu  brechen  suchte,  hatte  Odo 
bereits  einen  Teil  Burgunds  besetzt,  und  zwar  namentlich  die 
Castelle  Murten  und  Neuenbürg.^)  Noch  in  demselben  Jahre 
brach  Konrad,  nachdem  er  das  Weihnachtsfest  in  Strassburg 
gefeiert,  über  Solothurn  in  Burgund  ein.  Er  rückte  bis  Peter- 
lingen  vor,  dem  uns  bekannten  cluniacensischen  Kloster,  Hess 
sich  am  Tage  Maria  Reinigung,  am  2.  Februar,  von  den  ver- 
sammelten burgundischen  Grossen   und   dem   kleineren  Adel 


>)  Chron.  S.  Petri  a.  a.  0.,  daraus  Rob.  Mon.  S.  Mariani  Autissiod.  HF 
XI,  308,  den  also  Ladewig,  Poppe  S.  105  nicht  citieren  durfte.  Er  begeht 
aber  auch  den  Fehler,  den  erst  im  Jahre  1034  erfolgten  Friedenschluss 
mit  Heinrichs  Feldzuge  von  1033  in  Verbindang  zu  bringen,  was,  wie  aus 
dem  Chron.  S.  Petri  erhellt,  unrichtig  ist.  Ebenso  unrichtig  ist,  wenn  er 
Heinrich  „eine  Anzahl  Klöster*'  zerstören  lässt:  es  war  nur  eins,  S.  Remi- 
gius;  S.  Leo  und  S.  Heraclius  waren  Bollwerke. 

«)  Rod.  Glaber  III,  c.  8. 

')  Wiponis  Gesta  Ouonradi  c.  29;  Hermannus  Aug.  1032. 


237 

zum  Könige  wählen  und,  im  Besitze  der  Reiehskleinodien,  die 
dnreh  einen  gewissen  Seliger  ttberbraeht  worden  waren,  noeh 
an  eben  dem  Tage  krönen.  ^  Es  war  offenbar  der  letzte  freie 
Ort,  den  der  Kaiser  auf  seinem  Zuge  fand,  denn  nach  der 
vergebliehen  Belagerung  von  Murten  und  Neuenburg  zog  er 
gegen  Osten,  naeh  Zürich,  wo  er  mit  mehreren  burgundischen 
und  italienischen  Anhängern  zusammentraft) 

Wo  war  nun  Odilo  von  Gluni  in  dieser  Zeit?  Im  Juni 
1032  weilte  er,  wie  es  scheint,  bei  dem  Erzbischof  Hugo  in 
BesauQon^),  im  Juli  dürfte  er  sich  in  Cluni  aufgehalten  haben.^) 
Seitdem  vermissen  wir  seine  Spur.  Mit  Konrad,  über  den  man 
in  den  französischen  Klöstern  kaum  vorteilhaft  urteilte,  traf  er, 
wie  sicher  anzunehmen  ist,  weder  in  Peterlingen  noch  sonst 
wo  zusammen:  denn  während  die  Aebte  dieses  Stiftes  die 
deutschen  Besitzungen  des  Klosters  sonst  bei  jeder  Gelegen- 
heit neu  bestätigen  Hessen,  fehlt  jetzt  jede  derartige  Ounst- 
bezeugung.  Schliesslich  wissen  wir,  dass  Odilo  erst  gegen 
Ende  seines  Lebens  sich  bemühte,  dem  Kloster  Peterlingen  die 
Gunst  Heinrichs  III,  die  es  verloren  hatte,  wiederzugewinnen^), 
und  dürfen  um  so  mehr  annehmen,  dass  das  damalige  Ver- 
halten der  Insassen  die  Ungnade  der  Herrscher  heraufbe- 
schworen hatte,  als  man  vielleicht  auch  in  Romainmoutier,  wo 
Odilo  wohl  wenige  Wochen  nach  dem  Festact  in  trüber  Stim- 
mung weilte  <^),  keineswegs  geneigt  war,  den  neuen  König  von 
Burgund  anzuerkennen.'') 


0  Wipo  c  80.  Wenn  Hüffer,  Das  Verhältnis  des  Königreichs  Bur- 
gund KU  Kaiser  und  Reich,  Paderborn  1873,  S.  10  die  Krönung  in  Peter- 
lingen mit  dem  Hinweis  leugnet,  dass  dieser  Act  im  früheren  Mittehilter 
stets  in  einer  Metropole  von  einem  Erzbischof  vorgenommen  wnrde,  so 
lässt  er  ausser  acht,  dass  Konrad  über  die  Hauptsitze  Lyon,  Vienne,  Arles 
gar  nicht  Herr  und  ein  rasches  Handeln  durchaus  geboten  war. 

*)  Wipo  c.  80;  Hermann  von  Keichenau  1030;  Ann.  Sangall.  1033. 

3)  CHOL  IV,  nr.2890,  Urk.  v.  1032,  Juni  24  des  Erzb.  Hugo  von  B.: 
intercedente  Cluniacensium  monachorum  Odilone  abbate  precipuo. 

*)  CHCL  IV,  nr.  2883 :  EvohUia  aiUem  tribtu  mensibtu  (d.  h.  nach  dem 
April  1032)  . .  .  qu^dam  nobil%8  femina  .  . .  venu  in  preaentiam  domni 
Odilonü, 

B)  S.  unten. 

')  Vgl.  V.  Maioli  proL  und  N.  Arch.  XH,  514. 

"*)  In  mehreren  Urkunden  wird  anscheinend  noch  nach  dem  Tode  Ru- 
dolfs nach  dessen  Eegiemngsjahren  datiert;  es  sind  die  Urk.  nr.  24.  26.  26 


238 

Aber  auch  in  den  eisjnranischen  Gebieten  trat  man  der 
deutschen  Invasion  feindlich  gegenttber.  Zumal  der  Stuhl  von 
Lyon  war  im  Besitz  einer  den  deutschen  Interessen  wenig  ge- 
neigten Persönlichkeit 

Der  Tod  Burchards  IL  am  10.  Juni  1031  hatte  einen  mehr- 
jährigen Streit  um  diese  wichtige  Würde  hervorgerufen,  indem 
ein  Neffe  des  verstorbenen  Erzbischofs,  Burchard,  ein  Sohn  des 
Grafen  Humbert  von  Savoyen-  Belley,  der  bei  Lebzeiten  des 
Oheims  neben  ihm,  als  dem  Abt  von  St  Maurice,  als  Propst 
fungiert  hattet),  sein  Bistum  Aosta  verliess  und  gegen  den 
Willen  von  Glerus  und  Volk  den  Lyoner  Stuhl  gewaltsam 
usurpierte.  Dagegen  erhob  Graf  Gerald  von  Lyon,  der  Sohn 
des  Grafen  Artald  und  seiner  Gemahlin  Thedberga,  Ansprüche 
für  seinen  noch  sehr  jugendlichen  Sohn.^)  Die  legalen  Factoren 
jedoch  und  namentlich  die  Suffraganbischöfe  der  Provinz  wähl- 
ten Odilo  und  wandten  sich  bei  seiner  Weigerung,  Erzbischof 


bei  Hidber,  Schweizer  Urkundenreg.  11,32—85;  Regestennummer  1291.  1292. 
1301.  Die  erste  ist  datiert:  die  sahb.VIII.  kljun.  annoXXXVIIII  regnante 
Rodulf 0  rege  f elidier.  Der  25.  Mai  fiel  nun  1034  auf  einen  Sonnabend, 
womit  das  Regierungsjahr  übereinstimmt,  da  in  der  burgundischen  Kanzlei 
eine  Epoche  995  angenommen  wurde ;  desgl.  nr.  25 :  feria  terda  VI.  Nonas 
IiUii  regnante  Rodulf o  rege^  anno  XKXVIIII.  Auch  hier  fällt  der  2.  Juli 
1034  auf  einen  Dienstag.  Die  dritte  Urk.  v.  die  lovis  VI.  Kal.Mad.  annos 
XXX  et  Villi  regnante  rege  Rudolfo  feUciterj  womit  das  Regierungsjahr 
ziemlich  übereinstimmt,  jedenfalls  auch  nach  Rudolfs  Tode.  Hidber  nimmt 
deshalb  bei  nr.  25  und  26  Verschreibung  an.  Indes  sind  sämtliche  drei 
Urkunden  Originale  des  Lausanner  Staatsarchivs.  Sollte,  da  in  den  ersten 
beiden  die  Daten  und  Regierungsjahre  übereinstimmen,  die  Vermutung  zu 
gewagt  sein,  dass  mau  bei  der  Unentschiedenheit  der  Erfolge  1033  und 
1034  einfach  die  alten  Eönigsjahre  fortzählte? 

*)  Hidber  nr.  1257  (1018—1031).  1263  (1022).  1279  (1026).  Dass  er 
der  Sohn  des  Grafen  Humbert,  Hidber  nr.  1262.  Er  ist  jedenfalls  der 
Burchard,  der  neben  dem  Bischof  Odo  von  Belley,  dem  Bruder,  und  Hum- 
bert, dem  Vater  Burchards  III.  1000  und  1003  in  Urkunden  begegnet, 
Chevalier,  Documents  in^dits  des  9.,  10.  et  11.  si^cles  relatifs  a  T^glise  de 
Lyon,  Lyon  1867. 

•)  Vgl.  Cart.  de  Savigny  nr.602  (ca.  1017).  Artaids  Eltern,  Gerhard 
und  Gimbergia,  in  nr.  237  (ca.  960).  437  (994).  —  Teutberga  im  Cartnl. 
d'Ainay  nr.  147.  191;  CHCL  III,  nr.  2673.  Ihr  Todestag  V.  Id.  lun.  im 
Obit.  eccl.  Lugd.  ed.  Guigue  p.  51.  —  Gerald  nachzuweisen  im  Cart.  de 
Sav.  nr.645.  739;  Cart.  d'Ainay  nr.  191;  CÜCL  III,  nr.267S.  Vgl.  Bress- 
lan  II,  490  ff. 


239 

zu  werden,  schliesslich  an  den  Papst,  am  den  Abt  znr  An- 
nahme der  Wahl  zn  nötigen.  Obgleich  aber  Johann  XIX. 
diesem  sofort  Ring  und  Stab  nebst  dem  Pallium  ttbersandte, 
blieb  Odilo  allen  Bitten  gegenüber  taub,  auch  als  der  Papst 
ihn  in  einem  sehr  heftigen  Briefe  an  seine  Gehorsamspflicht 
erinnerte  und  sogar  Drohungen  verlauten  liess.^)  Der  baldige 
Tod  Johanns  verhinderte  vermutlich  ein  entschiedeneres  Vor- 
gehen des  römischen  Stuhles.  So  kam  es,  dass  zwar  der  junge 
Spross  des  gräflichen  Hauses  sich  bald  zurückzogt),  der  Bischof 
von  Aosta,  ein  sittenloser  und  tyrannischer  Mann  ^),  jedoch  die 
erzbischöfliche  Würde  behauptete,  ohne,  wie  es  scheint,  mit 
ihren  Insignien,  die  Odilo  zurückbehielt,  investiert  zu  werden. 
Zunächst  hatte  der  Kaiser  kaum  Veranlassung,  sich  mit 
der  Lyoner  Angelegenheit  zu  beschäftigen.  Ein  Angriff  Odos 
auf  Toni,  durch  den  er  offenbar  bezweckte,  den  Salier  von 
Burgund  abzuziehen,  hatte  den  gewünschten  Erfolg.  Konrad 
brach  in  der  That  mit  seinem  Heere  im  Sommer  1033  durch 
Lothringen  in  die  Champagne  ein.^) 

Die  Gefahr,  die  sowohl  dem  westfränkischen  Herrscher, 
als  dem  deutschen  Kaiser  von  Seiten  Odos  drohte,  legte  den 
Gedanken  einer  beiderseitigen  Verständigung  gegen   den  ge- 

^)  d'Achery,  Spicil.  III,  381.  Bresslau  meint,  wir  besässen  das  Schrei- 
ben, in  welchem  Johann  XIX.  Odilo  das  Amt  antrug.  Was  wir  jedoch 
haben,  ist  ein  Brief,  den  der  Papst  erst  nach  der  Weigerung  des  Abtes 
absandte.  Der  Unterhändler  war  Bischof  Gauzfred,  wohl  von  Chalon. 
Man  mnss  annehmen,  dass  die  Verhandlungen  mit  Odilo  sich  längere  Zeit 
hinzogen.  In  Bezug  auf  die  Auslegung  der  Hauptstelle  Rod.  Gl.  V,  c.  4 
schliesse  ich  mich  im  wesentlichen  Bresslau,  Konrad  II.  II,  56  an.  Dass 
sie  eine  wörtlich  genaue  Interpretation  und  grosse  Wertschätzung  gar 
nicht  verdient,  ergiebt  sich  aus  meinem  Nachweis,  dass  diese  Teile  der 
Chronik  gar  nicht  in  Gluni  geschrieben  sind,  wo  der  Autor  allerdings  mehr 
hätte  erfahren  können.  Für  verfehlt  muss  ich  den  Yersnch  Meyers  von 
Knonau,  Anz.  f.  Schweiz.  Gesch.  1868,  p.  97  ansehen,  eine  doppelte  Postn- 
lation  Odilos  zu  erweisen.  Ihm  schliesst  sich  Ringholz  an.  Näher  kommt 
Gingins,  Les  trois  Bouchard,  M6m.  et  docum.  de  la  Suisse  Rom«  XX,  344 
unserer  Auffassung. 

')  Dass  er  nur  vorübergehend  auftrat,  ergiebt  sich  aus  der  Bischofs- 
liste Hugo  Flav.  I,  SS.  VIII,  322,  wo  auf  Borchardus  aeneXj  Borchardus 
iuvenis  und  Sanctus  Odelricus  folgt 

>)  Rod.  Glaber  IV,  c  4;  Hermannus  Aug.  1084.  1036. 

*)  Wipo  c.  31;  Herm.  1088;  Ann.  Sangall.  1033. 


240 

meinsamen  Feind  nahe.  Seit  der  Wahl  KonradB  and  den  In- 
triguen  Frankreichs  bestand  eine  Spannung  zwischen  beiden 
Mächten ;  jetzt  begann  man  von  deutscher  Seite  eine  Annähe- 
rang zu  suchen,  weniger,  um  die  Hilfe  Heinrichs  gegen  den 
Grafen  zu  gewinnen,  als  um  den  König  von  einer  Fortführung 
der  bisherigen  französischen  Politik  und  einem  Bunde  mit  Odo 
abzuhalten.  Die  politischen  Unterhandlungen  wurden  dem  Abte 
Poppo  von  Stablo  ttbertragen,  der  sich  der  kaiserlichen  Gunst 
voll  und  ganz  erfreute  und  den  Konrad  erst  vor  wenigen  Jah- 
ren nach  dem  Tode  Werners  von  Strassburg  zum  Bischöfe 
dieser  Kirche  ausersehen  hatte.^)  Unter  dem  Vorwande,  der 
Sohn  eines  Clerikers  zu  sein,  hatte  Poppo  eine  Würde  ausge- 
schlagen, die  er  nur  auf  Grund  eines  dem  Kaiser  geleisteten, 
den  Benedictinern  strenger  Observanz  verbotenen  Treueides  in 
Besitz  nehmen  konnte.  Aber  so  sehr  ihm  Konrad  die  falsche 
Ausrede  verdachte,  aufgeklärt  über  seine  wirkliche  Abstam- 
mung, so  nehmen  wir  doch  gerade  seit  dieser  Zeit  den  wach- 
senden Einflnss  Poppos  am  Hofe  wahr.  Es  ist  wohl  sicher, 
dass  er  selbst  an  den  Hof  des  französischen  Königs  ging,  wenn 
es  auch  zweifelhaft  ist,  ob  er  gleichzeitig  mit  Bruno  von  Toni, 
der  ebenfalls  mit  einer  Gesandtschaft  betraut  wurde,  seine  diplo- 
matische Mission  erfüllte^)  Das  neue  Bündnis,  das  schliess- 
lich zu  einer  persönlichen  Zusammenkunft  der  Herrscher  führte, 
wurde  durch  eine  Verlobung  Heinrichs  mit  Konrads  Tochter 
Mathilde  besiegelt^)  Man  darf  annehmen,  dass  Poppo  selbst 
diese  Heirat,  so  sehr  sie  den  Kirchengesetzen  widersprach,  wie 


»)  V.  Popp.  c.  19;  Bresslau,  Konrad  IL  I,  275. 

*)  V.  Popp.  c.  30,  wo  aller  Erfolg  Poppo  zugeschrieben  wird,  heiast 
es  Dur:  Conradv/mque  atqtie  Henricum  reges  in  conBenaum  revocavU.  Ihre 
Feindschaft  ipso  mediante  in  nihilum  redacta  est.  Dagegen  sagt  die  Vita 
Leonis  IX.  (Watterich,  Vitae  pontif.  I,  1 45)  von  Bruno :  est  directus  legatus 
pro  pacis  concordia  inter  suprafatum  Conradum  . . .  Quam  legationem 
quam  honeste  compleverit,  est  testis  Francia.  BlUmcke,  Burgund  unter 
Rudolf  III.  S.  62  nimmt  bald  nach  Rudolfs  Tode  eine  Unterhandlung  an, 
die  Poppo  einleitete,  indem  er  sich  darauf  beschränkte,  «die  vorhandenen 
Hindemisse  hinwegzuräumen  und  den  Boden  zu  bereiten*',  der  eigentliche 
beglaubigte  Unterhändler  sei  aber  Bruno  von  Toul  gewesen.  Bresslau, 
Konrad  II.  II,  77  vermutet  wohl  mit  Recht,  dass  nach  Analogie  von  1023 
Poppo  und  Bruno  gemeinschaftlich  nach  Frankreich  gingen. 

')  Bresslau  a.  a.  0.  S.  78. 


241 

viele  andere  in  der  Ueberzeugnng  begünstigte,  dass  sie  zu 
dauerndem  Frieden  oder  gar  zu  einer  Vereinigung  der  beiden 
Reiche  führen  werde.  ^  Vielleicht  fand  die  Fürstenbegegnung 
zu  Deville  vor  dem  Feldzuge  gegen  Odo  statt 2);  jedenfalls 

*)  Vgl.  den  Brief  Sigfrieds  von  Gorze  an  Poppo  bei  Giesebrecht, 
Kaiserzeit  II  (5.  Aufl.),  717:  multos  fuissej  qui  imperatoris  maieatati  placere 
volentes  tales  nuptias  bene  et  utiliter  fieri  posae  persuadere  contenderent, 
eo  quod  per  ipscia  duo  regna  in  magnam  pacem  confoederari  vd  in  unum 
redigi  sperarent.  Dass  Poppo  mit  dem  Heiratsproject  einverstanden  war, 
geht  daraus  hervor,  dass  er  die  Unterhandlungen  führte.  Bedeutungsvoll 
erscheint  auch  folgende  Stelle  der  V.  Popp.  c.  30 :  ünde  et  invidendi  sibi 
occasionem  quibuadam  tribuit,  quia  solxis  id  efficere  valuit,  quod  ut  fieretf 
in  multis  effectus  iam  olim  pertentatus  defecit.  Leicht  möglich,  dass  die 
Anfeindungen  von  Leuten  wie  Sigfried  von  Gorze  herrührten.  Als  1043 
die  aqnitanische  Verlobung  Heinrichs  III.  in  Aussicht  stand,  wandte  sich 
Sigiried  gerade  an  Poppo  und  Bruno,  um  auf  den  Kaiser  in  entgegen- 
gesetztem Sinne  zu  wirken.  An  Bruno  schreibt  er,  er  habe  gehört:  hos 
illicitaSf  quas  rex  tmlt  facere  nuptias  vestra  legatione  et  ordinatione  esse 
procuratas,  was  sich  freilich  als  unrichtig  erwies.  Vgl.  Giesebrecht  S.  719. 

')  Wie  Bresslau,  Konrad  II.  II,  484  vermutet  Indes  vermag  ich  ihm 
in  der  Verwertung  der  Aufzeichnung  über  den  von  ihm  besprochenen 
Tausch,  gedruckt  bei  Martene-Durand,  Coli.  ampl.  II,  56,  nicht  ganz  zu 
folgen.  Da  wir  es  hier  mit  keiner  Urkunde  zu  thun  haben,  so  vermisse 
ich  den  Beweis  dafUr,  dass  der  Tausch,  der  allerdings  kaum  vor  103S 
zu  setzen  ist,  bei  der  Zusammenkunft  in  Deville  erfolgte.  Denn  die  Be- 
zeichnung: facta  est  autem  haec  commutatio  apud  Duullam,  ubicoüoquium 
fuit  etc.  kann  sehr  wohl  nur  eine  nähere  Bestimmung  des  Ortes  sein,  wo 
die  Zusammenkunft  vorher  oder  nachher  —  das  erstere  ist  wahrschein- 
licher —  stattgefunden  hat.  Aber  die  bisherige  Annahme  zugegeben,  so 
ist  aus  der  Bemerkung,  dass  der  Tausch  abgeschlossen  sei,  ducatum  Hlo- 
tariensis  regni  tenente  duce  Gozelone,  eodem  super  bono  sancti  Martini  ad- 
vocato,  super  abbatiam  sancti  Maximini  comite  Heinrico,  super  bono  sancti 
Remacli  fratre  Hus  comite  Friderico  etc.,  noch  nicht  zu  folgern,  dass  diese 
lothringischen  Fürsten  der  Zusammenkunft  beiwohnten.  Und  was  nun 
schliesslich  die  lothringischen  Herren,  die  Bresslau  S.  77  noch  erwähnt, 
betrifft,  so  werden  diese  erst  als  Zeugen  bei  einem  zweiten  Tausch  genannt, 
von  dem  es  doch  sehr  fraglich  erscheint,  ob  er  noch  zur  selben  Zeit,  wie 
der  erste,  abgeschlossen  wurde,  da  es  heisst:  Flacuit  postea  abbati  Nanthero 
a  praedicto  abbate  Foppofie  etc.  Vielleicht  haben  wir  es  mit  einer  Aufzeich- 
nung über  zwei  verschiedene  Acte  zu  ganz  verschiedener  Zeit  zu  thun.  Giese- 
brecht II,  639  hält  es  mit  Recht  mit  dem  Hinweis  auf  die  späte  Aufzeichnung 
des  Berichtes  ftir  fi-aglich,  ob  damals  wirklich  erst  der  Abschluss  des  Bünd- 
nisses erfolgt  sei.  Wenigstens  ist  das  nicht  unbedingt  zu  folgern  und  sehr 
wohl  kann  1032  nach  den  Ann.  Laub,  der  Vertrag  perfect  geworden  sein, 
während  die  Begegnung  der  beiden  Herrscher  erst  im  nächsten  Jahre  folgte. 

Saoknr,  Glauiftoenser.    II.  \Q 


242 

hatte  der  deutsche  Aogriff  den  Erfolg,  dass  der  mächtige  Vasall 
nm  Schonung  bat  und  Genugthunng  versprach.  Indes  kaum 
seines  Bedrängers  ledig,  dachte  der  Graf  nicht  mehr  an  die 
Ausführung  seiner  Zusagen  und  hielt  den  von  ihm  occupierten 
Teil  Burgunds  weiter  besetzt. 

Von  Regensburg  aus,  wo  er  Ostern  gefeiert  hatte,  rttstete 
Eonrad  im  Frtthjahr  1034  einen  Doppelangriff  auf  Burgund: 
von  Süden  her  rttekten  die  Italiener  unter  Führung  des  Grafen 
Humbert  und  Heriberts  von  Mailand  heran.  Jetzt  endlieh  glückte 
es  ihm,  nach  der  Unterwerfung  Genfs,  Burchards  von  Lyon 
und  anderer  Grossen  auf  dem  Rückzuge  das  starke  Murten 
einzunehmen  und  so  die  Besiegnng  des  Landes  zu  vollenden.  ^ 
Unter  dem  Eindruck  des  verschärften  kaiserlichen  Angriffs 
schloss  Odo  auch  seinen  Frieden  mit  Heinrich:  er  verzichtete 
auf  die  Hälfte  von  Sens  und  den  Widerstand  gegen  Gelduin, 
der  nunmehr  als  Erzbischof  in  die  Stadt  einzog.^) 

Aber  in  Burgund  war  die  Ruhe  noch  immer  nicht  zurück- 
gekehrt. Erzbischof  Burchard  erhob  noch  einmal  die  Waffen 
gegen  Udalrich,  den  Sohn  Seligers,  welcher  der  deutschen 
Herrschaft  den  wesentlichsten  Dienst  geleistet  hatte;  er  wurde 
indes  ergriffen ,  vor  den  Kaiser  geführt  und  Jahre  lang  in  Ge- 
fangenschaft gehalten.^)  Erst  die  Anerkennung  Heinrichs,  der 
mit  seinem  Vater  Konrad  1038  in  Burgund  erschienen  war, 
um  sich  auf  dem  Tage  zu  Solothum  huldigen  zu  lassen  —  der 


lieber  das  spätere  freundschaftliche  Verhältnis  vgl.  die  ins  Jahr  1052 
(Steindorff,  Jahrb.  Heinrichs  III.  II,  184)  gehörige  Rede  des  französischen 
Gesandten  im  Liber  de  detectione  corp.  SS.  Dionys.,  HF  XI,  471,  c.  5: 
Ad  praesens  a  te  nobis  iniunctis  verbis  germanam  amicitiam  erga  noatrum 
regem  in  omnibus  te  servatumm  esse  poüiceris  . . .  gut  verbo  tenus  fatearis 
asserere,  in  amicitia  nostri  regis  gemianae  te  esse  connexum  vinctdo 
caritatis. 

1)  Wipo  c.  34;  Herrn,  v.  Reich.  1034;  Ann.  Sangall.  1034. 

>)  Glarii  Cbron.  S.  Petri  bei  Duru  II,  503.  Die  Urk.  Heinrichs  aus 
seinem  5.  Jahre,  die  Bouquet  XI,  566  u.  a.  ins  Jahr  1032  setzen,  gehört 
besser  ins  Jahr  1035,  wie  auch  Quantin  datiert.  In  dem  Augenblick,  in 
dem  Graf  Fulco,  der  Kriegsgenosse  des  Königs,  das  Kloster  Pierre -le- Vif 
brandschatzt,  werden  die  Mönche  sich  schwerlich  an  Heinrich  mit  Klagen 
gegen  den  Grafen  Rainald  von  Sens  gewendet  haben,  der  damals  gar 
nicht  in  Sens  gewesen  zu  sein  scheint,  da  er  nirgend  erwiUint  wird. 

>)  Herrn.  ▼.  Reich.  1086. 


243 

Kaiser  griff  damals  thatkräftig  auch  za  Gunsten  einer  geord- 
neten Rechtspflege  und  der  alten  Gesetze  ein^)  — ,  brachte 
dem  gefangenen  Erzbischof,  wie  es  seheint,  Amnestie.  Wenig- 
stens führte  Bnrchard  III.  seither  wieder  den  Titel  eines  Erz- 
bischofs 2);  wir  hören  auch  nicht,  dass  Eonrad  über  den  Lyoner 
Stuhl  anderweitig  verfügt  hätte. 


0  Bresslau,  Eonrad  II.  II,  323  ff. 

«)  Er  erscheint  1038  oder  1039  bei  Hidber  nr.  1310:  Tercio  Id.  Oct 
luna  XI.  Henrico  rege  regnante  in  Burgundia  a.  II;  1042  bei  MarioD, 
Cart.  de  Grenoble  p.  29:  S.  Brochardi  archiepiscopo ;  p.  SO:  8.  Brochardi 
archiepiscopo,  Gingins  a.  a.  0.  S.  349  n.  1  citiert  noch  eine  Urk.  v.  22.  Juni 
1042,  von  ihm  unterzeichnet,  aus  Guichenon,  Hist.  de  Savoie  U,  7.  £r 
setzt  seinen  Tod  auf  den  10.  Juni  1046  und  beruft  sich  anfeine  Stelle 
im  handschriftlichen  Necrol.  v.  St.  Jean,  wo  es  nach  seinem  Citat  heisst: 
An.  1046j  lunii  4.  Idus,  obierunt  Odolricus  Lugdwnensis  Archiepiscopus  . . . 
et  Burchardtts  Archiepiscopus.  Dasselbe  bis  auf  die  Jahreszahl  findet  sich 
im  Obit.  Lugd.  ed.  Guigne,  Lyon  1867.  Dieser  Burchard  ist  aber  Bur- 
chard  IL  und  der  starb  sicher  nicht  1046,  so  dass  man  deutlich  erkennt, 
dass  die  Jahreszahl  sich  nur  auf  Odolrich  beziehen  kann.  Für  Burchard  III. 
ist  also  hier  nichts  zu  gewinnen.  Nun  ist  es  meines  Erachtens  nicht 
zweifelhaft,  dass  Burchard  III,  der  von  1038/39  bis  Juni  1042  wieder  als 
Erzbischof  durchweg  nachweisbar  ist,  nicht  nur  Propst  von  St.  Maurice  in 
seinen  letzten  Lebensjahren,  wie  Gingins  u.  a.  wollen,  sondern  wirklich 
Erzbischof  von  Lyon  war,  sicherlich  bis  zu  seinem  Tode,  der  um  die  Mitte 
des  Jahres  1042  erfolgt  sein  wird.  Steindorff  1, 184  meint  dagegen,  dass 
der  Stuhl  von  Lyon  Anfang  1042,  in  welche  Zeit  er  Heinrichs  III.  Ein- 
schreiten setzt,  bereits  im  sechsten  Jahre  eines  neuen  Oberhauptes  be- 
durfte. Aber  es  bleibt  absolut  unerklärlich,  warum  Konrad  II,  als  er  mit 
Heinrich  1038  in  Burgund  war,  nicht  über  den  Stuhl  verfügte,  wenn,  wie 
es  wahrscheinlich,  Burchard  freigelassen  wurde,  ohne  ihn  zugleich  zum 
Erzbischof  zu  machen,  und  ferner  bleibt  es  unerklärlich,  wie  er  durchweg 
weiter  als  archiepiscopus  unterzeichnen  kann.  Finden  wir  ihn  bis  Juni 
1042  als  solchen  und  um  diese  Zeit  erst  Odolrich,  so  liegt  doch  nichts 
näher,  als  die  Annahme,  dass  er  bis  zu  seinem  Tode  sein  Amt  führte. 
Der  Antritt  Odolrichs  ist  ohnedies  im  höchsten  Grade  zweifelhaft.  Gin- 
gins p.  349  erzählt,  dass  Heinrich  III,  als  er  1041  in  Besangon  war,  was 
gar  nicht  richtig  ist,  Odolrich  einsetzte.  Steindorff  I,  136  reiht  die  Rod. 
Glaber  V,  c.  4  erwähnte  Versammlang  zu  Besan^on  Anfang  1042  zwischen 
19.  Januar  und  2t. Februar  ein.  Wer  beweist  aber,  dass  wir  es  nicht  mit 
dem  im  November  1043  sicher  erfolgten  und  mehrfach  bezeugten  Aufent- 
halt des  Königs  in  Besangon  zu  thun  haben?  So  viel  ich  sehe,  erwähnt 
nicht  eine  einzige  Quelle  einen  Aufenthalt  Heinrichs  1042  zu  Besan^on. 
Auch  Prou  in  seiner  n.  2  p.  131  nimmt  1043  an  (verdruckt  dafür  1034). 
Sowohl  die  chronologische  Folge  bei  Rod.  Glaber  würde  dafür  sprechen, 

16* 


244 

2.  Vordringen  der  popponischen  SchiQe. 

L 

Während  Odilo  von  Glnni  and  Peterlingen  in  dieser  Zeit 
sich  auch  nicht  einer  Gnnstbezengnng  Eonrads  rühmen  durfte, 
förderte  dieser  in  anifälliger  Weise  die  Beformbestrebungen  des 
politisch  verdienten  Abtes  von  St  Maximin.  Es  kann  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  sein  Einfluss  am  Hofe  den  Kaiser  zu 
diesen  Massregeln  hinriss.  Fast  sämtliche  Reichsabteien,  die 
unter  Konrad  II.  dem  Einflüsse  Poppos  unterworfen  wurden, 
kamen  Anfang  der  dreissiger  Jahre  in  die  Hände  seiner  Schiller, 
und  jedenfalls  um  dieselbe  Zeit  urknndet  der  Kaiser  in  nicht 
wenigen  Fällen  zu  Gunsten  der  popponischen  Stifter.  Es  ist 
aber  zu  beachten,  dass  fast  überall  St.  Maximin  als  der  Herd 
der  Beform  erscheint,  dasselbe  Kloster,  das  bereits  im  zehnten 
Jahrhundert  den  eigentlichen  Ausgangspunkt  des  deutschen 
Klosterlebens  gebildet  hatte  ^);  es  war  also  nur  die  Wiederauf- 
nahme der  alten  Tradition  der  Ottonen,  wenn  Konrad  Maxi- 
miner  Mönche  nach  deutschen  Klöstern  berief. 

Mag  auch  der  Bau  der  von  Konrad  und  Gisela  gegrün- 
deten Abtei  Limburg  a.  H.  einige  Jahre  früher  begonnen  2)  wor- 

die  Versammlung  später  zu  setzen,  als  aach  die  Thatsache,  dass  bei  der 
Verlobung  Heinrichs  mit  Agnes  November  1043  eine  sehr  zahlreiche  Ver- 
sammlung und  namentlich  viele  Bischöfe  sich  eingefunden  hatten.  Ent- 
gegenstehen künnte  nur  die  Bemerkung  der  Chron.  S.  Ben.  p.  187,  dass 
Odulrich  fünf  Jahre  Erzbischof  gewesen  sei,  aber  die  Zahlenangaben  die- 
ser Chronik  sind  auch  sonst  mitunter  ungenaue  und  deshalb  schwerlich 
beweiskräftig. 

0  Vgl.  Hauck,  Kirchengesch.  III,  1  (1898),  371.  376.  380.  382.  383. 

')  V.  Popp.  c.  19.  Ekkehard  von  Aura  berichtet  SS.  VI,  195  zu  1025: 
In  proprio  quippe  casteUo  Linthwirg  diclo  ad  alias  itöua  qiMndam  sibi  grata 
monasterimn  construxitj  prediarumque  copia  iüud  ditans,  monachoi'utn  con- 
gregationem  sub  abbatis  pravisiane  iUuc  introduxit  Ich  möchte  annehmen, 
dass  der  Autor  hier  die  Urk.  v.  17.  Jan.  1035  im  Sinne  hat  und  sich  bezüg- 
lich der  Zahl  nur  in  leicht  erklärlichem  Irrtum  befindet.  Wenn  im  Sommer 
1035  erst  die  Weihe  der  Crypta  erfolgt,  so  kann  der  Bau  der  Kirche  nn- 
müglich  lange  vorher  begonnen  haben.  Auf  die  Zahl  Ekkehards  ist  bei 
der  geringen  Bedeutung  seiner  Nachrichten  aus  dieser  Zeit  (Bachholz, 
Ekkehard  von  Aura,  Leipzig  1888,  S.  2S)  gar  kein  Gewicht  zu  legen. 
Dass  Gisela  besonders  beteiligt  war,  hebt  ein  Brief  der  Mönche  von 
Limburg  aus  dem  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  hervor:  MabiUon,  Ann.  Ben. 
IV,  372 ;  Sigeberti  Transl.  S.  Luoiae  bei  Meurisse,  Bist  de  Metz  p.  323. 


245 

t 

den  sein,  so  lässt  sieh  die  besondere  Vorliebe  des  Kaisers 
fttr  diese  Familienstiftong  doch  erst  in  den  dreissiger  Jahren 
nachweisen,  und  ebenso  dürften  die  Mönche  ans  Poppos  Schule 
kaum  früher  das  neue  Kloster  besiedelt  haben.  Der  Herrscher 
weilte  nun  öfter  in  Limburg  <)  und  nahm  sich  der  Abtei  inso- 
fern an,  als  er  dem  Bischöfe  von  Speyer  ihre  Verteidigung  zur 
besonderen  Pflicht  machte.^)  Er  selbst  gewährte  gelegentlich 
der  Weihe  der  Grypta  und  einiger  Altäre^)  im  Sommer  1035 
im  Verein  mit  Gisela  verschiedene  Güter  und  bestimmte  die 
Leistungen  und  Pflichten  der  Ministerialen.  Zur  selben  Zeit 
erfolgte,  wie  es  scheint,  die  Abgabe  von  Limburg  und  St  Maxi- 
min an  Poppos  Schüler  Johannes,  der  bisher  in  Stablo  und 
dem  Trierer  Kloster  das  Kleid  Benedicts  getragen  hatte.^) 
Konrads  Nachfolger,  Heinrich  HI,  betrieb  die  Vollendung  der 
Bauten  und  die  Herbeischaffung  von  Reliquien,  unter  denen 
dem  Arme  der  hl.  Lucia  besondere  Verehrung  zu  teil  wurde.^) 
Ein  ganz  wesentlicher  Erfolg  war  es,  dass  im  Jahre  1031 
ein  Mönch  von  St.  Maximin  <^),  wie  es  scheint,  der  zuletzt  Propst 
in  Stablo^)  gewesen  war,  auf  den  Abtstuhl  des  reichsfreien 
Hersfeld  gelangte.  Hier  hatte  Bardo,  der  frühere  Abt  von 
Werden,  den  Krummstab  geführt,  ein  milder  und  gerechter 
Mann,  der  aber  in  dem  halben  Jahre,  während  dessen  er  dem 
Kloster  vorstand,  nicht  vermocht  hatte,  die  unter  Abt  Arnold 
eingerissenen  Schäden  zu  heilen.  Als  er  nun  auf  den  erz- 
bischöflichen Stuhl  von  Mainz  berufen  ward^),  wurde  Rudolf, 


»)  Ladewig  S.81. 

')  RemliDg,  Urkb.  zur  Gesch.  der  Bischöfe  von  Speyer  I,  21).  Urk. 
vom  21.  Febr.  1032;  St.  2030.  Damals  war  das  Kloster  schon  erbaut;  vgl. 
Ladewig  S.  81.   Wie  weit,  ist  indes  sehr  fraglich. 

^)  Brief  der  Limburger  a.  a.  0. 

*)  Vgl.  Ladewig  S.  133  f. 

»)  Sigeb.  Transl.  a.a.O.;  Ann.  Spir.  SS.  XVII,  82;  Brief  der  Lim- 
burger a.  a.  0.  Vgl.  Dümmler,  Sigeberts  von  Gembloux  Passio  S.  Luciae, 
Abhdl.  d.  Berl.  Acad.  1893,  p.  15.  43. 

*)  Necrol.  S.  Max.:  VIIL  Id.  Nov»  Ruoht  nostrae  congregaJtionis  epi- 
8copu8  Paderbomensis, 

')  Ann.  Hildesh.  1031:  Bopponis  monachnSy  coenobii  Stabulon  prae- 
positus. 

«)  Vgl.WolfheriV.Godehardic.36;  V.Godehardi  post.  c.24;  V.Mein- 
werci  c.  210;  Bresslau,  Konrad  IL  1,310.  311. 


246 

der  Schüler  Poppos,  ein  geborener  Italiener  Oi  Abi  Mit  ihm 
zogen  auf  kaiserlieben  Befehl  die  Gewohnheiten  der  lothrin- 
gischen Mönche  in  Hersfeld  ein  2),  aber  sowie  er  bereits  nach 
fttnf  Jahren  die  bischöfliche  Würde  von  Paderborn  annahm, 
so  blieb  es  anch  bezüglich  der  Klostereinrichtungen  in  Hers- 
feld beim  Alten.') 

Zwei  Jahre  vorher  hatten  mehrere  hervorragende  Mönche 
Hersfeld  verlassen,  um  höhere  Aufgaben  zu  eiittllen.  Indes 
ist  es  durchaus  unwahrscheinlich,  dass  die  Beförderung  des 
Propstes  und  gelehrten  Scholastikers  Albuin  auf  den  Abtstuhl 
zu  Nienburg 4)  und  die  Berufung  des  Sidaec  nach  Magdeburg^) 
für  die  Verbreitung  der  cluniacensischen  Institutionen  irgend- 
welche Bedeutung  haben. 

Im  Jahre  1034  erfolgte  ein  bedeutsamer  Act  des  Kai- 
sers bezüglich  der  Reform  des  Reichsklosters  St.  Ghislain  in 
der  Diöcese  Cambrai.  Diese  Abtei  hatte  bereits  seit  dem  Tode 
des  Abtes  Wenrich,  der  1026  aus  dem  Leben  schied,  Graf 
Raginar  von  Mons  in  seine  Gewalt  zu  bringen  versucht;  er 
setzte  widerrechtlich  zwei  Aebte  ein,  die  der  Bischof  zwar 
verwarf,  die  aber  trotzdem  lange  genug  wirtschafteten,  um 
Klosterzucht  und  Besitz  zu  zerrütten.<^)  Auch  als  Poppe  auf 
Vorschlag  Gerhards  von  Cambrai  und  auf  Befehl  Konrads 
einen  Mönch  Heribrand  dem  Stifte  vorsetzte,  Hess  Raginar 
von  seinen  Belästigungen  nicht  ab.  Der  Abt  suchte  schliess- 
lich mit  den  Brüdern,  unfähig  die  Verwüstung  des  Ortes  zu 
ertragen,  bei  dem  Kaiser  seine  Zuflucht.  Im  Frühjahr  1034 
verwandten  sich  zu  Regensburg  neben  dem  Erzbisehofe  Pil- 
grim  von  Göln,  Gerhard  von  Cambrai  und  Herzog  Gozelo  von 

>)  Ann.  Hildesh.  1031;  Lambert!  Liber  de  instit.  SS.  V,  140;  V. 
Popp.  c.  19. 

')  Ann.  HUdesh.  1031:  a  quo  imperatoris  decreto  inibi  mtUata  est 
monachica  consuetudo. 

^)  Vgl.  den  Brief  der  Hersfelder  an  die  Mönche  von  Monte  Cassino, 
N.  Arch.  m,  189. 

«)  Lambert!  Ann.  1084;  Ann.  Hildesh.  1034.  1035;  Gesta  archiep. 
Magdeburg.  SS.  XIV,  399;  Ekkehardi  Chr.  SS.  VI,  196;  Wattenbach  H, 
23.  25.  88. 

>)  Ann.  HUdesh.  1034;  Gesta  archiep.  Magdeb.  SS.  XIV,  399. 

«)  Gesta  abb.  Camerac.  II,  c.21,  SS.  VU,  492;  V.  Popp.  c.  19. 


247 

Lothringen  die  Kaiserin  Gisela  nnd  Poppo  von  Stablo  für 
die  Freiheit  des  Klosters,  das  Konrad  am  3.  Mai  wieder  in 
seinen  Schatz  nahm.^)  Das  Diplom  war  von  günstigem  Er- 
folge begleitet;  wenigstens  hören  wir  weiterhin  nichts  von 
Klagen.  Auch  wachs  die  Zahl  der  Mönche  and  der  Besitz- 
stand unter  Heribrand.  Bischof  Gerhard  and  Poppo  zogen 
aach  fbr  die  Zukunft  ihre  Hände  nicht  von  der  Abtei  ab. 
Denn  als  Heinrich  III.  am  27.  Mai  1040  derselben  die  Grafen- 
rechte  über  das  Dorf  Bassäcles  verlieh  2),  verdankte  man  das 
ihrer  Intervention. 

Aus  welchem  Kloster  Heribrand  stammte,  wissen  wir  nicht, 
aber  Poppo  begünstigte  so  ansschliesslich  St.  Maximiner 
Mönche,  wenn  niciit,  wie  in  St.  Trond,  bestimmte  Gründe  da- 
gegen sprachen,  dass  man  den  Abt  von  St  Ghislain  vielleicht 
auch  demselben  Kreise  von  Schülern  wird  zurechnen  dürfen. 
Jedenfalls  waren  es  wieder  Mönche  des  Trierer  Klosters,  die 
etwa  1032  in  Weissenburg  und  1035  in  Waulsort  befördert 
wurden. 

Die  Geschichte  von  Weissenburg  im  Sprengel  von  Speyer 
ist  überaus  dunkel.  Erst  im  Jahre  978  erhielt  die  Abtei  das 
Recht  der  freien  Abtwahl,  und  die  Rechte  der  Aebte  wurden 
nach  den  für  Fulda,  Reichenau  und  Prüm  geltenden  Normen 
geregelt.^)  Im  Jahre  1002  ward  Liuthard  Abt*),  unter  dem 
1004^)  das  Kloster  niederbrannte.  Wir  hören  dann  zunächst 
nicht,  dass  der  Klosterbau  vollendet  worden  wäre;  wohl  aber 
wendet  der  Abt  sich  1080  an  Konrad  II.  behufs  Bestätigung 
der  alten  Rechte  und  Güter.<^)  Erst  im  Jahre  1033  erhielt  das 
Oratorium  S.  Petri  durch  Bischof  Reginbald  die  Weihe.'')  Wann 
Folmar,  den  Poppo  von  Stablo  aus  St.  Maximin  nach  Weissen- 


0  St.  2059;  Mirac.  S.  Gisloni  c.  13,  SS.  XV,  585.  lieber  die  Add. 
S.  Gisleni  und  ihren  Wert  siehe,  was  ich  in  der  neuen  Ausgabe  der  Ann. 
Hannöniac  des  Jacques  de  Guise  1.  XIV,  c.  54,  SS.  XXX,  187  zu  der  von 
Ladewig  herangezogenen  Stelle  bemerkt  habe. 

«)  St  2182. 

•)  DO  II,  nr.93;  St.  591. 

«)  Ann.  Weissenburg.  SS.  III,  70. 

»)  ib.  a.  1004. 

«)  St  200s. 

')  Ann.  Weissenburg.  1038. 


248 

barg  schickte  1),  Bein  Amt  antrat^),  ist  ebenso  unbekannt,  als 
wie  es  überhaupt  zu  einem  Eingreifen  des  Abtes  von  Stablo 
kam.  Auch  über  Folmar  wissen  wir  nicht  mehr,  als  dass 
unter  ihm  die  Bücher  von  Weissenburg  catalogisiert  wurden^) 
und  Heinrich  III.  im  Jahre  1040  für  ihn  urkundete.^)  Er  starb 
bereits  am  14.  Mai  1043.^) 

Dieselbe  Unklarheit  hinsichtlich  der  näheren  Umstände 
herrscht  bezüglich  der  Eingriffe  Poppos  in  die  inneren  Ange- 
legenheiten der  Abtei  Waulsort  im  Lütticher  Sprengel.  Seit 
969  im  Besitze  des  Bischofs  von  Metz,  der  das  Stift  mit  einem 
kleinen  herabgekommenen  Kloster  zu  Uastiöre  vereinigt  hatte, 
war  Waulsort  zuletzt  in  die  Hände  des  Propstes  Rudolf  von 
Hastiöre  gelangt^)  Zwistigkeiten  rechtlicher  Natur,  die  nach 
seinem  1035  erfolgten  Tode  zwischen  beiden  Stiftern  aus- 
brachen, veranlassten  den  Bischof  von  Metz  sich  einzumischen 
und  im  Einvernehmen  mit  dem  Kaiser  die  Leitung  des  Doppel- 
klosters Poppe  von  Stablo  zu  übertragen,  von  dem  man  an- 
nahm, dass  er  die  Rechte  jeder  Kirche  wahren  würde.  Aber 
Poppe,  der  um  diese  Zeit  bereits  so  sehr  mit  Pflichten  über- 
laden war,  dass  er  in  Limburg  und  St.  Maximin  seinen  Neffen 
Johannes  an  seine  Stelle  setzte,  berief  Lambert  von  St.  Maxi- 
min nach  Waulsort,  freilich  nicht  ohne  eine  Garantie  für 
dessen  Vorgehen  zu  übernehmen.'')  Lambert  führte  gewiss  die 
inneren  Klosterangelegenheiten  im  Sinne  Poppos:  der  ibm 
feindliche  Gesehichtschreiber  der  Abtei  wirft  ihm  freilich  vor. 


*)  Vgl.  V.  Popp.  c.  19;  Necrol.  S.  Maximin.:  II.  Id.  Mail.  Folmarus 
preab.  nostrae  congregationis  et  abbas  Wizenburgefisis. 

')  Liiithard  soll  nach  der  Gallia  christ.  V,  743  1032  gestorben  sein 
und  Folmar  damals  sein  Amt  angetreten  haben,  indes  fehlt  ein  Quellen- 
beleg. Man  kann  nur  sagen,  dass  es  nach  1030  geschah.  Sehr  leicht 
möglich  ist  allerdings,  dass  die  Weihe  des  Oratoriums  erfolgte,  kurz  nach- 
dem Foimar  Abt  von  Weissenburg  wurde. 

B)  Vgl.  Becker,  Catalogi  biblioth.  antiqui  nr.48,  p.  13.S:  Isti  Codices 
inventi  sunt  in  armario  S.  Petri  in  Wizzunburg  sub  Folmaro  abbaJte. 

*)  St.  2191. 

*)  Ann.  Weissenburg.  1043;  Necrol.  S.Maxim.  a.a.O.;  Necrol.  Epter- 
nac.,  N.  Arch.  XV,  184. 

^)  Sackur,  Der  Rechtsstreit  der  Klöster  Waulsort  und  Hastiere, 
D.  Zeit«chr.  f.  Geschichtswissenschaft  II  (1889),  345  if. 

•)  Hist.  Walciod.  c.49;  vgl.  D.  Zs.  a.a.O.  S.  348. 


249 

die  Gerechtsame  derselben  zu  Gunsten  der  Hasterienser  ver- 
nachlässigt zn  haben,  und  berichtet,  dass  die  Mönche  schliess- 
lich gegen  ihn  bei  Poppe  Klage  führten.  Vielleicht  ist  das 
alles  aber  ebenso  wenig  wahr,  als  die  gehässige  Mitteilung, 
dass  Lambert  bei  der  Kunde  von  Poppos  Tode  seine  Freude 
über  die  nunmehrige  Freiheit  nur  schlecht  verhehlt  habe.^) 

Abgesehen  von  der  vorübergehenden  Einwirkung  auf  Hers- 
feld, die  wir  zu  erwähnen  hatten,  war  das  Arbeitsfeld  Poppos 
auf  die  Gegenden  des  oberen  und  niederen  Rheins  beschränkt 
geblieben,  ohne  dass  dieser  selbst  erreicht  worden  wäre.  Jetzt, 
in  eben  der  Zeit,  in  der  der  Ei^flnss  des  Abtes  auf  den  Kaiser 
seine  Höhe  erlangte,  im  Jahre  1034,  kommen  zum  ersten  Male 
Mönche  seiner  Richtung  nach  der  alten  reichsfreien  Abtei 
St.  Gallen.  Der  Widerwille,  mit  dem  sie  hier,  wie  fast  aller 
Orten,  empfangen  wurden,  nötigt  uns,  die  Stellung,  die  das 
Mönchtum  des  ostfränkischen  Reiches  der  neuen  Schule  gegen- 
über bisher  eingenommen  hatte,  kurz  zu  betrachten. 

Auch  das  obere  Deutschland  hatte  im  zehnten  Jahrhundert 
eine  Reform  gehabt.  Namentlich  in  Baiern,  das  besonders  reich 
an  Klöstern  war,  hatten  die  Stifter  durch  die  Verheerungen 
der  Ungarn,  Säcularisationen  weltlicher  Fürsten  und  die  gänz- 
liche Unterwerfung  unter  den  Episcopat  den  Todesstoss  er- 
halten.2)  Aber  trotz  des  Verfalls  der  Benedictinerregel^)  hatte 
doch  die  Sittenlosigkeit  und  Verschwendung  der  Laienäbte 
nicht  annähernd  so  gräuliche  Misstände  herbeigeführt,  als  in 
Frankreich.  So  trug  auch  die  Reform  einen  weniger  gewalt- 
samen, weniger  allgemeinen  Character;  als  ihr  Herd  tritt 
wesentlich  St  Maximin  hervor.  Dass  Ende  des  Jahres  972 
ein  Mönch  von  Einsiedeln,  das  schon  um  die  Mitte  des 
Jahrhunderts  wieder  kräftig  blühte  und  nach  aussen  nicht 
unbedeutende  Wirkungen  ausübte,  der  Schwabe  Wolfgang, 
auf  den   bischöflichen   Stuhl   von   Regensburg   gelangte   und 


0  Ladewig  S.  63. 

«)  Vgl.  Hirsch,  Jahrb.  Heinrichs  II.  I,  93—105. 

')  Vgl.  betreffs  St.  Emmeram  Hirsch  S.  111;  Ringholz,  Des  Bene- 
dictinerstiftes  Einsiedeln  Thätigkeit  für  die  Reform  deutscher  Klöster  vor 
dem  Abte  Wilhelm  von  Hirschau  in  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem 
Benedictiner-  und  Cistercienserorden  1886  (Separatabdruck  S.  6);  Hauck, 
Kirchengescb.  HI  (1893),  1,  375  ff. 


250 

die  Gewohnheiten  seines  Klosters  naeh  St  Emmeram  über- 
trug, muss  als  das  wichtigste  Ereignis  in  der  Entwicke- 
lung  der  oberdeatsehen  Reform  betrachtet  werdend)  Denn 
neabelebende  Wirkungen  gingen  von  St.  Emmeram  aus;  hoch- 
angesehene Kirchenfttrsten,  wie  Tageno  von  Magdeburg,  Poppo 
von  Trier,  Balderieh  von  Lttttich,  nahmen  hier  ihren  An- 
fang. Von  Einsiedeln  aber  kamen  seit  der  Wende  des  Jahr- 
hunderts Mönche  nach  schweizerischen  und  schwäbischen 
Klöstern  das  ganze  elfte  Jahrhundert  hindurch.  In  andern 
Abteien  aber  hatte  man  die  Stürme  der  Anarchie  ohne  grosse 
Erschütterungen  überstanden.  Waren  manche  altberühmte  Stifter, 
wie  St  Gallen  und  Corvey,  nicht  eben  Klöster  strenger  Obser- 
vanz, so  hatte  sich  doch  in  ihnen  ein  gemütliches,  den  Musen, 
der  Wirtschaft  und  den  göttlichen  Pflichten  geweihtes  Zu- 
sammensein herausgebildet,  bei  dem  die  Mönche  auch  mit  dem 
benachbarten  Laienadel  in  vertraulichen  Beziehungen  standen. 
In  vielen  deutschen  Stiftern  lebte  man  so  und  man  begreift 
vollkommen,  dass  Sachsen,  wie  Widukind  und  Thietmar  von 
Merseburg  sich  mit  der  „schweren  Verfolgung'',  die  über  das 
alte  Mönchtum  hereingebrochen  war,  nicht  befreunden  konnten. 
Die  allgemeine  Meinung  war  doch  die,  dass  es  besser  sei,  wenn 
viele,  wenn  auch  weniger  strenge  Mönche  in  einem  Kloster 
lebten,  als  wenige  der  strengsten  Observanz.  Widukind  erinnert 
an  das  Gleichnis  vom  Hausherrn,  der  seinen  Slaven  verbietet, 
das  Unkraut  vor  der  Ernte  auszujäten'^);  es  ist  nicht  nach 
seinem  Sinn,  dass  Mönche,  die  ihrer  Schwäche  sich  bewusst 
seien,  die  Kutte  ablegten  und  die  Klöster  verliessen.  Auch 
Thietmar^)  erscheint  die  zur  Schau  getragene  Strenge  in  Klei- 
dung und  Lebensweise  mitunter  als  eitel  Heuchelei. 


*)  Vgl.  Hauck  a.  a.  0.  Diese  Consuetudines  hat  Ringholz  a.  a.  0.  aus 
dem  cod.  Einsiedl.  235  ediert.  Leider  sind  die  Gewohnheiten  nicht  voll- 
ständig erhalten.  Bemerkenswert  ist,  dass  hier  zum  ersten  Male  barbati 
vel  converai  laici  erwähnt  werden,  so  dass  ausser  Frage  ist,  dass  diese 
Einrichtung  von  Einsiedeln  nach  Hirschau  kam,  wo  sie  noch  vor  der 
Cluniacenserreform  bemerkt  wird.  Vgl.  auch  Helmsdörfer,  Forsch,  z.  Gesch. 
d.  Abtes  WUhelm  von  Hirschau  S.  90  ff. 

*)  Widukind  H,  c.  37. 

3)  Thietmar  VI,  c.  21  (ed.  Kurze  p.  145):  Verum  est,  quod  hii,  qwrum 
nova  conver8atio  et  in  habitu  et  in  victu  Uwdabili3  extat,  vero  non  sunt 
sepe,  quod  aimulant. 


251 

Nicht  minder  hatten  schon  im  zehnten  Jahrhundert  die 
St  Galler  Gelegenheit,  den  Gegensatz  gegen  die  lothringischen 
Neuerer  zu  betonen,  als  Otto  I.  vermutlich  nach  einer  ungün- 
stig ausgefallenen  Revision  in  St  Gallen,  eine  Reform  durch 
einen  Lothringer,  Sandrart,  anbahnte.^)  Damals  scheiterte  der 
Plan  an  dem  hartnäckigen  Widerstand  der  Mönche,  und  die 
alte  Art,  die  keine  Gewissenspein  und  seelische  Kämpfe  kannte, 
behielt  auch  weiter  im  Stift  die  Oberhand.  Ebenso  rief  ein 
Versuch,  den  Heinrich  IL  in  Reichenau  machte,  dem  Abte  Immo 
von  Gorze  und  Prüm  eine  neue  Wirkungsstätte  zu  eröffnen, 
eine  so  entschiedene  Weigerung  und  solche  Gegenwehr  der 
Mönche  hervor^),  dass  der  König  zwei  Jahre  später  von  der 
Unmöglichkeit  überzeugt  war,  seine  Absicht  darchzuführen.^) 
Es  liess  sich  deshalb  voraussehen,  mit  welchem  Erfolge  Kon- 
rad IL  in  St.  Gallen  zu  Gunsten  der  Schule  Poppos  eingreifen 
würde.  Die  deutschen  Herrscher  hatten  dem  Kloster  des 
hl.  Gallus  ihre  Gunst  nicht  entzogen.  Bestätigte  Konrad  II. 
am  19.  April  1025  das  freie  Wahlrecht  der  Mönche  und  den 
Schutz  der  Krone^),  so  kam  Gisela  zwei  Jahre  später  selbst 
nach  St.  Gallen  und  liess  sich  den  von  Notker  Labeo  ins 
Deutsche  übersetzten  Psalter  und  das  Buch  Hiob  abschreiben 
und  sich  mit  ihrem  Sohne  Heinrich  in  die  Brüderschaft  auf- 
nehmen.^) Man  hatte  anscheinend  keinen  Grund,  mit  Thiet- 
bald,  der  damals  Abt  war,  unzufrieden  zu  sein.  Da  starb  er 
im  Jahre  lOSl«) 

Poppe  war  auf  der  Höhe  seines  Einflusses.  Nach  Hers- 
feld, St.  Trond,  St.  Ghislain,  Weissenbnrg  und  Waulsort  kamen 
um  diese  Zeit  die  Zöglinge  seiner  Schule,  stets  im  Einver- 
ständnis mit  dem  Kaiser  oder  der  Kaiserin.  Als  er  nun  An- 
fang Mai  1034  in  Regensburg  erschien,  wo  er  für  St.  Ghis- 
lain  intervenierte'^,    mochte   er   den   Kaiser    dazu    bestimmt 

0  Vgl.  DUmmier,  Otto  der  Gr.  S.  490;  Ileidemann,  Ekkehard  IV.  von 
St.  Gallen,  Forsch,  z.  D.  Gesch.  VIII,  102  ff. 

')  Hermanni  Contr.  Chron.  1006;  Chron.  Suev.  1006;  Catal.  abb.  Aug., 
SS.  XIII,  3S2. 

«)  Hennanni  Contr.  Chron.  1008;  Chron.  Suev.  1008. 

*)  Wartmann,  Urknndenbuch  von  St  Gallen  III,  nr.  278;  St.  1877. 

<^)  Ann.  San^L  majores  (SS.  I,  83)  1027. 

«)  ib.  1034. 

'')  S.  oben  S.  246. 


252 

haben,  die  Leitang  von  St  Gallen  in  die  Hände  eines  seiner 
Schüler  zu  legen.  Es  war  Norbert,  ein  Stabloer  Mönch,  der 
von  unbefangenen  Beurteilern  auch  in  St.  Gallen  Lob  erntete, 
der  als  ein  Nachahmer  Thietbalds,  als  Förderer  der  Abtei,  als 
wohlwollender  Abt  hingestellt  wird,  der  die  Pfründen  der 
Brüder  vergrösserte.  Er  machte  auch  eine  Stiftung  fttr  seine 
Jahrzeitfeier.  I)  Ein  silbernes,  zum  Teil  vergoldetes  Kreuz  liess 
er  an  einer  silbernen  Säule  befestigen  und  auf  einen  Altar 
setzen.^)  Zur  grossen  Freude  der  Mönche  betrieb  er  die  längst 
beabsichtigte  Canonisation  der  hl.  Wiborada.^)  Er  führte  auch 
den  Festtag  des  hl.  Remaclus,  des  Patrons  von  Stablo,  in 
St  Gallen  ein.«) 

Aber  sein  Auftreten  und  das  der  von  ihm  mitgebrachten 
popponischen  Mönche  rief  den  Widerspruch  und  den  Unmut 
der  älteren  Insassen  des  Stiftes  hervor.  Der  Wortführer  jener 
Partei  war  Ekkehard  IV,  der  die  Geschichte  von  St  Gallen 
fortsetzte,  die  Ratpert  angefangen  hatte,  der  auch  allein  von 
der  Episode  Sandrarts  berichtet  und  dem  sein  Aerger  über 
die  lothringischen  Eindringlinge  giftige  Worte  in  die  Feder 
dictierte  und  die  schwärzesten  Farben  an  die  Hand  gab,  wo 
es  sich  darum  handelte,  den  ersten  verunglückten  Beformver- 
such  zu  schildern. 

Anfangs  scheint  er  den  Bestrebungen  der  lothringischen 
Reformatoren  keineswegs  feindselig  gegenüber  gestanden  zu 
haben.  Er  selbst  trägt  den  Beisetzungstag  des  hl.  Remaclus 
in  das  Martyrologium  ein  —  doch  wohl  nachdem  der  neue 
Festtag  in  St  Gallen  eingeführt  worden  war  —  und  lobt  bei 
dieser  Gelegenheit  die  Jünger  des  Heiligen,  die  Mönche  von 
Stablo.^)  Er  war  auch  mit  Poppos  Neffen,  Johannes  von 
St  Maximin,  wenigstens  vor  Norberts  Auftreten  innig  befreun- 

0  Burchardi  S.  Galli  Contin.,  SS.  II,  155;  vgl.  Ladewig  S.  98;  Wart- 
mann  111,812.  820.  821.  828. 

a)  Ekkeh.  Casus  S.  Galli,  SS.  II,  81. 

»)  ib.  p.  107. 

*)  ib.  p.  156;  vgl  Dttmmler,  Ekkehart  IV.  von  St.  GaUeo,  Ztschr.  f. 
D.  Alterthum  XIV,  5. 

')  DUmmler  a.  a.  0.  S.  5  teilt  aus  Cod.  S.  Galli  454  f.  241  mit:  qiialia 
autem  inibi  Dei  cuUor  extiterit  et  in  ipso  et  in  eins  diacipulis  postmodum 
patuitf  cum  Deus  omnipotens  tarn  per  ipsum^  quam  per  eius  diaciptdos 
cottidie  müUa  insignia  facere  non  destitit. 


258 

det>)  Aber  seine  StimmaDg  scheint  ins  Gegenteil  amgesehlagen 
zu  sein,  als  Norbert,  mit  Umgehung  des  Wahlrechts  intradiert, 
seine  Nenemngen  in  Kleidung  und  Lebensweise  auch  auf  die 
alten  Mönche  auszudehnen  versuchte.  Dagegen  sträubten  sie 
sich  nicht  ohne  Erfolg.  Sie  lebten,  wie  Ekkehard  einmal  sagt^), 
nicht  wie  er  oder  wie  sie  wollten,  sondern  so  gut  sie  konnten. 
Es  fand  sich  augenscheinlich  ein  Modus,  der  den  St  Gallem 
gestattete,  unbekümmert  um  die  Satzungen  der  Stabloer,  wenig- 
stens im  allgemeinen  ihren  alten  Gewohnheiten,  besonders  in 
der  Kleidung,  nachzugehen.  Hin  und  wieder  läuft  dem  Mönch 
aber  bei  der  Abfassung  der  Klostergeschichte  die  Galle  Über 
und  bei  der  ersten  besten  Gelegenheit  setzt  es  einen  Hieb 
gegen  die  Neuerungen,  mit  denen  die  Eindringlinge  Gott  reiz- 
ten^), gegen  ihre  superstitiöse  Ketzerei,  ihre  Kleidung,  ihr 
Franzosentum.  Er  stellt  ihrem  pfäffischen  DUnkel  die  gute 
alte  Zeit  entgegen,  in  der  die  adeligen  Laien  an  den  Proces- 
sionen  im  Mönchsgewande  teilnahmen,  in  der  sie  mit  Abt  und 
Decan  im  Kloster  zu  Tisch  sassen,  auch  wohl  einmal  gegen 
die  Regel  fehlten  und  zu  Heiterkeit  Anlass  gaben.^)  Der  dich- 
tende und  schriftstellemde  Mönch  zog  sich  schmollend  und 
grollend  zu  seinen  Studien  zurück.  Bei  der  Leetüre  fiel  ihm 
mitunter  an  einer  anzüglichen  Stelle  das  ganze  Elend  der 
Gegenwart  ein;  dann  konnte  er  nicht  umhin,  in  Randbemer- 
kungen seinem  Aerger  über  die  Neuerungen  Poppos  ^)  oder  den 
erbärmlichen  Character  der  Franzosen^)  Luft  zu  machen.  Na- 
mentlich aber  fand  er  manches  in  Notkers  Psalmenübersetzung, 
das  ihm  zu  einem  Seitenhiebe  gegen  die  Lothringer  Anlass 
gab.    Ueberall  beherrscht  ihn  der  Ingrimm  darüber,  dass  die 


*)  DQmmler  S.  4ff.    Ihm  widmete  er  den  Liber  benedictionnm. 

')  Casus  S.  Galli  prol.:  NorpertuSf  cuiua  hodie  sub  regimine  quidem 
non  prout  ipse  et  noSf  ut  inquiuntj  volumuSj  sedf  prout  poasumuSf  vivimua. 

')  Casus  S.  Galli  c.lO:  quod  tarnen  pace  novitatis  fnonachorum  qui 
irritare  ntmc  Deum  aoknt  in  adinventionibia  suis  . . . 

*)  ib.  p.  142. 

^)  In  einer  Randglosse  zu  den  Excerpten  Augustins  (Cod.  1 76)  setzt 
er  hinzu:  Nota  quod  huiuscemodi  et  in  aliia  rebus  perturbatio  graasatur, 
sicut  novitaa  Popponis  S.  Gaüi  cellam  in  plerisque  nobilita'  sanam  vulne- 
rabat  scismatis  sui  vulnere  s^vo  et  dolendo;  Diimmler  S.  6. 

^  So  in  einer  Glosse  zu  Orosius,  Heidemann  a.  a.  0. 


254 

Stabloer  im  Kloster  regieren');  er  schilt  ihre  zwei  Köeke,  die 
weiten  Gewänder  und  grossen  Tonsaren  and  tausend  andere 
Neuerungen.^)  Sie  sind  ihm  Schismatiker  und  Häretiker,  na- 
mentlich aber  Richard  von  St.  Vannes  und  Poppo,  von  denen 
sich  jeder  für  den  hl.  Benedict  halte  und  deshalb  die  Regel 
umstosse.3)  Neben  dem  Zorn  über  das  pharisäerhafte,  dünkel- 
hafte Auftreten  der  beiden  Führer  leitet  ihn  ein  lebhafter  natio- 
naler Widerwille  gegen  die  Gallier.*) 

So  giflng  seine  Ausfälle  gegen  die  Fremdlinge  gelegent- 
lich sind,  gegen  seinen  Abt  hat  Ekkehard  doch  nirgend  ein 
hässliches  Wort  fallen  lassen.  Wo  er  ihn  in  der  Kloster- 
geschichte nennt,  geschieht  es  sogar,  um  seine  Verdienste  zu 
berichten,  freilich  auch  ohne  anerkennende  und  rühmende  Zu- 
sätze. Persönlich  sicher  unanfechtbar,  hat  Norbert  ein  durch- 
aus günstiges  Andenken  bei  den  dankbaren  Mönchen  hinter- 
lassen^), und  dass  er  mit  dem  kaiserlichen  Hause,  mit  Hein- 
rich III,  in  guten  Beziehungen  stand,  zeigt  die  Thatsache,  dass 
der  König  1040  St.  Gallen  mit  seinem  Besuche  beehrte«)  und 
Norbert  an  seiner  Seite  sechs  Jahre  später  mit  nach  Ita- 
lien zog.') 

Dass  diesmal  ein  Stabloer  Mönch  ausgeschickt  wurde, 
keiner  von  St.  Maximin,  hatte  seinen  Grund  vielleicht  darin, 


*)  So  glossiert  er  die  Worte:  Posuisti  tribulationes  in  dorso  nostrOj 
imposuisti  homines  super  capita  nostra  mit:  Viuinnan  chamen  die?  Daz 
du  fh^niscen  säztost  über  unseriu  hoübet.  Zu  sdztost  bemerkt  er:  uwäaha 
de  stabuloVf  und  zu  hoübet:  Poponiscos  scismaticos  itUer  monachoSj  maxitne 
inter  sanctigaüensea.    Hattemer,  Denkmahle  des  Mittelalters  11,221,  n.  4. 

*)  Hattemer  II,  221,  n.  5:  id  est  mit  ypocrisi  prettero  bldttün  uuitero 
chügelün  et  miüe  aliis  quibtts  scistnatici  nostri  irritaverunt  deum  in  ad- 
inventionibtis  suis,  maxiine  autem  in  dtiobtis  roccis. 

')  Hattemer  II,  79,  n.  4 :  Ane  die  (seil,  minna)  uuären  heretici  unde 
sint  huito  richarth  popo.  quorum  uterque  dicit  se  sanctum  Benedictum 
quidem  esse,  et  ideo  regulam  mvtasse.  et  tunicam  domini  unam  in  duos 
rokkos. 

*)  Hattemer  II,  221,  n.  5:  nam  a  crapula  Gallis  ingenita  incJwantes; 
Casus  S.  Galli  p.  142:  Vidi  egomet  ante  tempora,  quae  a  Gallis  patimur, 
monachorum  schismaticis. 

ß)  Vgl.  Hepidauni  V.  Wiboradae,  SS.  IV,  446,  n.  15. 
^)  Ann.  Sangall.  maiores  j040. 
7)  Ladewig  S.  99. 


255 

dass  Poppo  das  letztgenannte  Kloster  bereits  nicht  mehr  lei- 
tete. Aber  auch  als  er  wenige  Jahre  später,  etwa  1038,  nach 
dem  kurzen  Regiment  des  Johannes  und  des  Nachfolgers  des- 
selben, Bernhard,  wiederum  den  Krummstab  Übernahm^),  war 
es  doch  mit  der  Begünstigung  der  Reform  durch  den  deutschen 
Hof  aus.  Konrad  II.  kam  nicht  mehr  auf  ihn  zurtlek,  ebenso 
wenig  Heinrich  UI,  sein  Sohn.  Ostfränkischen  Klöstern  clunia- 
censisch-lothringische  Normen  aufzudrängen,  hatte  sich  als  ein 
ganz  vergebliches  Bemühen  herausgestellt.  Weder  in  Hersfeld 
kann  von  einer  Einpflanzung  derselben  die  Rede  gewesen  sein 
—  der  beste  Beweis  dafür  ist,  dass  die  Hersfelder  sich  später 
entschieden  dagegen  aussprachen  — ,  noch  ist  es  in  St.  Gallen 
zu  einer  Verschmelzung  der  nach  ihren  verschiedenen  Regeln 
lebenden  Stabloer  und  Altsanctgaller  Mönche  gekommen.  Ver- 
mutlich ist  auch  in  manchen  lothringischen  Abteien,  wahr- 
scheinlich in  Klöstern,  wie  Limburg  und  St.  Maximin,  die 
Gluniacenserreform  nur  eine  oberflächliche  gewesen.  Das  öftere 
Eingreifen  Poppos  an  denselben  Orten  auf  der  einen  Seite,  der 
bunte  Wechsel  der  Personen  auf  der  andern  spricht  gegen  ein- 
schneidende Erfolge. 

n. 

.  Am  4.  Juni  1039  starb  der  Kaiser.  Einige  Wochen  spä- 
ter bestieg  Heinrich  III.  feierlieh  den  Thron  zu  Aachen,  nicht 
ohne  dass  Gozelo  von  Lothringen  wieder  einen  schwachen 
Versuch  zur  Opposition  gemacht  hätte.  Der  Bruch  mit  Cluni 
war  eclatant:  zum  ersten  Mal  erfolgte  beim  Regierungsan- 
tritt keine  Neubestätigung  der  Peterlinger  Besitzungen.  Trotz 
dessen  scheinen  sich  die  lothringischen  Achte  bereits  in  Aachen 
um  den  König  versammelt  zu  haben:  denn  er  bat  dort  den 
Abt  Sigfried  von  Gorze  demütig,  für  ihn  zu  beten,  ein 
Wunsch,  den  er  zu  Metz,  vermutlich  im  Juni  des  nächsten 
Jahres,  wiederholte.  Seitdem  wurde  seiner  in  Gorze  bei  den 
Offizien  stets  gedacht.^)     Um  dieselbe  Zeit  aber  bewies  der 


0  Ladewig  S.  82  f 

*)  Brief  Sigfr.  v.  G.  an  Poppo  v.  St.  bei  Giesebrecht  II,  718:  Ex  qtw 
enim  prxMS  Äquisgrani  et  postea  Mettis  pro  se  orare  humiliter  me  petiit, 
in  oratiuncuLis  meia  ac  fratrum  noatrorutn  memoria  eius  non  defuit  Da 
der  König  vor  1043,   da  dieser  Brief  geschrieben  ist,  nur  Juni  1040  in 


256 

junge  König  seine  Neigung  für  einen  anderen  Mann  der 
gleichen  Richtung,  indem  er  nämlich  nach  dem  Tode  des 
Bischofs  Rambert  von  Verdun,  der  auf  einer  Pilgerreise  am 
29.  April  1039  in  Belgrad  starb,  dem  Abte  Riehard  von  St.  Yannes 
das  erledigte  Bistum  anbot.  Aber  wie  Majolus  und  Odilo  von 
Cluni  die  Erzstühle  von  Besaufon  und  Lyon,  Poppe  den 
Stuhl  von  Strassburg  zurückgewiesen  hatten,  so  weigerte  sich 
auch  Richard  zu  Gunsten  einer  bequemeren  und  glänzenderen 
Stellung  den  klösterlichen  Prinzipien,  die  er  sein  Leben  lang 
verfolgt,  untreu  zu  werden.  Indem  er  indes  dem  Kaiser  die 
Ernennung  seines  Taufkindes  Richard,  des  Sohnes  des  Grafen 
Hilderat,  der  in  St.  Vaunes  die  Kutte  genommen  hatte,  vor- 
schlug, brachte  er  auf  den  Bischofsstuhl  einen  jungen  und  un- 
erfahrenen Mann,  der  alle  das  Bistum,  wie  die  Grafschaft  be- 
treffenden Angelegenheiten  der  Entscheidung  des  Abtes  unter- 
warf. 0  Kurze  Zeit  darauf  erfuhr  sein  Schüler,  der  Abt  Poppe 
von  Stablo,  nicht  minder  die  Gunst  des  Königs. 

Schon  Ende  Mai  1040  finden  wir  Poppe  von  Stablo  in 
Gemeinschaft  mit  dem  Bischöfe  von  Cambrai  in  Lüttich,  wo 
der  König  am  27.  auf  ihre  Bitten  für  die  von  Poppe  refor- 
mierte Abtei  St.  Ghislain  urkundete.^)  Es  war  um  dieselbe 
Zeit,  da  der  Abt  daran  war,  das  neue  von  ihm  von  Grund 
auf  restaurierte  und  vollendete  Kloster  Stablo  weihen  zu  lassen. 
Er  ergriff  die  günstige  Gelegenheit,  da  Heinrich  sich  in  jenen 
Gegenden  aufhielt,  den  Fürsten  zum  festlichen  Acte  einzu- 
laden.^) Es  hatte  sich  eine  erlesene  Gesellschaft  um  den  Abt 
versammelt.  Ausser  den  Herzögen  Gozelo  und  Gotfried  von 
Lothringen  bemerkte  man  einen  ansehnlichen  Teil  des  lothrin- 
gischen und  westdeutschen  Episcopats.  Nach  der  Predigt,  die 
auf  Befehl  des  Königs  der  Diöcesanbischof  an  das  Volk  halten 
musste,  folgten  die  Gunstbeweise  des  Herrschers,  die  in  der 
Verleihung  eines  jährlichen,  zwei  Tage  dauernden  Marktes  und 
der  Bestätigung  der  alten  Privilegien ,  die  laut  vorgelesen  wur- 
den, bestanden.  Endlich  besiegelte  und  bekräftigte  er  die  Re- 
Metz war  (St.  2187),  werden  wir  das  Erzählte  hierhin  und  vorher  auf  den 
Aufenthalt  im  August  1039  (St.  2139)  in  Aachen  setzen  müssen. 

1)  Richard  von  St.  Vannes  S.  86  f. 

>)  St.  2182;  s.  oben  S.  247. 

')  Dedicatio  eccl.  Stabul.  bei  Martene,  Ihes.  U,  60 ;  SS. XI,  307 ff.,  n. 26. 


257 

stitntionen,  die  seine  Vorgänger  dem  Kloster  gewährt  hatten, 
von  neuem  nnd  liess  zur  grösseren  Sicherheit  gegen  Anfech- 
tungen den  Act  auf  einem  Hoftage  zu  Aachen  nach  Beratung 
mit  den  Grossen  und  Hofbeamten  in  seiner  Gegenwart  rati- 
fizieren. Von  Stablo  nahm  Heinrich  seinen  Weg  nach  dem 
oberen  Lothringen.  Sei  es,  dass  Abt  Richard  den  König  von 
Stablo  aus  bereits  begleitete,  sei  es,  dass  er  erst  unterwegs  an 
das  Hof  lager  kam,  jedenfalls  wird  es  damals  gewesen  sein,  wo 
er  in  Diedenhofen  gegen  die  Anfeindungen  des  Grafen  Mane- 
gaud,  der  eine  Schenkung  seines  Vaters  Liethard  von  Marcey 
zurückforderte,  bei  Heinrich  mit  Erfolg  Schutz  suchte.^) 

In  den  nächsten  Jahren  war  der  König  mit  den  Ange- 
legenheiten des  Ostens,  mit  Kriegen  gegen  Böhmen  und  Ungarn, 
beschäftigt,  so  dass  es  an  Gelegenheit  und  Möglichkeit  fehlte, 
die  Verbindungen  mit  dem  lothringischen  Regularclerus  weiter 
zu  pflegen.  Aber  als  er  im  Begriff  war,  sich  durch  seine  Ver- 
mählung mit  Agnes  von  Poitou  auch  das  mächtigste  FUrsten- 
geschlecht  des  südlichen  Frankreichs  zu  verbinden,  nachdem 
die  zehn  Jahre  früher  geplante  Alliance  mit  dem  capetingischen 
Hause  durch  den  Tod  der  jungen  Mathilde  vereitelt  worden  war, 
trat  der  Einfluss  der  Männer  wieder  hervor,  die  ihrer  deutsch- 
französischen Beziehungen  wegen  bisher  als  die  geeignetsten 
Vermittler  zwischen  beiden  Höfen  erschienen  waren. 

Die  geplante  Ehe  war  wieder  einmal  unzulässig  im  Sinne 
des  Kirchenrechts,  sowie  es  die  Ehe  Konrads  H.  und  die  be- 
absichtigte Verbindung  Heinrichs  I.  mit  der  Tochter  dieses 
Kaisers  gewesen  war.  Auch  diesmal  wagten  die  leitenden  Per- 
sönlichkeiten der  Reformbewegung,  soweit  sie  wie  Poppo  von 
Stablo  dem  Hofe  nahestanden,  höchstens  durch  leise  Ermah- 
nung zu  wirken. 

Sie  wussten  sehr  wohl,  dass  es  für  die  Fürsten  schwierig 
sein  musste,  eine  Frau  ihres  Standes  zu  finden,  die  nicht 
in  irgend  einem  Grade  mit  ihnen  verwandt  war,  und  dass 
die  Politik  sich  unmöglich  von  derartigen  kirchenrechtlichen 
Bedenken  abhängig  machen  konnte.  Desto  eifriger  waren  na- 
türlich die  dem  Staatsleben  fernersiehenden ,  einseitig  in  ihren 
Anschauungen  verbohrten  Geister,  wie  Sigfried  von  Gorze,  bei 


*)  Richard  von  St.  Vannes  S.  87. 

Sackur^  Cianiaccnaer.    U. 


der  Hetze.  Als  dieser  Schiller  Wilhelms  von  t)ijon  einst  mit 
Poppo  zu  Diedenhofen  ^  zusammentraf  and  beide  sieh  über  die 
gefährlichen  Zeitläufte,  die  mit  den  Prophezeiungen  der  Apostel 
so  sehr  übereinstimmten,  über  den  üblen  Lebenswandel  der 
Menschen,  die  häufigen  Fälle  von  Incest  und  Eidbruch,  Ab- 
nahme religiöser  Gesinnung  und  Zunahme  der  Schlechtigkeit, 
kurz  über  die  verschiedenen  Gefahren  der  Kirche  ihr  Herz 
ausschütteten,  fragte  der  Abt  von  Gorze  seineü  Amtsbruder, 
warum  er  den  König  über  die  nahe  Verwandtschaft  mit  der 
erkorenen  Dame  nicht  aufkläre,  die  er  ohne  schweres  Vergehen 
gegen  Gott  nicht  ehelichen  könne.  Poppo  erwiederte,  er  habe 
es  wohl  gethan,  der  König  habe  aber  zunächst  eine  Unter- 
suchung über  den  Grad  der  Verwandtschaft  gefordert.  Diese 
Unterredung  veranlasste  Sigfried,  der  im  Augenblick  ans  dem 
Gedächtnis  Poppo  nicht  durchweg  die  erwünschte  Auskunft  zu 
geben  vermochte,  nach  genaueren  Erkundigungen  einen  Stamm- 
baum aufzusetzen,  den  er  Poppo  übersandte,  um  ihn  dem  Kö- 
nige vorzulegen,  zugleich  mit  der  Bitte,  in  sich  zu  gehen 
und  die  Vergehen  der  Eltern  zu  meiden.  Nicht  nur  das  Seelen- 
heil, sondern  auch  das  Wachsen  und  Gedeihen  seines  Ge- 
schlechtes werde  aufs  Spiel  gesetzt,  da  Ehen  in  der  Verwandt- 
schaft ftlr  di6  Blüte  der  Nachkommenschaft  verderblich  seien. 
Poppo  möge  den  König  an  seine  erhabene  und  verantwortliche 
Stellung  mahnen  und  an  das  böse  Beispiel,  das  er  geben 
würde.  Der  Briefschreiber  erinnert  daran,  wie  viele  Leute  bei 
Gelegenheit  der  projectierten  Heirat  zwischen  der  Tochter  Kon- 
rads IL  und  Heinrichs  von  Frankreich  sich  daraus  ein  fried- 
licheres Verhältnis  beider  Reiche  versprachen.  Er  beweist, 
dass  aus  der  Ueberschreitung  des  göttlichen  Gesetzes  nie  ein 
wahrer  Friede  erwachsen  könne.  „Es  steht  fest  und  ist  un- 
zweifelhaft wahr,  dass  die  canonische  Autorität  das  Gesetz 
Gottes  ist"  2):  das  ist  der  Satz,  auf  dem  seine  Beweisftlhrung 
fusst  und  in  dem  seine  kirchlichen  Anschauungen  gipfeln.  Wer 
gegen  die  Ganones  fehle,  handle  gegen  das  Gesetz  Gottes, 
und  wer  gegen  das  Gesetz  Gottea  handle,  mache  sich  der  Gott- 

^)  Alles  aus  dem  Briefe  Sigfrieds  von  Gorze  an  Poppo  von  Stablo 
(Spätsommer  1043)  bei  Giesebrecht,  Kaiserzeit  ü,  714  ff. 

')  S.  77:  Constat  et  indubitanter  verum  eM,  canonicam  ofuctoritaJtem 
Dei  esse  legem. 


2&d 

losigkeit  schuldig  und  sei  ein  Gottesverächter.  Es  stünde 
aber  geschrieben:  „Nicht  wird  den  Gottlosen  Friede  zu  teil, 
sagt  der  Herr/  Daraas  folge,  dass  die  Uebertreter  des 
Kirchenrechts  nie  wahren  Frieden  haben  wUrden.  So  wird 
dem  persönlichen  Willen  des  Herrschers  die  Autorität  des 
Kirchenrechts  als  der  Ausdruck  des  Willens  Gottes  aufs 
schärfste  gegenübergestellt.  Zur  selben  Zeit,  kurz  vor  der 
beabsichtigten  Vermählung,  richtete  der  rührige  Abt  von 
Gorze  auch  ein  Schreiben  an  den  Bischof  Bruno  von  TouP), 
so  dass  also  der  Versuch  gemacht  wird,  gerade  diejenigen  Per- 
sonen für  die  Sache  zu  gewinnen,  die  vor  etwa  zehn  Jahren  das 
auf  Grund  einer  ebenfalls  uncanonischen  Verlobung  beschlossene 
Bündnis  zwischen  Deutschland  und  Frankreich  zu  stände  ge- 
bracht hatten.  Er  gesteht  dem  Bischöfe,  dass  er  bisher  ge- 
glaubt habe,  er,  Bruno  von  Toul,  habe  sich  zur  Unterhandlung 
über  diese  Ehe  hergegeben,  während  thatsächlich  ein  andrer 
Bruno,  der  Bischof  von  Würzburg,  als  Gesandter  abgegangen 
war.  Er  macht  ihn  darauf  aufmerksam,  welche  Gefahr  die 
Bischöfe  seitens  der  göttlichen  Rache  bedrohe,  die  hier  ge- 
schwiegen und  nicht  mit  aller  Kraft  die  Canones  verteidigt 
hätten.  Bruno  m^ge  mannhaft;  dem  Könige  entgegentreten 
und  seine  Amtsbrüder  zu  gemeinsamer  Thätigkeit  auffordern. 
Bei  diesen  agitatorischen  Bemühungen,  mit  denen  der  ehe- 
malige Weltgeistliche  den  angesehensten  Abt  am  Hofe  des 
Königs,  wie  die  ihm  nahestehenden  Bischöfe  zu  gewinnen 
sucht,  ist  das  eine  interessant,  dass  es  ein  Schüler  Wilhelms 
von  Dijon  ist,  der  das  starre  canonische  Princip  vertritt. 

Der  König  liess  sich,  wie  bekannt,  durch  solche  Einsprüche 
von  seinem  Vorhaben  nicht  abbringen;  der  Widerspruch,  den 
er  am  Hofe  selbst  fand,  war  vermutlich  sehr  schwach  und 
keineswegs  nachhaltig;  wissen  wir  doch,  wie  wenig  der  deutsche 
Episeopat  gewöhnt  war,  dem  Willen  des  Fürsten  zu  wider- 
sprechen. Auch  Bruno  von  Toul  und  Poppo  werden  sich  ge- 
hütet haben,  durch  mehr  als  eine  leise  Ermahnung  ihren  Ein- 
fluss  und  ihre  Gunst  beim  Könige  aufs  Spiel  zu  setzen.  Dass 
auch  die  deutsche  und  burgundische  Kirche  an  der  Vermählung 
Heinrichs  mit  der  ihm  im  vierten  oder  fttnften  Gliede  ver- 


»)  Giesebrecht  II,  719. 

17* 


260 

wandten  Dame  keinen  Anstoss  nahm  oder  sieb  wenigstens 
raseh  in  das  Unabänderliche  ftigte,  zeigt  wohl  die  Tbatsaehe, 
dass  der  Verlobnngsfeier  zu  Besannen  neben  einer  grossen 
Schar  von  Edelleuten  nicht  weniger  als  achtandzwanzig  Bischöfe 
beiwohnten^),  sicherlich  zumeist  die  burgundischen  und  west- 
deutschen, die  durch  ihre  vielfachen  Beziehungen  zu  dem  Clu- 
niacensertum  am  ehesten-  den  Bedenken,  die  gegen  die  Ehe 
erhoben  werden  konnten,  hätten  zugänglich  sein  müssen,  wenn 
das  französische  Mönchtum  sie  in  der  Gesamtheit  energisch  zur 
Geltung  gebracht  hätte. 

In  einer  Beziehung  scheinen  aber  doch  besondere  Be- 
mühungen des  letzteren  angenommen  werden  zu  müssen.  Man 
erinnert  sich,  wie  energisch  bereits  Wilhelm  von  Dijon  bei  der 
Weihe  des  Benignusklosters  gegen  die  kurzen  und  flitterhaften 
Kleider,  das  abgeschorene  Haar  und  den  rasierten  Bart,  das 
leichtfertige  Benehmen  und  die  lascive  Redeweise  der  Süd- 
franzosen geeifert  hatte,  die  im  Begriff  waren,  als  die  proven- 
(alische  Grafentochter  den  französischen  Königsstuhl  bestieg, 
mit  ihren  Moden  die  nordfranzösischen  Stämme  anzustecken. 
Nicht  minder  lebhaft  war  Rodulfus  Glaber  gegen  diese  Ein- 
dringlinge in  Versen  losgezogen  2) ;  jetzt  klagte  auch  ein  andrer 
Schüler  Wilhelms  von  St.  Benigne,  der  Abt  Sigfried  von  Gorze, 
über  die  Einführung  der  schändlichen  französischen  Sitten  und 
den  Verfall  der  alten  Zucht  und  Gewohnheit,  die  zur  Zeit  der 
früheren  Kaiser  in  Kleidung,  Waffen  und  Reitergerät  geherrscht 
habe;  auch  ihm  erscheinen  von  den  vielen  Neueiiingen,  die  die 
Mode  erfahren  habe,  als  das  schlimmste  das  Scheren  der  Barte 
und  die  unzüchtige  Verkürzung  und  Missgestaltung  der  Kleider. 
Eben  in  jenem  Briefe  an  Poppo  von  Stablo  geisselt  er  3)  die 
Menschen,  die  um  jener  ausländischen  Verkehrtheiten,  willen 
die  gute  alte  Sitte  vernachlässigten,  und  bedauert  er,  dass 
diese  Leute  am  königlichen  Hofe  statt  gebührlicher  Zurecht- 
weisung um  so  freundlicher  aufgenommen  und  beschenkt  wür- 
den, je  hurtiger  sie  bei  diesen  Possen  dabei  wären.  Er  stellt 
dem  Adressaten  die  traurigen  Folgen  vor  Augen,  die  diese 
offene  Begünstigung  des  Fremdländischen  im  Wandel  der  Ehr- 


>)  Rod.  Glaber  V,  c.l,  §17. 

»)  S.  oben  S.  99.       «)  Giesebrecht  11,718. 


261 

barkeit  nnd  Zucht  hervorrnfen  mttsse,  nnd  bittet  schliesslich 
auf  das  dringendste,  so  viel  irgend  möglich  durch  den  König 
und  andere  einflnssreiche  Personen  gegen  jenes  Treiben  zu 
wirken.  Eine  Bestätigung  ftlr  diese  Zustände  finden  wir 
schliesslich  in  einem  Gedichte  des  Poeten  Amarcius,  der  um 
dieselbe  Zeit  seinem  Aerger  gegen  den  Auswurf  Luft  machte, 
den  das  vermaledeite  Frankreich  an  Quacksalbern  und  herum- 
ziehenden Leuten  nach  Deutschland  sende,  und  die  bald  Land- 
güter, Auszeichnungen  und  hohe  Aemter  einheimsten. 0  Sig- 
fried  hatte  sich  diesmal  an  den  richtigen  Mann  gewandt,  wenn 
er  Poppo  beauftragte,  gegen  die  Einführung  der  sttdfranzösi- 
sehen  Moden  zu  agitieren.  Sie  wurden  sicherlich  am  aller- 
meisten durch  das  fahrende  Volk,  die  Gaukler  und  Jongleurs 
über  den  Rhein  gebracht,  die  bei  den  Hoffesten  in  reichlicher 
Menge  sich  einzufinden  pflegten.  Hatte  aber  Poppo  noch  als 
junger  Mann  einmal  Kaiser  Heinrich  II.  wegen  derartiger  Schau- 
stellungen zur  Rede  gestellt,  was  diesen  bewog,  die  Comödian- 
ten  fortzuweisen  ^),  so  war  er  jetzt  gewiss  dabei  —  wo  höhere 
Interessen  auf  dem  Spiele  standen  — ,  seinen  Einfluss  auf  Hein- 
rich III.  zu  erproben.  In  welcher  Weise  dies  geschah,  wissen 
wir  freilich  nicht,  aber  wir  mögen  wohl  eine  Wirkung  der  von 
Sigfried  gegebenen  Anregung  darin  sehen,  dass  König  Hein- 
rich in  den  letzten  Tagen  des  November  bei  der  Hochzeit  mit 
Agnes  von  Poitou  in  Ingelheim  den  glänzenden  Hochzeitsgästen 
ein  nützliches  Beispiel  dadurch  gab,  dass  er  die  Schauspieler 
und  Possenreisser  zu  ihrem  Leidwesen  mit  leeren  Händen 
wieder  fortschickte.^) 

3.  Die  Cluniacenser  unter  Heinrich  I. 

von  Frankreiich. 
I. 

Mit  Heinrich  I.  war  ein  Mann  von  grossem  Herrscher- 
bewnsstsein^),    ein  thatkräftiger  und  kriegerischer  Fürst  auf 

*)  De  invidia  hominnm  bei  Büdinger  und  Grünauer,  Aelteste  Denk- 
male der  Züricher  Literatur.  Zürich  1860.  Uebersetzung  und  Eriänterang 
auf  p.  20.         *)  Vita  S.  Poppen,  c.  12;  Ladewig  p.  S5. 

3)  Hermann.  Aug.  1043.  —  Vgl.  übrigens  ßüdinger,  Nachträge  zu 
Amarcius  im  Anz.  f.  sehw.  Gesch.  u.  Alterthumskunde,  1868,  p.  Ol  u.  94. 

*)  So  nennt  er  sich  einmal  in  einer  Urk.  für  St.  Peter  in  Melun,  HF 


262 

den  französischen  Thron  gelangt,  dem  der  Friede  nnd  die 
Stabilität  des  Reiches  ebenso  am  Herzen  lag*),  als  die  Sicher- 
heit der  Kirche  nnd  das  Gedeihen  der  Klöster.  ,,Von  der 
Wiege  an  den  Brüsten  der  heiligen  Mutter  Paris  erzogen* 
nennt  er  sich  einmal.^)  Er  fühlte  die  Verpflichtnng  zur  Frei- 
gebigkeit gegen  die  Kirchen  lebhaft^),  deren  schwersten  Scha- 
den er  namentlich  in  der  Verleihung  nach  Beneficialrecht  er- 
blickte^), und  nahm  die  Klöster  gegen  die  Vergewaltigung  der 
Laien,  namentlich  der  Vögte,  in  Schutz.^)  Aber  sie  mussten 
ihm  dienen  <^),  wie  Heinrich  II,  dem  deutschen  Kaiser,  und 
wenn  es  in  seinem  Interesse  lag,  scheute  er  selbst  vor  Beran- 
bungen  nicht.') 

Die  Wirksamkeit  der  Cluniacenser  für  die  Keform  der 
Klöster  trat  mehr  und  mehr  zurück.  Die  meisten  Abteien 
hatten  sich  aus  dem  Ruin  wieder  erhoben.  Von  den  Führern 
des  damaligen  Mönchtums  war  nur  noch  Richard,  der  Ver- 
duner Abt,  in  Francien  bei  der  Neueinrichtung  oder  bei  Re- 
formen geistlicher  Stifter  von  Einfluss.  Sowie  jedes  der  grossen 
Centren,  jeder  der  Hauptreformatoren  ein  gewisses  Interessen- 
gebiet im  westfränkischen  Reiche  beherrschte,  so  war  dem 
ehemaligen  Reimser  Cleriker  die  Reimser  Kirchenprovinz,  der 
Osten  des  Landes,  zugefallen.  Hier  hat  er  verhältnismässig 
spät,  als  sein  Name  schon  weit  berühmt  war,  eingegriffen. 

Zuerst  bediente  sich  seiner  Bischof  Roger  I.  von  Chä- 
lons  8.  M.,  wohl  ein  persönlicher  Freund*),  um  in  dem  ver- 
fallenen St.  Peterstift  die  Ordnung  wiederherzustellen.     Nen- 


XI,  568 :  Ego  Henricus  cunctipotetiti  Deo  supet'etnifiefite  Francigenis  im- 
perans  et  gentibus  per  orbem  circumqaaque  di/fusis. 

^)  In  ders.  Urk.:  oramuSf  ut  fratrum  unanimis  congregatio  exoret 
ÄUisaimwn  pro  pace  et  stahilitaie  regni  ad  regendiim  nobia  commissi. 

*)  Urk.  filr  Paris,  HF  XI,  567 :  8a7ictae  tnatris  aupradidae  feliciter  a 
cunabulis  educatiis  uberibus. 

»)  Urk.  für  St.  G6n6vieve  von  1035,  HF  XI,  571 ;  von  1042  für  St.  Sal- 
vias,  HF  XI,  574;  St.  Thierri  bei  Reims  ib.  p.  586. 

*)  Vgl.  namentlich  die  Urk.  ftir  St.  Gen6vi6ve,  HF  XI,  571. 

6)  Chron.  S.  Medardi  Suess.,  HF  XI,  367;  Urk.  von  1047  ib.  p.  580. 
•)  Vgl.  HF  XI,  586 ;  Mabülon,  Ann.  Ben.  IV,  403. 

7)  Miracula  S.  Sebastiani,  HF  XI,  455. 

^)  1 037  war  Roger  mit  Richard  auf  dem  Schlachtfelde  von  Bar,  Rod. 
Glaber  III,  c.9;  vgl.  Richard  S.68. 


263 

bauten  des  Klosters  und  der  Kirche,  die  1034  geweiht  wurde »), 
bezeichneten  ebenso  wie  die  Rttckerwerbung  des  entrissenen 
Grundbesitzes  den  Zeitpunkt  der  Reform.  Verduner  Mönche 
siedelten  mit  Bttchem  und  dem  notwendigen  Kirchengerät  unter 
Abt  Richard  nach.Chälons  über.^)  Die  Könige  Robert 5)  und 
Heinrich^)  bestätigten  die  Umwandlung  und  den  Besitz  des 
neuen  Stiftes.  Ein  zweites  Kloster  des  Ghälonser  Sprengeis,  das 
Richard  selbst  geleitet  haben  soll,  war  St  Urban.  Aber  wir 
wissen  nichts  näheres  über  sein  Wirken.^)  Erst  kurz  vor  sei- 
nem Tode,  wird  erzählt,  gab  der  Abt  beide  Klöster  ab,  das 
erstere  an  Odylard,  das  andere  an  Stephan.^) 

Im  eigentlichen  Reimser  Sprengel  ist  nur  ein  indirecter 
Einfluss  Richards  nachzuweisen.  Ein  Mönch  von  Mouzon,  Ru- 
dolf mit  Namen,  wurde  nach  dem  Tode  des  Abtes  Johannes 
im  Jahre  1031  von  St  Peter  auf  dem  blandinischen  Berge  bei 
Gent,  wo  er  mit  Bewilligung  seines  Abtes  bei  Richard  weilte, 
durch  den  Erzbischof  Ebalus  zurückberufen  und  dem  Kloster 
Mouzon  vorgesetzt') 

In  der  Diöcese  Beauvais  hatte  Richard  einen  Gönner  in  Gel- 
duin  von  Breteuil,  einem  Parteigänger  Odos  von  Chartres^),  und 
dem  Bischöfe  Drogo.  Beide  führten  wohl  Anfang  der  dreissiger 
Jahre  Mönche  nach  dem  von  den  Normannen  zerstörten  Kloster 
Breteuil.  Abt  wurde  ein,  wie  es  scheint,  Gelduin  verwandter ''*) 
Mönch  Evrardus,  der  aber  nach  kurzer  Zeit  vertrieben  wurde, 
um  bald  darauf  wieder  in  seine  frühere  Stellung  eingesetzt  zu 
werden.    Bei  welcher  Gelegenheit  Richard  eingriflf,  ist  zweifei- 


0  Ann.  S.  Petri  Catalaun.  1034. 

•)  Hugo  Flav.  II,  c.  10. 

8)  HF  X,  619.  Urk.  von  1027  oder  1028. 

«)  Urk.  von  1043,  HF  XI,  576. 

»)  Vgl.  Richard  von  St  Vannes  S.  69. 

«)  Hugo  Flav.,  SS.  VIII,  404. 

^)  Bist.  Mosom.  m,  c.4;  vgl.  Richard  S.  69.  70. 

")  Aasser  in  den  a.  a.  0.  citierten  Urkunden,  in  denen  Gelduin  er- 
scheint, unterzeichnet  er  eine  Urk.  Odos  von  Champagne  im  Cartul.  de 
Marmoutier,  Cod.  lat.  Paris.  5441,  f.  107':  8.  Qelduini  de  Britolio.  S,  Ar- 
duinif  filii  eiiis,   S.  Ghuüerannij  fratris  eius. 

^)  Im  Jahre  1077  erscheinen  zwei  Brüder  Walerann  von  Breteuil  und 
Ebrardus,  von  denen  der  letztere  Abt  in  Marmoutier  wurde.  Vgl.  Liber 
de  servis  in  den  Publications  de  la  sociStS  arch^ol.  de  Touraine  XVI,  155. 


264 

haft;  wahrscheinlich  war  er  doch  bereits  bei  der  Einführung; 
der  Mönche  beteiligt.  <)  Die  Grafen  von  Bretenil  standen  ihm 
jedenfalls  in  der  Folgezeit  sehr  nahe;  denn  als  Richard  von 
St.  Vannes  im  Jahre  1037  anf  dem  Schlachtfelde  von  Bar  er- 
schien, wo  Odo  IL  fiel,  legten  Gelduin  und  sein  Sohn  Wale- 
rann  die  Mönchsgelübde  ab.^) 

Ein  anderer  Walerann  war  es,  den  der  Abt  zu  seinem 
Vertreter  in  zwei  Abteien  der  Diöcese  Noyon,  in  Hombli^res 
und  Si  Qnentin,  ernannte.  Er  hatte  ihn  noch  im  Jahre  1037 
in  seiner  Begleitung  in  Bar,  dann  machte  er  ihn  zum  Propst 
in  Hombi^res;  schliesslich  wurde  Walerann  Abt  und  war  in 
dieser  Stellung  um  den  Wohlstand  des  Klosters  eifrig  bemüht^) 
Sicherlich  derselbe  Mönch  übernahm,  vielleicht  im  Jahre  1043, 
die  Leitung  des  bisher  im  Lehenbesitz  der  Söhne  eines  Kriegs- 
mannes Robert^)  befindlichen  Klosters  Mont-St.-Quentin.  Auch 
hier  lag  ihm  die  Sicherheit  des  klösterlichen  Besitzes  am  Her- 
zen; er  liess  die  Reform  durch  ein  königliches  Diplom  bestä- 
tigen und  erwirkte  durch  die  Fürsprache  König  Heinrichs  ein 
Schutzprivileg  Papst  Gregors  VI.*) 

Schliesslich  soll  Richard  in  zwei  Klöstern  des  Sprengeis 
Amiens  refonnatorisch  gewirkt  haben.«)  Aber  während  wir 
über  St.  Jossä  in  dieser  Zeit  nichts  wissen,  als  dass  unter 
König  Heinrich  I.  der  Klosterheilige  wieder  entdeckt  und  er- 
hoben wurde,  nachdem  er  lange  an  unbekanntem  Orte  versteckt 
gelegen  hatte'),  ist  der  Einfluss  des  Verduner  Abtes  in  St.  Ri- 
quier  deutlicher  zu  erkennen.  Hier  hatte  noch  bei  Lebzeiten 
des  altersschwachen  Abtes  Angilram  ein  Mönch  des  Klosters, 


>)  Vgl.  Richard  8. 71. 

»)  Richard  S.  72. 

^)  Vgl.  die  Urk.  Ottos  von  Vermandois  bei  Ilemeraeus,  Augusta 
Viromand.  und  CoUiette,  M^moires  de  Virmandois  I,  565;  Gesta  episc. 
Camerac.  III|  c.  23;  Richard  S.  78. 

*)  Er  ist  jedenfalls  identisch  mit  dem  Bohertus  castH  Peronetisis 
antiquus  domintiSj  der  in  einer  Urkunde  aus  der  Zeit  Waleranns  erscheint, 
Coli.  Moreau  XXIII,  100.  Wir  sehen  den  Abt  hier  bemüht,  den  Angriffen 
des  Lehnkriegertums  auf  Kirchengut  mit  Energie  zu  begegnen. 

»)  J.-L.  nr.  4130. 

«)  Hugo  Flav.  II,  c.  10. 

')  Richard  S.  77. 


265 

Graf  Fulco  von  Ponthieu»),  wohl  ein  Verwandter  desselben  2), 
mit  Hilfe  seiner  vornehmen  Familie  den  Abttitel  nnd  die  Lei- 
tung des  Klosters  zu  usurpieren  versucht  Aber  sein  ungeist- 
liehes  Treiben  veranlasste  Angilram  selbst,  bei  Heinrich  I. 
Klage  zu  führen.  Da  war  es  ein  günstiger  Zufall,  dass  wenige 
Tage  später  der  Abt  von  St.  Vannes  in  Begleitung  seines  ver- 
trauten Freundes  und  Capellans  Gervinus  an  den  französischen 
Hof  kam.3)  Das  Ende  war,  dass  der  König  mit  Erlaubnis 
Richards  nach  der  Abdankung  Angilrams  das  Hirtenamt  Ger- 
vinus anvertraute,  der  durch  den  Bischof  von  Amiens  die  Weihe 
erhielt.  Gervinus  stand  Richard  näher,  als  irgend  ein  anderer 
seiner  Mönche.  Auch  er  hatte  die  Schule  von  St.  Marie  in 
Reims  besucht  und  war,  wie  jener,  daselbst  Canonicus  gewor- 
den. In  St  Vannes,  wohin  er  nach  dem  Tode  seiner  Eltern 
und  der  Vermählung  seiner  Schwester  kam,  ward  er  zum 
Caplan  und  Thesaurar  erhöben.  Mit  Richard  verband  ihn 
innige  Freundschaft;  mit  ihm  teilte  er  die  Beschwerden  der 
Pilgerfahrt,  mit  ihm  erschien  er  vor  Commercy,  als  Odo  IL 
die  Burg  bestürmte.  Er  rettete  damals  wertvolle  Reliquien 
ans  der  brennenden  Kirche.*)  Als  Abt  von  St  Riquier  vertrat 
er  sein  Stift  würdig  nach  aussen  hin^)  und  starb  nach  einer 
langen  segensreichen  Amtsführung  am  3.  März  1075,  nachdem 
er  vier  Jahre  vorher  die  Wahl  eines  gleichnamigen  Neffen, 
eines  Mönchs  von  St  Remi,  befürwortet  hatte.«) 

Der  Einfluss  Richards  erstreckte  sich  somit  auf  die  Diö- 
cesen  Chälons  s.  M.,  Reims,  Beauvais  und  Amiens.  Sieherlich 
verdankte  ihn  der  Abt  wesentlich  seinen  Beziehungen  zu  Odo  IL 
von  Champagne.  Wir  wissen  nicht,  wann  er  zuerst  mit  ihm 
in  Verbindung  trat,  namentlich  nicht,  ob  die  Bekanntschaft  mit 
ihm  die  Reformen  im  Sprengel  Chälons  veranlasste,  oder  ob 


0  Ueber  die  Grafen  von  Ponthieu  vgl.  Pfister,  Etudes  p.  45. 

')  Fulcos  Vater  hiess  ebenfalls  Angilram. 

')  Bezüglich  der  Zeit  lässt  sich  nur  sagen,  dass  es  um  1040  geschah. 

*)  Richard  S.  64.  66. 

*)  Vgl.  Miracula  S.  Benedicti  VII,  c.  15  ed.  Certain  p.  273:  coefiobii 
8,  Richarii  abbas  cxatitit  quidaniy  Gervinus  nomine,  ordinis  monastici 
nostris  temporU>u8  decua  insigne, 

«)  Richard  S.  76. 


266 

sie  die  Folge  seiner  Verbindung  mit  Roger  I.  von  Chälons  war. 
Jedenfalls  erschien  Kichard  vor  der  lothringischen  Bnrg  Com- 
merey,  als  der  Graf  sie  belagerte,  um  Frieden  za  stiften;  er 
kam  im  November  1037  nach  Bar,  offenbar  um  den  Kampf 
zwischen  Odo  und  Herzog  Gozelo  zu  verhindern.  Leider  ver- 
geblich, denn  er  konnte  hier  nur  mit  Bischof  Roger  den  ent- 
stellten Leib  Odos  von  Chartres  in  Sicherheit  bringen.*)  Die 
Personen,  die  bei  den  Reformen  Richards  auftraten,  Bischof 
Roger,  Gelduinus  von  Breteuil  und  sein  Sohn  Walerann,  der 
andere  Walerann,  der  spätere  Abt  von  Sb  Qnentin  und  Hom- 
bliöres,  Gervinus  von  St.  Riquier  —  sie  waren  nun  entweder 
in  Commercy  oder  1037  vor  Bar  in  des  Abtes  Umgebung,  sie 
haben  entweder,  wie  die  erstgenannten,  ihre  Klöster  ihm  zur 
Reform  übergeben,  oder,  wie  die  letzten,  ihm  bei  ihrer  Durch- 
führung geholfen. 

War  Richard  bemttht  gewesen,  in  den  Kämpfen  Odos  für 
den  Frieden  zu  wirken,  hatte  er  der  Familie  des  Grafen  den 
letzten,  wichtigsten  Dienst  geleistet,  so  ist  es  kein  Wunder, 
dass  er  auch  besonders  berufen  schien,  zwischen  den  Söhnen 
Odos  IL  und  dem  Grafen  von  Anjou  zu  vermitteln,  als  der 
Krieg  beider  Parteien  die  Einführung  des  Gottesfriedens  im 
nördlichen  Frankreich  verhinderte. 

IL 

Die  Friedenseinigungen  der  dreissiger  Jahre  waren  ohne 
anhaltenden  Erfolg  geblieben.  Die  alte  Habgier  und  der  Frevel- 
mut des  Adels,  wie  der  niederen  Kreise  kamen  wieder  zum 
Vorschein^)  und  riefen  neue  Besorgnisse  um  so  eher  hervor, 
als  mit  dem  Jahre  1038  der  Segen  der  Aecker  wieder  schwächer 
wurde  ^)  und  Missernten  eintraten.  Vermutlich  war  die  Be- 
fürchtung neuer  Notstände  die  Veranlassung  für  eine  Mass- 
regel, die  im  Jahre  1039  von  den  aquitanischen  Bischöfen  ge- 
troffen wurde*)  und  als  ein  Compromiss  zwischen  den  kriege- 


0  Richard  S.  64  ff. 

»)  Rod.  Glaber  IV,  c.  5. 

')  Es  geht  das  aus  Rodulfus  Glaber  deutlich  hervor. 

*)  Rod.  Glaber  V,  c.  1  erzählt  es  zu  1041.  Indes  setzt  er  in  dasselbe 
Jahr  Konrads  II.  Tod  und  ist  in  dem  ganzen  Bache  am  zwei  Jahre  vor- 
aus (vgl.  Studien  über  Rodulfus  Glaber,  N.  Arch.  XIVr401),  so  dass  ich 


267 

rischen  nnrnhigen  Elementen  und  der  Kirche  betrachtet  werden 
kann.  Schon  früher  hatte  man  einmal  an  der  spanischen 
Grenze  das  Fehderecht  ftir  den  Sonntag  aufgehoben,  i)  Jetzt 
setzte  man  fest,  dass  von  Donnerstag  Abend  bis  Montag  frtth, 
also  an  den  Tagen,  die  für  die  Leidensgeschichte  Christi  die 
grösste  Bedeutung  hatten,  nicht  nur  die  Waffen  ruhen,  in- 
dem sowohl  jeder  Angriff,  als  jede  Bache  verboten  war,  son- 
dern auch  die  Pfändung  des  Schuldners  unterbleiben  solle. 
Ja  nicht  einmal  erlaubt  sollte  es  sein,  das  geraubte  Eigen- 
tum, wenn  man  ihm  in  den  Tagen  der  Waffenruhe  begegne, 
wieder  in  Anspruch  zu  nehmen.  Der  Störer  des  Friedens 
wurde  mit  dem  Leben  oder  Excommunication  und  Vertrei- 
bung von  Hans  und  Hof  bedroht.^)  Wie  früher,  waren  diese 
Unternehmungen  von  der  aquitanischen  Geistlichkeit  ausge- 
gangen, in  der  sich  überhaupt  mehr  solidarischer  Zug  offenbart, 
als  anderwärts.  Von  dort  griff  die  Bewegung  nach  Osten  weiter 
um  sich.  Vermutlich  darf  man  die  Klosterweihe  von  St  Victor 
in  Marseille  im  October  1040,  bei  der  neben  Papst  Benedict  IX. 
eine  grosse  Anzahl  französischer  Bischöfe,  zahlreiche  Aebte  und 
Mönche,  gegen  zehntausend  Menschen  beiderlei  Geschlechts, 
zugegen  waren,  als  ein  hervorragendes  Glied  der  Verkettung 
ansehen.^)  Dieser  Kirchenversammlung,  der  grössten,  die  wir 
in  diesen  Jahren  im  südlichen  Frankreich  nachweisen  können, 
wohnten  nämlich  auch  der  Erzbischof  Reginbald  von  Arles,  die 
Bischöfe  Benedict  von  Avignon  und  Nithard  von  Nizza  bei, 
die  wir  in  Gemeinschaft  mit  Odilo  von  Cluni  im  Namen  der 
gesamten  französischen  Geistlichkeit  jenen  berühmten  Appell 
an  den  italienischen  Clerus  richten  sehen,  den  sie  auffordern, 
die   Treuga  Dei,  jenes  Himmelsgesehenk  von  Gottes  Barm- 


keinen  Anstand  nehme,  seine  Angabe  zu  reducieren.   Dazu  kommt,  dass 
diese  Berechnung  zu  sonstigen  Annahmen  sehr  gut  passt. 

1)  Im  Goncil  von  Tuluges  vom  16.  Mai  1027,  zuletzt  bei  Hubert!, 
Studien  I,  240. 

*)  Kod.  Glaber  V,  c.  1 ;  Brief  an  die  Italiener  bei  Mans!  XIX,  593. 

')  Gu^rard,  Cartul.  de  S.  Victor  I,  p.  14,  nr.  14,  Urk.  vom  5.  Oct.  1040. 
Obwohl  Odilo  unter  den  Teilnehmern  nicht  ausdrücklich  genannt  ist,  so 
kann  er  doch  wohl  unter  den  Aebten  gewesen  sein,  die  erwähnt  werden: 
cum  emni  clero  nobis  commissOf  necne  abbatum  et  monachorvim  caterva; 
vgl.  Steindorff,  Jahrb.  Heinr.  III.  I,  141. 


268 

herzigkeit,  die  sie  bereits  aDgenommen  hätten  und  festhielten  i), 
ihrerseits  anzunehmen  mit  den  Bestimmungen,  unter  denen  sie 
in  Frankreich  bereits  Aufnahme  gefunden  hätte.  Wer  in  den 
erwähnten  Tagen  einen  Mord  begehe,  solle  die  Heimat  ver- 
lassen und  nach  Jerusalem  pilgern.^)  Allen,  welche  den  Gottes- 
frieden hielten,  wird  der  Segen  und  die  Absolution  der  Kirche 
zugesagt,  allen  andern  aber  mit  dem  Fluch  und  der  Ans- 
stossung  aus  der  Zahl  der  Gläubigen  gedroht.  Aber  nicht  nur 
in  der  Provence  fand  die  Treuga  begeisterte  Aufnahme;  zu 
Montriond  lud  vermutlich  der  Bischof  Heinrich  von  Lausanne 
die  Erzbischöfe  von  Vienne  und  Besan^on  mit  ihren  Suffra- 
ganen  zusammen  und  beschloss  mit  ihnen  die  Treuga  Dei, 
—  wie  es  heisst,  im  Auftrage  des  Papstes  %  eine  Nachricht,  die 
jedoeh  unglaubwürdig  ist.  Auf  der  Synode  von  Montriond  wur- 
den aber  noch  einige  Zusätze  gemacht:  ausser  den  vier  fest- 
gesetzten Tagen  jeder  Woche  sollte  unverbrüchlicher  Frieden 
auch  in  der  Adventszeit  bis  Sonntag  nach  Epiphanias  und  von 
Septuagesimae  bis  acht  Tage  nach  Ostern  herrschen.  Erst  nach 
dreimaliger  Ermahnung  des  Bischofs  solle  die  Excommunication 
erfolgen  und  diese  schriftlich  den  benachbarten  Bischöfen  mit- 
geteilt werden,  die  ihrerseits  dieselbe  bestätigen  und  sich 
gegenseitig  zur  Befestigung  des  Friedens  Hilfe  leisten  sollen.*) 


^)  Mansi  XIX,  593 :  Redpite  ergo,  et  tenete  pacem  et  iüam  trevam 
Dei,  q^iam  et  nos,  divina  inspirante  misericordia,  de  coeh  nobis  trana- 
miasam  iam  cuicepimua  et  finniter  tenenius;  vgl.  Kluckhohn,  Gesch.  des 
Gottesfriedens  S.  38  ff. 

■)  exul  factus  atque  a  propria  patria  eiecttw  lerusalem  tendens,  Ion- 
ginquum  iUic  pcUiattir  exilium. 

^)  Cononis  Gesta  episc.  Lausann.  SS.  XXIV,  798:  De  qiw  (Bischof 
Hugo)  dicitur,  quod  ipse  convocatia  archiepiscopis  Viennense  et  Bisuntino 
et  eorum  suffraganeis  in  Monte  Rotundo,  qui  est  Siib  Lausanna,  statuit 
treugam  Dei  de  nvandato  dovnini  pape,  lU  dicitur.  Schon  Steindorff  1, 141 
hat  mit  Recht  das  Unsichere  dieser  Nachricht  betont,  da  es  nicht  Hugo 
gewesen  sein  kOnne,  der  am  31.  August  1037  starb,  sondern  sein  Nach- 
folger Heinrich  II.  Es  ist  vielleicht  in  diesem  Zusammenhange  beachtens- 
wert, dass  Odilo  fn  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1039  im  Gau  von  Grenf 
weilt.  Vgl.  CHCL  IV,  2927—2929.  Ohne  eine  Ahnung  historischer  Me- 
thode behandelt  Gingins,  La  tr^ve  de  Dieu  dans  la  Transjuranie,  Hemoires 
et  docum.  de  la  Suisse  Rom.  XX,  4 1 1  if.  die  Synode  von  Montriond. 

*)  Conen.  Gesta  a.  a. 0. :  et  scriptam  vicinis  episcopia  nunciet  ,.,  ad 
pacetn  fimiiter  tenefidam  mutuum  sibi  conailium  et  auxüium  prestent. 


269 

Der  Gedanke  des  beschränkten  Landfriedens  war  ftlr  die 
damaligen  Verhältnisse  ein  so  glücklicher,  dass  man  allgemein 
in  dieser  Institution  ein  Geschenk  des  Himmels  sah.^)  Wie  in 
Aquitanien  nnd  Bnrgund,  so  griff  in  den  benachbarten  Teilen 
von  Italien  die  Geistlichkeit  die  Bewegung  auf  Bisehöfe,  Aebte, 
Cleriker  und  die  Markgrafen,  wohl  die  Häupter  der  Otbertiner, 
Aledramiden,  die  von  Montferrat  und  Canossa  traten  im  Westen 
der  Lombardei  zusammen  und  setzten  eine  Treuga  fest.^)  Die 
Bestimmungen  sind  im  wesentlichen  dieselben,  wie  in  Frank- 
reich: die  vier  letzten  Wochentage,  die  Vertreibung  und  Ex- 
communication  der  Frevler,  auf  der  andern  Seite  für  die  Fried- 
lichen der  kirchliche  Segen  und  die  Absolution:  das  sind  die 
Punkte,  die  überall  wiederkehren.  Dass  in  den  einzelnen  Ver- 
kündigungen Modificationen  und  Znsätze  sich  finden,  ist  nur  zu 
begreiflich ;  sie  mussten  je  nach  den  besonderen  Verhältnissen 
des  Landes  eintreten.  Während  das  italienische  Decret  an  die 
übrige  italienische  Geistlichkeit  gesandt  wurde,  breitete  sich  die 
Institution  auch  in  Frankreich  weiter  aus,  und  zwar  nicht  min- 
der in  der  Gascogne  und  Südaqnitanien,  wie  in  der  Normandie, 
wo  Herzog  Wilhelm,  der  seinen  Episcopat  durchaus  in  der 
Gewalt  hatte,  sich  der  Sache  bemächtigte.^) 

0  Vgl.  Eluckhohn  p.43;  Steindorff  I,  142,  n.l. 

*)  BoUati,  Di  un  inedito  documento  sulla  Tregua  di  Dio  in  den  Mis- 
cellanea  di  storia  Italiana  XVIII  (1879),  p.  378  aus  dem  Capitelsarcbiv  von 
Ivrea,  jetzt  in  der  Kgl.  Bibl.  in  Turin.  Bollati  sucht  zu  beweisen,  dass 
dieses  Edict  früher  anzusetzen  sei,  als  die  aquitanischen  Synoden  des 
Rod.  Glaber,  ohne  dafür  irgendwie  stichhaltige  Gründe  anführen  zu  können, 
wie  auch  Bresslau,  Eonrad  II.  II,  823,  n.  3  sich  dagegen  ausspricht.  Bol- 
lati verzeichnet  die  Litteratur  nicht  vollständig;  er  kennt  weder  Eluck- 
hohns  Werk,  noch  scheint  ihm  der  Brief  an  die  Italiener  bekannt  zu  sein. 
Auf  p.  378  übersetzt  er  den  zweiten  Wochentag  falsch  mit  al  aurora  del 
ns^rtedi  successivo.  Hervorzuheben  ist  die  Ueberschrift:  fratres  dUectis- 
simif  sowie  das  Italienische:  Fidelea  episcopi  et  abbates  et  sacerdotes  atque 
marchiones  convenifntea  . . .  constituerunt  treuvas  Dei  etc.  Italienische 
Färbung  erkennt  man  aus  der  Forderung,  dass  der  Friedensbrecher  exeat 
foras  de  civitate.  Im  Falle  der  Weigerung  vicini  discipent  donum  eins 
et  extra  villam  portent  et  combwrent.  In  offenbaren  Zusammenhang  damit 
ist  die  bekannte  Stelle  bei  Landulf,  Hist.  Med.  II,  c.  SO  zu  bringen,  wo 
von  dem  Gottesfrieden  die  Rede  ist:  Cuiw  in  tempore  (sc.  Heriberts)  lex 
sancta  atque  mandatum  novum  et  bonum  c  coelo,  ut  sancti  viri  asserue- 
rwnt  . . .  data  est  etc. 

')  Kluckhohn  p.  49  ff. 


270 

Das  einzige  Gebiet,  in  welchem  die  segensreiche  Institu- 
tion vergeblich  einzudringen  suchte,  war  der  eigentliche  Haus- 
besitz des  capetingisehen  Hauses.  Hier  hatte  die  Zerfahrenheit 
am  allermeisten  Platz  gegriffen.  Die  Bischöfe,  die  ihre  Stühle 
teils  der  Willkürlaune  des  Königs  verdankten  und  zum  Teil 
keineswegs  gegen  Angriffe  des  hohen  Adels  gesichert  waren, 
der  der  königlichen  Besetzung  der  geistlichen  Aemter  bestän- 
dig Schwierigkeiten  machte,  ermangelten,  auch  in  ihren  kirch- 
lichen Anschauungen  gespalten,  jener  Gemeinsamkeit  der  Inter- 
essen, wie  sie  gi*osse  Massregeln,  wie  die  Treuga  Dei  eine 
war,  erforderten.  Ein  jeder  war  mit  seinen  persönlichen  An- 
gelegenheiten viel  zu  sehr  beschäftigt,  als  dass  sie  in  diesen 
bedeutenden  Aufgaben  gemeinschaftlich  hätten  vorgehen  kön- 
nen. Was  aber  die  Hauptsache  war,  es  fehlte  an  jeder  Ini- 
tiative. Denn  der  König  war  selbst  in  .den  Kampf  mit  den 
Söhnen  Odos  von  Chartres  verwickelt.^)  Indem  er  dem  Haupte 
des  Hauses  Anjou,  das  immer  auf  Seiten  der  Könige  gegen 
den  verhassten  Vasallen  gestanden  hatte  ^),  Fulco  Nerras  Sohn, 
Gauzfred,  die  Herrschaft  von  Tours  übertrugt),  das  erst  zu 
erobern  war,  entspann  sich  ein  ebenso  heftiger,  als  lang- 
wieriger Streit  zwischen  den  feindlichen  Häusern.^)  Es  kam 
am  21.  August  1042  zur  Schlacht  zwischen  dem  Grafen  von 
Anjou  und  Theobald  von  Blois,  in  der  letzterer  in  die  Flucht 
geschlagen  und  schliesslich  von  Parteigängern  des  Gegners  ge- 
fangen wurde.^)     Das  Ende  war  die  Uebergabe  von  Tours, 


1)  Vgl.  Hugo  Floriac,  SS.  IX,  388;  Rod.  Glaber  Y,  c.  2;  Mirac.  S.  Se- 
bastian!, HF  XI,  455. 

')  Von  Theobald,  Odos  Sohne,  heisst  es  Gesta  Amb>iz.  domin.,  Ghro- 
niqiies  d' Anjou  p.  170:  qui,  sicutpaterj  Andagavenses  sefnper  exosoa  kabebat. 

^)  Hugo  Floriac.,  SS.  IX,  388 :  Qui  regia  assensu  iirbem  obsedit  Tvro- 
nicam;  Rod.  Glaber  V,  c.  2. 

^)  Der  Kampf  zwischen  den  Häusern  Anjou  und  Blois  begann  nach 
Fulcos  Tode  1040.  Nach  Rod.  Glaber  belagert  Gauzfred  die  Stadt  anno 
WM  et  eo  amplius.  Dem  entsprechen  die  Gesta  Ambaz.  p.  170,  wonach 
die  Uebergabe  1042  erfolgt,  die  Gesta  cons. Andegav.  p.  121,  Chron.  S.Mar- 
tini HF  XI,  212.  Eine  Reihe  anderer,  unter  einander  verwandter  Quellen: 
Chron.  S.  Albini  Andegav.,  Chron.  S.  Sergü  Andegav.,  Chron.  Vindocin., 
Chron.  S.  Maxentii  Pictav.  in  Chroniques  des  ^glises  d'Aiyoa  p.  24.  136. 
166.  395  führen  auf  1044.   Vgl.  Salmon,  Chron.  de  Tour.  p.55.  121.  188. 

^)  Nach  den  Gesta  Ambaz.  heisst  der  Schlachtort:  S,  Martinus;  in 


dessen  Bttrger  und  Mönche  bei  der  Belagerung  schwer  zn  lei- 
den hatten.  1) 

Begreiflicherweise  zog  ein  so  ernstlicher  Krieg  der  beiden 
mächtigsten  Familien  Franciens  kleinere  Fehden  zwischen  ihren 
zahlreichen  Vasallen^),  einen  allgemeinen  Kriegszustand  nach 
sich,  der  kaum  mit  einem  Sehlage  beseitigt  werden  konnte. 
Da  wandte  man  sich  angeblich  nach  erfolglosen  Versuchen 
von  allen  Seiten  an  den  Abt  von  St.  Vannes,  der  dem  Hanse 
Odos,  wie  wir  wissen,  näher  getreten  war,  um  die  Einführung 
des  Gottesfriedens  zu  beschleunigen.^)  Mit  welchem  Erfolg  das 
geschah,  ist  unbekannt.    Inzwischen  hatten  sich  aber  für  jene 


den  Gesta  cons.  Andegav.:  ante  burgum  8.  Martini  ...  in  locoy  qui  publice 
Noit  vocatvr. 

0  Cart.  de  St-Julien  (Cod.  Paris.  5443,  f.  SO') :  Noticia  hec  quamodo 
Oauzfredm  comea  dedit  S,  luliano  et  monachis  suis  siia  tdonea  et  pedagia 
per  totam  terram  suam  demonstrat.  Tempore  iüo,  quo  Gauzfredus  comes 
obaidebat  Turonum  civitaJtemj  ob  emendationem  dampni  in  rebus  S,  luliani 
a  se  vel  a  suis  commisfsi  veniens  in  capittUum  S,  ItUiani  ...;  Cart  de 
Marmoutier  (Cod.  Paris.  5441,  f.  57):  In  illa  verum  conversione  et  mutabi- 
lium  mutatione,  quae  facta  esty  cum  comes  Gauzfredus  Twronorum  dm- 
tatem  cepissetj  cUiorum  ad  alios  incolarum,  ad  extraneos  possessiones  et 
hereditates  Deo  cuique  iusto  tribuente  transierunt.  TJnde  factum  est,  ut 
prefati  comitis  sateües  quidam,  nomine  Andreas ,  cognomine  Ärribatus, 
omnia,  quae  fuerant  Rainaldi  luvenis  civis  olim  Turonici,  sortiretur.  Als 
der  MaBn  dann  Kircbengut  angriff,  klagten  die  Mönche  vor  dem  Grafen. 

^  Auf  der  Seite  Gauzfireds  wird  Lisoius  von  Amboise  besonders  her- 
vorgehoben, Gesta  cons.  Andegav.  und  Gesta  Ambaz.  Bei  Hugo  Floriac. 
a.  a.  0.  heisst  es :  Interea  vero  rex  Melandicum  Galerannum  devicit  et  ex- 
hereditavit.  Ipso  etiam  tempore  Hugo  Bardulfus,  vir  non  contemnendae 
virtutis  ac  nobilitatiSf  contra  regem  Henricum  Pitueris  castrum  munivit. 
Heinrich  belagerte  es  zwei  Jahre,  nahm  es  und  vertrieb  Hugo.  Hugonis 
cognomento  Bardulphi  als  eines  der  Grossen  palatii  regis  wird  in  einer 
Urkunde  Heinrichs  von  1047,  HF  XI,  582,  Erwähnung  gethan;  Hugo  Bar- 
dulfus  unterzeichnet  eine  Urkunde  Heinrichs  L  vom  12.  Juli  ca.  1058  und 
eine  Philipps  I.  von  1060,  Tardif,  Monuments  bist.  nr.  275.  288,  p.  171.  174. 
Er  ist  wohl  identisch  mit  Hugo  Bardul,  dem  Herrn  von  Beifort,  z.  Z.  Hein- 
richs in  einer  Urkunde  fUr  Montierender,  Cart.  de  Mont.  nr.42,  p.  169.  — 
Ein  Wallerannus  comes  Meüedensis,  sicher  der  obengenannte,  wohnte  der 
Revision  der  Reliquien  des  hl.  Dionysius  in  St.  Denis  bei,  Liber  de  de- 
tectione,  HF  XI,  471,  c.  5.  Von  der  Belagerung  und  Einäscherung  von 
Pitiviers  durch  Heinrich  sprechen  auch  die  Vita  et  mirac.  S.  Gregorii  episc. 
NlcopoL,  HF  XI,  457. 

3)  Richard  S.  67. 


272 

nDglttcklichen  Gebiete  die  notwendigen  Conseqnenzen  ergeben. 
Zu  den  Schrecken  der  Hangergnot,  die  wieder  weite  Landes- 
teile umfagste^),  gesellte  sieh  eine  verheerende  Seuche,  die 
ähnlieh  beschrieben  wird,  wie  die  vom  Jahre  994,  und  alle 
Schichten  des  Volkes  heimsuchte/O  Die  Klöster  füllten  sich 
mit  Kranken;  auch  zu  Richard  nahmen  die  Unglücklichen  ihre 
Zuflucht,  der  sie  durch  seine  Wundermittel,  wie  es  heisst,  von 
ihren  Leiden  befreite  und  veranlasste,  den  Gottesirieden  zn 
beschwören.^) 

Es  ist  nicht  unsere  Aufgabe,  die  weitere  Entwicklung  der 
Trenga  Dei  zu  verfolgen.  Hier  sowohl,  wie  bei  den  früheren 
Friedenseinigungen  hatte  nur  die  hervorragende  Teilnahme 
cluniacensischer  Aebte  für  uns  Interesse.  Sowohl  den  franzö- 
sischen Cluniacensern,  voran  Odilo,  der  auf  den  aquitanischen 
und  burgundischen  Synoden  erschien,  als  der  Schule  Richards 
von  St.  Vannes,  die  in  Flandern  und  Lothringen  eine  bedeu- 
tende agitatorische  Thätigkeit  entfalteten,  konnte  ein  grösserer 
Anteil  an  der  Bewegung,  als  bisher  nachgewiesen  werden.  Be- 
züglich des  Gottesfriedens  ist  Odiles  Verdienst  allgemein  an- 
erkannt Noch  am  Ende  des  elften  Jahrhunderts  erzählte  der 
greise  Bischof  Hagano  von  Antun  von  den  besondem  Be- 
mühungen des  Abtes  von  Gluni,  der  Treuga  in  Austrasien  An- 
erkennung zu  verschaffen.«)  Auch  hier  ging  das  Interesse 
der  Klöster  und  das  der  ackerbauenden  Bevölkerung  Hand  in 


1)  Die  HuDgersuot  scheint  vorzugsweise  im  nordöstlichen  Gallien, 
Lothringen  und  Deutschland  gewütet  zu  haben.  Anselmi  Gtosta  Leod., 
SS.  VII,  221,  C.63  (1042);  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  40,  SS.  VIII,  539;  Ann. 
LAub.  1043;  Hermannus  Aug.  1044;  Ann.  Sangall.  1043.  Die  angiovinischen 
Quellen  erwähnen  alle  die  Hnngersnot  zu  1042,  1043  oder  1044.  Sonder- 
bar ist  die  Notiz  des  Chron.  S.  Maxentii  1044  (Chron.  des  ^glises  d'Anjou 
p.  394):  Fuit  magna  fames  grandiaque  mortalüaSj  ita  utj  fsi]  homo  aliquis 
satiatiia  pergeret  quingentos  passus.  Herum  mox  eauriret  et  desideraret 
mandueare;  itaque  8atiatu8  moriebatur  aut  vix  evadebat  mortis  perictUvm. 
Vgl.  Chron.  Vezeliac.  1042  (HF  XI,  384):  Fames  valida  per  Septem  annos; 
Rod.  Glaber  V,  c.  1 :  Tunc  etiam  pene  gens  totiiut  orbis  sustinuit  penuriam 
pro  raritate  vini  et  tritici. 

>)  Bod.  Glaber  V,  o.  1 ;  Chron.  S.  Albini  1043;  Chron.  S.  MaxentU  1042. 
1044;  Herrn.  Aug.  1046. 

9)  Hugo  Flav.,  SS.  VIII,  403;  Eluckhohn  p.46. 

*)  Hugo  Flav.  a.a.O.:  Superest  adhuc  dominus  Eduensis  episcopus, 
vir  vitae  longaevitate  grandaevuSj  qui  et  referre  solitus  est,  quia^  atm  a 


273 

Hand.  Wirkten  die  Aebte  für  die  Sicherheit  des  kirchliehen 
Besitzes,  so  kam  ihre  Thätigkeit  doch  vor  allem  den  Land- 
bebanem  und  Gewerbetreibenden  zu  gute. 

in. 

Unter  der  Geistlichkeit  des  Herzogtums  Burgund  nahm 
damals  keiner  eine  angesehenere  Stellung  ein,  als  der  Abt 
Halinard  von  St.  Benigne,  der  Nachfolger  Wilhelms  von  Vol- 
piano.  Von  väterlicher,  wie  mütterlicher  Seite  ^)  ein  echter 
Sohn  des  burgundischen  Herzogtums,  war  er  in  Autun  unter 
den  Augen  des  mönchsfreundlichen  Bischofs  Walter  aufge- 
wachsen und  dann,  an  der  Grenze  des  Knabenalters  stehend, 
vom  Vater  dem  Bischöfe  Bruno  von  Langres  übergeben  worden, 
der  ihn  in  seinem  Domcapitel  unterzubringen  gedachte.^)  Aber 
als  Brunos  Nachfolger  Lambert  dem  gebildeten  und  tief  ange- 
legten Jünglinge  die  priesterlichen  Weihen  erteilen  wollte,  er- 
fasste  ihn  das  Verlangen  nach  einer  'höheren  selischen  Befrie- 
digung, nach  einer  ernsteren  Frömmigkeit  Er  pochte  in 
St.  Benigne  an,  um  trotz  des  lebhaften  Widerspruchs  seiner 
Eltern,  in  deren  Bunde  der  Bischof  stand,  fUr  immer  allen 
Ansprüchen  an  das  Leben  zu  entsagen.  Den  klösterlichen 
Pflichten  mit  Eifer  hingegeben,  brachte  er  es  bald  zu  über- 
ragender Stellung  als  Seelsorger  der  Congregatton  und  im 
Jahre  1027  zum  Propste.^)  Seine  Rechtserfahrung  und  seine 
gelehrten  Kenntnisse^)  werden  besonders  hervorgehoben.  Ma- 
billon  schreibt  ihm  zwei  Briefe  zu,  in  deren  ersterem  der  Abt 
von  St  Benigne  den  päpstlichen  Vestierar,  ersten  Senator  und 
Herzog  Komanus,  den  nachmaligen  Papst  Johann  XIX,  auf- 
fordert, bei  dem  Papste  zu  verhindern,  dass  einer  der  Nach- 

sancto  Odihne  et  ceterü  ipaa  divinis  revelationibus  instituta  treuva  Dei 
appeüata  et  ab  Avstrasiia  »uscepta  fuisset.  . . . 

0  Ueber  seine  Mutter  vgl.  Grignard  im  Bulletin  d'hist  et  d'arch^ol. 
religieuse  du  dioc^se  de  Dijon,  2«  ann^e,  Dijon  1S84,  p.  202— 206. 

>)  ChroD.  S.  Benigni  p.  182  ff. 

")  ib.  p..l85:  primttm  praepositi  sub  ipsius  abbatis  itnperio  quatuor 
annis  administrari  officium.  Dem  entspricht  Ann.  S.  Ben.  1027:  Armdfus 
prior  obiit. 

^)  Chron.  S.  Ben.  p.  186:  ita  in  canonicis  ac  monasticia  valebat  in- 
stitiUia,  tU  nuUi  videretw  secundua  in  legvm  decreOa  ac  phHosophicis 
argwnentia, 

Saokar,  Clnniftoemw.    U.  18 


274 

bam  eifersttchtig  zum  Sehaden  des  Klosters  St.  Benigne  bei 
der  Cnrie  etwas  ins  Werk  setze.  ^)  Aber  es  ist  klar,  dass  Hali- 
nard  höchstens  den  zweiten  Brief  geschrieben  haben  kann^  in 
dem  —  jedenfalls  in  demselben  Zusammenhange  —  eben  jener 
Romanus,  der  inzwischen  die  Tiara  erlangt  hatte,  gewarnt  wird, 
auf  die  Forderungen  der  Canoniker  von  St  Stephan  in  Dijon 
einzugehen,  die  unter  dem  Vorgeben,  sich  in  eine  Klostereon- 
gregation  um  zuwandeln,  nur  beabsichtigten,  den  Begräbnisplatz 
von  St.  Benigne  in  die  Burg  zu  verlegen.^)  Noch  bei  Lebzeiten 
hatte  Wilhelm  in  Uebereinstimmung  mit  den  Brttdern  ihn  zu 
seinem  Nachfolger  designiert,  und  von  der  ganzen  Gongregation 
war  er  gezwungen  worden,  die  Wahl  anzunehmen.^)  Bei  seinen 
ausserordentlichen  Eigenschaften  hatte  er  dann  die  Gunst  der 
Könige  Robert  und  Heinrich  erworben;  aber  auch  am  deut- 
schen Hofe  muss  er  seit  der  Zeit  Konrads  persona  grata  ge- 
wesen sein.*) 

Es  zeigte  sich  das,  als  es  galt,  den  erledigten  Stuhl  von 
Lyon  zu  besetzen.  Denn  an  Halinard  wandte  sich  jetzt  Hein- 
rich IIL  Lehnte  der  Abt  auch  unter  dem  Vorwande,  als  Mönch 
einer  solchen  Last  nicht  gewachsen  zu  sein^),  das  Anerbieten 
ab,  so  lenkte  er  doch  die  Aufmerksamkeit  des  deutschen 
Königs  auf  den  bejahrten,  zur  Zeit  am  Hoflager  Heinrichs 
weilenden,  diesem  aber  persönlich  noch  unbekannten  Archi- 
diacon  der  Kirche  von  Langers,  Odulrich,  der  auf  Vorschlag 
des  Abtes  gewählt  und  in  seinen  Sprengel  eingeführt,  zweifel- 
los während  seiner  kurzen  Amtsperiode  dem  Einfluss  Halinards 
den  weitesten  Spielraum  gewährte.    Die  Wirkung  dieses  Mit- 


^)  Gedruckt  bei  Mabillon,  Ann.  S.Ben.  IV,  app.  p. 729:  Domno  ißi 
sacri  paUUii  vestierario,  primo  aenatori,  necnon  unico  Bomanorum  duci 
eiquoeo  amia  nomine  tenus  abbas  continuae  fidelitatis  servitium.  Da  Ro- 
manus 1024  Papst  wird,  kann  dieser  Brief  nur  von  Wilhelm  herrtthren. 

')  MabilloD,  Ann.  Ben.  IV,  app.  p.  718:  vicinos  nostros  canonicos ,. ., 
womit  kaum  andere  als  die  Chorherren  von  St.  Stephan  gemeint  sein 
können. 

s)  Chron.  S.  Ben.  p.  178.  185. 

0  ib.  p.  186:  Diligd>atwr  quam  plurimum  a  regibus  Francorvm  Bot- 
berto  et  Heinrico,  Sed  et  Chowradus  imperator  et  evas  filim  Henricus 
cesar  iüum  nimio  venerabaiüwr  affectu. 

^)  ib.  p.  187:  obtendens  ae  monachum  ad  tawtum  onus  nequaqwan 
fort  idoneiwn. 


275 

regiments  zeigte  sieh,  als  Cierns  nnd  Volk  naeh  Odnlrichs 
Tode  den  Abt  von  Dijon  selbst  zu  ihrem  Oberhaupte  erkoren 
und  den  König  um  Bestätigung  der  Wahl  angingen.  Aber 
auch  jetzt  konnte  Halinard  nur  durch  einen  Befehl  Gregors  VI. 
zur  Annahme  derselben  gebracht  werden.^) 

Der  König  hatte  inzwischen  das  Aufgebot  zu  seiner  Rom- 
fahrt ausgehen  lassen  und  befand  sieh  im  August  1046  in 
Speier,  wo  die  Fürsten  und  Bischöfe  um  ihn  sich  sammelten. 
Auch  der  Erwählte  von  Lyon  erschien  mit  seinen  Saffraganen 
und  seinem  Clerus,  um  die  kaiserliche  Belehnung  zu  empfangen. 
Nach  Brauch  forderte  Heinrich  durch  den  Erzkanzler  von  Bur- 
gund,  Hugo  von  Besanfon,  den  üblichen  Treueid.  *  Aber  zum 
Erstaunen  der  deutschen  Bischöfe,  besonders  des  Bischofs  von 
Spder,  verweigerte  ihn  Halinard  mit  Berufung  auf  das  Evan- 
gelium Matthäi  und  die  Benedictinerregel,  die  den  Mönchen 
das  Schwören  und  die  Befassung  mit  weltlichen  Dingen  ver- 
biete. Das  war  durchaus  zu  erwarten:  darum  hatte  Odilo  den 
Lyoner  Stuhl,  Richard  von  St.  Vannes  den  von  Verdun,  Poppo 
den  von  Strassburg  ausgeschlagen.  Auch  Wilhelm  von  Vol- 
piano  hatte  einst  dem  Bischöfe  den  Treueid  verweigert,  und 
Fleury  kämpfte  einen  jahrelangen  Kampf  mit  den  Bischöfen  von 
Orleans  wegen  dieses  Eides.  Jetzt  weigerte  sich  auch  Hali- 
nard, die  Forderungen  der  weltlichen  Macht  zu  erfüllen.  Die 
Zeiten  hatten  sich  aber  gegen  früher  stark  verändert.  Die 
Bischöfe  standen  nicht  mehr  wie  ein  Mann  für  den  König.  In 
Niederlothringen  förderte,  wie  wir  noch  sehen  werden,  die  Be- 
schäftigung mit  dem  Kirchenrecht  neue  Kirchenrechtstheorien 
zu  Tage,  die  oberlothringischen  Bischöfe  von  Metz,  Toul  und 
Verdun,  alle  drei  ihm  persönlich  befreundet,  waren  sofort  be- 
reit, Halinards  Weigerung  die  notwendige  moralische  Unter- 
stützung zu  verleihen,  und  nicht  lange  darauf  scheiterte  die 
ganze  Kirchenreform  Heinrichs  III.  an  dem  Widerstände  des 
Reichsepiscopats. 

Dass  der  König  unmittelbar  von  Speier  die  Reise  nach 
Italien  antrat,  auf  der  Halinard  ihn  begleiten  sollte,  war  offen- 
bar der  Grund,  wenn  die  Consecration  des  neuen  Erzbischofs 


*)  Nur  8o  ist  der  erste  Bericht  der  Ghron.  de  St.-B6nigne  p.  187,  den 
Steindorff  1,  803,  n.  1  verwirft,  zu  verstehen. 

18* 


276 

gerade  in  dem  kleinen  Herberehtingen  auf  dem  Wege  nach 
Augsburg  durch  Hugo  von  Besan9on  vorgenommen  wurde.^) 
Man  rühmte  in  Dijon  lebhaft  die  Ergebenheit,  mit  der  Hein- 
rich durch  Spendung  der  notwendigen  Gewänder,  Bücher  und 
Altargeräte  den  Glanz  der  kirchlichen  Feier  erhöhte. 


')  Chron.  S.Ben.  p.  190:  Ordinatus  est  autem  veneranduB  pater  Kali- 
nardus  per  manus  domini  Hugonia  archiepiscopi  Chriaopolüani  in  locOj 
qui  vocatvr  Herbrestinc  lingua  Teutonica^  qitod  in  noatra  bonos  niansiones 
signatj  anno  ab  incamatione  domini  MXLVI;  hieraus  Ann.  S.  Ben.  1046. 
Fürstemann ,  Ahd.  Namenbuch  11,946  bemerkt  zu  dem  Ortsnamen:  „Der 
letztere  Ort  ist  mir  noch  ein  sprachliches  Rätsel.^  Der  Chronist  leitet 
ihn  von  her,  htre  und  bergan  her.  Es  kann  sich  wohl  nur  um  Herbereh- 
tingen unweit  Augsburg  handeln,  wie  auch  Steindorff  annimmt. 


Zehntes  Capitel. 

Die  Kirchenreform  Heinrichs  HI. 


L   Die  Reformparteien  und  der  römische  StxdiL 

L 

Inzwischen  sass  Benedict  IX.  auf  dem  römischen  Stahle; 
kaum  ein  anderer  Papst  hat  bei  seinen  Lebzeiten  die  gleiche 
Verurteilung  gefunden.  Wie  er,  der  Tusculaner,  durch  Simo- 
nie in  den  Besitz  der  Tiara  gekommen  war,  so  war  seine 
ganze  Herrschaft  durch  schändliche  Käuflichkeit  ausgezeich- 
net.^) Eine  Greatur  der  römischen  Factionen  und  namentlich 
des  tusculanischen  Landadels,  lag  er  mit  den  Römern  mehr- 
fach im  Streit  Täglich  griffen  die  Crescentier  das  Volk  an 
und  verwüsteten  die  Umgegend  der  Stadt  Raub  und  Mord 
stand  auf  der  Tagesordnung.  Auf  den  Strassen  wurden  Pilger 
und  Kaufleute  angefallen.  In  so  grosser  Not  war  der  Papst, 
dass  er,  da  er  in  Italien  keine  Hilfe  finden  konnte,  sich  mit 
der  Bitte  um  Beistand  an  mächtige  Rompilger  wandte.^)  Von 
einer  geordneten  Finanzwirtschaft  war  keine  Rede.^)  Dass  man 

*)  Rod.  Glaber  IV,  c.  5 ;  V,  c.  5 :  Horrendwn  quippe  referri  turpitiido 
ülius  conversationis  et  vitae.  Rod.  Gkber  nennt  ihn  einmal  zehn-,  das 
andere  Mal  zwölQährig.  Angesichts  dieser  Unsicherheit  und  der  wirren 
Nachrichten,  die  dieser  Autor  gerade  über  römische  Verhältnisse  bringt, 
wird  man  davon  ganz  abzusehen  haben. 

")  Gesta  cons.  Andegav.  bei  Marchegay,  Chroniques  d'Anjou  p.  100. 
Irrig  wird  der  Papst  Sergius  IV.  genannt.  Denn  wie  aus  dem  weiteren 
hervorgeht,  traf  Fulco  von  Anjou  auf  der  Jerusalemfahrt,  auf  der  er  sich 
befand,  in  Constantinopel  den  Herzog  Robert  von  der  Normandie.  Dieser 
starb  aber  auf  der  Reise  in  Nicea  am  2.  Juli  1035.  Vgl.  Rod.  Glaber  IV,  c.  6. 

*)  Wiberti  V.  Leonis  II,  c.  3 :  nam  ibidem  adveniens,  nihil  pontifica- 
Uum  sumtuum  invenercUf  nämlich  Leo  IX.  in  Rom. 


278 

Benedict  später  in  Gestalt  eines  Monstra  ms,  halb  Esel,  halb 
Bär,  dnrch  Schwefelfelder  und  Sümpfe  jagen  liess  zar  Strafe 
ftlr  seine  üppige  nnd  fleischliche  Lebensweise,  zeagt  von  der 
grenzenlosen  Verachtang,  die  man  ihm  zollte:  in  alle  Ewig- 
keit wollten  ihm  die  Zeitgenossen  keine  Verzeihung  vom  Welt- 
richter zugestehen.^)  Odilo,  der  bis  dahin  so  oft  seine  Schritte 
an  die  Schwellen  der  Apostel  gelenkt  hatte,  wandte  den 
Blick  ab  von  den  Gräueln  der  Hauptstadt  und  stellte  seine 
Romreisen  ein.  Ist  überhaupt  etwas  Wahres  an  einem  wenig 
glaubwürdigen  Bericht 3),  nach  dem  der  Abt  von  Cluni  sich 
bezüglich  der  Ordinationen  doch  noch  dem  Bischöfe  von  Mäcon 
beugen  musste,  so  liesse  es  sich  nur  so  erklären,  dass  vom 
römischen  Stuhle  in  dieser  Zeit  keine  Hilfe  zu  erlangen  war. 

Der  römische  Clerus  war,  wenn  unsere  Berichte  zutreffen, 
vollkommen  entartet;  kaum  einen  Geistlichen  soll  es  gegeben 
haben,  der  nicht  entweder  ungebildet  oder  simonistisch  ge- 
wesen sei  oder  im  Concubinat  gelebt  habe.^)  Fast  überall 
hatten  sich  die  Collegiate  aufgelöst.^)  In  allen  Teilen  Ita- 
liens hatte  das  Gift  der  Simonie  derart  um  sich  gefressen, 
dass  in  nicht  wenigen  Fällen  würdige  Priester  gänzlich  fehl- 
ten.^) So  rein  sich  der  Erzbischof  Gebhard  von  Bavenna  von 
Simonie  hielt^),  so  hausten  auf  den  Sitzen  von  Castello,  Fano, 
Pesaro  und  Osimo^)  räuberische  und  verbrecherische  Gesellen. 
Seit  Bomuald  am  Anfange  des  Jahrhunderts  zuerst  gegen  die 
Simonie  eiferte,  hatte  sich  das  Hauptübel  der  italienischen 
Geistlichkeit  verschlimmert.  Allerdings  war  die  Auffassung 
der  Gegner  in  der  Zwischenzeit  schärfer  geworden.  Indem 
nämlich  alle  Amtshandlungen,  alle  Weihen  simonistischer  Geist- 
lichen auch  den  canonisch  Ordinierten  nach  dem  Urteil  weiter 


0  Petri  Dam.  Opusc.  XIX,  c.  3,  Opera  III,  col.  426. 

>)  Vgl.  RiDgholz,  Odüo  p.  36  ff. 

3)  Bonizonis  1.  ad  amicum  V,  Libelli  1, 586;  Bran.  Sign.  Lib.  de  simon., 
Lib.  II,  547. 

*)  Job.  V.  Petri  Damiani  c.  15;  Fantuzzi,  Monum.  Ravenn.  VI,  24. 

'^)  Petri  Dam.  über  gratissimus  c.  27,  Libelli  I,  56;  Hambertus  ad  ver- 
sus Simon.  III,  c.  20.  21,  ib.  p.  224.  225;  Job.  V.  Petri  Dam.  c.  16;  Petri 
Dam.  epist.  I,  2;  Wiberti  V.  Leonis  II,  c.  16;  Brunonis  Sign.  lib.  de  sim., 
Libelli  de  lite  II,  547.  Vgl.  Dresdner,  Kultur-  und  Sittengesch.  der  ital. 
Geistlichkeit  (Breslau  1890)  S.62ff. 

0)  Dam.  epist.  I,  2.         ^  Dam.  epist.  I,  1.  3;  II,  3. 


279 

Kreise  inficierten,  stellte  sich  das  gesamte  italische  Eirchen- 
wesen  als  durchaus  vergiftet  und  von  der  simonistischen  Hä- 
resie durchseucht  dar. 

Der  Geist  Romualds  war  aber  keineswegs  ausgestorben. 
Seine  Eremitencongregationen  bltthten  fort  und  boten  einen  gün- 
stigen Nährboden  für  die  Tendenzen  des  Meisters.  Ein  Schüler 
jener  Eremiten,  ein  Zögling  des  bekannten  Martinus,  der  auf 
einer  Po-Insel  hauste  i),  war  der  Abt  Guido  von  Pomposa,  ein 
trefflicher  Mann ,  dem  sein  Kloster  eine  hohe  Blüte  verdankte  ^), 
der  in  Italien  und  namentlich  Bonifacius  von  Tuscien  gegen- 
über gegen  den  Verkauf  geistlicher  Aemter  wirkte.^)  Er  war 
angesehen  4)  am  erzbischöflichen  Hofe  von  Ravenna,  der,  wie 
es  scheint,  einen  wesentlich  deutschen  Character  trug,  da  Geb- 
hard  deutsche  Cleriker,  wie  deutsche  Söldner  in  seiner  Um- 
gebung hatte.^)  Guido  genoss  auch  ausserhalb  seines  Vater- 
landes ein  so  hohes  Ansehen,  dass  der  Kaiser,  als  er  mit  der 
Kirchenreform  in  Italien  beschäftigt  war,  den  Abt  durch  Boten 
zu  sich  beschied,  weil  er  seinem  Rate  einen  grossen  Einfluss 
auf  seine  Entschlüsse  einzuräumen  beabsichtigte.  Es  kam  nicht 
dazu,  da  Guido,  noch  bevor  er  mit  dem  Kaiser  zusammentraf, 
eines  raschen  Todes  dahinstarb.*)  Aber  man  sieht  doch,  welche 
Kreise  hier  Heinrich  III.  beeinflussten. 

Im  Kloster  S.  Maria  di  Pomposa  lehrte  etwa  zwei  Jahre 
noch  ein  anderer  Mann^),  der  auch  jenem  Kreise  italienischer 
Eremiten  angehörte  und  dem  es  bestimmt  war,  mehr  durch 
seine  Ansichten  über  Priesterehe  und  Simonie  in  der  Oeffent- 
lichkeit  zu  wirken:  Petrus  Damiani,  eine  jener  furchtbaren 
Büssergestalten,  die  durch  ihren  sittlichen  Ernst  einen  gewal- 
tigen Einfluss  auf  die  Menge  auszuüben  pflegen. 

In  kümmerlichen  Verhältnissen  zu  Ravenna  geboren,  er- 


»)  V.  Guidonis  c.  3. 

*)  Vgl.  V.  Petri  Dam.  c.  6:  übt  caterva  fratrum  centenarium  ntanerutn 
ferebatur  implere, 

>)  Doniz.  V.  Mathildis  c  16. 

*)  Vgl.  V.  Guid.  c.  12;  Fantuzzi,  Monum.  Ravenn.  III,  202. 

^)  In  der  Ravennater  Urk.  vom  14.  Jan.  1031,  Fantuzzi  I,  26S  wird 
erwähnt:  Theodericus  clericus  tetUonictu  . . .  Martinus  Teutonicm,  Fere- 
grinus  et  Mogirardua  Teutonici  militea  archiepiscopi, 

•)  V.  Guid.  c.  14. 

')  V.  Petri  Dam.  c.  6. 


280 

fuhr  er  früh  die  Ironie  des  Schicksals,  indem  er  der  Fraa 
eines  Priesters  seine  Erhaltung  verdankte.^  Er  studierte  in 
Parma  und  Faenza  und  wurde  ein  gefeierter  Lehrer  in  seiner 
Vaterstadt^)  Dann  überkam  ihn  jener  ungestüme  Drang  nach 
dem  Mönchsleben  und  nach  einer  Prttfungszeit,  die  er  sich 
selbst  auferlegte,  trat  er  bei  den  Einsiedlern  in- Fönte  Avel- 
lana,  einer  Stiftung  des  Dominicus  von  Foligno'*),  ein,  um  sich 
den  härtesten  Kasteiungen  und  Geisselungen  hinzugeben.  Er 
ging  ganz  und  gar  in  jenem  Geiste  der  Selbsttötung  auf,  den 
Romnald  zuerst  in  der  Pomttndung  und  in  Tuscien  angepflanzt 
hatte.  Er  predigte  ihn  auf  Befehl  des  Abtes  den  Brüdern,  er 
lehrte  ihn  in  S.  Maria  bei  Guido  und  bald  darauf  in  S.  Yin- 
cenzo  bei  Petra  Pertusa.^)  Als  er  dann  gar  nach  dem  Tode 
seines  Abtes  die  Leitung  von  Fönte  Avellana  selbständig  über- 
nahm, trat  er  völlig  in  Romualds  Fusstapfen,  indem  er,  wie 
dieser,  dessen  Leben  er  bereits  in  S.  Vincenzo  geschrieben 
hatte,  von  Ort  zu  Ort  zog,  um  geeignete  Plätze  für  Nieder- 
lassungen ausfindig  zu  machen  und  Brüder  anzusiedeln.^)  Bei 
Camerino,  bei  Perugia,  bei  Bimini,  Sarsina,  Gubbio,  also  in  den 
Marken  und  Umbrien,  wuchsen  seine  Congregationen  empor, 
die  mit  dem  Mutterkloster  Fönte  Avellana  durch  ein  enges 
Band  verknüpft  wurden.*)  Daneben  trat  er  auch  sonst  als  Re- 
formator auf  und  suchte  durch  seine  zahlreichen  Schriften,  die 
sich  mit  dem  Mönchs-  und  Eremitenleben  beschäftigen,  ftlr 
Besserung  des  Klosterwesens  zu  wirken.  Selbstgeisselungen, 
Fasten,  Wachen,  Beten  und  Psalmensingen  wurde  in  diesen 
Klöstern  in  weitgehendem  Masse  betrieben;  weltliche  Wissen- 
schaft ward  höchstens  als  Dienerin  der  Theologie  zugelassen, 


»)  V.  Petri  Dam.  c  1. 

')  ib.  c.  2;  Neukirch,  Das  Leben  des  Petrus  Damiani,  Göttinger  Diss. 
1875,  p.  15. 

')  Nenkirch  erklärte  den  Ursprung  der  Congregation  für  dunkel  und 
meinte,  sie  sei  von  Romuald  oder  einem  seiner  Schüler  gegründet.  Ich 
habe  schon  oben  gezeigt  (Bd.  I,  S.  S25,  n.  1),  dass  das  Kloster  eine  Stif- 
tung des  bL  Dominicus  von  Foligno  war;  V.  S.  Dominici  c.  17:  conatruxit 
coenobiumf  quod  ab  enormi  arbare  avellanay  guae  iuacta  olim  constiteratj 
Sancti  Petri  de  AveUana  nuncupationem  accepit 

*)  V.  Petri  Dam.  c.  6. 

»)  ib.  c.  7. 

•)  Neukirch  p.  27  flf. 


281 

deren  Stndinm  den  Mönchen  zar  wichtigsten  Aufgabe  gemacht 
warde.i)  Mit  den  Clnniacensern  stand  Peter  Damiani  in  dieser 
Zeit  in  keinem  nachweislichen  Zusammenhange,  noch  weniger, 
als  Romuald,  da  wir  dessen  Schüler  wenigstens  hier  und  da 
in  Verbindung  mit  dem  französischen  Mönchtum  zeigen  konnten. 
Im  Gegenteil,  es  ist  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  vorhanden, 
dass  die  späteren  Beziehungen  des  Cardinalbischofs  von  Ostia 
zu  Abt  Hugo  und  den  Mönchen  von  Cluni  erst  von  seiner  fran- 
zösischen Legation  im  Jahre  1063  herrOhrten.') 

Wie  Guido  von  Pomposa,  so  stand  auch  Petrus  Damiani 
dem  Erzbischof  Gebhard  nahe.  Er  rtthmt  ihn  als  fast  den 
einzigen  Kirchfttrsten,  der  nicht  durch  das  Gift  der  Simonie 
befleckt  wurde:  gerade  als  er  sein  Priorat  übernommen  hatte, 
sollte  er  einem  Rufe  Gebhards  nach  Ravenna  Folge  leisten, 
um  ihm  mit  Rat  und  That  zur  Seite  zu  stehen.')  Aus  der 
Reise  wurde  zunächst  nichts,  da  ihn  vor  der  Hand  Geschäfte 
abhielten  und  unmittelbar  nach  dem  im  Jahre  1044  erfolgten 
Tode  des  Erzbischofs  die  römischen  Angelegenheiten  das  all- 
gemeine Interesse  in  Anspruch  nahmen.  Nur  zu  bekannt  sind 
die  Vorgänge,  die  sich  jetzt  in  der  Hauptstadt  der  Christen- 
heit abspielten :  die  Vertreibung  Benedicts,  der  Kampf  zwischen 
den  Römern  und  Trasteverinern,  die  Wahl  des  Bischofs  Johann 
von  Sabina,  der  sich  Silvester  III.  nannte,  und  endlich,  nach- 
dem der  schreckliche  Benedict  wieder  ftlr  kurze  Zeit  den  Stuhl 
Petri  in  Besitz  genommen  hatte,  der  Verkauf  der  Papstwttrde 
an  den  schlichten  und  sittenreinen  Priester  Johannes  Gratianus 
an  der  Porta  Latina,  der  unter  dem  Namen  Gregor  VI.  bekannt 
ist  Ob  lediglich  Ehrgeiz  oder  wirklich  weitere,  auf  eine 
Kirchenreform  gerichtete  Absichten  Johannes  veranlassten,  den 
Handel  einzugehen:  jedenfalls  war  die  Art  und  Weise  sei- 
ner Erhebung  weiteren  Kreisen  ein  Geheimnis  geblieben,  und 


0  Neukirch  p.  25—43. 

')  So  sagt  er  selbst  Epist  VI,  5  an  die  Brüder  von  Glnni  nach  jener 
Gesandtschaftsreise:  Prtuterea  iüif  qui  me  presswra  tanti  labaris  attrivit, 
etianh  gratiae  referendae  sunt,  quia  iüo  disponentef  qui  nostris  bene  utitur 
tnaliSf  per  eivs  offensam  in  sanctitatis  veatrae  me  contigit  devenire  noti- 
tiam;  d.  h.  also,  er  war  bis  1063  mit  den  Gluniacensem  noch  in  keine 
persönliche  Berührung  getreten. 

•)  Epist.  II,  3;  V,  12. 


282 

es  kann  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  nicht  nnr  die 
schon  in  grösserer  Entfernung  lebenden  Mönche  von  St  Ger- 
main d'Anxerre,  sondern  aach  die  reformatorischen  Kreise 
Italiens,  deren  Wortftthrer  der  Prior  von  Fönte  Avellana  war, 
von  den  simonistischen  Vorgängen  nichts  wassten.  Im  Gegen- 
teil, die  Erhebung  Gregors  galt  fttr  durchaus  canonisch  auf 
Grund  der  Wahl  des  ganzen  Volkes^),  und  in  der  That  wird 
man  eine  derartige  Zustimmung  der  gesetzmässigen  Factoren 
sicherlieh  anzunehmen  haben,  weil  bei  den  unruhigen  Zustän- 
den, die  in  Rom  herrschten,  gar  nicht  denkbar  ist,  wie  Gregor 
auf  Grund  eines  privaten  Kaufvertrages  mit  Benedict  sich  hätte 
halten  können.  Das  Geld,  das  dieser  nahm,  kann  man  dem- 
nach nnr  als  eine  Abfindungssumme  betrachten,  die  man  ihm 
gab,  um  sich  in  Güte  seiner  zu  entledigen.  Was  Johannes 
Gratianus  bei  seiner  Erhebung  von  vornherein  die  Sympathien 
der  Reformmänner  zuführte,  war  lediglich  der  Umstand,  dass 
er  keine  Creatur  der  Adelsfactionen,  dass  er  ein  römischer 
Cleriker  von  gutem  Rufe  und  seine  Wahl  scheinbar  aus  dem 
freien  Entschlüsse  von  Clerus  und  Volk  hervorgegangen  war: 
so  erweckte  die  Kunde  davon  begreiflicherweise  nach  der 
langen  Tyrannei  des  tusculanischen  Geschlechts  sowohl  im 
Lager  der  französischen  Mönche,  als  in  dem  der  reformgltthen- 
den  Eremiten  neue  Hoffnungen.  Indes  ist  es  ganz  falsch,  ihn 
als  einen  speciellen  Freund  der  Cluniacenser  hinzustellen  und 
eine  Verbindung  mit  Odilo  zu  hypostasieren,  da  dieser  mit 
Gregor  nachweislich  nie  in  Berührung  gekommen  ist*^)  Petrus 
Damiani  dagegen,  das  Haupt  jener  reformatorischen  Richtung, 


^)  Rod.  Glaber  V,  c.  5,  §  26:  Tunc  cum  conaensu  totius  Romani  po- 
puli  atque  ex  precepto  imperatoris  eiectus  est  a  sede  et  in  hco  eius  sub- 
rogatus  est  vir  religiosissimiM  ac  sanctitate  perspicuus  Gregorius  natione 
RomanvLS.  Cuius  videlicet  bo^ui  fama  quicquid  prior  fedaverat  in  meliits 
refomiavit.  Nachdem  ich  den  Nachweis  geführt,  dass  die  Historien  des 
Rodulf  Glaber  in  St.  Germain  d'Auxerre  geschrieben  sind,  faUen  natür- 
lich alle  aus  dieser  Stelle  gezogenen  Schlüsse  über  die  Stellung  Odilos 
zu  Gregor  VI.  bei  Gfrörer,  Gregor  VIL  Bd.  VI,  568  ff.,  Giesebrecht  II,  411 
und  Steindorff,  Heinrich  III.  I,  262  weg. 

^)  Schlagend  ist  Jots.  V.  Odil.  I,  c.  7:  Non  praetereundi  sunt  etiam 
Uli  Domini  sacerdotes  et  apostolid  viri:  Silvester,  Benedictus,  Johannes 
et  in  ultimis  piae  memoriae  Clemens^  quorum  gratiam  ita  promeruitf  ut 
tamquam  ex  fratribus  unus  exstiterU,   Hieraus  geht  deutlich  hervor,  dass 


283 

die  in  den  asketischen  Eremitenklöstern  ihren  Sitz  hatte,  der 
gerade  in  diesen  Jahren  als  Bussprediger  darch  Italien  von 
Ort  zn  Ort  zog  und  auf  Volk  und  Geistlichkeit  einzuwirken 
suchte^),  setzte  sich  alsbald  mit  dem  Papste  in  nähere  Ver- 
bindung und  bemühte  sich,  Einfluss  auf  sein  Regiment  zu  ge- 
winnen. Sein  Eremitentum  war  auf  nichts  weniger,  als  ein 
beschauliches  Einsiedlerleben  gerichtet:  er  war  ein  Mann  der 
That;  seine  Asketenstrenge  nicht  die  eines  von  Beue  ge- 
peinigten Gemütes,  sondern  die  eines  Pädagogen,  der  ein- 
sieht, dass  mit  Milde  in  dieser  Verderbnis  nichts  auszurichten 
sei.  Mit  unverhohlener  Freude  begrüsst  er  den  neuen  Papst. 
«Die  Himmel  mögen  sich  freuen,  die  Erde  jauchzen  und  die 
Kirche  sich  Glück  wünschen*,  schrieb  Peter  Damiani  an  Gre- 
gor^),  «dass  sie  das  alte  Privileg  ihres  Rechtes  wieder  em- 
pfangen hat*'  Er  träumt  von  der  Wiederherstellung  der  gol- 
denen apostolischen  Zeit  und  von  neuer  Kirchenzucht:  die 
Simonie,  die  gerade  in  Italien  Orgien  feiert,  soll  von  nun  an 
verschwinden.  Er  sucht  sofort  bestimmend  auf  Gregor  zu 
wirken,  indem  er  behauptet,  dass  der  apostolische  Stuhl  jetzt 
durch  die  Entfernung  der  drei  verbrecherischen  Bischöfe  von 
Castello,  Fano  und  Pesaro  eine  Probe  seiner  Gesinnung  und 
seiner  Kraft  geben  könne.  In  einem  andern  Briefe  3)  empfiehlt 
er  einen  von  Glerus  und  Volk  zum  Bischof  von  Fossombrone 
gewählten  Archipresbyter  zu  consecrieren.  Falls  der  Papst  dies 
nicht  thue,  so  möge  er  mit  der  Vergebung  des  Bistums  wenig- 
stens warten,  bis  er  mit  ihm  gesprochen  habe. 

So  war  Damianis  erste  Sorge,  die  Bischofssitze  von  Si- 
monie zu  reinigen   und  mit  würdigen  Priestern   zu   besetzen. 


Odilo  sich  von  Johann  XIX.  bis  auf  Clemens  IL  von  den  römischen  Ver- 
hältnissen fern  hielt. 

>)  Neukirch  p.  27  ff. 

**)  Epist.  1, 1 :  Tres  equideni  suntf  qiuie  testimoniuni  daimnt,  Castellatia 
sedes,  Fanensis  et  Fisauriensis.  Wenn  Steindorff  I,  250  es  für  unbekannt 
erklärt,  ob  und  wie  weit  der  £rzbi8chof  von  Ravenna  der  Aufforderung 
Petri  Damiani  Gehür  gab,  die  genannten  Bischöfe  zu  beseitigen  (vgl.  III,  3), 
so  hat  er  übersehen,  dass  der  Brief  an  Gregor,  der  noch  über  diese  Bischöfe 
klagt,  ja  ein  bis  zwei  Jahre  nach  Gebhards  Tode  geschrieben  ist. 

')  £pist.  I,  2 :  donec  me  servum  veatrum  videritisj  nuUi  praedicti  epi- 
scopatus  cathedram  tribtuUis, 


284 

Leider  war  aber  gerade  damals  auf  den  Stuhl  von  Ravenna, 
auf  den  er  unter  Gebhard  seine  einzige  Hoffnung  gesetzt  hatte, 
ein  Mann  gekommen,  der  seinen  Wünschen  sehr  wenig  ent- 
sprach. Und  obgleich  Petrus  auch  von  ihm  einen  Ruf  nach 
der  Vaterstadt  erhalten  hatte,  so  hatte  der  Prior  doch  sowohl 
im  erzbischöflichen  Palast,  wie  in  der  Bürgerschaft  eine  keines- 
wegs warme  Aufnahme  gefunden.^)  Klagte  er  auch  über  den 
geringen  Ernst,  mit  dem  der  Erzbischof  die  Reformsache  be- 
treibe, und  über  die  Art  und  Weise,  wie  er  Klöster  beraube 
und  schädige^),  so  war  es  doch  namentlich  ein  geringfügige- 
rer Umstand,  der  den  Gölner  Canonicus  Wigger  um  seinen 
Bischofsstuhl  brachte:  man  warf  ihm  nämlich  u.  a.  am  Hofe 
des  Königs  vor,  er  habe  als  Presbyter  noch  vor  der  Bischofs- 
weihe in  Dalmatica  und  Sandalen  die  Messe  celebriert.^) 

Im  Palast  Heinrichs  hatte  der  Proeess  Wiggers,  der  nach 
Aachen  beschieden  worden  war,  einen  unliebsamen  Gegensatz 
zu  Tage  gefördert,  der  in  kirchenrechtlicher  Beziehung  zwischen 
dem  Lütticher  Bischöfe  Wazo  einerseits  und  dem  übrigen  Reicbs- 
episcopat  mit  dem  Könige  andererseits  bestand.  Hier  zeigte 
sich  zuerst,  wohin  das  Studium  der  alten  Papstdecrete  und 
Ganones,  d.  h.  des  Pseudoisidor,  führen  musste.  Zum  ersten 
Male  erhebt  sich  am  Hofe  eine  Stimme,  die  dem  Reicbskirchen- 
recht  ein  allgemeines  päpstliches  entgegenstellte.  Ein  Clunia- 
censer  ist  Wazo  ganz  und  gar  nicht,  obwohl  man  ihn  als  sol- 
chen zu  bezeichnen  pflegt,  denn  wir  werden  sehen,  dass  seine 
kirehenrecbtlichen  Anschauungen  weder  von  dem  französischen 
Mönchtum,  noch  von  den  italienischen  Eremiten  geteilt  wurden  4) 
—  obgleich  er  dem  Abte  Poppo  von  Stablo  sehr  nahe  stand,  seit 
dieser  dem  einst  von  Lüttich  vertriebenen  vorübergehend  Gast- 
freundschaft gewährt  und  schliesslich  zu  seinem  Bistum  ver- 
holfen  hatte.^)     Um  seine  Meinung  über  Wigger  gefragt,  er- 


»)  Epist.  V,  12;  Neukirch  p.48. 

«)  Epist.  III,  5;  Neukirch  p.  48. 

»)  Anselmi  Gesta  Leodiens.  c.  58,  SS.  VII,  224. 

*)  Auch  Cauchie,  La  querelle  des  investitures  dans  les  dioccses  de 
Li^ge  et  de  Cambrai,  Louvain  1890,  p.  LXXX  hebt  das  mit  Recht  hervor. 

^)  Anselmi  Gesta  c.  48:  vino  et  camilms  vescenSj  ui  oUestaH  solebcU 
abbas  Foppo,  soltis  qtwrundam  secretorum  eitis  consciuSj  moruichorum 
omnium  sibi  cognitorum  vincebat  abstinentiam;  Vita  Poppon.  c.  26  (SS. 


285 

klärte  er  sieh  ftir  ineompetent,  über  einen  italienischen  Bisohof 
za  richten,  und  Heinrieh  ftir  unfähig,  in  Kirchensachen  zu 
entscheiden,  was  einzig  und  allein  dem  Papste  zukomme:  nur 
über  die  weltlichen  Pflichten,  die  der  Bischof  durch  seinen 
Treueid  übernehme,  stehe  dem  weltlichen  Herrscher  ein  Urteil 
zu.  Wigger  soll  darauf,  ohne  von  den  übrigen  Bischöfen  ver- 
urteilt zu  sein,  freiwillig  Stab  und  Bing  dem  Könige  übergeben 
habend),  was  allerdings  unwahrscheinlich  ist,  da  es  zu  sehr 
der  Tendenz  des  Ltttticher  Chronisten  entspricht  Vielmehr 
wird  er  regelrecht  vom  Könige  entsetzt  worden  sein.^)  Wie 
andere  Gefühle  erweckte  aber  die  Nachricht  von  dem  Sturze 
Wiggers  bei  Damianil  Ganonistische  Bedenken  gegen  die  Becht- 
mässigkeit  des  Processes  sind  ihm  durchaus  fremd.  Er  preist 
Heinrich  ob  seiner  That  und  schildert  die  Freude  aller  Welt, 
dass  die  Kirche  aus  der  Hand  des  gewaltsamen  Bäubers  be- 
freit sei.  Zugleich  warnt  er  den  König  vor  den  Versuchen 
desselben,  durch  Versprechungen  sich  wieder  den  Weg  auf  den 
erzbischöflichen  Stuhl  zu  bahnen.  „Daher^S  schliesst  er,  „un- 
besiegbarer König,  führet  zu  Ende,  was  Ihr  zum  Lobe  Gottes 
und  zum  Heil  der  Menschen  begonnen  habt  und  ordinieret  nach 
Zurückweisung  des  Bäubers  einen  Hirten,  über  den  die  Kirche 
Freude  empfindet."  3)  Nach  ihm  hat  also  der  König  voll- 
kommen das  Becht,  über  die  italienischen  Sitze  zu  verfügen; 
und  die  Gleriker  von  Faenza,  die  nach  dem  Tode  ihres  Bischofs 


XI,  310):  Et  primum  a  Nautnene  civitate  cum  Wazone  episcopo  Leodium 
devenitj  qui  sibi  spiritualis  occasione  amoris  semper  animo  insedity  qiiem 
etiam  a  Leodio  olim  invidia  pulsum  ipse  swtcepitj  penesque  se  eum  ad- 
prime  accurare  coepit,  tum  etiam  aliquantis  s^i  succedentibus  diebus  illoy 
unde  acidaveratj  revocavitj  conaultoque  sui  et  favore  postmodum  ad  pontu 
ficium  delegavit  Das  ist  nun  sicher  nicht  aUes  richtig,  denn,  wie  wir  aus 
den  Gesta  Leod.  c.  43  wissen,  kam  er  unmittelbar  von  Lüttich,  wo  er  mit 
Mühe  und  Not  einem  Brande  entging^,  zu  Kaiser  Kunrad  IL  in  dessen 
Capelle,  er  kann  also  nur  vorübergehend  bei  Poppe  gewesen  sein  und 
dieser  kann  von  Stablo  nach  einigen  'l'agen  unmöglich  seine  Rückkehr 
nach  Hause  bewerkstelligt  haben.  Ueber  die  Zeit  vgl.  Canchie  p.  LI  V,  n.  5. 

>)  Anselmi  Gesta  Leod.  c.  58. 

*)  Steindorff  I,  297. 

')  Epist  VII,  2:  Quapropter,  rex  invictissime,  quod  ad  laudem  Dei 
et  salutem  hominum  coepistiSj  ad  finem  usqtie  perdiunte  et  latrone  reiecto 
paatorem,  unde  eecUsia  gaudeatf  ardinate. 


286 

PetniB  Damiani  zu  sich  riefen,  verweist  er  geradezu  auf  die 
AnkuDft  des  Königs,  der  in  ihrer  Kirche  die  Ruhe  herstellen 
würde:  sie  möchten  deshalb  den  Papst  ersuchen,  ihnen  vor- 
läufig keinen  Bischof  aufzudrängen.*) 

So  wurde  der  deutsche  Herrscher,  wie  so  oft,  von  den 
italienischen  Reformern  mit  Sehnsucht  erwartet  Canonistische 
Einwände  gegen  die  Rechtmässigkeit  seines  Eingreifens  schie- 
nen ganz  und  gar  nicht  am  Platze.  Die  Ereignisse  kamen  in 
rascher  Folge:  auf  der  Synode  von  Sutri  die  Absetzung  Sil- 
vesters III.  und  Gregors  VI.  nach  seinem  eigenen  Geständnis, 
auf  der  zu  Rom  die  Benedicts  IX.  und  die  Erhebung  Cle- 
mens' IL 

II. 

Die  wichtigste  Frage  fttr  uns  ist  die  nach  der  Stellung  der 
Cluniacenser  zur  Kirchenreform  Heinrichs  III. 

Der  Synode  von  Sutri  oder  Rom,  vielleicht  beiden,  wohnten 
die  Erzbischöfe  Halinard  von  Lyon,  der  Schüler  Wilhelms  von 
Dijon,  und  Hugo  von  Besangon,  der  den  Cluniacensern  sehr 
nahe  stand,  bei.  Dass  sie  dort  Widerspruch  erhoben,  scheint 
die  Art  unseres  Berichtes  auszuschliessen.^)  Auf  der  andern 
Seite  wissen  wir,  dass  Odilo  dem  Vorgehen  des  Kaisers  seine 
Zustimmung  lieh.  Auf  die  Kunde  von  dem  Römerzuge  Hein- 
richs hatte  der  greise  Abt  Frankreich  verlassen.  Am  23.  De- 
cember  1046  zog  er  in  Rom  ein,  wo  er  nach  Verrichtung  der 
üblichen  Gebete  der  römischen  Synode,  auf  der  die  Absetzung 
Benedicts  und  die  Erhebung  Clemens'  IL  erfolgte,  beiwohnte. 
Es  wird  uns  ausdrücklich  erzählt,  dass  bei  der  Verhandlung 
des  Königs  mit  den  Grossen  des  Reichs  Odilo  die  Einsetzung 
des  Bischofs  von  Bamberg  begünstigte  3),  und  am  ersten  Weih- 


^)  Epist.  V,  10:  ut  non  eligatis  episcopum  usque  ad  regia  adventwn. 
Qui  scilicet  et  errorem  toUatj  et  vos  atque  ecclesiam  vestram^  sedatis  undi- 
que  iurgiiSf  in  quieiis  ac  pacis  tranquiUitate  componat.  Unde  et  dominus 
noster  papa  rogandus  esty  ut  episcopum  vobis  modo  non  ingerat. 

')  Vgl.  ChroD.  S.  Benign!  p.  190.  Der  Autor  zieht  beide  Synoden  in 
eine  zusammen ;  es  ist  deshalb  nicht  ganz  klar,  an  welcher  die  genannten 
Erzbischüfe  teünahmen. 

^)  Die  Frage,  ob  Heinrich  III.  Clemens  eingesetzt  habe,  oder  ob  er 
gewählt  worden  sei  (Steindorff  I,  314),  ist  falsch  gestellt,  da  von  einer 
Wahl  überhaupt  nicht  gesprochen  werden  darf.    Es  handelt  sich  um  eine 


287 

Baehtsfeiertage  der  Salbung  und  Krönung  Heinrichs  in  der 
Peterskirche  assistierte:  «indem  er  Gott  pries*,  wie  sein  Bio- 
graph, der  zur  Zeit  in  Born  war,  sagt^),  ,|dass  er  dem  römi- 
schen Beich  durch  die  Wahl  des  gerechtesten  Bischofs  und 
einen  katholischen  Herrscher  nach  Beseitigung  der  Wirren  und 
Uebelstände  neue  Krafk  zu  verleihen  geruht  habe/  So  sah 
man  also  in  der  nächsten  Umgebung  Odilos  die  Sache  an; 
man  atmete  wieder  auf.  Sein  intimer  Verkehr  mit  dem  deut- 
schen Papste,  auf  den  wir  noch  zurückkommen,  bestätigt  die 
Anschauung,  dass  Heinrich  sich  durchaus  des  Einverständ- 
nisses der  französischen  Mönchskreise  erfreute.  Aber  auch 
die  italienischen  Beformatoren  begrttssten  das  Vorgehen  des 
Königs  mit  Freuden.  Bei  Petrus  Damiani  war  die  Anschau- 
ung, dass  der  Kaiser  berufen  sei,  der  Kirche  in  ihren  Nöten 
beizustehen,  dass  Kaiser  und  Papst  gemeinsam  zum  Heile 
der  Kirche  handeln  müssten,  so  festgewurzelt,  dass  er  sie 
sogar  verfocht,  als  die  Ereignisse  sie  längst  überholt  hatten 
und  als  der  Geist  Hildebrands  bereits  über  seiner  Zeit  dahin- 
rauschte.^)  Von  kirchenrechtlichen  Bedenken  gegen  das  Ein- 
schreiten der  weltlichen  Macht  ist  bei  ihm  keine  Bede:  er 
setzt  im  Gegenteil  die  schönsten  Hoffnungen  auf  Clemens,  von 
dem  er  die  Beseitigung  der  Simonie  und  die  Vertreibung  simo- 
nistischer  KirehenfOrsten  erhofft^)  In  der  That  hielt  Clemens 
bereits  Anfang  Januar  1047  eine  antisimonistische  Synode  4)  ab, 
der  vielleicht  auch  Odilo  beiwohnte.  Wahrscheinlich  wurde 
hier  decretiert^),  dass  diejenigen,  die  ohne  ihr  Wissen  von 
simonistischen  Geistlichen  ordiniert  wurden,  nach  vierzigtägiger 
Busse  im  Amte  bleiben  dürften.   Im  allgemeinen  darf  man  den 

Beratang  des  Kaisers  mit  den  aDgesehensten  Persönlichkeiten,  die,  juri- 
stisch aufgefasst,  sich  gar  nicht  von  der  Einsetzung  der  Nachfolger  Cle- 
mens' II.  unterscheidet.  Denn  selbstverständlich  handelte  Heinrich  auch 
später  nur  nach  Vernehmung  der  verschiedenen  ihm  zugänglichen  An- 
sichten am  Hofe.   Dass  Clerus  und  Volk  dann  acclamierten,  ist  natürlich. 

*)  Jots.  V.  Odilonis,  N.  Arch.  XV,  119:  dans  gloriam  Deo,  qui  Roma- 
num  imperium  eUcto  iustissimo  praeavUe  et  catholico  reipublice  principe 
sedatis  nialorum  turbinibus  roborare  voluerit. 

>)  Neukirch  S.  84—90. 

»)  Vgl.  Epist.  I,  8. 

*)  Steindorff  I,  319  ff. 

*)  Petri  Damiani  Llber  gratissimus  c.  37,  Lib.  de  lite  I,  70. 


288 

Kaiser,  den  die  italienisehea  Reformatoren  gewonnen  hatten, 
fttr  den  Urheber  der  gegen  die  Simonie  gerichteten  Bewe- 
gung ansehen.  So  beurteilte  ihn  Petras  Damiani^);  und  aueh 
dem  französischen  Mönehtum  erschien  er  als  der  eifrigste  Geg- 
ner der  Bimonistischen  Ketzerei,  der  ein  Edict  fttr  das  ganze 
Reich  erliess,  das  den  Handel  mit  geistlichen  Aemtern  und 
Würden  verbot  und  die  Häretiker  mit  Absetzung  und  Anathem 
bedrohte.2) 

Jedenfalls  hatte  die  Reinigung  des  römischen  Stuhles 
Ödilo,  der  bis  dahin  zu  Heinrich  III.  in  etwas  gespanntem 
Verhältnis  gestanden  hat,  ihm  und  seinem  Papste  genähert 

Er  hatte  nach  der  Wahl  Suidgers  und  der  Krönung  des 
Kaisers  die  folgenden  drei  Wochen  mit  frommen  Pilgerungen 
zu  den  verschiedenen  Heiligengräbern  der  Stadt  und  unter  frei- 
gebigen Spenden  an  den  römischen  Glerus  und  die  Armen  hin- 
gebracht.') Seine  Wohnung  lag  in  dem  Marienkloster  auf  dem 
Aventin,  den  prächtige  Kirchen  schmückten  und  dessen  Gipfel 
durch  frischere  Winde  vor  der  Glut  der  italienischen  Sonne 
geschützt  wurde.^)  Ungern  —  wie  er  selbst  gestand:  er  hatte 
gehofft,  in  Rom  sein  lang  ersehntes  Grab  zu  finden  —  trat  er 
die  Heimreise  am  14.  Januar  an.  Da  traf  ihn  ein  schwerer 
Unfall.  Als  nämlich  auf  der  durch  Sümpfe  und  abschüssigen 
Boden  unwegsamen  Strasse  sein  Gefolge  sich  bemühte,  mög- 
lichst schnell  die  Schwierigkeiten  zu  überwinden  und  weiterzu- 
kommen, stürzte  der  altersschwache  Abt  vom  Pferde,  das  ihm 
mit  dem  Hufe  noch  heftig  zusetzte.  Sprachlos  am  Boden  lie- 
gend, wurde  er  von  den  entsetzt  herbeieilenden  Begleitern  in 
eine  Sänfte  gehoben  und  zunächst  nach  dem  unweit  der  Stadt 
gelegenen  Kloster  St.  Pancratius  geschafft.    Erst  am  Morgen 

>)  Liber  gratissimns  c.  88,  p.  71 :  Post  Deum  siquidem  ipse  nos  ex 
inaatiabilis  ore  draconis  eripuitj  ipse  symoniacae  hereseos  ut  revera  mtUti- 
plicis  hydrae  omnia  capita  divinae  virtutis  mucrone  truncavit. 

*)  Uod.  GlaberV,  c.  5;  vgl.  Sackur,  Studien  über  Rodulfus  Glaber, 
N.  Arch.  XIV,  407.  Dass  die  Rede,  die  Rod.  Glaber  HeiDiich  in  den  Mund 
legt,  nicht  verwertet  werden  darf,  hat  jetzt  auch  Kuypers,  Studien  über 
Rudolf  den  Kahlen,  Münst.  Diss.  1891,  S.62ff.  dargelegt. 

»)  Jots.  V.  Odil,  N.  Arch.  XV,  119. 

*)  Jots.  V.  Odil  II,  c.  9.  In  demselben  Kloster  war  Hildebrand  auf- 
gewachsen, V.  Gregorii  VII.  c.  9.  Damals  war  er  aber  nicht  mehr  in  Rom. 
Der  Abt  von  St  Maria  war  zur  Zeit  Armo. 


289 

konnte  man  naeh  Rom  in  das  Hospiz,  das  St.  Marienkloster 
anf  dem  Aventin,  zarttckkehren.  Bald  hatte  die  Nachrieht  von 
dem  Unfälle  die  Stadt  durcheilt  Teilnehmende  Besucher, 
Scharen  von  Mönchen  und  Glerikem  strömten  an  das  Kranken- 
lager des  Abtes.  Der  Papst  erschien  öfter  in  Begleitung  der 
ersten  Würdenträger  der  römischen  Kirche,  so  des  gelehrten, 
in  der  griechischen  und  römischen  Litteratur  bewanderten 
Erzbischofs  Laurentius  von  Amalfi,  der,  von  seinem  Sitze 
vertrieben,  in  Rom  weilte  und  schon  zur  Zeit  Benedicts 
und  Gregors  in  reformatorischem  Sinne  gewirkt  zu  haben 
scheint^)  Trotzdem  fUhlte  der  Abt  sich  dem  Tode  nahe: 
er  richtete  an  die  Brüder  in  Cluni  einen  Brief,  in  dem  er 
sie  ersuchte,  für  ihn  zu  beten  und  Messen  zu  lesen.  Bis 
zum  4.  März,  dem  Anfang  der  grossen  Fasten,  lag  Odilo  in 
schwerer  Krankheit;  dann  begann  sich  sein  Zustand  zu  bessern. 
Nur  die  dringenden  Bitten  des  Papstes  Clemens  hielten  ihn 
noch  über  Ostern  in  Rom  zurück.  Aber  während  der  Fasten- 
zeit, als  der  unermüdliche  Mann  wieder  von  Kirche  zu  Kirche 
eilte,  mutete  er  sich  offenbar  zu  viel  zu:  denn  am  Palmsonntag 
lag  er  wieder  auf  dem  Krankenbett,  das  er,  an  allen  Gliedern 
gelähmt,  während  der  Osterwoche  nicht  mehr  verlassen  sollte. 
Auf  dem  Aventin  erschollen  von  neuem  die  Klagen  der  ver- 
zweifelnden Brüder. 

Trotz  seiner  Leiden  hatte  Odilo  nicht  aufgehört,  für  die 
Interessen  seines  Stiftes  zu  wirken.  Clemens  IL  empfahl  Cluni 
dem  Schutze  der  französischen  Bischöfe  und  Fürsten^);  er  rich- 
tete auch  an  Kaiser  Heinrich,  sowie  die  Grossen  und  Bischöfe 
Burgunds  ein  Privileg,  in  dem  er  lebhaft  für  die  Freiheit  des 
Klosters  Romainmoutier  und  für  die  Erhaltung  der  alten  Ein- 
richtungen eintritt.^)  Erwägt  man,  dass  der  Kaiser  in  dieser  Zeit 
dem  Kloster  Peterlingen  aus  unbekannten  Gründen  seine  Gunst 


>)  Jots.  y.  Odil.  I,  c.  14  und  N.  Arch.  a.  a.  0.;  über  Laurentius  vgl. 
Giesebrecht  11,412;  Steindorff  I,  260.  Von  Beno  wird  er  in  den  Gesta 
Romanae  ecclesiae  II,  c.  3 — 8  (Lib.  de  lite  II,  376  ff.)  als  Freund  Bene- 
dicts IX.  und  neben  diesem  und  Gregor  VI.  als  Lehrer  Hildebrands  hin- 
gestellt 

*)  J.-L.  nr.4136. 

>)  Hidber,  Schweizer.  Urkundenreg.  nr.  1337  vom  25.  Dec.  1046  bis 
9.  Oct.  1047. 

SAoknr,  ülnniMMnMr.  II.  19 


290 

entzogen  hatte,  8o  seheint  es,  dass  überhaupt  Differenzen  zwischen 
ihm  nnd  Clnni  bezüglieh  der  bnrgnndischen  Stifter  vorgelegen 
haben,  die  Heinrich,  wie  yielleicht  sehen  Konrad  II,  wohl  als 
früher  königlich  bnrgandische  Abteien  in  die  Pflichten  der  Reichs- 
klöster zu  nehmen  beabsichtigte.  Indem  nun  Odilo  noch  kurz  vor 
seinem  Tode  den  Prior  Hugo  zu  Heinrich  sandte,  am  mit  ihm  zu 
Gunsten  Peterlingens  zu  verhandeln,  zeigt  sich  deutlich  auf  Seiten 
des  Abtes  das  Bestreben,  jegliche  Missverständnisse  zu  beseitigen 
und  ein  ungetrübtes  Verhältnis  zu  dem  Kaiser  herbeizuführen. 
Aber  man  sieht  femer,  dass  gerade  die  Kirchenreform  des  deut- 
schen Herrschers  zur  Kräftigung  der  Freundschaft  beitrug.  Nach 
langer  Abwesenheit  von  Italien  und  dem  kaiserlichen  Hofe 
unternahm  der  greise  Abt  die  beschwerliche  Beise;  er  förderte 
die  Wahl  Clemens'  II;  ihm  war  er  während  des  römischen 
Aufenthalts  aufs  engste  befreundet;  mit  seiner  Hilfe  sucht  er 
einen  Ausgleich  mit  dem  Kaiser  bezüglich  der  Stellung  der 
burgundischen  Stifter.  Beweise  genug,  um  die  Anschauung  zu 
befestigen,  dass  die  französischen  Cluniacenser  bezüglich  der 
Kirchenreform  vollkommen  Hand  in  Hand  mit  Heinrich  III. 
gingen.  Von  ganz  anderer  Seite,  wie  wir  noch  sehen  werden, 
wurden  Bedenken  und  Proteste  gegen  die  canonische  Recht- 
mässigkeit des  kaiserlichen  Vorgehens  erhoben. 


2.  Tod  Richards,  Poppos  und  Odilos. 

I. 

Die  Führer  der  klösterlichen  Reformbewegung  standen  in 
dieser  Zeit  sämtlich  in  den  letzten  Lebensjahren.  Richard  von 
St  Vannes  erlebte  den  entscheidenden  Schritt  Heinrichs  gegen 
den  römischen  Stuhl  nicht  mehr.  Schon  zu  einer  Zeit,  in  der 
er  aufs  eifrigste  für  den  Gottesfiieden  wirkte,  hatte  er  lebhaft 
an  den  Tod  gedacht.  Später  erleichterte  er  die  Last,  die  er 
trug,  und  ernannte  für  die  Abteien  St  Peter,  St  Urban  und 

1)  Hildeberti  V.  Hug.,  Bibl.  GIud.  col.416:  (Hugo)  ad  Teutonicos  di- 
rectw  Patemiacensi  coenobio  gratiam  regis,  a  qwi  exciderat,  reformavit; 
vgl.  Lebmann,  Forscb.  z.  Gesch.  des  Abtes  Hugo  I.  von  Cluny  S.  76.  Die 
Zeit  bestimmt  sich  dadurch,  dass  Hugo  noch  in  Deutschland  den  Tod 
Odilos  vernimmt 


291 

Beaalieo,  die  er  neben  St.  Vannes  leitete,  eigene  Vorsteher  in 
seinen  Sehttlem  Riehard,  Odylard  und  Stephan.  Am  Mhen 
Morgen  des  14.  Jnni  1046  haaehte  er  in  Gegenwart  des  Bisehofs 
Riehard  von  Verdnn,  des  trenen  Jttngers,  nnd  zahlreicher 
Mönche  nnd  Geistliehen,  die  klagend  sein  Lager  umstanden, 
seinen  Geist  ans.  Unter  der  Teilnahme  der  ganzen  Stadt 
warde  zwei  Tage  darauf  nach  einer  feierlichen  Procession  die 
Beisetzung  der  Leiche  in  der  Crypta  von  St  Vannes  voU- 
zogen.i) 

Eine  mehr  als  vierzigjährige  Wirksamkeit  hatte  den  Abt 
des  Verdaner  Klosters  za  einer  weit  nnd  breit  bekannten  Per- 
sönlichkeit gemacht.  Nicht  leicht  ist  das  Bild  des  Mannes  zn 
malen,  den  keiner  seiner  Biographen  selbst  gekannt  hat  Ihre 
Schilderangen  entbehren  der  Unmittelbarkeit  der  Auffassung, 
die  allein  uns  in  den  Stand  setzt,  ihnen  nachzuempfinden.  Die 
Gefühle,  die  ihn  hinter  die  Klostermauem  trieben,  mochten 
dieselben  sein,  die  allerwegen  tief  angelegte  Gemüter  aus  der 
Umgebung  eines  rohen  und  gewissenlosen  Kriegerlebens  in  die 
Stille  der  Klosterzelle  flihi-ten.  Seine  religiösen  Uebungen  spie- 
gelten die  asketische  Begeisterung  der  lothringischen  Gebirgs- 
bewohner wieder. 

Richard  gravitierte  in  seinen  Zielen  durchaus  nach  Westen ; 
hier  hatte  er  seine  Schule  gemacht  In  der  Reimser  Kirchen- 
provinz entwickelte  er  seine  Hauptthätigkeit  Das  meiste  ver- 
dankte er  seinem  Freunde  Gerhard  von  Cambrai.  Der  Adel 
der  Champagne  zeigte  sich  neben  dem  Hause  der  Ardenner- 
grafen  ihm  am  nächsten  verbunden.  Obgleich  Heinrich  IL  und 
Heinrich  III.  ihm  wohlgesinnt  waren,  fand  er  doch  jenseits 
des  Rheins  keine  Gelegenheit  zu  wirken.  Kein  einziges  Reichs- 
kloster kam  unter  seine  Leitung.  Die  Verbindungen,  die  er 
unter  den  Magnaten  des  westfränkischen  Reiches  hatte,  setz- 
ten ihn  jedoch  in  den  Stand,  auch  in  politischen  Dingen 
seinen  Einfluss  zu  erproben.  Wie  Heinrich  IL  die  ehemaligen 
Reimser  Cleriker  Gerhard  und  Richard  im  Jahre  1023  als 
Unterhändler  am  französischen  Hofe  gebrauchte,  so  finden 
wir  letzteren  in  die  Händel  des  Odo  von  der  Champagne  ver- 


»)  Vgl.  Riebard  von  St  Vannes  S.88ff.;  Necrol.  S.Vit.,  N.  Archiv 
XV,  129. 

19* 


292 

wickelt,  in  die  inneren  Geschicke  der  Normandie,  in  den 
Kampf  zwischen  den  Anjons  nnd  den  Söhnen  des  Grafen 
Odo.  Was  ihn  von  Kampfplatz  zn  Kampfplatz  führte,  war 
sein  Bestreben,  die  hadernden  Grossen  zn  versöhnen,  dem 
Lande  den  Frieden,  den  Stiftern  die  Sicherheit  znrUckzageben. 
Unermüdlich  vertrat  er  den  Gedanken  der  Humanität  gegen- 
über der  rücksichtslosen  Ansübnng  des  Fehderechts.  Ein  Pre- 
diger der  christlichen  Liebe  im  KaropfgetUmmel,  voll  Hingabe 
an  die  Elenden  in  Zeiten  der  Kot,  errang  er  nicht  nur  die 
tiefe  Verehrung  des  leidenden  Volkes,  sondern  auch  die  Achtung 
nnd  Anerkennung  der  Grossen  und  Mächtigen. 

Prägt  sich  in  diesen  Zielen-  die  äussere  Wirksamkeit 
Richards  aufs  klarste  aus,  so  unterstützte  er  seine  klösterlich- 
reformatorischen  Bestrebungen  durch  eine  möglichst  straffe 
Disciplin  und  Centralisation  im  Innern.  Mit  Consequenz  er- 
zog er  die  Mönche  zur  Demut,  besonders  die,  denen  er  höhere 
Aufgaben  zugedachte.*)  Und  wenn  es  auch  spät  überliefert 
ist^),  dass  seine  Schüler  aus  den  abhängigen  Klöstern  alljähr- 
lich vor  ihm  erscheinen  mussten,  so  zeigen  sich  doch  bei  ihm 
im  Gegensatz  zu  früheren  oberlothringischen  Reformversuchen, 
offenbar  in  Anlehnung  an  das  eluniacensische  Vorbild,  die  An- 
fänge einer  centralistischen  Organisation,  so  war  er  doch,  ähn- 
lich wie  Odilo,  aufs  ernsteste  bedacht,  die  Schüler,  die  er  ein- 
zelnen Abteien  vorgesetzt,  in  Abhängigkeit  zu  halten.'^)  Ein 
energisch -selbstbewusster  Zug  muss  in  seinem  Auftreten  ge- 
legen haben,  eine  Festigkeit  und  Bestimmtheit  der  Anord- 
nungen, die  ihn  und  Poppo  den  Gegnern  wie  die  leibhaftigen 
Benedicte  erscheinen  liess.^) 

Alle  diese  Reformäbte  legten  einen  Stolz  in  die  Aus- 
schmückung ihrer  Kirchen  und  Klöster.  Aber  bei  keinem  trat 
dieser  Zug  so  in  den  Vordergrund,  wie  bei  Richard.  Seine 
Baulust  und  Prachtliebe  hatte  einen  Grad  erreicht,  der  den 
Finanzen  seiner  Kirche  gefährlich  wurde  und  Petrus  Damiani, 
der  darin  nichts  als  frivole  Possen  erblickte,  zu  hartem  Urteil 
fortriss.    Und  ein  schwärmerischer  Mann  sah  ihn  gar  im  Fege- 


1)  Vgl.  sein  Verhältnis  zu  Poppo. 

>)  Mirac.  S.  Richard!  c.  5 ;  vgl.  Richard  von  St.  Vannes  S.  90. 

')  So  Stephan  von  Lttttich  nnd  Poppo. 

*)  S.  oben  S.  264. 


293 

fener  nnermttdlich  mit  Anfstellang  von  Baumaschinen  und  dem 
Bau  von  Burgmauern  beschäftigt.*) 

So  tritt  er  uns  entgegen:  eine  unermüdliche  arbeitsfrohe 
Natur,  ein  Mann,  zum  Organisator  geschaffen,  begeistert  fttr 
die  Idee  humanitärer  Wirksamkeit  und  mehr  als  ein  anderer 
begabt  mit  regem  Sinn  ftir  den  Glanz  künstlerischer  Schönheit. 

IL 

Poppo  von  Stablo  überlebte  den  Lehrer  um  einige  Jahre. 
Demut  und  Selbstüberwindung  hatte  ihn  von  Stufe  zu  Stufe 
emporgeftlhrt.^)  Richard  hatte  das  GefHhl,  die  innere  Begna- 
dung zu  einer  höheren  Art  religiöser  Snbjectivität  geleitet,  in 
Poppo  von  Stablo  wirkte  vor  allem  ein  starker  Wille.  In  der 
ersten  Zeit  seiner  Conversion  beneidete  er  die  Brüder,  die  die 
Gnade  des  Weinens  empfangen  hatten;  da  er  anders  nicht 
konnte,  erzwang  er  die  Thränen,  indem  er  sich  die  Brust  mit 
einem  Stein  zerschlug.  So  setzte  er  es  durch ,  dass  er  hundert- 
mal Tag  und  Nacht,  wenn  er  zum  Gebet  niedersank,  den  Fuss- 
boden  netzte,  dass  die  Messe,  die  er  las,  dass  die  Leetüre  bei 
Tisch  ihn  zu  Thränen  rührte.^)  Diese  unaufhörliche  Selbst- 
Suggestion,  gesteigert  durch  harte  Geisselungen,  dieses  ex- 
statische Aufwühlen  und  Züchten  religiöser  Geftlhle  machte 
ihn  zu  einem  nervös  überreizten,  krankhaften  Mystiker.^)  Wie 
Majolus  mied  er  aus  Demut  die  Gunst  der  Menge,  wie  Majolus 
wollte  er  von  Wundern  nichts  wissen.*)  Aber  der  Abt  von 
Cluni  war  eine  massvolle  Natur,  die  sich  schlecht  und  recht 
mit  der  Regel  begnügte.  Poppo  dagegen  glaubte  den  Process 
der  Vergeistigung  zu  fördern,  wenn  er  der  Bäder  sich  enthielt 
und  in  Fett  gekochte  Speisen  verschmähte.^»)  Die  grosse  Frei- 
gebigkeit gegen  Arme  teilte  er  mit  den  Gesinnungsgenossen, 


^)  Vgl  den  Brief  des  Petrus  Damiani  an  den  Prafecten  Cencias, 
Mab.  Acta  SS.  VI,  1,455:   Hoc  enim  morbo  laboraverat  abbas  iUe,    dum 
viveretj  ut  extruendis  inaniter  aedificiis  onines  fere  düigentiae  suae  curaa 
expenderet  et  plurimas  facuUates  ecclesiae  in  frivolia  naeniis  profligaret 
'     «)  Vgl.  V.  Popp.  c.  8. 

»)  ib.  c.  28. 

*)  ib.  c.  28 :  in  infirmitaJte,  qua  assidue  laborabat. 

^)  ib.  c.  30 :  quod  nunquam  deUctatus  sit  mvrabilia  facere  . . .  pro 
humilitate  favorem  popuLi  de  se  in  vita  timuit  • 

•)  ib.  c.  28. 


294 

aber  er  seheint  einen  besonderen  Vorzog  darin  erblickt  za 
haben,  dass  er  yomehmlich  die  Eremiten  versah,  die  das  Ver- 
dienst der  Mönche  noch  ttbertrnmpften.^)  Litterarische  Inter- 
essen hatte  er  gar  nicht;  die  Beschäfligang  mit  den  antiken 
Dichtem  war  ihm  natürlich  ein  Greuel.^) 

Es  ist  merkwürdig,  wie  diese  visionäre  Persönlichkeit  Ein- 
floss  in  der  Kirche  gewann,  wie  gerade  Poppo  zuerst  seine 
Lehren  in  reichsdeutsche  Klöster  verpflanzte,  wie  er  anf  Kon- 
rad IL  und  Gisela  wirkte.  Aber  gerade  eine  Natur  wie  die 
seine  konnte  vielleicht  eine  Frau,  wie  Gisela,  der  er  das  meiste 
verdankt  zu  haben  scheint,  und  auch  den  kirchlich  indifferenten 
Kaiser  fortreissen.  Es  entspricht  dann  seiner  ganzen  Erschei- 
nang,  dass  ihm  das  organisatorische  Talent  und  die  centra- 
listische  Fähigkeit  abging.  Wenn  er  den  Versach  machte,  in 
St.  Gallen  festen  Fass  zn  fassen,  so  kannte  weder  er,  noch 
der  Kaiser  die  Grenzen  des  Erreichbaren.  Er  stand  dem 
Hofe  zu  Konrads  Zeit  nahe,  aber  Poppo  wirkte  nur  zweimal 
als  Vermittler  in  politischen  Dingen,  wo  es  sich  um  französisch- 
lothringische Verhältnisse  handelte.  In  den  allgemeinen  Reichs- 
angelegenheiten begegnet  nirgend  sein  Name.  Er  pilgerte  wohl 
öfter  nach  Rom,  um  zu  beten,  aber  dass  seine  Reisen  mit  der 
italienischen  Politik  der  Kaiser  zusammenhingen,  ist  nicht  zu 
erweisen.  Sein  Einfluss  am  Hofe  war  auch  nur  von  kurzer 
Dauer;  nur  so  lange  er  St.  Maximin  das  erste  Mal  leitete,  lieh 
ihm  der  Hof  den  Arm  für  seine  Bestrebungen.  Es  ist  inter- 
essant, dass  diese  Einwirkung  auf  eben  die  Jahre  beschränkt 
blieb,  in  denen  wir  den  Höhepunkt  religiösen  Schwungs  und 
mystischer  Triebe  zu  erblicken  haben.  Unter  Heinrich  III.  er- 
kaltete, wie  es  seheint,  das  Verhältnis;  mit  seinen  Mahnungen 
gegen  die  Ehe  mit  Agnes  vermochte  Poppo  nicht  mehr  durch- 
zudringen. Seine  Stellung  zur  Kirchenreform  Heinrichs  ist 
gänzlich  unbekannt;  vielleicht  trennte  er  sich  hierin  von  den 
Anschauungen  des  französischen  Mönchtums,  vielleicht  teilte 
er  die  seines  Freundes  Wazo  von  Lüttich. 

Noch  bis  in  seine  letzte  Lebenszeit  bewegte  er  sich  jedoch 
im  Dienste  seiner  klösterlichen  Bestrebungen.    So  mochte  er 


»)  V.  Popp.  c.  28. 
»)  ib.  c.  32. 


295 

noch  in  Hantmont  eingegriffen  haben,  wo  wir  im  Jahre  1046 
zuerst  an  Folcuins  Stelle  einen  Schüler  Poppos,  Everhelm, 
seinen  späteren  Biographen,  antreffen.  Sicher  ist  seine  Wirk- 
samkeit im  letzten  Jahre  für  St  Vaast  und  Marehiennes  be- 
zeugt In  jenem  Kloster  war  nach  Leduins  Hinscheiden,  am 
2.  Januar  1047,  auf  Veranlassung  Bischof  Gerhards  und  Bal- 
duins  von  Flandern  Johannes  Abt  geworden.  Als  er  nach 
kurzer  Zeit  starb,  berief  der  Markgraf  den  Abt  von  Stablo 
zum  zweiten  Male  nach  Arras.  Der  Kaiser  befand  sich  im 
Herbst  dieses  Jahres  im  Kampfe  mit  Herzog  Gotfried  von 
LfOthringen,  der  auch  den  Markgrafen  von  Flandern  zu  seinen 
Anhängern  zählte.  Der  Krieg  hatte  sich  um  Nymwegen  con- 
centriert,  dessen  Pfalz  Gotfried  verwüstete.*)  Von  einem  Reichs- 
feinde zu  kirchlichen  Zwecken  beschieden,  bedurfte  Poppe  der 
Erlaubnis  des  Königs,  den  er  in  Nymwegen  aufsuchte.^)  Hier 
traf  er  auch  Wazo  von  Lttttich,  der  dem  Kaiser  treu  geblieben 
war  und  jetzt  Poppe  nach  Erledigung  der  Geschäfte  mit  in 
seine  Residenz  nahm. 

Erfahren  wir,  dass  Poppe  in  St  Vaast,  wo  er  am  13.  No- 
vember in  der  Umgebung  Balduins  nachzuweisen  ist^),  Wazos 
Bruder  Emmelin  die  äussere  Verwaltung  übertrug,  so  werden 
wir  hierin  das  Resultat  der  Ltttticher  Besprechungen  vor  uns 
haben.^)  Als  Poppe,  den  nahen  Tod  vorausftthlend ,  von 
St  Vaast  schied,  hinterliess  er  den  Mönchen  ein  Andenken  an 
seine  Freigebigkeit:  dreihundert  Tage  nach  seiner  Abreise 
sollten  die  Brttder  täglich  einen  Trunk  Wein  mehr  erhalten. 
Aber  der  Abt  konnte  in  sein  Stammkloster  nicht  mehr  zurttck- 
kehren.  Noch  unterwegs  berief  ihn  dek  Markgraf  nach  Mar- 
ehiennes, wo  Abt  Alberich  eben  am  2.  Januar  1048  gestorben 
war.    Auch  hier  kamen  die  Brttder  dem  greisen  und  allver- 


1)  Ann.  Leod.  1047. 

^)  V.  Popp.  c.  26;  von  Ladewig  S.  73  missverstanden.  Ebenso  un- 
annehmbar ist  seine  Conjectur  auf  S.  157,  für:  Et  primwn  a  Naumene  dvi- 
tote  cum  Wazone  episcopo  Leodium  devenit  zu  lesen :  Et  pritnum  in  Nau- 
mene civitatem  cum  Wazone  episcopo  Leodienai  devenit,  die  er  in  der 
falschen  Annahme  vorschlägt,  dass  Naumene  Namur  sei. 

3)  van  Lokeren  nr.  127.  Urk.  Balduins  für  Mont-Blandain.  In  St.  Vaast 
am  13.  Nov.  1047  ausgestellt  mit  dem  8.  Fopponis  dthaJtia, 

*)  V.  Popp,  c  26. 


296 

ehrten  Abte  frenndlieh  entgegen  and  nahmen  seine  Anord- 
nungen gern  an.  Poppo  konnte  sehwerlieh  mehr  thnn,  als 
dem  Bruder  Baldnin  die  äussere  Leitung  der  Gesehäfte  zu 
übertragen:  denn  noch  in  Marehiennes  rief  ihn  der  Tod  ab.') 

Nach  einer  qualvollen  Nacht  besehied  er  fiebernd  am 
Morgen  des  25.  Januar  Everhelm,  den  Abt  von  Hautmont,  und 
die  übrigen  Brüder  zu  sich  und  sagte  ihnen,  dass  er  sein  Ende 
nahe  ftthle.  Er  Hess  sich  von  seinem  Schüler  die  Sterbesacra- 
mente  reichen,  verlor  dann  die  Besinnung  während  des  Be- 
sponsoriums,  das  die  Mönche  sangen,  konnte  aber  noch  seine 
letzten  Anordnungen  treffen  über  die  Hinterlassenschaft,  die  er 
Kirchen,  Freunden  und  Armen  vermachte.  Theoderich,  seinen 
Zögling,  ernannte  er  zum  Abt  von  St.  Maximin,  während  er 
die  Entscheidung  über  Stablo  ablehnte.  Er  segnete  die  Seinen, 
betete,  dann  war  es  aus.^) 

Auf  gefrorenen  Strassen  über  Eis  und  Schnee  bewegte 
sich  der  Trauerzug  in  der  Richtung  auf  Lüttich.  Aus  den 
Thoren  der  Stadt  wälzte  sich  ihm  eine  Procession  entgegen, 
voran  Wazo,  der  Bischof,  dann  dunkle  Mönchsreihen,  die  Con- 
gregationen  der  Lütticher  Klöster  mit  Kreuzen,  Fackeln  und 
Weihrauchkesseln.  Dann  ging  es  weiter  nach  Stablo.  Scharen 
von  Klagenden  und  Neugierigen  hatten  sich  angeschlossen, 
während  der  Bischof  jetzt  an  der  Spitze  einherschritt  So  ge- 
langte man  nach  dem  Kloster.  Unter  Gepränge  und  lauter 
Teilnahme  wurde  der  Tote  nach  einer  feierlichen  Messe  in 
der  Crypta  der  neuen  Kirche  beigesetzt.  Man  legte  ihm  ausser 
einem  Kelche  ein  Schreiben  mit  ins  Grab,  das  Richard,  sein 
vornehmster  Lehrer,  einst  über  die  Nächstenliebe  an  ihn  ge- 
richtet, über  die  Tugend,  die  wie  ein  Band  beider  Wirksam- 
keit umschlungen  hatte.^) 

Im  ganzen  war  es  ein  Leben,  dessen  Höhepunkt  innerhalb 
weniger  Jahre  lag.  Der  Laune  eines  leicht  zu  beeinflussenden, 
kirchlich  gleichgültigen,  principienlosen  Herrschers  verdankte 
er  eine  kurze  Gunst,    wohl    zum  Teil  die  Folge  politischer 

*)  V.  Popp.  c.  27;  Ladewig  S.  74. 

>)  V.  Popp.  c.  27.  Für  das  Datum  vgl.  ausser  den  von  Ladewig 
S.  112  angeführten  Stellen  die  Necrologien  von  St  Vannes  und  Echtemacb, 
N.  Arch.  XV,  127.  138. 

»)  V.  Popp.  c.  30. 


297 

Dienste.   An  impulsiver  Kraft  nnd  schöpferischer  Arbeit  ist  er 
mit  Richard  nicht  zu  vergleichen. 

Wie  Bischof  Richard  dem  Abte  von  St.  Vannes  nach  we- 
nigen Monaten  in  die  Ewigkeit  folgte,  so  überlebte  auch  Wazo 
seinen  Freand  nur  kurze  Zeit.  Ein  Stern  leuchtete  noch  am 
kirchlichen  Himmel;  noch  lebte  Qdilo.  Aber  auch  er  ver- 
brachte diese  Tage  in  steter  Vorbereitung  auf  das  Jenseits. 

III. 

Am  23.  April  verliess  Odilo  Rom  ^)  nach  einem  Aufenthalt 
von  genau  vier  Monaten.  Der  Rückweg  fUhrte  durch  Ligurien, 
über  Turin,  den  kleinen  St  Bernhard  und  den  Jura,  wo  der 
Abt  das  Kloster  Nantua  berührte.^)  Die  ein  dreiviertel  Jahr, 
die  er  noch  in  Gluni  zubrachte,  verlebte  er  in  einer  seine 
Kräfte  übersteigenden  Askese,  den  klösterlichen  Hebungen  des 
Fastens,  Betons  und  Wachens  ganz  hingegeben.^)  Endlich 
raffte  er  sich  noch  einmal  auf.  Wie  Wilhelm  von  St.  Benigne, 
fasste  er  im  October  1048  den  Entschluss,  vor  seinem  Tode 
noch  alle  seine  Klöster  und  Gellen  zu  besuchen,  die  Brüder 
zu  prüfen  und  zu  ermahnen.  Gleich  bei  Beginn  seiner  Rund- 
reise kam  er  nach  Souvigny,  des  Majolus  Grabstätte.  Schon 
dort  musste  er  die  Hoffnung  aufgeben,  weiterzukommen.  Zwei 
Monate  nach  seiner  Einkehr  in  Souvigny  am  11.  December 
hielt  er  in  der  Kirche  noch  die  Messe  ab;  als  er  sich  am 
nächsten  Tage  aber  anschickte,  nach  Cluni  zurückzukehren, 
befiel  ihn  ein  heftiger  Leibschmerz,  der  ihn  sechs  Tage  nach 
einander  nicht  verliess.  Dann  wurden  seine  Leiden  zwar 
linder,  aber  er  vermochte  nichts  mehr  zu  sich  zu  nehmen  oder 
bei  sich  zu  behalten.^)  Nach  wenigen  Wochen,  am  Silvester- 
abend des  Jahres  1048^),  machte  ein  sanfter  Tod  seinem  Leben 


»)  N.  Arch.XV,  121. 

«)  Jota.  V.  Odü.  n,  c.  10.  11.  21  und  N.  Arch.  a.  a.  0. 

»)  V.  Odil.  I,  c.  14  und  N.  Arch.  a.  a.  0. 

*)  Bericht  der  Mönche  von  Suavigny  über  Odiles  Tod  bei  Mabillon, 
Acta  SS.  VI,  1.    Elog.  S.  Odü.  XIH,  c.  124. 

^)  Jota.  y.  OdU.  I,  c.  14:  Decessit  vero  vir  sanctw  nocte  CircumciaiO' 
nis  (lomini  nostri  lesu  Christi,  in  prima  vigilia  noctis,  quae  etiam  do- 
minica  habebatw,  aetatis  suae  anno  octingentesimo  septimo,  ordinationis 
vero  quinquagesimo  sexto,  anno  etiam  dominicae  incamationis  miUesimo 
quadragesimo  nono;  vgl.  Damiani  Vita  c.SO-,  Richard!  Chron.  Clan.  (HF 


298 

ein  Ende:  im  Alter  von  seehsnndachtzig  Jahren  yerschied  Odilo, 
ohne  einen  Nachfolger  bestellt  zn  haben. 

Das  Ableben  des  hochverehrten  Abtes  erregte  das  gewal- 
tigste Aufsehen.  Von  allen  Seiten  strömten  die  Brttder  herbei, 
um  ihrem  Oberen,  dessen  Leib  einbalsamiert  und  drei  Tage 
lang  vor  dem  Altar  der  Kirche  ausgestellt  wurde,  die  letzten 
Ehren  zu  erweisen.  Die  ganze  Provinz  kam  zu  seinen  Exequien 
zusammen.  Von  seinen  Schülern  wurde  Odilo  in  einer  neuen, 
in  Fels  gehauenen  Gruft  beigesetzt 

Odilo  war  der  Mann,  der  seiner  Zeit  den  Stempel  aufge- 
drückt hat  Er  war  der  vornehmste  Repräsentant  der  Welt- 
anschauung, die  im  Erdenleben  nur  die  Vorbereitung  zum  himm- 
lischen erblickte  und  auf  Schritt  und  Tritt  sich  an  das  Vorbild 
Christi  klammerte.  Er  erhob  diese  Geistesrichtung  zur  herr- 
schenden, er  zwang  sie  dem  Könige  von  Frankreich  und  den 
grossen  Vasallen  der  Krone  auf,  er  flösste  sie  dem  deutschen 
Kaiser  und  den  Königen  von  Spanien  und  Ungarn  ein,  er  ver- 
stand es,  durch  sie  revolutionär  unter  den  Grossen  wie  im 
Volke  zu  wirken.  Er  machte  das  MOnchtum  hoffähig,  brachte 

XI,  285);  Annal.  Nivem.  1049;  ChroD.  Dolense  1049  (Labbe  I,  316);  Herrn. 
Contr.  ChroD.  1049:  Odilo  venerabilis  duniacensia  coenobii  et  müUorum 
pater  monasteriorwn  4.  Non.  lan.  migravit  ad  Dominum^  wo  das  Datum 
falsch  ist  Die  Jahresangaben  schwanken  zwischen  1049  und  1048.  1048 
hat  das  Chron.  S.  Max.  (Chron.  des  6gl.  d'Anjou  p.  897),  Chron.  Wilh. 
Godelli  (HF  XI,  283).  —  Von  Necrologien  nennen  das  Datum  Necrol. 
S.  Ben.  bei  Montfancon  II,  1 1 60 ;  Necrol.  S.  Maxim,  bei  Houtheim,  Prodro- 
mus  II,  466  ff.:  Kai  lan.;  Martyrolog.  Autissiodor.  bei  Martene  et  Durand, 
Collect,  ampl.  VI,  686 :  Cal  lan,  Ipsa  die  in  territorio  Arvemensi  cefiobio 
SUviniaco  depasitio  damni  Odüonia  Clunia^emis  ahbatia;  Necrol.  S.  German. 
bei  Bouillart,  Hist.  de  S.  Germain  des  Prez  pr.  GVIU:  Kai,  lan.;  NecroL 
S.  Salvat  Taur.  (Hist.  mon.  Patr.  UI,  214):  Kai  lan.;  das  Necrol.  mon. 
Casin.  bei  Carusius,  Bibl.  hist.  reg.  Sic.  (Palermo  1723)  I,  523:  Ftidie  Kai 
lan.;  Martyr.  Herm.  d.  Lahmen  (Forsch,  z.  d.  G.  XXV,  209)  z.  2.  Jan.  1049. 
Das  Necrologium  von  Taloire  ed.  Bresslau,  N.  Arch.  XI,  103  hat  zu  Id. 
Dec.:  Obiit  domnw  Odilo  abbas.  Es  beruht  aber,  wie  ans  dieser  und 
andern  Stellen  hervorgeht,  auf  dem  Obituarium  Lugdun.  ed.  Guigue  1867, 
wo  zu  demselben  Tage  zu  lesen  ist:  Odilo  conversus  Älveriae.  Es  han- 
delt sich  also  nur  um  ein  Missverständnis.  —  Eigentümlich  ist,  dass  Odilo 
nach  späteren  Quellen  als  virgo  centenaritu  gestorben  sein  soll,  Clari 
Chron.  Senon.,  SS.  XXVI,  32;  Chron.  Wilh.  Godelli  a.  a.  0.;  Chr.  Strozzian., 
HF  XI,  294. 


299 

es  in  einfluBseiche  Stellungen  and  erfüllte  das  Beamtentum 
mit  mönchischem  Geiste.  Er  war  typisch  für  das  elfte  Jahr- 
hundert, wie  Bernhard  von  Clairvaux  für  das  zwölfte.  Mit 
diesem  hatte  er  auch  das  Visionäre  der  Erscheinung  gemein- 
sam. Er  thut  Wunder,  wie  der  grosse  Cisterzienser.  Drei 
Mittel  sind  es,  durch  die  er  wirkt:  durch  Gebete,  durch  das 
Zeichen  des  Kreuzes  und  den  Becher  des  hl.  Majolus.  Je  nach 
der  Art  des  zu  heilenden  Schadens  werden  sie  angewandt  Er 
liebt  zwar  nicht,  dass  die  Menge  davon  spricht,  aber  er  glaubt 
doch  felsenfest  an  die  Wirkung  der  ihm  gegebenen  Kräfte. 
In  der  Biographie  Jotsalds  ist  das  äussere  Leben  des  Hel- 
den in  nichts  zerflossen;  der  Verfasser  erhebt  die  vier  Gar- 
dinaltugenden  zum  Einteilungsprincip:  es  ist  ein  Heiliger,  der 
uns  vorgeführt  wird,  und  zwar  nicht  ein  künstlich  ausstaffierter 
Heiliger  vergangener  Jahrhunderte,  sondern  Odilo  ist  vor  kur- 
zem erst  gestorben,  das  Ideal  seiner  Geistesgenossen ,  von 
dessen  Leben  nur  eins  ausführlicher  Schilderung  wert  schien 
—  der  Tod. 

Und  doch  hat  Odilo  ein  äusserst  wechselreiches  und  von 
rastlosem  Schaffen  erfülltes  Leben  geführt  Ohne  Unterlass 
hat  er  am  Ruhme  seines  Klosters  gearbeitet  Unermüdlich 
reiste  er  von  Kloster  zu  Kloster,  zog  er  an  die  Höfe;  wie  häufig 
eilte  er  über  die  Alpen,  um  im  Gefolge  und  unter  der  Gunst 
der  .deutschen  Kaiser  die  nötigen  Geschäfte  in  Italien  und  an 
der  Curie  zu  besorgen.  Er  war  durch  den  italienischen  Besitz 
seines  Klosters  und  die  Beziehungen  zum  römischen  Stuhl  öfter 
zu  solchen  Reisen  gezwungen.  Der  religiöse  Zug  nach  Rom, 
der  Stadt  der  Apostel,  wirkte  ebenso  stark  auf  ihn,  als  der 
Wunsch,  den  römischen  Stuhl  von  den  Adelsgewalten  firei  in 
idealer  Weise  seine  Herrschaft  über  die  gesamte  Kirche  aus- 
üben zu  sehen.  Die  Hoffnung,  dass  dies  die  deutschen  Waffen 
bewirkten,  die  Hoffnung  auf  die  Fürsprache  der  deutschen 
Könige  beim  Papste  war  auf  jeden  Fall  bestimmend  für  ihn, 
um  ihr  Erscheinen  jedesmal  abzuwarten. 

Wir  werden  später  im  Zusammenhang  die  Stellung  zu  er- 
örtern haben,  die  Odilo  und  seine  Gesinnungsgenossen  den 
grossen  Fragen  der  Zeit  gegenüber  einnahmen,  wir  werden 
uns  über  die  Ziele  und  Tendenzen  der  ganzen  Richtung  zu 
verständigen  haben.    Hier  haben  wir  es  nur  mit  dem  Person- 


800 

liehen  zu  than.  Seine  Ideale  waren  noch  immer  die  seiner 
Vorgänger:  das  Reich  Christi  auf  Erden  zu  verwirkliehen.  Es 
ist  kein  Zufall,  dass  seine  Predigten  sich  ausschliesslich  auf 
christliche  Festtage,  auf  das  Leben  Christi  und  das  Symbol 
des  Kreuzes  beziehen,  dass  sie  ebenso  mystische  Ueberschweng- 
lichkeit  verraten ,  als  jeden  Bezug  auf  Verhältnisse  seiner  Zeit 
vermissen  lassen.  Friede  zu  predigen,  die  Streitenden  zu  ver* 
söhnen,  die  Unterliegenden  zu  schützen,  das  war  die  Politik,  die 
er  vertrat.  Deshalb  beteiligte  er  sich  so  rege  an  den  Friedens- 
bestrebungen der  französischen  Kirche.  Seine  Thätigkeit  war 
dem  Zwecke  gewidmet,  den  Geist  der  Weltflucht  zu  nähren, 
den  Weltflüchtigen  sichere  Asyle  zu  schaffen,  die  vorhandenen 
durch  festen  Zusammenschluss  und  möglichst  grosse  Freiheiten 
gegen  Anfechtungen,  inneren  und  äusseren  Verfall  zu  wahren. 
Der  Seelenfang  ist  es  auch,  was  ihm  am  meisten  Befriedigung 
gewährt.  0 

Hatte  das  Mönchtum  es  verstanden,  Robert  von  Frankreich 
seinen  Tendenzen  geneigt  zu  machen,  so  ist  es  doch  begreif- 
lich, dass  diese  Eroberung  der  Gemüter  nicht  ohne  Widerstand 
von  statten  ging.^)  Mit  Sorge  sah  der  hohe  Weltclerus,  das 
geistliche  Fürstentum,  die  mönchischen  Lebensgewohnheiten 
alle  Lebenskreise  durchdringen.  Es  war  der  Moment,  in  dem 
beide  Weltanschauungen  an  einander  stiessen:  das  national  galli- 
canische  Element  mit  dem  universal  romanischen.  Als  Führer 
und  Träger  der  jungen,  von  idealer  Begeisterung  getragenen, 
beständig  in  siegreichem  Fortschritt  begriffenen  monachistischen 
Richtung  genoss  Odilo  ein  fast  übermenschliches  Ansehen.  Fnl- 
bert  von  Chartres  unterwarf  seinen  Lebenswandel  dem  Urteil 
des  Abtes.^)  »Als  glänzendsten  Spiegel  hat  Gott  Euch  in  die 
Welt  gesetzt*',  schrieben  ihm  die  Domherren  von  Chartres,  als 
sie  bei  einem  Streit  um  das  Bistum  nach  Fulberts  Tode  um 
seinen  Beistand  baten.^)  Selbst  Leute,  wie  Leotherich  von 
Sens,  der  stolze  Primas  Galliens,  konnten  trotz  allen  Wider- 
strebens sich  seinem  Einfluss  nicht  entziehen.^)   An  den  Höfen 


1)  Vgl.  JotB.I,  C.11. 

')  S.  oben  S.  32.  Von  Anfeindungen  spricht  Jotsald  I,  c.  12. 
3)  Odü.  epist.  1,  Migne  192,  939. 
*)  Fulb.  epist.  138. 
«0  Epist.  75. 


301 

war  Odilo  Gegenstand  besonderer  Aufmerksamkeit^),  ein  mit 
hoher  Achtang  begrttsster  Gast  Wir  haben  gesehen,  dass  er 
den  Zeitgenossen  an  der  Spitze  der  ihn  begleitenden  Mönehs- 
scharen  wie  ein  Fürst  erschien;  wo  er  hinkam,  hielt  er  förmlich 
Aadienz:  da  trafen  Aebte  and  Mönche  der  Nachbarschaft  ein, 
am  ihn  za  begrttssen.^)  Die  Wander,  die  er  that,  setzten  seine 
Umgebang  in  Erstaanen;  die  Messen  and  Gebete  seiner  Mönche 
machte  der  Glaabe  zam  sichersten  Mittel,  das  Seelenheil  za 
gewinnen. 

Es  ist  aber  kaam  za  verkennen,  dass  dieser  Einfloss  des 
Abtes  am  Anfang  der  dreissiger  Jahre  des  elften  Jahrhunderts 
seinen  Höhepunkt  erreicht  hatte,  genau  so  wie  der  Poppos 
im  dentsehen  Reiche.  Mit  dem  Tode  Roberts  IL  lockerten 
sich  die  Beziehungen  zum  französischen,  mit  der  Eroberung 
Burgunds  durch  Konrad  II.  die  zum  deutsehen  Hofe.  Die 
Kolonisation  des  burgundischen  Reiches  durch  Cluniacenser- 
mönche  ruhte  vor  der  Hand.  Mit  dem  Auftreten  Benedicts  IX. 
fiel  jede  Verbindung  mit  dem  römischen  Stuhle  fort  Es  waren 
jene  gewitterschwülen  Jahre,  in  denen  die  Uebel  der  Zeit  in 
der  gesamten  Christenheit  in  angsterregender  Weise  ihr  Haupt 
erhoben  und  die  Aufmerksamkeit  aller  Wohlgesinnten  auf  sich 
lenkten,  jene  Zeit,  in  der  furchtbare  Notstände  und  Seuchen 
die  religiöse  Erhebung  fast  niederbrachen,  zu  angenblicklicher 
practischer  Hilfe  aufforderten,  aber  den  Schwung  der  Seele 
lähmten,  es  war  jene  Zeit,  in  der  die  schöne  Entfaltung  reli- 
giöser Verinnerlichung  der  starren  Betonung  des  kirchlichen 
Rechtes  weichen  musste.  Man  kann  nicht  übersehen,  dass 
diese  Ermattung  der  freien  religiösen  Begeisterung  auch  in 
der  Abnahme  der  Schenkungen,  die  Cluni  in  jenen  Jahren 
erhielt,  zu  Tage  tritt. 

Odilo  hatte  noch  die  Freude,  den  energischen  Eingriff 
Heinrichs  III.  in  die  römischen  Verhältnisse  zu  erleben.  Da 
war  alle  Zwistigkeit  vergessen:  er  eilte  nach  Rom,  um  die 
Hoffnung  auf  Besserung  mit  ins  Grab  zu  nehmen.  Noch  ein- 
mal erschien  der  mehr  als  Achtzigjährige  hier  im  Glänze  und 

^)  Vgl.  Jota.  II,  c.  12,  wo  Heinrich  IL  ihm  einst  bei  einem  Mahle  für 
seine  Tafel  vom  eigenen  Tisch  ein  Qefäss  mit  Gewürzen  schickt. 
»)  Jets.  V.  OdU.  II,  c.  8. 


302 

in  dem  Ansehen  seiner  jüngeren  Jahre.  So  stand  dieser  ehr- 
würdige Greis  in  der  Morgenröte  einer  neuen  Zeit,  als  er  starb 
znm  untröstlichen  Sehmerze  seiner  treuen  Jünger.  Die  Sonne 
schien  sich  zu  verfinstern,  der  Mond  zu  erbleichen,  die  Sterne 
zu  zerschellen  und  der  Himmel  zu  schwanken.^)  Jotsald,  sein 
vertrauter  Schüler,  schlug  in  die  Saiten:  immer  wieder  be- 
klagte er  den  Hingang  seines  Abtes,  pries  er  seine  Tugenden, 
malte  in  glühenden  Farben  seinen  Empfang  im  Himmel  und 
empfahl  sich  und  seine  Freunde  —  dem  neuen  Heiligen.^) 


8.   Der  Sieg  der  Reform. 

Die  Opposition  gegen  Heinrichs  Kirchenpolitik. 

Kurz  vor  seinem  Tode  hatte  Odilo  den  Prior  Hugo  nach 
Deutschland  entsandt,  um  dem  Kloster  Peterlingen  die  Gunst 
Heinrichs  III,  die  es  verloren  hatte,  wieder  zu  verschafifen. 
Auf  der  Heimreise  traf  Hugo  die  Kunde  vom  Ableben  des 
Abtes:  er  war  vielleicht  noch  nicht  beigesetzt,  als  der  Prior  in 
die  Capitelssitzung  trat,  wo  die  Mönche  über  den  Tod  Odilos 
klagten.^)  In  Besanfon  soll  Hugo  mit  dem  Bischöfe  Bruno 
von  Toul,  der  nach  Rom  zog,  um  seinen  Pontificat  anzutreten, 
zusammengetroffen  sein^):  eine  Nachricht,  die  dadurch  ver- 
dächtig ist,  weil  sie,  von  einem  unglaubwürdigen  Autor  vor- 
getragen, in  engster  Verbindung  mit  durchaus  unhaltbaren 
Dingen  berichtet  wird.  Denn  dass  in  Hugos  Gesellschaft  sieh 
damals  der  Mönch  Hildebrand  befunden  habe,  wird  man  um 
so  eher  aufgeben  müssen,  als  eine  glaubwürdigere  Quelle  ihn 
von  Anfang  an  in  Leos  Umgebung  sein  lässt  und  an  einen 
Aufenthalt  oder  einen  Profess  Hildebrands  in  Cluni  gar  nicht 


1)  Vgl.  N.  Arch.  XV,  124,  Str.  5. 

')  Vgl.  seinen  Planctus  (Bibl.  Glun.  col.  329  f )  und  die  übrigen  von 
mir  verüffentlichten  Gedichte,  N.  Arch.  XV,  122  ff. 

')  HUdeberti  V.  Hugonis  c.l. 

*)  Bonizonis  liber  ad  amicum  V,  Libelli  de  lite  I,  587;  vgl.  Lehmann, 
Forschungen  zur  Gesch.  des  Abtes  Hugo  von  Glany  S.  7ß;  L'Huillier,  Vie 
de  Saint-Hugues,  Paris  1888,  p.  45  schliesst  Besan^on  aus,  indes  sind  seine 
Gründe  nicht  stichhaltig,  wenn  er  meint,  dass  Hugo  dann  einen  Umweg 
gemacht  hätte. 


308 

zn  denken  isi^)  Genan  zur  selben  Zeit  erfolgte  auf  dem 
römiBehen  Stahle,  wie  auf  dem  Abtsitz  in  Glnni  ein  Wechsel: 
dass  dort  Leo  IX,  hier  der  Prior  Hugo  von  Semar  die  vacante 
Würde  erlangten,  war  für  die  Folgezeit  von  nicht  geringer 
Bedentang. 

Die  Erhebung  des  Bischofs  von  Tool  auf  den  Stahl  Petri 
bezeichnete  in  der  Kirchenpolitik  Heinrichs  einen  vollkomme- 
nen Umschwung.  Die  deutschen  Bischöfe,  die  er  bisher  nach 
Rom  geschickt  hatte,  waren  Männer  der  alten  deutschen  Kirche, 
persönlich  ehrenhafte  und  pflichttreue  KirchenfUrsten ,  dem 
Oberhaupt  des  Reiches  treu  ergeben,  aber  ohne  hierarchische 
Grundsätze,  ohne  Verständnis  fUr  die  Superiorität  der  Kirche, 
ohne  das  agitatorische  Talent,  das  die  Begeisterung  ftlr  ein 
Ideal  hervorzurufen  und  zu  nähren  pflegt.  Als  Damasus  IL 
nach  einem  Regiment  von  nur  wenigen  Wochen  gestorben  war, 

^)  Will,  Die  Anfänge  der  Restaaration  der  Kirche  S.  26  schliesst  sich 
ganz  Bonizo  an.  An  einem  Aufenthalt  Hildebrands  in  Gluni  hält  Giese- 
brecht  auch  II  (5.  Aufl.),  456  fest,  obgleich  die  Gegengründe  Steindorffs 
II,  72—75  und  namentlich  das,  was  Härtens,  War  Gregor  VII.  Münch? 
S.  24  ff.,  41  ff.,  49  ff.  bemerlLt,  ausschliessen,  dass  Hildebrand  je  in  Clani 
gewesen  ist;  vgl.  Schirmer,  De  Hildebrando  subdiacono,  1860,  p.  81  ff.  — 
Was  Boniso  als  Resultat  der  Einwirkung  Hildebrands  in  Besannen  hin- 
stellt, widerspricht  den  Nachrichten  der  Wiberti  V.  Brunonis  und  Bruno 
von  Segni  (Lib.  II,  547).  Dass  Bruno  schon  Ton  Toal  im  Pilgergewand 
auszog,  hat  auch  Giesebrecht  U,  671  anerkannt.  Aber  überhaupt  die  ganze 
Auffassung  seiner  Erhebung  durch  den  Kaiser  als  eine  uncanonische,  die 
Bruno  nach  Bonizo  erst  durch  Hildebrand  imputiert  sein  soll,  hat  er  nach 
Wibert  II,  c.  2  in  Worms  schon  besessen,  wenn  er  die  Wahl  annimmt  ea 
conditione,  si  mtdiret  totiua  cleri  ac  Bomani  popiUi  comnwnem  esse  sine 
dubio  consensum.  Die  Einwirkung  Hildebrands  verlegt  dann  Bruno  von 
Segni,  der  vieles  von  Papst  Gregor  selbst  gehört  hatte,  nach  Worms. 
Wenn  Beno,  Gesta  Rom.  eccl.  II,  c.  9  sagt:  In  cuius  camitatu  nitnia  im- 
peratoris  indtUgentia  permissus  est  reverti  Hüdebrandus  . . .  Brunani  igi- 
twr  in  itinere  muUa  loqttendo  se  subposuit,  so  würde  auch  daraus  her- 
vorgehen, dass  Hildebrand  von  vornherein  in  Brunos  Umgebung  war. 
Wenn  Giesebrecht  S.  456  sagt:  „Dass  Hildebrand  nur  ungern  Gluni  ver- 
liess,  wissen  wir  aus  seinem  eigenen  Munde*,  so  ist  das  durchaus  un- 
richtig. Aus  seinem  eigenen  Munde  wissen  wir  nur,  dass  er  Bruno  un- 
gern nach  Rom  folgte  —  von  Cluni  ist  nirgend  die  Rede.  Und  das  ent- 
spricht genau  dem,  was  Bruno  von  Segni  erzählt,  dass  Hildebrand  sich 
anfangs  weigerte,  Bruno  zu  folgen,  und  zwar  nicht,  was  Giesebrecht  an- 
zunehmen scheint,  well  es  ihm  in  Cluni  so  gut  gefiel,  sondern  weil  Bruno 
seiner  Anschauung  nach  uncanonisch  gewählt  war. 


304 

dachte  der  Kaiser  zunächst  wieder  daran,  einen  deutschen 
Bischof  aus  den  eisrhenanischen  Gebieten  zu  ernennen.  Aber 
wird  uns  auf  der  einen  Seite  berichtet,  dass  der  deutsehe 
Episcopat  durch  die  rasch  hintereinander  erfolgten  Todesfälle 
entmutigt  war^,  so  kann  man  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
annehmen,  dass  bereits  eine  Richtung  die  Oberhand  gewonnen 
hatte,  die  in  den  westlichen  Teilen  des  Reiches  Anhänger 
zählte  und  sich  der  kirchenrechtlichen  Grundlagen  des  Papst- 
tums zu  besinnen  anfing.  Es  war  die  Reaction  gegen  die  Ge- 
waltherrschaft, die  Heinrich  III.  über  den  römischen  Stuhl  aus- 
übte. Denn  man  wurde  sich  klar  darüber,  dass  es  kein  nor- 
maler und  hergebrachter  Zustand  war,  wenn  der  Kaiser  nach 
Belieben  Päpste  ein-  und  absetzte.  Man  hatte  die  Willkttr- 
herrschaft  des  römischen  Adels  schwer  genug  empfunden,  um 
nicht  jetzt  flir  die  Kirche  die  Freiheit  zu  fordern,  die  ihr  die 
alten  Canones  gewährleisteten.  Den  Canones  gegenüber  hatte 
der  Kaiser,  mochte  er  noch  so  kirchlich  gesinnt  sein,  nicht 
mehr  Recht,  als  der  gewaltthätigste  römische  Stadttyrann. 

Nicht  im  cluniacensischen  Mönchtnm,  nicht  in  den  italie- 
nischen Eremitencongregationen,  sondern  im  niederlothringi- 
schen Episcopat  kommen  die  neuen  kirchenrechtlichen  An- 
schauungen zuerst  zum  Vorschein.^)  Die  Cluniacenser  waren 
Idealisten  ohne  eine  andere  festgesteckte  Marschroute,  als  das 
Evangelium  und  die  Benedictinerregel.  Sie  wünschten  eine  von 
Lastern  freie  Kirche;  aber  die  Wege,  die  dahin  führten,  waren 
ihnen  gleichgültig.  Neben  ihnen  traten  jetzt  aber  die  starren 
Legisten  in  die  Arena.  Wenn  Wazo  von  Lüttil^h  dem  Kö- 
nige erklärte,  dass  die  Salbung  des  Priesters  die  des  Königs 
um  so  viel  überrage,  als  das  Leben  mehr  sei,  denn  der 
Tod^),  so  spricht  sich  darin  ein  in  dieser  Zeit  unerhörtes 
Bewusstsein  von  der  Hoheit  des  geistlichen  Amtes  ans,  ein 
Selbstbewusstsein,    das    die    Grundlage    für    die    Tendenzen 


^)  Vgl.  Bonizo  a.  a.  0. :  episcopis  quippe  nolentibus  Bomam  tendere; 
Bruno  von  Segni,  Lib.  II,  537:  Timebat  enim  gens  iüa  huius  nostrae 
terrae  hahitationemf  utpote  quae  de  locis  aanisnmis  ad  loca  infirma  trans- 
mearet, 

^)  Vgl.  Cauchie,  La  querelle  des  investitures  etc.  p.LXXX. 

>)  Anselmi  Gesta  episc.  Leod.,  SS.  VII,  229;  vgl.  Cauchie  p.LXXVI. 


305 

Hildebrands  geworden  ist.  Das  Mönchtum  sah  im  Mönehs- 
leben  die  Verwirklichnng  des  christlichen  Ideals;  und  in  so- 
fern fühlten  sich  seine  Mitglieder  mehr  als  Laien  nnd  Priester. 
Nur  die  innere  Moralität  wurde  zum  Massstabe  der  äusseren 
Würdigkeit.  Aber  es  lag  nicht  im  Bereiche  seiner  Ten- 
denzen, den  Gegensatz  zwischen  der  Priesterweihe  nnd  der  des 
Königs  in  dieser  Stärke  zu  betonen:  um  so  weniger,  als  das 
Mönchtum  dem  Weltclerus  in  der  Regel  selbst  schroff  gegen- 
über stand.  Seit  jeher  hatte  die  reformatorische  Richtung  im 
Klosterwesen  sich  der  weltlichen  Macht  aufs  engste  ange- 
schlossen und  mit  ihrer  Hülfe  sich  von  der  Weltgeistlichkeit 
zu  emancipieren  gesucht:  überall  war  die  Voraussetzung  die 
Superiorität  des  Königtums.  Man  braucht  nur  an  Abbo  zu 
denken,  der  von  allen  Führern  der  Mönchspartei  der  beste 
Rechtskenner  und  der  eifrigste  Ultramontane  war:  die  Ober- 
hoheit der  Krone  über  alle  weltliche  wie  geistliche  Grosse  ist 
fUr  ihn  die  Grundlage  alles  Staatsrechts.^)  Die  Mönche  schied 
keine  durch  die  Weihe  empfangene  Amtsgnade  von  den  Laien. 
Aber  mit  dem  drückenden  Bewusstsein  der  Abhängigkeit  von 
der  weltlichen  Macht  und  den  Misständen,  die  die  willkür- 
lichen Eingriffe  des  Laientums  herbeigeführt  hatten,  wuchs  bei 
dem  Glerus  das  Gefühl  der  Begnadung,  der  Superiorität  den 
Laien  gegenüber:  ein  Gefühl,  das  durch  das  erneute  Studium 
des  canonischen  Rechts,  vor  allem  des  Pseudo-Isidor,  genährt, 
zu  scharfem  Ausdruck  der  Scheidung  hindrängte. 

Nur  von  clerikaler  Seite  wurde  die  Berechtigung  des  Kai- 
sers, über  den  päpstlichen  Stuhl  zu  verfügen,  angefochten. 
Wenigstens  wissen  wir  nur  von  Aeusserungen  Wazos  von 
Lüttich  und  eines,  wie  es  scheint,  niederlothringischen  Gleri- 
kers.^)    Es  ist  da  bezeichnend,  dass  Wazo  sich  selbst  auf  die 


^)  S.  Sacknr,  Zu  den  Streitschriften  des  Deusdedit  and  Hugo  von 
Fleury,  N.  Arch.  XVI,  371. 

>)  Gedruckt  zuerst  Forsch,  z.  D.  Gesch.  XX,  570--586;  dann  Libelli 
de  Ute  1, 8—14.  Die  Herausgeber  halten  den  Verfasser  für  einen  Fran- 
zosen. Indes  ist  das  sehr  unwahrscheinlich.  Dass  die  Adressaten  fran- 
zösische Bischöfe  sind,  wird  allerdings  nicht  bezweifelt  werden  dürfen, 
wie  sich  aus  den  Worten:  Episcopi  Franciae  non  invitati  sunt  ergiebt 
Wenn  aber  der  Ver&sser  p.  9  meint:  Si  igitwr  per  vestram  exortationem 
et  hanc  sagacuiaimam  inceptionem  etnico  episcopi  v  es  tri  omnes  ubicumque 

Saokar,  ClnulAcenaer.   II.  20 


306 

alten  Papstdecrete  nnd  Canones  beruft  ^),  und  dasB  der  erwähnte 
Cleriker  in  jenem  Schreiben  seine  Ansichten  fast  aasschliess- 
lich  durch  zahlreiche  Stellen  aus  dem  Pseudo-Isidor  stützt  Es 
ist  die  erste  polemische  Schrift  des  elften  Jahrhunderts,  die 
eine  ausgebreitete  Kenntnis  der  unechten  Decretalen  verrät 
Wenn  Wazo  von  Lttttich  die  Ansicht  vertritt 3),  dass  kein  Papst, 
möge  seine  Lebensweise  sein,  wie  sie  wolle,  von  irgend  jeman- 
dem augeklagt,  geschweige  abgeurteilt  werden  dürfe,  so  verrät 
schon  der  Wortlaut  seiner  Aeusserungen,  dass  er  seine  Theo- 
rieen  Pseudo-Isidor  verdankt^)  Die  Einmischung  der  welt- 
lichen Macht  in  kirchliche  Dinge  bekämpft  er^),  wie  Pseudo- 
Isidor.  Für  ihn  ist  Gregor  VI.  ganz  zu  Unrecht  abgesetzt 
worden;  er  verlangt  deshalb,  dass  er  nach  Clemens'  IL  Tode 
wieder  restituiert  werde.^)  Ebenso  hält  der  Cleriker,  der  fran- 
zösischen Bischöfen  auf  eine  kirchenpolitische  Frage  antwortet, 


cum  niagistris  suis  ad  hoc  loquuntuvj  so  deutet  der  Ausdruck  episcopi 
vestri  auf  eine  verschiedene  Nationalität  des  Autors  und  der  Bischöfe. 
Dasselbe  ist  aus  episcopi  Franciae  zu  schliessen.  Denn  da  der  Vf  jede 
deutliche  Bezeichnung  und  Namensnennung  sonst  sichtlich  vermeidet,  so 
würde  er  auch  in  diesem  Falle  episcopi  nostri  gesetzt  haben,  wenn  er 
Franzose  wäre.  Ein  oberdeutscher  oder  sächsischer  Cleriker  würde  frei- 
lich in  so  abfälliger  Weise  von  Heinrich  nicht  gesprochen  haben;  da  aber 
analoge  Anschauungen  in  Niederlothringen  nachweisbar  sind,  so  nehme 
ich  keinen  Anstand,  den  Verfasser  in  diese  Gegenden  zu  versetzen.  Dazu 
kommt,  dass  die  Dunkelheit  der  Wendungen  und  die  Vorsicht,  nähere 
Anspielungen  zu  vermeiden,  eher  auf  einen  Unterthan  des  Kaisers,  als 
einen  Ausländer  hinweist.  Zu  beachten  ist  aber  vor  allem,  dass  das 
Stück  gerade  in  einem  Leidener  Codex  überliefert  ist. 

'  1)  SS.  XIV,  117;  Ans.  Gesta  episc.  Leod.  c.  65.  Wazo  studierte:  gesta 
pontificum  Bomanorum,  hinc  eorundem  decretaj  hinc  autenticos  canones 
capitulare  recensere  sollicitus  fuit 

^)  In  quibus  diligenter  revoluiis  nihü  aliud  qu>am  summum  ponti- 
ficemf  cuiuscumque  vitae  fueritj  summo  honore  haberif  eum  a  nemine  un- 
quam  iudicari  opportere,  immo  nuüius  inferioris  gradus  accusationem  ad- 
versus  superiorem  redpi  debere,  invenire  potuit  Dem  Kaiser  schrieb  Wazo 
nach  Clemens'  II.  Tode :  summum  pontificem  a  nemine  nisi  a  solo  Deo 
diiudieari  debere, 

>)  Vgl.  Capit.  Angilr.  c.  51,  Hinschius,  Decret.  Pseudoisid.  p.  766. 

*)  Anselm  c.  57:  eo  quod  discutiendas  episcoporum  super  ecclesiasticis 
ordinibus  causas  nequam  iUi  utpote  laicOj  sed  summo  pontifici  assignavit; 
c.  58.  Dem  Kaiser  sagte  er:  Vobis  de  secularibuSf  iüi  rationem  reddere 
debemus  de  his  quae  ad  divinum  officium  attinere  videWtwr, 

0  Anselm  c.  65. 


307 

das  Verfahren  gegen  Gregor  VI,  wenn  er  auch  durch  Simonie 
auf  den  päpstlichen  Stuhl  sich  geschwungen,  fllr  durchaus  un- 
canonisch.  Er  verlangt,  dass  sämtliche  Bischöfe  der  Kirche 
bei  der  Papstwahl  anwesend  seien  oder  wenigstens  ihre  Zu- 
stimmung gäben  1):  den  nicht  zur  Ordination  geladenen  er- 
wachse keine  Verpflichtung  der  Obödienz.  Ganz  wie  der 
Bischof  von  Lüttich  bei  Gelegenheit  der  Beratung  über  Wigger 
von  Ravenna  streng  zwischen  dem  weltlichen  Richteramt  des 
Kaisers  und  dem  geistlichen  des  Papstes  schied,  so  unter- 
scheidet auch  der  Briefschreiber  zwischen  der  geistlichen  und 
weltlichen  Amtsbefugniss.^)  Auch  er  betont,  dass  die  Kaiser 
den  Bischöfen  untergeben  seien.  Laien  haben  in  Kirchensachen 
durchaus  nicht  mitzusprechen,  tönt  es  aus  beider  Munde.  Darum 
war  auch,  wie  der  Cleriker  meint,  das  Geständnis  Gregors  un- 
gültig, weil  es  durch  den  Druck  des  Kaisers,  der  kein  Recht 
hatte,  es  zu  fordern,  erzwungen  war.  Wenn  in  der  Kirche  das 
Volk  dem  Priester  beichte,  der  Priester  dem  Bischöfe,  der 
Bischof  dem  Papste,  so  kann  dieser  nur  von  Gott  gerichtet 
werden.^)  Der  Kaiser  hatte  also  kein  Recht,  den  höchsten 
Bischof  anzutasten.  In  gleicher  Weise  ist  die  Wahl  des  Bischofs 
von  Bamberg  ungültig,  da  die  Papstwahl  dem  Volke  und  vor 
allem  dem  Clerus  zusteht.  Heinrich  habe  Gregor  auch  nur 
abgesetzt,  weil  er  ihn  für  seine  Interessen,  namentlich  seine 
anstössige  Ehe  nicht  gefllgig  genug  gefunden  habe,  während 
Clemens  ihm  dienen  sollte.^) 

Ueberall  werden  diese  Behauptungen  mit  pseudo-isidori- 
schen  Sätzen  gestützt.  Es  sind  Anschauungen,  die  im  gre- 
gorianischen Zeitalter  zu  allgemeinerer  Geltung  kamen;  die- 
selben Beispiele  aus  der  Papst-  und  Kirchengeschichte  für  die 
Superiorität  der  geistlichen  und  bischöflichen  Gewalt  werden 


1)  Auetor  Galliens  a.  a.  0.  p.  1 1 :  Episcopi  Franciae  non  invitati  sunty 
nee  dedere  consenswm.  Qui  ergo  secemuntur  ab  Ordinationen  absolvantur 
et  a  debito  obedierUiae.  Meines  Wissens  eine  in  dieser  Zeit  einzig  da- 
stehende Theorie. 

')  Auctor  Galliens  p.  13. 

')  ib.  p.  13:  In  aecclesia  populua  sacerdoti,  sacerdos  episcopo  potest 
confiterij  episcopus  sumtno  et  universali  ponti/icif  ille  auteln  aoli  Deo,  qui 
eum  8U0  iuditio  reservavit 

*)  ib.  p.  13. 

20* 


Ö08 

später  von  der  päpstlichen  Partei  ins  Feld  geführt J)  Dass  die 
kirehenreehtliehen  Studien  in  dieser  Zeit  in  den  französischen 
Klöstern  eine  Stätte  fanden,  ist  nirgend  recht  zu  ersehen.^)  In- 
Clnni  gewiss  nicht;  aber  auch  in  Flenry  zeigt  Abbos  Canonsamm- 
lung  so  wenig  Kenntnis  der  falschen  Decretalen,  als  es  andrer- 
seits feststeht,  dass  hier  eine  royalistische  Auffassung  selbst 
über  die  Zeit  Hildebrands  sich  traditionell  fortpflanzte.^)  Da- 
gegen ist  sicher,  dass  in  den  hochentwickelten  Schulen  der 
niederrheinischen  Bischofssiädte  eben  damals  das  canonische 
Recht  eifrige  Pflege  fand,  wie  tiberhanpt  einzelne  Bischöfe,  ich 
erinnere  an  Fulbert  von  Charti'es  und  Burchard  von  Worms, 
bereits  am  Anfange  des  elften  Jahrhunderts  sich  kirehenreeht- 
liehen Studien  mit  besonderer  Neigung  hingaben. 

Vom  Weltderus  ging  die  Agitation  gegen  die  Politik  Hein- 
richs III.  aus;  aber  es  ist  begreiflich,  dass  auch  manche  von 
denen,  die  ursprünglich  mit  der  mönchischen  Reformpartei 
sich  über  die  Reinigung  der  römischen  Kirche  und  ihre  Be- 
fi*eiung  aus  der  Gewalt  des  Adels  freuten,  bedenklich  wurden, 
zumal  die  Uebertragung  der  Papstwahl  auf  Heinrich  durch  die 
Römer  ^)  dessen  Gewaltherrschaft  zu  einer  dauernden  zu  machen 
schien.  Keine  active  Abwehr  war  freilich  von  dieser  Seite  zu 
erwarten,  aber  doch  eine  Zurückhaltung,  die  schliesslich  den 
Sieg  der  legis  tischen  Opposition  herbeiführte.  Derartige  Ein- 
flüsse traten  nun  bei  den  folgenden  Ereignissen  zu  Tage. 


>)  Namentlich  das  Beispiel  Constantins  und  die  Excommuoicatioii 
Chariborts  duich  St.  Germanns,  beides  oft  wiederholte  Beispiele. 

')  Halinard  wird  allerdings  Kenntnis  des  canonischen  Rechts  nach- 
gerühmt (s.  o.  S.  278),  auch  Majolus  soll  rechtskundig  gewesen  sein  (s.  Bd.I, 
S.  254) ;  wie  weit  diese  Kenntnis  aber  reichte,  ist  nicht  zn  ersehen.  Die 
ganze  Gluniacenserlitteratur  veriUt,  wenn  wir  Abbo  ausnehmen,  so  wenig 
Kenntnis  des  canonischen  Rechts,  dass  wir  ans  diesen  Bemerkungen  kaum 
weitergehende  Schlüsse  werden  ziehen  dürfen.  Pseudo-Isidor  war  jeden- 
falls unbekannt. 

»)  Vgl.  N.  Arch.  XVI,  370  flf. 

*)  Vgl.  Petri  Dam.  Liber  grat.  c.  38,  p.  71.  Vom  Patriziat  sehe  ich 
in  diesem  Zusammenhange  ganz  ab,  da  ich  zwar  glaube,  dass  der  Patriziat 
eine  gewisse  formelle  Bedeutung  ftir  die  Papstwahl  hatte  —  indem  Hein- 
rich III.  als  Römer  anerkannt  wurde  — ,  dass  aber  das  Recht  essentiell 
nur  in  der  besonderen  Verleihung  der  Römer  enthalten  war. 


309 


Papst  Leo  IX. 

Nach  dem  Tode  des  Damasns  erscbienen  römische  Ge- 
sandte am  kaiserlichen  Hofe  und  erbaten  sich  den  Erzbischof 
Halinard  von  Lyon,  den  sie  von  seinen  zahlreichen  Pilgernngen, 
die  er  nach  Rom  nntemahm,  kannten  und  wegen  seiner  grossen 
Sprachkenntnisse  und  Leutseligkeit  hochschätzten. i)  Es  war 
derselbe  Mann,  der  sich  bei  seiner  Erhebung  zum  Erzbischofe 
geweigert  hatte,  dem  Kaiser  den  Fidelitätseid  zu  leisten,  und 
der  damals  die  Unterstützung  der  drei  oberlothringischen  Bi- 
sehöfe von  Metz,  Toul  und  Verdun  erhalten  hatte.  Diesmal 
schlug  er  das  höhere  Amt  entschieden  aus,  wohl  durch  die- 
selben Gesichtspunkte  geleitet,  wie  der  deutsche  Episcopat,  der 
sich  ebenfalls  zurückzog,  angeblich  aus  Furcht  vor  römischem 
Giffce,  und  mied  sogar  das  kaiserliche  Hoflager,  das  sich  in 
Worms  befand.  Als  endlich  der  Bischof  Bruno  von  Toul  die 
Wahl  annahm,  that  er  es  —  wenn  wir  recht  unterrichtet  sind  — 
nur  unter  der  Bedingung,  dass  Clerus  und  Volk  zu  Rom  sich 
einstimmig  für  ihn  entschieden.^)  Die  allgemeinen  canonistischen 
Bedenken  mögen  hier  ebenso  gewirkt  haben,  wie  der  Wunsch, 
durch  eine  einhellige  Wahl  den  Nachstellungen  gewisser  Par- 
teien zu  entgehen.  Vielleicht  hatte  sich  auch  Bruno  nur  in 
der  Nachgiebigkeit  Heinrichs  getäuscht  und  gehofft,  der  Kaiser 
werde  von  seiner  Erhebung  abstehen. 

Das  wichtigste  War  nun,  dass  sich  damals  am  kaiserlichen 
Hofe  in  Worms  Hildebrand  befand,  jener  römische  Mönch 3), 

>)  Chron.  S.  Ben.  p.  190.  In  der  Eiureihung  der  Thatsachen  schliesse 
ich  mich  Steindorff  II,  54,  n.  1  an.  Dagegen  verlege  ich  die  Unterhand- 
lungen mit  Halinard  nicht  nach  Sachsen,  sondern  erst  nach  Worms.  Vgl. 
Brucker,  L'Alsace  et  l'^glise  au  temps  du  pape  Löon  IX.  I  (1889),  185  ff. 

>)  Wib.  V.  Leonis  II,  c.  2;  Bruno  von  Segni,  Libelli  II,  547.  Martens, 
Die  Besetzung  des  päpstlichen  Stuhles  unter  den  Kaisern  Heinrich  III. 
und  Heinrich  IV.  S.  28  bestreitet  die  Darstellung  Wiberts  und  Brunos  von 
Segni  überhaupt,  soweit  sie  die  Klausel  des  Bischofs  von  Toul  erwähnt. 
Dass  die  Bedingung  gestellt  worden  ist,  glaube  ich  nicht  nur  ans  der 
Uebereinstimmung  Wiberts  und  Brunos,  von  denen  der  letztere  nach 
seiner  eigenen  Aussage  vieles  von  Gregor  VII.  selbst  erfahren  hatte,  son- 
dern auch  daraus  schliessen  zu  dürfen,  dass  überhaupt  gerade  in  jener 
Zeit  kirchenrechtlich»  Gesichtspunkte  eine  Rolle  zu  spielen  begannen. 

^)  Ich  zweifle  daran  trotz  der  Schrift  von  Martens,  War  Gregor  VU. 
Mönch?  nicht,  zumal  ihn  —  abgesehen  von  fast  allen  Zeitgenossen  — 


310 

der  gegen  seinen  Willen,  wie  er  später  gestand,  seinem  Herrn, 
dem  abgesetzten  Gregor -VI,  nach  Deutschland  hatte  folgen 
müssen^)  Er  stand  dem  Papste,  dessen  Caplan  er  war,  un- 
gemein nahe,  wie  schon  daraus  hervorgeht,  dass  er  sich  später 
als  Papst  seinen  Namen  beilegte,  und  galt  offenbar  in  den 
Augen  der  Gegner  des  Johannes  Gratianus  als  sein  bemerkens- 
wertester Ratgeber.  Die  Forderungen  der  italienischen  Reform- 
partei hatte  er  wohl  damals  schon  zu  den  seinen  gemacht 
Beide  kamen  an  den  Rhein,  vielleicht  nach  Cöln,  wo,  wie  wir 
wissien,  Hildebrand  sich  eifrigen  Studien  hingab.^)  Er  mochte 
sich  nach  Gregors  Tode  auch  an  verschiedenen  Orten  des 
Cölner  Kirchensprengels  aufgehalten  haben,  ehe  er  nach  Worms 
zog,  um  zu  studieren  und  in  ein  reguläres  Kloster  einzu- 
treten.^)  Am  Niederrhein  blühten  die  Schulen  Wazos  von 
Lüttich  und  in  Worms  stand  das  Kirchenrecht  in  hohem  An- 
sehen. Es  ist  bezeichnend,  dass  Bischof  Burchard  aus  Lobbes 
in  der  Diöcese  Lüttich  stammte^)  und  dass  Olbert  von  Gem- 
bloux,  der  Freund  Wazos,  einen  grossen  Anteil  an  Burchards 
Canonsammlung  hatte.^)  Im  Lütticher  Sprengel  dürfen  wir 
also  schon  früh  eine  besondere  Pflege  canonistischer  Studien 
annehmen. 

auch  Bruno  von  Segni  so  nennt.  Wenn  Gregor  VII.  später  sagte,  er  sei 
invitus  Gregor  VI.  über  die  Alpen  gefolgt,  so  konnte  das  nur  den  Sinn 
einer  Entschuldigung  den  Angriffen  derer  gegenüber  haben,  die  dem  Papste 
später  vorwarfen,  leichtsinnig  sein  Gelübde  gebrochen  zu  haben. 

>)  Jaif6,  Bibl.  rer.  Germ.  II,  401 :  invitus  ultra  montes  cum  domino 
papa  Gregorio  abii.  Cauchie  p.  LXXXIII  meint  mit  Bonizo,  dass  Hilde- 
brand  dem  Papste  nur  aus  Anhänglichkeit  gefolgt  sei,  und  sucht  zu  be- 
weisen, dass  es  nicht  deshalb  geschab,  wcü  er  vor  Heinrich  III.  weichen 
musste.  Seine  Beweisführung  ist  aber  nicht  recht  überzeugend.  £s  können 
doch  verschiedene  Umstände  zusammengewirkt  haben,  um  ihn  zu  der  Be- 
gleitung zu  veranlassen.  Die  Anhänglichkeit  an  Gregor  VI.  steht  gar 
nicht  im  Gegensatz  zu  einem  gewissen  Zwang,  der  ihn  nötigte,  aus 
Rom,  wo  sein  Herr  compromittiert  war,  zu  weichen. 

')  Er  schrieb  später  an  Anno  von  Cöln:  oh  recordatioyieni  disci- 
plinaCf  qua  tempore  antecessoria  vestri  in  ecclesia  Coloniensi  enutriti 
sumus.  Damit  ist  nicht  gesagt,  dass  er  gerade  nur  in  Cöln  sich  auf- 
hielt.   Die  ecclesia  Colonie7isis  umfasst  die  ganze  Kirchenprovinz. 

*)  Bruno  von  Segni  a.a.O.:  Iverat  autem  ille  tum  discetidi  gratia, 
tum  etiam  ut  in  aliquo  religioso  loco  s^ub  beati  Bcnedicti  regida  militaret. 

*)  Wattenbach,  D.  Geschichtsqu.  I  (6.  Aufl.),  392. 

•*)  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  27. 


311 

Zur  selben  Zeit  etwa,  in  der  Gregor  VI.  mit  Hildebrand 
in  diesen  Gegenden  weilte,  behaupteten  Wazo  nnd  seine  Ge- 
sinnungsgenossen die  Unreehtmässigkeit  der  Absetzung  Gregors 
nnd  beriefen  sich  auf  das  Eirchenrecht.  Kann  jemand  zwei- 
feln, dass  damals  zwischen  dem  abgesetzten  Papste  und  Hilde- 
brand auf  der  einen  und  den  niederlothringischen  Canonisten 
auf  der  andern  Seite  ein  Zusammenhang  bestanden  hat?  Darf 
man  zweifeln,  dass  die  Studien,  denen  der  römische  Mönch  in 
der  Cölner  Kirchenprovinz  oblag  und  die  «r  in  Worms  fort- 
setzen wollte,  das  Kirchenrecht  betrafen,  und  giebt  es  eine 
andere  Annahme,  als  die,  dass  Hildebrand  seine  Anschauungen 
von  der  Freiheit  der  Kirche  eben  in  diesen  Kreisen  gebildet 
bat  und  nicht  in  den  Klöstern  der  Cluniaoenser?  ^  Kein  Clunia- 
censermöneh,  sondern  ein  Jünger  der  niederlothringisohen  Rechts- 
Bchulen  ist  mit  ihm  auf  den  Thron  der  Welt  gekommen. 

Als  Bruno  sich  anschickte,  nach  Rom  zu  ziehen,  sprach 
er  Hildebraad  die  Bitte  aus,  ihn  zu  begleiten:  mochte  es  ihm 
zunächst  nur  darum  zu  thun  sein,  seine  Kenntnis  der  römischen 
Verhältnisse  auszunützen,  oder  mochte  er  seine  hohe  Begabung 
und  Brauchbarkeit  schon  durchschaut  haben.  Hildebrand  wei- 
gerte sich,  Bruno  zu  folgen 2),  indem  er  ihn  auf  das  uncano- 
nische  seiner  Wahl  aufmerksam  machte.^)  Denn  die  in  der 
Reichsversammlung  von  Bruno  gestellte  Bedingung  kann  Hilde- 
brand unbekannt  geblieben  sein.  Wie  aber  auch  jener  Act  in 
der  Versammlung  verlaufen  sein  mag,  in  welcher  Form  und 
aus  welchen  Motiven  auch  Bruno  von  Toul  jene  Klausel  erhob, 
jedenfalls  beruhigte  der  Bischof  den  Mönch,  der  ihm  folgte 
und  dessen  Einwirkung  auf  Bruno  von  mehreren  Schriftstellern 
einstimmig  überliefert  wird.    Die  Hauptsache  war,  dass  Hilde- 


')  Das  sucht  mit  vollem  Recht  auch  Cauchie  ^yahr9cheinlich  zu  machen. 
Aber  er  hebt  nicht  hervor,  worauf  es  ankommt,  dass  die  Quelle  der  mo- 
dernen Anschauungen  im  Eirchenrecht,  vor  allem  im  Psendo-Isidor,  zu 
suchen  ist  Vgl.  Sackur,  Der  Dictatus  papae,  N.  Arch.  XVIII,  139. 

>)  Bruno  von  Segni  a.  a.  0.  Er  stimmt  hier  wieder  vortrefflich  mit 
Gregor  VIT.  selbst  zusammen,  der  später  bemerkte,  dass  er  nur  ungern 
mit  Leo  IX.  nach  Rom  zurückgekehrt  sei. 

>)  Hier  decken  sfch  Bruno  und  Bonizo  p.  587,  der  freilich  Hilde- 
brands Einwirkung  irrig  nach  Besan^on  verlegt.  Vgl.  auch  Beno,  Gesta 
Rom.  eccl.  H,  c.  9,  Libelli  II,  379. 


312 

brand  jetat  in  entscheidende  Stellungen  einrückte;  er  warde 
zunächst  Subdiacon  ^)  und  Finanzminister  der  römischen  Gurie.^) 
Etwas  später  erhielt  er  die  Gardinalspfrttnde  von  St.  Paol.^) 
Er  war  der  geheime  Ratgeber  des  Papstes;  sein  Einfluss  ver- 
drängte bald  den  aller  älteren  Freunde.*) 

Darf  man  somit  behaupten,  dass  unter  Leo  IX.  zuerst  der 
Einfluss  der  niederlothringischen  Rechtsschulen  zu  wirken  be- 
gann, so  repräsentierte  er  —  abgesehen  davon,  dass  er  bereits 
in  die  Wirkungen  der  italienischen  Reformrichtung  eintrat  — 
persönlich  doch  noch  eine  andere  Strömung,  die  cluniacen- 
sische.  Einem  durch  seine  kirchliche  Frömmigkeit  ausgezeich- 
neten Geschlecht  entsprossen,  in  der  Umgebung  Bischof  Bert- 
holds  erzogen,  in  dessen  Zeit  die  ersten  EingrifTe  Wilhelms  in 
Toul  fallen,  ging  er  völlig  in  jenem  mönchischen  Geiste  auf, 
wie  er  bereits  seit  Jahrzehnten  unaufhaltsam  von  Westen  her 
nach  Lothringen  wehte.  Zu  seinem  Vorbilde  hatte  er  seinen 
Vorgänger,  Bischof  Gerhard,  gemacht*),  den  Freund  des  Ma- 
jolus  von  Gluni,  eine  überspannt  asketische  Natur.  Mit  den 
Mönchen  von  St.-:^vre  teilte  er  schon  zu  Bischof  Hermanns  Zeit 


*)  Steindorflf  11,  75. 

')  Bonizo  nennt  ihn  economum  sanct^*  Roman^  ecclesi^;  dem  ent- 
spricht ofifenbar,  was  Wenrich  c.  2,  Libclli  I,  286,  und  Beno  a.  a.  0.  erzählt. 

^)  Die  Belegstellen  siehe  bei  Martens,  War  Gregor  VII.  Mönch?  Die 
Ausdrücke  sind  sehr  unbestimmt.  In  einer  Urk.  Alexanders  11.  von  1066 
heisst  er:  coenohii  sancti  Fault  oecononw  und  sancti  Fauli  monaaterii 
rector;  Lambert  nennt  ihn  zu  105S:  abbas  de  sancto  PaulOj  ähnlich  eine 
Aufzeichnung,  in  der  er  abbas  nionasterio  S.  Pauli  unterzeichnet  (Mura- 
tori,  Antiq.VI,  227.  228  bei  Martens  S.8,  der  die  Echtheit  bezweifelt). 
Weniger  bestimmte  Angaben  in  einem  Papstcatalog  (Watterich  I,  93):  ad 
rcgendam  ecclesiam  sancti  Faulif  und  bei  Paul  von  Bemried  c.  1 3 :  niona- 
sterio sancti  Fauli  praelatus  est.  Da  sein  Vorgänger  Airard  den  Titel: 
,Abt  von  St.  Paul  und  Cardinal»  führt  (Bröcking,  Fran?ös.  Politik  Leos  IX. 
S.  55),  so  nehme  ich  an,  dass  Hildebrand  in  seine  Stelle  eintrat.  Als 
Cardinais nbdiacon  genoss  er  diese  Pfründe,  da  er  ja  früher  Münch  war. 
Martens  freilich,  der  letzteres  leugnet  und  mit  einer  wunderbaren  Leich- 
tigkeit engegenstehende  Zeugnisse  beseitigt,  meint,  Hildebrand  sei  nur 
der  weltliche  Administrator  des  Klosters  gewesen  und  habe  nur  zum 
Scheine  damals  das  Mönchgewand  angezogen. 

*)  Vgl.  Manegold  c.  8,  Libelli  I,  326. 

^)  Wib.  y.  Leonis  I,  c.  4:  quoniam  Deo  annuente  eum  prae  iüis  est 
imitatus. 


313 

Freud  und  Leid.^  Seine  häufigen  Romfabrten  ^),  seine  hin- 
gebende Frömmigkeit,  seine  musikalischen  Neigungen^)  lassen 
ihn  fast  als  ein  Abbild  cluniacensischen  Mönchtums  erseheinen. 
Wie  sie,  hing  er  mit  allen  Fasern  an  dem  Gedanken  idealer 
Kirchlichkeit  Er  sieht  im  Traum  eine  alte  Frauensperson 
mit  grässlichem  Antlitz,  zerfetztem  Gewände  und  starrenden, 
struppigen  Haaren:  der  Bischof  macht  ein  Kreuz  —  und  sie 
stürzt  wie  tot  nieder,  um  alsbald  in  wunderbarer  Schönheit 
wieder  zu  erstehen.  Kein  anderer,  als  Odilo  von  Cluni  ist  es 
dann,  der  ihm,  wieder  in  der  Vision,  den  Traum  deutet:  „Selig 
bist  Du  und  Du  hast  ihre  Seele  vom  Tode  gerettet*.  Odilo 
erschien  ihm  also  als  traumdeutender  Prophet,  als  die  hervor- 
ragendste Stutze  des  Reformgedankens.'*) 

In  Rom  begannen  alsbald  die  angenommenen  Grundsätze 
zu  wirken.  Die  Synoden,  die  Leo  hielt,  wurden  zu  förmlichen 
Tribunalen,  vor  welche  die  angeschuldigten  und  verdächtigen 
Geistlichen  geladen  wurden.  Zum  ersten  Mal  zeigt  sich  seit 
langer  Zeit  das  Besti*eben,  dem  Papsttum  seine  universalen 
Rechte  wiederzu verschaffen,  ihm  das  unbeschränkte  Richteramt 
über  die  gesamte  Hierarchie  der  Christenheit  zu  vindicieren. 
Dass  Leo  ein  solches  Vorgehen  wagen  konnte,  beweist  doch, 
dass  er  die  öffentliche  Meinung  stark  auf  seiner  Seite  hatte. 
Hierin  liegt  die  Bedeutung  des  reformatorischen  Mönchtums: 
man  hatte  weite  Kreise  für  die  Idee  einer  universalen  Kirche 
empßlnglich  gemacht.  Man  hatte  feine  Fäden  nach  Rom  hin 
gesponnen. 

Bereits  in  der  zweiten  Aprilwoche  hielt  Leo  in  Rom  eine 
Synode  ab,  zu  der  auch  Einladungen  wenigstens  an  einzelne 
Mitglieder  des  französischen  Episcopats  ergangen  waren.  Aber, 
soviel  wir  wissen,  war  der  Erzbischof  Halinard  von  Lyon  allein 
dem  Rufe  gefolgt^),  ßin  Kirchenfllrst,  der  das  Auftreten  Brunos 


0  Wib.  Ij  c.  6:  Compatiebatur  equidem  tunc  temporis  adversa  passiSf 
praesertim  venerabüibus  venerabilis  viri  Apri  coenobitis  . . .  Nunc  pro  eis 
murum  semet  qiuintwfn  poterat  opponehat,  nunc  quod  aolum  poterat  cum 
flentibus  flebat. 

')  Summa  inerat  ei  devotioj  primum  pastorem  clavigerum  coeli  annuo 
reviaere  recursu  . . . 

8)  S.  N.  Archiv  I,  178.         *)  V.  Leonis  II,  c.  1. 

°)  Chron.  S.  Ben.  p.  101 :   evocatus  est  ab  ipso  Borne  ad  concilium 


314 

mit  besonderer  Befriedigung  verfolgte  nnd  sieh  in  der  Folge 
als  sein  trenester  Ratgeber  erwies.  Der  Papst  begann  mit  der 
Corroboration  der  vier  ersten  öeumenisehen  Coneilien  and  mit 
der  Verkündigung  der  Verbindlichkeit  aller  Papstdeerete  *) :  ein 
Beweis,  dass  Leo  die  ausgesprochene  Absicht  hatte,  an  die 
ursprüngliche  Tradition  anzuknüpfen.  Er  legte  den  Grund  für 
alle  späteren  Schritte,  die  eben  in  der  Wiederaufnahme  des 
alten  Kirchenrechts  ihre  wesentliche  Bedeutung  hatten.  Die 
wichtige  Frage  der  Simonie  erledigte  der  Papst  anfangs  durch 
ein  Edict,  welches  die  Ungültigkeit  aller  von  Simonisten  vor- 
genommenen Weihen  erklärte;  indes  begnügte  er  sich  bei  der 
Erbitterung,  die  dieser  Beschluss  im  römischen  Clerus  hervor- 
rief —  denn  er  bedeutete  nichts  anderes,  als  die  Cassierung 
der  gesamten  römischen  Geistlichkeit  —  mit  der  Bestätigung 
der  schon  von  Clemens  IL  gegebenen  Straf  bestimmungen.^)  Es 
wurden  bereits  einige  Bischöfe  abgesetzt  und  Beschlüsse  über 
Ältarzehnten  und  incestuose  Ehen  gefasst.^) 

Ueberhaupt  stand  die  Reinigung  der  italienischen  Geist- 
lichkeit im  Vordergrunde  der  Bestrebungen  Leos.  Eine  Reihe 
von  Synoden,  die  er  in  Rom,  Pavia,  Vercelli,  Sipontum  hielt, 
gab  ihm  die  Mittel  in  die  Hand,  um  sie  mit  Nachdruck  durch- 
zuführen. Die  Bischöfe  von  Sutri  und  Vercelli,  der  Erzbischof 
Humfred  von  Ravenna  wurden  ihrer  Aemter  entsetzt.  Dafür 
bemühte  sich  der  Papst  bereits  auf  seinen  ersten  Reisen  nach 
Lothringen  und  ins  östliche  Frankreich,  Persönlichkeiten  heran- 
zuziehen, deren  religiöser  Eifer  und  deren  Gesinnung  ihm  guten 
Erfolg  verbürgte.^)  Bereits  1049  nahm  er  Humbert  von  Moyen- 


domnus  archicpiscopus  Halifiardtia  simulqtie  omnes  episcopi  Qallie  ad  per- 
tradandum  inibi  de  statu  et  correctione  sancte  ecclcsie;  Bonizo  sagt  p.  588: 
synodum  mox  congregaxnty  in  qua  divermrum  regionum  episcopi  convefte- 
ratU,  Bröcking,  FranzOs.  PoUtik  S.  7,  n.  2  bestreitet  überhaupt,  dass  fran- 
zösische Bischöfe  eingeladen  worden  sind.  Aber  aus  der  Thatsache,  dass 
nur  Halinard  sicher  nachweisbar  ist,  folgt  das  nicht. 

0  Wib.  V.  Leonis  I,  c.  4. 

«)  Petri  Dam.  Liber  grat.  c.  Ä7,  Libelli  I,  70;  Manegold  c.  20,  p.  344; 
vgl.  Steindorflf  II,  79;  Will,  Die  Anfänge  der  Restauration  I,  85. 

")  Wib.  V.  Leon.  I,  c.  4;  Bonizo  a.  a.  0.;  Herrn.  Aug.  1049;  vgl,  Petri 
Dam.  Contra  clericos  intemp.  II,  c.  7,  Opp.  ed.  Guetani  III,  407;  Manegold 
c.  23,  p.  354. 

«)  Bonizo  a.a.  0.  p.  588;  vgl.  dazu  Steindorfif  II,  78,  n.  2. 


315 

moutier  mit  sich  und  machte  ihn  zum  Erzbischof  von  Sicilien 
und  schliesslich  zum  Cardinalbischof  von  Silva  Candida^);  ein 
Burgunder,  Stephan,  wurde  Abt  und  Qardinal^)  —  es  ist  wohl 
der  Abt  von  St.  Thomas,  der,  wie  bereits  Humbert,  der  römi- 
schen Synode  beiwohnte.^)  Aus  Remiremont  kam  Hugo  Can- 
didus^),  aus  Compi^gne  der  spätere  Bischof  Azelin  von  Sutri.^) 
Unbekannt  wann,  aber  wahrscheinlich  bereits  im  August  1049 
brachte  Leo  aus  Lüttich  den  Bruder  des  Herzogs  Gotfried,  den 
Archidiacon  Friedrich,  nach  Rom,  machte  ihn  zum  Mönch, 
später  zum  Abt  von  Monte  Cassino  und  zum  siebenten  Car- 
dinaldiacon.  Er  bestieg  schliesslich  als  Stephan  X.  den  päpst- 
lichen Stuhl.«)  So  sehen  wir,  wie  der  lothringische  Papst  sich 
sofort  mit  Landsleuten  umgab,  die  ein  moralisches  Ueberge- 
wicht  Über  den  italienischen  Clerus  behaupten  sollten.  Viel- 
leicht ist  auch  hierin  zum  Teil  der  Einfluss  Hildebrands  er- 
kennbar. Gerade  die  Landesteile,  in  denen  die  neuen  kirchen- 
rechtlichen Tendenzen  sich  mit  denen  der  französischen  Reform 
verschmolzen,  wurden  ausschliesslich  für  den  Dienst  der  römi- 
sehen  Curie  herangezogen. 

Aber  so  wie  Leo  in  Italien  den  Geist  des  lothringisch- 
französischen Reformclerus  einzupflanzen,  diese  Richtung  mit 
der  italienisch -reformatorischen  zu  verschmelzen  suchte,  so  be- 
traf seine  weitere  Fürsorge  die  Geltendmachung  seiner  Herr- 
schaft in  den  transalpinischen  Ländern.   Zum  ersten  Mal  wagte 


*)  Bonizo  a.a.O.;  Rieh.  Gesta  Senon.  eccL,  SS.  XXV,  280:  Humber- 
tum  qiwqiie  Mediani-moruiaterii  ahbatem  (er  war  nur  Mönch)  secum  ducens 
archiepiscopum  Sicilie  ordinavit,  deinde  Borna  cardituUem  ad  vices  siuia 
inipplendas  8e<nim  nwrari  prccepit  Als  Humbertua  Siciliensis  archi^isco- 
pu8  unterschreibt  er  bereits  die  auf  der  rümischen  Ostersynode  von  1050 
ausgestellte  Ganonisationsbulle  fUr  Gerhard  von  Toul,  Mabillou,  Ann.  Ben. 
IV,  app.  p.  739.   Dort  noch  neben  ihm :  Crescentius  Silve  Candide  episcopus. 

')  Bonizo  a.a.O.:  ex  Burgxmdionuin  getiere  Stephanus  abbas  et  cat- 
dhialis. 

')  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  app.  p.  739. 

*)  Bonizo  a.a.O. 

^)  Bonizo  a.  a.  0. :  et  ex  Compendio  quidani  Äzolinvji  StUrinus  epi- 
8copii8.  Steindorff  II,  78  meiot,  dass  er  zu  den  ersten  von  Leo  creierten 
Cardinälen  gehört  habe.  Indes  fehlt  er  noch  unter  den  1050  in  Rom  ver- 
sammelten. 

^)  Bonizo  a.  a.  0.;  Laurent  Gesta  episc.  Virdun.  c.  4,  SS.  X,  493.  Da- 
nach fällt  wohl  sein  Weg  in  das  Jahr  1049. 


316 

ein  Papst  ausserhalb  Italiens  als  Richter  aufzutreten.  Er  kam 
jetzt  ttber  den  grossen  St  Bernhard  ^),  um  im  deutschen  Reiche, 
wo  er  des  Einverständnisses  Kaiser  Heinrichs  sicher  war,  und 
in  Frankreich  seine  Edicte  gegen  Simonie  und  Priesterehe  zur 
Geltung  zu  bringen  und  die  Geistlichkeit  von  unwürdigen  Mit- 
gliedern zu  reinigen. 

Die  äussere  Veranlassung  der  Reimser  Synode,  die  Leo 
im  October  1049  abhielt,  war  durch  die  Translation  der  Ge- 
beine und  die  Weihe  der  neuen  Basilica  von  St.  Remigius  ge- 
geben, eine  Feier,  der  der  Papst  bereits  vor  seiner  Erhebung 
dem  Abt  Herimar  von  Saint- Remi  versprochen  hatte,  beizu- 
wohnen. Als  Leo  nun  im  Frühjahr  nach  Deutschland  kam, 
begab  sich  Herimar  zu  König  Heinrich  nach  Laon,  um  seine 
Gunst  für  das  Unternehmen  und  seine  Gegenwart  zu  erbitten: 
auch  bat  ihn  der  Abt,  die  Teilnahme  der  Bischöfe  und  Grossen 
des  Reiches  zu  bewirken.^)  Damit  war  die  Absicht  des  Papstes, 
eine  Synode  abzuhalten,  wenn  auch  noch  nicht  klar  ausge- 
sprochen, so  doch  immerhin  angedeutet  und  nahegelegt.  Der 
König  muBste  also  unter  allen  Umstähden  Verdacht  schöpfen. 
Seine  Antwort  lautete  nicht  abschlägig,  freilich  auch  wieder 
nicht  bindend;  jedenfalls  aber  derartig,  dass  man  das  Miss- 
trauen des  Herrschers  daraus  entnehmen  kann,  der  über  die 
Absichten  des  Papstes  nicht  genau  unterrichtet  war.  Erst  aus 
den  Einladungsschreiben,  die  der  Abt  durch  Francien  und  die 
benachbarten  Gegenden  sandte,  und  die  Vorladungen,  die  Leo 
an  Bisehöfe,  Aebte  und  Fürsten  zur  Synode  in  der  Basilica 
von  St.  Remi  ergehen  liess,  wird  König  Heinrich  erfahren 
haben,  dass  es  auf  Verhandlungen  abgesehen  war,  die  auf  das 
entscheidendste  in  die  bisher  geübte  Praxis  bei  der  Besetzung 
der  Kirchen  einschnitten,  um  Untersuchungen  über  die  Er- 
werbung  der  hohen   Kirchenämter,   die  den   König  and   die 


1)  Herrn.  Aug.  1049. 

>)  Anselmi  Itinerariiiin  Leonis  IX.  bei  Watterich,  Vitae  pontif.  Roman. 
I,  114.  Bröcking  betont,  dass  der  Abt  mit  dem  Könige  nur  Über  die  be- 
absichtigte Weihe  unterhandelt  habe.  Aber  wenn  der  Papst  ausdrücklich 
um  die  Anwesenheit  der  Bischöfe  und  Grossen  bat,  so  muss  er  bereits 
weitergehende  Absichten  gehabt  haben.  Die  ausweichende  Antwort  des 
Königs  spricht  anch  entschieden  für  die  Auffassung,  dass  Heinrich  nach 
dieser  Richtung  hin  Misstrauen  hatte. 


317 

Geistlichkeit  näher  berühren,  und  über  die  canonisehe  Gttltig- 
keit  vieler  Ehen  des  hohen  Adels,  die  in  die  intimsten  Ange- 
legenheiten der  vornehmen  Laien  eingreifen  mussten. 

In  den  Kreisen  der  geistlichen  und  weltlichen  Grossen, 
die  dem  Gericht  des  Papstes  nur  mit  Beklemmung  entgegen- 
sehen konnten,  regte  sich  deshalb  eine  heftige  Opposition 9i 
die  unter  den  Bischöfen  um  so  stärker  war,  als  sie  seit  jeher 
a^f  eine  antirömische  Politik  hingewiesen  waren  und  der  Unter- 
sttttznng  des  Königs  in  dieser  Sache  gewiss  sein  konnten.  In 
der  That  musste  der  Hof  bei  der  uncanonischen  und  simonisti- 
schen Erwerbung  der  geistlichen  Würden  fast  durchweg  als 
Mitschuldiger  erscheinen.  Denn  bei  der  Beförderung  galt  weder 
die  Wahl  von  Glerus  und  Volk ,  wenn  der  König  anderer  Mei- 
nung war,  noch  ging  es  in  der  Regel  in  Bezug  auf  den  Geld- 
punkt sehr  sauber  zu.^)  Und  Heinrich  sollte  sieh  eine  Unter- 
suchung der  verschiedenen  Fälle,  die  sich  zuletzt  doch  gegen 
ihn  und  die  von  ihm  beanspruchten  Kronrechte  richtete,  ge- 
fallen lassen?  Die  königliche  Investitur  der  Bischöfe  im  nörd- 
lichen Frankreich  war  aufs  höchste  gefährdet. 

Dem  Papste  den  Eintritt  in  Frankreich  zu  verwehren  oder 
ihm  mit  schroffer  Abweisung  entgegenzutreten,  das  war  Hein- 
rich offenbar  nicht  im  stände;  es  war  kaum  möglich,  das  kirch- 
liche Bewusstsein  in  weiten  Kreisen  und  namentlich  in  dem 
einflussreichen  Mönchtum  zu  verletzen.  Aber  er  setzte  eine 
Heerfahrt  gegen  unruhige  Vasallen  an,  an  der  auch  die  ange- 
sehensten Bischöfe  und  Aebte  teilnehmen  sollten:  wenn  er 
jedoch  glaubte,  den  Papst  dadurch  zur  Aufgabe  seiner  Sache 
zwingen  zu  können,  so  täuschte  er  sich  sehr;  denn  Leo  war 
entschlossen,  auch  mit  noch  so  wenigen  den  Kampf  zu  be- 
ginnen.3) 

Die  Folge  des  Schrittes,   den  Heinrich  unternahm,   war 

1)  Anselmi  Itin.  p.  1 24 :  Gtbuinus  Laudunensis  episcopus  et  Hugo  de 
Braina  castello,  qui  inter  eius  derogatorea  quasi  signiferi  exsisterent, 

*)  Ich  verweise  auf  den  Fall  in  Bens,  Clarii  Ciiron.  S.  Petri  Vivi  bei 
Dom  I,  505 :  non  electione  cleri  vel  populij  sed  muneribus;  in  Laugres, 
Chron.  S.  Benigni  p.  170;  in  Auxerre,  Bist  episc.  Autissiod.  c.  50,  Duru 
II,  392 :  cui  postmodum  rex  Henricus  cum  maximo  exercitu  veniens  Bur- 
gundiam  episcopatum  ex  more  dedit.  Vgl.  oben  S.  25  und  Imbart  de  la 
Tour,  Les  ^lections  S.  360.  439. 

")  Anselm  p.  116. 


318 

natürlich,  dass  nur  ein  geringer  Teil  der  Bisehöfe  der  cape- 
tingisehen  Haasgebiete  sieh  eingefunden  hattet :  kein  Erzbisehof 
ausser  dem  Reimser  war  zugegen,  von  Bisehöfen  nur  die  von 
Soissous,  Scnlis,  Langres,  Nevers  und  Angers.  Sehr  zahlreich 
waren  dagegen  die  normannischen  BistUmer  vertreten  —  erst 
1047  hatte  Heinrieh  mit  Herzog  Wilhelm  in  heftigem  Kampfe 
gelegen  2)  — ,  gar  nicht  die  aquitanischen,  südlich  der  Loire, 
die  allerdings  kaum  eingeladen  waren.  Im  ganzen  waren  zwan- 
zig Bischöfe  zugegen  3),  unter  ihnen  die  Erzbischöfe  Halinard 
von  Lyon,  Leos  vornehmster  Ratgeber,  Hugo  von  Besan^on, 
der  erst  vor  kurzem  Abt  Hugo  von  Cluni  geweiht  hatte*),  und 
Eberhard  von  Trier*),  die  ersten  beiden  entschiedene  Gönner 
des  reformatorischen  Mönchtums.  Ebenso  hatten  sich  unter 
den  Aebten,  deren  Zahl  auf  etwa  ftlnizig  geschätzt  ward^), 
die  Leiter  mehrerer  mit  Cluni  in  engeren  Beziehungen  stehen- 
den Klöster  eingefunden.  Die  Abteien  des  Reimser  SprengelB, 
der  schon  im  zehnten  Jahrhundert  von  Fleury  aus  reformiert 
wurde,  waren  durch  Herimar  von  St.  Remi  und  Albert  von 
St  Thierri  vertreten;  an  der  Spitze  des  ganzen  regulären  Glerus 
war  Hugo  von  Cluni  erschienen.  Sigfried  von  Gorze,  der  der 
Synode  beiwohnte,  war  der  streitbare  Schüler  Wilhelms  von 
Dijon'),  Rudolf  von  Mouzon»),  Odylard  von  Chälons*),  Stephan  ^ 


^)  Acta  coDcii.  Rem.  bei  Mansi  XXIX,  742:  qui  ipsius  papae  formi- 
dantes  adventum,  hac  de  re  profecti  erant  in  expeditionem  regis,  nomina- 
titn  vero  Senonensis  archiepiscoptiSf  Beüovaccnsia  et  Ambianensis  episcopus. 
Den  Drogo  von  Bauvais  nennt  Heinrich  I.  selbst  in  einer  Urkunde  vir%im 
divinae  religionü  admodum  mancipatum  bei  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  402. 
Von  Fiilco  von  Amiens  sagt  das  Cbron.  Centui.  HF  XI,  134:  Et  quia 
Ambianorum  praesulem  tunc  temporis  Fukonem  non  aniniarum  aalutif  sed 
volucrwm  captioni  et  ferarum  venatui  studere  compererat. 

>)  Clarii  Cbron.  Senon.  1047. 

')  Acta  concil  Rem.  a.a.O.  col.  786:  epiacopi  videlicet  numero  vi- 
ginti.  Nach  Alberich  von  Troisfontaines,  SS.  XXIII,  789,  hält  er  ein  con- 
cilium  LXVI  episcoporvm  ab. 

*)  Vgl.  Gilonis  V.  Hugonis  bei  L'Huillier  p.  579. 

')  Diese  Namen  geben  die  Acten.  Femer  Chron.  S.  Ben.  p.  179.  Auch 
Alberich  nennt  sie  wohl  nach  der  Chronik  von  St  Benigne;  vgl.  Anselmi 
Itin.  p.  123;  Wiberti  V.  Leonis  I,  c.  4  hebt  Hugo  von  Besan^oti  beson- 
ders hervor. 

^)  Acta  concil.  Rem.  a.  a.  0. :  cum  quinqyuiginta  fere  abbatibus. 

')  S.  oben  S.  127.       «)  S.  oben  S.263.       »)  S.  oben  S.  291. 


319 

VOD  St.  Urban^),  Gervin  von  St.  Riquier^)  gehörten  sämtlich 
der  Schule  Richards  Ton  St.  Vannes  an.  Man  sieht,  nament- 
lich das  lothringische  Mönchtum  hatte  dem  Rafe  des  Papstes 
Folge  geleistet  Die  englischen  Reformmänner  waren  dnrch 
Ulfric  von  St  Augustines  und  Aelfwin  von  Ramsay^),  zwei 
mit  Fleury  in  verwandtschaftlicher  Beziehung  stehenden  Klö- 
stern, vertreten. 

Die  Fernhaltung  der  meisten  Bischöfe  und  auf  der  andern 
Seite  der  rege  Zufluss  des  reformatorischen  MOnchtums  — 
viele  von  den  westfränkischen  Achten  werden  durch  die 
Heerfahrt  vom  Erscheinen  abgehalten  worden  sein  —  zeigt 
deutlich,  welcher  Partei  Geschäfte  der  Papst  hier  besorgte. 
Schon  im  Sommer  hatte  Leo,  ehe  er  nach  Deutschland  kam, 
Hugo  von  Cluni  ein  Privileg*)  verliehen,  das  die  Bedrängnisse, 
in  die  Odilo  zuletzt  seitens  des  Bischofs  von  Mäcon  geraten 
war,  wegzuschaffen  geeignet  war.  Er  sagt  ausdrücklich,  dass 
er  bei  der  Gewährung  der  grossen  Freiheiten  des  Klosters 
nichts  neues  schaffe,  sondern  das  alte  nur  bestätige.^)  In  der 
ausführlichsten  und  nachdrücklichsten  Form  wird  es  in  das 
Belieben  des  Abtes  gestellt,  Weihen  und  Ordinationen  von 
irgend  einem  beliebigen  Bischöfe  vornehmen  zu  lassen.  Er 
nimmt  das  Kloster  wieder  in  den  speziellen  apostolischen 
Schutz,  „damit^)  es  unter  dem  Schirm  der  apostolischen  Ver- 
teidigung stets  wachse,  stets  gedeihe  und  keine  Tyrannei 
schlechter  Menschen  und  keine  menschliche  Gewalt  zu  fürch- 
ten brauche." 

Die  Hauptpunkte  der  Verhandlungen  auf  dem  Reimser 
Concil  betrafen  die  Simonie,  die  uncanonischen  Ehen,  den 
weltlichen  Kriegsdienst  des  Clerus,  die  Sodomiterei,  die,  wie 

0  S.  oben  S.  29  t. 

*)  S.  oben  S.  265. 

')  Acta  concil.  Rem.  ft.a.0.;  Ann.  Anglosax.  SS.  XIII,  113.  Sie  wur- 
den geschickt:  ut  deberent  aiAdire  quid  ibi  tractaretur  de  christiana  fide  et 
sibi  renuntiare;  Roger  von  Hoveden  HF  XI,  310;  Transl.  S.  Aiignst.  II, 
c.  3,  Acta  SS.  Boll.  Mai  VI,  438. 

*)  ürk.  vom  10.  Juni  1049,  Mansi  XIX,  688;  J.-L.  nr.4169. 

'O  n^  nova  facienteSf  sed  vetera  confirtnantes, 

*)  qucUintis  8ub  apostolicae  d^fensionis  umbraculo  positum  semper 
crescatj  aemper  augescat,  nulUnn  pravorum  hominvm  tyrannidem,  nuUam 
humanam  potestcUem  metuens. 


320 

Peter  Damiaiiis  Schrift:  ,Von  den  Sünden  Gomorrbas''  be- 
weist 1),  gräaliehe  Auswüchse  gezeitigt  hatte.  Im  Vordergrande 
stand  aber  die  Untersnchnng  über  die  Erwerbung  d^r  Bisehof- 
stühle und  AbtwUrden.  Selbst  der  Erzbischof  von  Reims  konnte 
doch  nicht  ohne  weiteres  den  Eid  ablegen,  dass  er  auf  ge- 
radem Wege  in  den  Schafstall  des  Herrn  gelangt  sei,  und  die 
Bischöfe  von  Nevers,  Coutance  und  Nantes^)  gaben,  wenn  die 
Schuld  auch  auf  die  Verwandten  geschoben  wurde,  ohne  wei- 
teres zu,  dass  bei  ihrer  Wahl  simonistisohe  Umtriebe  im  Spiele 
gewesen  seien.  Am  meisten  Aufsehen  erregte  die  Absetzung 
Gelduins  von  Sens,  des  Günstlings  Heinrichs,  der  ihn  aller- 
dings jetzt  Ycrliess,  und  das  Processverfahren  gegen  den  Bischof 
Hugo  von  Langres,  gegen  welchen  die  Anklage  auf  Simonie, 
Aemterverkauf,  Landfriedensbruch,  Ehebruch  und  Unzucht  er- 
hoben worden  war.^)  Von  den  Achten  waren  doch  nur  zwei, 
deren  Emporkommen  als  uncanonisch  erkannt  wurde,  der  von 
Flavigny  und  der  von  Poutiöres/)  Die  Haltung  Hugos  von 
Gluni,  der,  seinerseits  befragt,  erklärte,  er  habe  nichts  gegeben 
und  nichts  versprochen:  das  Fleisch  wollte  es,  aber  der  Geist 
und  die  Vernunft  widerstrebten*)  —  wodurch  er  offen  bekannte, 
dass  er  in  Versuchung  gewesen  war  — ,  fand  so  allgemeine 
Anerkennung  und  Bewunderung,  dass  er  auf  Anregung  einiger 
angesehenen  Geistlichen  auf  des  Papstes  Befehl  vor  der  Ver- 
sammlung eine  Rede  gegen  die  Simonie  halten  musste.^')    Zum 

0  Neukirch,  Das  Leben  Peter  Damianis  S.  54. 

")  Die  Namen  sämtlich  in  den  Acten ;  über  Budicus  von  Nantes  vgl. 
Chron.  Britann.,  HF  XI,  412,  zu  1049. 

')  Ausser  den  Acten  vgl.  Clarii  Chron.  S.  Petri  Vivi  a.a.O.;  Chron. 
Vezeliac.,  HF  XI,  384;  Gesta  pontif.  Autissiodor.  c.50,  ed.  Dum  11,392; 
Breve  Chron.  Autissiodor.,  HF  XI,  392;  Laurentii  Qesta  episc.  Virdun.,  SS. 
X,  498;  Wib.  V.  Leonis  I,  c.4. 

*)  Acta  concil.  Rem.  a.  a.  0. 

'^)  Wie  grosses  Aufsehen  dieses  Wort  erregte,  ersieht  man  daraus, 
dass  es  nicht  nur  sämtliche  Viten  Hugos  erwähnen  (Qilonis  Vita  bei 
L'Huillier  p. 583;  Hildebert  c.  2;  Rainald  c.4;  Anonymi  Vita  Hug.  c.  4), 
sondern  dass  es  auch  in  die  Acten  aufgenommen  ist  und  von  Bruno  von 
Segni  überliefert  wird.  Der  actenmässige  Wortlaut  ist:  Pro  adipiscendo 
abbatiae  honore,  Deo  teste,  nihil  dedi  vel  promisi:  quod  quidem  caro  vo- 
luit,  sed  mens  et  ratio  repugnavit 

®)  Gilo  a.a. 0.  S.583;  Hildeb.  c. 2;  Rainald  c.4;  Anonjrmus  c.4;  vgl 
Lehmann,  Forsch.  S.  83. 


321 

ersten  Male  erschien  der  jugendliche  Nachfolger  Odiles  in  der 
Oefifentliohkeit,  und  sofort  war  es  ihm  möglich  gewesen,  die 
Aufmerksamkeit  aller  auf  sich  zu  lenken. 

Neben  diesen  Verhandlungen,  die  schliesslich  zu  einer  er- 
neuten Betonung  der  canonischen  Wahlen  durch  Clerus  und 
Volk  führten,  war  es  ein  Act  von  grosser  Tragweite,  dass  der 
Papst  unter  der  Zustimmung  der  Versammlung  erklären  liess, 
dass  einzig  und  allein  der  Bischof  von  Rom  der  Primas  und 
Apostolicus  der  allgemeinen  Kirche  sei.^)  Es  war  das  der 
Hauptgrundsatz  der  modernen  kirchenrechtlichen  Auffassung 
und  deshalb  seine  Prodamierung  an  dieser  Stelle  von  ebenso 
grundlegender  principieller  Bedeutung,  als  die  erneute  Aner- 
kennung der  vier  ersten  Generalconcilien  und  der  Gültigkeit 
aller  Papstdecrete.  Dass  dieser  Satz  an  dieser  Stelle  von 
neuem  verkündigt  wurde,  erreicht  aber  erst  seine  volle  Be- 
leuchtung durch  die  Erwägung,  dass  der  gallicanische  Epi- 
scopat  bis  in  die  letzte  Zeit  mit  dem  Primas  von  Sens  an  der 
Spitze  immer  und  immer  wieder  versucht  hatte,  sich  den  An- 
ordnungen der  römischen  Kirche  zu  widersetzen,  und  dass 
eben  erst  ein  spanischer  Bischof  sich  die  apostolische  Würde 
in  seinem  Lande  angemasst  hatte.^)  So  zeigt  denn  das  Auf- 
treten Leos  überall  das  Bestreben,  die  Grundlagen  der  päpst- 
lichen Macht  zu  consolidieren. 

Nach  Schluss  der  Reimser  Synode  zog  der  Papst  durch 
Oberlothringen  nach  Mainz,  um  gemeinschaftlich  mit  dem  Kaiser 
und  dem  Reichsepiscopat  gegen  die  Simonie  und  andere  kirch- 
liche Misstände  vorzugehen.  Ueberall  auf  seinem  Wege  hinter- 
liess  er  Spuren  seiner  erfrischenden  und  ermutigenden  Anwesen- 
heit. Die  Kirchen  und  Klöster  des  von  den  Reichsfeinden 
Gotfried  und  Balduin  eingeäscherten  Verdnn^)  empfingen  durch 
erneute  Privilegien  wieder  Sicherheit  für  ihre  alten  Rechte  und 


0  Acta  concil.  Rem.  a.  a.  0.:  His  ita  definitis  edictwn  est  sub  ana- 
themate  atUhoritatis  apostolicae,  ut  si  quis  asaideniium  quempiam  univer- 
salis ecclesiae  primatem  pr<ieter  Bomanae  sedis  antistitein  esse  assereretf 
ibidem  publica  satisfactione  patefaceret.  Als  darauf  alle  schwiegen:  de- 
claratum  est,  quod  solw  Bomanae  sedis  pontifex,  universalis  eccU^iae  pri- 
mas  et  apostolums, 

>)  Der  Erzbischof  von  Santjagp  de  Compostela. 

«)  Vgl.  Steindorff  n,  19. 

Baoknr,  Clnnlaoenwr.    U.  21 


äg2 

ihren  Besitz  ^) ;  er  weihte  damals  unter  Assistenz  der  Erzbischöfe 
von  Trier,  Lyon  und  Besannen,  seinen  treuen  Anhängern,  eine 
vom  Archidiacon  ErmenfHed  gestiftete  Kirche  St  Maria  Magda- 
lena.^) In  Metz  vollzog  er  den  Consecrationsact  an  der  neuen 
Basilica  St  Arnulf  auf  Bitten  des  Abtes  Warinus,  eines  ehe- 
maligen Gorzer  Mönches  aus  der  Schule  Wilhelms  von  Dijon, 
und  gab  der  Abtei  ein  neues  Privileg.')  Auf  Bitten  des  Abtes 
Sigfried  von  Gorze  componierte  der  musikkundige  Pontifex 
sogar  ein  Responsorium  auf  St  Gorgonius,  den  Schutzheiligen 
des  Metzer  Klosters.^)  Nach  der  Synode  von  Mainz,  der  eine 
zahlreiche  Geistlichkeit  beiwohnte,  darunter  Poppos  Schüler, 
Rudolf  von  Paderborn,  die  Bischöfe  von  Metz,  Verdun  und 
Lttttich,  Hugo  von  Besannen  ^),  besuchte  Leo  mehrere  Klöster 
in  Alemannien  und  im  Elsass,  St  Diö^),  Altdorf  ^),  Andlau^), 
Reichenau^),  Donauwörth  >o):  hier  weihte  er  eine  Kirche,  dort 
einen  Altar.  Ueberall  sicherte  er  Rechte  durch  Privilegien  und 
gab  dem  religiösen  Eifer  neuen  Ansporn.  Hugo  von  Cluni  kam 
damals  nach  Deutschland  und  erhielt  am  4.  December  zu  Strass- 
bürg  die  lang  ersehnte  Bestätigung  der  burgundischen  und 
elsässischen  Besitzungen  durch  den  Kaiser.^^ 

Auch  in  den  italienischen  Abteien,  die  doch  meist  von 
Frankreich  aus  wieder  ins  Leben  zurückgerufen  worden  waren, 


»)  J.-L.  nr.  4109— 4193. 

«)  Laarentii  Gesta  epist.Vird.  c.4,  SS.  X,  493;  Ann.  S-Vitoni  1049. 

')  Die  vorhandene  Urk.  J.-L.  nr.  4186  ist  zwar  unecht;  notwendiger- 
weise muss  aber  ein  echtes  Privileg  existiert  haben;  vgl.  Gesta  episc. 
Mett  c.  48,  SS.  X,  543:  quam  sanctus  Leo  JX  dedicavit  primlegioque  suo 
sublimavit  In  der  unechten  Bulle  sind  wieder  Eberhard,  Halinard  and 
Hugo  unterschrieben. 

*)  Wib.  V.  Leonis  I,  c.  6. 

^)  Ueber  die  Synode  von  Mainz  vgl.  Wib.  V.  Leonis  I,  c  5.  Nament^ 
lieh  J.-L.  nr.  4197:  Quapropter  cum  redieremus  a  synodo  MoguntinOy  quam 
pro  statu  Germanicae  et  Gaüicanae  ecclesiae  disposuimus  ceUhrart^  ubi 
cofUigit  no8  ad  ecclesiam  tuam^  sande  Deodate,  venire;  Urk.  vom  19.  Oct. 
1049  für  Besan^on,  Gallia  Christ  XV,  instr.  col.  9:  Damnata  enim  stmo- 
niaca  heresi  eaque  radicitus  exstirpata,  cum  de  divinis  offidis  sacris  ordi' 
nihus  diversa  emergerentur  negotia. 

•)  J.-L.  nr.4197.         0  ib.  nr.4206.  •)  ib.  nr.4195. 

»)  Jaflf6  I,  635. 
»)  J.-L.  nr.  4207. 
>»)  CHOL  IV,  nr.  2977. 


ä23 

fand  Leo  Parteigänger,  als  er  anf  der  zweiten  Lateransynode 
gegen  den  nnenthaltsamen  Giema  Italiens  yorging.^)  Sonst 
war  die  Versammlung  mehr  transalpinischen  Angelegenheiten 
gewidmet  Der  französiscf^e  Episeopat  war  durch  hervorragende 
Mitglieder^)  vertreten,  unter  den  Achten  hatten  sich  Hugo  von 
Cluni,  Walerann  von  St  Vannes,  Gervin  von  St  Riqnier  ein- 
gefunden.') Die  Citationen  französischer  Geistlicher,  die  Leo 
hatte  ergehen  lassen,  erwiesen  sich  als  wirksam  und  zeigten, 
dass  der  gallicanische  Clerus  sieh  den  Anforderungen  der  Curie 
nicht  mehr  entziehen  konnte.^)  Selbst  die  Gegenden  südlich 
der  Loire  waren  diesmal  durch  die  Bischöfe  von  Poitiers  und 
Saintes  vertreten.*)  Auf  derselben  Synode  trat  Leo  flir  mehrere 
französische  Klöster  auf:  Montierender^)  und  Romans  an  der 
Isöre.'')  Ein  Act  von  principieller  Bedeutung  war  aber  die 
Canonisation  Gerhards  von  Toul*):  es  war  eine  feierliche  De- 
monstration zu  Gunsten  des  klösterlichen  Reformwesens,  ebenso 
wie  die  feierliche  Erhebung  der  Gebeine  Gerhards,  die  der 
Papst  am  Anfang  des  Winters  in  Toul  vornahm. 

Der  Erzbischof  Halinard  von  l^yon  stand  Leo  bis  zum 
letzten  Atemzuge  treu  zur  Seite:  mit  Hugo  von  Cluni  wohnte 
er  der  römischen  Synode  von  1050  bei.  Als  der  Papst  dann 
aufbrach,  um  nach  Toul  zu  ziehen,  war  auch  Halinard  den 
ganzen  Weg  in  seiner  Begleitung:  am  22.  September  in  St  Mau- 
rice, am  26.  und  27.  in  Romainmoutier,  wohin  Abt  Hugo  das 
Kirchenoberhaupt  geleitet  hatte®),  am  3.  October  in  Besangen, 
wo  wir  ausser  ihm  Friedrich  von  Genf,  Wide  von  Chalon, 


0  Vgl.  Bonizo  a.a.O.:  Nam  non  solum  Bomae  incorUinentea  sacer- 
dotes  et  kvitae  ab  aUaria  prohibebantur  officio,  sed  per  vicinas  drcum- 
quaque  regiones  et  omnem  Tu8ciam  adiuvantibus  monachis,  viris  religiosia, 
et  verbo  praedicationia  insudantibus. 

')  So  Easebius  von  Angers  (Sndendorf,  Berengarius  Taron.  epist 
nr.  8;  Glesebrecht,  Kaiserzeit  II,  671),  Geldnin  von  Sens  (Clarli  Chron. 
Senon.  a.a.O.  p. 505)  und  viele  andere;  vgl.  BrOcking  S. 40. 

>)  J.-L.  nr.4219;  Brücking  S.41. 

«)  Bröcking  S.  42. 

^)  BrUcking  S.41. 

^  J.-L.  nr.  4216—4218.  4222. 

')  J.-L.  nt.4220.  4221. 

'O  Die  Urk.  bei  Mabillon,  Ann.  Ben.  IV,  app.  p.  739. 

^)  Lehmann,  Forsch.  S.  85. 

21* 


324 

Walter  von  Mäcon,  Azelin  von  Sutri,  einen  Burgunder,  und 
den  ungarischen  Erzbischof  Georg  von  Colocz  bemerken.^) 
Dann  kam  man  nach  Langres,  wo  Halinard  in  Gegenwart  des 
Papstes  an  Stelle  Hugos  Arduin  zum  Bischof  ordinierte^), 
und  Leo  selbst  Frotmund  zum  Bischöfe  von  Troyes.-*)  Von 
da  ging  es  weiter  nach  Toul;  eine  gewaltige  Menschenmasse 
hatte  sich  eingefunden.  Mit  grossem  Gefolge  kam  auch  der 
Papst  an ;  natürlich  waren  Halinard,  Hugo  von  Besanf  on,  Georg 
von  Colocz,  Frotmund  von  Troyes  in  seiner  Begleitung;  zuge- 
sellt hatten  sich  unterwegs  noch  oder  in  Toul  Heribert  von 
Auxerre  und  ein  englischer  Bischof  Lupus/)  Man  sieht,  wie 
sehr  Leo  seit  seinem  Auftreten  in  Beims  an  Popularität  ge- 
wonnen hatte:  die  Bischöfe  von  Genf,  Chalon,  Mäcon,  Troyes, 
Auxerre,  die  noch  dem  Concil  des  vorigen  Jahres  ferngeblieben 
waren,  hatten  sich  jetzt  an  verschiedenen  Orten  dem  Sieges- 
zuge Leos  angeschlossen.  Am  21.  October  erfolgte  die  Trans- 
lation des  hl.  Gerhard  und  in  den  nächsten  Wochen  stellte  der 
Papst  wieder  zahlreiche  Urkunden,  namentlich  für  lothringische 

Stifter  aus. 

« 

Die  Thätigkeit  Leos  im  Interesse  des  Elosterwesens  und 
der  Reform  der  Geistlichkeit  erreichte  in  den  ersten  Jahren 
seines  Pontificats  ihren  Höhepunkt.  In  der  nächsten  Zeit  waren 
es  gar  verschiedene  Dinge,  die  ihn  in  Anspruch  nahmen. 
Kaum  hat  ein  zweiter  Papst  in  so  wenigen  Jahren  so  viel 
erwirkt  und  in  so  zahlreichen  Geschäften  sich  bewegt,  wie  er. 
Wir  folgen  ihm  nicht  weiter  in  seinen  Bemühungen  für  die 
Reinheit  der  Glaubenslehre,  die  er  gegen  Berengar  von  Tours 


»)  J.-L.  nr.  4249. 

>)  Chron.  S.  Ben.  p.  190. 

')  Chron.  S.  Petri  Senon.  a.  a.  0.  p.  505. 

*)  Translatio  S.  Gerardi,  SS.  IV,  509.  Hierauf  bezieht  sich  wohl  auch, 
was  die  Gesta  episc.  Autiss.  c.  50,  Dum  II,  892,  unmittelbar  an  die  Synode 
von  Reims  anschliessen,  wonach  dem  Papste  in  retleundo  pater  iste  (Heri- 
bert) sequidus  usqiie  ad  civitatem  TuUumf  in  qwi  beatta  iüe  ante  papatum 
sederat  episcopus,  coüoquiia  iUius  recreattUf  sacris  persuasionibus  infor- 
mattu,  benedictionibus  iocundatuSj  ad  sedem  auam  repedavit  cum  pactj 
satis  hilaris  et  letus.  Denn  1049  ist  Heribert  nicht,  auf  dem  Condl  von 
Reims,  und  Leo  IX,  soviel  bel^annt,  nicht  in  TouL  Heriberts  Anwesen- 
heit in  Toul  1050  ist  aber  durch  die  Translatio  bezeugt. 


I 


825 

nnd  die  griechische  Kirche  anf  sich  nahm,  ia  seinen  Unter- 
nehmungen gegen  die  Normannen  in  Unteritalien.  Auch  hier 
fand  er  in  HaUnard  die  treueste  Stütze.  0  Der  Erzbischof  wurde 
schliesslich  das  Opfer  seiner  curialen  Dienste.  Denn  als  er  in 
Vertretung  Leos,  der  behufs  Unterhandlung  mit  den  Ungarn 
an  das  kaiserliehe  Hofiager  gezogen  war,  die  päpstlichen  Ge- 
schäfte in  Rom  versah  und  einst  in  seiner  Residenz,  dem 
Kloster  St.  Gregor  auf  dem  Scaurusberge,  mit  seinen  Freunden 
den  Genüssen  der  Tafel  oblag,  wurde  den  Teilnehmern  durch 
einen  vergifteten  Fisch  teils  ein  jähes  Ende  bereitet,  teils 
siechten  sie  in  langwieriger  Krankheit  dahin.  Halinard  starb 
am  29.  Juli  1052^),  nachdem  er  seinem  Domcapitel  noch  die 
Wahl  des  Propstes  Humbert  empfohlen  hatte  3),  und  fand  in 
St.  Paul,  dessen  Administrator  Hildebrand  war,  die  letzte 
Ruhestätte. 

Wir  gehen  auf  die  engen  Beziehungen  des  Papstes  zu 
Kaiser  Heinrich  nicht  näher  ein,  dessen  Einverständnis  er  in 
allen  Dingen  hatte,  für  den  er  mit  dem  Bannstrahl  und  durch 
politische  Unterhandlung  arbeitete.  Leo  befindet  sich  fort- 
während unterwegs:  von  den  südlichsten  Teilen  Unteritaliens 
bis  in  die  Gegenden  des  Niederrheins;  von  Pressburg  bis  in 
das  östliche  Frankreich  hat  er  in  ftlnf  Jahren  Mitteleuropa 
durchzogen.  Zu  dem  Wanderkönigtum  der  deufcschen  Herr- 
scher hatte  sich  ein  Wanderpriestertum  des  Bischofs  von  Rom 
gesellt.  Darin  besteht  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen 
diesem  Verhältnis  und  dem  Ottos  III.  zu  Gerbert,  so  grosse 
Aehnlichkeit  beide  sonst  haben:  Otto  III.  hätte  das  Kaiser- 
tum am  liebsten  in  Rom,  am  Sitze  des  Papsttums,  festge- 


>)  Chron.  S.  Ben.  p.  192. 

*)  Chron.  S.  Ben.  p.  191. 

')  Brief  Halinards  an  die  Cftnoniker  von  Lyon,  in  dem  er  die  Wahl 
Humberts  empfahl  und  seine  Hinterlassenschaft  zwischen  dem  Gapitel  von 
St  Stephan  und  dem  Kloster  Ainay,  dem  er  verpflichtet  war,  teilte,  im 
Cartul.  d'Ainay  nr.  190.  Der  Brief  ist  bisher  anbenutzt  geblieben.  Ein 
anderer  der  Teilnehmer  des  Mahles,  Hugo  von  Langres,  starb  auf  dem 
Heimwege,  nachdem  er  von  den  ihn  begleitenden  Mönchen  von  Clunl  das 
Mönchskleid  von  StVannes  genommen  hatte,  dessen  Abt  sein  Bruder 
Walerann  war.  Vgl.  Chron.  S.  Ben.  a.  a.  0.  und  Laurentii  Gesta  episc. 
Yirdun.  c.  4,  SS.  X,  493,  wo  irrigerweise  Hugos  Tod  mit  der  römischen 
Synode  von  1050  in  Verbindung  gebracht  wird. 


326 

nagelt  Dieses  einträchtige  Zusammenwirken  der  weltlichen 
und  geistlichen  Macht  ist  seitdem  das  Ideal  aller  Friedlich- 
gesinnten gewesen.  Aber  die  Durchführbarkeit  des  Gedankens 
beruhte  auf  den  Persönlichkeiten.  Was  Heinrich  IIL  und  Leo 
möglich  war,  das  blieb  unter  Heinrich  IV.  und  Gregor  ein  un* 
erfllllbarer  Wunsch  aller  derer,  die  unter  dem  Unfrieden  bei- 
der Gewalten  schwer  zu  leiden  hatten.  So  erwies  sich  aller- 
dings der  Wechsel  in  Heinrichs  Eirchenpolitik  gelegentlich  ' 
der  Erhebung  Brunos  von  Toul  als  höchst  verhängnisvoll. 
Aber  es  kann  doch  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  es 
der  deutsche  Episcopat  selbst  war,  der  ihn  im  Stich  liess, 
und  dass  Heinrich  der  Machtmittel  entbehrte,  um  eine  Politik, 
die  er  in  einem  günstigen  Augenblick  mit  so  viel  Energie 
und  Glück  begonnen  hatte,  auf  die  Dauer  zu  behaupten  und 
durchzuführen. 


Elftes  Capitel. 

Schulen,  Bibliotheken  und  Litteratur  in  den 
Hauptcentren  der  Cluniacenserreform. 


Wean  wir  im  folgenden  Abschnitt  uns  mit  den  litterari- 
sehen  Bestrebungen  in  Clnniacenserklöstem  befassen,  so  gilt 
es  von  vornherein  den  Gedanken  abzulehnen,  als  ob  die  Ab- 
sicht vorliegen  könnte,  alles,  was  in  den  von  Cluni  direct  oder 
indirect  zu  irgend  einer  Zeit  beeinflussten  Klöstern  geschrieben 
wurde,  zu  behandeln.  Denn  abgesehen  davon,  däss  das  nichts 
anderes  als  eine  ausführliche  französische  Litteraturgeschichte 
des  zehnten  und  elften  Jahrhunderts  bedeuten  würde,  kann 
man  den  Begriff  des  Cluniacensertums  nicht  eng  genug  fassen, 
wenn  man  wirklich  zu  einer  Erkenntnis  spezifisch  cluniacen- 
sischer  Tendenzen  gelangen  will.  Je  weiter  man  sich  nach 
Zeit  oder  Localität  von  Cluni  entfernt,  desto  stärker  ist  schon 
die  Gefahr,  dass  Bildungselemente  der  verschiedensten  Art  die 
ursprüngliche  Richtung  durchkreuzen  und  modifizieren,  da  jede 
Gewähr  einer  constanten  Entwicklung  reformierter  Klöster 
fehlt,  so  lange  es  keinen  Orden  von  Cluni  giebt  Schon  trägt 
die  Litteratur  von  Fleury  und  die  von  Dijon  teilweise  einen 
anderen  Character,  als  die  von  Cluni  selbst:  es  würde  deshalb 
eher  verwirrend,  als  aufklärend  wirken,  wollte  man  die  Idee 
einer  Cluniacenserlitteratur  im  umfassendsten  Sinne  eines  von 
Cluni  irgend  einmal  beeinflussten  Mönchtums  begreifen;  das 
hiesse  eine  Summierung  der  verschiedenartigsten  Elemente, 
die  in  unserer  Zeit  niemals  eine  vollständige  Ideeneinheit  ge- 
bildet haben.  Es  kann  deshalb  nur  unsere  Aufgabe  sein,  das 
litterarische  Schaffen  in  den  hervorragendsten  Klöstern,  soweit 
sie  überhaupt  eine  Litteratur  aufweisen,  zu  betrachten. 


328 

Clani. 

Wie  das  Capitular  von  817  bestimmte,  dass  in  den  Klö- 
stern des  fränkischen  Reiches  keine  Schulen  f)lr  externe,  son- 
dern nnr  fllr  dem  Kloster  dargebrachte  nnd  dort  erzogene 
Knaben  gehalten  würden^),  so  weist  anch  alles,  was  wir  Über 
Clani  wissen,  auf  eine  derartige  nur  für  die  Oblaten  be- 
stimmte Schule.  Zwar  erfahren  wir  erst  aus  den  detaillierten 
Aufzeichnungen  Bernards  von  Clnni,  dass  die  Zöglinge  streng 
gehalten  wurden  und  ihr  Leben  sehr  sorgfältig  geregelt  war, 
aber  die  Grundlagen  der  Erziehung  dürfen  wir  doch  schon  fttr 
die  früheste  Zeit  voraussetzen.  Für  diese  sind  wir  freilich  nur 
auf  spärliche  Nachrichten  angewiesen.  Bereits  unter  Bemo  war 
eine  Klosterschule  mit  der  Abtei  verbunden,  deren  Leitung,  wie 
wir  wissen,  Odo  übernahm.^)  Unter  seinen  Nachfolgern  ist  sie 
weiter  nachweisbar.^)  Und  ebenso  wenig  entbehrten  die  von 
Gluni  aus  reformierten  oder  von  Cluni  abhängigen  Klöster 
eigener  Schulen.^)  Ebenso  frtth  entstand  eine  stattliche  Biblio- 
thek in  Cluni.  Bereits  Odo  brachte  nicht  weniger  als  hundert 
Codices  nach  der  eben  gegründeten  burgundischen  Abtei.^)  Zur 
Zeit  Aymards  bekleidete  Majolus  das  Amt  eines  Apokrisiars 
und  Bibliothekars^);  wir  dürfen  daraus  auf  eine  recht  ansehn- 
liche Bücherei  schliessen.'')  Als  er  dann  Abt  geworden,  liess 
der  der  frommen  Leetüre  ergebene  Mann  eine  Reihe  von  Co- 
abschreiben,  von  denen  einige  noch  erhalten  sind.  So  schrieb 
in  seinem  Auftrage  der  Mönch  Herimann  den  Commentar 
des  Rabanus  Maurus  über  Jeremias^);  ein  anderer  den*  Com- 


^)  Capit.  moDast.  c.  45,  ed.  Boretius  I,  346. 

«)  S.  Bd.  I,  S.  49. 

^)  CHOL  II,  nr.  1200  (966):  ac  tiepotem  meum  Grirbertum  lüteris  ini- 
buant  et  tnonachum  faciant;  IV,  nr.  3021 ;  vgl  Discipiina  Farf.  c.  16  bei 
Hergott,  Vetus  discipl.  monast.  p.  96. 

*)  Bezüglich  St.  Denis:  Jots.  11,  c.  8:  ut  etiam  infantes  scholae  ..  .; 
für  Souvigny  I,  c.  14:  Deinde  ai  infantes  et  cotwefUttö  fratru/m  adessent 
sollicitus  interrogat. 

^)  S.  Bd.  I,  S.  43;  vgl.  Vogel,  Fernere  Nachrichten  über  einige  Kloster- 
bibliotheken  des  Mittelalters,  Serapeam  V,  128. 

•)  Bd.  I,  S.  214. 

')  Serapeum  V,  138. 

^)  British  Museum,  Additional  mss.  22820  mit  der  Notiz:  Hie  Über 
descriptus  est  iwsu  domni  Maioli  abbatis  ab  Herimanno  sacerdote  licet 


329 

mentar  des  Ambro'siuB  ttber  das  Lncasevangelinm  ^),  und  ebenso 
copierte  der  Möneh  Werner  Schriften  des  hl.  Angnstin.^)  Von 
Helderioh,  jenem  elnniacensisehen  Mönche,  der  unter  Majolus 
Abt  von  St.  Germain  d'Anxerre  wurde,  rührt  ein  Codex  mit  dem 
Commentar  Haimos  von  Halberstadt  ttber  Ezechiel  her,  der 
sich  in  der  Pariser  Nationalbibliothek  befindet.^)  Diese  Hand- 
schriften sind  z.  T.  reich  an  Miniaturen  und  Initialen.  Zeigt 
die  Ausftlhrung  auch  nur  bescheidene  Spuren  von  künstle- 
rischer Fertigkeit  —  namentlich  die  historischen  Darstellungen 
Helderichs  zeichnen  sich  durch  Unbeholfenheit  aus  ^)  — ,  so  sind 
sie  doch  als  die  Anfänge  einer  elnniacensisehen  Colorierkunst 
zu  beachten,  die  im  elften  Jahrhundert  erhebliche  Fortschritte 
machte.  Prächtige  Codices  wurden  unter  Odilo  in  Cluni  ge- 
schrieben^), unter  denen  namentlich  die  Handschrift  berühmt 
wurde,  die  der  Abt  Heinrich  IL  zum  Geschenk  machte.®)  Ein 
anderer  im  elften  Jahrhundert  sehr  schön  geschriebener  Codex, 
der  die  Dialoge  Gregors  I.  und  verschiedene  Heiligenleben 
enthält,  zeigt  künstlerisch  vollendete  farbige  Initialen  in  fein- 
gezeichneten Blatt-  und  Stilornamenten.'') 

Unter  den  Schätzen  der  Bibliothek  nahmen  neben  der 
heiligen  Schrift,  die  man  unausgesetzt  studierte^),  die  Kirchen- 
väter natürlich  die  erste  Stelle  ein;  noch  heute  ist  eine  grössere 


indigno  et  monachorum  omnium  uUimo  et  praelibati  patris  voto  oblatus 
mncto  Fetro  Cluniensi  coenohio;  vgl.  Ziegelbauer,  Hist.  rei  litt.  ord. 
S.  Bened.  I  (Augast  Vindel.  et  Herbipoli  1754),  474. 

*)  Delisle,  Fonds  de  Cluni  p.  44:  Liber  obUitus  ad  altare  sancti  Fetri 
Clunietisis  coenobii  ex  voto  domni  atque  reverentissimi  Maioli  abbatis. 

»)  Lebeuf,  Recueil  II,  39;  Serapeum  V,  138. 

')  Cod.  lat  Paris.  12302;  vgl  Labarte,  Hist.  des  arts  industriels  U,  127. 
Er  hat  sich  selbst  dargestellt,  sein  Buch  dem  hl.  Germanus  Überreichend. 

*)  I^abarte  a.  a.  0.  urteilt:  maia  il  n'a  reussi  qu*ä  constater  la  d^gra- 
dation  compltte  de  Vart 

*)  Vgl.  Jots.  II,  c.  18:  librum  aacratnentorum  atireis  litteris  scriptum; 
einen  Codex  mit  goldenen  Lettern  schenkte  König  Knut  dem  Herzog  Wil- 
helm von  der  Normandie,  Sermo  Ademari  bei  Migne  141,  722. 

•)  Darüber  handelt  ausführlich  Ringholz,  Der  hl.  Odilo  p.XLVI  bis 
XLVIIL 

^)  Nouv.  acquis.  1491;  vgl.  Delisle,  Fonds  de  Cluni  p.  200.  Die  ersten 
und  letzten  Blätter  fehlen,  vielleicht  würden  wir  sonst  etwas  ttber  den 
Schreiber  erfahren. 

")  Ringholz  S.IOO. 


330 

Zahl  von  Handschriften  der  alten  Bibliothek  von  Clani  ans 
dem  zehnten  und  elften  Jahrhundert  erhalten,  die  diese  Vor- 
liebe ftlr  die  Patres  beweisen.  Doch  können  die  Classiker  un- 
möglich gefehlt  haben.  Denn  wenn  man  auch  Odo  0«  Migolus^) 
und  Hugo  3)  nachsagte,  dass  sie  von  den  heidnischen  Dichtern 
nichts  wissen  wollten,  als  deren  gefährlichster  —  man  weiss 
nicht  recht  warum  —  Virgil  erschien,  wenn  sich  in  dieser 
Nachricht  auch  die  Tendenz  verkörperte,  die  das  ganze  refor- 
matorische Mönchtum  beherrschte^),  die  Abwendung  von  aller 
Sinnlichkeit,  so  wissen  wir  doch,  dass  auch  weiterhin  die  Werke 
Virg^ls,  Ovids  und  Juvenals  sowohl  in  Cluni  %  als  in  den  ver- 
wandten Stiftern^)  studiert  und  abgeschrieben  wurden.  Von 
einem  wirklichen  Verzicht  auf  diese  litteratur,  deren  man  Air 
den  grammatischen  Unterricht  gar  nicht  entbehren  konnte,  ist 
nicht  die  Rede.'') 


»)  Job.  V.  Od.  I,  c.  18. 

>)  Syri  V.  Mai.  c.  14;  Syrus  schöpft  hier  aas  der  Vita  AlcaiBi,  Jaff6, 
Bibl.  VI,  24. 

>)  Hildeberti  Y.  Hug.,  Bibl.  Clun.  col^22  ff.  Irrig  sieht  Liebrecbt, 
Zur  Virgilsage,  in  Pfeiffers  Germania  X,  413  in  dem  liber  Maronis  ein 
Zauberbuch  des  Virgil;  vgl.  Comparetti,  Virgilio  nel  medio  evo  p.  124.  Es 
ist  zu  beachten,  dass  Sjrrus  die  V.  Alcuini  ausschreibt  und  dass  der  Traum 
Hugos  nur  dem  Odos  nachgebildet  ist. 

*)  Vgl.  Chron.  Centul.  IV,  c.  13  bei  D'Ach6ry,  Spicil.  II,  338;  Blume, 
Iter  Italicum  II  (1827),  217;  Breve.  record.  de  Äindat.  eiusdem  monast 
S.  Mich.,  Mittarelli,  Ann.  Camald.  II,  app.  1 025 ;  V.  Popp.  c.  82 ;  Rod.  Gla- 
ber  U,  c.  12.  £s  sind  das  Steilen,  die  gegen  die  Classiker  gerichtet  sind. 

*)  Bei  Syrus  selbst  finden  sich  eine  ganze  Menge  von  Entlehnungen 
aus  diesen  Dichtem;  vgl.  Schultze,  Forsch,  z.  D.  Gesch.  XXIV,  170;  ebenso 
verwendet  Jotsald,  Odilos  Biograph,  Virgilische  Verse  und  Versstttoke  in 
Menge,  Ringholz  S.  101 ;  vgl  Zappert,  Virgils  Fortleben  im  Mittelalter, 
Denkschriften  der  Wiener  Akademie  der  Wissensch.  II  (1851),  40  ff.  Peter 
der  Ehrwürdige  citiert  Horaz  und  Virgil;  vgl.  Petri  Venerab.  Epist.  I,  6.  16; 
U,  14;  IV,  17.  80.  Peter  von  Poitiers  wagt  gar  Peter  von  Cluni  mit  Cicero, 
Virgil  und  Homer  zu  vergleichen,  Panegyricus,  Bibl.  Clun.  coL  607  iL 

^)  Die  Floriacenser  Aimo,  Abbo  und  Andreas  bekunden  oft  nament- 
lich ihre  Bekanntschaft  mit  Virgil;  vgl.  Pardiac,  Hist.  de  St.  Abbon  p.  159. 
203.  273;  Zappert  a.a.O.  p.40;  Andreas  citiert  V.  Gauzl.  II,  c. 50:  Virgils 
Aeneis  I,  423—436  und  IV,  402—407  und  in  den  Mirac.  S.  Bened.  III,  o.  9 
die  Georgica.  Ein  prachtvoller  Virgilcodex  saec.  X  aus  Fleury  jetzt  Bern 
nr.  172.  Bezüglich  Adsos  von  Montierender  ist  auf  den  Bibliothekscata- 
log,  BibL  de  Töcole  des  chartes,  1882,  p.  157  zu  verweisen. 

')  Es  ist  also  unrichtig,  wenn  Pfister,  Etudes  p.6  bemerkt:  Ainsi 


831 

Die  erste  Stelle  anter  den  Autoren  Clonis  sowohl  der  Zeit, 
als  der  Bedentnng  nach  nimmt  Odo  ein.  Aber  es  ist  bemer- 
kenswert, dass  seine  Schriften  mit  Clnni  kanm  in  Beziehung 
stehen,  dass  er  seine  Anregung  in  ganz  anderen  Gegenden, 
an  anderen  Orten  fand:  in  St  Martin  in  Tours,  in  Limousin 
und  St -Benoit-sur- Loire.  Man  würde  ihn  an  verschiedenen 
Stellen  behandeln  müssen,  wollte  man  ihn  litterargeschichtlich 
richtig  würdigen.  Die  cluniaeensische  Litteratur  beginnt  erst 
nach  seinem,  eigentlich  erst  nach  dem  Tode  des  Majolus,  wo 
zuerst  die  Vergangenheit  genügende  Anregung  für  schriftstelle- 
risch begabte  Insassen  des  Stifties  bieten  konnte. 

Als  Odo  nach  Cluni  kam,  hatte  er  sich  in  Tours  bereits 
durch  seinen  Auszug  aus  den  Moralia  Gregors  des  Grossen 
litterarisch  verdient  gemacht  Es  war  nur  eine  Kürzung  ohne 
subjective  Zuthaten,  eine  Arbeit,  die  er  selbst  bescheiden  be- 
urteilte, die  aber  trotzdem  viel  Anklang  fand.^)  Dem  hl.  Martin 
zu  Ehren  hielt  er  dann  in  Tours  zwei  Predigten,  die  eine  be- 
deutendere über  den  Brand  der  Basilika  etwa  938^),  die  er 
erst  später  in  die  ausftlhrliche  Form  brachte,  in  der  wir  sie 
besitzen,  ein  Werk,  das  uns  über  die  Gestaltung  unterrichtet, 
welche  seine  Philosopheme  in  den  späteren  Lebensjahren  er- 
halten hatten,  die  andere  eine  Festpredigt  ohne  weiteres  Inter- 
esse.^) Er  dichtete  femer  auf  St.  Martin  drei  Hymnen^),  dar- 
unter .  einen  in  acht  Strophen  %  der  mit  den  bezeichenden 
Zeilen  schliesst: 

MonoiStico  nunc  ordini 

lam  pene  lapso  subveni    Anwn, 

Noch  auf  dem  Sterbelager  verfasste  der  Abt  zwölf  Antiphonen 
auf  den  Heiligen  von  Tours,  welche  den  Tod  desselben  zum 
Gegenstande  haben.^) 


aucun  auteur  profane  ne  trouvait  place  dans  Venseignement  des  moines^ 
und  p.  3:  L'antiquiU  fut  däsormaU  ba/nnie  de  Venseignement  monacoL 

1)  Gedruckt  Migne,  Patrol.  lat.  1. 133, 105—512. 

*)  Gedruckt  Bibl.  Clun.  col.  145—160;  vgl.  Bd.  I,  S.363f. 

3)  Bibl  Clun.  col.  123— 128. 

*)  Job.  V.  Odonis  I,  c.  10:  Tres  vero  hymnos  in  eiwdem  laude  com- 
posuit    Johannes  citiert  einen  davon,  und  zwar  den  gedruckten. 

^)  Bibl.  Clun.  col.  264.    Die  andern  sind  unbekannt  geblieben. 

^)  Bibl.  Clun.  col.  261.  —  Dass  der  Tractatus  de  reversione  beati  Mar« 


832 

Umfangreicher  und  bedeutender  sind  die  Schriften,  in  denen 
sich  Odos  Beziehungen  zn  Bisehof  Tnrpio  von  Limoges  und 
dessen  Bruder  Aimo  von  TuUe  widerspiegeln. 

Bereits  als  Mönch  verfasste  er  sein  Hauptwerk,  die  Col- 
lationenJ)  Abt  Berno  hatte  ihn  einst  gelegentlich  zum  Bischof 
Turpio  von  Limoges  gesandt,  mit  dem  er  in  ein  Gespräch  über 
den  kläglichen  Zustand  der  Kirche  verwickelt  wurde.  Als  sich 
da  eine  entschiedene  Uebereinstimmung  in  den  Ansichten  und 
Gedanken  beider  ergab  und  Odo  einen  Abschnitt  aus  dem  Pro- 
pheten Jeremias  Über  die  Priester  auseinandersetzte,  forderte 
der  Bischof  den  Mönch  auf,  ein  Buch  über  den  Gegenstand  zu 
schreiben,  und  wandte  sich  sogar  an  den  Abt,  als  Odo  den 
Einwand  erhob,  ohne  Einwilligung  des  Priors  nichts  unter- 
nehmen zu  dürfen.  So  oft  aber  Berno  ihn  zur  Arbeit  drängte, 
die  in  einer  Compilation  von  Stellen  der  Kirchenväter  mit  Be- 
zug auf  die  Zustände  der  Zeit  bestehen  sollte  —  immer  zögerte 
der  Mönch,  seine  Unfähigkeit  vorschützend,  bis  der  Abt  ihm 
wieder  eine  Gesandtschaft  an  Tnrpio  auftrug  und  anbefahl, 
innerhalb  vierzehn  Tagen  die  Forderung  zu  erftlllen,  um  vor 
dem  Bischöfe  nicht  in  Verlegenheit  zu  geraten.  Jetzt  musste 
Odo  zur  Tafel  greifen.  Den  Stoff  der  Schrift  bildete  ihm  das 
Wachstum  der  Schlechten,  welche  die  kirchliche  Censur  ver- 
achten, und  der  Eitlen,  die  nach  irdischem  Ruhme  streben  und 
nur  zum  Scheine  Gott  dienen.  Als  den  Zweck  des  Werkes 
bezeichnet  der  Verfasser:  die  Gedrückten  zu  trösten,  die  Un- 
verschämtheit der  Schlechten  zu  Schanden  zu  machen. 

Er  hatte  in  kurzer  Zeit  die  Arbeit,  in  der  er  vornehmlich 
die  Stellung  des  Uebels  in  der  göttlichen  Weltordnung  behan- 
delte, vollendet,  als  der  stürmische  Winter,  der  plötzlich  herein- 
brach, die  Reise  nach  Limoges  verhinderte.  In  den  kurzen 
Tagen  des  Winters  sah  Odo  seine  Arbeit  nochmals  durch,  und 
da  er  noch  einiges  auf  dem  Herzen  hatte  gegen  die,  welche 
durch  das  Beispiel  der  Schlechten  selbst  schlechter  werden, 
fügte  er  ein  zweites  Buch  hinzu,  das  aber  der  strengen  Dis- 

tini  a  Burgundia,  der  Odo  zugeschrieben  wird  (Bibl.  Clan.  col.  113— 124), 
eine  plnmpe  Fälschung  ist,  ist  längst  erkannt  worden.  Vgl.  Salmon,  Chron. 
de  Touraine,  SuppL  p.  XI;  Mabille,  Les  inväsions  normandes  dans  la 
Loire,  Bibl.  de  l'^cole  des  chartes  XXX  (1869),  158;  Hauröau,  Singnla- 
rit6s  p.  167  f.        ')  Gedruckt  Bibl.  Clun,  col.  159—262, 


333 

positioa  entbehrt  nud  den  Inhalt  des  ersten  Buches  nar  erwei- 
tert. Auch  hier  kommt  der  Verfasser  auf  die  drei  Laster  zu- 
rück, die  der  böse  Geist  dem  Menschengeschlecht  einpflanzte, 
dann  aber  wendet  er  sich  gegen  die  Verachtung  und  Grering- 
schätzung,  mit  der  man  im  Volke  wie  im  Clerus  die  göttlichen 
Mysterien  behandle. 

Odo  hatte  auch  dieses  Buch  vollendet  und  glaubte,  dem 
Bischöfe  und  Abte  genug  gethan  zu  haben:  aber  Berno  fasste 
die  Aufgabe  strenger,  da  sich  fand,  dass  in  den  beiden  Büchern 
über  den  Trost  der  Betrübten  zur  Beratung  des  Bischofs  nur 
wenig  gesagt  sei.  So  entstand  das  dritte  Buch,  das  die  voran- 
gehenden an  Umfang  wiederum  übertrifft 

Zur'  Biographie  des  hl.  Gerald  von  Aurillac  hatten  Odo 
in  den  dreissiger  Jahren  des  zehnten  Jahrhundert  Turpio 
und  sein  Bruder  Aimo  von  TuUe  angeregt.  Er  hatte  sich  an- 
fangs dagegen  gesträubt,  schliesslich  aber  doch  nachgegeben, 
zumal  er  sich  bei  einem  Besuche  in  Aurillac  nach  Erkundi- 
gungen bei  vier  Personen,  die  Gerald  erzogen,  dem  Mönche 
Hugo,  dem  Priester  Hildebert  und  den  vornehmen  Laien 
Witard  und  Hildebert,  von  dem  heiligen  Lebenswandel  des 
Mannes,  der  doch  ein  Laie  war,  überzeugt  hatte.  Seine  Ten- 
denz geht  nun  —  gegenüber  den  Zweifeln  an  der  Heiligkeit 
eines  Mannes,  der  kein  Märtyrer  gewesen  sei,  Fleisch  gegessen 
habe  u. s.w. —  dahin,  zu  zeigen,  dass  Gerald,  obgleich  er  im 
Weltleben  stand  und  sich  von  den  Gewohnheiten  seiner  Standes- 
genossen  nicht  gänzlich  losgesagt  hatte,  doch  auf  die  Verehrung 
als  Heiliger  Anspruch  hat  Nicht,  weil  er  Wunder  vollbrachte, 
die  schBesslich  nicht  nötig  gewesen  wären,  sondern  weil  er 
durch  seine  fromme  Denkungsart  —  er  hatte  sich  scheren 
lassen  und  trug  statt  des  Schwertes  ein  goldnes  Kreuz  am 
Wehrgehenk  — ,  dureh  seine  Ehelosigkeit,  seine  Absicht,  Mönch 
zu  werden,  seine  Gründung  von  Aurillac,  die  vielen  Bomreisen 
sich  ein  Anrecht  auf  die  Bewunderung  und  Verehrung  der 
Mit-  und  Nachlebenden  geschaffen.  Im  übrigen  waren  die  An- 
sprüche, die  an  die  Heiligkeit  eines  Laien  damals  gestellt 
wurden,  nicht  gerade  bedeutend.  Odo  rechnet  es  ihm  schon 
als  Verdienst  an,  dass  er  nur  einen  Pelz  besassO?  er  lobt  es 

»)  II,  c.  8. 


834 

bereits,  dass,  wenn  er  schon  Trinkgelage  hielt,  er  seine  Gäste 
doch  nicht  znm  Zechen  animierte,  und  dass  er  nicht  mehr  und 
nicht  öfter  trank  als  seine  Zechgenossen.  0 

Die  Vita  S.  Geraldi,  die  Abt  Aimo  gewidmet  ist,  ist  uns 
in  zwei  Fassangen  erhalten,  einer  längeren  in  vier  Büchern, 
von  denen  die  ersten  beiden  sein  Leben,  das  dritte  den  Tod,  das 
vierte  die  Wunder  behandelt 2),  nnd  einer  kürzeren^),  in  welcher 
in  einem  ersten  Teile  das  geistliche  Leben  Geralds  mit  Weg- 
lassnng  aller  historischen  Thatsachen  geschildert  wird,  wäh- 
rend Transitns  nnd  Miracnla  in  besonderen  Abschnitten  folgen. 
Beide  Recensionen,  von  denen  die  erste  fraglos  die  ältere  ist, 
stimmen  im  wesentlichen  wörtlich  tiberein,  nnr  deuten  einzelne 
Umstellungen,  geringfügige  Aenderungen  nnd  Zusätze  der  kür- 
zeren darauf,  dass  auch  diese  Odo  zum  Verfasser  hat 

Unter  Odos  Namen  sind  ferner  einige  Predigten  erhalten 
—  abgesehen  von  den  schon  erwähnten  über  St  Martin  — : 
eine  Predigt  in  cathedra  S.  Petri*),  eine  solche  über  St  Maria 
Magdalena^)  und  eine  andere  über  den  hl.  Benedict,  die  in 
Fleury  gehalten  wurde  und  sich  seither  sowohl  dort,  als  in 


»)  I,  c.  18. 

«)  Gedruckt  Bibl.  Clun.  col.  63—114. 

>)  Sie  ist  erhalten  in  den  Pariser  Codd.  2261  f.  135  (mit  dem  Prolog 
der  älteren)  saec.XI/XlI;  11749  saecXl;  5315  saec.XlI  (fragment.);  529$ 
saec.Xiri;  15149  saec.  XIY;  2246  nouv.  acqais.  saec.  Xl/XlI.  Irrig  ist  die 
Ansicht  Haar6aus,  die  längere  Fassung  wäre  eine  später  interpolierte 
Arbeit  Er  geht  von  der  falschen  Annahme  aas,  dass  dieselbe  nur  in 
einer  Hs.  des  15.  Jahrh.  überliefert  sei.  Sie  ist  vielmehr  enthalte  im  Cod. 
Paris.  5301  saec.  X  und  3783  saec.  XI,  die  ich  selbst  nachgeprüft  habe. 

*)  Haur^au  p.  171  spricht  sie  Odo  mit  dem  Hinweis  ab,  dass  sie  sich 
auch  unter  den  Werken  Leos  I.  fände.  Aber  es  ist  klar,  dass  die  Pre- 
digt nicht  von  einem  Papste  herrühren  kann ,  in  der  von  St  Peter  fort^ 
während  als  vom  patronus  die  Rede  ist,  während  der  Redner  von  sich 
und  den  Zuhörern  als  von  alumnia  miiSf  d.  i.  St  Peters,  spricht  Die  Pre- 
digt passt  aber  gut  nach  Cluni,  dessen  Patron  Petrus  war;  da  ich  sie  auch 
im  Cod.  Paris,  lat  17002  saec.  X/XI  f.  249  überschrieben  gefunden  habe: 
Sermo  heaii  Odoni  ahbatis  in  cathedra  sancti  Petrif  qu^  est  VlIL  K,  Marc,, 
so  nehme  ich  keinen  Anstand,  sie  Odo  zuzuschreiben. 

")  Auch  diesen  Sermo  (Bibl.  Clun.  col.  131)  will  Haur6an  Odo  ab- 
sprechen; aber  der  Hinweis  auf  angebliche  stilistische  Unterschiede  hat 
mich  nicht  überzeugt. 


835 

Clnni  grosser  Beliebtheit  erfreute.  Nicht  nnr  Aimoin  rtthmte 
sie  später  bei  jeder  Gelegenheit  i),  auch  in  Clnni  ward  sie 
noch  Ende  des  elften  Jahrhnnderts  beständig  an  der  Octave 
des  Benedictsfestes  gelesen.^)  Odo  stellt  hier  Moses  und  Bene- 
dict nebeneinander:  ans  einem  trockenen  Fels  habe  dieser  eine 
Quelle  für  den  Gebrauch  der  Mönche  hervorgezaubert,  die  heut 
in  breitem  Strome  dahinfliesse.  «Welcher  König  oder  Kaiser*, 
ruft  er  emphatisch,  ,»hat  jemals  in  so  yielen  Weltteilen  die 
Herrschaft  geführt  oder  aus  so  verschiedenen  Nationen  so 
zahlreiche  Legionen  aufgebracht,  als  dieser  im  Kriegsdienste 
Christi  freiwillige  Krieger  jeden  Oesehlechtes  und  Alters  leitetl* 
Ausser  dem  Hymnus  auf  den  hl.  Martin  verfasste  er  einen 
in  sieben  Strophen  auf  Maria  Magdalena  und  ein  Gedicht 
in  zwölf  leoninischen  Hexametern  über  das  Sacrament  der 
Eucharistie.^) 

Odo,  von  dem  man  weiss,  dass  er  von  Remigius  in  der 
Musik  unterrichtet  wurde,  werden  von  einigen  verschiedene 
Schriften  über  Musik  zugeschrieben,  der  sogenannte  Tonarius, 
der  Dialogns  oder  das  Enchiridion,  eine  mit  diesem  in  einigen 
Handschriften  verbundene  dritte  musikalische  Schrift,  die  Re- 
gulae  de  Rythmimachia,  die  sogenannten  Kegulae  super  Aba- 
cum  und  ein  kleiner  Aufsatz  über  den  Orgelbau.^)  Von  diesen 
sind  in  neuerer  Zeit  allerdings  ernstlich  nur  die  ersten  beiden 
in   Frage   gekommen.i^)     Aber   da   aus   der   handschriftlichen 

1)  Aimoini  Mir.  S.  Bened.  II,  c.  4;  Sermo  de  S.  Bened.,  Bibl.  Floriac. 
p.  290.  In  einer  Anf  Zählung  aller  Autoren  Über  den  hl.  Benedict  im  Cod. 
Paris,  lat.  13758  saec. XI,  f.  19'  spricht  Aimoin  von  Odo:  Ilh*d  sane^  non 
reticendumj  quod  domnua  amabilis  abba  Odo  in  laude  eiusdem  patris  ser- 
monem  facunda  edidit  doqtnentia  et  in  Sermone^  quem  de  aancto  conscripsit 
MartinOj  huius  non  siluit  praeconia. 

*)  Bemardi  Ordo  Glun.  bei  Hergott,  Vetos  discipl.  p.  348:  in  aliis 
per  octavis  noctibua  legitur  pidcherrimua  sermo  domni  Odonis  abbatis  de 
eodem  sancto  patre, 

s)  Beide  gedruckt  Bibl.  Ginn.  col.  268. 

*)  Gedruckt  bei  Gerbert,  Scriptores  ecclesiastici  de  musica  sacra 
potissimum  I  (St.  Blasien  1784),  247—303. 

B)  Nisard,  St  Odon  de  Cluni,  Paris  1866,  eine  kleine  Arbeit,  die  sieh 
vornehmlich  mit  den  musikalischen  Schriften  Odos  beschäftigt,  nimmt  den 
Tonarius,  Dialogus,  die  Regpilae  super  Bythmimachia  und  die  Abhandlung 
Über  den  Orgelbau  aus  nichtigen  Gründen  flir  ihn  in  Anspruch.  F6tis, 
Biographie  universelle  de  la  muslque  VI,  348  schreibt  Ihm  nur  den  Dia- 


336 

Ueberschrift  des  TonariuB  überhaupt  nieht  zu  folgern  ist,  dam 
er  von  einem  Abte  Odo  herrührt  >),  und  der  Dialogns,  der  erst 
vom  Anon.  Mellie.  e.75  unserm  Odo  zugeBehrieben  wird,  in 
mehreren  Handschriften  unter  dem  Namen  Guidos  von  Arezzo 
geht 2),  so  bliebe  schliesslich  nichts  übrig,  was  mit  Sicherheit 
Odo  zukäme.  In  der  That  spricht  nichts  dafür,  dass  der  Abt 
von  Cluni  überhaupt  musicalische  Schriften  verfasst  hat  Nicht 
nur  berichtet  sein  Biograph  davon  nichts,  es  giebt  auch  keine 
einzige  Handschrift,  welche  irgend  eines  der  erwähnten  Werke 
ausdrücklich  dem  Abte  von  Cluni  zuschriebe. 

Kaum  ein  Jahr  nach  Odos  Tode  schrieb  Johannes,  ein 
ehemaliger  Canoniker  aus  Rom,  den  der  Abt  938  mit  über  die 
Alpen  genommen  und  zur  Conversion  gebracht  hatte,  sein  Leben. 
Er  wurde  940  Prior,  vermutlich  in  St  Paul  zu  Rom,  und  kam 
dann,  wohl  in  der  Absicht  zu  reformieren,  nach  einem  salemi- 
tanischen  Kloster,  wo  er  erkrankte.')  Hier  regten  ihn  Ge- 
spräche mit  seinem  Mitbrnder  Adhalrad  und  dem  ftirstlichen 
Hausminister  von  Salerno  zu  jener  Lebensbeschreibung  an ,  für 


logus  zu;  vgl.  Revue  de  musique  religieuse,  1847,  S.  106.  862.  Haur^u, 
Singularit^s  S.  156—162,  der  aber  die  Ueberschrift  des  Cod.  Cassin.  miss- 
versteht,  lässt  nur  den  Tonarius  gelten. 

>)  Erhalten  im  Cod.  Cassin.  318  saec.  XL  Vgl.  Bethmann,  Archiv 
XII,  505.  Aber  aus  dem  Titel:  Item  tonora  per  ordinem  cum  suis  diffe- 
rein/tiiSj  quos  habemus  honorifice  emendatos  et  patefactoa  a  damno  Oddotie 
religio8o  abbate,  qui  fuit  peritus  in  arte  mvaica  folgt  natürlich  nicht, 
dass  ein  Abt  Odo  der  Yer&sser  der  Schrift  war.  Aus  einer  Stelle  des 
Dialogus,  die  sich  mit  dem  im  Tonarius  Erwähnten  berührt,  kOnnte  man 
es  allerdings  schliessen  (vgl.  Haureau  S.  160),  indes  nicht  mit  Sicherheit 
Beide  Schriften  spielen  vielleicht  nur  auf  dieselbe  Neuerung  eines  Abtes 
Odo  an.  Wie  dem  auch  sei,  dass  der  Abt  von  Cluni  jener  Abt  Odo  sein 
müsse,  folgt  keineswegs. 

>)  Revue  de  mus.  rel.  S.196;  F6tis  VI,  348.  Es  sind  die  Codd.  3713 
und  7461  der  Nationalbibl.,  Vat.  reg.  Chr.  1192;  Laurent  Plut  XXIX,  48. 
Nur  die  Codd.  Paris.  721 1  und  7369  tragen  den  Namen  eines  Abtes  Odo, 
der  natürlich  nicht  der  Abt  von  Cluni  gewesen  zu  sein  braucht  Ein  Abt 
Odo  wird  im  Text  einmal  erwähnt;  vielleicht  hat  das  die  Ueberschrift  und 
auch  die  Notiz  des  Anon.  Mellie.  veranlasst.  Angeloni,  Sopra  la  vita,  le 
opere  ed  il  sapere  di  Guido  d'Arezzo  nimmt  den  Dialogus  für  Guido  v.  A. 
in  Anspruch.  Die  von  F^tis  aus  dessen  Werken  gedruckte  Stelle  spricht 
nicht  dagegen,  jedenfalls  aber  nicht  dafür,  dass  Odo  von  Cluni  der  Vet- 
fjAsser  ist 

»)  Vgl  Bd.1,  S.861ff: 


337 

die  er  den  Stoff  seinem  ehemaligen  Lehrer  Arnulf,  Abt  Odo 
selbst  und  dem  Prior  Hildebrand  von  Clnni  verdankte. 

Johannes  macht  einen  überaus  zuverlässigen  Eindruck.  Er 
verwirft  z.  B.  die  Zeugnisse  des  Bischofs  Huebert  von  Turin 
und  eines  Bruders  Landricus.  Er  gesteht  zu,  die  Voreltern 
und  Zeitgenossen  Odos  nicht  zu  kennen.  Er  fUhrt  Odo  redend 
ein,  wo  seine  Nachrichten  direct  auf  Erzählungen  des  Abtes 
zurückgehen.  Bemerkenswert  ist  die  Tendenz,  mit  der  er  an 
seine  Arbeit  herangeht:  Mag,  wer  will,  sagt  er,  Dämonenver- 
treiber,  Totenerwecker  und  andere  wunderthätige  Männer  prei- 
sen: er  werde  Odos  Ausdauer,  Weltverachtung,  Seelsorge,  Klo- 
sterreform, seine  Lebensweise,  sein  Wirken  für  den  Frieden 
der  Kirche  und  die  weltlichen  Mächte,  seine  Gebete  u. s.w. 
schildern.'^  Es  liegt  darin  ein  Verzicht  auf  jene  HeiUgen- 
macherei,  die  namentlich  in  der  Folgezeit  die  Tendenz  der 
Hagiographen  darstellte,  eine  Abneigung  gegen  die  Andichtung 
und  Ausschmückung  angeblicher  Wunder,  welche  der  clunia- 
censischen  Litteratur  überhaupt  zur  Ehre  gereicht.  So  wenig 
die  Biographie  des.  Johannes  ein  litterarisches  Kunstwerk  zu 
nennen  ist,  so  sehr  ist  der  Sinn  des  Autors  für  die  Gegenwart 
und  die  objective  Berichterstattung  anzuerkennen. 

Nachdem  Johannes,  wie  es  scheint,  Abt  in  Salemo  gewor- 
den war,  bearbeitete  er  die  Vita  Odonis^),  indem  er  die  Ab- 
schnitte, welche  thatsächlichen  Inhalts  waren,  ausmerzte,  die 
Reihenfolge  der  Capitel  häufig  änderte  und  einiges  Neue  hin- 
zufügte. Diese  Fassung  wurde  die  Grundlage  für  eine  Neu- 
bearbeitung aus  der  Zeit  Hugos  von  Cluni.  Der  Verfasser, 
der  einen  Abschnitt  über  die  Verdienste  Bemos  einschob  und 
die  Wahlurkunde  dieses  Abtes  für  die  Darstellung  der  Abt- 
wahl Odiles  verwertete,  benutzte  ausserdem  nach  eigener  An- 
gabe ein  Gedicht  des  Bischofs  Hildebold  von  Chalon  über 
Odo,  das  aber  nicht  erhalten  ist  und  schwerlich  viel  That- 
sächliches  enthalten  haben  kann. 

Odos  Nachfolger  Aymard  war  Utterarisch  nicht  gebildet 
und  deshalb  schriftstellerisch  nicht  thätig,  während  Majolus 
zwar  hohe  wissenschaftliche  Bildung  besass,  aber  sich  doch 


I 
« 


>)  Vgl.  Sackur,  Zur  Vita  Odonis  abbatis  Claniacensis  auctore  lohanne, 
N.Archiv  XV,  105— 116. 

Saokar,  Gluniftoenter.    U.  22 


338 

bewusBt  von  dem  „Wahnwitz  der  Philosophen"  und  dem  „dum- 
men Dogma  der  Philosophen"  abgekehrt  hatte.  Ihm,  dem  Theo- 
sophen,  fehlte  der  Sinn  für  die  Gegenwart,  für  das  Gegenständ- 
liche zu  sehr,  als  dass  er  selbst  die  Feder  ergriffen  hätte.  Aber 
die  Heiligkeit  seines  Lebenswandels,  die  Grösse  seiner  Wirk- 
samkeit rief  die  litterarischen  Geister  des  Klosters  zn  schrift- 
stellerischem Schaffen  auf;  an  seine  Person  schlössen  sich  zu- 
nächst alle  litterarischen  Versuche  an. 

Kurze  Zeit  nachdem  er  gestorben  war,  drängte  man 
Syrus,  einen  Mönch  von  Clnni,  die  Thaten  des  Majolus  zu  be- 
schreiben, und  namentlich  Warner,  wohl  der  Prior,  liess  es  an 
AufiTorderungen  nicht  fehlen.  Als  Syrus  dann  trotz  der  Schwie- 
rigkeiten, die  sich  ihm  boten,  das  Werk  begonnen  hatte,  nahm 
Warner,  als  er  sich  in  einer  Mission  nach  dem  Elsass  begab, 
während  Syrus  nach  Italien  ging,  den  auf  Zetteln  zerstreuten 
Entwurf  mit  sich.  Dort  blieb  er  liegen,  bis  Odilo  nach  Wamers 
Tode  nach  Murbaeh  kam,  wo  ihm  das  zurückgelassene  Werk 
des  Syrus  in  Abschrift  übergeben  wurde,  das,  unvollständig,  wie 
es  war,  noch  durch  nachlässige  Abschreiber  gelitten  hatte.  So 
trug  denn  Odilo  dem  Syrus  auf,  seine  Arbeit  nachträglich  einer 
Correctur  und  Ergänzung  zu  unterziehen. 

Die  Biographie  des  Syrus  ^),  so  nahe  sie  den  Ereignissen 
steht,  zeigt  Majolus  schon  recht  im  Lichte  der  Legende.  Wenn 
Odos  Biograph  die  Wundergeschichten  zurückwies,  so  verweilt 
Syrus  mit  Behagen  bei  den  Heilungen  der  Besessenen  nnd 
Verrückten,  und  da,  wie  er  sagt,  einige  Leute  nur  diejenigen 
gelten  liessen,  die  sichtbare  Wunder  vollbracht  hatten,  sieht 
er  sich  veranlasst,  auch  von  Majolus  eine  Reihe  Heilungs- 
wunder zu  berichten.  Der  Stil  ist  schwülstig,  von  Reimprosa 
und  Versen,  die  der  Vita  S.  Germani  des  Heirich  entlehnt 
sind,  unterbrochen,  sehr  oratorisch  und  phrasenhaft.  Die  Dar- 
stellung aber  ist  chronologisch  und  bezüglich  der  allgemeinen 
Thatsachen  glaubhaft,  wenn  auch  rednerisch  ausgeschmückt 

Ungewiss  wann,  aber  wahrscheinlich  nicht  zu  lange  nach 
Syrus  wurde  dessen  Vita  nochmals  einer  Durchsicht  und  Er- 
gänzung unterzogen.^)     Der  Mönch  Aldebald,  wohl  von  Lä- 


0  Gedruckt  MabUlon,  Acta  SS.  V,  764  ff. 

*)  Nach  den  Versen  Raimbalds  hat  Aldebald  nach  des  Syrus  Tode 


339 

rins^),  streute  eine  Menge  nichtssagender  Hexameter  ein,  ver- 
mehrte die  ans  Heirich  entlehnten  Stellen  2),  setzte  namentlich 


die  unvollendet  gelassene  Biographie  ergänzt  Traube  bezieht  das  auf 
die  heut  vorhandene  S3rrusbiographie,  die  er  „erste  Ausgabe  des  Syrus 
durch  Aldebaid''  nennt.  Aber  sehr  wohl  kann  Raimbald  gemeint  haben, 
dass  Aldebald  durch  die  Einschiebung  der  Verse  in  seiner  Vita  wirklich 
den  Syms  erst  vollendet  habe.  Wie  weit  Raimbald  zu  glauben  ist,  ist 
übrigens  sehr  zweifelhaft.  Sollte  der  Jots.  II,  c.  1  genannte  Abt  Syrus, 
der  ca.  1050  noch  lebt,  mit  dem  Biographen  des  Majolus  identisch  sein, 
wie  Habillon  annimmt,  so  würden  wir  in  ein  grosses  Dilemma  Raimbald 
und  der  V.  Odil.  gegenüber  gelangen.  Für  die  historische  Kritik  ist  es 
übrigens  vüllig  gleichgültig,  ob  die  Heirichphrasen  noch  von  Syrus  oder 
Aldebald  eingeschoben  sind.    S.  unten  n.  2. 

^)  Der  Einschub  über  L^rins  dürfte  diese  Vermutung  rechtfertigen. 
In  L^rins  gab  es  auch  einen  Prior  Aldebrand,  der  vielleicht  mit  dem  Ver- 
fasser identisch  ist.  Dass  er  am  Anfange  des  elften  Jahrhunderts  schrieb, 
darf  man  vielleicht  daraus  entnehmen,  dass  die  Vita  noch  vüllig  der 
Reimprosa  ermangelt 

')  Vgl.  L.  Traube,  Abermals  die  Biographieen  des  Majolus,  N.  Arch. 
XVII,  402  ff.  Traube  nimmt  an,  dass  auch  die  uns  erhaltene  Vita  d.  Syrus 
wegen  der  dortigen  Benutzung  des  Heirich  nur  eine  erste  Bearbeitung 
des  Aldebald,  nicht  die  originale  Vita  ist.  Ich  kann  diesen  Schluss  nicht 
zugeben,  da  Aldebald  dem  Syrus  sehr  wohl  nachgearbeitet  haben  kann. 
Völlig  in  der  Luft  schwebt  die  kühne  Hypothese,  dass  Odilo  sich  an  den 
ursprünglichen  Syrustext  gehalten,  wenn  er  auch  die  bereit«  interpolierten 
Viten  gekannt  hätte,  was  Traube  zugiebt  Dass  er  sie  nicht  nur  kannte, 
sondern  den  heutigen  Syrustext  direct  benutzte,  ergiebt  sich  aus  dem 
Vergleich  der  dem  Heirich  entlehnten  Stelle  über  Lyon.  Vgl.  Migne  142,  948. 
Wie  kann  Traube  angesichts  der  Thatsache,  dass  die  Interpolationen  aus 
äeirich  nirgend  etwas  Thatsächliches  bringen  bis  auf  die  auch  von  Odilo 
benutzte  Stelle  über  Lyon,  behaupten,  die  Abweichungen  Odilos  von  der 
erhaltenen  Syrusvita  seien  durch  Benützung  des  nichtinterpolierten  Textes 
entstanden?  Da  müsste  zuerst  der  Beweis  geführt  werden,  dass  die  Wahl 
zum  Bischof  von  Besan^on,  die  Absicht,  Majolus  zum  Papst  zu  machen, 
etwa  durch  spätere  Interpolationen  in  den  Syrustext  hineinkam,  dass  etwa 
Anklänge  an  Heirich  sich  hier  fänden  u.  s.  w.  Dass  Odilo  sich  zum  Zweck 
seiner  Vita  eine  Abschrift  des  Syrusentwurfs  verschaffte,  wie  Traube  an- 
nimmt, ist  gänzlich  ausgeschlossen,  da  er  fern  von  seinem  Kloster,  in 
Romainmoutier,  auf  Grund  einer  plötzlichen  Eingebung  diese  Vita  zum 
Lobe  des  Vorgängers  für  den  Festtag  desselben  schrieb.  Das  ist  es  eben, 
worum  es  sich  dreht,  dass  die  Vita  Odilos  kein  vorbereitetes,  sondern 
ein  aus  dem  Gedächtnis  verfasstes  Werk  weniger  Tage  ist.  Die  Sache  ist 
also  einfach  die.  Nirgend  ist  ein  Beweis  dafür  vorhanden,  dass  der  ur- 
sprüngliche Syrustext  anders  aussah,  als  der  erhaltene,  m(}gen  die  nichts- 
sagenden Heirichverse  schon  dringestanden  haben  oder  nicht    Odilo  be- 

22* 


340 

vor  jedes  Bach  einen  veraificierten  Prolog  and  eehob  vor  die 
eigentUehe  Darstellung  eine  legendenhafte  Sehilderang  des 
Ueberfalls  des  Klosters  L^rins  darch  die  Sarrazenen  —  der 
einzige  erhebliehe  Zasatz,  den  er  za  maehen  im  stände  war. 
Er  teilte  das  dritte  Bach  in  zwei  Teile,  nnd  ein  gewisser  Raim- 
bald  setzte  mehrere  Hexameter  vor  das  ganze,  in  denen  er 
ttber  die  Entstehung  der  Arbeit  Anfisehlnss  g^ebt  and  die  drei 
am  die  Biographie  des  Majolns  verdienten  Männer,  Wamer, 
Syras  and  Aldebald,  dem  Gebete  der  Leser  empfiehlt') 

Sowohl  die  Vita  des  Syras,  als  die  erweiterte  des  Alde- 
bald waren  als  LeetOre  zum  Feste  des  Heiligen  za  lang.  Man 
recitierte  deshalb  regelmässig  die  Vita  Gregors  I,  die  Majolas 
stets  mit  grossem  Eifer  gelesen  and  besprochen  hatte.  Als 
nun  Abt  Odilo  am  Ostern  1033  sieh  in  Romainmoatier  auf- 
hielt, zu  jener  unruhigen  Zeit,  in  der  Konrad  U.  und  Odo  von 
Champagne  um  Bnrgund  stritten  und  die  Hungersnot  ihren  Höhe- 
punkt erreicht  hatte,  kam  er  auf  den  Gedanken,  zum  Lobe  seines 
Vorgängers  eine  Lebensbeschreibung^)  zu  verfassen,  in  Anleh- 
nung an  die  bisher  vorhandenen  Schriften.  Die  neue  Vita  ist 
in  Beimprosa  gesehrieben,  der  Stil  klar  und  durchsichtig,  die 
Darstellung  lebendig  und  von  rhetorischen  Fragen  oft  unter- 
brochen, so  dass  der  panegyrische  Zweck  deutlich  hervortritt') 

Odilo,  der  die  Neubearbeitung  der  Vita  Maioli  durch  Syras 
veranlasst  hatte  und  selbst  eine  kleinere  Biographie  verfasste, 
dichtete  schliesslich  vier  Hymnen  zum  Lobe  seines  Vorgängers, 
von  denen  zwei  in  den  üblichen  Tetrastichen,  zwei  in  sapphischen 
Strophen  gedichtet  sind,  bei  denen  die  Cäsur-  und  Versah- 


ruft  sich  direct  auf  die  erhaltenen  Viten  und  benutst  den  erhaltenen  und 
bereits  interpolierten  Syrus.  Seine  Vita  ist  eine  Lobschrift,  von  der  Er- 
langung der  Abtwttrde  ohne  irgendwelche  thatsächliche  Mitteilungen:  folg- 
lich ist  Odilo  eine,  wenn  auch  frei  behandelte,  weil  aus  dem  GedSchtois 
geschriebene,  abgeleitete  Quelle.  Damit  wird  freilich  nicht  bewiesen,  dass 
alle  Nachrichten  des  Syrus  richtig  sind,  wohl  aber  kann  das  Schweigen 
Odilos  absolut  nichts  dagegen  beweisen. 

^)  Gedruckt  Acta  SS.,  Mai  II,  668  ff.;  vgl.  Schnitze,  Forschungen  z.  D. 
Gesch.  XXIV,  158;  Rtughote,  Der  hl.  Abt  Odilo  S.97. 

>)  Gedruckt  BibL  Glun.  col.  279—290. 

')  Vgl.  Sackur,  Noch  einmal  die  Biographien  des  Majolus,  N.  Archiv 
XII,  513  ff.  Dagegen  W.  Schnitze,  Ueber  die  Biographien  des  Majolns, 
Forschungen  z.  D.  Gesch.  Bd.  XXIV,  153—172  und  N.  Arch.  XV,  547  ff. 


341 

Schlüsse  einander  reimen. i)  Er  bewirkte  aber  auch  die  Auf- 
zeichnung der  am  Grabe  des  Majolus  geschehenen  Wunder, 
der  in  zwei  Bücher  geteilten  Miracala  S.  Maioli.^)  Historische 
Nachrichten  von  Belang  bieten  die  Mirakel  nichts);  wir  erfah- 
ren aber  gelegentlich,  dass  die  Brüder  von  Souvigny  über  das 
Grab  des  Majolus  eine  steinerne  Tafel  legten^)  und  dann  über 
seinem  Haupte  einen  Altar  errichteten,  den  der  Bischof  Bego  H. 
von  Clermont  weihte.^)  Das  zweite  Buch  hat  anscheinend  einen 
andern  Verfasser.  Einmal  unterscheidet  es  sich  vom  ersten 
durch  die  breitere  Schilderung,  weitausholende  Betrachtungen 
und  Motivierungen  bezüglich  der  einzelnen  Wunder,  dann  aber 
nimmt  der  zweite  Autor  mehrfach  Gelegenheit,  auf  die  Vor- 
züge und  Tugenden  des  Abtes  zurückzukommen. 

Wenden  wir  uns  den  litterarisehen  Productionen  Odilos 
zu,  soweit  sie  sich  nicht  auf  Majolus  beziehen,  so  ist  in  erster 
Reihe  das  Epitaphium  der  Kaiserin  Adelheid  ^)  zu  nennen,  das 
der  Abt  noch  vor  der  Vita  Maioli  wohl  kurz  nach  dem  Tode 
der  hohen  Frau  verfasste.  Es  ist  dem  Abte  Andreas  und  den 
Brüdern  von  St.  Salvator  in  Pavia  gewidmet.  Der  Autor  ent- 
schuldigt sich  mehrfach  wegen  der  Schlichtheit  und  Unbe- 
holfenheit des  Stiles,  bemerkt  aber,  dass,  wenn  jemand  die 
Geschichte  der  Adelheid  würdig  schreiben  solle,  schon  der 
Redner  Cicero  aus  der  Unterwelt  und  Hieronymus  von  oben 
zurückkehren  müssten,  der  eine  Reihe  christlicher  Frauen  in 
Büchern  und  Episteln  behandelt  habe.^) 

^)  Gedruckt  Bibl.  Glun.  col.  292  ff.  Historischen  Inhalt  haben  diese 
Dichtungen  nicht. 

*)  Gedruckt  Acta  SS.  Boll.  Mai  II,  690  ff.  Es  heisst  hier:  Hos  ex 
parte  cUiqtui  pro  patemo  imperio  domini  ac  reverentisaimi  Odilonia  abba- 
tis  obedimtis  mandare  scriptis.  Jedenfalls  ist  die  Aufzeichnung  der  Wun- 
der später  als  die  der  Biographie  erfolgt,  in  der  es  heisst:  Quorum  (d.h. 
der  Wunder)  numeroaitatem  et  magvdtudinem  non  sufficit  per  ordinem 
omnium  nostrorum  enarrare  memoria. 

')  Abgesehen  von  der  Erwähnung  des  Besuches  Hugo  Gapets  am 
Grabe  im  Jahre  995,  Mirac.  II,  c.  3;  vgl.  Bd.  I,  S.  813.  Die  dort  erwähnte 
Urkunde  Hugos  ist  jedoch  unecht;  vgl.  Luchaire,  Instit.  monach.  II,  201,  n.  1. 

*)  Mirac.  I,  c.  3.       »)  ib.  I,  c.  9. 

*)  Mon.  G.  SS.  IV,  637  ff.  —  Er  sagt:  Non  enim  ad  hoc  tarn  grandem 
materiam  vili  brevique  seimone  perstrinximus. 

')  Epit  c.  1. 


342 

Odilo  schildert  zaerst  die  HerkoDfl;  Adelheids  und  ihre 
Flacht  vor  Berengar'),  um  dann  mit  einem  Sprunge  auf  die 
Vorzüge  ihres  Geistes  and  Herzens  zn  kommen.  ,Was  wir 
über  sie  sagen'',  bemerkt  er,  , haben  wir  nicht  nnr  vom  Hören- 
sagen, sondern  durch  unsere  eigenen  Augen  und  an  unserer 
Person  erfahren.  Viel  Worte  des  Grusses  haben  wir  von  ihr 
gehört,  sehr  viele  Geschenke  von  ihr  empfangen.*  2)  Während 
der  Verfasser  über  die  Regierung  Ottos  I.  kurz  hinweggeht 
und  aus  der  Otto  H.  nur  von  dem  Conflict  der  Kaiserin  mit 
ihrem  Sohne  und  der  Aussöhnung  zu  Pavia  zu  berichten  weiss, 
erfährt  die  letzte  Zeit  der  Adelheid,  in  der  er  derselben  über- 
aus nahe  getreten  ist,  die  eingehendste  Würdigung.  Er  be- 
rührt das  schlechte  Verhältnis  zu  Theophano,  die  Unbilden 
nach  Ottos  H.  Tode')  und  die  Klostergründungen  der  Kaise- 
rin^), und  erzählt  ausführlich  die  Fahrten  derselben  in  ihrem 
letzten  Lebensjahre. 

Ausser  einigen  Briefen^)  sind  eine  grössere  Anzahl  von 
Predigten <^)  Odiles  erhalten,  die  an  den  christlichen  Haupt- 
festen gehalten  wurden.  Eine  ungemeine  Vorliebe  für  Reim- 
prosa und  ein  starkes  Mass  für  Rhetorik  und  symbolische  Aus- 
legung macht  sich  in  ihnen  geltend.  Hervorzuheben  ist  die 
grosse  Kenntnis  der  Bibel  und  der  patristischen  Litteratur. 

Der  Tod  Odiles  gab  Jotsald,  einem  Mönche  von  Cluni, 
Veranlassung,  zur  Feder  zu  greifen.  Er  ward  unter  Odilo 
im  Kloster  erzogen  und  begleitete  ihn  Ende  1046  nach  Rom, 
von  wo  er  im  Frühjahr  1047  zurückkehrte.")  Mit  Odiles  Nach- 
folger, Abt  Hugo,  war  er  1051  in  Ungarn,  als  dieser  im  Auf- 
trage Leos  IX.  zwischen  dem  Kaiser  und  den  Ungarn  verhan- 
delte.^) Unmittelbar  nach  Odiles  Tode  verfasste  Jotsald  einen 
Hymnus  auf  den  Verstorbenen  in  achtundzwanzig  Vierzeilern; 

»)  Epit.  c.  2—4. 

^)  c.  5 :  Muita  ah  ea  sahUis  verba  avdivimtis,  plura  dona  mscepimus. 

«)  C.6— 8. 

*)  c.  9. 

^)  So  weit  bis  dahin  veröffentlicht  bei  Migne,  Pstrol.  lat.  142,  939  ff.; 
ein  Brief  an  Stephan  von  Ungarn  ist  später  von  Pfister,  De  Fulberi  vita 
(1885)  p.  53  und  Ringholz,  Odilo,  Anmerk.  S.  XXXV  gedruckt  worden. 

•)  Bibl.  Clun.  col.371— 408. 

')  Jots.  V.  Odil,  N.  Archiv  XV,  119. 

»)  Jots.  V.  Odil.  II,  c.  12;  vgl.  Giesebrecht,  Kaiserzeit  II,  479. 


343 

yermntlich  rührt  von  ihm  aneh  ein  Gedieht  in  elf  Distichen 
an  Soavigny,  die  Grabstätte  der  beiden  letzten  Aebte,  her  nnd 
ebenso  das  Epitaphium  Odiles.^)  Umfangreicher  ist  der  Planctns 
Jotsalds^),  ein  langer  Panegyricns  in  Hexametern,  der  eine 
rührende  Klage  über  den  Tod  des  Abtes  enthält  nnd  den  Em- 
pfang des  hl.  Mannes  im  Himmel  schildert.  Er  wird  mit  dem 
Geliebten  verglichen,  den  man  mit  Blumen  erwartet.  Am  jüng- 
sten Tage  sehen  wir  Odilo  in  der  Schar  der  Heiligen  einher- 
sehreiten.  Zuletzt  eifolgt  der  Anruf  der  Heiligen  für  Odilo. 
Der  Autor  schliesst  mit  seiner  Empfehlung  und  der  der  Freunde 
Almanus,  Andreas  und  Bernardus,  von  denen  der  erste  Odilo 
besonders  nahe  gestanden  haben  muss,  da  er  ihm  die  Vita 
Maioli  widmete,  und  er  mit  Andreas  auch  in  dem  erwähnten 
Hymnus  genannt  wird. 

Einige  Jahre  später  3)  verfasste  derselbe  Mönch  ein  Leben 
Odiles,  das  er  dessen  Ne£fen,  dem  Bischof  Stephan  von  Cler- 
mont,  widmete.  Seine  Gewährsmänner  waren  —  soweit  er  sie 
nennt  —  u.  a.  Bischof  Richard,  der  ebenfalls  unter  Odilo  er- 
zogen wurde,  lange  Zeit  sein  Vertrauter  war  und  ihn  auf  der 
Reise  begleitete*),  dann  Siebod  von  Alby^),  der  Propst  Peter 
von  Pavia,  der  Abt  Syrus  eines  unbekannten  Klosters,  vielleicht 
identisch  mit  dem  Verfasser  der  ersten  Majolusbiographie,  letz- 
tere beiden  Odilo  eng  befreundet  und  durch  gemeinschaftliche 
Geheimnisse  und  Mühsalen  verbunden.<^)  Die  Biographie  um- 
fasst  drei  Bücher,  von  denen  das  erste  über  das  Leben  und 
die  Tugenden  des  Abtes  berichtet  —  und  zwar  hat  Jotsald 
die  vier  Cardinaltugenden  zum  Einteilungsprincip  gewählt  — ^ 
das  zweite  die  bei  Lebzeiten  Odiles  vollbrachten  Wunder  er- 
zählt, das  dritte  die  nach  seinem  Tode  geschehenen  Mirakel 


>)  Diese  Gedichte  sind  gedruckt  N.  Arch.  XV,  122—126. 

^)  Bibl.  Ginn.  col.  829  — S32.  Die  Schiassverse  zuerst  vollständig 
N.  Arch.  Xy,  122.    Deutsche  Uebersetzung  bei  Kingholz  a.  a.  0.  S.  LIII. 

')  Er  schrieb  jedenfalls  nach  1051,  da  er  die  Reise  nach  Ungarn 
II,  c.  12  erwähnt,  aber  sicher  nicht  zu  lange  nach  Odilos  Tode,  da  er  mit 
einer  Klage  über  den  Tod  des  Abtes  beginnt.  Gedruckt  Mabillon,  Acta 
SS.VI,  1,597  ff.  Auszüge  SS.XV,  2, 812—820;  Nachträge  N.A.  XV,  117—121. 

*)  II,  c.  12.        *)  II,  c.  19:  viro  sibi  satia  familiari. 

•)  II,  c.  1 :  Fuerunt  enim  praedidi  fratres  prohabiUa  tnri,  patris  Odi- 
hnis  admodwn  familiarissiinij  secretorum  etiam  iUivs  in  plitribua  conscii 
et  itineria  vel  laborie  per  mvtUa  tempora  socii. 


344 

enthält.  Der  geringe  historische  Sinn,  der  sieh  in  der  merk- 
würdigen Disposition  des  ersten  Baches  ausspricht,  war  schald 
daran,  dass  wir  kein  chronologisches  Lebensbild  erhalten,  son- 
dern eine  Znsammenstellang  von  Anecdoten,  welche  die  Tugen- 
den des  Heiligen  hervortreten  lassen.  Immerhin  enthält  die 
Vita  wichtiges  geschichtliches  Material. 

Sieht  man  von  Odo  ab,  der  in  seinen  litterarischen  Pro- 
ductionen  begreiflicherweise  noch  auswärts  Anknüpfungspunkte 
suchen  musste,  der  in  St.  Martin,  Limoges,  St  Benott-sur-Loire 
zu  litterarischem  Schaffen  angeregt  wurde,  so  können  wir 
erst  unter  Odilo  den  Anfang  einer  specifisch  cluniacensischen 
Litteratur  constatieren.  Noch  Odos  Biographie  wurde  ja  nicht 
etwa  in  Cluni,  sondern  in  Salerno  geschrieben.  Diese  Er- 
scheinung ist  völlig  verständlich,  wenn  man  bedenkt,  dass 
Cluni  derjenige  ideale  Mittelpunkt  im  zehnten  Jahrhundert 
fehlte,  auf  den  in  den  Klöstern  und  Kirchen  so  viel  gehal- 
ten wurde:  Cluni  hatte  keine  Heiligen reliquien  oder  erhielt 
solche  erst  sehr  spät,  in  Cluni  legte  man  im  Anfang  gar 
keinen  Wert  auf  Wunder,  deren  Beschreibung  sonst  auf  dem 
geistig  sterilsten  Boden  zu  gedeihen  pflegt.  Erst  im  Fort- 
schritt der  religiösen  Entwicklung  und  der  Zunahme  der 
Schwärmerei  wurde  Majolus,  so  sehr  er  sich  selbst  da- 
gegen sträubte,  zu  einem  Wundermann.  Ein  Mann  seiner 
Stellung  that  einfach  Wunder,  ob  er  wollte  oder  nicht;  es  ist 
bezeichnend,  dass  dann  Odilo  bereits  bewusstermassen  mit  dem 
Becher  des  hl.  Majolus  operierte,  aus  dem  er  den  Kranken  zu 
trinken  gab.  So  war  es  selbstverständlich,  dass  Majolus'  Grab- 
stätte zum  idealen  Beziehungsort  aller  schriftstellerisch  schaf- 
fenden Naturen  wurde,  dass  erst  nach  seinem  Tode  eine  Litte- 
ratur in  Clani  erblühte. 

Auch  in  Fleury  ist  eine  regere  litterarische  Production  erst 
in  den  letzten  Jahrzehnten  des  zehnten  Jahrhunderts,  unter 
Abbo,  nachzuweisen,  obwohl  hier  die  Wunder  des  hl.  Benedict 
schon  im  neunten  Jahrhundert  zur  Darstellung  aufgefordert 
und  Odo  von  Cluni  bereits  eine  Predigt  ttber  den  Klosterheiligen 
gehalten  hatte.  Wir  werden  sehen,  wie,  abgesehen  von  den 
Studien  Abbos  selbst,  der  hl.  Benedict  immer  wieder  im  Mittel- 
punkte geistiger  Bestrebungen  blieb,  und  was  auch  ttber  die 


845 

Klostergeschichte  und  die  Aebte  geschrieben  wurde,  doch  dem 
Rahme  St  Benedicts  and  seiner  Grabstätte  za  gute  kam. 

St.-Benolt-sar-Loire. 

Die  ersten  Sparen  einer  litterarischen  Thätigkeit  and 
einer  Bibliothek  nach  der  Reform  sind  bereits  unter  Abt  Odo 
in  Fleury  nachzuweisen.  Noch  sind  einige  Handschriften 
vorhanden,  die  Odo  besass  oder  die  er  fttr  das  Benediets- 
kloster  abschreiben  liess.<)  Unter  Richard  und  Oylbold  ent- 
wickelte Abbo  eine  erspriessliche  Thätigkeit  als  Vorsteher 
der  Schule  ^)  und  hörte  auch  als  Abt  nicht  auf,  geistige  Inter- 
essen in  seiner  Abtei  zu  fördern.  Er  brachte  neue  Anregungen 
aus  England  mit:  eine  Sammlung  von  Canones,  die  im  neunten 
oder  zehnten  Jahrhundert  in  angelsächsischer  Schrift  geschrie- 
ben wurde,  wurde  vermutlich  ihm  verdankt  3);  ein  prächtiges 
Sacramentarium  weihte  ein  englischer  Gönner  dem  hl.  Bene- 
dict.4)  Eine  Handschrift  der  Kategorien  des  Aristoteles  ward 
von  Abbo  oder  auf  seine  Veranlassung  geschrieben.^) 

Seine  schriftstellerischen  Leistungen  erstreckten  sich  auf 
verschiedene  Gebiete.«)  Politische  Zwecke  verfolgten  der  Apo- 
logeticus  und  die  Canonsammlung,  zwei  Werke,  die  bereits  ein- 


>)  Inveutaire  des  manuscrits  de  la  bibl.  d'Orl^ans.  Fonds  de  Fleury 
ed.  Gttissard,  nr.  159:  Domno  abbati  Oddoni  frater  ÄmeUus  scoktstictis  etc.; 
nr.  160  enthält  Fragmente  aus  Kirchenvätern  saecVU— XL  Auf  einem 
Fragment  des  Augustin  (saec.  VIII)  steht:  Ex  monasterio  sancti  BenedicH 
Floriacenais  super  Ligerimj  sodann  Commentum  super  diaUcHcas  {\)  Über 
beati  Odonis  abbatis;  nr.  203  Concordanz  der  Kegein  aus  St.  Benott:  Dom- 
mus abbas  Odo  omni  paiemitcUis  affectu  excolendus  . . .  Vgl.  Vogel,  Die 
Bibliothek  der  Benedictinerabtei  Saint-Benott  oder  Fleury  an  der  Loire, 
Serapeum  V,  18—20;  Septier,  Manuscrits  nr.  51. 

>)  Bd.  I,  S.  274.         >)  Guissard  nr.  193. 

*)  nr.  105  mit  folgender,  teilweise  radierter  Inschrift:  . . .  suo  Bene- 
dicto  ab  suis  memoriam  a  transmarinis  partibus  misit  imprecans  cum  ifi- 
strumento  maledietionis.  Es  ist,  wie  es  scheint,  die  V.  Gauzlini  I,  c.  43 
erwähnte  Handschrift;  vgl.  Delisle,  Anciens  Sacramentaires,  Mtooires  de 
rinstitut  XXXII  (1886),  211  ff. 

')  nr.  233,  p.  1 45,  saec.  X  ex.  In  einem  Ornament  im  Anfang  der 
Kategorien  des  Aristoteles  sieht  man  einen  Kopf  mit  dem  Namen:  Abbo. 
Andere  Godd.  saec.  X,  die  Fleury  gehörten,  jetzt  in  Bern  nr.  36.  49.  99. 
120.  134.  172.  260.  267.  277.  306. 

•)  Vgl.  Bist.  litt,  de  la  France  VII,  165  ff. 


346 

gehende  Würdigung  erfahren  haben. i)  Er  verfasste  auch  eine 
kurze  Papstgeschichte ^),  ferner  eine  Vita  Eadmandi^),  die  dem 
Erzbischof  Dunstan  gewidmet  ist,  von  dem  auch  das  Material 
stammte.  Dunstan  hatte  die  Geschichte  noch  unter  Aethelstan 
von  einem  Greise  gehört,  der  nach  seinen  Versicherangen  zur 
Zeit  des  Todes  König  Edmunds  Schildknappe  des  letzteren  ge- 
wesen war. 

llauptsäehlieh  beschäftigten  jedoch  den  Abt  astronomische, 
mathematische,  chronolugische  und  grammatische  Studien.  In 
einer  astronomischen  Schrift*)  erörtert  er  den  doppelten  Auf- 
und  Untergang  gewisser  Sternbilder,  von  denen  die  einen  am 
Abend  nach  Sonnenuntergang  sichtbar  werden,  wenn  das 
Sonnenlicht  schwindet,  das  sie  unsichtbar  gemacht  hat,  die 
andern  durch  ihren  Aufgang  am  frühen  Morgen  den  neuen 
Tag  beginnen,  nachdem  sie  infolge  der  Sonnennähe  den  Tag 
zuvor  nicht  sichtbar  geworden  waren.  Eine  andere  Abhand- 
lung beginnt  mit  der  Auseinandersetzung  des  Unterschieds  von 
Kreis  und  Kugel  und  behandelt  dann  die  Zonen,  den  Zodiacas 
und  die  Sternbilder.  Abbo  stellt  den  Lauf  der  sieben  Planeten 
durch  den  Tierkreis  dar,  was  er  durch  eine  Zeichnung  erläu- 
tert, dann  den  Lauf  des  Mondes,  wobei  er  durch  eine  Figur 
Abnahme  und  Zunahme  des  Mondes  veranschaulicht. 

In  einer  anderen  Abhandlung^)  bespricht  Abbo  das  Wesen 
der  Gewichte  und  ihre  Entstehung.    Ein  andermal  beweist  er 


0  Bd.  I,  S.  287  flf. 

')  Erhalten  im  Cod.  Bern.  nr.  1 20,  f.  76  ff. 

•)  Vgl.  Ebert,  Litteraturgesch.  III,  394  ff. 

*)  y.  Abb.  c.  3  erwähnt  astronomische  Schriften :  De  solis  quoqiie  ac 
lunae  seu  planetarum  curaUj  a  se  editas  disptUationes  scripto  posteriorum 
mandavit  notitiae.  Diese  Schriften  erklärt  Pfister,  iltudes  p.  12,  n.  3  fUr 
verloren.  Sie  sind  jedoch  enthalten  im  Cod.  Mus.  brit.  add.  ms.  10972, 
f.  48,  beginnend  mit  den  Worten:  De  dupplici  ortu  signorum  dvbitatUes 
aliqitando  hac  ratione  conveni.  Die  zweite  Schrift  steht  im  Cod.  Cotton. 
Vitell.  A  XII  (Plut.  XXVI.  C),  f.  8:  Sententia  Abbonis  de  Differentia  cir- 
ctdi  vespert,  Studiosis  astrologie  primo  sciendwn  est  per  geometricam 
quid  distat  int  er  circulum  et  speram  ...  f.  9:  De  cursu  VII  planetarum  per 
zodiacum  circulum  etc.  Zweifellos  sind  es  dieselben  Schriften ,  auf  die 
Aimoin  anspielt  Ein  anderes  kalendarisches  Werk  Abbos  im  Cod.  Bern, 
nr.  250,  f.  12  ff.   Vgl.  Bist,  litt  Vü,  179  ff. 

^)  Cod.  Musei  brit  10972,  f.  48  beginnt:  De  unciarum  minutis  quo- 
niam  requisistis  scitote  etc.  Vgl.  Cod.  Bern.  n.  250,  f.  10.  11. 


347 

den  Satz,  dass  der  Körper  nicht  Substanz  sei^),  auf  achterlei 
Weise  mittelst  Syllogismen.  Mehrfach  äusserte  er  sich  Ober 
chronologische  Probleme.  Er  wies  nach,  dass  die  dionysia- 
nischen  Cyclen  sich  nicht  mit  dem  Datum  der  Passion  Christi 
und  dem  des  Todes  des  hl.  Benedict  vereinbaren  Hessen^),  und 
in  einem  1003  an  die  Mönche  Vitalis  und  Gerard  gerichteten 
Briefe  führte  er  die  Unzulänglichkeit  der  dionysianischen  Cyclen 
weit  aus  und  machte  sich  an  die  Aufstellung  richtiger  Cyclen.') 
Endlich  antwortete  der  gelehrte  Abt  den  Mönchen  von  Ramsay 
auf  grammatische  Fragen^)  und  verfasste  eine  kleine  Schrift, 
in  der  er  darlegte,  dass  die  Nomina  der  dritten  Declination 
auf  as,  wenn  sie  im  Stamm  auf  d  ausgehen,  die  Penultima 
verkürzen,  bei  Stammausgang  t  dieselbe  verlängern,  und  in 
der  er  auch  andere  Schwierigkeiten  behandelte.^) 

Abbos  Persönlichkeit  gab  seiner  Umgebung  nach  verschie- 
denen Seiten  hin  Anregung.  Freilich  hat  er,  soviel  wir  wissen, 
gerade  in  seiner  speciellen,  den  Bealwissensehaften  zugeneigten 
Richtung  keinen  Nacheiferer  gefunden,  aber  er  pflanzte  leb- 
hafte Utterarische  Interessen  ein,  die  unter  seinem  Nachfolger 
die  ausgezeichnetsten  Geister  der  Abtei  fesselten  und  zu  schrift- 
stellerischen Leistungen  anregten. 

Am  nächsten  stand  Abbo  von  seinen  Schülern  wohl  Aimoin. 
Er  stammte  aus  dem  Südwesten  Frankreichs;  seine  Mutter  hiess 
Aunenrudis,  und  als  ihren  Verwandten  bezeichnet  er  den  Burg- 
herrn Girald  von  Aubeterre.^)   Er  war  unter  den  wenigen  Brü- 

^)  Cod.  Mus.  br.  10972,  f.  48':  Qteo(2  corpus  suhstantia  non  sitj  huius- 
modi  coüigitvr  cathegoricis  siüogümis. 

>)  Es  ist  dies  eine  in  Bedae  Opp.  ed.  Migne  I,  828  gedruckte  Vor- 
rede, die  Abbo  gehört. 

')  Der  Brief  ist  gedruckt  von  Varin  im  Bulletin  des  comit6s  hist. 
1849,  S.  117£f.,  woselbst  eine  eingehende  Studie  über  Abbos  chronologische 
Schriften.  Vgl.  Sigeb.  Chron.  994 :  Ahho  abhas  FloriacensiSj  gt*i  super  cal- 
culum  Ylctorii  commentatus  est.  Mabillon  erwähnt  Ann.  Bened.  IV  (Lucae 
1739),  160  einen  Brief  Abbos  über  das  Jahr  der  Passion  an  Gerard  und 
Vitalis,  der  anscheinend  im  Cod.  Bern.  nr.  806  erhalten  ist. 

*)  Vgl.  darüber  Cuissard- Gaucheron,  L'^cole  de  Fleury  sur  Loire  a 
U  fin  du  dixi^me  si^cle,  M^moires  de  l'Orl^anais  XIV  (1875),  657.  S.  ebenda 
p.  680  über  ein  geschmackloses  Gedicht  auf  Otto  III. 

B)  Erhalten  im  Cod.  Mus.  brit.  add.  ms.  10972,  f.  49. 

«)  V.  Abbonis  c.  20. 


348 

dem,  die  den  Abt  im  November  1004  nach  der  Gascogne  be- 
gleiteten. Nach  Abbos  Tode,  zwischen  1004  nnd  1012*),  for- 
derte ihn  der  Thesanrar  Herivens  von  St  Martin  in  Tours  auf, 
das  Leben  Abbos  nnd  sein  Martyrium  zu  schreiben.^)  Der 
Mönch  yerzeichnete,  was  er  teils  von  glaubwürdigen  Männern 
gehört,  teils  selbst  gesehen  hatte.^)  Die  Aufnahme  mehrerer 
Briefe  aus  der  Correspondenz  Abbos  ^)  und  eines  Stttckes  aus 
dem  Apologeticus^),  der  Hinweis  auf  Zeugen  stützt  das  Ver- 
trauen in  die  Wahrheitsliebe  des  Verfassers.  Freilich  ist  nicht 
ausgeschlossen,  dass  er  mehr  gewusst  hat,  als  er  sagte,  so 
über  das  Verhältnis  Abbos  zu  Abt  Oylbold  und  über  die  nn- 
canonische  Ehe  des  Königs.^)  An  die  Vita  schliesst  sich  ein 
zweites  Buch  an,  welches  die  am  Grabe  Abbos  vollbrachten 
ViTunder  enthält. '')  Bald  nach  Abbos  Hinscheiden^)  schrieb  der 
eifrige  Mönch  das  zweite  Buch  der  Mirakel  des  hl.  Benedict 
und  vier  Capitel  des  dritten,  als  er  die  Arbeit  liegen  liess,  um 
auf  allgemeinen  Wunsch  die  Geschichte  der  Aebte  von  Fleury 
zu  schreiben.®)  Leider  ist  dieses  Werk  bisher  nicht  gefunden 
worden.   In  Verbindung  damit  steht  die  Vita  Abbonis,  die  das 


>)  In  diesem  Jahre  starb  Heriveus,  da  vier  Jahre  vorher  (1008)  die 
Weihe  von  St.  Martin  in  Tours  stattfand,  Rod.  Glaber  III,  c.4;  Hugonis 
archid.  dial.,  Mabilion,  Vetera  Anal.  p.  215. 

«)  V.  Abb.  prol. 

')  V.  Abb.  C.21:  partim  a  fiddibw  viris  audita,  partim  a  nobis 
Visa  . . .  scripsimtts. 

*)  ib.  c.  6.  10.  12.  18. 

*)  ib.  c.  8.  9. 

•)  Vgl.  Bd.  I,  S.  275,  n.  4. 

'')  Gedrnckt  Migne,  Patrol.  189,413. 

")  Er  schrieb  auf  Veranlassung  Gauzlins;  da  aus  III,  c.  1  und  111, 
c.  17  hervorgeht,  dass  dieses  Buch  1005  verfasst  wurde,  ergiebt  sich,  dass 
Aimoin  bald  nach  Abbos  Tode  begann.  Er  erwähnt  seine  Miracula  be- 
reits V.  Abb.  c.  20:  et  no8  in  libro  mirOiCulorum  sancti  patris  Benedicti 
breviter  expressimits, 

^)  Andreae  Mir.  S.  Bened.  1.  IV,  prol. :  ad  vitam  Floriacensium  eden- 
dam  abbatum  se  rogatu  omnium  vertisset  fratrtim;  V,  c.  6,  p.  202:  Qui 
(Johannes  Sarrazenus)  quibus  exeniis  pampatus  advenerit,  Aymointta  refert 
in  eo  librOj  quem  de  Floriacenaivm  rectorum  ordinavit  sticcessibus ;  VI,  c.  3, 
p.  237 :  sicut  celeberrimus  authenticorum  Aimoinm  in  libro  Vitae  abbatttm 
liidUenti  refert  relatu;  V.Abb,  c.  16:  uf  in  librOj  quem  de  vita  velacttbus 
abbatum  fiostri  loci  scripsimuSf  plenius  explanatum  est. 


349 

ganze  Werk  absehloss.^  Erwähnen  wir  noch,  dass  Aimoin 
eine  Geschichte  der  Franken  nnd  eine  Lobrede  anf  den 
hl.  Benedict  mit  eingestreuten  Versen  yerfasste^),  so  wird  die 
litterarische  Thätigkeit  dieses  Mannes  erschöpft  sein. 

Kein  Thema  regte  in  den  nächsten  Jahren  die  litterarische 
Prodaction  in  Flenry  so  an,  wie  die  Wander  und  die  Trans- 
lation des  hl.  Benedict  Brachte  der  Mönch  Arnulf  die  Mirakel 
in  künstliche  Verse  ^),  so  scheint  Oddo  das  in  den  Dialogen  Gre- 
gors I.  enthaltene  Leben  Benedicts  in  Hexameter  umgedichtet 
zu  haben  ^),  nachdem  schon  Adso  von  Montierender  im  Auftrage 
Abbos  sich  an  dieselbe  Arbeit  gemacht  hatte  ^),  während  ein 
dritter  Floriacenser,  Girald,  unter  anderem  die  Translation  des 
Heiligen  in  Pentametern  bearbeitete.^^)  Constantin,  der  unter 
Oylbold  und  Abbo  die  Schule  leitete,  ein  gelehrter  Mönch 
von  edler  Abkunft,  der  auch  Gerbert  näher  trat  und  spä- 
ter dank  der  Gunst  Arnulfs  von  Orleans  sogar  Abt  von 
Micy  wurde,  componierte  auf  Anregung  des  Cantors  Hel- 
gaud  die  Geschichte  St.  Benedicts.'^)  Aber  die  Zahl  der  litte- 
rarisch thätigen  Brttder  von  Fleury  ist  damit  nicht  erschöpft. 
Vitalis,  derselbe  Mönch,  dem  Abbo  ttber  die  dionysianischen 
Cyclen  schrieb,  bearbeitete  die  in  barbarischem  Latein  geschrie- 
bene Vita  des  Brittenbischofs  St.  Paulus.^)  Isenbardus  verfasste 
einen  „Enabenspiegel'  ^)  und  schrieb  auf  Anregung  des  Mönches 


0  V.  Ganzl.  I,  c.  2:  tricenorum  dictitans  gesta  abbatum  . . .  usque  ad 
dictum  Abbonem.  «t 

«)  V.  Gauzlini  1,  c.  2. 

')  V.  Gauzl.  I,  c.  2:  Qitem  subseciUM  Amidfus,  sagacis  astutia  ingenii 
praedpiMSf  singtUa  disticho  subdistinxü  reciproco. 

*)  ib.:  Oddo  vero  . . .  summi  Benedicti  confessoria  dialogum  vitae 
heroico  variavit  schemcUe.  Er  ist  wohl  identisch  mit  dem  Mirac.  VI,  ed. 
Certain  p.  231  erwähnten  Oddo.         <^)  S.  unten  S.  364. 

^)  ib. :  Translationis  qtioqtie  seriem  Gireddiis  . . .  degiaco  defloravit 
pentamdro.   Vgl.  Bist.  litt.  VI,  438.  VII,  183.  184. 

7)  V.  Gauzl.  I,  c.  2;  vgl.  Dttmmler,  N.  Arch.  II,  222  ff.  Die  Frage,  ob 
der  Scholasticus  von  Fleury  und  der  Abt  von  Micy  identisch  sind,  wird 
somit  entschieden. 

■)  V.  Ganzl.  I,  c.  2 :  Vitalis  vitam  egregii  FauU,  inclgti  Britannorum 
praecuUs,  censura  providi  correoDit  acuminis.  Die  Vita  ist  gedruckt  Acta 
SS.  BoU.  Mart  U,  p.  1 1 1  ff. 

')  ib.:  in  libro  quem  *Puerorvim  specuhim*  praefixit  notamine^  stic- 
cincta  enucleat  sermocinatione. 


350 

Adelelm  für  den  Abt  Herbold  von  Saint-JosBe  die  Schicksale 
der  Reliquien  des  bl.  Jndocns  zar  Zeit  Hugo  Capets  und  Ro- 
berts 11.^)  Von  Hisimbert  bewahrt  man  eine  Denksebrift,  die 
sich  mit  der  Erziehung  der  Klosterschüler  beschäftigt  zu  haben 
scheint.^)  Er  war  wohl  Bibliothekar  in  Fleury  und  wurde  viel- 
leicht später  Prior  von  Saint  Benoit  du  Saut^) 

Die  vielseitigste  Thätigkeit  übte  aber  Helgaud  aus.  Von 
Kindheit  an  in  Fleury  erzogen,  trat  er  durch  seine  I^ebens- 
weise  und  seinen  Gharacter  in  den  Vordergrund  und  wnrde 
Cantor  und  Vorsteher  des  Reliquien-  und  Kirchenschatzes.^) 
Daneben  war  er  unter  Gauzlin  Architekt,  Goldschmied  und 
Schriftsteller.  Als  Gesandtei:  weilte  er  einst  mehrere  Wochen 
mit  anderen  floriacensischen  Mönchen  am  Hoflager  König  Ro- 
berts.^) Die  nahen  Beziehungen,  die  auch  sonst  zwischen  Ro- 
bert und  Helgaud  bestanden  ^),  schienen  diesen  nach  des  Königs 
Tode  zu  befähigen,  sein  Leben  zu  schreiben.  Aber  eine  wirk- 
liche Biographie'^)  ist  das  Machwerk  nicht,  das  sich  nur  mit 
den  geistlichen  Tugenden  des  Monarchen  beschäftigt  Weder 
chronologische,  noch  sachliche  Ordnung  ist  zu  erkennen.  Nur 
gelegentlich  erfahren  wir  über  die  Aufenthaltsorte,  über  die 
Personen  aus  der  Umgebung  Roberts.  Die  geringen  littera- 
rischen Vorzüge  des  Werkes  schliessen  jedoch  hohen  geschicht- 
lichen Wert  nicht  aus. 


*)  Ordericus  Vitalis  ed.Prevost  U,  136:  Floriacensis  Isembardus  Her- 
boldo  abbati  inatigante  Adcl^mo  monacho  describitj  quod  anno  ab  incar- 
naiione  Domini  977  etc.;  p.  140:  Haec  omnia  Floriacensis  Isembardw 
gesta  temporibua  Hugonis  Magni  seu  BocU>erti  regia  Adelelmo  rogitante 
descripsit. 

')  V.  Gauzl.  I,  c.  2 :  Porro  nee  praetereundum  aingularis  instittdoris 
Hiaimberti  aummum  memoriälef  quem  ipae  aacrae  praefecerat  bibliothecae, 
quia  Deo  in  aedwiandia  apiritwüi'wm  filiorum  animia  peratitit  Vgl.  Hel- 
gaud c.  2. 

>)  Mir.  S.  Bened.  IV,  c.  1  ed.  Gertain  p.  175. 

*)  Mirac.  S.  Bened.  VII,  c.  11,  p.  267:  ab  ipaia  cunia  eiuadem  aandae 
aedia  monachita  et  chimiliarchua  aanctorum  oaaium  cuatoa  ac  proviaor  tarn 
vita  qxLam  moribua  idoneua;  V.  Gauzl.  c.  2:  Helgaudi  precentoria.  Er  starb 
an  einem  29.  August;  vgl.  Necrol.  S.  Benigni  ed.  Moutfaucon  II:  VI.  Kd 
Sept,  obiit  HelgtUdua  8.  Benedicti  monachtia. 

«)  V.  Roberti  c.  29,  HF  X,  214. 

•)  V.  Roberti  c.  28. 

')  Gedruckt  HF  X,  99  ff.   Vgl.  Luchaire,  Inst  mon.  II,  207. 


S51 

In  etwas  spätere  Zeit  fällt  die  litterarisehe  Wirksamkeit 
des  Andreas  von  Flenry.  Er  war  der  Sohn  eines  ebenso 
reichen  als  wohlthätigen  Mannes,  namens  Stephan,  der  Andreas 
schon  za  Hanse  in  den  Anfangsgründen  unterrichten  liess.^ 
Im  Jahre  1041,  also  lange  nach  Ganzlins  Tode,  schrieb  Andreas 
seine  Biographie^),  ein  Werk,  das  eine  FttUe  wichtiger  Nach- 
richten ttber  das  geistige  und  künstlerische  Leben,  über  die 
wirtschaftlichen  und  klösterlichen  Zustände  in  Fleury  im  ersten 
Viertel  des  elften  Jahrhunderts  enthält.  Die  Benutzung  zahl- 
reicher Urkunden,  Einzelangaben,  die  auf  der  Erfahrung  des 
Autors  beruhen,  erhöhen  den  Wert  der  Lebensbeschreibung,  die 
als  die  wertvollste  unter  den  zeitgenössischen  französischen 
Benedictinerviten  bezeichnet  werden  muss.  Ein  Kunstwerk  ist 
freilich  die  Schrift  nicht,  aber  infolge  ihrer  Tendenz  und  der 
Geistesrichtung  des  Verfassers  verdient  sie  den  Vorzug  vor  der 
einseitigen  Eönigsbiographie  Helgauds  von  Fleury.  Andreas 
setzte  die  Miraeula  S.  Benedicti,  die  Aimoin  unvollendet  gelassen 
hatte,  fort  Dieses  Werk  bildete  auch  weiter  das  Hausbuch, 
an  dem  sich  die  talentvollsten  Schriftsteller  des  Klosters 
versuchten,  nach  Andreas  Radulf us  Tortarius,  eine  poetische 
Natur,  und  Hugo  von  St  Maria,  der  vielseitige  Chronist  und 
Pnblicist  aus  dem  Investiturstreit 3) 

St  Benigne. 

Wenn  auch  hinsichtlich  der  litterarischen  Production,  so 
stand  die  Abtei  St  Benigne  hinter  den  anderen  grossen  Reform- 
centren doch  nicht  zurück  in  der  allgemeinen  Pflege  geistiger 
und  gelehrter  Interessen.  Ein  Büchervorrat  in  St  Benigne  wird 
erwähnt,  gelegentlich  der  Belagerung  Dijons  durch  Robert  den 
Frommen.^)  Mit  Büchern  von  Dijon  und  Kunstschätzen  aus 
Lothringen    gingen    burgundische   Mönche    nach   Fruttuaria.^) 


^)  Mir.  S.  Bened.  VII,  c.  9:  dwn  adhuc  pueruLik»  in  lare  patemo  Da- 
vidicoa  rubi  tirocinio  discerem  psalmoa  etc.;  vgl.  c.  10. 

>)  Ed.  nach  zwei  Pariser  modernen  Abschriften  Delisle,  M6moires  de 
rOrl^nais  II  (1852),  276  ff.;  ed.  £wald,  N.  Archiv  III,  85t  ff.  nach  dem 
Cod.  Christ,  reg.  592. 

»)  Vgl.  Wattenbach  I  (6.  Aufl.),  418. 

*)  Chron.  8.  Ben.  p.  178. 

»)  Vgl.  oben  8. 16. 


352 

Neben  den  vielen  Verdiensten  des  Priors  Amnlf  wird  auch 
das  gerühmt,  dass  er  die  Eirclie  St.  Benigne  dareh  Bttcher- 
schenkungen  ehrte,  die  der  Schreiber  Girbertns,  ein  Zögling 
des  Abtes  Wilhelm,  auf  seine  Veranlassung  und  Kosten  ab- 
schrieb.^) Auch  Abt  Halinard  liess  mehrfach  Bttcher  fUr  die 
Elosterbibliothek  copieren.  So  besass  man  neben  einer  älteren 
Bibel  von  der  Hand  des  Aldebald  eine  hebräische,  die  der 
Schreiber  Jacob  1036  geschrieben  hatte.^)  In  demselben  Jahre 
vermehrte  der  Bischof  Himbert  von  Paris  die  Bücherei  durch 
ein  mit  Widmung  versehenes  Sacramentarium^);  Bougaud  er- 
wähnt noch  vierundzwanzig  Messbttcher  mit  Malereien.^) 

Wilhelm  selbst  hatte  in  Vercelli  und  Pavia  grammatische 
Studien  getrieben  und  war  dann  Scholasticus  in  Locedia  ge- 
worden. Jetzt  bildete  er  in  St  Benigne  eine  Anzahl  Schüler 
zu  hoher  Gelehrsamkeit  aus.  Hunald  erhielt  durch  ihn  seine 
Ausbildung^);  der  Kriegsmann  Letbald  errang  sogar  den  Bei- 
namen des  Weisen  infolge  eifrigen  Studiums.^)  Es  blieb  sicher 
nicht  ohne  Nachwirkung,  dass  ein  so  gelehrter  Mann,  wie 
Arnulf  von  Toul,  nach  St.  Benigne  kam.'')  Zu  grosser  Gelehr- 
samkeit brachte  es  Halinard,  Wilhelms  Nachfolger,  unter  die- 
sem in  Dijon.  Er  las  eifrig  und  verschmähte  selbst  die  Werke 
weltlicher  Philosophen  nicht  In  der  Kenntnis  der  Gesetze  und 
der  Philosophie  stand  er,  wie  es  heisst,  niemandem  nach. 
Hauptsächlich  beschäftigte  er  sich  aber  mit  Physik  und  Geo- 
metrie.^) Es  ist  interessant,  zu  beobachten,  dass  auch  sonst 
naturvrissenschaftliche  Studien  unter  Wilhelm  gepflegt  wurden, 


0  Ghron.  S.  Ben.  p.  162. 

')  Chron.  S.  Benigni,  Introd.  par  Bongaud  p.  VI.  VU. 

>)  Es  ist  noch  in  der  Bibl.  v.  Dijon,  nr.  89;  vgl.  U.  Robert,  Inventaire 
des  mss.,  188t,  S.  269;  Delisle,  Le  Cabinet  des  manuscrits  II,  402  und 
Sacramentaires,  Mem.  de  Flnst.  XXXII,  271  und  Omont  im  Bulletin  de  la 
Boci4t6  de  l'hist.  de  Paris,  1882,  p.  119.  Beide  führen  die  lateinische  Wid- 
mung an.    Schrift  vom  Ende  des  zehnten  oder  Anfang  des  11.  Jahrb. 

*)  Bougaud  p.  VII.  Vm. 

»)  Chron.  S.  Ben.  p.  149. 

^)  ib.  p.  150:  et  a  sttidio  sapiens  cognominatus. 

')  ib.  p.  151 :  litteris  adprime  enuLitus  amniqtie  mundana  sapientia 
doctus, 

^)  ib.  p.  186.  192:  Et  quamquam  omnibus  enutitw  esset  artibuSj  tarnen 
in  geometria  et  phisica  plvrimum  studebat. 


35S 

sowie  sie  wenigstens  zeitweise  in  Fleury  die  litterarische  Pro- 
daetion  beeinflnssten.  Der  Ravennate  Johannes,  der  spätere 
Abt  von  F6eamp,  ward  anf  Veranlassung  Wilhelms  in  der  Me- 
diein  unterrichtet^),  und  Wilhelms  Leiche  von  Aerzten  ein- 
balsamiert, in  dänen  man  Mönche  seiner  Schule  vermuten 
darf.2)  Auch  die  Musik  kam  unter  Wilhelm  nicht  zu  kurz. 
Er  war  ein  trefflicher  Chordirigent,  der  die  Hymnen,  Respon- 
Serien  und  Antiphonen  mit  so  peinlicher  Sorgfalt  einübte,  dass 
nach  der  Ansicht  der  Zeitgenossen  in  der  ganzen  römischen 
Kirche  nicht  besser  und  richtiger  gesungen  wurde.^) 

So  sehen  wir  die  eigentlichen  Klosterschulen  unter  Wil- 
helm in  trefflichem  Zustande.  Nicht  eine  einseitige  theologische 
Bildung  ward  hier  erworben.  Die  Vielseitigkeit  der  Studien 
hängt  sicher  mit  der  Mannigfaltigkeit  der  Elemente  zusammen, 
die  unter  seine  Leitung  sich  begaben.  Aber  auch  die  unge- 
bildeten Mönche  entbehrten  seiner  Fürsorge  nicht.  An  Stelle 
des  Psalters  erfand  er  für  sie  ein  kurzes  Gebet  in  fünf  Tönen, 
aus  neunzehn  Silben  bestehend,  die  achtmal  wiederholt  werden 
mussten.  Sein  besonderes  Augenmerk  richtete  er  auf  die  Hebung 
der  Volksbildung. 

Er  hatte  die  Beobachtung  gemacht,  dass  in  ganz  Frank- 
reich, vornehmlich  aber  in  der  Normandie,  die  Laienbevölkerung 
zumeist  weder  lesen  noch  schreiben  konnte  und  dass  diese 
Kenntnis  durch  die  Cleriker  vernachlässigt  wurde.  So  errich- 
tete er  neben  den  Klosterschulen  wahre  Volksschulen,  denen 
er  für  das  Lehramt  ausgebildete  Mönche  vorsetzte  und  in  denen 
unterschiedslos  Freie  und  Hörige,  Reiche  und  Arme  unterrich- 
tet wurden.  Die  Aermeren  empfingen  in  den  Klöstern  sogar 
Lebensunterhalt  und  vergalten  dem  Abte  seine  Fürsorge,  in- 
dem einige  von  ihnen  schliesslich  die  Kutte  nahmen.^) 

Wilhelm  selbst  hinterliess  ausser  einigen  Briefen  privaten 
oder  politischen  Inhalts  nur  Schriften  christlich-ethischer  Ten- 
denz, in  denen  er  den  Jünglingen  und  Mönchen  ihre  Pflichten 

1)  Ghron.  S.  Ben.  p.  157:  ac  medicinaU  arte  per  ipHw  patris  iussio- 
mm  edoctus. 

«)  ib.  p.  177. 

»)  Rod.  V.  Wüh.  c.  24 

*)  V.  WUh.  0. 24. 

Sftokur,  ClnnUoanwr.  II.  28 


354 

vorhält.  Ferner  sind  sieben  Predigten  ^)  erhalten,  die  sieh  durch- 
weg auf  practisehe  Bethätigung  des  Christentums  beziehen, 
nicht,  wie  sonst,  auf  Festtage,  Heilige  oder  dogmatische  Dinge. 
Er  redet  meist  die  Mönche  an,  auf  die  er  zunächst  za  wirken 
sucht  Seine  Ausdrucksweise  ist  prägnant  und  reich  an  Anti- 
thesen. Die  Sprache  ist  klar  und  einfach,  die  Reden  selbst 
sind  kurz  und  werden  um  so  weniger  in  ihrer  Naehdrttckliehkeit 
die  Wirkung  verfehlt  haben.  Wir  haben  endlich  von  Wilhelm 
einen  theologischen  Tractat^)  über  Römer  7, 15.  19. 

Wenden  wir  uns  seinen  Schülern  zu,  so  verdient  der  Abt 
Johannes  zuerst  genannt  zu  werden,  da  er  in  einer  Sentenzen- 
sammlung, die  dem  Unterricht  der  Jüngeren  gewidmet  war,  die 
moralisierende  und  pädagogische  Richtung  des  Lehrers  weiter 
verfolgte.^)  Wichtiger  war  die  Einwirkung  Wilhelms  auf  einen 
anderen  Mönch  seiner  Schule,  auf  Rodulfus  Glaber.^) 

Er  war  unehelich  geboren  —  vielleicht  sogar  der  Sohn 
eines  Glerikers  —  und  wurde  mit  zwölf  Jahren  von  seinem 
Oheim,  einem  Mönche,  wie  es  scheint,  in  das  Kloster  St.  Löger 
de  Champeaux  gebracht  Hier  zeichnete  er  sich  ebenso  darch 
litterarische  Befähigung,  als  üble  Lebensweise  aus  und  machte 
sich  schliesslich  so  missliebig,  dass  die  Brüder  ihn  aus  ihrer 
Abtei  ausstiessen.  Von  da  kam  Rodulfus  wahrscheinlich  nach 
St.  Benigne.  Er  lebte  dort  in  der  zweiten  Hälfte  der  zwan- 
ziger Jahre  und  begleitete  den  Abt  sogar  1027  oder  1028 
nach  Italien.  Er  muss  Wilhelm  persönlich  sehr  nahe  getreten 
sein,  denn  der  Abt  forderte  ihn  schliesslich  auf,  eine  Zeitge- 
schichte aller  der  Ereignisse  zu  schreiben,  die  um  das  Jahr 
1000  geschehen  waren.^)  Indes  scheint  Rodulf,  noch  ehe  er 
dem  Befehle  nachkommen  konnte,  mit  Wilhelm  in  Streit  ge- 
raten zu  sein  und  das  Kloster  verlassen  zu  haben.  In  der  ersten 


»)  Gedruckt  bei  Levis,  Opera  Wilh.  S.  96—116. 

«)  Levis  p.  117—127. 

»)  ib.  p.  174—176. 

«)  Ed.  M.  Prou,  Collect,  de  textes,  Paris  1886.  Vgl.  Sackur,  Studien 
über  RodoJfus  Qlaber,  N.  Archiv  XIV,  384  ff.;  Havet,  Note  sur  Raool 
Glaber,  Revue  bist.  Bd.  40  (1889),  41  ff.;  Petit,  Raoul  Glaber,  Revue  bist 
Bd.  48  (1892),  283  ff.  Nacb  Petit  bätte  er  etwa  von  1004/5—1015  in  Moutier- 
Saint-Jean  gelebt,  doch  ist  der  Beweis  nicht  ausreichend. 

»)  Rod.  V^Wilh.  c.  27;  N.  Archiv  XIV,  882. 


355 

Hälfte  der  dreissiger  Jahre  ist  er  in  Glani  nachzuweisen^),  and 
hier  dürfte  der  ruhelose  Mönch  im  Einverständnis  mit  Abt 
Odilo  an  die  Arbeit  gegangen  sein.  Aber  er  schrieb  hier  höch- 
stens das  erste  Buch  und  einen  Teil  des  zweiten.^)  Den  weit- 
aus grösseren  Rest  der  unvollendet  gebliebenen  Chronik  ver- 
fasste  er  in  St  Germain  d'Anxerre,  wo  er  sich  bis  zu  seinem 
etwa  Ende  1045  3)  erfolgten  Tode  aufhielt 

Die  ersten  drei  Bücher  des  Geschichtswerkes  umfassen  die 
um  das  tausendste  Jahr  der  Geburt  des  Herrn  geschehenen 
Ereignisse;  den  Mittelpunkt  des  vierten  bildet  das  tausendste 
Jahr  der  Passion  Christi.  Dem  fünften  Buche  fehlt  ein  der- 
artiges Princip;  der  Verfasser  fährt  fort,  wo  er  stehen  geblie- 
ben war.  Die  Anlage  war  ursprünglich  chronologisch  geplant; 
aber  Abschweifungen,  gelegentliche  Anknüpfungen  von  Anee- 
doten,  vielleicht  auch  spätere  Einschiebungen  haben  ein  ziem- 
lich wüstes  Geschichtswerk  daraus  gemacht  Ein  systematisches 
Streben,  seine  Kenntnisse  zu  bereichem  und  historische  Nach- 
richten zu  sammeln,  ist  bei  dem  Autor  nicht  bemerkbar,  eben- 
sowenig schreibt  er  nach  beliebter  Art  andere  Darstellungen 
aus.  Die  Zeitgeschichte  erseheint  reflectiert  in  dem  wirren 
Kopfe  eines  vollständig  in  religiösen  Speculationen  sich  be- 
wegenden Mannes.  Er  erzählt  vieles,  was  anderweitig  nicht 
überliefert  ist,  aber  gerade  bei  ihm  steht  und  fällt  die  Glaub- 
würdigkeit der  Nachrichten  mit  der  Entscheidung  der  Frage, 
woher  er  die  eine  oder  andere  Notiz  schöpfen  konnte. 

Kurz  nach  Wilhelms  Tode  schrieb  Rodulf  das  Leben  ^) 
seines  Herrn  und  Meisters.  Vieles  hatte  er  selbst  gesehen,  noch 
mehr  entnahm  er  den  Berichten  glaubwürdiger  Gewährsmänner^), 
wie  des  Abtes  Gerbald  von  St  Christina.  Ausführlich  behan- 
delte er  namentlich  die  Jugendgeschichte  und  die  Anfänge 
Wilhelms,    seine    Beformen,    seine   Einrichtungen    und    seine 


»)  N.  Archiv  XIV,  402—406;  vgl.  Kuypera,  Studien  Uber  Rudolf  den 
Kahlen,  Münster.  Dissert.  1891,  S.  17. 

')  Havet  a.a.O.  S.47;  Kuypers  S.  13. 

')  Vgl.  Kuypers  S.  23,  dem  ich  mich  jetzt  entgegen  meinen  früheren 
Annahmen  anschliease. 

*)  Gedraokt  bei  Levis  p.  1—23;   Mabiilon,  Acta  SS.  V,  286  ff. 

^)  V.  Wilh.  prol.:  Flura  siquidem  a  nobis  visa,  plurima  tarnen  a 
veracisHmis  relatoribus  comperta  huiw  narratiania  informabwit  seriem. 

28* 


3^6 

Charaetereigenschaften.  tm  ganzen  etseheint  die  Vita  wie 
eine  Ergänzung  za  den  Historien.  Behandelte  der  Autor  hier 
mehr  die  letzte  allgemeingesehiehtliche  Wirksamkeit  des  Abtes, 
so  holte  er  dort  naeh,  was  über  seine  klösterliche  Thätigkeit 
bemerkenswert  war. 

Das  wichtigste  Gesehiehtswerk  dieses  Reformkreises  ist 
die  Chronik  des  hl.  Benignus  i),  die  zwar  erst  nach  dem  Tode 
Halinards  verfasst  wurde,  deren  Verfasser  aber  unter  den 
Augen  Wilhelms  und  seines  Nachfolgers  aufwuchs.  Um  das 
Jahr  1020  geboren,  kam  der  Chronist,  Johannes  mit  Namen  ^), 
1026  nach  St  Benigne,  als  Graf  Rainald  von  Burgund  in  Sa- 
lins  im  Jura  Ländereien  an  das  Kloster  von  Dijon  schenkte 
und  viele  dort  ansässige  Väter  ihre  Söhne  dem  Klosterheiligen 
darbrachten.')  In  der  Chronik,  die  bald  nach  1052  abge- 
schlossen wurde  ^),  benutzte  der  Autor  die  Acta  S.  Benigni, 
Fredegar,  Gregor  von  Tours,  Einhard,  den  Liber  pontificalis 
die  Miracula  S.  Benedicti,  die  Vita  Maioli,  namentlich  aber  die 
Traditionsbttcher  von  St  Benigne,  das  Necrologium  von  St  Be- 
nigne und  ähnliches.  Das  beste,  was  der  Autor  giebt,  sind 
einmal  die  reichen  Auszüge  aus  den  Urkunden  des  Klosters, 
sowie  seine  eigenen  Eindrücke,  wenn  er  z.  B.  die  neue  Basilica 
des  hl.  Benignus  eingehend  beschreibt  Aber  auch  fttr  die  bur- 
gundische  Localgeschichte  und  die  allgemeine  Geschichte,  mit 

^)  Neue  Ausgabe  von  Bongaud  und  Garnier  in  den  Analecta  Divio- 
nenaia  I,  1875. 

')  Obgleich  der  Autor  des  Chron.  S.  Benigni  von  d'Ach^iy,  Mabülon, 
der  Oallia  Christ.,  allerdings  ohne  Angabe  der  Qaelle,  Johannes,  genannt 
wird,  erklärt  Bougaud  p.  XIII  s.  Ausgabe,  dass  über  den  Namen  nirgend 
sich  etwas  fände.  Das  ist  indes  unrichtig.  Im  Necrol.  S.  Benigni  (Mont- 
faucon  U,  1160  ff.)  findet  sich  zu  IX,  Kai  lul:  Obiit  lohannes  monachiu 
noster;  hie  fecit  historis  novtu.  Da  es  in  demselben  Necrolog  weiter 
heisst:  Ob,  lacobua  monachus;  fecit  vetus  Testamentwn  und  dieser  Mönch 
unter  Halinard  wirkte  (Bougaud  p.  VI.  Yll),  so  kann  man  den  Tod  des 
Johannes  jedenfalls  nicht  in  eine  viel  spätere  Zeit  setzen.  Die  Annahme, 
dass  Johannes  mit  dem  Verfasser  des  Chron.  S.  Ben.  identisch  sei,  wird 
dadurch  noch  wahrscheinlicher,  dass  der  Fortsetzer  der  Chronik  erat  im 
16.  Jahrhundert  schrieb. 

')  Chron.  S.  Ben.  p.  19S:  Inter  quos  pater  mem  mt  offerens  etc.;  p.  1 
sagt  er:  No8  Divionensis  aacri  numasterii  aparwio  habitatorei  et  amatores. 

«)  Zuletzt  wird  der  Tod  Halinards  berührt,  der  am  29.  Juli  1052  ein- 
trat; sein  Nachfolger  wird  nicht  mehr  erwähnt« 


357 

der  der  Chronist  stets  in  Connex  bleibt,  ist  ans  dem  Gescbicbts- 
werk  viel  zu  lernen. 

Sneben  wir  uns  ein  allgemeines  Urteil  über  den  Charaeter 
der  in  den  hervorragendsten  Reformeentren  Frankreichs  ge- 
pflegten litterarischen  Thätigkeit  zu  bilden,  so  werden  wir  zu- 
nächst überall  den  Mangel  annalistischer  Äafzeichnnngen  zn 
bemerken  haben.  Es  hängt  das  offenbar  mit  dem  geringen 
Interesse  zusammen,  das  man  den  äusseren  Begebenheiten  der 
Gegenwart  entgegen  brachte.  Chronicalische  Werke  wurden 
nur  in  St  Benigne  angeregt,  beziehungsweise  yerfasst:  die  >^ 
Historien  Bodulfs  Glaber  und  die  Chronik  von  St  Benigne. 
Wir  werden  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  diese  Thatsache  mit 
der  realistisch  angelegten  Natur  des  im  öffentlichen  Leben 
wirkenden  Wilhelm  yon  St  Benigne  zusammenbringen.  Sonst 
sehen  wir  sowohl  in  Gluni  als  in  Fleury  zeitweise  die  Litte- 
ratur  sich  um  einen  bestimmten  Heiligen  gruppieren.  In 
Gluni  ist  es  die  Heiligkeit  des  Majolus,  in  Fleury  die  Ver- 
ehrung der  Reliquien  St.  Benedicts,  die  zu  litterarischen 
Schöpfungen  mannigfacher  Art  anregen.  Dazu  kommen  die 
verschiedenen  Abtbiographien,  geschrieben,  um  die  Tugenden 
und  die  Wirksamkeit  der  Vorsteher  zu  feiern,  um  zu  erbauen 
und  zur  Nacheiferung  anzuspornen.  Predigten  haben  wir  aus 
Gluni  und  St  Benigne,  in  der  Art  sehr  verschieden;  die  Hymnen- 
dichtung ward  namentlich  in  Gluni  geflegt  Das  classische 
Altertum  fand  wohl  überall  Pflege  zum  Gebrauch  des  Unter- 
richts, während  mathematisch-physicalische  Studien  auf  Fleury 
und  St.  Benigne  beschränkt  blieben.  In  dem  letzteren  Kloster 
haben  wir  dazu  noch  medicinische  Interessen  nachzuweisen. 

Erwägen  wir,  dass  in  den  duniacensischen  Abtbiographien 
ein  stetig  wachsender  Spiritualismus  auftritt,  dass  hier  die 
Hymnendichtung  blühte,  die  Predigten  Odiles  ein  starkes  Mass 
von  Mystik  verraten,  die  realen  Fächer  ohne  jede  Vertretung 
blieben,  die  Abneigung  gegen  die  classischen  Dichter  wenig- 
stens theoretisch  gepriesen  wurde:  so  stimmt  diese  consequente 
Ausbildung  des  rein  geistlichen  Moments  zu  der  Stellung  als 
Mittelpunkt  religiöser  Verinnerlichung,  die  wir  dem  Kloster 
Gluni  einzuräumen  haben.  Je  weiter  die  andern  Klöster  in  der 
Zeit  sich  von  ihrer  Verbindung  mit  Gluni  entfernen,  desto  stär- 
ker laufen  sie  Gefahr,  durch  die  persönlichen  Neigungen  ihrer 


358 

Aebte  und  Insassen  Bildnngselemente  aufzunehmen,  die  sie 
von  den  Idealen  des  Mntterklosters  mehr  oder  weniger  weit 
abführen. 

Metz,  Toul,  Verdun. 

Zur  Zeit,  als  bereits  in  Clnni  die  Studien  blühten  und 
eine  stattliehe  Bibliothek  patristischer  und  classiseher  Werke 
den  strebsamen  Brüdern  zur  Yei^fttgung  stand,  begann  man 
erst  in  Lothringen  naeh  dem  Wiederaufleben  der  Stifter 
sieh  wieder  der  Leetttre  und  dem  Studium  zuzuwenden. 
Noch  fehlten  im  Anfange  die  Bücher  und  auf  einen  geringen 
Kreis  kirchlicher  Schriften  beschränkte  sich  fürs  erste  der 
Lerneifer  der  Mönche.  Die  Werke  Gregors  des  Grossen,  na- 
mentlich seine  Moralia,  Augustins  Bibelcommentare  und  das 
Buch  vom  Gottesstaat,  sein  Werk  über  die  Trinität,  Ambrosius 
imd  Hieronymus,  bildeten  hier,  me  in  Frankreich  die  Grund- 
lage für  das  wiedererwachende  Geistesleben.  Man  knüpfte  aller- 
wegen an  die  Kirchenväter  an,  und  eben  weil  die  Zahl  der 
zur  Verfügung  stehenden  Codices  gering  war,  wurden  die  vor- 
handenen immer  und  immer  wieder  gelesen,  so  dass  Gedanken 
und  Ausdrucksformen  den  Beformmännern  in  Fleisch  und  Blut 
übergingen.  Der  scholastische  Beweis  über  das  Verhältnis  des 
Vaters  zum  Sohn  und  hl.  Geist  führte  weiter  auf  ein  eingehen- 
des Studium  der  aristotelischen  Logik,  wie  z.  B.  Johann  von 
Gorze  sich  in  die  Isagogen  des  Porphyrius  vertiefte,  die,  wie 
die  Kategorien  des  Aristoteles,  auch  in  der  Bibliothek  Adsos 
von  Montierender  nicht  fehlten.  Dagegen  erhob  sich  wohl 
auch  ein  Widerspruch;  der  eine  oder  andere  hielt  das  für  eitle 
Mühe  und  wollte  lediglich  erbaut  sein.  Und  da  kamen  für 
die  asketischen  Uebungen  hauptsächlich  die  Vorschriflien  der 
Eremiten  Antonius,  Paulus,  Hilarion,  Macharius,  Pachomius  und 
anderer  in  Betracht,  deren  Anschauungen  einzelne  Leute,  wie 
Johann  von  Gorze,  sich  vollständig  zu  eigen  machten.^) 

Johann  von  Gorze  selbst  entbehrte  der  Gelehrsamkeit,  wie 
viele  seiner  Zeitgenossen.  Er  hatte  in  seiner  Jugend  zwar  zu 
Füssen  des  Hildebold  von  St  Mihiel  gesessen,  aber,  wie  er 
selbst  gestand,  nichts  bei  ihm  gelernt;  erst  in  späteren  Jahren 


*)  V.  Job.  Gorz.  c.  83.  84. 


359 

brachte  ihm  der  Diacon  Bemer  von  Toni  die  Anfangsgründe 
der  Grammatik  bei.  Ueberhanpt  überwiegt  in  Gorze  das  Be- 
dürfnis nach  Erbauung  die  gelehrten  Bestrebungen.  Unter  den 
neuen  Gonventualen  waren  wohl  einige  hochgelehrte  Männer,  aber 
asketische  Schwärmerei  beherrschte  sie  alle  und  hatte  sie  erst 
zusammengeführt.  Man  wird  deshalb  in  dem  Metzer  Kloster 
eine  litterarische  Production  nicht  erwarten  dürfen.  Das  ein- 
zige Schriftwerk,  das  in  dieser  Zeit  dort  vielleicht  entstand, 
sind  die  Miracula  S.  Gorgonii.^)  Schriftliche  Quellen  hatte  der 
Verfasser  nichts);  er  beschrieb,  was  er  gesehen  oder  gehört 
hatte.  Eigentümlich  ist,  dass  er  die  Reform  gänzlich  übergeht 
und  von  den  Thaten  Johanns  zwar  berichtet,  aber  ohne 
Nennung  seines  Namens.  An  einer  Stelle  aber  wird  er  leb- 
haft gelobt.3)  Vielfach  berühren  sich  die  Nachrichten  dieser 
um  965^)  geschriebeneu  Quelle  mit  der  Vita  Johannis  Gor- 
zensis,  mitunter  sogar  wörtlich,  aber  doch  immerhin  mit  so  viel 
Abweichungen,  dass  an  ein  einfaches  Abhängigheitsverhältnis 
nicht  gedacht  werden  kann.  Möglich  ist,  dass  beide  Autoren 
entweder  aus  der  klösterlichen  Tradition  schöpften  oder  dass 
der  Biograph  Johanns  von  Gorze  die  Nachrichten  der  Miracula 


^)  Die  in  einem  Cod.  saec.  XI  unvoüständige,  sachlich  wertlose  Vita 
S.  Chrodegangi  gehört  eher  ins  9.,  als  ins  10.  Jahrh.,  wie  die  Worte  am  An- 
fang: Mettis  igitur  wrbium  eis  Alpes  positarum,  quaa  novi  aiU  nasse  potui, 
fanuif  divitiis  gloriaque  omnium  primae  ac  nobilissimae  zu  zeigen  schei- 
nen. Das  passt  in  die  Zeit  Drogos  von  Metz  (824—855),  aber  nicht  AdaU 
beros  oder  seiner  Nachfolger. 

')  Mir.  S.  Gorgonii,  Prol.  c.  1 :  miracula  . . .  quae  visu  et  auditu  com- 
peri  . . .  Damit  stimmt  völlig  tiberein,  wenn  es  in  dem  Briefe  (987—996) 
des  Milo  von  Minden  an  Immo  von  Gorze  heisst:  passionem  et  miracula 
. . .  Qorgonii  vos  non  habere  cordetenus  doleretis,  ein  Satz,  der  Finke, 
Westfalica  aus  der  Pariser  und  Eichstädter  Bibliothek,  Ztschr.  f.  vaterl. 
Gesch.  n.  Altertumskunde  Westfalens,  Bd.  47  (1889),  213  Schwierigkeiten 
macht  wegen  der  Ansetzung  der  Miracula  auf  ca.  965.  Man  hatte  eben 
ältere  Mirakel  nicht;  das  geht  auch  aus  den  uns  erhaltenen  hervor.  Fer- 
ner, wenn,  wie  es  leicht  möglich  ist,  die  Mirac.  S.  Gorgonii  von  Johann 
von  St  Arnulf  oder  einem  früheren  Gorzer  Münch ,  der  965  von  Gorze 
fortging,  verfasst  sind,  wäre  ebenfalls  leicht  zu  erkli&ren,  dass  man  in 
Gorze  nichts  davon  wusste. 

»)  C.  16. 

*)  Zuletzt,  c.  24,  wird  ein  Besuch  Hugos  des  Grossen  von  Francien 
erwähnt,  den  Pertz  965,  v.  Ealckstein,  Capetinger  I,  299,  n.  1  vor  965  setzt 


360 

dnrch  eigene  Kenntnis   ergänzte,  aber  es  scheint  auch  nicht 
aasgeschlossen,  dass  beide  Werke  einen  Verfasser  hatten. <) 

Gehen  wir  zu  den  andern  Metzer  Klöstern  ttber,  so  ist  in 
erster  Beihe  St  Amalf  zu  nennen.  Hier  entfaltete  der  Möneh 
and  spätere  Abt  Johannes  sowohl  als  Lehrer  wie  als  Schrift- 
steller eine  frachtbare  Thätigkeit  Er  schrieb  die  Vita  et 
Miracnla  S.  Glodesindis^)  am  963,  zaerst  auf  vorhandene  Quel- 
len gestutzt 3),  das  übrige  als  Augenzeage,  kurz^)  and  mit 
grosser  Vorliebe  fttr  Adalbero.^)  Sein  Hauptwerk  ist  die  Bio- 
graphie Johanns  von  Gorze,  die  er  ursprünglich  schon  bei  Leb- 
zeiten dieses  Abtes  hatte  schreiben  wollen.  Aber  erst  nach 
seinem  Tode  kam  es  zur  Ausführung.  Der  Autor  hatte  vor, 
das  Leben  Johanns  bis  zum  Eintritt  ins  Kloster,  dann  seine 
Mönchs-  und  Abtzeit,  schliesslich  sein  Ende  zu  behandeln.  Er 
hatte  aber  erst  den  ersten  Teil  (c.  45)  vollendet,  als  ihm  978 
die  Hand  erlahmte  und  er  missmutig  die  Arbeit  abbrach.  Aber 
auf  die  Ermunterung  der  Bischöfe  Theoderich  von  Metz  und 


^)  Die  Entscheidung  über  das  Verhältnis  beider  Quellen  ist  schwie- 
rig. Wattenbach,  Geschichtsqu.  I  (ß.  Aufl.),  370  nimmt  eine  gemeinsame 
Quelle,  nämlich  ältere  Mir.  S.  Gorg.,  an,  ebenso  spricht  Ebert,  Litteratur- 
gesch.  III,  471  von  einer  gemeinsamen  Quelle;  desgl.  Schnitze,  N.Archiv 
IX,  500.  Aeltere  Mirakel  sind  sicher  nicht  anzunehmen,  da  einmal  der  Prolog 
des  Autors  dagegen  spricht,  andererseits  —  indem  die  Thätigkeit  Johanns 
von  Gorze,  also  Ereignisse  der  späteren  Zeit,  in  beiden  Quellen  ähnlich 
behandelt  werden  —  gerade  für  solche  Tbatsachen  ältere  Mirakel  angenom- 
men werden  müssten,  die  beide  Autoren  noch  aus  Erfahrung  kannten. 
Dass  beide  Quellen  sich  vielfach  ergänzen,  würde  entschieden  fttr  einen 
gemeinsamen  Autor  sprechen,  wenn  nicht  einzelne  Abweichungen  und 
eine  gewisse  Verschiedenheit  der  Auffassung  hier  zur  Vorsicht  aufforder- 
ten. MafL  darf  nicht  übersehen,  dass  unsere  quellenkritische  Methode, 
nach  der  zwei  Nachrichten  in  ähnlicher  oder  gleicher  Form  entweder 
durch  directe  Abhängigkeit  beider  Quellen  von  einander  oder  eine  ge- 
meinsame schriftliche  Quelle  erklärt  werden,  geradezu  widersinnig  wird, 
wenn  beide  Autoren  als  Zeitgenossen  an  einem  Orte  und  am  Orte  der 
Ereignisse  schrieben,  und  dass  dem  mündlichen  Gedankenaustausch  viel 
mehr  Wege  offen  stehen,  als  dass  die  paar  Formeln  modemer  Kritik  auch 
nur  annähernd  ausreichen  könnten. 

>)  Gedruckt  Mabillon,  Acta  SS.  II,  1087  u.  IV,  1,  4S6ff.;  vgl.  Schnitze 
a.  a.  0.  S.  507;  Ebert,  Litteraturgesch.  III,  493;  s.  oben  Bd.  I,  S.  164. 

')  C.  45 :  Saec,  lU  vätuimuSf  ex  prioribw,  quas  invenimuSf  trant- 
fvdimua  litteris, 

*)  Vgl.  c.  46.         »)  Vgl.  c.  47. 


361 

Poppo  Yon  Utrecht  nabm  er  die  Arbeit  wieder  aaf,  unterstützt 
dareh  die  Mitteiinngen  der  Freunde  seines  Helden.  Im  zweiten 
Teile  behandelt  der  Verfasser  bis  c.  71  die  Genossen  des  Jo- 
hannes, dann  sein  Klosterleben  und  seine  Tugenden,  von  c.  95 
an  seine  wirtscbaftUehen  Verdienste  und  von  e.  115  bis  zum 
Sehluss  die  cordovanische  Gesandtschaft.  Unvollendet  schliesst 
die  Vita  mit  c.  136,  da  Johannes  durch  den  Tod  gehindert 
wurde,  sie  zu  vollenden.  Es  ist  somit  nur  ein  verhältnis- 
mässig kleiner  Teil  erhalten:  nämlich  nur  ein  Teil  seiner 
Mönchszeit.  Deren  Sehluss,  das  ganze  Abtregiment,  der  Tod, 
fehlt:  von  letzterem  giebt  allerdings  die  Vorrede  Nachricht. 

Die  Darstellung  lässt  die  stilistische  Glätte,  den  Schwung 
und  die  dassisehen  Reminiscenzen  vermissen,  die  französischen 
Heiligenleben  eigen  sind.  Ebenso  sind  erbauliche  Phrasen  und 
Bibelcitate  nach  Möglichkeit  vermieden.  Die  vielen  Abschwei- 
fungen geben  dem  Werke  ein  formloses,  unkttnstlerisches  Ge- 
präge: aber  es  ist  ein  realistisch  angelegter  Geist,  der  diese 
Vita  schrieb,  ein  Geschichtswerk  von  unschätzbarem  Werte,  bei 
dessen  Lectttre  sich  nur  der  Wunsch  aufdrängt,  dass  uns  aus 
Frankreich  eine  Quelle  erhalten  wäre,  die  ebenso  anschaulich 
und  ausführlich  das  Leben  und  Treiben,  die  Gedanken  und 
Thaten  der  dortigen  Reformatoren  schilderte  und  zum  Aus- 
druck brächte. 

Neben  Johann  war  die  bedeutendste  Persönlichkeit  unter 
den  Metzer  Reformatoren  Kaddroe,  jener  Ire,  dessen  Wirksam- 
keit in  Waulsort  und  im  Kloster  St  Clemens  oben  behandelt 
worden  ist.')  Seine  Biographie^)  schrieb  um  das  Jahr  1000, 
wie  es  scheint,  ein  Mönch  von  St  Clemens  in  Metz^),  da  sie 
durch  den  Abt  Immo  von  Gorze  angeregt  wurde,  dem  sie  auch 
gewidmet  ist  Der  Autor  berichtet  wunderliehe  Dinge  von  dem 
Leben  Eaddroes  in  der  Heimat,  sicher  mehr  der  Tradition  fol- 
gend^), als  eigener  Erfindung.  Eigentümlich  sind  die  vielen 
Visionen.    Aber  so  fabelhaft  und  legendarisch  das  Vorleben 


»)  Bd.I,  S.  181— 185. 

>)  Gedruckt  Mabillon,  Acta  SS.  V,  489 ff.;  AuszUge  SS.  IV,  483  und 
XV,  2,  689-692. 

^)  Der  Metzer  Aufenthalt  wird  auch  besonders  eingehend  behandelt 

*)  Der  Autor  sagt  im  ProL:  cum  neque  Ingenium  auppetat  nequ€ 
gestorum  eiu$  aliquid  8ciam  praeter  audita. 


362 

Kaddroes  dargestellt  ist,  so  machen  die  Mitteilnngen  ttber  seine 
refonnatoriscbe  Wirksamkeit  in  Lothringen  doch  im  allgemei- 
nen einen  glanbv^rdigen  Eindrnck.*) 

Die  litterarische  Thätigkeit  im  Metzer  Sprengel  kam  also 
den  Heiligen  der  Diöcese  nnd  den  Reformäbten  zu  gute.    In 
noch  höherem  Gradf  wurden  die  Patrone  der  Touler  Klöster 
nach    dem  Wiederaufleben   kirchlichen   Geistes   zum    Gegen- 
stande schriftstellerischer  Behandlang.    In  dem  Hanptkloster 
des  Sprengeis,  St.  :fevre,  ist  schon  frtth  eine  Schule  nachweis- 
bar^), und  als  die  Mönche  von  St.  i^vre  nach  dem   benach- 
barten Montierender  kamen,  machten  sie  sich  um  die  Ordnung 
der  Bibliothek  yerdient.^)   Im  elften  Jahrhundert  hatte  St  i^vre, 
das  inzwischen  von  Wilhelm  von  Dijon  von  neuem  reformiert 
worden   war,   eine   stattliche   Bibliothek,   vor   allem   mehrere 
Virgilhandschriften ,  zwei  Bände  Horaz,  Statins,  Terenz,  Juve- 
nal,  Lucan,  ein  Fascikel  der  Ars  amandi  des  Ovid  ausser 
einem  grösseren  Ovidcodex.^)    Dieselbe  Vorliebe  für  das  claa- 
sische  Altertum  zeigte  sich  bereits  bei  Adso  von  Montierender^), 
jenem  früheren  Touler  Schulmeister,  der  mit  Abbo  von  Flenry 
und  namentlich  Gerbert  von  Reims  in  Verbindung  stand.    Er 
hatte  in  seinem  Privatbesitz  dreiundzwanzig  Bände,  von  denen 
allein  vierzehn  antikheidnisehe  Schriften  umfassen.   Wir  finden 
die  Isagogen  des  Porphyrins,  die  Kategorien  des  Aristoteles, 
Ciceros  Rhetorik,  Servius  und  eine  Erklärung  ttber  die  zehn 
Eclogen  und  die  Georgica,  Terenz  und  dergl.   Auch  in  seinen 


1)  Vgl.  D.  Ztschr.  f.  Gesch.  II,  342,  n.  1.  Ueber  Kaddroes  Todestag 
(978)  vgl.  auch  Scheffer-Boichorst,  Zs.  f.  G.  d.  Oberrheins,  N.  F.  IV,  286,  n.  5. 

>)  Im  Cod.  Mett.  G.  53  saec.  XI/XII.  heisst  es:  Incipit  glosarium  or- 
dine  elementorwn  agregaJtum  ab  Aynardo  anno  ab  incam.  Dom.  969,  indL  12. 
imperio  magni  Ottonis,  sepulchro  diittdicatum  Äpri  Leuchorum  quitUi 
ponti/icis  ad  suplementum  inibi  degentium  pusionum.  Der  Codex  enthalt : 
Epistole  Älexandri.  Epistola  Olympiadis,  Gesta  Alexandri.  Vgl.  Archiv 
VII,  1014;  Catal.  des  d6part.  V,  157;  Wattenbach,  Geschichtsqu.  I,  878. 

')  Mirac.  8.  Berch.  c.  9:  qui  memoriam  aiuie  prudentiae  nostrae  hoc- 
tenus  aetati  ostentant  etiam  ecckaiasticorum  voluminum  sagaci  ordinationc 

*)  Der  Gatalog  stammt  ans  der  Zeit  des  Abtes  Wido,  der  1048  starb; 
Neuer  litterar.  Anzeiger  1807,  Heft  5,  S.  15. 

*)  Vgl.  den  Gatalog  Adsos,  den  dieser  vor  Antritt  seiner  Pilgerreise 
992  angefertigt  hatte,  ed.  Omont,  Bibl.  de  l'^cole  des  chartes  1882,  p.  157; 
Lebeuf,  Recueil  de  divers  6crits  II,  17, 


368 

Werken  verrät  Adso  nähere  Kenntnis  des  classischen  Alter- 
tums. Er  nimmt  Bezag  anf  die  Beredsamkeit  Homers  und 
Cieeros;  er  spricht  von  denen,  die  zwischen  Scylla  und  Gha- 
rybdis  schiffen,  von  den  heidnischen  Philosophen,  von  Her- 
cules, der  Kraft  der  Giganten,  dem  Rade  des  Ixion.^) 

So  verrät  sieh  auch  hier  in  der  Schale  von  Toni  auf 
Schritt  und  Tritt  das  Studium  der  Alten;  aber  man  studierte 
sie  nur,  um  mit  ihren  Wortschätzen  das  Leben  und  die  Wunder 
der  Heiligen  besser  darstellen  zu  können.  So  hat  auch  Adso 
fast  ausschliesslich  Werke  legendarischen  Inhalts  verfasst,  die 
hier  behandelt  werden  mögen,  da  der  Verfasser  der  Touler 
Schule  angehörte.  Nachdem  er,  wie  es  den  Anschein  hat,  zu- 
erst auf  Bitten  des  Abtes  Odo  von  Montier -la- Gelle  das  Leben 
des  Bischofs  Frodebert  von  Troyes  geschrieben,  des  Gründers 
des  genannten  Klosters,  und  kurz  die  Wunder  und  die  Ge- 
schichte des  Leibes  des  Heiligen  behandelt  2),  wandte  sich 
Adso  zur  Zeit  des  Bischofs  Gerhard  von  Toul^)  der  Heiligen- 
geschichte des  Touler  Sprengeis  zu  und  zeichnete  die  Mirakel 
des  hl.  Mansuetus  auf,  denen  er  auf  Verlangen  des  Bischofs  4) 
eine  Vita  desselben  Heiligen  folgen  liess.^)  Die  Biographie 
ist  ein  apokryphes,  unglaubwürdiges  Werk«);  der  Verfasser 
spricht  selbst  von  der  dunklen  Kenntnis  vergangener  Dinge. 
Aber  das  auf  die  Vita  folgende  Buch  der  Wunder  ist  von 
Gauzlin  an  nicht  ohne  Wert.  Es  werden  aus  seiner  Zeit  vier 
Wunder  erzählt;  dann  geht  der  Verfasser  auf  Gerhard  ttber, 
spricht  kurz  ttber  seine  Erhebung  und  die  Reform  von  St.  Man- 
suy,  die  offenbar  die  Veranlassung  zur  Abfassung  der  Sehrift 
gegeben  hat  In  die  letzte  Lebenszeit  Adsos  gehören  die  Vita 
und  Miracula  S.  Basoli,  die  auf  Anregung  Gerberts  von  Reims 
und  des  Abtes  von  St.  Basle  entstanden,  sowie  die  Geschichte 


>)  Im  Prolog  der  V.  S.  Basoli. 

>)  Mir.  S.  Berch.  c.  11;  die  Vita  bei  Mabillon,  Acta  SS.  II,  600  ff. 

^)  Der  Verfasser  bemerkt:  Quod  usque  hodie  idem  pontifex  non  sine 
suspiriis  solitus  est  referrt. 

*)  Mir.  S.  Berch.  c.  11. 

»)  Galmet,  Bist  de  Lorraine  IV,  pr.84;  Migne  137,  619  ff.;  SS.  IV, 
500—514.  Wie  aus  dem  Schluss  der  Miracula  hervorgeht,  ist  die  Vita 
später  geschrieben. 

•)  Vgl.  Ebert  IH,  476. 


364 

des  bl.  Bercharins,  des  Patrons  von  Montierender. <)  Der  erst- 
genannten Arbeit  scbiekte  der  Autor  eine  sebr  ansf&brliehe 
Vorrede  voraus,  in  der  er  sieb  aucb  ttber  seine  Quellen  ans- 
spriebt:  einiges  von  den  Alten  Ueberlieferte  babe  er  ausftthr- 
licber  beriebtet,  einiges,  das  ibm  mttndlieh  zugetragen  sei,  babe 
er  in  selbständiger  Form  wiedergegeben,  einiges  babe  er  bin- 
zugefügt,  dem  er  selbst  beigewobnt,  aber  aueb  das  babe  er 
kurz  berttbrt,  was  Augenzeugen  ibm  mitgeteilt  bätten.  Die 
ebronologiscbe  Ordnung  babe  er  nicbt  eingebalten.  Es  beziebt 
sieb  das  natttrlieb  auf  die  Wunder  des  Aquitaniers.  Bezug- 
lieb  der  Vita  bebauptet  Adso  zwar,  er  babe  die  ältere  Dar- 
stellung nicbt  auffinden  können;  indes  bat  er  trotzdem  eine 
ältere  Vita  benutzt^)  Unter  Erzbisebof  Hinemar  von  Reims 
erfolgte  die  Translation  des  Basolus  in  das  von  Erzbisebof 
Nivardus  gegründete  Kloster,  die  der  Autor  im  Anscbluss  an 
die  Vita  mit  den  darauf  folgenden  Wundern  bescbreibi  Die 
Gespreiztbeit,  die  in  der  Vorrede  zu  diesem  Werke  zu  Tage 
tritt,  und  das  Prunken  mit  gelehrten  Reminiscenzen  flibrt 
auf  den  Gedanken,  dass  Adso  damit  Gerbert  besonders  im- 
ponieren wollte.  Am  Ende  seines  Lebens  verfasste  er,  wie 
erwäbnt,  das  Leben  des  Bercbarins^);  aber  die  Wunder  zu  be- 
sebreiben,  reiebte  seine  Lebepszeit  nicbt  aus.  So  wurde  denn 
das  Werk  erst  unter  Abt  Bruno,  der  von  Leo  IX.  ordiniert 
worden  war,  unternommen.^) 

Neben  diesen  prosaischen  Heiligenleben,  die  in  Bezug  auf 
ihren  Inhalt  wertlos  sind,  wandte  sich  Adso  der  kirchlichen 
Poesie  zu :  er  dichtete  einige  Hymnen,  brachte  das  zweite  Buch 
der  Dialoge  Gregors  des  Grossen,  nämlich  die  Geschichte  Bene- 
dicts, angeregt  durch  Abbo  von  Fleury,  in  Hexameter,  glossierte 
die  Hymnen  des  Ambrosius  und  machte  sich  durch  Composition 


1)  Mir.  S.  Berch.  c.  11.  Von  den  Thaten  des  Bercharius  heisst  es: 
quae  eatemu  incuUe  exarata  habehantur  et  ahditd.  Gedruckt  Mabillon, 
Acta  SS.  II,  62;  die  Translatio  Acta  SS.  IV,  2, 137. 

»)  Vgl.  Ebert  in,  477. 

s)  Gedruckt  Mabillon,  Acta  SS.  II,  797  ff.  Sehr  fraglich  ist  mir  die 
Autorschaft  Adsos  bezüglich  der  Vita  et  Mirac.  S.  Waideberti,  da  einmal 
der  Autor  derselben  A  ,,,  qui  et Henniricvs  genannt  wird  und  die  Mir. 
S.  Berch.  c.  1 1  davon  nichts  sagen. 

*)  Mir.  S.  Berch.  c.  12;  gedruckt  Mabillon,  Acta  SS.  II,  808  ff. 


365 

von  Gebeten  und  Psalmodieen  fUr  jede  Tageszeit  verdient  i) 
In  seinen  früheren  Jahren,  nm  die  Mitte  des  zehnten  Jahr- 
hunderts, hatte  er  seinen  Tractat  über  den  Antichrist  für  die 
Königin  Gerberga  geschrieben.^)  Es  ist  interessant  zu  beob- 
achten, wie  Adso  auf  Bestellung  arbeitet,  wie  die  Reform  der 
Klöster  und  Kirchen  überall  das  Bedürfnis  nach  Heiligenleben 
und  Wundergeschichten  hervorrief.  Nicht  überall  hatte  man 
eine  schriftstellerisch  zureichende  Persönlichkeit:  so  kam  es, 
dass  einzelne  Leute  wie  Adso  die  Arbeit  für  die  Kirchen  der 
Umgegend  besorgten. 

Erst  gegen  Ende  des  Jahrhunderts')  wurden  das  Leben  und 
die  Wunder  des  hl.  Aper  aufgezeichnet^);  auch  diese  Biographie 
entbehrt  jedes  historischen  Wertes.  Der  Verfasser  klagt  fort- 
während über  den  Mangel  an  Ueberlieferung^),  kann  sich  aber 
doch  nicht  enthalten ,  Wunder  aus  früherer  Zeit  zu  berichten 
und  das  Verlangen  nach  mehr  mit  den  Worten  abzuschneiden, 
dass  der  grossen  Zahl  der  Mirakel  das  Gedächtnis  nicht  gewach- 
sen sei.<^)  Zuletzt  wird  die  Translation  des  Jahres  978  behandelt 

Im  elften  Jahrhundert  erfuhren  die  Klöster  des  Touler 
Sprengeis,  wie  wir  wissen,  eine  neue  Einwirkung  durch  Wil- 
helm von  Dijon.  Die  hervorragendste  Persönlichkeit  war  da- 
mals Widerich,  der  die  Abteien  Si  ilvre,  St.  Mansuy  und  Moyen- 
moutier  in  seiner  Hand  vereinigte.'')  Er  schrieb  auf  Veran- 
lassung Brunos  von  Toni  das  Leben  des  Bischofs  Gerhard 
von  Toul^),  der  zuerst  die  Reform  systematisch  in  seinem 
Sprengel  gefördert  hatte.  Der  Character  der  Vita  entspricht 
diesem  Verdienst  und  den  Gesichtspunkten  seiner  Gesinnungs- 
genossen vollständig;  Schon  dass  die  Beziehungen  Gerhards 
zu  Majolus  von  Clnni  mehrfach  berührt  werden,  ist  bezeich- 
nend. Die  asketischen  Uebungen  und  Wunder,  die  Kloster- 
reformen Gerhards  stehen  durchaus  im  Vordergrunde.    Es  ist 


>)  Mir.  S.  Berch.  cH. 
«)  Vgl.  oben  S.  224. 

*)  Es  heisst  c.  2 :  Nobis  autem  tarn  paene  in  fine  saeculi  constUutis» 
«)  Gedmckt  A.  SS.  BolL  SeptV,  66;   die  Miraeula  SS.  IV,  515— 620 
im  Aussage. 

»)  C.  1.  2.         •)  C.13. 

*)  S.  oben  S.  181. 

")  Gedruckt  SS.  IV,  485—509. 


366 

eine  Lebensbesebreibung,  die  ebenso  sebr  durch  den  Mangel 
an  realem  gescbiebtlichem  Sinn  als  durch  ihren  asketisch- 
schwärmerischen  Standpunkt  gekennzeichnet  ist  Angefügt 
wurde  ein  Buch,  das  die  Wunder  nach  Gerhards  Tode,  seine 
Canonisation  und  Translation  beschreibt. 

In  denselben  Kreis  litterariseher  Erzeugnisse  gehört  end- 
lich die  Ueberarbeitung  einer  älteren  Vita  Hildulfi  mit  der  sieh 
anschliessenden  Geschichte  der  Aebte  von  Moyenmoutier.^)  Der 
historische  Wert  ist  wie  bei  allen  diesen  unter  einseitigen 
Gesichtspunkten  verfassten  Klostergeschichten  nicht  bedeutend. 
Die  Ehre  des  KlosterheiUgen  steht  überall  im  Mittelpunkte: 
sie  ist  der  Zweck  dieser  Arbeiten.  Von  der  Vergangenheit 
wusste  man  überall  nur  wenig,  und  die  Gegenwart  steht  zu 
sehr  in  einseitiger  Beleuchtung,  als  dass  wir  in  diesen  Werken 
bedeutende  Aufklärung  finden  könnten.  Die  Chronik  von 
Moyenmoutier  ist  wahrscheinlich  unter  Leo  IX.  verfasst  worden. 

In  dem  dritten  der  oberlotbringischen  Sprengel  ist  bald 
nach  der  Beform  eine,  wenn  auch  dürftige  litterarische  Thätig- 
keit  bemerkbar.  Ein  Mönch  von  St.  Vannes  beschrieb  als 
Augenzeuge  die  in  den  sechziger  Jahren  erfolgte  Translation 
der  Gebeine  des  hl.  Firmin  nach  der  Kirche  von  Flavigny  an 
der  Mosel  und  die  damals  geschehenen  Wunder.^)  Ein  zweites 
Buch  der  Wunder  fügten  dann  zwei  Brüder  von  Flavigny  an, 
der  erste,  wie  es  scheint,  Propst  unter  Fingenius,  der  zweite 
nach  dem  Tode  des  Abtes  Bichard  die  Arbeit  des  ersten  fort- 
jsetzend.^)  Bemerkenswert  sind  die  dassischen  Beminisoenzen 
des  ersteren  dieser  beiden  Autoren,  der  namentlich  Persius 
stark  benutzte.  Unter  Abt  Bichard  begnügte  man  sich  mit  der 
Fortsetzung  der  alten  Annalen  und  des  Necrologiums,  in  wel- 
chem alle  wichtigeren  Schenkungen  beim  Todestage  der  Geber 
verzeichnet  wurden.  Nur  Bichard  selbst  schrieb  eine  Vita  des 
hl.  Bodingus,  eines  Iren,  der  die  Abtei  Vasloges  gründete,  die 
durch  den  Abt  von  St.  Vannes  reformiert  wurde.*)    Dagegen 


0  SS.  IV,  86—92. 

«)  Ed.  Holder-Egger,  SS.  XV,  2,  804—806. 
»)  ib.  p.  806-811. 

*)  Gedruckt  Acta  SS.  Sept  V,  513  ff.;  vgl.  V.  Richardi  c.  12:  et  8an4^i 
Rodingi  confessoriSf  cuius  ipse  vitam  honorifico  sermone  composuit. 


367 

fand  die  Abtei  St  Mihiel  einea  GeBchicbtsschreiber  in  einem 
unbekannten  Mönche  zur  Zeit  des  Abtes  Nanther.*)  Er  war 
sehon  ein  Greis,  als  er  an  die  Abfassung  des  Werkes  ging, 
vennntlich  vor  1037.^)  Ueber  die  älteren  Zeiten,  über  die  er 
wenig  weiss,  geht  er  knrz  hinweg;  nnr  fttr  den  Abt  Smaragdus 
lagen  ihm  schriftliche  Quellen  vor.')  Ansfllhrlieh  aber  wird 
die  Geschichte  Nanthers  behandelt,  unter  dem  die  Abtei  die 
Weisungen  Kichards  von  Si  Vannes  annahm.  Bemerkenswert 
ist,  dass  der  Autor  einige  Kenntnis  der  alten  Litteratur  verrät.^) 

Endlich  ist  ein  Mönch  von  St.  Vannes  zu  erwähnen,  der 
kurz  nach  dem  Tode  des  Abtes  Riehard  die  von  Bercharius  im 
nennten  Jahrhundert  verfasste  Bistumsgeschichte  von  Verdun 
vom  Jahre  925  an  fortsetzte.^)  Er  schloss  mit  der  Nachricht, 
dass  Walerann  die  Leitung  des  Klosters  übernommen  habe. 
Die  Verehrung  fUr  dessen  Vorgänger  und  Bischof  Richard 
scheint  ihm  die  Feder  in  die  Hand  gedrückt  zu  haben.  Die 
Darstellung  ist  knapp  und  sehr  reichhaltig,  Merkmale,  die  die 
kurze  Schrift  und  ihren  Verfasser  von  dem  weitschweifigen 
Wust  der  schreibenden  Gesinnungsgenossen  vorteilhaft  unter- 
scheiden. 

Im  allgemeinen  ist  es  eine  ziemlich  dürftige  Litteratur,  die 
uns  hier  entgegentritt.  Es  entspricht  aber  nur  dem  Ursprung- 
liehen  Character  der  lothringischen  Reformbewegung,  wenn  bis 
in  die  sechziger  Jahre  keine  Spur  litterarischer  Thätigkeit  be- 
merkt wird.  Dann  sind  es  die  Biographien  der  Stiftsheiligen 
—  die  meist  nach  einem  Schema  gearbeitet  sind,  mit  der  Welt- 
entsagung des  Heiligen  anfangen  und  in  der  Erhebung  zum 
Bischöfe,  sowie  der  Gründung  des  betreffenden  Klosters  gip- 
feln — ,  dann  ihre  Wunder  und  unbedeutende  Klostergeschich- 
ten, die  geschrieben  wurden.    Man  hat  das  Bedürfnis,  die  be- 


0  SS.  IV,  78—86. 

«)  Vgl.  Waitz,  SS.  IV,  78. 

')  Aniiquiora  vero  a  fidelibm  viris  narrata  vera  vel  verisimilia  id- 
Circo  decrevi  abbrevianda,  quia  nuUiua  eorum,  praeter  uninSj  dico  autem 
Smaragdi,  scripta  vel  visu  vel  auditu  perceperim. 

*)  In  der  Praefatio  citiert  er  Virgil;  c.  31  verrät  Kenntnis  der  grie- 
chischen Qeschichte;  c.  33  citiert  er  Boetius. 

*)  Gedruckt  SS.  IV,  46—51. 


368 

treffenden  Stifter  nicht  nnr  materiell  und  religiös,  sondern  aneh 
litterarisch  zu  consolidieren,  ihnen  eine  Vergangenheit  za  geben, 
darch  Berichte  über  die  Wunder  die  Anziehung  der  Menge  za 
befördern.  Es  ist  za  betonen,  dass  diese  Art  Wander-  and 
Translationsgeschichten  in  den  grossen  französischen  Reform- 
centren  ebenso  fehlt,  wie  die  anfgefrischten  Biographien  ver- 
schoUener  Heiligen.  In  Glnni  hatte  man  bis  in  die  achtziger 
Jahre  des  zehnten  Jahrhunderts*)  keine  Reliquien;  nur  in 
Fleury  gruppierte  sich  eine  allerdings  yomehme  Litteratar  am 
den  Klosterheiligen.  Im  allgemeinen  war  man  in  den  grosseo 
Abteien  nicht  darauf  angewiesen  mit  solchen  Mitteln  zu  arbeiten 
und  hatte  in  der  Person  der  Aebte  die  ausreichende  Gewähr, 
um  nach  aussen  zu  wirken.  Die  ganze  lothringische  Reform- 
litteratnr  der  Zeit  hat  nur  ein  stattliches  Werk  zu  Terzeichnen: 
die  unToUendete  Vita  S.  Johannis.  Beachtenswert  ist,  dass  erst 
sehr  spät,  genau  so  wie  in  Frankreich  Bodulfus  Glaber  und 
der  Chronist  von  St  Benigne,  so  auch  hier  ein  Mönch  von 
St  Vannes  an  eine  chronicalische  Darstellung,  an  die  Fortsetzung 
der  Verduner  Bistumsgeschichte  herangeht  Die  Brunst  reli- 
giöser Geftthle  war  einer  mehr  nüchternen  Auffassung  gewichen. 
Die  äusseren  Dinge  gewannen  wieder  Interesse,  bei  Rodulfas 
Glaber  noch  sehr  mystisch,  bei  den  anderen  realistischer  auf- 
gefasst  Noch  ein  halbes  Jahrhundert  sollte  jedoch  vergehen, 
bis  die  allgemeine  Weltgeschichte  in  Hugo  von  Flavigny,  Hugo 
von  Fleury  und  Sigebert  von  Gemblonx  westlich  vom  Rhein 
Vertreter  fand. 


^)  Damals  kam  die  Asche  der  Apostel  Peter  und  Paul  dahin. 


Zwölftes  Capitel. 

Die  Kunst  in  Cluni  und  den  verwandten 

Abteien. 


Die  Architectür. 

Für  die  Baugesebichte  hat  kaum  eine  andere  Zeit  grössere 
Bedeutung,  als  die  der  Renaissance  im  zehnten  und  elften 
Jahrhundert.  In  einem  Zeitraum  von  wenigen  Jahrzehnten  war 
ein  grosser  Teil  der  westfränkisehen  Klöster  und  Kirchen  ein 
Raub  der  Flammen  geworden  oder  durch  Sorglosigkeit  zu 
Grunde  gegangen.  Ueberall,  in  den  Städten  und  in  der  Wald- 
rodung, standen  die  ausgebrannten  Ruinen,  deren  flache  Holz- 
dächer das  Feuer  genährt  hatten  ^),  standen  zerfallene  Mauern, 
von  wildem  Gestrüpp  umwachsen  und  den  Tieren  eine  Zu- 
flucht Als  man  dann  daran  ging,  geistliches  Leben  wieder 
in  ihnen  einzuführen,  war  das  erste  die  Wiederherstellung  der 
alten  Räume.  In  den  meisten  Fällen  waren  völlige^  Neubauten 
oder  Erweiterungsbauten  notwendig.  Die  alten  Kathedralen, 
selbst  wo  sie  noch  vollständig  bestanden,  vermochten  die 
Scharen  der  wieder  in  die  Kirchen  strömenden  Menge  nicht 
zu  fassen.  So  erhob  sich  wieder  eine  Kirche,  ein  Kloster  nach 
dem  andern  aus  den  Ruinen.  Man  baute  an,  brach  Mauern 
durch  und  legte  Querschiffe  an,  wo  früher  keine  bestanden. 
In  vielen  Fällen  ging  man  erst  damals  an  den  Bau  von  Grypten, 
um  für  die  Bevölkerung  Raum  zu  schaffen.^)    Je  mehr  der 


0  ^S^'  Quicherat,  De  rarchitectnre  Bomane  in  M^langes  d'aroh^o- 
logie  et  d'histoire  ll  (1886),  118. 

')  Vgl.  Die  instmctive  Bangeschichte  von  St.  Stephan  zu  Anxerre 
in  den  Eist.  pont.  Autissiod.  c.  45,  ed.  Dura  I,  881. 

Bftokar,  Glaulacenser.    II.  24 


870 

religiöse  Oeist  wieder  weite  ttreiae  ergriff  and  je  mehr  Nea- 
grttndungen  von  Elösteni  erfolgten,  desto  zahlreicher  wnchsen 
neue  Kirchen  empor. 

Aber  wie  es  nach  so  furchtbaren  Verheerungen  zn  gehen 
pflegt,  war  die  Eile  gross,  mit  der  man  an  den  Wiederanfbaa 
ging,  und  die  Geldmittel  äusserst  gering.^)  Man  konnte  da 
meist  nicht  stattliche  Pläne  entwerfen;  man  nahm  den  Bau- 
stein, den  man  in  der  Nähe  fand^),  man  setzte  die  alten  Säalen 
nnd  Pfeiler  von  neuem  auf  oder  plünderte  benachbarte  Ruinen 
verfallener  Bömerstädte.^)  Man  baute  für  das  augenblickliche 
Bedttrfiiis,  so  gut  oder  schlecht  man  konnte,  in  einfacher 
Basilikenform  mit  flachem  Holzdach  ^),  und  behielt  späteren 
Zeiten  und  dem  wachsenden  Bedürfnis  Erweiterungsbauten  vor. 
Im  wesentlichen  glichen  die  Abteikirchen  wohl  der  zwischen 
956  und  986  vollendeten  Kirche  von  St  Florent,  von  der  wir 
wissen,  dass  sie  eine  dreischiffige  Säulenbasilica  war,  mit 
drei  Absiden  im  Osten  .und  einem  hölzernen,  auf  Mauerwerk 
ruhenden  Glockenturme  im  Westen.  Das  ganze  Gebäude  war 
mit  bemalter  Holzdecke  und  nur  drei  Altäre  mit  gewölbtem 
Ueberbau  versehen.  Die  einzelnen  Säulen  waren  durch  Rund- 
bögen verbunden.^}  In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  um 
primitive  Bauten,  mitunter  Holzkirchen,  auch  wo  früher  stei- 
nerne gestanden®),  die  überhaupt  nur  wenige  Jahrzehnte 
existierten  und  weder  Feuer  noch  Stürmen  standhielten.'')  Die 
Baumeister  waren  wohl  meist  Mönche,  nicht  immer  gebildete 
Leute  und  brauchbare  Architecten. 

So  ist  es  denn  kein  Wunder,  dass  uns  von  dieser  Archi- 
tectnr  so  gut  wie  nichts  erhalten  ist^)   Erst  seit  dem  Anfange 


»)  Vgl.  Bd.  I,  S.  69.  96.  316. 

*)  Ebenda  S.  241.  Fttr  St.  Marie  hi  Cambrai  vgl.  Gesta  episc.  Camerac. 
Ul,  c.  49.  Vgl.  J.  Virey,  L'architeoture  Romane  dans  Fanden  diocese  de 
Mäcon  in  den  M6moire8  de  la  8oci6t6  Edaenne  XVII  (1889),  S.262. 

')  Siehe  unten. 

«)  Quicherat  a.a.O.  S.119. 

^)  Vgl  die  Beschreibung  in  der  Bist.  S.  Florent.  Salmur.  p.  242. 

^)  Bist.  S.  Florentii  Salmur.,  Chroniqnes  des  ^glises  d'Anjou  p.  267 : 
lapidea  difutüf  maiorem  lignieam  conatruacerunt  ecclesiam. 

^)  Quicherat  S.  123.  125. 

*)  S.  115;  Virey  nennt  aus  der  Didcese  Mftcon  keine  einzige  Kirche 
des  zehnten  Jahrhunderts. 


S71 

des  elften  Jahrhunderts,  als  sich  die  Verhärltnisae  mehr  be- 
festigt hatten  und  grössere  Mittel  für  Neubauten  vorhanden 
waren,  beginnt  fttr  die  Baukunst  eine  neue  Periode. 

Damals  nämlich  wichen  allmählich  die  flachen  Holzdecken 
in  einzelnen  Teilen  der  Kirchen  den  Tonnengewölben;  damals 
begannen  die  Formen  des  romanischen  Stils  zuerst  die  fran- 
zösische Baukunst  zu  beeinflussen.  Freilich  handelt  es  sich 
nur  um  einen  allmählichen  Entwicklungsprocess.^  £s  ist  eine 
Periode  des  Tastens,  der  Versuche,  den  Gebäuden  grössere 
Dauer  zu  verleihen.  Aber  nicht  immer  gelingt  es.  War  die 
Spannung  zu  weit,  waren  die  Mauern  zu  schwach,  entbehrten 
sie  der  Stützen,  so  fielen  die  Bauten,  mitunter  noch  ehe  sie 
fertig  waren,  ein;  und  man  konnte  von  neuem  beginnen.  So 
ist  denn  die  Signatur  der  folgenden  Jahrzehnte  die  eines  völ- 
ligen Eklekticismus.  Man  war  viel  zu  sehr  von  den  augen- 
blicklichen Verhältnissen,  von  gelegentlichen  Erfahrungen  ab- 
hängig, auf  vorhandene  Anlagen,  Baureste,  Steine  und  Säulen 
angewiesen,  als  dass  von  einer  Ausbildung  bestimmter  Schulen 
in  Frankreich  die  Bede  sein  könnte.  Es  muss  das  hervorge- 
hoben werden,  um  den  Gedanken  an  eine  Bauschule  von  Gluni 
in  dieser  Zeit  abzuweisen. 

So  viel  steht  nun  fest,  dass  mit  dem  Anfange  des  elften 
Jahrhunderts  sich  eine  fieberhafte  Bauthätigkeit  entwickelte, 
die  auch  den  Zeitgenossen  auffiel.  Es  war,  bemerkt  Bodulf 
Glaber,  als  ob  die  Welt  das  alte  Kleid  ablegte,  um  in  Bezug 
auf  die  Kirchen  ein  neues  anzuziehen.^) 

Im  folgenden  versuche  ich  ein  Bild  von  der  Bauthätigkeit 


0  Vgl.  Qaicberat  S.  125. 

>)  Rod.  Glaber,  Bist.  III,  c.  4.  Dehio  und  v.  Bezold,  Die  kirchliche 
Baukunst  im  Abendlande  bekämpfen  S.  246  die  Auffassung,  dass  damals 
sich  die  Umwandlang  in  den  romanischen  Stil  yollzogen  habe,  mit  dem 
Binweis,  dass  wesentliche  Grandzüge  der  romanischen  Bauweise  bis  ins 
neunte  Jahrhundert  hinaofreichen.  Aber  gerade  in  den  Landesteilen,  die 
Rodulfus  kannte,  tritt  damals  nicht  nur  eine  erhöhte  Bauthätigkeit  zu 
Tage,  sondern  wir  erfahren  ausdrücklich  von  der  Umwandlung  der  Holz- 
tabulatur  in  Gewülbeconstructionen,  von  der  Herbeischaffung  antiker  Säu- 
len und  Heranziehung  italienischer  Künstler.  Da  hierin  wesentliche  Mo- 
mente flir  die  Entwicklung  des  romanischen  Stils  liegen,  so  glaube  ich 
an  der  Auslegung  Quicherats  festhalten  und  die  Stelle  Rodulfs  auf  diese 
Umwandlung  beziehen  zu  müssen. 

24* 


der  Clnniacenser  und  det  verwandten  ftiehtnngeti  2a  gebea. 
Nicht  als  ob  es  darauf  ankommen  könnte  jedes  Stift  zu  nennen, 
in  dem  damals  gebant  wurde  —  das  biesse  nichts  anderes,  als 
alle  im  zehnten  und  elften  Jahrhundert  reformierten  oder  ge- 
gründeten Abteien  aufzählen  — ;  vielmehr  beschränke  ich  mich 
darauf  diejenigen  Klöster  zu  behandeln,  fbr  die  irgendwie 
characteristische  Mitteilungen  vorliegen.  Es  handelt  sich  na- 
mentlich um  die  Frage,  ob  von  einzelnen  Reformeentren  be- 
stimmte Bauschemen  ihre  Verbreitung  fanden. 

Gluni. 

lieber  die  Bauten  in  Gluni  sind  wir  sehr  schlecht  unter- 
richtet Als  das  Dorf  an  Berno  kam,  gab  es  daselbst  eine 
Kapelle  der  hl.  Jungfrau  und  des  hl.  Petrus.^  Dann  legte 
Berno  den  Grund  zum  Kloster,  musste  aber  die  Vollendung 
des  Baues  Odo  überlassen,  unter  dem  die  Weihe  der  kleinen 
Klosterkirche  erfolgte.  Seitdem  hören  wir  nichts  mehr  bis  zum 
Jahre  981.  In  diesem  Jahre  wurde  die  Kathedrale  durch  den 
Erzbischof  Hugo  von  Bourges  am  14.  Februar^)  geweiht,  unter 
Beisetzung  der  Asche  der  Apostel  Peter  und  Paul,  die  aus  dem 
römischen  St.  Paulskloster  nach  Cluni  überführt  worden  war.^) 
Somit  scheint  Majolus  einen  Neubau  unternommen  zu  haben 
—  sei  es  neben,  sei  es  an  Stelle  der  Kirche  Odos  — ,  zumal  bei 
der  Restauration  der  Klostergebäude  durch  Odilo  eben  gerade 
nur  die   Mauern  der  Kirche  stehen  blieben^),  die  also  ver- 


>)  S.  Bd.  I,  S.  41. 

*)  Chronologia  abb.  Cluniac,  Bibl.  Ginn.  col.  1619:  Hoc  anno  dedica- 
tio  fit  Cluniacensis  monasterii  ab  Hugone  archiepiscopo  Bituricensi  16,  CaL 
Martiif  Lothario  regente;  Epist.  Hngonis  monachi,  Bibl.  Clun.  col.  560: 
Diebua  vero  sancti  Maioli  monasterium  Cluniacense  venerahüis  Hugo  Bi- 
turicensis  archi^scopus  dedicavit  vasque  praedictum  apoaiolicorum  eine- 
rum  in  columna  aiib  principali  ara  digne  recondidit.  Vgl.  Galend.  Brit 
(DeMe,  litt^rature  latine  et  histoire  du  moyen  age,  Paris  1890,  S.  19): 
XVI .  Kakndas  martii.  Dedicatio  ecdeaie  Cluniensis,  Nach  dem  späten 
Cbron.  Clan.  a.  a.  0.  col  1636  wäre  die  Beisetzung  989  erfolgt;  vgl.  Bd.  I, 
S.  224. 

»)  S.  Bd,  I,  S.  224. 

*)  Es  heisst  Jots.  I,  c.  13  von  Cluni:  in  cunctis  aedificiia  interius  et 
exteriua  praeter  parietea  ecclesiae  ab  ipso  atudiose  renovatue  et 
omamentis  muUipliciter  adomatua.    Man  kann  diese  Stelle  vielleicht  so 


873 

hältnismässig  jnng  gewesen  sein  mnss.  Aber  der  Wortlaut 
unseres  Berichtes  sehliesst  doch  nicht  ans,  dass  auch  unter 
Odilo  einzelne  Teile  der  Kirche,  der  Chor  oder  der  westliche 
Teil,  einen  Umbau  erfuhren.^ 

Wir  haben  glücklicherweise  einen  ausführlichen,  wenn  aneh 
nicht  immer  klaren  Bericht^)  über  die  neuen  Anlagen  unter 
Odilo,  und  zwar  ist  die  Bauordnung  aufgezeichnet  worden,  als 
ein  Teil  der  Gebäude  bereits  fertig,  der  andere  noch  auf  dem 
Papier  stand.  Danach  haben  wir  uns  ungefähr  folgende  Vor- 
stellung davon  zu  machen.^)  Es  sind  auch  jetzt  zwei  Kirchen 
da,  eine  kleinere,  der  hl.  Jungfrau  geweihte,  die  45  Fuss  Länge, 
20  Fuss  Breite,  23  Fuss  Höhe  misst,  also  ein  unbedeutendes 
Gotteshaus,  das  offenbar  das  alte  war,  und  eine  grössere, 
140  Fuss  lang  und  43  Fass  hoch.  Letztere  war  die  Haupt- 
kirche, yielleicht  damals  mit  Tonnen  Wölbungen^),  wenigstens 
an  den  Seitenschiffen,  versehen;  auf  der  Vierung  erhob  sich 
ein  Turm,  während  die  Vorderseite  ebenfalls  von  Türmen  flan- 
kiert war.  Zwischen  ihnen  lag  die  Vorhalle,  die  sich  im 
Untergeschoss  der  Türme  fortsetzte.^)  Was  den  Chor  anbe- 
trifft, so  ist  zu  vermuten,  dass  das  Langschiff  über  das  Quer- 
schiff so  verlängert  war,  dass  die  drei  Teile,  oder  wenigstens 
der  mittlere,  in  Absiden  endigten,  während  die  beiden  Flügel 


auslegen,  dass  bei  dem  Umbau  nur  das  Langhaus  der  Kirche  allein  un- 
verändert blieb. 

1)  Demnach  sind  die  Darlegungen  bei  Dehio  und  v.  Bezold,  Die  Bau> 
kunst  im  Abendlande  S.  272,  wo  drei  verschiedene  Bauten  unterschieden 
werden,  der  Stiftnngsbau,  die  Säulenbasilica  von  981  und  die  Kirche  Hugos 
von  1089,  nicht  ganz  correct,  da  die  Thätigkeit  Odilos  gar  nicht  er- 
wähnt wird. 

')  Er  ist  aufgenommen  in  den  Ordo  Farfensis  SS.  XI,  546  und  sollte 
bei  der  Reform  den  Farfensem  als  Muster  dienen.  Vgl.  v.  Schlosser,  Die 
abendländische  Klosteranlage  im  Mittelalter  S.  47.  Dass  es  sich  in  der 
Tbat  hier  um  eine  clnniacensische  Bauordnung  handelt,  ersieht  man  deut- 
lich aus  der  Erwähnung  zweier  Kirchen. 

*)  Ich  stutze  mich  im  wesentlichen  auf  die  Ausführungen  v.  Schlossers. 

*)  Vgl.  Petri  Dam.  Iter  Gallicum  c.  13:  ecclesia  maxima  et  arcwda, 

^)  Ordo  Farf.,  SS.  XI,  546:  Galilea  longiUidinis  65  pedeSj  et  duae 
tiirrae  (!)  8unt  ipsins  OcUileae  in  fronte  constit'iUae,  et  supter  ipaas  atrium 
estf  tibi  laici  stant^  ut  non  impediant  processionem.  Dehio  liest  S.  587 
nach  Mabillons  Druck  8 int  und  fasst  das  als  eine  Vorschrift  auf-,  es  ist 
nichts  als  eine  objective  Beschreibung. 


374 

des  Transsepts  ebenfalls  nach  der  Ostseite  Absidialeapellen 
hatten.^)  An  die  Kirche  war  das  Capitnlnm  angebaut,  an  der 
Vorderfront  mit  zwölf  Balcons,  an  welches  das  Anditorinm  nnd 
die  Camera,  ein  langes  Gebände,  sich  anschlössen.  Im  rechten 
Winkel  folgte  wahrscheinlich  das  Armenhaus,  Gellariam  und 
Refectorium  mit  der  Küche.  Dann  kam  wieder  im  rech- 
ten Winkel  bis  zur  Kirche  das  langgestreckte  Dormitorium. 
Zwischen  diesen  Bäumlichkeiten  lag  der  Kreuzgang.^)  Ausser- 
dem gab  es  innerhalb  der  Klostermauern  einen  Palast  yon 
135  Fuss  Länge  und  30  Fuss  Breite,  der  alle  vornehmen  Laien 
und  Frauen,  die  zu  Pferde  ankämen,  aufnehmen  sollte.  Er  war 
fttr  vierzig  männliche  nnd  dreissig  weibliche  Gäste  berechnet 
Die  Ställe,  über  denen  sich  die  Schlaf-  und  Essräume  fttr  die 
Knechte  und  niederen  Fremden  oder  reisenden  Armen  befan- 
den, nahmen  die  ganze  Länge  vom  südlichen  nach  dem  nörd- 
lichen Thor,  die  280  Fuss  betrug,  ein,  bei  einer  Breite  von 
25  Fuss. 


^)  Dehio  und  v.  Bezold  schliessen  auf  die  Choranlage  des  zweiten 
Cluniacenserbaus  allein  aus  der  Uebereinstimmung  von  Bernai  und  Hirschau, 
ein  Schluss,  den  ich  nicht  zugeben  kann,  da  die  Voraussetzung  eines  cen- 
tralistischen  Organismus  des  Gluniaccnserordens  fehlte.  Die  Ueberein- 
stimmung von  Bernai  und  Hirschau  würde  hier  gar  nichts  beweisen.  Ob 
der  quadratische  Chor  mit  einer  Mittelabsis  schloss  oder  mit  dreien,  ist  mit 
Sicherheit  nicht  zu  sagen.  Aber  da  burgundische  Kirchen,  wie  Peterlingen, 
dann  sämtliche  normannische  und  einige  westdeutsche  Kirchen,  wie  Lim- 
burg und  Echtemach,  Constanz,  Metz  (vgl.  Kraus,  Kunst  und  Alterthum  in 
Elsass-Lothringen  III,  t  VI)  das  lateinische  Kreuz  bei  quadratischem  Chor- 
abschluss  aufweisen,  wird  man  für  Cluni  dasselbe  Grundschema  voraus- 
setzen dürfen.  Vermutlich  schlössen  sich  ursprünglich  an  das  Intertrans- 
sept  in  Cluni  wie  in  Koumainmoutier  unmittelbar  drei  Abslden,  vielleicht 
auch  nur  eine.  Denselben  Typ  haben  wir  in  St.  Florent  und  St.  Vannes 
vorauszusetzen.  Interessanterweise  wurde  nun  in  der  letztgenannten  Kirche 
im  zweiten  Jahrzehnt  ein  Umbau  vorgenommen,  der,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  sich  gerade  auf  die  Westfront,  den  Chor  und  die  Querarme  er- 
streckte. Die  Westfront  erhielt  die  zwei  Türme,  die  wir  in  Cluni  finden, 
die  Querarme  wurden  verlängert  und  mit  je  einer  Absis  versehen.  Der 
Chor  wurde  ursprünglich  wahrscheinlich  in  St.  Vannes  durch  eine  oder 
drei  an  die  Vierung  nach  Osten  stossende  Absiden  gebildet,  die  dann 
vermutlich,  vielleicht  bei  Verlängerung  der  mittleren,  quadratisch  abge- 
schlossen wurden. 

«)  S.  51—54. 


375 

Was  den  änsseren  und  inneren  Sehmnck  betrifft,  so  kommt 
zanächst  die  grosse  Zahl  der  Olasfenster  in  Betracht.  Die  Hanpt- 
kirche  hatte  deren  160,  das  Sehlafhans  97.  AUes  war  von 
Stein  0,  nnd  Odilo  rühmte  sieh  noch  in  seinem  Alter,  ähnlich 
wie  Octavian,  Glnni  in  Lattwerk  Übernommen  zu  haben  nnd 
in  Marmor  zu  hinterlassen.^)  Neben  den  Sänlen  des  Erenz- 
ganges,  die  der  Abt  ans  den  entferntesten  Teilen  der  Provence 
anf  der  Darance  und  Khone  hatte  herbeischaffen  lassen^), 
kamen  welche  am  Gapitelshanse  znr  Verwendung.  Die  grossen,. 
Dimensionen  der  Kirche  nnd  der  übrigen  Banten,  die  zahl-i 
reichen  Altäre  und  Schätze  überraschten  selbst  die  Begleiter/ 
des  Petras  Damiani  im  Jahre  1063;  sie  bewanderten  die  Schön- 
heit des  Klosterganges,  die  fortwährende  Beleuchtung  des  Dor- 
mitoriums  und  die  Grösse  des  Refectoriums,  an  dem  ihnen  in 
ihrer  asketischen  unkünstlerischen  Strenge  gefiel,  dass  es  durch 
keine  superstitiösen  Malereien  bepinselt  sei.^)  Endlich  wird  die 
Wasserleitung  in  allen  Klosterräumen  erwähnt^) 

Die  Banthätigkeit  Odiles  erstreckte  sich  ausser  anf  Gluni 
selbst  auch  auf  einen  grossen  Teil  der  ihm  untergebenen 
Klöster.  Hier  wird  man  eine  gewisse  Verwandtschaft  in  den 
Anlagen  voraussetzen  dürfen:  es  ist  doch  anzunehmen,  dass, 
wie  die  Masse  der  Peterskirche  von  Gluni  nach  Farfa  berichtet 
wurden,  auch  näher  gelegene  Stifter,  so  weit  es  möglich  war, 
sich  an  den  cluniacensischen  Bauten  ein  Master  nahmen  und 
dass  der  Abt  eigentümliche  Einrichtungen  des  Stammklosters 
in  die  abhängigen  Abteien  übertragen  hat.  Im  einzelnen  dürfte 
der  Beweis  einer  spezifisch  cluniacensischen  Bauschule  um  so 
schwieriger  zu  ftlhren  sein,  als  unsere  Kenntnis  der  Ajchitectur 
jener  Zeit  sehr  lückenhaft  und  unbestimmt  ist  und  die  aus- 
reichenden Mittel  genauer  Vergleichung  fehlen. 


*)  Petrus  Dam.  a.  a.  0. :  quomodo  cunctae  lapideae  officinae  monastico 
depositae  sunt  ordine. 

>)  Jots.  V.  Odü.  I,  c.  13.       >)  Jota.  I,  c.  18. 

*)  nvUa  superstitione  depictum. 

^)  per  cunctas  officinas  tibicumque  aqua  neceasaria  quaeritur,  per 
OCCÜU08  meatua  atatim  mirabiliter  sponte  diffiuit.  Ich  benutze  die  Ge- 
legenheit, um  folgende  Stellen  über  klösterliche  Wasserleitungen  anzu- 
führen: Gesta  Lobb.  c.  29;  Chron.  S.  Mich.  Virdun.  c.  35;  Gesta  Aldrici 
episc.  Cenoman.,  SS.  XV,  1,  319;  Eist.  S.  Florentii  Salmur.,  Chron.  des 
Elises  d^A^jou  p.  243. 


376 

Gehen  wir  von  dem  am  meisten  Bekannten  aas,  am  die 
Kenntnis  von  Odiles  Wirksamkeit  aaf  architectonischem  Gebiet 
zn  vertiefen,  so  müssen  wir  bei  Romainmoatier  anfangen,  wo 
Odilo  von  Grand  aas  neae  Gebäade  anlegte.^)  Die  alte  Kirche 
ist  hent  noch  erhalten.  Sie  ist  eine  dreischiffige  Basilica  mit 
absidialem  Abschlass  der  einzelnen  Schiffe^)  nach  Osten  and 
einer  zweigeschossigen  Vorkirche  ^),  die  im  obersten  Stock- 
werk mit  einer  Nische  für  die  Statae  St  Michaels  versehen 
war.^)  Die  Seitenschiffe  hatten  sicher  bereits  Tonnenwölbang 
erhalten,  in  die  von  beiden  Seiten  Stichklappen  einschnitten; 
dagegen  war  das  Mittelschiff  wahrscheinlich  mit  flacher  Holz- 
decke versehen.^)  Ueber  der  Vierang  erhebt  sich  noch  heut 
eine  anregelmässige  Kappel.^)  Die  Schiffe  sind  darch  Rand- 
pfeiler aas  Brachsteinen  von  enormer  Plampheit  and  Schwere 
getrennt  Statt  der  Basen  hat  man  nngefttge,  kaam  recht- 
winklig zagehaaene  Felsstücke  antergelegt.  Die  Deckplatten 
aaf  den  Pfeilern  springen  hier,  wie  in  der  am  dieselbe 
Zeit  gebaaten  Kirche  von  Montierender,  nar  nach  der  inne- 
ren Bogenseite  vor,  während  sie  nach  der  Schiffseite  flach 
abfallen.  Die  Wanddeeoration  der  Qaerschiffe  ist  überaas 
einfach.  Um  die  hoch  angebrachten  Fenster  wölben  sich 
anregelmässige  Bögen,  in  welche  das  Gewölbe  aasläaft  and 
die  in  einer  hoch  an  der  Wand  schwebenden  Halbsäale  sich 


^)  Jots.  V.  OdiL  I,  c.  18:  a  fundo  constructvm.  Die  ausführlichste  Be- 
schreibuDg  giebt  Rahn  in  den  Mitteilungen  der  antiquar.  Gesellsch.  in 
Zürich  XVII,  26  ff.  und  Geschichte  der  bildenden  Künste  in  der  Schweiz 
S.  226  ff.  Detaillierte '  Zeichnungen  bei  Blaviguac,  Hist.  de  Parchitecture 
sacr^e  du  4.— 10.  siede  dans  les  anciens  ^v^chSs  de  G^neve,  Lausanne 
et  Sion,  1853.   Grundriss  bei  Dehio,  Tafel  118. 

*)  Wenigstens  aller  Wahrscheinlichkeit;  die  ursprünglichen  Absiden 
wurden  dann  nach  Rahn,  Mitteilungen  a.a.O.  S.  26  vom  13.-15.  Jahrh. 
vom  horizontal  geschlossenen  Ghur  verdrängt. 

')  Blavignac  meint,  dass  sie  un  peu  poatirieur  ä  V^glise  sei.  Lübcke, 
Deutsches  Kunstblatt  von  1854  schliesst  sich  ihm  an.  Rahn  bemerkt,  dass 
schwerlich  ein  langer  Zwischenraum  zwischen  der  Erbauung  der  Kirche 
und  der  Vorhalle  verflossen  sei,  und  in  seiner  Geschichte  der  bildenden 
Künste  rechnet  er  die  Vorhalle  noch  zu  dem  Bau  Odilos. 

*)  Ueber  diese  Nische  s.  Rahn  a.  a.  0.  S.  30;  sie  begegnet  wieder  in 
Peterlingen. 

')  Vgl.  Rahn,  L'^glise  abbatiale  de  Payeme,  Lausanne  1893,  p.  19. 

^)  Blavignac:  La  voüte  de  la  croissöe  8^6Uive  en  coupole  peu  reguUtre, 


377 

vereinigen.  Geradezu  barbarisch  sind  die  Details  der  Orna- 
mentik, sowohl  an  den  Pfeilergesimsen  der  Hanptkirehe  als 
namentlich  an  den  Gapitälen  nnd  Gesimsen  des  Narthex.  £oh 
eingehauene  Kitze  und  Zickzacklinien,  nnregelmässige  Striche 
bilden  den  einzigen  Schmach i)  und  nur  in  vereinzelten  Fällen, 
wie  ttber  den  Halbsäulen  an  beiden  Arkadenpfeilern  zu  beiden 
Seiten  des  Altarhauses  erheben  sich  gut  gearbeitete  korin- 
thische Capitäle.^)  Vielleicht  von  dem  Bau  Odilos  stammen 
die  Spuren  von  Bemalung,  die  man  unter  dem  Mörtel  an  den 
Mauern  gefunden  hat.^) 

Das  andere  schweizerische  Stift,  in  dem  Odilo  bautet),  ist 
Peterlingen.  Aber  es  ist  fraglich,  wie  weit  seine  Bauthätigkeit 
sich  auf  die  Kirche  erstreckte.  Der  älteste,  noch  erkennbare 
Teil  ist  der  heut  unter  einer  Fa^ade  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts verdeckte  und  Überbaute  St.  Michaelsturm  an  der 
Westseite.^)  Er  zerfällt  in  drei  Schiffe,  und  zwar  so,  dass  die 
seitlichen  in  zwei  Etagen  sich  erheben.  Der  untere  Teil  dieses 
vielleicht  noch  der  ersten  Anlage  angehörigen  Vorbaus  diente 
jedenfalls  als  Vorhalle;  zweifelhaft  kann  nur  sein,  ob  darüber 
ein  einziger  massiver  Turm  sich  erhob,  etwa  wie  in  Fleury, 
oder  zwei  durch  einen  schmalen  Gorridor  getrennte  Flanken- 
türme, wie  wir  sie  in  Gluni  und  an  Bauten  der  lothringisch- 
oberrheinischen Schule  nachweisen  können.  Dieser  Westbau 
wurde  danu  mit  der  ursprünglichen  Kirche  vermutlich  durch 
eine  schmale  Halle  verbunden.^)  Das  heutige  Langschiff  schliesst 

0  Vgl.  Blavignac  S.  86. 

3)  Rabn  in  den  Mitteil,  der  antiq.  Gesellsch.  XVII,  29. 

^)  Blavignac  p.  88:  peiU-itre  conteniporaines  de  V^difice  lui-m^me.  Er 
sieht  nun  zwar  in  der  vorhandenen  Kirche  die  alte,  753  geweihte.  Um 
so  eher  können  die  Malereien  aus  dem  An&nge  des  elften  Jahrhunderts 
stammen,  als  man  damals  öfter  die  Kirchen  zu  bemalen  anfing;  vgl.  den 
italienischen  Maler  Johannes  in  Lilttich  (Dresdner  S.  257),  Hugo  von  Cba- 
Ion  s.  S.  (Mir.  S.  Berch.  c.  22),  Odulrich  von  St.  Julien,  der  in  Flenry  wirkte. 

^)'Die  Stelle  V.  Odii.  I,  c.  13  lautet  allerdings  sehr  unbestimmt:  lam 
vero  de  omnibus  monasteriia  auiSf  quid  Faterniacus  oh  Dei  genetricis  amo- 
rem  8ihi  delectahilia  locus?  Da  die  Stelle  in  dem  Bericht  über  die  Bauten 
Odilos  steht,  wird  auch  in  Peterlingen  gebaut  worden  sein,  aber  ob  an 
der  Kirche  oder  an  andern  Gebäuden,  ist  nicht  zu  ersehen. 

^)  lieber  diesen  Teil  hat  jetzt  Rahn  ausführlich  gehandelt:  L'öglise 
abbatiale  de  Payeme,  Lausanne  1893,  p.  11  ff. 

<)  Rahn  a.a  0.  p.  13. 


378 

unmittelbar  an  den  Westtarm  an,  nnd  zwar  so,  dass  es  sich 
zunächst  von  diesem  an  allmählich  erweitert,  am  beim  An- 
schlnss  an  das  Querschiff  sich  wieder  zu  verengern.  Da  nnn 
nicht  nur  der  Rumpf  der  Kirche  an  verschiedenen  Stellen  ver- 
schieden breit  ist,  sondern  auch  die  Wölbung  verschiedene 
Höhe  hat,  weist  der  Bau  ganz  einzig  dastehende  Unregelmässig- 
keiten auf.  Es  entspricht  das  ganz  dem  zufälligen  Character 
der  von  mehr  oder  weniger  geschickten  Architecten  oft  höchst 
eilig  aufgerichteten  Bauten  unserer  Periode.  Doch  weist  immer- 
hin die  vorgeschrittene  Gewölbeconstruction  *)  —  die  Seiten- 
schiffe haben  Kreuzgewölbe  —  auf  eine  etwas  spätere  Bauzeit, 
so  dass  der  Zweifel  bestehen  bleibt,  ob  etwa  nur  die  Wöl- 
bungen später  erneuert  wurden  oder  der  ganze  Langbau  an 
das  Ende  des  elften  Jahrhunderts  oder  gar  an  den  Anfang 
des  zwölflien  zu  setzen  ist>)  Auch  der  Ostbau  scheint  vor 
dem  Langschiff  existiert  zu  haben;  denn  auch  hier  dürfte  die 
Verjüngung  der  Langwände  doch  nur  so  erklärt  werden  können, 
dass  man  mit  gegebenen  Verhältnissen  zu  rechnen  hatte.  Man 
würde  demnach  am  besten  annehmen,  dass  Chor  und  West- 
turm vorhanden  waren  und  dass  es  sich  darum  handelte,  beide 
durch  einen  Neubau  des  Langhauses  miteinander  zu  verbinden. 
Hierbei  hätten  nun  sehr  ungeschickte  Baumeister  nur  durch 
Tasten  und  Probieren  ihre  Aufgabe  schliesslich  zu  stände  ge- 
bracht*) Ob  freilich  der  Chor  die  heutige  Form  hatte,  ist 
sehr  zweifelhaft.  Nach  Bahn  wäre  der  von  ftlnf  auf  dem  Quer- 
schiffe aufsitzenden  Absidialeapellen  bei  Verlängerung  der  mitt- 
leren gebildete  Chorabschluss  erst  durch  die  unter  Abt  Hugo 
1089  begonnene  Kirche  von  Cluni  beeinflusst  worden  und  — 
schon  des  dort  auftretenden  Spitzbogens  wegen  —  wohl  erst 
in  der  Mitte  des  zwölften  Jahrhundert  entstanden.*)  Ueber  die 
ursprüngliche  Anlage  sind  wir  deshalb  zu  bestimmten  Schlüssen 
nicht  berechtigt. 

Gehen  wir  nunmehr  zu  den  Einzelheiten  über,  so  finden 


>)  Rabn.  Gesch.  der  bild.  Kttnste  S.230.  231. 

')  Wie  RahD,  L'^glise  abbat,  de  Payeme  p.  21  annimmt. 

>)  Rahn  bemerkt  p.  17  treffend:  En  prisence  d^un  pareil  travail  on 
peut  conclure  . . .  que  cette  consiruction  est  Vceuvre  de  forcea  taut  ä  fait 
provinciales. 

*)  A.a.O.  p.21. 


379 

wir  statt  der  plumpen  und  karzen  Säulen  von  Romainmontier 
Pfeiler  mit  angelehnten  Halbsäalen,  welche  die  Bogen  tragen. 
Reichere  Omamentiernng  weisen  nur  die  Capitäle  des  Quer- 
schiffes und  vor  allem  des  Chores  auf;  aber  nur  die  letztere^ 
verraten  eine  geschicktere  Hand.^)  Die  ersteren  sind  trotz  der 
Fortschritte,  die  sie  den  rohen  Meisselarbeiten  in  Romainmoutier 
gegenüber  aufweisen,  mit  ihren  unft^rmigen  Figuren  noch  von 
schrecklicher  Unbeholfenheit 2) 

Was  das  Baumaterial  anbetrifft,  so  unterliegt  es  keinem 
Zweifel,  dass  man  es  aus  den  Trttmmein  des  nahen  Aventicum 
geholt  hat,  jener  prächtigen  Römerstadt,  die  in  der  Völker- 
wanderung zerstört  wurde  und  deren  Ruinen  der  späteren  Zeit 
ein  unerschöpfliches  Baumaterial  boten.^)  Die  in  Peterlingen 
angewandten  zugehauenen  Steinchen  sind  völlig  mit  denen  der 
antiken  Gebäude  von  Avenches  identisch.  Der  äussere  Mauer- 
schmuck bestand  ursprünglich  in  Lesenen  und  Rundbogen- 
fnesen. 

Bezüglich  der  übrigen  Bauten  Odiles  sind  die  Nachrichten 
äusserst  spärlich.  Das  St  Yictorskloster  in  Genf  Hess  der  Abt 
neu  errichten,  wobei  aber  die  alte  berühmte  Kirche,  die  aus 
der  Burgunderzeit  stammte  und  kreisrund  angelegt  war,  jeden- 
falls aus  Pietät  erhalten  blieb.^)  Vollständig  von  Grund  aus 
wurden  neu  gebaut  Riz  und  La  Voüte  ^)  in  der  Au vergue,  und 


»)  A.a.O.  p.2l. 

a)  Vgl.  die  Abbildungen  bei  Blavignac  pl.  LIII— LVI. 

')  So  wurden  auch  Trümmer  anderer  Römerbauten,  z.  B.  aus  Ghalon, 
für  Neubauten  benutzt;  vgl.  Ghevrier,  Ghalon-sur-Sadne  pitoresque  et  d6- 
moli  (188S)  p.  XI,  146. 

*)  Jots.  I,  c.  13:  praeter  siuim  antiquam  et  nobilem  eccleHam  ex  toto 
etiam  suo  tempore  constructus,  Ueber  die  alte  Victorskirche  vgl.  Rahn, 
Gesch.  der  bild.  Künste  S.  60.  S.  224  citiert  Rahn  die  Stelle  Jotsalds,  be- 
merkt aber  seltsamerweise  im  Text:  ,in  Genf  erfolgte  eine  Wiederher- 
stellung der  alten  St.  Victorskirche.*'   Vgl.  Blavignac  p.  34. 

^)  Die  heutige  Kirche  stammt  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  Von 
der  ursprünglichen  stammt  vielleicht  noch  eine  Holzthttr,  die  man  oben 
spitz  zuschnitt,  um  sie  in  den  gotischen  Neubau  einzufügen,  nicht  ohne 
sie  zu  verstümmeln.  Die  Arabesken  tragen  orientalischen  Gharacter  und 
erinnern  an  die  Thore  der  Kathedrale  von  Le  Puy  aus  den  Jahren  1050 
bis  1073.  Die  erhaltene  Inschrift  lautet:  Hie  tibij  rex  regum,  hoc  con- 
didit  Odüo  templumj  Agminibus  superia  quem  miscuit  arhiter  orbis.  Da 
Odilo  diese  Kirche  in  ulHtnie  vitae  suis  (Jots.  I,  c.  13)  erbaute,  ist  das 


380 

in  einer  Anzahl  von  Stiftern,  wie  Charlieu^),  Ambierle^),  Sanxil- 
langes,  La  Fert6)  St  Sernin,  Domöne^),  St  Majolns  bei  Pavia 
wurden  Bauten  vorgenommen,  ohne  dass  wir  Über  ihre  Be- 
deutung, sei  es  durch  die  Quellen,  sei  es  durch  erhaltene  Reste, 
näher  unterrichtet  würden.  Vorhanden  ist  davon  so  gut  wie 
nichts.  Nur  bezüglich  Souvignys,  der  Grabstätte  des  Majolus, 
kann  man  sich  vielleicht  noch  ein  Bild  von  dem  Zustande  der 
Abteikirche  zur  Zeit  Odiles  machen.  Von  der  alten  Kirche  ist 
noch  so  viel  zu  erkennen,  dass  sie  ans  einem  Hauptschiffe, 
zwei  sehr  engen  Seitenschiffen  und  einem  Querschiff  zusammen- 
gesetzt war.  Dass  ihre  Absis  damals  schon  von  drei  oder  fttnf 
Radialcapellen  umgeben  war,  erscheint  jedoch  unwahrschein- 
lich. Von  dieser  Kirche  besteht  nur  der  untere  Teil  des  Haupt- 
schiffes, die  dasselbe  unmittelbar  begleitenden  Abseiten  und 
die  Mauer  des  östlichen  Transsepts.  Erst  im  zwölften  Jahr- 
hundert hat  man,  wie  es  scheint,  die  beiden  äusseren  mit 
Kreuzgewölben  versehenen  Seitenschiffe  angebaut^),  als  man 
den  Bau  bei  dem  steigenden  Andrang  der  Menge,  die  an  den 
Gräbern  des  Majolns  und  Odilo  Hilfe  suchte,  zu  eng  fand. 

Zieht  man  einen  Schluss  aus  den  dürftigen  Notizen,  so 
wird  man  bei  allen  diesen  Bauten  gemeinsame  Züge  finden, 
die  aber  mehr  der  Zeit  und  Oertlichkeit,  als  oiner  besonderen 


Thor  mit  der  Inschrift  oiTenbar  anmittelbar  nach  seinem  Tode  eingesetzt 
worden.  Beschreibung  und  Zeichnungen  in  den  Annales  de  la  sociM^ 
d'agriculture  du  Puy  XIV  (1849),  196  und  Gailhaubad,  L'architecture  U. 

0  Vgl.  Gaumont,  Bulletin  monumental  VII,  387;  Archives  de  la  com- 
mission  des  monuments  bist.  I.  Hier  wird  ein  noch  bestehender  Porticas 
erwähnt,  der  vielleicht  noch  dem  elften  Jahrhundert  angehürt.  Femer 
werden  zwei  Säulen  mit  Capitälen  im  Mittelschiff  noch  ins  Ende  des  elften 
Jahrhunderts  gesetzt. 

')  Nach  Allier,  Uancien  Bourbonnais  II,  289  erinnern  die  Form  der 
Pfeiler  und  die  Länge  des  Schiffes  an  die  Basilica  von  Souvigny.  Die 
erhaltene  Kirche  gehört  dem  Hinfzehnten  Jahrhundert  an. 

s)  Vgl.  Cartul.  monast.  b.  Petri  et  Pauli  de  Domina,  Lyon  1859,  p.l. 

*)  Allier  II,  148  nimmt  allerdings  an,  dass  dies  unter  Odilo  geschab. 
Wäre  es  möglich,  den  Anbau  der  äusseren  Seitenschiffe  schon  in  die  Zeit 
Odilos  zu  setzen  —  die  Kreuzgewölbe  könnten  erst  später  hinzugekom- 
men sein  — ,  so  würde  man  fragen  können,  ob  nicht  die  fUnfechiffige 
grosse  Abteikirche  von  Cluni  aas  dem  Jahre  1089  eben  in  der  Kirche  von 
Souvigny  nach  dieser  Richtung  hin  ihr  Vorbild  hatte. 


881 

RichtaDg  anzarechnen  siodJ)  Bezüglich  des  Chores  werden 
alle  diese  Bauten  je  nach  der  Zeit  ihrer  Entstehung,  je  nach 
den  vorhandenen  Resten  und  den  bauteohnischen  Kräften  die 
verschiedenen  Typen  von  der  auf  der  Vierung  unmittelbar  auf- 
sitzenden einzigen  Absis  bis  zur  harmonischen  Gliederung  der 
Ostseite,  wie  sie  Peterlingen  aufweist,  repräsentiert  haben.  Im 
Westen  dürfte  die  quadratische,  dreigegliederte  Vorhalle  mit 
Oberbau  und  Michaelscapelle  erst  allmählich  dem  Princip  der 
Doppeltürme  mit  dazwischen  liegender  Galiläa  gewichen  sein. 
Was  das  Innere  betrifft,  so  haben  wir  wohl  in  den  meisten 
Fällen  noch  durch  Bogen  verbundene  Säulenreihen  2)  anzu- 
nehmen, auf  denen  die  Wände  des  Mittelschiffes  ohne  Emporen- 
bildung bis  zur  flachen  Holzdecke  aufstiegen,  während  die 
Seitenschiffe  und  die  Absiden  eben  am  Anfang  des  elften 
Jahrhunderts  jene  Steingewölbe  erhielten,  die  den  Zeitgenossen 
wie  ein  Umschwung  in  der  Bauweise  erschienen. 

Fleury. 

In  der  zweiten  hervorragenden  Abtei  Frankreichs,  die  mit 
Cluni  in  engen  Beziehungen  stand,  ist  ebenfalls  erst  im  elften 
Jahrhundert  unter  Abt  Gauzlin  eine  bedeutende  Bauthätigkeit 
nachweisbar. 

Innerhalb  der  Klostermauem  gab  es  in  Fleury  zwei  Kirchen, 

■ 

^)  Von  einer  cluniacensischen  Baaschule  ist  in  dieser  Zeit  so  wenig, 
als  bezüglich  der  dritten  Kirche  von  Glani  (vgl.  A.  Saint-Paul,  A  travers 
les  monuments  hist.  Bull,  monum.  t.4d,  p.  143  ff.,  dem  Dehio  S.  390  zu- 
stimmt) zu  sprechen,  oder  doch  höchstens  in  dem  Sinne,  dass  einzelne  in 
Cluni  angewandte  Bauelemente  durch  Zufall  und  gelegentlich  hier  und  da 
Nachahmung  fiinden  oder  übertragen  wurden.  Dann  fällt  aber  der  Be- 
griff einer  Schule  zusammen;  denn  durch  gelegentliche  Nachahmung  und 
Uebertragang  haben  sich  architectonische  Formen  natürlich  Überall  ver- 
pflanzt.  Vgl.  übrigens:  Virey,  L'architecture  Romane  a.a.O. 

')  Es  ist  bezeichnend,  dass  die  aus  Bruchsteinen  errichteten  Pfeiler 
von  Romainmontier  doch  die  Form  von  Säulen  erhalten  haben  und  über- 
all die  Herbeischaffung  von  Säulen  in  den  Quellen  ganz  besonders  er- 
wähnt wird.  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  auf  eine  SteUe  der  Gesta  Lobb. 
c.  18  hinzuweisen.  In  Lobbes  wurde  Anfang  des  zehnten  Jahrhunderts 
eine  neue  Kirche  errichtet:  Quae  ad  id  opus  colvmpnia  undecumque 
corraaia  cum  baaibus  et  epistüiis  seu  ceteris  latomorum  vel  cementario- 
tum  disciplima  pro  moduli  m  quantitate  onmilyus  drcum  se  positis  est 
incomparabüis. 


382 

eine,  die  Hanptkirche,  der  hl.  Jungfrau ,  die  andere  Si  Peter 
geweiht,  beide  etwa  sechzig  Schritt  von  einander  entfernt^) 
Erstere  war  eine  vermutlieh  dreischiffige  Basilica  mit  flacher 
Holzdecke 2),  mit  absidialem  Abschlüsse)  im  Osten,  und  Glas- 
fenstern.^)  Unter  dem  Sanctuarium  befand  sich  die  von  Abt  Odo 
angelegte  Crypta,  die  den  Leib  des  Heiligen  barg.^)  Um  das 
Kloster  hatte  sich  eine  ansehnliche  Ortschaft  erhoben,  die  eben- 
falls mehrere  Kirchen  hatte,  eine  Hauptkirche  St  Sebastian^), 
dann  St  Andreas  im  Norden.^)  Alle  diese  Kirchen  waren  flach- 
gedeckte  Basiliken.  Die  beiden  Klosterkirchen  waren  unter  Abt 
Richard  innerhalb  weniger  Jahre  durch  Feuer  zerstört,  nach 
kurzer  Zeit  aber  wieder  restauriert  worden.^)  Eine  Feuers- 
brunst, die  unter  Al^bo  im  Norden  des  Dorfes  ausbrach  ^),  ver- 
schonte dagegen  alles,  was  innerhalb  der  Klostermauern  lag. 
Als  Gauzlin  sein  Amt  antrat,  eröffnete  er  seine  Bauthätig- 
keit,  indem  er  westlich  an  die  Basilica  St  Maria  einen  gewal- 
tigen Turm  aus  Quadersteinen  anbauen  Hess,  die  er  aus  dem 
Gebiet  von  Nevers  hatte  kommen  lassen. ^o)  Es  ist  zweifellos 
der  noch  erhaltene  Glockenturm  ^i),  von  dem  die  untere  Halle  i^) 
und  ein  oberer  Stockte)  vorhanden  ist    Gauzlin  konnte  das 

0  Vgl.  Mir.  S.  Bened.ll,  c.9,  p.  111. 

^)  VII,  c.  17,  p.  276:  cwncta  tcUnUata  tegebantur  ligneis. 

»)  VII,  c.  17;  V.  Gauriini  II,  c.64. 

')  Mir.  S.  Bened.  III,  c.  2,  p.  129. 

«)  VII,  C.16.  17. 

•)  Vm,  c.  20,  p.  305. 

')  VII,  c.  6,  p.  266;  V.  Gauzl  I,  c.  20. 

»)  Vgl  Bd.  I,  S.  200.    Z.  3  lies  974  statt  984. 

•)  Mir.  S.  Bened.  III,  c.2,  p.  128—130. 

M)  V.  Gauzl.  I,  c.  35. 

^0  Ueber  die  Glocken  in  Fleury  vgl.  Mir.  S.  Bened.  II,  c.9.  10;  VII,  c.  9. 

^)  Die  Litteratur  über  diesen  Bau  ist  ungemein  gross.  Ohne  mich 
auf  die  Widerlegung  der  einzelnen  falschen  Ansichten  einzulassen,  eitlere 
ich  Marchand,  Souvenirs  hist.  sur  Pancienne  abbaye  de  Saint-Benoit-sur- 
Loire,  Orleans  1838;  Crosnier  im  Bulletin  monum.  Bd.  22,  104  ff.;  Rame 
ebenda  Bd.  26,  46 ff.;  Gailhabaud,  L'architectnre  du  V.  au  XVI.  si^le  I; 
MSmoires  de  la  soci^t^  d'Orl6an8  II;  Foumier,  Album  arch6olog.  de  P^lise 
abbatiale  de  Saint-Benoit-sur-Loire,  Orleans  1851;  Rocher,  Hist  de  l'ab- 
baye  de  St  Benoit,  1865,  S.  477  ff.  In  den  meisten  dieser  Arbeiten  sind 
zahlreiche  Abbildungen. 

")  Der  vermutlich  als  Festsaal  diente;  vgl.  Einhardi  TransL  et  Mirae. 
SS.  Marcellini  et  Petri,  SS.  XV,  1,  352:  in  caenaculOf  quod  supra  poriieum 


383 

Bauwerk  nicht  mehr  vollenden,  and  der  Tarm,  der  nach  Ganz- 
lins  Absieht  ein  Master  fttr  ganz  Frankreich  werden  sollte,  ist 
wohl  nie  aasgebaut  worden.  >)  Die  mächtige  Vorhalle,  die,  wie 
in  anderen  Klosterkirchen  den  Laien  als  Aufenthaltsort  bei 
Processionen  dienen  sollte,  ist  von  acht  äusseren  und  vier 
inneren  Pfeilern  gebildet,  die  von  Halbsäulen  umgeben  sind. 

Dazu  kamen  eine  Menge  anderer  Bauten  Gauzlins  und 
seiner  Mönche.  Zwei  Oratorien ,  eines  Si  Jacob,  das  zweite 
dem  Evangelisten  Johannes  geweiht,  versah  er  mit  SteinwOl- 
bung^),  ein  drittes,  St.  Salvator,  erbaute  er.  Amald,  Gauzlins 
Nachfolger  im  Amte,  errichtete  eine  Anzahl  Kirchen  auf  klö* 
sterlichem  Besitz,  eine,  wie  ausdrücklich  erwähnt  wird,  in 
Neuvi  (Däpart.  du  Loiret)  mit  Steingewölbe.^)  Helgaud,  den 
wir  bereits  als  Schriftsteller  kennen  gelernt  haben,  restaurierte 
die  ganz  verfallene  Kirche  der  hl.  Scholastica  von  Grund  aus 
und  errichtete  die  Dionysiuskirche  im  Osten  des  Klosters  zu- 
erst mit  Holzdecke,  dann  mit  Steingewölben.^) 

Da  brach  am  30.  Juli  1026  des  Abends  im  Dorfe  wieder 
eine  Feuersbrunst  aus.^)  Die  St  Andreaskirche  brannte  nieder, 
ebenso  St  Peter  ^);  was  zunächst*  stehen  blieb,  brach  doch  bald 
zusammen.  Was  von  den  Wirtschaftsräumen  aus  Holz  war, 
wurde  mit  den  Einhegungen  ein  Raub  der  Flammen.'')  Alle 
Holzdächer,  auch  das  der  Hauptkirche,  wurden  vernichtet  Die 
Verzweiflung  war  gross;  aber  man  ging  sofort  an  eine  eilige 
Restauration.  Innerhalb  eines  Monats  wurde  das  Dach  des 
lonerklosters  hergestellt  und  auch  die  Basilica  etwas  ausge- 
bessert^)   Nur  die  alte  Peterskirche,*  die  ganz  einfiel,  wurde 


basilicae  est  Diese  Anlage  kehrt  in  Roamainmoutier  and  Peterlingen 
wieder.    S.  oben  S.  376  f. 

*)  V.  Gaazl.  I,  c.  85;  Ghron.  vet.  excerpt,  BF  X,  215. 

*)  V.  Ganzl.  I,  c.36:  lapideo  velamine  cofUexuit. 

')  ib.:  lapideo  tabulatu  fabricavit  ecclesiam, 

*)  ib.  c.  89:  primo  ligno,  deinde  tabulatu  conatruxit  lapideo;  ebenso 
Mir.  S.  Bened.  YI,  c.  7,  p.  228. 

*)  V.  Gauzl.  I,  c.  46;  Mir.  S.  Bened.  VII,  o.  17,  p.  276. 

•)  V.  Gauzl.  I,  c.  47. 

')  ib.  c.  49:  onmitun  officinarum  »epta  et  quidquid  ligiteae  materiei 
ineratf  in  fatnUam  et  dnerem  sunt  redacta, 

")  ib.  C.52:  Nee  muUo  post,  quasi  triffinta  dierum  exacto  eurriculo 
iam  reaedificato  interioris  claustri  tecto. 


384 

neu  anfgebant^)  Im  allgemeinen  war  es  eine  flüchtige  Wieder- 
herstellung^) in  arehiteetoniseher  Hinsicht,  and  nur  die  Absis 
der  hl.  Jungfrau  erhielt  damals  Tonnenwölbung.')  So  kam  es, 
dass  schliesslich  doch  noch  einer  der  Nachfolger  Oanzlins,. Abt 
Wilhelm  (1067 — 1080),  an  eine  Niederreissung  der  alten,  durch 
den  Brand  geschädigten  Hauptkirche  gehen  und  einen  Neubau 
unternehmen  musste.^)  Es  ist  jener  Bau,  von  dem  heut  noch 
grössere  Teile  erhalten  sind.^) 

Was  den  ornamentalen  Schmuck  der  floriacensischen  Bauten 
unter  Gauzlin  betrifft,  so  haben  Sculpturen  reiche  Anwendung 
erfahren.  Ungemein  mannigfaltig  sind  die  Capitäle  und  Basen 
der  Säulen  im  Narthex.  Man  benutzte  Pflanzenomamente,  vor- 
herrschend sind  aber  Menschen-  und  Tiermotive.  Zahlreiche 
Darstellungen  aus  der  biblischen  Geschichte  sind  da  zu  fin- 
den. Die  Ausfuhrung  und  Anordnung  der  einzelnen  Gruppen 
ist  nicht  ungewandt.  Im  Faltenwurf  sind  antike  Reminiscenzen 
unverkennbar,  wenn  auch  die  Personen  noch  conventionell  be- 
handelt und  die  Tiere  ebenso  steif  als  ungeschickt  gezeichnet 
sind.  Auf  einem  korinthischen  Capital  liest  man  oben  unter 
der  Deckplatte  die  Worte:  Ufiberius  (oder  Unbertus)  nie  feoit^); 
aber  es  ist  wahrscheinlich,  dass  es  von  einem  antiken  Bau 
stammte,  und  es  ist  deshalb  zweifelhaft;,  ob  wir  in  Unberius 
den  Architecten  oder  Bildh^iuer  von  Fleury  zu  sehen  haben. 
Eigentümlich  sind  femer  die  Basreliefs  an  der  Aussenseite  des 
Turmes,  die,  von  verschiedener  Grösse,  unregelmässig  in  das 
Mauerwerk  eingelassen  sind.  Sie  sind  im  allgemeinen  besser 
ausgeführt  als  die  historisierten  Capitäle  der  Vorhalle.'')  Mar- 
mor liess  Gauzlin  aus  der  Romagna  kommen,  der  zu  Reliefs 


»)  V.  Gauzl.  I,  c.  56. 

*)  ib.  c.  64:  Igitur  anno  . . .  1027  . . .  infra  biennium  conflagrationis 
templi,  universa  in  mdiorem  statum  sunt  refomuUa  cum  beati  Petri,  ui 
praelibatum  est,  basilica. 

>)  ib. :  Sane  ipsum  propicicUorium  gloriosae  virginis  Marien  . ..  la- 
pideo  postmodutn  venustavit  fornice;  Mir.  S.  Bened.  VII,  c.  17,  p.  276:  Nan- 
dum  eo  tempore  absida  sanctae  Mariae  arcuaJto  exaedificata  erat  opere. 

*)  Mir.  S.Ben.Vm,  c.25,  p.317. 

'^)  Vgl.  Vasseur  im  Bnll.  monum.  Bd.  34,  S.  64;  Rocher  a.  a.-0.  p.  469 
bis  512. 

*)  Eine  Abbildung  bei  Rocher  pL  nr.  13  und  Gaiihabaad. 

7)  Rocher  p.  482.  483. 


885 

für  den  Sängerchor  verarbeitet  wnrde.^)  Mit  Marmorsoalptaren, 
die  im  Kloster  Saint-Calais  angefertigt  wurden,  ward  auch  das 
Sudthor  der  Hauptkirche  nach  dem  Brande  bekleidet.^)  Ausser 
der  Bildhauerkunst  wurde  die  Malerei  zum  äusseren  Schmucke 
der  Neubauten  in  Fleury  wie  anderwärts  3)  herangezogen.  So 
wurde  die  neuerbaute  St.  Peterskirche  von  einem  geschickten 
Mönche  Odolrich  von  St.  Julien  in  Tours  innen  prächtig  mit 
Farben  bemalt  Während  der  Stoff  für  die  Fresken  der  Front- 
seite aus  der  Apokalypse  entnommen  ward,  zeigte  die  Unke 
Mauer  Illustrationen  aus  den  Wundern  des  hl.  Benedict.  Die 
Erklärungen  gaben  angeschriebene  Verse.^)  Auch  das  Befecto- 
rium  erhielt,  allerdings  erst  unter  GauzUns  Nachfolger  Amald, 
(1030 — 1032)  malerischen  Schmuck.  Seltsamerweise  war  der 
Gegenstand  der  Gemälde  den  äsopischen  Fabeln  entnommen; 
es  scheint  das  nicht  ungewöhnlich  gewesen  zu  sein^),  denn 
Petrus  Damiani  sprach,  wie  wir  sahen,  seine  besondere  Be- 
friedigung darüber  aus,  dass  in  Cluni  das  Refectorium  keine 
superstitiöse  Bemalung  aufwies.  Endlich  beabsichtigte  Gauzlin 
die  von  ihm  mit  Steingewölbe  versehene  Capelle  der  hl.  Jung- 
frau mit  Mosaiken  belegen  zu  lassen;  er  hatte  auch  bereits 
nach  Italien  geschickt,  um  einen  Musivkttnstler  zu  bescheiden: 
da  starb  der  Abt  und  die  Arbeit  unterblieb. 

Damit  ist  die  künstlerische  Wirksamkeit  in  Fleury  so 
wenig  erschöpft,  wie  die  Beziehungen  der  floriacensischen 
Kunst  zu  Italien:  aber  indem  wir  die  Würdigung  dieser  Seite 


^)  V.  Gauzl.  I,  c.  85:  pulcherrimo  marinorum  compsü  emblemccU,  qtte 
asportari  iusserat  a  parttbus  Bomaniae. 

^)  V.  Gauzl.  II,  c.  62:  Ipsum  quoque  eccUsiae  meridianwn  ifdroitwn 
condolens  latericium,  post  ignis  incendium  reliquit  marmoreum,  reverendi 
abbatis  Adaelelmi  monasterii  sancti  Carileffi  indtistria  compactvwn. 

■)  Vgl.  Hist.  S.  Florentii  Salmur.  p.  257:  clavstralia  fabrica  mira  lapi- 
d^rni  sculptura  cum  versuum  indiciis  ac  picturarum  splendoribus  eatpolita; 
Commem.  abb.  basil.  S.  Martialis  ed.  Dupl^s- Agier  p.  9:  omneq^te  ipswn 
monasterium  honeste  deinttis  depingi  a>c  decorari  fecit, 

0  V.  Gauzl.  II,  c.  56— 58;  vgl.  das  Vorwort  Delisles  zu  seiner  Aus- 
gabe S.  12. 

^)  Ueber  gemalte  Tiergestalten  im  Refectorium  vgl.  den  Brief  eines 
A.  an  £.  ed.  Dtimmler,  N.  A.  XIII,  354  ff.  und  v.  Schlosser,  Schriftquellen 
z.  Gesch.  d.  karoL  Kunst,  Wien  1892,  S.  889. 

Saokur,  Glttniaoe&MT.    U.  25 


386 

fUr  eine  andere  Stelle  aufsparen,  begntlgen  wir  nns  hier,  den 
allgemeinen  Character  dieser  Bauten  festzustellen.  Aach  hier 
wird  jedem  die  Eile  nod  Fltlchtigkeit  auffallen,  mit  der  man 
die  abgebrannten  Partieen  wieder  renoviert.  Man  bessert  nach 
Bedürfnis  aus,  unternimmt  An-  und  Umbauten,  aber  ohne  ein- 
heitliehe Coneeption.  Am  merkwürdigsten,  ist,  dass  man  in 
vielen  Fällen  in  dieser  Zeit  die  Holzdeeken  durch  Steingewülbe 
zu  ersetzen  begann,  in  dem  deutlich  ausgesprochenen  Bewnsst- 
sein,  dass  die  Holztabulatur  an  den  vielen  und  erhebliehen 
Feuerschäden  wesentlich  schuld  sei.  Neben  der  Einführung 
der  Tonnengewölbe  bezeichnet  die  fortschreitende  architecto- 
nische  Gliederung  und  der  steigende  Reichtum  der  inneren 
Ornamentik  das  Aufkommen  des  romanischen  Stils:  hier  sehen 
wir  deutlich,  wie  mit  den  Beziehungen  des  französischen  Mönch- 
tums  zu  Italien  der  Sinn  für  die  gefälligen  Formen  der  antiken 
Baukunst  wächst  und  dadurch  eine  neue  Blüte  der  Arehitectar 
vorbereitet  wird.  Es  war  der  Stolz  Gauzlins  vrie  der  Odiles, 
sein  Stift  in  Backstein  übernommen  und  in  Marmor  hinter- 
lassen zu  haben:  eine  Uebertreibung,  die  doch  den  Umschwung, 
der  damals  stattfand,  gut  characterisiert  und  in  der  bekannten 
Stelle  Bodulfs  Glaber  ihre  Bestätigung  findet. 

Dijon. 

Die  bedeutsamste  Bauthätigkeit  entwickelte  in  dieser  Zeit 
das  dritte  der  grossen  französischen  Reformcentren,  Saint- Be- 
nigne. Als  Wilheln  von  Yolpianb  Ende  des  zehnten  Jahrhun- 
derts das  Kloster  übernahm,  war  die  alte  Kirche  so  baufällig, 
dass  grössere  Teile  derselben  bei  einem  Restaurationsversuehe 
einstürzten.  Wilhelm  musste  sich  deshalb  zu  einem  Neubau 
entschliessen.  Es  erhöhte  seinen  Eifer,  als  man  nach  langem 
Suchen  das  Grab  des  hl.  Benignus  wieder  auffand,  einen  grossen 
steinernen  Sarcophag,  in  dem  der  Heilige  lag,  noch  die  Wunde 
im  Gehirn,  die  ihn  zum  Märtyrer  gemacht  hatte. i)  Die  Kosten 
des  Neubaus  bestritt  Bischof  Bruno,  der  auch  von  allen  Seiten 
marmorne  und  steinerne  Säulen  herbeischaffen  liess,  wäh- 
rend Wilhelm  die  Baumeister  heranzog  und  ihnen  den  Plan 


*)  Rod.V.Wüh.  C.15. 


387 

vorlegte^),    der    von    mystiBchen   GesicbtspaDkten    beeioflaast 
war.  2) 

Aid  14.  Febroar  1001  wurde  der  Grnnd  zn  der  Basilica 
gelegt.  Die  Crypta  ist  eine  der  grö6sten,  die  man  kennt.^) 
Der  Teil,  in  dem  der  Heilige  ruhte,  blieb  bestehen,  aber  statt 
des  grossen  Ghorabschlnsses  zwischen  zwei  Absiden  im  Osten 
erfolgte  der  Anbau  einer  gewaltigen  Rotunde^),  die  im  Unter- 
geschoss  durch  sechs  Fenster  erleuchtet  ward,  etwa  17  m  im 
Durchmesser  und  4V2  m  in  der  H6he  hatte.  Das  Decken- 
gewölbe wurde  von  24  Säulen  und  82  Bögen  getragen.  Dieses 
Oratorium  war  Johannes  dem  Täufer  geweiht  Das  erste  Stock- 
werk, das  man  auf  37  Stufen  erreichte,  hatte  dieselbe  Masse 
wie  die  Crypta,  war  der  hl.  Jongfrau  geweiht  und  wurde  von 
68  Säulen  gestützt  Durch  elf  Fenster  drang  hier  das  Licht 
in  das  Innere.  Das  zweite  Stockwerk  bestand  nur  aus  einer 
Galerie,  die  von  allen  Seiten  durch  Fenster  und  oben  durch 
Oberlicht  erleuchtet  wurde.  Die  Höhe  war  die  doppelte  der 
unteren  Etagen,  also  9  m.  Hier  stand  ein  Altar  der  hl.  Drei- 
einigkeit^) An  beiden  Seiten  der  Rotunde  erhoben  sich  zwei 
symmetrische  TreppentQrme,  in  denen  man  zn  den  oberen 
Stockwerken  emporstieg  und  die  sich  noch  fünfzig  Stufen  über 
den  Rundbau  erhoben.   Die  Kirche  selbst,  die  sich  nach  Westen 


1)  Chron.  S.  Benign!  p.  138:  Iteverendus  abbas  magistros  conducendo 
et  ipium  opw  dictando. 

')  Vgl.  Bougaud,  J^tude  bist  et  crit  sur  la  mission  de  St.-B6nign6, 
Autun  1 859,  p.  268  ff. 

')  VioUet-le-Duc,  Dictionnaire  de  rarchitecture  firan^aise  IV,  452. 

*)  Chron.  S.Ben,  p.  143 ff. 

*)  Scbnaase,  Gesch.  d.  bild.  Künste  IV,  509  und  Viollet-Ie-Duc  sprechen 
von  mehreren  Galerien,  sie  stützen  sich  offenbar  auf  spätere  Beschrei- 
bungen, aus  denen  aber  so  viel  ersichtlich,  dass  in  später  Zeit  der  Bau 
Wilhelms  Veränderungen  erfahren  haben  muss,  da  sie  mit  dem  ausführ- 
lichen zeitgenössischen  Bericht  des  Chron.  S.  Ben.  nicht  immer  überein- 
stimmen. Gegenüber  der  Annahme  VioUets,  dass  diese  Galerien  im  Ober- 
stock den  Zweck  hatten,  die  Pilger  aufzunehmen  —  die  übrigens  von  da 
aus  gar  nicht  das  Grab  des  hl.  Benignus  hätten  sehen  können,  da  es  sich 
in  der  westlich  gelegenen  alten  Ciypta  befand  — ,  möchte  ich  fragen,  ob 
die  Oeffnung  in  der  Mitte  des  zweiten  Stockwerks  nicht  einfach  den  Zweck 
hatte,  Licht  einzulassen.  Was  Chapny-Joliment,  Cathedrales  fran^aises  1826 
über  die  Kirche  von  St  Benigne  sagt,  ist  ganz  wertlos,  da  er  von  der 
historischen  Ueberlieferung  keine  Ahnung  hat. 

25* 


388 

ungefähr  in  gleicher  Höhe  mit  diesem  anschloss,  war  eine  drei- 
sehiffige  Sänlenbasilica  mit  Qnerschiif,  deren  Länge  59  m  und 
deren  Breite  ttber  24  m  betrug.  Die  Seitenschiffe  waren  ge- 
wölbt. Der  westliche  Abschluss  scheint  durch  zwei  Tttrme  er- 
folgt zu  sein;  ein  anderer  wird  sich  sieher  ttber  der  Vierung 
erhoben  haben:  im  ganzen  wies  das  Bauwerk  acht  Türme, 
drei  grosse  Portale  und  vierundzwanzig  Eingänge  auf.  Durch 
siebzig  Fenster  erhielt  das  Langhaus  seine  Beleuchtung. 

Ein  besonderes  Merkmal  des  Bauwerks  waren  die  zahl- 
reichen Säulen,  die  die  Pfeiler  umgaben.  Man  zählte  im  gan- 
zen 371,  ohne  die  an  Tttrmen  und  Altären  angebrachten.  Wie 
bei  den  cluniacensischen  und  floriacensischen  Bauten,  so  bezog 
man  auch  hier  Säulen  von  alten  Römerstädten.  Die  Folge 
davon  war,  dass  sie  verschiedene  Grössen  hatten,  was  nicht 
hinderte,  dass  man  einige,  die  an  den  Capitälen  besonders 
stark  waren,  trotz  ihrer  Ungleichheit  um  Pfeiler  zu  je  vier 
herumstellte  und  somit  gleichsam  mit  einem  Kranze  krönte. 
Sonst  zeigen  die  Sculpturen  die  üblichen  Tieromamente  nnd 
Verschlingungen;  sie  wurden  zum  grossen  Teil  von  Hunald, 
einem  Mönche  von  St  Benigne,  ausgeführt.  0  Als  Eigentüm- 
lichkeit werden  femer  die  zahlreichen  Glasfenster  hervorge- 
hoben.^) Dass  Malerei  die  Scheiben  der  Abteikirche  schmück- 
ten, wird  uns  ebenfalls  berichtet,  und  es  ist  das  darum 
jedenfalls  bemerkenswert,  weil  die  Glasmalerei  in  jener  Zeit 
noch  selten  war  und  das  Bild,  das  die  Passion  der  hl.  Pascha- 
sia  darstellte,  sogar  zur  Zeit  des  Neubaus  schon  ein  gewisses 
Alter  hatte.3) 

Der  springende  Punkt  in  der  ganzen  klösterlichen  Thä- 
tigkeit  Wilhelms  von  Dijon  ist  sein  Verhältnis  zu  Italien. 
Wie  unaufhaltsam  strömten  Italiener,  teils  litterarisch,  teils 
künstlerisch  gebildet,  nach  dem  burgundischen  Kloster,  dem 
die  Kenntnisse  der  Fremden  zu  gute  kamen.  Die  Uebersie- 
delung    von    Ravennaten,    Genuesen,    Römern,    Mailändern, 


^)  Vgl.  Obren.  S.  Ben.  p.  146;  Bougaud  p.  265. 

*)  Dass  die  Zahl  der  Fenster  für  diese  Bauepoche  characteristisch 
war,  beweist  auch  die  unter  Robert  II.  gebaute  Kirche  St  Aignan  von 
Orleans;  vgl.  M^langes  d'arch^ol.  et  d'hist,  1887,  p.  468. 

3)  Chron.  S.  Ben.  p.  143.  Vgl.  bezüglich  der  letzten  Notiz  Labarte, 
Eist  des  arts  industriels  III,  340. 


389 

Grieeheii  muss  für  die  Uebertragnng  italienischer  Stilformen 
und  Kenntnisse  von  erheblichem  Einfluss  gewesen  sein.  Man 
kann  es  nicht  hoch  genng  schätzen,  dass  der  Abt  Johan- 
nelinus von  Fäcamp  ein  Ravennate,  der  Abt  Suppo  von  | 
St.  Michel  ein  Römer  war.>)  Wilhelm  sorgte  dnrch  fortwäh- 
rende Versetzungen  seiner  Mönche  für  einen  regen  Aus- 
tausch des  Wissens  und  Könnens.  Kann  man  angesichts 
dieser  Thatsachen  zweifeln,  dass  das  gewaltige  Bauwerk, 
dessen  Plan  Wilhelm  entwarf  und  das  von  den  Franken 
als  ein  Wunder  angestaunt  wurde,  in  seinem  characteristisch- 
sten  Teile,  der  Rotunde,  auf  italienische  Einflüsse  und  Vor- 
bilder zurückgeht?  Man  darf  es  um  so  weniger,  als  wir  auch 
von  Gauzlin  wissen,  dass  er  sich  fttr  den  ornamentalen  Schmuck 
seiner  Bauten  mit  italienischen  Künstlern  in  Verbindung  setzte.  ^ 
Mögen  fttr  die  Basilica  von  St  Benigne  noch  andere  Muster 
vorgeschwebt  haben,  vor  allem  die  hl.  Grabeskirche  in  Jeru- 
salem und  die  Rundbauten  von  St  Martin  und  Germigny,  an- 
gesichts der  Aehnlichkeit  der  Grypta  mit  der  von  St  Peter  in 
Rom^),  der  Aehnlichkeit  der  Anlage  von  S.  Vitale  in  Ra- 
venna^),  S.  Stefano  Rotondo  und  S.  Costanza  in  Rom,  ange- 
sichts der  zahlreichen  antiken  Säulen,  die  in  St  Benigne  Ver- 
wendung fanden,  darf  die  Einwirkung  italienischer  Kunst  und 
Arcbitectur  ausser  allen  Zweifel  gestellt  werden.  Die  Haupt- 
sache ist  aber,  dass  wir  bei  keiner  andern  Abteikirche  Frank- 
reichs eine  ähnliche  Anlage  finden,  dass  dies  den  Zeitgenossen 
vollkommen  zum  Bewusstsein  gekommen  war<)  und  dass,  ab- 

>)  Das  sind  also  die  Männer,  die  das  lombardische  Bausystem  nach 
der  Normandie  gebracht  haben;  vgl.  Dehio  p.  286. 

*)  Die  Bougaud  p.  282  betont. 

')  Chevalier,  Le  vönörable  Guillaume  will,  kaum  mit  Recht,  in  S.  Vi- 
tale das  directe  Vorbild  sehen.  Schnaase  geht  aber  in  der  Ableugnung 
jedes  italienischen  Einflusses  zu  weit,  wenn  er  meint,  dass  allenfalls  die 
antiken  Säulenschäfte  zu  ähnlichen  Motiven  Anlass  gegeben  haben  könn- 
ten. Angesichts  des  lebhaften  und  engen  Verkehrs  Wilhelms  mit  Italien 
wird  man  doch  nicht  bestreiten  können,  dass  italienische  Bauten  von  Ein- 
fluss waren. 

*)  Rod.  V.  Wilh.  c.  15:  totitis  Galliae  basüicis  mirahiliorem  cttque 
propria  positione  hicomparabilem  perficere  disponebat;  c.  26:  basilicam 
incomparabili  opera  pene  expletam;  Mir.  S.  Berch.  c.  21  (Mab.,  Acta  SS. 
II,  219):  eccksiam  religione  et  parietibus  . . .  tniro  opere  innovaverat. 


390 

gesehen  von  dem  Narthex  von  Flenry,  die  anderen  zeitge- 
nössischen Bauten  einen  weit  weniger  vorgeschrittenen  Stand- 
punkt der  architectonischen  Gliederung  und  Ornamentation  re- 
präsentieren. 

Die  Klosterreform  in  diesen  Gegenden  regte  zu  weiteren 
Bauten  an.  So  baute  Wilhelms  Schüler,  Arnulf,  in  dem  Orte  j 
Vulnonis-villa  eine  geräumige  und  würdige  Basiliea  des  hl.  Be- 
nignus^), desgleichen  eine  grosse  Basiliea  in  Si  Böiin^),  und 
Bodulf  errichtete  von  Grund  aus  eine  neue  Basiliea  in  B6ze.^) 
Leider  wissen  wir  über  diese  Bauten  nichts  Näheres.  Aber  von 
der  Abteikirche  von  Vignory,  einem  von  Dijon  abhängigen 
Kloster,  sind  noch  einige  Reste  vorhanden,  die  der  Mitte  des 
elften  Jahrhunderts  angehören.^)  Es  war  eine  dreischiffige, 
flachgedeckte  Pfeilerbasilica  bei  Stützenwechsel  im  östlichen 
Teile  ^)  mit  Querschiff  und  Ghorabschluss,  den  drei  Absidial- 
capellen  umgaben.  Nur  das  Sanctnarium  mit  dem  Ghorumgang, 
sowie  die  vier  Capellen  des  Querschiffs  waren  wohl  gewölbt 
Kurze  viereckige  Pfeiler  —  nur  die  letzten  am  Chor  sind  rund 
—  tragen  unregelmässige  Bögen.  Ueber  der  ersten  Arcaden- 
ordnung  ruht  das  Triforium  so,  dass  zwei  Doppelbögen  sich 
über  einer  cylindrischen ,  bald  starken,  bald  schwachen  Säule 
vereinigen,  und  somit  Säulen  und  Pfeiler  abwechseln.  Was 
die  Seulpturen  betrifft,  so  sind  die  Gapitäle  sehr  verschieden. 
Die  Gesimse  sind  sehr  einfach  und  barbarisch  in  der  Com- 
position.  Seltsame  Sculpturmotive,  wie  Sparren,  Schachbrette, 
Flechten  und  Zickzackmuster,  wechseln  mit  Tierornamenten. 
Noch  einfacher  ist  die  Ausstattung  einer  anderen  Kirche  bei 
Dijon,  die  aus  der  ersten  Hälfte  des  elten  Jahrhundert  stammt: 
St.  Worles  de  Chatillon.   Hier  ruhen  die  Bögen  auf  Sandstein- 

>)  GhroD.  S.  Ben.  p.  161. 

>)  ib.  p.  160. 

')  GhroD.  Bes.  p.  288. 

*)  Früher  mit  Unrecht  ins  zehnte  Jahrhundert  gesetzt;  vgl  Archives 
de  la  commission  I;  Lenoir,  L'architecture  monast.  II,  35;  Gauinont  im 
Bull,  monum.  Bd.  37;  VioUet-le-Duc  in  den  Annales  arch6ol.  I,  182.  Rieh- 
tig  gestellt  von  Ram^,  Bull,  des  ^aveaux  hist.,  1882,  p.  193.  Vgl.  d'Arbau- 
mont,  Gart,  du  prienr^  de  Saint-Etienne  de  Vignoiy  (Langres  1882)  p.VII 
und  35;  Dehio  I,  196. 

^)  Es  ist  interessant,  dass  diese  Kirche  somit  in  die  Kategorie  der 
von  S.  Ambrogio  in  Mailand  beeinflussten  fallt 


391 

pfeilern,  deren  Capitäle  statt  mit  Scalptnren  nnr  dnreh  einige 
horizontale  Gesimse  decoriert  sind.^  Genaa  denselben  inneren 
Aufbau  zeigt  dann  die  gegen  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts 
begonnene  grosse  Kirche  von  Montierender.^)  Gehört  sie  auch 
der  Diöeese  Ghälons  s.  M.^)  an,  so  kennen  wir  doch  die  engen 
Beziehungen  Adsos,  des  Erbauers  der  Kirche,  zur  Diöeese 
Langres  und  zu  St  Benigne  zu  gut,  um  nicht  das  unmittelbare 
Vorbild  von  Yignory  in  Montierender  zu  suchen. 

Das  ist  alles,  was  wir  über  divionensisehe  Bauten  der 
Diöeese  Langres  wissen.^)  Aber  es  ist  sehr  bezeichnend,  dass 
die  normannischen  Kirchen^)  —  von  denen  wenigstens  die  von 

^)  Vgl.  Bull.  moDum.  Bd.  84. 

')  Die  quellenmässige  Ueberlieferang  ist  folgende.  Mirac.  S.  Berch. 
c.  1 1 :  Ibi  postmodum  excedente  vita  domno  Alberico  abbas  e/fectus  (seil. 
Adso)  basilicam  sanctorum  a  b.  Berchario  quondam  exstructam  parvissi- 
mam  reputans,  maximi  quod  nunc  frequtntamus  templi  fundamenta  iecit 
amplissima;  c.  22:  cuius  prima  fundamenta,  i4  praemisimua,  veneran- 
du8  Adso  abbaa  locaverai.  Der  Verfasser  schrieb  ca.  1080—1090.  Mithin 
hat  man  den  Bau  Ende  des  zehnten  resp.  Anfang  des  elften  Jahrhunderts 
zu  setzen.  Heut  steht  noch  das  Langhaus  der  Basilica.  Auch  hier  stehen 
Arcadenordnungen  übereinander.  Auch  hier  wird  die  untere  durch  vier- 
eckige Pfeiler  gebildet,  während  im  oberen  Stockwerk  Pfeiler  und  Säulen 
bei  gleicher  Arcadenstellung,  wie  in  Vignory,  wechseln.  Die  Litteratur 
Über  diese  Kirche  ist  sehr  gross.  Vgl  Ball,  monum.  Bd.  17,  319  f.;  De 
Caumont  im  Bull,  monum.  Bd.  S7,  250.  Beide  Verfasser,  von  denen  keiner 
die  historische  Ueberlieferung  kennt,  setzen  das  Schiff  ans  Ende  des 
zehnten  bezw.  Anfang  des  elften  Jahrhunderts.  Vgl.  femer  Archives  de 
la  comm.  des  monum.  bist.  I;  sodann  Bouillevaux,  Monographie  de  F^glise 
abbatiale  de  Montier-en-Der,  Ghaumont  1855.  Auch  nach  des  letzteren 
Angaben  ist  das  Langhaus  das  alte;  die  Lage  des  alten  Narthex  ist  eben- 
falls noch  sichtbar.  Die  Einfachheit  des  Baues  wird  hervorgehoben.  Im 
dreizehnten  Jahrhundert  wurde  die  Kirche  reconstruiert.  Vgl.  Dehio  I,  194 
und  27(5,  wo  ohne  Anführung  von  Gründen  bemerkt  wird:  «Das  der  letz- 
teren von  den  französischen  Archäologen  beigelegte  Datum  992  ist  nicht 
haltbar". 

*)  Der  Irrtum,  dass  sie  im  Sprengel  Langres  läge,  der  sich  in  den 
ersten  Band  eingeschlichen  hat,  ist  demnach  zu  berichtigen. 

*)  Was  Schnaase  u.  a.  über  Wilhelms  Anteil  an  der  Abteikirche 
St.  Philibert  in  Turnus  berichten,  entbehrt  jeder  quellenmässigen  Grund- 
lage; vgl.  auch  Dehio  und  v.  Bezold  S.  385. 

*)  Vgl.  Turner,  Account  of  a  tour  in  Normandy  I  (London  1820),  64;^ 
Turner,  Architectural  antiquities  of  Normandy  II  (London  1822),  122;  Pugin 
et  Britton,  Antiquit^s  architecturales  de  la  Normandie  p.  Tiff.;  Kam6, 
Bull,  des  trav.  bist,  et  scient  (1882)  p.208;  Dehio  und  v.  Bezold  S.283. 


392 

Bcrnai  0  noch  in  die  Zeit  Wilhelms  zurückreicht  —  Eigentttm- 
lichkeiten  des  lombardischen  Baustils  aufweisen,  die  sicherlich 
auf  die  Einwirkung  der  Italiener,  die  der  Abt  von  Dijon  nach 
der  Normandie  brachte,  zurückzuführen  sind:  so  zeigen  sie 
alle  den  in  San  Ambrogio.  zuerst  begegnenden  Sttttzenwechsel 
mit  Emporen.  Nicht  weniger  weisen  sie  aber  im  Grundriss 
mit  dem  quadratischen  Chor  bei  absidialem  Abschluss  des 
mittleren  Teils,  den  auf  dem  Querschiff  aufsitzenden  Absidial- 
capellen^)  und  den  beiden  Westtttrmen^)  auf  das  in  Burgund 
und  den  Nachbargebieten  herrschende  Bauschema. 

Lothringische  Reformbewegung. 

Wenden  wir  uns  nach  Lothringen  um  zu  prüfen,  wie 
weit  durch  die  Beziehungen  zur  französischen  Beformbewe- 
gung  hier  architectonische  Einwirkungen  französischer  Kirchen- 
bauten stattgefunden  haben. 

Wir  erinnern  uns,  dass  es  Richard  von  Montfaucon  war, 
der  in  seinen  klösterlich -reformatorischen  Bestrebungen  an 
Gluni  anknüpfte.  Als  er  nach  St.  Vannes  kam,  fand  er  dort 
ein  halb  verfallenes  Gotteshaus  vor.  Wir  werden  nicht  fehl 
gehen,  wenn  wir  uns  eine  unbedeutende,  niedrige  dreischif&ge 
Kirche  mit  nur  wenig  über  die  Seitenschiffe  hervorragenden 
Kreuzarmen  vorstellen,  die  östlich  mit  einer  Absis,  westlich 
einem  vermutlieh  hölzernen  Turme  abschloss.^)  Im  zweiten 
Jahrzehnt  des  elften  Jahrhunderts^)  nahm  Richard  nun  einen 
umfassenden  Erweiterungsbau  vor<^),  der  sich  vor  allem  auf 
den  Chor,  das  Qnerschiff  und  den  Westbau  erstreckte.  Die 
Kreuzarme  wurden  verlängert  und  je  mit  einer  Absis  ver- 
sehen, ein  neues  Presbyterium  erbaut,  sei  es,  dass  das  Lang-  4 
schiff  der  Basilica  über  die  Vierung  in  der  ganzen  Breite  vor- 
geschoben  wurde    und    horizontal    mit   quadratischem   Chore 


^)  Vgl.  darüber  BuU.  monum.  Bd.  31,  95. 

>)  So  Boscherville,  Bemai,  G4risy;  vgl.  Dehio  1 80. 

^)  In  Jumtöges,  G6risy,  Caen,  Bayeux,  Rouen;  Dehio  p.  597. 

*)  Das  Bild  der  Kirche  gewinnen  wir  aus  der  Schilderung  des  Um- 
baus in  der  Y.  Richardi  c.  7— 10.  12  und  Hugo  von  Flavig^y  II,  c.  7. 

'^  Die  Zeit  wird  dadurch  bestimmt,  dass  Richard  Säulen  aus  St.  Amand 
kommen  Hess,  welche  Abtei  er  von  1013 — 1018  leitete. 

*)  Vgl.  Riehard  von  St.  Vannes  S.  78. 


393 

abschloss,  sei  es,  dass  nur  das  Mittelschiff  jenseits  der  Vierang 
in  eine  langgestreckte  Äbsis  ansliefJ)  Unter  dem  Chor  wnrde 
eine  Crypta  angelegt.  Vor  allem  aber  erhoben  sich,  wohl 
an  der  Westfront,  zwei  steinerne  Türme  2),  wie  in  Glnni,  die 
dann  vermutlich  durch  eine  Vorhalle  verbunden  waren.  Es 
war  eine  Säulenbasilica;  die  Säulen  liess  Richard  auf  der 
Scheide  und  Maas  von  St.  Amand  nach  Verdun  schaffen;  es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  Richard  wenigstens  einzelne 
Teile  der  Kirche  mit  Gewölben  versehen  liess.*) 

Wir  bemerken  somit,  dass  der  Umbau  von  St  Vannes  sich 
gerade  auf  die  Teile  erstreckte,  die  in  eben  jener  Zeit  die  ein- 
schneidendsten Veränderungen  überhaupt  erfuhren.  Die  Erwei- 
terung des  Sanctuariums  und  der  Querschiffe  wurde  durch  die 
erhöhten  Anforderungen  bedingt,  die  an  liturgische  Handlungen 
der  Mönche  gestellt  wurden^);  die  Vorhalle,  die  sich  meist  über 
die  ganze  Breite  der  Kirche  bis  ins  Untergeschoss  der  Türme 
ausdehnte,  sollte  die  Pilger  gegen  Wind  und  Wetter  bei  Pro- 
cessionen  schützen.  Bemerken  wir,  dass  St  Vannes  sich  im 
Westbau  an  das  in  Gluni  angewandte  Schema  anlehnte,  dass 
durch  die  Erweiterung  des  Qnerschiffs  mittelst  Capelleu  eine 
zweifellose  Annäherung  an  den  im  Osten  und  Norden  Frank- 
reichs gewöhnlichen  Typus  erfolgte,  so  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  Vorbilder  westlicher  Abteikirchen  auf  den  Bau 
von  St  Vannes  wirkten.  Bezüglich  des  Chores  würde  man  am 
ehesten  geneigt  sein,  auf  St.  Remi  als  Muster  zu  schliessen  —  da 
Richard  aus  Reims  nach  St.  Vannes  gekommen  war  — ,  auf  die 
von  Radialcapellen  umgebene  Absis:  da  jedoch  dieses  Schema  im 
westlichen  Deutschland  oder  in  Lothringen  nirgend  sonst  begeg- 
net, wird  Richard  an  die  einfacheren  Typen  der  burgundischen 
Schule  angeknüpft  haben.  Aber  es  ist  ganz  und  gar  nicht  zu 
bestimmen,  wie  weit  etwa  west-  oder  süddeutsche  Vorbilder 
oder  noch  die  alte  Kirche  von  St.  Vannes  und  ihre  Verhält- 
nisse von  massgebender  Bedeutung  waren. 


^)  Ueber  die  Gestalt  des  Chores  ist  aus  den  betreffenden  Stellen 
nichts  zu  ersehen. 

")  V.  Rieh.  c.  10. 

^)  So  möchte  ich  jetzt  V.  Rieh.  c.  7 :  conductis  artificibus  aecclesiae 
cülmen  apposuit  deuten. 

*)  Vgl.  darüber  die  einleuchtenden  Ausführungen  bei  Dehio  S.  271. 


394 

Es  wäre  nan  anzunehmen,  dasB  der  Neubau  von  St  Vannes 
auf  Richards  Schüler  nicht  ohne  Einfluss  blieb.  Aber  ttber  die 
Bauten  in  StVaast^),  Haumont^),  Cambrai^),  Gbälons  s.  M.^) 
u.  a.  0.  sind  wir  nicht  näher  unterrichtet  Schon  während  des 
Baues  der  Kirche  St  Vitonus  wurde  Yasloges,  das  Poppo  da- 
mals als  Propst  leitete,  in  allen  Teilen  einer  umfassenden  Be- 
novation  unterworfen.  Sie  erstreckte  sich  namentlich  auf  das 
Dach  der  Kirche,  die  vielleicht  überwölbt  wurde,  den  Kreoz- 
gang  und  andere  Baulichkeiten.  Der  Umbau  wird  in  der  Vita 
Richardi  Abt  Richard^),  in  der  Vita  Popponis  Poppo*)  zuge- 
schrieben. Natürlich  muss  man  sich  Richard  als  den  leitenden 
Bauherrn  vorstellen,  unter  dem  vielleicht  Poppo  die  unmittel- 
bare Beaufsichtigung  des  Baues  besorgte.  Als  Poppo  dann 
die  Klöster  Stablo-Malm^dy  übernommen  hatte,  ging  er,  wenn 
auch  viele  Jahre  später,  hier  an  umfassendere  Bauten.  In  Mal- 
m^dy  wurde  damals  erst,  wie  in  St  Vannes,  eine  Crypta  an- 
gelegt^); in  Stablo  sowohl  die  Kirche  als  alle  Klosterräumlich- 
keiten  erneuert  Wir  wissen  aber  ttber  den  Bau  der  Basilica 
nicht  mehr,  als  dass  marmorne  Säulen  dazu  verwandt  vmr- 
den^)  und  das  Mittelschiff  westlich  von  einem  einzigen  Turm^), 
unter  dem  die  Vorhalle  sich  befand,  abgeschlossen  wurde: 
es  war  das  in  Belgien  allgemein  angewandte  Schema  des 
Westbaus. 

Man  hat  nun  Poppo  zum  Haupt  einer  grossartigen  Bau- 
schule gemacht:  unter  ihm,  ja  auf  seine  Initiative  seien  die 
Abteikirchen  von  Limburg,  Echtemaeh,  Weissenburg  und  Hers- 


>)  Cresta  epiBc.  Gunerac.  III,  c.  59. 

«)  ib.  c.  6. 

')  ib.  c.  49. 

*)  Ann.  S.  Petri  Gatalaun.  1034;  vgl.  Richard  von  St.  Vannes  S.  6$. 

»)  V.  Richardi  c.  1 2. 

«)  V.  Popp.  c.  22. 

0  ib.  c.  22. 

")  ib. :  Marmoreofs  proinde  cohunptuu  <id  id  similiter  opus  . . .  inibi 
invefiitf  ubi  nuUi  unquam  eius  natura  loci  marmor  invenire  dedit.  Man 
sieht  auch  hier,  von  welcher  Bedeutung  die  Herbeischaffung  marmomer 
Säulen  war;  vermutlich  hat  auch  Poppo,  wie  seine  Freunde,  einen  be- 
stehenden Bau  geplündert. 

^  Vgl.  darüber  Manchot,  Kloster  Limburg  an  der  Hardt,  Mannheim 
1892,  S.40ff. 


395 

feld  entstanden.  Hatte  man  sieh  aber  erst  einmal  daran  ge^ 
wohnt,  in  ihm  den  leitenden  Baumeister  aller  dieser  Basiliken 
zu  sehen,  so  mnsste  er  an  dem  Dombau  von  Speier,  an  dem 
von  Strassbnrg,  an  der  Kirche  von  Otmarsheim  im  Elsass  und 
anderen  Kirehenbanten  beteiligt  werden.  Denn  nachdem  man 
einmal  erkannt  hatte,  dass  die  genannten  Abteikirehen  wieder 
ihrerseits  die  grösste  Verwandtschaft  mit  einer  ganzen  Reihe 
west-  nnd  sUddentscher  Bauwerke  zeigen,  so  durfte  man  sich 
das  Glttck,  den  Namen  des  Hauptarchitecten  Westdeutschlands 
entdeckt  zu  haben,  unmöglich  entschlttpfen  lassen;  was  einer 
der  genannten  Abteikirchen  entfernt  ähnlich  sah,  wurde  ein 
Meisterwerk  Poppos,  und  die  fable  convenue  war  fertig.^) 
Sehen  wir,  was  sieh  bei  nüchterner  Kritik  von  alle  dem  hal- 
ten lässt 

Von  den  genannten  Abteikirchen  haben  Hersfeld  und  Lim- 
burg die  grösste  Aehnlichkeit.  Sie  nähern  sich  in  der  Grösse 
der  Masse  ^),  worin  jedoch  die  letztere  von  der  ersteren  noch 
übertroffen  wird,  sie  zeigen  beide  die  westlichen  Türme  mit 
der  dazwischen  liegenden  Vorhalle,  die  weit  ausladet,  sie  haben 
die  auf  den  Qnerarmen  aufsitzenden  Rundcapellen.  Sie  weichen 

>)  Am  weitesten  ist  Adler  gegangen,  Romanische  Baukunst  im  Elsass, 
Zeitschrift  für  Bauwesen  Bd.  28  (Berlin  1878),  447.  Beztiglich  Otmars- 
heims  im  Elsass  meint  er  z.  B. :  der  Architect  müsse  Aachen  wie  Essen, 
Nym wegen  wie  Ltittich  gekannt  haben.  „Dieser  Mann  kann  schwerlich 
ein  anderer  als  Abt  Poppe  von  Stablo  gewesen  sein,  der  den  beiden 
Kaisern  Heinrich  IL  wie  Konrad  II.  mit  Bat  und  That  zur  Seite  stehend, 
auch  mit  den  beiden  Kirchenfürsten  Werner  von  Strassburg  und  Brun 
von  Toul  ...  in  einer  selten  vertrauten  Weise  verkehrte  und  gerade  da- 
mals mit  dem  Neubau  des  Münsters  von  Strassburg  beschäftigt  war.*' 
Wenn  Adler  hier  nicht  ungedruckte  Quellen  benutzt  hat,  werden  wir  von 
all'  den  schönen  Dingen  absehen  müssen;  denn  bekannt  ist  davon  gar 
nichts.  Durch  Adler  wurde  offenbar  Dehio  S.  168,  n.  1  verleitet,  von  der 
„wahrscheinlich  durch  Poppo  geleiteten  Restauration  des  Strassburger 
Münsters*'  zu  sprechen.  Die  Beziehungen  Poppos  zu  Strassburg  be- 
schränken sich,  so  weit  unsere  Kenntnisse  reichen,  lediglich  darauf,  dass 
er  1016  als  Mönch  einmal  an  das  Hoflager  Heinrichs  II.  nach  Strassburg 
kam  und  ihm  Ende  der  zwanziger  Jahre  das  Bistum  von  Konrad  ange- 
boten wurde,  das  er  aber  ablehnte.  Daraus  auf  den  Anteil  am  Münster- 
bau zu  schliessen,  ist  zum  mindesten  etwas  kühn. 

')  Das  Langhaus  hat  in  Limburg  13  824,  in  Hersfeld  13728  Quadrate 
fuss  Flächeninhalt.  Jedoch  ist  Hersfeld  breiter  als  Limburg,  Limburg 
länger  als  Hersfeld.    In  der  Höhe  sind  sie  nach  Dehio  S.  162  gleich. 


396 

voneinander  ab  vor  allem  in  der  Anlage  des  Ostbans.  In  Lim- 
burg sehliesst  der  Chor  quadratisch,  in  Hersfeld  mit  lang- 
gestreckter  Fortsetzung  des  Mittelschiffs  und  der  Absis;  hier 
sind  auch  die  Kreuzarme  auffallend  lang  gestreckt.  An  die 
beiden  Westttlrme  lehnen  sieh  in  Limburg  im  Gegensatz  za 
Hersfeld  nach  Nord  und  Sttd  runde  Treppentttrmchen.  Was 
Echternach  betrifft,  so  sind  die  Unterschiede  noch  augen- 
fälliger. Mit  Limburg  entbehrt  Echternach  der  Absis  am  Chore: 
im  Unterschiede  zu  Hersfeld  und  Limburg  treten  die  Kreuz- 
arme  des  Querschiffs  ttber  die  Seitenschiffe  des  Langhauses 
nicht  heraus.  Sind  Limburg  und  Hersfeld  Säulenbasiliken,  so 
wechseln  in  Echternach  Pfeiler  und  Säulen  >)  —  und  zwar  so, 
dass  je  zwei  Pfeiler  nur  durch  Mauerbögen  verbunden  sind  — , 
wobei  die  Säulen  im  Gegensatz  zu  denen  der  anderen  Kirchen 
durch  ihre  korinthischen  Capitäle  auf  Trierer  antike  Vorbilder 
hinweisen.  Die  Echternacher  Kirche  hat  schliesslich  ausser 
den  beiden  Türmen  an  der  Westfront  zwei  Tttrme^)  in  den 
Winkeln,  die  der  Chor  mit  den  Kreuzarmen  bildet.  Schliess- 
lich erreicht  der  Echternacher  Bau  auch  die  Dimensionen  der 
anderen  Kirchen  nicht.  Was  Weissenburg  betrifft,  so  sind 
nur  spärliche  Reste  vorhanden,  die  sowohl  in  technischer  ak 
in  formaler  Hinsicht  jede  Aehnlichkeit  mit  Limburg  vermissen 
lassen.^)  Ziehen  wir  den  Schluss  aus  diesen  Angaben,  so 
weisen  höchstens  Limburg  und  Hersfeld  stärkere  Analogieo 
auf,  während  Echternach  schon  durch  die  Art  des  Sttttzen- 
wechsels  ganz  aus  dem  Character  der  übrigen  Bauten  heraus- 
fällt. Das  allen  Geroeinsame  sind  die  beiden  Westtttrme  mit 
der  dazwischen  liegenden  Vorhalle,  die  in  Hersfeld  und  Lim- 
burg noch  vorgeschoben  war. 

*)  Vgl.  Dehio  t.  58,  fig.  5. 

^)  Ob  diese  allerdings  schon  von  Anfang  an  bestanden  haben,  ist 
sehr  zweifelhaft. 

^)  Nach  Manchot  p.  53.  Die  jetzige  Kirche  ist  aus  dem  dreizehnten 
Jahrhundert  und  hat  einen  sehr  eigentümlichen  Grundriss  (ygl.  Kraus, 
Kunst  und  Alterthum  im  Elsass  I,  Strassburg  1876,  S.  603  ff.).  Vor  der 
Kirche  steht  ein  einziger  romanischer  Westturm.  Die  Dedicationsnotiz 
der  Ann.  Weissenburg.  1033:  dedicatum  est  oratOrium  S.  Fetri  in  Wizen- 
bürg  a  Reginboldo  Spirensi  episcopo  wird  von  Kraus  S.  616  wahrschein- 
lich mit  Kecht  auf  die  kleine,  noch  erhaltene  östlich  von  der  Kirche  ge- 
legene St.  Peter-  und  Paulscapelle  bezogen. 


397 

Prttfen  wir  nun  die  historischen  Thatsachen  bezüglich 
der  Abt  Poppo  zngeschriebenen  Bauten,  i)  In  Echternach 
begann  der  Bau  bereits  1016  und  war  nach  zwölf  Jahren, 
als  Poppos  Schüler  Humbert  die  Leitung  des  Klosters  über- 
nahm, bis  zu  den  Fenstern  vorgeschritten:  mithin  kann  von 
einem  Einfluss  Poppos  auf  den  Grundriss  schwerlich  die 
Rede  sein«  In  Hersfeld  wurde  der  Neubau  der  1037  ab- 
gebrannten Kirche  erst  begonnen,  als  der  von  Poppo  hier 
eingesetzte  Rudolf  Bischof  von  Paderborn  geworden  war. 
Da  die  Kirche  erst  1144,  also  hundert  Jahre  später,  fertig 
wurde,  fällt  jeder  sichere  Rückhalt  fort,  um  sie  mit  Poppo  in 
Beziehung  zu  setzen.  Was  Limburg  betriff!;:  so  kennen  wir 
jetzt  den  Baumeister:  es  war  der  Mönch  6umbert,'der  den 
Grundriss  entwarf  und  die  Grundmauern  legte. ^)  Da  1035  die 
Weihe  der  Crypta  erfolgte,  kann  der  Bau  nicht  lange  vorher 
begonnen  sein.  In  eben  dem  Jahre,  wenn  nicht  früher,  hatte 
hier  Poppo  seinen  Neffen  Johannes  eingesetzt,  dem  nach  we- 
nigen Monaten  eben  jener  Gnmbert  als  Abt  folgte,  ebenfalls 
nur  für  kurze  Zeit  Damals  hatte  Poppo  nicht  mehr  den  ge- 
ringsten Einfluss  auf  Limburg.^)  Johannes  und  seine  Nach- 
folger wiesen  jede  Unterordnung  unter  Poppo  ab,  was  dessen 
Biographen  Anlass  giebt,  von  dem  nun  folgenden  Verfall  des 
Klosters  zu  sprechen. 

Aus  alledem  folgt,  dass  die  Behauptung  völlig  unhaltbar 
ist,  unter  Poppos  Leitung  —  sei  es,  dass  man  in  ihm  den 
Architecten  oder  Bauherrn  sehen  will  —  seien  jene  grossen 
Kirchenbauten  entstanden.  Die  Frage  wäre  nur  die,  ob  seine 
Schüler  nicht  die  Träger  spezifischer  Bauformen  gewesen  sein 
könnten.    Hier  ist  jedoch  zu  beachten,  dass  die  Aebte  von 


0  Auf  die  folgenden  Thatsachen  hat  zuerst  Manchot  hingewiesen. 

')  Manchot  teilt  S.  85  f.  die  Inschrift  des  in  den  Ruinen  von  Lim- 
burg gefundenen  Grabsteins  mit    £s  heisst  hier: 

Cuius  frater  adhuc  actentis  ut  stat  opus 
Ftmdamenta  iacis  . . . 
Gumbert  starb  ca.  1036  (Ladewig  S.  82f.).  Die  Stelle  kann  natürlich  nicht 
den  Sinn  haben,  dass  der  MOnch  die  Kirche,  soweit  sie  bei  seinem  Tode 
bestand,  eigenhändig  baute,  sondern  dass  er  der  Architect  war. 

*)  Er  hat  ihn  auch  nicht  mehr  erlangt ;  und  die  Notiz  Manchots  S.  8, 
dass  Poppo  1038  in  Limburg  wieder  zu  Einfluss  gelangte,  beruht  jeden- 
falls auf  einer  Verwechselung  mit  St.  Maximin. 


898 

Echternach,  Hersfeld,  Weissenbnrg  und  Limburg  sämtlioh  ans 
St  Maximin  kamen,  und  wenn  man  ein  gemeinsames  Modell 
will,  dieses  am  ehesten  in  Trier  gesucht  werden  mttsste.  lieber 
St.  Maximin  in  dieser  Zeit  wissen  wir  gar  nichts;  nur  verrät 
der  Trierer  Dom  in  der  Westfront  eine  starke  Aehnliehkeit  mit 
der  Kirche  Ton  Limburg,  wenn  man  sich  den  Westchor  durch 
die  Vorhalle  ersetzt  denkt ^)  Dass  Echternach  von  Trier  beein- 
flnsst  sein  wird,  darf  man  a  priori  annehmen.^)  Auf  der  andern 
Seite  wird  Limburg  mit  Speier  und  Constanz')  verglichen  und 
eine  Entwicklung  von  Constanz  ttber  Limburg  nach  Speier  an- 
genommen, oder  Limburg  geradezu  einer  Strassburger  Ban- 
schule  zugeschrieben.^)  Während  der  Gonstanzer  Dom  vor 
allem  durch  die  beiden  WesttQrme  und  den  quadratischen 
Chor  Limburg  vorausgegangen  sein  soll,  fand  sich  die  Vor- 
halle und  ebenfalls  der  quadratische  Chor  bereits  am  Strass- 
burger Mttnsterbau.^) 

Da  wir  nun  in  Deutschland  den  quadratischen  Chorab- 
sehluss  und  die  beiden  Westtürme  vorher^)  oder  doch  wenig 
später  überall  verbreitet  finden,  da  femer  die  einheitliehe 
Leitung  der  Bauten  von  Limburg,  Hersfeld  und  Echternach 
durchaus  unbewiesen,  ja  sehr  unwahrscheinlich  ist,  so  werden 
wir  unmöglich  auch  nur  mit  einiger  Sicherheit  gerade  von  Cloni 
oder  St  Vannes  aus  die  einzelnen  Grundmotive  herleiten.  Die 
Sache  liegt  einfach   so,  dass   im   östlichen   Frankreich   und 


>)  Vgl.  auf  der  Zeichnung  bei  Dehio  t218  vor  allem  die  Stellung 
der  Treppentünne  in  Trier  und  Limburg.  Der  Trierer  Dom  wurde  in 
eben  den  Jahren  wie  Limburg  restauriert;  1037  fand  die  Weihe  statt. 
Vgl.  Lesser,  Poppe  von  Trier  S.  33. 

*)  Poppo  Yon  Trier  weihte  sie  1031  selbst;  Lesser  S.  34. 

')  So  von  F.  J.  Schmitt  in  einer  Recension  von  Manchots  Schrift, 
Repertorium  fUr  Kunstwissenschaft  XV,  541,  wo  die  Ansicht  vertreten 
wird,  der  Bauplan  von  Limburg  sei  im  Anschlnss  an  den  Dom  von  Con- 
stanz entstanden. 

*)  Von  Manohot  S.  46  ff. 

*)  Manchot  p.  47.  Was  aber  die  Aehnliehkeit .  der  Meisseltechnik  an 
den  Steinen  der  Strassburger  Crypta  und  den  in  Limburg  gefundenen  be- 
trifft, so  wird  man  daraus  schwerlich  die  Schlüsse  ziehen  können,  die 
Manchot  zieht 

")  Dehio  p.  211  weist  selbst  auf  Gorvey,  das  bereits  im  10.  Jahrb. 
dasselbe  Schema  des  Westbaus  hatte. 


399 

südwestlichen  Dentsehland  die  Tendenz  für  gewisse  For- 
men vorhanden  war  und  dass  überall,  wo  das  Bedürfnis 
das  gleiche  and  die  Bedingungen  ähnliche  waren,  natürlich 
unter  gelegentlicher  Nachahmung  bestehender  Vorbilder,  ana- 
löge  Entwicklungen  stattfanden.  Nehmen  wir  selbst  an,  dass 
Richard  von  St.  Vannes  das  Schema  des  Westbaus  Ton  Glnni  0 
entlehnte  —  was  noch  des  Beweises  bedürfte  — ,  so  hat  es 
Poppo  jedenfalls  nach  Stablo  nicht  verpflanzt  Ob  sein  Schüler 
Humbert  es  in  Echternaeh,  wo  der  Bau  in  zwölf  Jahren  schon 
weit  vorgeschritten  war,  noch  zur  Anwendung  bringen  konnte, 
ist  mindestens  zweifelhaft;  und  ebenso  muss  es  für  Limburg 
als  ganz  ungewiss  gelten,  ob  die  westliche  Anlage  auf  Poppos 
Einwirkung  zurückzuführen  ist  Was  Hersfeld  betrifft,  an  dem 
hundert  Jahre  gebaut  wurde,  und  wo  der  Bau  begann,  als  Poppo 
da  längst  nichts  mehr  zu  thun  hatte,  so  würde,  wie  man  rich- 
tig bemerkt  hat^),  aus  der  Aehnlichkeit  mit  Limburg  höchstens 
zu  folgern  sein,  dass  der  Hersfelder  Architect  den  Limburger 
Bau  gekannt  hat,  der  seinerseits  ohne  Frage  auch  auf  den 
Speierer  Dom  nicht  ohne  Einfluss  war.  Die  Abweichungen  der 
verschiedenen  Kirchen  sind  nun  auch  wieder  im  einzelnen  so  gross, 
dass  schon  damit  der  Gedanke  einer  einheitlichen  Bauleitung 
an  Gewicht  verliert')  Noch  stärker  treten  die  Unterschiede 
hervor,  wenn  man  sie  gar  mit  den  Cluniacenserbauten  in  Be- 
ziehung setzt^)    Die  Quellen  reichen  für  unsere  Zeit  meistens 

*)  Vor  allem  käme  es  darauf  an  zu  wissen,  ob  der  Westbau  in 
Cluni,  der  vielleicht  erst  Odilo  zuzuschreiben  ist,  überhaupt  älter  war,  als 
St.  Vannes.  Da  die  westdeutsche  Architectur  im  allgemeinen  auf  einer 
höheren  Stufe  steht,  als  die  bnrgundische  (was  auch  Dehio  anerkennt), 
kann  Burgund  ebenso  gut  von  Osten  beeinflusst  sein,  als  umgekehrt. 

>)  Manchot  S.38. 

*)  lieber  das  Verhältnis  von  Limburg,  Hersfeld,  Echternaeh  und 
Weissen  bürg  ist  schon  gesprochen  worden.  Dehio  nahm  freilich  an,  dass 
die  Ostpartie  in  Hersfeld  auf  einen  älteren  Grundriss  zurückginge.  Dieser 
Annahme  widerspricht  Graf,  Neue  Beiträge  zur  Entstehungsgeschichte  der 
kreuzförmigen  Basili(«4i,  Repert  f.  Kunstwissenschaft  XV,  16,  nach  dem  der 
Ostban  ursprünglich  drei  auf  dem  Querschiff  aufsitzende  Absiden  aufwies, 
während  er  die  spätere  Form  Poppo  zuschreibt.  Dann  würde  aber  der 
Unterschied  zwischen  den  einzelnen,  angeblich  popponischen  Bauten  noch 
crasser  und  auf  einen  fast  gänzlichen  Systemmangel  hinweisen. 

*)  Das  Chorscbema,  das  Dehio  für  Cluni  zu  reconstruieren  sucht  und 
das  die  normannischen  Kirchen,  Peterlingen,  La  Couture,  Hirschau  zeigen, 


400 

nicht  ans,  anch  nnr  mit  einiger  Bestimmtheit  den  letzten  Aas- 
gangspunkt einer  Bauform  anzugeben;  bei  dem  ungemein  leb- 
haften Verkehr  der  einzelnen  Klöster  untereinander  einerseits, 
dem  Mangel  an  Centralisation  auf  der  andern  Seite  war  der 
Willkür  und  dem  subjectiven  Ermessen  viel  zu  viel  Spielraum 
gelassen,  als  dass  wir  den  bunten  Wechsel  der  Erscheinungen 
in  unserem  Falle  mit  einiger  Sicherheit  an  dem  Faden  chrono- 
logischer Entwicklung  und  causalen  Znsammenhangs  aufzu- 
reihen vermöchten. 

Kleinkunst. 

Neben  der  Architectur  erfuhr  das  Kunstgewerbe  durch  die 
Wiederherstellung  zahlreicher  Kirchen  einen  ungeahnten  Auf- 
schwung. Man  setzte  den  grössten  Stolz  darein,  die  Gottes- 
häuser würdig  auszustatten,  man  hielt  es  ftlr  eine  Pflicht,  die 
wiedergewonnenen  und  wiederentdeckten  Heiligen  zu  ehren. 
Die  Wände  der  Kirchen  wurden  mit  Malereien  geziert  und 
mit  gewebten  Teppichen  behangen.  Das  Hauptaugenmerk 
richtete  man  auf  die  künstlerische  Ausstattung  der  Altäre 
und  Anschaffung  wertvoller  Altargeräte.  Kunstbegabte  Mönche 
wurden  stets  gern  aufgenommen  und  mit  Aufgaben  betraut 
In  grösseren  Abteien  waren  fttr  die  Goldschmiede,  Edelstein- 
fasser,  Glasmacher,  Weber  besondere  Werkstätten  errichtet 
Das  wichtigste  Moment  in  der  Entwicklung  des  Kunstge- 
werbes ist  der  fortwährende  Austausch  künstlerischer  Ideen 
und  Fertigkeiten  in  diesen  Klöstern.  Die  Geschenke,  die 
von  verschiedenen  Seiten  eintrafen,  beförderten  Uebertra- 
gungen  neuer  Stilformen.   Die  Künstler  zogen  von  Ort  zu  Ort; 

begegnet  in  den  von  unq  bier  betrachteten  Kirchen  nirgend.  Die  Michaels- 
capelle  ist  in  den  sogen,  popponischen  Bauten  bisher  nicht  nachgewiesen. 
Wenn  Dehio  S.  211  den  Mangel  der  Grypta  als  spezifisch  cluniacensisch 
ansieht,  so  ist  nur  darauf  hinzuweisen,  dass  Odo  in  Fleury,  Richard  in 
St.  Vannes,  Poppo  in  Malm6dy  gerade  Crypten  anlegen  Hessen,  wo  bis- 
her keine  waren.  Der  einzelne  Westtunn  begegnet  gerade  in  Glunia- 
censerbauten,  wie  Romainmoutier,  während  Dohio  die  doppelten  West- 
türme aus  dem  Farfeser  Bericht  als  cluniacensisches  Princip  nachzuweisen 
sucht  Hiemach  kann  man  weder  von  einer  cluniacensischen  Schule,  die 
nach  Deutschland  herüber  gewirkt  hätte,  noch  von  einer  popponischen 
reden:  Uebertragungen  im  einzelnen  Falle  und  bei  Qelegenheit  natürlich 
zugegeben. 


4Ö1 

man  berief  fttr  gewisse  Arbeiten  selbst  ans  entfernteren  Ge- 
genden Personen,  die  in  ihrer  Kunst  einen  gewissen  Ruf  hatten. 
Namentlich  kam  von  Italien  nnerschöpfliehe  Anregung:  von 
hier  holte  man  Goldschmiede  und  MusivkUnstler.  Von  ihren 
Romreisen  brachten  die  Aebte  Kunstgegenstände  mit,  genau 
so,  wie  es  in  späterer  Zeit  geschah.  Der  Erwerb  von  Re- 
liquien, namentlich  aus  dem  heiligen  Lande,  bewirkte  nicht 
nur  Kirchengrttndungen,  sondern  auch  die  Herstellung  kost- 
barer Reliquienbehälter. 

Eifrige  Pflege  fand  die  Webekunst  in  den  reformierten 
Stiftern.  Bereits  Odo  von  Glnni  liess  einmal  ein  Wunder,  das 
zu  seiner  Zeit  geschah,  in  einen  Teppich  einweben.^  Von 
besonders  prachtvollen  Gobelins  erfahren  wir  aus  St.  Florent 
de  Saumur.'^)  Hier  wurden  eine  Menge  Wandteppiche,  Sessel- 
decken und  dergleichen  kunstvolle,  figurenreiche  Webstttcke 
angeschafft.  Namentlich  zwei  Wandtapeten  aus  kostbarem  Stoff 
werden  erwähnt;  die  eine  mit  eingewebten  Elephanten,  die 
andere  mit  Löwen  und  Vögeln.  Der  letztgenannte  Teppich  hatte 
einen  weissen  Rand,  von  dem  die  Tiere  sich  rot  abhoben. 
Die  Darstellung  von  Tierbildern  auf  Geweben  scheint  ebenso 
beliebt  gewesen  zu  sein,  wie  auf  den  Säulencapitälen;  denn 
auch  in  Anxerre  hatte  man  eine  purpurne  Casula,  in  die 
scharlachrote  Adler  eingewebt  waren  neben  goldgestickten 
Arabesken.^)  Goldstickerei  war  fttr  den  geistlichen  Ornat,  die 
Casel,  Albe,  Stola  u.  s.  w.,  in  der  Mode.^)  Besonders  kostbare 
Gewänder  waren  bisweilen  mit  Edelsteinen  besetzt*^),  am  herr- 
lichsten natürlich  solche  geziert,  die  von  Königen  und  Köni- 
ginnen einzelnen  Kirchen  geschenkt  wurden. 

Daneben  erfreute  sich  der  Erzguss  und  die  Goldschmiede- 
technik grosser  Beliebtheit.  In  Gluni  gab  es  eine  besondere 
Werkstätte  fttr  die  Goldschmiede,  Edelsteinfasser  und  Glas- 
macher.   Hier  war  also  der  Ort,  an  dem  Odilo  aus  dem  von 


0  Job.  V.  Od.  I,  c.  85. 

>)  Hist  S.  Florentii  p.  257.  258;  vgl.  Labarte  IV,  367. 

^)  Hist.  episc.  Autissiod.  c.  49,  ed.  Dura  p.  390. 

*)  V.  Gauzl.  I,  c.  36  und  die  in  Aum.  5  angeführten  Stellen;  casvUam 
viridem  cum  awrifrisio  giebt  die  Gräfin  Adverada  an  St.  Vannes,  H.  Flav. 
II,  375. 

^)  Hist  S.  Flor.  p. 258;  Hist.  episc.  Autissiod.  a.a.O. 

Saoknr,  Cltmiftcenaer.    II«  26 


402 

spanischen  Christen  erbeuteten  sarrazenischen  Gold  und  Silber 
ein  Ciborinm  ftir  den  Altar  des  hl.  Petras  anfertigen  liess,  mit 
silbernen  Säulen  in  Nielloarbeii    Viel  mehr  wissen  wir  Ober 
die  Metallarbeiten  in  Fleury.    Hier  liess  Abbo  die  Altäre  mit 
silbernen  Platten  aussehmtteken  und  vollendete  eine  goldene 
Altartafel,  die  Oylbold  begonnen  hatte.   Die  Holzwand  am  das 
Grab  des  hl  Benedict  wurde  durch  Metallreliefs,  welehe  die 
Wander  des  Heiligen  darstellten,  geziert i)    Gauzlin  bemühte 
sich  dann  namentlich  um  prächtige  Ausstattang  des  Ghorhauses 
und  seiner  Gerätschaften.    Es  wurde  ein  ttberaas  kunstvoller 
Lettner  verfertigt,    an  dessen  Herstellung   ein  lombardischer 
Ktlnstler  Nivardns  und  der  Erzpriester  Rodulfus  beteiligt  waren. 
Letzterer  goss  die  mit  kunstvollen  Reliefs  versehenen  Tafeln 
aus  spanischem  Kupfer,  die  von  einander  dnrch  Säulen  getrennt 
waren,  die  Nivardns  meisselte.   Achtzehn  spiegelblanke  Metall- 
platten wurden  ausserdem  in  Zwischenräumen  am  Paneel,  dem 
fortlaufenden  Säulenpostament,  angebracht.^)   Ausserdem  waren 
Marmorreliefs  verwendet  worden,  die  Gauzlin  aus  der  Romagna 
hatte  kommen  lassen.^)  Vielleicht  war  derselbe  Meister  Rodulf 
auch  der  Verfertiger  eines  Lesepults  von  spanischem  Kupfer, 
das  aaf  vier  Löwen  ruhte,  tlber  denen  sich   eine  drei  Ellen 
hohe,  gegossene  und  reich  verzierte,  von  einem  fliegenden  Adler 
gekrönte  Säule  erhob.^)   Das  Chorgesttthl  von  Buchenholz  ver* 
sah  Gauzlin  an  der  Rückwand  mit  Porphyrplatten,  die  er  ans 
der   römischen  Peterskirche   beschafft   hatte  und  die  er  mit 
Messingleisten  umgab.  Vor  den  rings  an  der  Wand  des  Sane- 
tuarium   fortlaufenden   Chorsttthlen    stand   der   Abtsitz.^)     In 
Fleury  ruhte  er  auf  vier  Löwen  aus  Metall.    Die  Fassbank 
war  aus  Porphyr,  der  Sitz  selbst  zeigte  dieselben  Verzierungen 
wie  die  Chorstühle. •) 


>)  M^m.  de  POrl^anais  XIV,  642. 

*)  V.  Gauzl.  II,  c.  22.  Der  chorus  paaUentium  ist  der  Lettner;  vgl. 
Otte,  Handbncb  der  kirchl.  Kunstarchäologie  I,  51. 

*)  V.  Gauzl.  I,  c.  35 :  Chorum  psaüentium  quoqnc  p^dcherrimo  marmo- 
rwn  compsit  emblematey  quae  aaportari  iusserat  a  partibw  Eomaniae.  Ich 
denke  doch,  dass  die  Nachrichten  sich  auf  denselben  Lettner  beziehen. 

*)  I,  c.  35. 

^)  Otte,  Handb.  der  christl.  Kunstarchäologie  I,  47. 

«)  V.  Gauzl.  II,  c.  62. 


403 

Der  Wechsel  zwischen  Marmorscnlpturen  und  Metallgnss- 
arbeiten  ist  characteristisch  für  die  Kunstbestrebnngen  und  den 
Geschmack  Ganzlins,  der  insofern  von  italienischen  Knnstrich- 
tangen  beeinflusst  war,  als  Italien  ihm  das  Material  und  in 
Nivardus  einen  Bildner  lieferte.  Einen  etwas  anderen  Cha- 
racter  tragen  die  grossen  Arbeiten  in  Lothringen,  vor  allem 
in  Verdun.  Hier  herrschte  die  getriebene  Bronce  und  Email- 
technik vor.  So  war  der  Ambo  von  St.  Vannes,  der  wie  der 
in  Flenry  ein  sogenanntes  Adlerpult  trug,  auf  allen  vier  Seiten 
mit  Basreliefs  in  getriebener  Bronce  geschmückt,  die  vermut- 
lich mit  Emailfarben  bemalt  waren  und  in  allen  Teilen  Scenen 
und  Figuren  aus  dem  alten  und  neuen  Testament  darstellten. 0 
Einen  kunstvollen  aus  getriebenem,  teils  vergoldetem,  teils  ver- 
silbertem Metall  verfertigten  Ambo  mit  Adlerpult  hatte  auch 
die  Kirche  von  Lobbes.^)  Ebenso  wies  das  reich  ausgestattete 
Ciborium  des  hl.  Vitonus  Broncereliefs^)  auf,  auf  der  Vorder- 
seite eins  mit  den  Bildnissen  Gottes,  des  Apostels  Petrus  und 
des  hl.  Vitonus,  das  von  Emailsäulen  mit  silbernen  Basen  in 
getriebener  Arbeit  umgeben  war.^)  Silberne  oder  goldene,  ofk 
mit  Edelsteinen  geschmückte  Altartafeln,  die  mitunter  Reliefs 
oder  Malereien  zeigten,  durften  nirgend  fehlen.^)  Dazu  kam 
die  grosse  Zahl  von  Kirchen-  und  Altargeräten  aller  Art,  Ge- 
fässe,  Candelaber,  silberne  und  goldene  Kronen^),  Kreuze,  in 
Edelmetall  gebundene  RitualbQcher  n.  s.  w.'')    Neben  Gold  und 


^)  S.  Richard  von  S.  Vannes  S.  82.  83.  Emailarbeiten  späterer  Zeit 
aus  Stablo  s.  Rheinland.  Jahrb.  Bd.  46,  S.  152. 

*)  Gesta  abb.  Lobb.  e.  29. 

')  Hngo  Flav.  II,  c.8:  opere  cadatorio, 

*)  ib.:  columnae  ex  dectro  purüsimo  cum  baaeis  argenteis  arte  fusili 
et  anaglifo;  vgl.  Richard  S.  83. 

^)  Chron.  S.  Ben.  p.  152;  Chron.  Anreliac  ed.  Mabillon,  Vetera  Anal, 
p.  350;  Cartal.  de  Savigny  I,  87;  V.  Job.  Gorz,  c.  90;  Gesta  abb.  Lobb.  c.  29; 
Odoranni  Chron.  S.  Petri  1015,  ed.  Daru  II,  396;  Bist,  episc.  Aatissiod. 
c. 45,  p. 381;  Bngo  Flav.  II,  c.8;  vgl.  Otte,  Bandbuch  der  christl.  Kunst- 
archäologie 1, 134;  Labarte,  Bist  des  arts  indostr.  II,  177. 

*)  So  eine  Krone  für  72  Lichter  in  Stablo;  vgl.  Barless  und  aus'm 
Weerth,  Der  Reliquien-  und  Omamentenschatz  der  Abteikirche  zu  Stablo, 
Rheinland.  Jahrb.  Bd.  46,  S.  147. 

^)  Vgl.  n.  a.  Bugo  Flav.  11,  c.  8.  Derartige  Erwähnungen  sind  so 
häufig,  dass  die  Aufzählung  zwecklos  ist. 

26* 


404 

Silber  wurden  dafttr  Edelsteine,  Onyx,  Beryll,  dann  Elfenbein 
reiehlieh  verwendet 

Mit  der  Wiederherstellung  der  Kirchen  und  Stifter  wurde 
der  Sehmuck  der  Heiligengräber  zu  einer  dringenden  Sorge. 
Hervorragend  war  das  neue  Grab  des  Patrons  von  St  Benigne. 
Aus  Quadersteinen  erbaut,  hatte  es  eine  Länge  von  3,68  und 
eine  Breite  von  2,30  Metern.  Ueber  der  steinernen  Decke  er- 
hoben sich  vier  Marmorsäulen,  die  einen  gewölbten  Baldachin 
von  Holz,  der  mit  Gold  und  Silber  bekleidet  war,  trugen.  In 
bemalter  Reliefarbeit  brachte  er  die  Geschichte  der  Geburt  und 
Passion  Christi  zur  Anschauung.^)  Für  ein  Kunstwerk  ersten 
Ranges  galt  auch  der  Sarcophag  des  hl.  Savinian,  den  Odorann 
von  Sens  verfertigte.^)  Die  Königin  Constanze  hatte  zuerst 
den  Gedanken,  den  Leib  des  Heiligen,  der  in  einem  Bleisarge 
ruhte,  mit  Gold  und  Edelstein  umgeben  zu  lassen,  und  natür- 
lich erklärte  sieh  ihr  Gemahl  zu  diesem  Werke  der  Pietät 
gern  bereit  Er  Hess  Odorann ,  der  sich  durch  künstlerische 
Arbeiten  bereits  ausgezeichnet  hatte,  an  den  Hof  kommen. 
Das  Metall,  das  Robert  fdr  das  Werk  spendete,  lief  in  einzel- 
nen Raten  ein,  vermutlich  entsprechend  dem  augenblicklichen 
Bedürfnis,  wie  es  die  Fortsetzung  der  Arbeit  erheischte,  bald 
geprägt,  bald  in  Barren.  Das  wertvollste  waren  die  kostbaren 
Steine,  die  er  dazu  hergab.  Im  Chor  der  Kirche  hatte  der 
Mönch  seine  Werkstatt  aufgeschlagen,  wo  er  die  silbernen 
Figuren,  unter  ihnen  das  Bild  des  Königs,  auf  dem  Sarcophag 
befestigte. 

In  seinem  Kloster  von  Limoges  ruhte  der  hl.  Martialis  in 


*)  Vgl.  Chron.  S.Ben,  p.  147;  Bougaud,  Etüde  snr  la  mission  de 
St.-B6nigne,  Autun  1859. 

s)  Vgl.  Odoranni  Chron.  a.  1031,  ed.  Dum  II,  897  ff.;  vgl.  Die  Urk. 
Heinrichs  I.  von  1035,  Juli  (Quantin,  Gartul.  de  TVonne  I,  167):  cuius  vt- 
nerabile  corpus  idem  genitor  mens,  a  solo  elevanSf  auro  et  gemmis  omavit; 
I^barte,  Hist  des  arts  industriels  II,  203.  In  dem  Protocoll  über  den 
Schatz  von  St-Pierre-le-Vif  im  Bulletin  de  la  soci^t^  arch6ol.  de  Sens  XI 
(1877),  80  heisst  es:  Premihrement  la  chässe  de  saint  Savinien,  premier 
archevSqae  et  tnartyr  de  la  viüe  de  Sens,  laqueUe  est  kargend  rdeoi  de 
figures  en  demy  relief  et  Vun  des  frontispices  de  fin  or  gamy  de  plusiewres 
pierres  prifieuses  et  de  deux  grandes  agathes  qui  sont  hors  deprix:  data 
laquelle  sont  le  corps  du  dit  saint  Savinien  etc. 


405 

einem  goldenen,  edelsteingeschmtickten  Bebälter,  der  gegen 
Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  vom  Feuer  zerstört  wurde. 
Innerhalb  vierzehn  Tagen  stellte  jedoch  der  Mönch  Gauzbert, 
der  Gustos  des  Grabes,  den  Sareophag  wieder  her,  ja  er  ver- 
fertigte eine  goldene  Statue  des  hl.  Martialis,  wie  er  über  dem 
Altar  sass,  mit  der  Rechten  das  Volk  segnend  und  mit  der 
Linken  das  Evangelienbueh  haltend.  Aus  diesem  Heiligen- 
bilde machte  der  nächste  Abt  Jozfred  wieder  ein  goldenes,  mit 
Edelsteinen  geschmücktes  ReUquiar  fUr  St.  Martialis.^) 

Die  Zahl  der  Kunstwerke,  die  mit  der  Wiedererstehung 
der  Klosterkirchen  angefertigt  imd  angeschafft  wurden,  war 
natürlich  unendlich  viel  grösser,  als  unsere  zufälligen  Nach- 
richten der  Quellen  besagen.  Es  kommt  auch  gar  nicht 
darauf  an,  jedes  Stück,  jedes  Kreuz,  jeden  Kelch,  jede  Stola 
zu  verzeichnen.  Es  genügt  zu  betonen,  dass  diese  Zeit  für 
das  Kunstgewerbe  eine  Blttteepoche  bezeichnete:  die  Devotion 
der  Gläubigen,  besonders  der  Fürsten,  setzte  die  Abteien  in 
den  Besitz  grosser  Mittel,  die  religiöse  Vertiefung  gab  der 
künstlerischen  Phantasie  erhöhten  Schwung,  der  internationale 
Verkehr,  namentlich  der  mit  Italien  und  der  beginnende  mit 
dem  Orient  beförderte  die  Uebertragung  von  Stilformen  und 
technischen  Fertigkeiten.  Auch  mag  in  jener  Zeit  in  einzelnen 
Klöstern  die  eine  oder  andere  Technik  ihren  Ausgangspunkt 
genommen  haben;  so  in  Lothringen  die  Kunst  des  Emaillierens. 
Aber  ist  es  selbst  unmöglich,  hier  über  Vermutungen  hinaus- 
zukommen, so  zeigt  sich  doch  auch  in  diesem  Falle,  dass 
kaum  eine  Seite  menschlicher  Kultur  von  der  Wiederbelebung 
des  Klosterwesens  im  zehnten  Jahrhundert  unberührt  blieb. 
Noch  deutlicher  tritt  uns  diese  Thatsache  auf  wirtschaftlichem 
Gebiete  entgegen. 

>)  Commemor.  abb.  S.  Marc.  ed.  Duplös-Agier  p.  5.  6. 


Dreizehntes  Capitel. 

Wirtschaft  und  Klosterreform. 


i 

Besitzerwerb  and  Landealtar. 

Der  relig;i58e  Aafsehwang  des  sehnten  Jahrhunderts  und 
vielfaehe  soeiale  Beziehnngen  znr  Laienwelt  braehten  die  Klö- 
ster in  den  Besitz  weit  zerstreuter  Ländennassen,  i)  Hit  grossem 
Eifer  betrieben  die  Aebte  den  Wiedererwerb  der  abhanden  ge- 
kommenen Guter.  Die  Mönche  predigten  nnaofhöriieh  die  Ver- 
dienstliehkeit  der  Schenkang,  sie  verstanden  das  Yertranen  zo 
ihren  Gebeten  und  Messen,  zn  ihren  reUgiösen  Handlangen  aller 
Art  stetig  zn  steigern.  Durch  die  materieUen  Dienste,  die  sie 
den  Nachbarn  leisteten,  indem  sie  ihnen  Geld  oder  Getreide 
liehen,  indem  sie  Pensionäre  aufoahmen  oder  Versichernngs- 
gesehäfte  eingingen,  indem  sie  der  Begräbnispflicht  sich  unter- 
zogen, kamen  sie  nicht  nur  in  die  Lage,  für  diese  Leistungen 
ihren  Grundbesitz  zu  mehren,  sondern  sie  erhöhten  aueh  ds8 
Ansehen  ihrer  Klöster  unter  den  Bauern  der  Umgegend,  wussten 
sich  unentbehrlich  zu  machen  und  schufen  damit  ihren  Be- 
strebungen eine  immer  weitere,  immer  festere  Grundlage.  Mit 
der  Stellung  der  Klöster  wuchs  wieder  die  Bewertung  ihrer 
geistlichen  Functionen:  so  waren  diese  reliigösen  und  mate- 
riellen Dienste  geeignet,  sieh  immer  gegenseitig  zu  Gunsten 
des  Ansehens  und  des  Besitzes  der  Abteien  zu  fördern.  Je 
nach  ihrer  Individualität  und  persönlichen  Bedeutung  waren 
Aebte  und  Wirtschafksbeamte  im  stände,  diese  idealen  und 
realen  Factoren  zum  Glänze  ihrer  Stifter  zu  verwerten. 


0  Vgl.  darüber  meine  Ausführungen  in  der  Zeitschrift  für  Social- 
und  Wirtschaftsgeschichte  I  (1893),  156  ff. 


407 

Es  bedarf  keines  Beweises,  dass  anter  allen  Klöstern 
Frankreichs  sich  keines  solchen  Ansehens  erfreute,  als  Cinni. 
Tansende  von  Schenkungsnrknnden  reden  noch  hent  von  der 
Frömmigkeit  hoher  und  niederer,  weltlicher  and  geistlicher 
Personen ,  die  entweder  sofort  Grandbesitz  hingaben  oder  nach 
ihrem  Tode  dem  Kloster  vermachten,  die  za  diesen  Schen- 
kungen daroh  Gegenleistangen  bestimmt  warden  oder  in  voller 
Freiheit  ihrer  Habe  sich  entäasserten. 

Man  wird  zugeben,  dass  Schenkuugen,  die  ohne  be- 
schränkende Bedingungen  einzig  und  allein  für  das  Seelen- 
heil gemacht  wurden,  immer  einen  höheren  Grad  religiöser 
Begeisterung  voraussetzen,  als  solche,  die  der  Geber  ohne  er- 
hebliehe Belastung  oder  Schädigung  für  seine  Lebenszeit  oder 
gegen  materielle  Entschädigungen  gewährte.  Will  man  des- 
halb eine  Vorstellung  von  dem  jeweiligen  Verhältnis  dieser 
idealen  Hingabe  an  die  religiösen  Ideen  zu  einer  weniger 
intensiven  Förderung  kirchlicher  Interessen  gewinnen,  so  hat 
man  nur  nötig,  das  vorhandene  Urkundenmaterial  nach  dem 
angedeuteten  Gesichtspunkte  zu  prüfen.  Die  reichen  Urkunden- 
schätze Glunis*)  geben  uns  ausreichenden  statistischen  Stoff, 
um  die  aufgeworfene  Frage  fttr  das  wichtigste  Reformkloster 
zu  beantworten. 

Es  ist  sicher  kein  Zufall,  wenn  die  bedingten  zu  den  un- 
bedingten Schenkungen  in  den  ersten  Jahrzehnten  der  Abtei, 
unter  den  Achten  Bemo  und  Odo  (910 — 942),  sich  verhielten  wie 
1  zu  2,  dass  also  am  Anfang  die  freie  religiöse  Hingabe  über- 


^)  Vgl.  folgende  Tabelle  der  cluniacensischen  Erwerbsacte  von  910 
bis  1048: 


910—942  I    948—954 


956—993 


994—1048 


'  Proo. 

Unbedingte  Schenkuogeni  154  »c.  57 

77  =  c.  29 
ll  =  c.  4 
28  =  0.10 


Bedingte  Schenkungen  . 

Kaufverträge 

Tauschacte 


Gesamtzahl  der  Erwerbs- 
acte      

jährlich 

durchschn.  Schenkungen 
Onerose  Erwerbungen  . 


Proc.  Proc. 

92=c.421   338  =  c.44i 

64  =  c.29     271=c.85i 

25  =  c.  Ui     90  =  c.  12 

38  =  c.  17       61  =c.    8 


460 

215 

77 

57 


Proc. 
C.57i 

C27 

c.  di 
c.   7 


270 
8,44 
7,22 
1,22 


219 
17,3 
12 
5,3 


760 

^809 

20 

15 

16 

12,5 

4 

2,5. 

408 

ans  stark  zum  Ansdrnck  kam.  Unter  den  folgenden  Aebten 
trat  naeh  dieser  Richtung  eine  Abnahme  ein:  unter  Aymard 
ist  das  Verhältnis  1  zu  1,5,  unter  Majolus  nur  1  zu  1,21.  Man 
bemerkt  den  progressiven  Rückgang  von  100  <^/o  auf  50  und 
dann  auf  kaum  25  ^/o  des  Uebergewichts  der  unbedingten 
Schenkungen.  Unter  Odilo  erreichte  Cluni  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten des  elften  Jahrhunderts  die  grösste  Ausdehnung  seines 
Ansehens:  eine  Thatsache,  die  sich  sofort  wieder  in  dem  Ver- 
hältnis der  bedingten  zu  den  unbedingten  Schenkungen  aus- 
prägt: sie  verhalten  sieh  unter  ihm  wie  1  zu  2,1. 

Diese  Zahlen  würden  uns  freilich  ein  Bild  von  der  ideellen 
Bewertung  der  cluniacensischen  Vermittlung  mit  dem  Himmel 
geben,  keine  richtige  Vorstellung  von  den  realen  Verhältnissen 
der  Abtei.  Wir  gewinnen  dagegen  eine  solche,  wenn  wir 
zeigen,  dass  die  Zahl  sämtlicher  Schenkungen  unter  Berno 
und  Odo  jährlich  durchschnittlich  7,22,  unter  Aymard  12,  unter 
Majolus  16  betrug.  Rechnet  man  sämtliche  Schenkungen,  die 
Cluni  unter  Odilo  empfing,  zusammen,  so  würden  wir  allerdings 
unter  ihm  einen  Rückgang  zu  constatieren  haben,  indem  die 
jährliche  Zahl  der  Schenkungen  auf  12,5  sank.  Aber  es  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  seit  der  Mitte  der  dreissiger 
Jahre  bis  zum  Ende  der  Regierung  Odilos  wohl  unter  dem 
Eindruck  der  starken  Hungersnöte  eine  überraschend  starke 
Abnahme  der  Schenkungen  eintrat.  Ist  es  auch  unmöglich  die- 
selbe zahlenmässig  auszudrücken  —  da  zahlreiche  Urkunden 
der  Datierung  entbehren,  deren  Chronologie  somit  innerhalb 
grösserer  Zeiträume  schwankt  — ,  so  wird  man  doch  bis  zu 
dem  genannten  Termin  die  jährliche  Zahl  eher  höher  als  zur 
Zeit  des  Majolus  veranschlagen  dürfen. 

Dagegen  begann  sich  die  Hingabe  weiter  Kreise  mit  der 
Zeit  mehr  und  mehr  zu  erschöpfen.  Es  muss  jedem,  der 
die  Urkunden  aus  der  Zeit  Hugos  von  Cluni  durchsieht,  auf- 
fallen, dass  Grafen  und  Fürsten,  Bischöfe  und  andere  hohe 
Geistliche  in  ganz  unverhältnismässig  grosser  Zahl,  ja  fast 
ausschliesslich  als  Wohlthäter  der  Abtei  erscheinen.  Die  grosse 
Masse  brachliegender  überschüssiger  Terrains,  die  häufig  den 
Inhalt  von  Schenkungen  ausmachte,  verringerte  sich  allmählich. 
Man  legte  auch  anscheinend  keinen  Wert  mehr  auf  den  Er- 
werb kleiner  Stücke  wie  früher;   die  kleinen  freien  Bauern 


i 


409 

waren  grösstenteils  von  der  Grossgrundherrschaft  aufgesogen 
worden.  Es  hing  femer  mit  der  steigenden  Knappheit  des  ver- 
fügbaren Landbesitzes  zusammen,  dass  seit  dem  elften  Jahr- 
hundert in  zunehmendem  Masse  eine  Entschädigung  der  Geber 
mit  mobilen  Werten  üblich  wurde.  Diese  begannen  im  all- 
gemeinen Wirtschaftsleben  eine  grössere  Rolle  zu  spielen  als 
früher.  An  Stelle  des  Naturalnmtausches  trat  der  Geldver- 
kehr,  offenbar  im  Anschluss  an  den  emporblühenden  Handel 
der  Städte.  Auch  das  flache  Land  konnte  von  diesem  Ueber- 
gang  zur  Geldwirtschaft  nicht  unberührt  bleiben.  Indem  man 
sich  aber  auf  diese  Weise  für  Schenkungen  entschädigen  Hess, 
kam  noch  ein  anderer  Gesichtspunkt  zum  Ausdruck.  Nach 
deutschem  Recht  besass  eine  freie  Schenkung  nicht  die  Gel- 
tungskraft, die  ein  Kaufact  hatte.  Erstere  war  widerruflich, 
letzterer  nicht.  Je  mehr  nun  der  klösterliche  Grundbesitz  von 
anderen  angefochten  wurde,  je  öfter  es  vorkam,  dass  die  Erben 
die  Schenkungen  der  Vorfahren  für  ungültig  erklärten,  desto 
stärker  musste  der  Wunsch  sein,  der  Tradition  durch  eine 
Gegengabe  die  volle  Rechtskraft  zu  sichern.  Dieser  vergtttig- 
ten  Schenkung  näherte  sich  aber  von  einer  andern  Seite  der 
Verkauf  von  Grundbesitz.  Man  konnte  leichter  jemanden  zum 
Verkauf  von  Grundstücken  bestimmen,  wenn  man  ihm  noch 
die  ideellen  Vorteile  zugestand,  die  mit  der  Schenkung  für  die 
Kirche  verbunden  waren.  Erhielt  die  Schenkung  aus  recht- 
lichen Gründen  häufig  den  Character  des  Verkaufs,  so  waren 
religiöse  Motive  bestimmend,  um  den  Verkauf  der  Schenkung 
zu  nähern.  1) 

Die  Aufspeicherung  grösserer  Geldsummen  aus  den  Zins- 
erträgen machte  es  nun  den  Klöstern  auch  möglich,  den  Be- 
sitzstand durch  wirkliche  Ankäufe  zu  vermehren.  In  zahllosen 
Fällen  hatten  die  Mönche  einzelne  Hufen,  Teile  von  Dörfern 
geschenkt  erhalten,  in  denen  nun  ihre  Colonen  vereinzelt  unter 
den  übrigen  Berechtigten  sassen.  Die  Folge  war,  dass  man 
die  freien  Bauern  durch  Ankauf  ihrer  Grundstütfke  zu  ver- 
drängen suchte.^)    Die  traurige  sociale  Stellung  der  kleinen 


»)  Vgl.  Zs.  f  Social-  u.  Wirtschaftegesch.  I,  176  ff. 
*)  Vgl.  die  ürk.  bei  Marchegay,  Archives  d'Anjou  II,  1  ff.  von  1050; 
CHCL  IV,  ur.3034  (1049—1109). 


410 

Bauern,  die  häufigen  Notstände  des  zehnten  und  elften  Jahr- 
hunderts zwangen  viele,  ihre  entwerteten  brachliegenden  und 
unergiebigen  Güter  zu  verschleudern.  Der  geschickten  Wirt- 
schaftsführung einzelner  Aebte  entging  diese  Gelegenheit  nicht, 
den  klösterlichen  Besitz  zu  vermehren  und  abzurunden,  mit 
Hilfe  einer  intensiveren  Wirtschaftsführung  ertragreicher  zu 
machen,  für  die  Hintersassen,  deren  Wohl  die  vornehmste 
Sorge  der  Oberen  war,  neue  Hilfsquellen  zu  eröffnen.^)  Aber 
auch  Tauschgeschäfte  kamen  häufig  genug  vor^);  sie  verrieten 
das  Bestreben,  den  zerstreuten  Besitz  zu  arrondieren,  entfernt 
liegende,  nur  mit  Mtthe  zu  schützende  und  zu  cultivierende 
Güter  gegen  vorteilhaft  gelegene  einzutauschen,  den  Verkehr 
zwischen  den  einzelnen  Pertinenzen  der  Domänen,  der  durch 
die  Streulage  sehr  erschwert  war,  zu  erleichtern  und  damit 
die  wirtschaftlichen  Kräfte  erst  zur  Genüge  auszunutzen. 

Von  Anfang  an  bildete  Grund  und  Boden  das  Hauptziel 
der  klösterlichen  Erwerbspolitik.  Daneben  kamen  freilich 
Nutzungsrechte  an  Wald  und  Weide  3),  Fischereigerechtigkeiten, 
Anteile  am  Salinenbau,  teils  losgelöst  von  ihrer  wirtschaftlichen 
Basis,  teils  mit  Grundeigen  in  ihre  Hände.  Renten  und  Zinse 
aller  Art  wurden  ihnen  überwiesen,  Zolleinnahmen,  Naturalien, 
Vieh,  Geldsummen  und  Schmucksachen  vermehrten  das  beweg- 
liche Eigentum  der  Abteien.  Zum  grossen  Teil  wurde  unbe- 
bautes und  vernachlässigtes  Ackerland,  Wald  und  Wiese,  ver- 
lassene Ansiedelungen  Klöstern  übergeben  ^),  auch  ganze  Dörfer 
und  Teile  derselben,  deren  Bewohner  den  alten  Herren  mit- 
unter zu  Heeresfolge  und  Kriegsdiensten  verpflichtet  blieben.^) 
Man  machte  es  den  Mönchen  ausdrücklich  zur  Pflicht^  den 
Boden  zu  cultivieren,  Wälder  zu  roden,  Häuser  und  Kirchen 
zu  bauen,  Flecken  und  Dörfer  anzulegen.^)  Mit  Energie  nah- 
men die  Wirtschaftsbeamten  sich  dieser  Verpflichtungen  an; 
es  war  ihr  Stolz,   möglichst  viel  herauszuwirtschaften.     Die 


^)  Zs.  f.  Social-  u.  WirtschaftagescL  I,  177. 

')  ib.  p.  179.   Vgl.  oben  die  Liste  der  cluniacensiscben  Tauschacte. 

>)  Zs.  f.  Social-  u.  Wirtschafksgesch.  1, 174,  n.  99  u.  100;  p.  184,  n.  151. 

*)  ib.  p.  190. 

»)  ib.  p.  183. 

«)  Marchegay,  Archives  d'Anjou  1, 359.  377;  CHOL  IV,  3322  (ca.  1050). 


411 

QaeUen  lassen  keinen  Zweifel  darüber,  dass  darin  mit  die 
Hauptaufgabe  der  Reformäbte  lag,  dass  man  diese  Fähigkeiten 
mindestens  ebenso  hoeh  als  kirchliche  Bedeutung  schätzte.^) 
Umsichtiger  Betrieb  von  Obstcultur^),  Fisch-  und  Geflttgelzncht, 
Salinen- 3)  und  Weinbau  war  schon  durch  die  Bedürfnisse  der 
Klosterinsassen  nahe  gelegt  Die  Salzgewinnung  hatte  noch 
den  Vorteil,  dass  man  auf  den  Märkten  die  Naturalüberschttsse 
der  Bauern  gegen  Salz  eintauschen  konnte.^)  Der  Weinbau 
wurde  von  qualifizierten  Arbeitern  besorgt,  die  im  Bifang  Wein- 
pflanzungen anlegten  und  ursprünglich  nach  einer  Reihe  von 
Jahren,  meistens  fUnf,  die  Hälfte  des  Anbaus  zu  freiem  Eigen 
behalten  durften:  eine  Yertragsform ,  die  sich  schon  im  elften 
Jahrhundert  zur  Vital-  oder  Erbpacht  entwickelt  hatte. 

Aber  man  ging  auch  an  die  planmässige  Anlage  von  Dorf- 
ansiedel  nngen.  Durch  den  neuen  Klosterbau  angezogen,  kamen 
viel  Leute,  Geistliche  wie  Laien,  und  baten  um  Land  zur  Be- 
siedelnng.  Man  schickte  sie  dahin,  wo  solches  der  Bestellung 
bedurfte,  und  ordnete  ganze  Gruppen  ab,  um  im  Waldesdickicht 
zu  roden  und  Dörfer  anzulegen.^)  Sie  Hessen  sich  auch  von 
.  selbst  in  den  Wäldern  nieder  und  bauten^)  etwa  in  der  Nähe 
einer  einsamen  Capelle  ^)  Häuser,  die  sich  rasch  unter  dem  Zu- 
fluss  landloser  Leute  vermehrten.  Gegen  einen  Zins  und  unter 
Anerkennung  der  klösterlichen  Herrschaft  wurden  diese  Hospites 
ansässig,  an  die  Scholle  gebunden,  aber  doch  selbständig  in  ihrer 
Wirtschaftsführung.  Man  baute  Kirchen,  legte  Märkte  an  ^) ;  das- 

0  Vgl.  V.  Job.  Gorz.  c.  67.  89;  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  37;  Cbron. 
S.  Hubert!  c.5,  SS.  VIII,  571. 

>)  Vgl.  Cbron.  S.  Ben.  p.  134;  Urk.  fttr  St.  Michel  de  Tonnerre,  Qoan- 
tin  I,  158;  Cart.  de  St.  Victor  I,  nr.20. 

')  V.  Job.  Gorz.  c.  89.  Salinen,  die  Gluni  hatte  und  von  einem  Mönche 
geleitet  wurden,  erwähnt  CHOL  IV,  nr.  3181. 

*)  Mirac.  S.  Ben.  VII,  o.  6;  Mir.  S.  Mansueti  c.  7,  SS.  IV,  510. 

*)  Vgl.  die  Aufzeichnung  bezügl.  St.  Mihiel  Cluniacenser  I,  382. 

«)  Mirac.  S.  Berch.  II,  c.  15;  Transl.  S.  Genulfi  c.43;  Flach,  Qrigines 
de  l'ancienne  France  II,  145. 

')  CHOL  IV,  nr.  3403  (1069). 

")  Dass  die  Errichtung  eines  Marktes  bei  der  Dorfgründung  wenig- 
stens im  elften  Jahrhundert  oft  das  erste  war,  ersehen  wir  auch  ans  einer 
Urkunde  des  Bischofs  Rainald  von  Paris  (992—1020)  aus  dem  Cart  de 
Vendöme,  angeführt  bei  Flach  II,  156,  n.  1:  in  qua  ecclesiam  edificavit, 
viUamque  construacit,  quam  vilXam  episcopi  nuncupavitf  mercatumque  in- 


412 

selbe  geschah,  wenn  etwa  der  Abt  darch  Hörige  Ortschaften 
gründen  liess. 

Um  den  Markt  oder  die  Kirche  erblühte  so  das  neue  Dorf; 
war  eine  Kirche  vorhanden,  so  war  sie  nrnsehanzt^  nnd  diente 
den  Dorfbewohnern  als  Znünchtsort  in  Kriegszeiten.  Hier 
brachten  sie  in  der  Vorhalle  ihr  Hansgerät,  ihre  Kleider,  Le- 
bensmittel, Getreidesäcke,  knrz  ihre  ganze  Habe  vor  den  Kriegs- 
leaten  in  Sicherheit.^)  Unmittelbar  an  die  Kirche  schlössen 
sich  mitunter  Häuser  an,  die  ebenfalls  Zufluchtsstätten  bilde- 
ten.^) Ja  die  Mönche  benutzten  die  Kirchen  als  Verkaufshallen 
oder  als  Getreidespeicher,  zur  Aufbewahrung  der  Natural- 
einnahmen.4)  Fttr  diese  bot  sich  der  Raum  wahrscheinlich  in 
den  Obergeschossen  der  westlichen  Turmanlage.^) 

Die  rasche  Zunahme  der  zerstreuten  Besitzungen  versetzte 
die  Klöster  nicht  selten  in  die  Schwierigkeit,  Überall  Ansiedler 
und  Bebauer  zu  finden.®)  Man  sah  sich  deshalb  vielfach  ge- 
nötigt, diese  Landgüter  unter  der  Form  der  Precarie  zu  ver- 
pachten.^) Der  Pächter  erhielt  freie  Verfügung  darüber  und 
war  nur  zur  Melioration  und  Zinszahlung  verpflichtet.  Man 
entschloss  sich  nicht  gern  zu  diesen  freien  Pachtungen,  durch 
die  der  Besitz  sich  aus  dem  wirtschaftlichen  Verhältnis  zur 


stituit.  Dasselbe  geht  auch  aus  der  Marseiller  Urkunde  von  1082  (Flach 
II,  150)  hervor,  wo  ein  im  Walde  entstandenes  Dorf  nach  zwei  Jahren 
bereits  ca.  100  Häuser  und  einen  Markt  hat.  V.  Joh.  Qorz.  c.  107  findet 
ebenfalls  in  einer  villa  Markt  statt.  Damit  wird  natürlich  das  Dorf  noch 
lange  keine  Stadt. 

0  Vgl.  Mir.  S.  Ben.  VIII^  c.  2 ;  auch  der  Friedhof  war  mitunter  um- 
schanzt yiU,  c.  1.   Fttr  das  spätere  Mittelalter  s.  Maurer,  Fronhöfe  II,  162. 

«)  Mir.  S.  Ben.  III,  c.  5;  VIII,  c.  23.  24.  27. 

>)  Chron.  S.  Benign!  p.  121:  Ecclesiam  sancti  Vincentii  cwn  habita- 
culis  ad  ipsam  ecclesiam  atrii  loco  pertinentibuSj  quas  ipsi  monachi  olim 
ibi  ad  refugii  locum  construxerant.  Fttr  den  Zweck  der  Vorhalle  vgl 
auch  Urk.  Roberts  IL  für  St.  Peter  von  Chälons  (HF  IX,  619):  cum  ... 
teloneo  . .  in  ati'io  eiuadem  ecclesiae  venundatae  mercis. 

*)  Go£&idi  Vindoc.  epist.  III,  15  ed.  Sirmond,  Opp.  III,  748:  Annonam 
nostraiUf  quae  in  ipsa  ecclesia  in  arcis  hahebatur. 

*)  So  ist  es  zu  erklären,  dass  mitunter  die  Zugänge  durch  Treppen 
fehlten,  wie  in  Peterlingen  (vgl.  Rahn,  L'Sglise  abbatiale  de  Payerne,  189S, 
p.  13.  14).  Es  genügten  fttr  den  Zweck  Leitern. 

«)  Vgl.  Zs.  f.  Social-  u.  Wirtschaftsgesch.  I,  180,  n.  129;  p.  187,  n.  175. 

')  ib.  p.  186. 


413 

yerleihenden  Kirche  loslöste  und  ihr  gänzlich  entfremdet  zu 
werden  drohte:  noch  zu  sehr  stand  in  aller  Erinnerang,  dass 
der  Verlust  zahlreicher  Kirchengttter  seit  dem  nennten  Jahr- 
hundert gerade  durch  die  Precarien Verleihungen  herbeigeführt 
worden  war.  Kein  Wunder,  dass  die  Leihe  meist  nur  als  Be- 
lohnung fUr  geleistete  Dienste  oder  Schenkungen  auftrat.  Da 
auch  der  Teilbau,  wie  wir  sahen,  in  Frankreich  am  Anfange 
des  elften  Jahrhunderts  sich  überall  zur  Vital-  und  Erbpacht 
entwickelt  hatte  i),  sehen  wir  hier  bereits  früh  jene  Lockerung 
des  Grossgrundbesitzes  durch  freie  Pachtformen  Yorbereitet, 
die  in  Deutschland  erst  ein  Jahrhundert  später  eintrat  Wir 
verbtehen,  weshalb  die  Precarienverleihung  an  die  Zustimmung 
der  Mönche,  beziehungsweise  des  Bischofs  gebunden  war,  wes- 
halb Aebte,  wie  Gauzlin  von  Fleury,  das  Bestreben  zeigten, 
alle  früheren  Pachtverträge  ihrer  Vorgänger  zu  beseitigen. 

IL 
Verwaltungs-Organismus. 

Den  Mittelpunkt  der  klösterlichen  Grundherrschaft  bildete 
der  Wirtschaftshof,  der  sich  an  die  Klostergebäude  anschloss. 
In  der  Nähe  lag  das  Salland,  das  unter  unmittelbarer  Aufsicht 
grundherrlicher  Beamten  von  Unfreien,  Mancipien  oder  den  zu 
Fronden  verpflichteten  Gehöfern,  hörigen  Bauern,  bewirtschaftet 
wurde.  Daran  schloss  sich  das  Gehöferland;  diejenigen  Hufen, 
die  in  der  Nähe  des  Klosters  lagen,  waren  zu  allerlei  Diensten 
für  die  täglichen  Bedürfnisse  der  Brüder  verpflichtet^)  lieber 
ganze  Provinzen  erstreckte  sich  so  klösterlicher  Grundbesitz 
zerstreut  In  zahllosen  Fällen  war  er  durchsetzt  von  Herr- 
schaftsrechten anderer;  in  weiter  Ferne  noch  lagen  kleinere 
Gebietsteile  von  fremdem  Grundbesitz  umschlossen,  oft  schwer 
zugänglich  und  den  Angriffen  eines  beutelustigen  und  länder- 
gierigen Adels  ausgesetzt 

In  den  meisten  Dörfern  gab  es  wieder  Herrenhöfe  und 
Salländereien.3)     Daran  schlössen  sich   nebeneinander  Hufen 

>)  Zs.  f.  Social-  u.  Wirtschaftsgesch.  1, 186. 

>)  Vgl.  Breviatio  villarum  c.  85  von  St.  Bertin ,  Cartul.  S.  Bert.  ed. 
6u6rard  p.  107. 

')  Vgl.  Descriptio  bon.  S.  Vitoni  p.  119:  Sunt  Un  de  indofninicata 
terra  6  nurnai. 


414 

der  grundhörigen  Bauern,  die  zu  Fronden  auf  dem  Sallande 
nnd  zu  Natural-  und  Geldzinsen  verpflichtet  waren,  und  Grund- 
stttcke,  auf  denen  nur  ein  Zins  lastete.  Diese  gehörten  ur- 
sprünglich freien  Leuten,  die  sich  entweder  gegen  einen  Kopf- 
zins in  den  Dienst  und  den  Schutz  des  Klosterheiligen  begeben 
hatten  und  ihr  eigenes  Gut  weiter  bewirtschafteten^),  oder  als 
freie  Hospites  gegen  Zins  grundherrliche  Hufen  in  Besitz 
hatten.  Vielfach  müssen  auch  die  Leistungen  sich  verwischt, 
ursprünglich  Freie  fronpflichtig  geworden  sein.^)  Alle  diese  Leute 
standen  in  den  einzelnen  Bezirken  unter  demselben  Hofrechi 
Die  Verhältnisse  entwickelten  sich  aber  so  mannigfaltig,  dass  es 
unmöglich  ist,  sie  in  einem  einheitlichen  Bilde  zu  malen.  Be- 
schränkt waren  die  Hintersassen  hinsichtlich  der  Verheiratung 
und  der  Vererbung.  Die  Grundherrschaft  musste  zur  ersteren 
die  Erlaubnis  erteilen  3)  und  hatte  ein  Anrecht  auf  einen  Teil 
der  Hinterlassenschaft. <)  Beide  Rechte  sind  jedoch  in  unserer 
Zeit  wohl  in  fixierte  Geldabgaben  verwandelt. 

Abgesehen  von  den  Dienst-  und  Zinsverpflichtungen  waren 
die  Rlosterhörigen  und  Gensualen  frei  in  ihren  Bewegungen. 
Sie   konnten   in   ihrer  freien   Zeit   fremden  Herren   dienen^), 

^)  Eintritt  freier  in  den  Dienst  der  Kirche  s.  unten;  Auftragung  freien 
Grundbesitzes  in  Dürfern,  die  zum  grossen  Teil  einem  Kloster  gehörten, 
Cart.  de  St.  Victor  I,  96. 

•)  Vgl.  Breviatio  vill.  c.  34:  Alii  ingenui^  facit  in  ebdomada  II  dies, 
et  iUae  ingentuie  feminae  VII» 

*)  Und  zwar  auch  innerhalb  des  Hofbezirks;  vgl.  Leduini  Constit 
(1024—1036)  bei  Wamkönig,  Flandr.  Staats-  und  Rechtsgesch.  III,  2,  82. 
Ehen  von  Angehörigen  verschiedener  Hofbezirke  derselben  Grandherr- 
schaft werden  geschützt  in  Sr.  Arnulf;  vgl.  Pfugk-Harttung,  Antiquitates 
Amulfinae,  N.  A.  VII,  221;  fUr  unauflöslich  Ehen  von  Unfreien  verschie- 
dener Herren  erklärt  813  (Maurer,  Fronhöfe  I,  12),  für  trennbar  erklart 
durch  den  Abt  in  einer  Urkunde  Conrads  U.  für  Limburg,  St  2070;  für 
unerlaubt  gilt  die  Ehe  mit  einer  Unfreien  ausserhalb  der  Grundherrschaft 
bei  Lcduin  a.  a.  0.  Bei  mehreren  gleichzeitigen  Heiraten  von  einem  Herr- 
schaftsbezirk in  den  andern  Austausch  der  Hörigen  nach  Cart.  de  St  Vannes 
nr.  5435,  f  14.  Oder  der  Unfreie  kauft  sich  von  seinem  Herrn  los  nnd  tritt 
in  die  Hörigkeit  des  andern ,  Liber  de  servis  nr.  06.  Die  Kinder  folgen 
der  Mutter,  Chron.  S.  Ben.  p.  124;  Urk.  Richards  v.  St  Vannes,  Gallia  Christ 
XIII,  560:  ii^re  matrem  debent  sequif  sicut  saneit  lex  Bomana  et  Sidica. 

*)  Leduini  Const.  a.  a.  0.  III,  2,  82;  Urk.  Conrads  U.  St  2070. 

*)  So  hielt  ein  Bretone  Weberinnen,  von  denen  eine  eine  Hörige 
von  Fleury  war;  Mir.  S.  Bened.  VUI,  c.  33. 


415 

konnten  freies  Allod  and  Vermögen  erwerben^),  konnten  den 
Hof  bezirk,  event.  mit  Erlaubnis  des  Herrn,  verlassen,  voraus- 
gesetzt, dass  die  Zinszahlung  nicht  ausblieb,  konnten  unter  be- 
stimmten Bedingungen  und  unter  der  Voraussetzung,  dastf  die 
alten  Verhältnisse  nicht  gestört  wurden,  ausserhalb  ihrer  Hof- 
bezirke heiraten^),  konnten  sich  oder  ihre  Kinder  loskaufen 3), 
freie  und  vermögende  Leute  werden.  Die  Grundlage  der 
Existenz  war  wirtschaftliche  Selbständigkeit,  die  natürlich 
auch  zum  Ruin  flihren  konnte.^)  Ueberatl  war  man  aber 
darauf  bedacht,  dass  der  Bestand  an  Hörigen  sich  nicht  min- 
dere und  leide  und  dass  namentlich  kein  Bttckgang  in  den 
Einkünften  eintrete.^)  Die  Folge  dieser  verhältnissmässig  gün- 
stigen Stellung  der  Klosterhörigen  war,  dass  fortwährend  viele 
sich  in  den  Dienst  einer  Kirche  begaben.®)  Nicht  nur  gegen- 
ttber  der  weltlichen  Hörigkeit  galt  die  geistliche  als  Vorzug*^), 
sondern  auch  gegenüber  einem  aussichtslosen  Ringen  um  eine 
selbständige  Existenz.^)    Die  leichte  Abhängigkeit,  die  Männer 

0  Vgl.  Mir.  S.  Bened.  VI,  c.  2;  Mir.  S.  Veren.  c.  18. 

«)  Vgl  ürk.  Richards,  Gallia  Christ.  XIII,  560.  Ein  Cleriker  heiratet 
eine  Klosterhörige:  q^wtannis  adveocit  eenaum  ipsius  mulieris  per  villicos. 

s)  Desoriptio  bon.  S.  Vitoni  p.  118. 

^)  Mir.  S.  Ben.  VUI,  c.  38  ist  die  Rede  von  einem  servus  S.  Gradi  de 
Paredo,  der  gelähmt  war.  Quij  qtwniam  unde  victw  sui  inopiam  »upple- 
ret,  debilitatis  non  haberet  membris. 

^)  So  wird  in  St.  Vannes  (Descriptio  p.  11 8)  bestimmt,  dass  von  vier 
Kindern  nur  zwei,  von  zweien  nur  eins,  wenn  nur  eins  vorhanden,  keins 
losgekauft  werden  darf.  Die  Heirat  Hüriger  mit  freien  Frauen  wird  unter- 
stützt, da  diese  dann  m  die  Hörigkeit  eintreten;  vgl.  Leduini  Constit. 
a.  a.  0.  p.  82.  Wenn  ein  Höriger  des  Klosters  Senones  eine  Freie  der 
Metzer  Kirche  heiratet,  zahlen  die  Kinder  dem  Kloster  Zins,  Gart,  de  Se- 
nones, Cod.  Paris.  1.  9202,  f.  89. 

*)  CHCL  nr.  1560:  una  feminaj  qua  es  lihera  et  ipsa  depreeavitf  ut 
ipsa  in  servicium  permaneat;  andere  Beispiele  Cart.  de  St.  Vannes,  Cod. 
Paris.  1.5435,  f.  21,  hier  mehrere  Frauen  mit  ihren  Töchtern.  Zahlreiche 
Traditionsurkunden  für  St.  Ghislain,  Crespin,  Mont-Blandain  bei  Duvivier, 
Recherches  sur  le  Hainaut  ancien  II,  353.  363.  367.  380.  414.  424.  437.  457; 
Wamkoenig  III,  2,  11.  12. 13;  Cart.  de  St.  Mihiel,  Cod.  Paris.  1.  1283.  Zahl- 
reiche Traditionsurkunden  von  freien  Handwerkern  im  Liber  de  servis. 
Vgl.  Waitz,  Vg.  V,  220.  Der  an  den  Meier  zu  entrichtende  Kopfzins  be- 
trügt in  Lothringen  2  Denare,  Verheiratung  6  Den.,  Todfall  12  Den. 

')  Vgl.  Mir.  S.  Ben.  VIII,  eil;  Liber  de  servis  c.  63.  65.  Vgl.  Waitz, 
Vg.  V,  219. 

*)  Liber  de  servis  c.  98  giebt  z.  B.  der  freie  Rinderhirt  des  Klosters 


416 

und  nameDtlich  alleinstehende  Frauen  auf  sich  nahmen,  die 
hauptsächlich  in  einem  unbedeutenden  Kopfzins,  fixierten  Ab- 
gaben bei  Verheiratung  und  Tod  bestand,  die  femer  Unterord- 
nung unter  die  Patrimonialgeriehte  des  Abtes  und  Vertretung 
vor  dem  öffentlichen  Gericht^)  zur  Folge  hatte,  wurde  reichlich 
aufgewogen  durch  die  Sicherheit  vor  Belästigungen  der  Be- 
amten, welche  der  klösterUohe  Freibezirk  gewährte,  durch  die 
Fürsorge,  mit  der  die  Klostervorstände  in  schweren  Zeiten  für 
das  Wohl  ihrer  Hintersassen  eintraten.^)  Wir  werden  sehen, 
dass  die  Gewerbetreibenden  durch  die  Befreiung  vom  Verkaufs- 
zoll auf  dem  Markte  noch  finanzielle  Vorteile  genossen,  die 
ihnen  die  Vorzüge  geistlicher  Grundherrschaft  beständig  vor 
Augen  flihrten.3) 

Gegenüber  den  Unfreien  hatte  sich  längst  eine  patrimo- 
niale  Gerichtsbarkeit  des  Abtes  entwickelt,  die  den  Abt  zum 
Richter  der  hofhörigen  Leute  in  Streitigkeiten  innerhalb  der 
Grundherrschaft  machte  und  zu  ihrem  Vertreter  vor  dem  Grafen- 
gericht und  den  öffentlichen  Beamten.  Der  engere  ummauerte 
Klosterbezirk  mit  den  Annexen  hat  jedenfalls  von  Anfang  an 
ebenso  an  den  Vorteilen  der  kirchlichen  Asylfreiheit  parti- 
cipiert,  als  die  Pertinenzen  der  Bischofsitze,  aus  denen  die 
grossen  Städte  sich  entwickelten.  Als  dann  freie  Hospites 
sich  auf  klösterlichem  Terrain  niederliessen,  als  andere  Freie 
sich  in  den  Dienst  einer  Kirche  begaben,  wurden  diese  all- 
mählich den  Unfreien  analog  behandelt;  an  Stelle  der  directen 
Ladung,  die  nach  den  Volksreehten  im  Hause  des  Beklagten 
erfolgen  musste,  trat  die  Vermittlung  und  Vertretung  durch  den 
Grundherrn.  Es  wurde  ihnen  bei  der  Aufnahme  in  den  Dienst 
oder  die  Hörigkeit  ausdrücklich  zur  Pflicht  gemacht,  keine 
andere  gerichtliche  Vertretung  als  die  des  Abtes  oder  seines 
Beamten  anzunehmen  und  die  drei  Hofdinge  zu  besuchen.  Sie 
wurden  schliesslich  so  mit  den  hörigen  Zinsbauem  der  patrimo- 
nialen  Gerichtsbarkeit  des  Abtes  unterworfen,  deren  Competenz 


Marmoutier  kurz  vor  seinem  Tode  einen  jüngeren  Sohn  in  die  Hörigkeit 
des  Stifts. 

')  Vgl.  die  S.  415,  n.  C  angeführten  Urkunden  bei  Warnkoenig. 

*)  Zs.  f.  Social-  n.  Wirtschaftsgesch.  I,  1 79. 

>)  S.  unten  S.  431. 


417 

nur  an  der  Criminalgeriehtsbarkeit  ihre  Grenzen  fand.^)  Die 
Immunität  hat  dann  diese  Verhältnisse  nnr  reehtlieh  bekräf- 
tigt^)  nnd  den  Abt  znr  Erhebung  der  öffentlichen  Bnss-  nnd 
Strafgelder  berechtigt. 

Der  Gerichtsherr  des  Immunitätsbezirks  war  der  Abt') 
Er  hielt  in  kleinen  Verhältnissen  die  drei  echten  Dinge  ent- 
weder persönlich  oder  mit  Hilfe  des  Propstes  ab.  Sie  waren 
offenbar  ans  den  Gerichtstagen  der  Grafen  hervorgegangen^  aber 
bei  der  allmählichen  Verschmelzung  freier  und  anfreier  Zins- 
baaem  haben  anch  die  letzteren  daran  teilgenommen.  Die 
Dingpflicht  war  Bestand  des  Hofrechts.^)  Bei  aasgedehntem 
Grandbesitz  ersetzten  Vögte  den  Abt  grandherrliche  Amtleate, 
die  auch  die  einzelnen  Hofbezirke  gegeneinander  and  die 
Hintersassen  gegenüber  dem  öffentlichen  Gericht  vertraten.^) 
In  der  Stellung  dieser  Vögte  trat  aber  im  zehnten  Jahrhundert 
eine  Aenderung  ein.  Der  starke  Ansturm  des  beutelustigen 
Adels,  die  unaufhörlichen  Bedrängungen  des  klösterlichen  Be* 
Sitzes  durch  Kriegsleute  ^),  die  Unföhigkeit  entfernt  und  zer- 
streut liegende  Gttter  immer  zu  schützen,  fbhrte  dazu,  ihre 
Verteidigung  mächtigen  Herren  der  Nachbarschaft  zu  über- 
tragen. Man  hoffte  die  grosse  Zahl  unbequemer  Burgherren 
abzuwehren,  indem  man  einzelne  von  ihnen  zum  Schutze  der 
Klostergttter  berief.  Es  kam  dazu,  dass  vornehme  Herren  bei 
der  Stiftung  von  Kirchen  und  Schenkung  ganzer  Villen  an 
Klöster  sich  vogteiliche  Rechte  vorbehielten.  Neben  den  alten 
Dingvögten  traten  s^eit  dem  zehnten  Jahrhundert  Schirmvögte 
auf.*^)  Es  war  aber  unvermeidlich,  dass  beide  Arten  der  Vogtei 


0  Brunner,  D.  Rechtsgesch.  II,  300. 

*)  Diese  Auffiwsuog  VioUets,  Hist.  des  instit.  politiques  I  (1890),  401 
scheint  mir  die  richtige. 

3)  Vgl.  die  Urk.  Heinrichs  I.  von  931  für  Crespin,  Duvivier  II,  333. 

*)  Vgl.  z.  B.  die  Aufzeichnung  Über  die  Leistungen  des  Dorfes  Bruoch 
im  Cart.  de  Gorze,  Cod.  Paris.  1.  5436,  f.  58. 

*)  Vgl.  Brunner  II,  307. 

^)  Ich  verweise  nur  kurz  auf  folgende  Stellen:  Mir.  S.  Wigb.  c.  18; 
Mir.  S.  Maximini  c.  15;  Simonis  Gesta  abb.  Berth.  I,  c.  18;  Mir.  S.  Berch. 
c.  24;  Cart  de  Romainmoutier  p.  452;  Cart.  de  TYonne  I,  220;  Cart.  de 
Sauxill.  nr.  485 ;  Cart.  de  St.  Bamard  nr.  21 ;  Besly,  Hist  des  comtes  de 
Poicton  p.  254. 

»)  Vgl.  CHCL  1,  889  (954—975);   Mirac.  S.  Ben.  UI,  o.  13;  VIU,  c.6; 

SAoknr,  Clnniaoenwr.    U.  27 


4id 

ineinander  ttbergingen  und  die  waffengewaltigen  Herren  die 
Rechte  der  Dingvögte,  in  die  sie  eintraten,  beständig  ausza- 
dehnen  trachteten.  Waren  die.Advocati  ursprünglich  auf  die 
Abhaltung  der  drei  Placita,  auf  bestimmte  Zinse  and  Ge- 
riohtssporteln  beschränkt  gewesen,  so  nahmen  die  adeligen 
Schntzherren  hier  und  da  die  volle  patrimoniale  Gerichtsbar- 
keit des  Abtes  in  Anspruch,  belegten  die  klösterlichen  Hinter- 
sassen mit  willkürlichen  Beden  und  forderten  von  ihnen  Fron- 
dienste. >)  Unaufhörlich  erschollen  seit  dem  Ende  des  zehnten 
Jahrhunderts  die  Klagen  über  die  Ungerechtigkeiten  der  Vögte, 
die  ihre  Schutzpflicht  zur  Bedrückung  der  Klosterleute  miss- 
brauchten; es  zeigte  sich  deshalb  überall  die  Tendenz,  ihre 
Rechte  zu  beschränken  und  zu  fixieren. 

Die  Geschlossenheit  der  Organisation  des  klösterlichen 
Grossgrandbesitzes  mit  ihrer  Gerichtsverfassung  und  ihren 
fixierten  Leistungen  der  Hintersassen  wurde  also  dadurch  viel- 
fach gefährdet  und  durchbrochen,  dass  an  Stelle  der  grund- 
herrlichen  Amtleute,  der  advocati,  Männer  von  Adel  traten, 
die  ihre  Macht  zur  Zurückdrängung  des  grundherrlichen  Ein- 
flusses missbrauchten.  Eine  ähnliche  Wandlung  ging  seit  der 
Karolingerzeit  in  der  Stellung  des  Meiers,  des  wichtigsten  wirt- 
schaftlichen Beamten,  vor  sich.  Auch  er  schwang  sich  ans 
einem  grundherrlichen  Ministerialen,  dem  unter  dem  Jndex 
stehenden  Verwalter  des  Haupthofs  einer  Villa,  allmählich  za 
einem  wirtschaftlich  unabhängigen  Ortsvorsteher  empor,  dessen 
Amt  erblich  wurde  und  der  nur  zur  Sammlung  der  Zinse  und 
gewissen  Abgaben  verpflichtet  war. 

Machen  wir  uns  ein  Bild  von  der  Stellung  dieses  Beamten 
in  der  Periode,  mit  der  wir  uns  beschäftigen. 

Der  Meier  war  ursprünglich  ein  Höriger,  den  Treue,  wirt- 
schaftliche Tüchtigkeit  und  Erfahrung  zum  Domänen  Verwalter^) 

Urk.  Gibuios  von  Cbalon  (1076),  Coli.  Moreau  XXIII,  198;  Robert  IL  fiir 
Cormery,  Gart,  de  Gormery  df.  82;  Ghron.  S.  Mich.  c.  32. 

^)  Vgl.  Mir.  S.  Bened.  VI,  c.  3;  Abbonis  Coli.  can.  c.  2;  Urk.  Gibains 
a.a.O.;  Urk.Heinr.  I.  von  Frankreich  für  StMaur,  HF  XI,  577;  Urk.  Adal- 
beros  IL  von  Metz,  Gallia  Christ.  XIII,  401 ;  Polypticum  Marcian.  saec.  XII, 
Cod.  Duac.  850,  f.  133';  Urk.  Roberts  IL  von  1016  für  Corbie,  Martene, 
Coli.  ampl.  I,  379;  vgl.  Lnchaire,  Institutions  II,  91 ;  Viollet  I,  873. 

')  Der  villicus  stand  sowohl  Fronhüfen  als  der  villa  vor;  vgl.  Inamm- 
Stemegg,  D.  Wirtschaf tsgesch.  I,  350  IT.;    Lamprecht,  Beitriige  S.  53  and 


419 

empfobleu  haben.  Der  Abt  hat  ihn  aus  der  Zahl  der  Unfreien 
eines  Fronhofes')  gewählt,  fio  wie  er  die  andern  Wirtschafts- 
beamten fttr  Keller  nnd  Speieher,  Zollstätte,  Wald  und  Weide 
aus  ihnen  zu  entnehmen  gewohnt  ist.^)  Er  erhält  in  der  Regel 
Salland  zur  Bebauung,  wo  solches  vorhanden^);  der  Fronhof,  das 
herrschaftliche  Schloss,  ist  mitunter  sein  Wohnsitz 4)  und  andere 
Guter  können  ihm  daneben  zufallen.  Hat  er  grundherrliehe 
Hufen,  so  muss  er  dafUr  zinsen  und  fronden,  wie  andere  Zins- 
bauern.^)  Er  ist  jedoch  nicht  nur  auf  seine  Wirtsehaftserträge 
angewiesen :  er  empfängt  von  jeder  Haushaltung  des  Dorfes  jähr- 
liche Steuern <^),  ferner  Quoten  von  den  Abgaben  der  Unfreien  fUr 
den  Heiratsconsens  und  von  der  Erbschaftssteuer");  er  bezieht 
Gerichtssporteln  ^)  und  Abgaben  bei  jedem  Handwechsel  seines 
Bezirkes.^)  Im  elften  Jahrhundert  erscheint  er  uns  in  Frankreich 
bereits  als  Besitzer  ansehnlicher  Liegenschaften,  als  Herr  einer 
grossen  Schweineheerde:  ein  kleiner  Edelmann,  der  mit  statt- 
licher Meute  zur  Jagd  geht^^);  er  sammelt  sogar  Capital  und  ist 


D.  Wirtschaftsleben  I,  736.  Vgl.  Mir.  S.  Bened.  YlII,  c.  4:  Gauterio  eiwdem 
viUae  maiore;  c.  8:  frater  Hildmodi  villici  de  Braio;  c.  22:  eiusdem  loci 
habebattw  vülicus;  Gesta  episc.  Camerac.  III,  c22  ist  von  einem  maior 
viUiUae  die  Bede;  vgl.  Gart,  de  Beaulieu  nr.  50  (ca.  971):  Et  sie  per  omnes 
cwrtes  sive  viÜas  imponimus  ivdices  servos,  Ueber  den  karolingisohen 
Meier  s.  jetzt  Gareis,  Bemerkungen  zum  Capitiilare  de  viliis,  German. 
Abh.  für  Maurer,  1893,  S.22I. 

>)  Gart,  de  Beaulieu  a.a.O.:  Omnea  istos  servos  eligimus  ex  Lemovi- 
cinOj  de  cwrte  de  Camairaco. 

>)  Vgl.  die  Urk.  Gonrads  IL  fllr  Limburg  vom  17.  Jan.  1036,  WUrdt- 
wein,  Monum.  Palat.  I,  85  ff.,  St  2070. 

•)  Vgl.  Polypt.  de  St.  Bertin  ed.  Gu^rard  p.  98,  n.  xxxii. 

*)  Die  casa  dominica,  vgl  Polypt.  de  St.  Bertin  n.  xix.  xxi.  xxx. 
xxxii;  Gart,  de  Beaulieu  nr.  50.  Jedoch  niclit  immer;  vielfach  hat  sie  der 
cabailarius,  Polypt.  n.  xxvii.  xxix.  xxx.  xxxii. 

»)  Vgl.  Maurer,  Fronhöfe  II,  484  und  das  Polypt.  von  St.  Bertin. 

^)  Gart,  de  BeauUeu  nr.  50  (Gonstitution  von  ca.  970). 

^)  Leduini  constitut.  c.  5  (WarnkOnig,  Flandr.  Staats-  u.  Rechtsgesch. 
III,  2,  81):  De  his  quoque  V  solidis  tarn  de  comedo,  quam  de  mortua  manu 
decimum  denarium  maior  placiti  habebit  (1024—1036). 

^)  Gart.  Ae  Beaul.  1. 1. ;  Leduini  const.  c.  5 :  tertiam  vero  partem  habe- 
bit maior  placiti,  Si  autem  lex  abbatis  vel  praepositi  fuerit,  totum  fre- 
gum  maior  placiti  habebit, 

>)  Gart,  de  Beaul.  1. 1. 

*°)  Mir.  S.  Bened.  VIII,  c.  2:  Erat  autem  Vivianus  cuÜor  fertilis  agri, 

27* 


420 

so  im  Stande,  mit  seiner  Klosterverwaltang  Pfandgeschäfte  zn 
machen.^)  Stirbt  er,  so  hat  er  Anspruch  auf  ein  ehrenvolles 
Begräbnis.^)  Nnr  eins  ist  ihm  verboten:  Waffen,  ausser  Lanze 
und  Speer,  oder  Kriegsröcke  zu  tragen  3)  —  denn  er  könnte 
sonst  auf  den  Gedanken  kommen,  Ober  seine  Gemeinde  wie 
ein  kleiner  Tyrann  zu  herrschen  — ,  und  mit  den  Hintersassen 
darf  er  über  Grund  und  Boden  keine  Geschäfte  machen.^)  Den 
Mönchen  ist  er  natürlich  zur  Treue  verpflichtet,  die  ihn  auch 
absetzen  können.^)  Sonst  ist  das  Amt  aber  erblich;  der  Sohn 
wird  gegen  eine  bestimmte  Zahlung  zur  Villication  zugelassen.*) 

Der  Meier  hatte  die  Geld-  und  Naturalzinse  einzu- 
sammeln^) und  in  den  Speichern  der  Villen  und  Höfe^)  zu 
verwahren,  bis  sie  an  die  nächst  höhere  Verwaltungsstelle, 
den  Propst  oder  die  Centralbehörde,  abgeliefert  werden  konn- 
ten. Mitunter  wurde  ihm  sogar  die  Festsetzung  der  Leistungen 
seiner  Loealkenntnis  wegen  überlassen^),  jedoch  waren  will- 


abundans  opitus,  dives  pecoris  etj  quoniam  erat  assiduua  venator,  alebat 
canum  gregem;  cd:  Denique  (^m  haberet  muUittMnem  parcorum  —  erant 
enim  fere  quater  viceni  — . 

^)  Coli.  Morean  XXIV,  19  (Urk.  von  Montierender):  Quidam  n4>ster 
fiddis  villicus  Letaxidug  nomine  veniens  ante  presentiam  nostram  ostendU, 
quomodo  tenebat  in  vadimonio  quendam  nostrum  moUndinum  pro  trtb%»s 
libris  denariorum,  atque  deposcenSj  vi  nostra  et  fratrum  laudCj  dum  viveretf 
ob  prescriptaa  libi-as  detineret.  Er  behält  schliesslich  den  dritten  Teil^ 
nachdem  er  den  Mönchen  noch  ein  Pfand  gegeben. 

*)  Cart.  de  Beaulieu  a.  a.  0.:  Si  tUlus  ex  iüis  obieritf  honor  eiua 
S.  Petro  remaneatf  et  monachi  aeniores  sui  eum  honorabüiter  sepeliant; 
Gesta  episc.  Camer.  III..  c.  22:  in  atrio  tarnen^  quia  maior  erat  vülnlaef 
aubterratus. 

•)  Cart.  de  Beaalieu  a.  a.  0. ;  vgl.  Ekkehardi  Cas.  S.  Galli  c.  3,  SS.  II, 
103;  Maurer,  Fronhöfe  11,485  f. 

*)  Vgl.  Cart.  de  Marchiennes,  Nouv.  acquis.  1204,  f.  145;  Leduini 
constit.  c.  8. 

^)  Cart.  de  Beaulieu  a.a.O.;  vgl.  Mirac.  S.  Bened.  VIII,  22:  Joscelin 
wird  seines  Amtes  entsetzt:  ulterius  nee  ipse  nee  soboles  eins  potuit  \yiUi- 
care;  Röscher,  System  der  Nationalökonomie  II,  209. 

^)  Cart.  de  Beaulieu  a.  a.  0. :  8t  filios  legitimos  habuerintf  maiar  ho- 
norem totum  teneat. 

')  Urk.  Richards  von  St.  Vannes,  Gallia  Christ.  XIII,  560:  advexit  cen- 
sum  ipsitw  mulieris  per  viUicos;  V.  Joh.  Gorz.  c.  100. 

")  V.  Joh.  Gorz.  c.  100;  Mir.  S.  Bened.  VIII,  c.  17. 

^)  Urk.  Adalberts  von  Vermandois  (Colliette,  M^moires  I,  550) :  CtEe- 


421 

ktirliche  Fordemngen  oder  Verftigangen  Btreng  antersagi^)  Er 
hatte  auch  die  Aufsieht  über  den  Gemeindewald  und  händigte 
den  Baaern  das  Bau-  und  Brennholz  aas,  ohne  natOrlieh  ein 
Veränssemngsreeht  zu  besitzen.^)  Auch  die  Sicherheit  der  Dorf- 
kirche unterstand  seiner  Sorge:  dass  die  Thtüren  und  Mauern 
geschlossen  seien,  darauf  musste  er  achten.')  Neben  diesen 
wirtschaftlichen  und  polizeilichen  Functionen  hat  er  richter- 
liche; er  entscheidet  als  Vertreter  des  Abtes  oder  Propstes 
alle  kleineren  und  rasch  zu  erledigenden  Processsachen  zwi- 
schen den  Dorfbewohnern  mit  Hilfe  Ton  Schöffen.^)  Es  ist 
die  alte  Gentenargerichtsbarkeit^)  oder  eine  Absplitternng  der- 
selben, die  überall  da  in  die  Hände  des  grundherrlichen 
Beamten  übergehen  musste,  wo  sich  das  AUmendeobereigen- 
tum  mit  grandherrlichen  Rechten  zur  Herrschaft  über  ganze 
Dörfer  verband,  deren  Insassen  zu  einer  gleichberechteten, 
grundunterthänigen  Masse  yerschmolzen.  Der  Meier  kündigt 
dem  Beklagten  Tag  und  Stunde  des  Erscheinens  an;  nach 
Festsetzung  des  Gerichtstermins  dürfen  aber  Versöhnungen  der 
streitenden  Parteien  nur  durch  den  Abt  oder  Propst  erfolgen. 
Die  Herrenhöfe  sind  von  seiner  Jurisdiction,  wie  von  der  des 
Vogtes,  ausdrücklich  eximiert;  aber  hier  befand  sich  die  Ge- 
richtscasse, hier  wurde  auch  die  Caution,  die  der  Meier  von 
einem  Beschuldigten  sich  geben  liess,  sicher  deponiert.®)  Er 
selbst  hatte  mit  den  Schöffen  und  Ministerialen  dem  echten 

teri  vero  mansionarii  et  hospites  ipHw  viüae  secundwin  qyiod  maior  dis- 
posueritf  qui  plus  habet,  plus  det,  quUma  vero  minus,  minus  etiam  dent. 

0  Vgl.  Mir.  S.  Bened.VlII,  c.22;  Gart,  de  Beaolieu  a.a.O.;  Cart.de 
Marchiennes  f.  145;  Constit.  Leduini  a.a.O. 

•)  Polypt.  Marcian.,  N.  Arch.  XV,  465:  silva  de  Qiuro  pertinet  tantum 
ad  custodiam  vüici,  de  qua  nee  vendere  nee  dare  ei  concediivyr,  sed  rusticis 
ad  domos  construendas  et  ad  ignem  eoncedimus  faciendum. 

*)  Mir.  S.  Bened.  VUI,  c.  2. 

*)  Polypt.  Marc.  a.  a.  0.  p.  464 :  Omnes  forenses  causae  vel  st  aliqua 
quaerela  repente  aborta  fuerit,  per  vüieum,  per  constittUos  iuratosque 
iudices  iuste  legittimeque  finietur.  Vgl.  ib.  p.  465 :  8i  autem  de  forensibus 
causis  inibi  forte  quippiam  contingeretf  viddicet  de  banne,  de  furto,  de 
tdoneo,  de  iuvento  vel  de  his  simüibus  ad  propositum  monasterii  et  ad 
eius  vilicum  niehilominus  pertineret. 

^)  Vgl.  G.  Meyer,  Die  Gerichtsbarkeit  Über  Unfreie  und  Hintersassen 
nach  ältestem  Recht,  Savigny-Zeitschr.,  Germ.  Abth.  III,  123. 

*)  Gart,  de  Marchiennes,  Nouv.  acquis.  1204,  f.  145. 


422 

Ding  beizuwohnen  1);  hier  war  auch  der  Ort,  wo  er  gegen  im- 
botmässige  Hörige  klagen  konnte.^) 

So  vertrat  der  Meier  als  Ortavorsteher  die  Klosterverwal- 
tung  überall,  wo  es  grössere  zusammenhängende  besiedelte  Herr- 
schaften zu  beaufsichtigen  galt.  Es  war  nur  nötig,  dass  der 
höchste  klösterliche  Wirtschaftsbeamte  entweder  persönlich  von 
Zeit  zu  Zeit  die  Höfe  und  Villicationsbezirke  besuchte  oder 
die  Meier  zur  Sechenschaftsablegung  zu  sich  berief.^) 

Aber  die  Schwierigkeit,  die  Meier  zu  beaufsichtigen,  und 
das  Misstrauen,  das  den  ehemaligen  Hörigen  gegenttber  bei 
der  Selbständigkeit  ihrer  nunmehrigen  Stellung  gerechtfertigt 
war^),  machte  sich  doch  überall  geltend.  Es  kam  unter  Um- 
ständen zum  Ersatz  der  villici  durch  Mönche,  Decane  oder 
Pröpste,  deren  Functionen  dann  kaum  Ton  denen  der  Meier 
verschieden  waren.^)  Auch  sie  hatten  vor  allem  die  Beaaf- 
sichtigung  der  villae  und  mnssten  die  Fruchterträge  in  ihren 
Höfen  aufnehmen,  bis  sie  der  Prior  revidieren  und  mit  Abzug 
desjenigen,  dessen  die  Decane  ftlr  den  Unterhalt,  Wirtschafte- 
betrieb  und  die  Gäste  brauchten,  nach  dem  Kloster  schaffen 
lassen  konnte.<^)  In  Cluni  erhielten  sie  noch  den  dritten  Teil 
der  Geldzinse,  die  der  Kämmerer  zur  rechten  Zeit  selbst  einzn- 
sammeln  pflegte.^)  Alle  diejenigen,  die  nur  eine  halbe  Tage- 
reise vom  Kloster  entfernt  waren,  mussten  alle  Sonnabend 
nach  der  Vesper  sich  daselbst  einfinden.^) 


0  Cart.  de  St  Vannes,  Cod.  Paris,  l  5435,  f.  87. 

*)  ib.  f.  14,  Urk.  von  1020:  Si  vero  aliquis  malefactor  extUerit  H 
contra  villicvm  audax  vel  rebellis  sustiterit  et  hoc  ad  advocatum  pervenc- 
rit  iustitiamque  ex  hoc  fecerit  etc. 

«)  y.  Job.  Gore.  c.  85. 

*)  Ein  vortreffliches  Beispiel,  wie  unfreie  Leute  die  Ministerialen 
durch  Geld  oder  Dienste  zu  bewegen  wussten,  ihnen  Salland  zur  Bewirt- 
schaftung zu  übergeben,  bietet  das  Gart,  de  Gorze,  Cod.  Paris.  1. 5486,  f  56. 

B)  Consuet.  Cluniac.  in,  c.  5  (d'Achery  I,  686):  qui  8UfU  viUarum  pro- 
visores  et  quos  pro  more  no8tro  decano»  appeUamus;  dass  die  cloniacen- 
sischen  Decane  wirklich  Mönche  waren,  zeigt  z.B.  CHOL  IV,  nr. 8262: 
Testes  sunt  . . .  Girbertus  decanus  . . .  Achinus  decanuSj  Ärleius  decanus^ 
Wigo  decanus;  isti  sunt  omnes  monachi.  Gart,  de  Montierender  nr.  2  t 
(1027):  ut  prepositus  monasterii,  qui  eidem  ville  prefuerit;  Besly  p.  284: 
Arehenbaldi  ipsius  curtis  praepositi. 

^)  Consuet.  Cluniac.  III,  c.  5. 

')  ib.  c.  11.        8)  ib.  C.5. 


423 

Diese  Bewirtschaftung  der  LaDdgQter  durch  Mönche  galt 
für  kostspieliger  als  die  durch  Laien:  waren  jene  doch  ge- 
zwungen zu  repräsentieren,  Oäste  und  Fremde  aufzunehmen J) 
In  der  Tbat  verschlang  diese  Wirtschaftsform  im  elften  Jahr- 
hundert in  Gluni  so  viel,  dass  von  den  Fruchterträgen  nur 
wenig  auf  den  Tisch  der  Brttder  kam,  vielmehr  fast  alle 
klösterlichen  Bedttrfiiisse  durch  Kauf  bestritten  werden  muss- 
ten^),  und  dass  im  zwölften  Jahrhundert  Petrus  Venerabilis  zu 
einer  Aenderung  des  Wirtschaftsorganismus  schritt,  weil  bei 
der  bisherigen  Methode  die  Finanzen  und  die  Verpflegung  sich 
bis  aufs  äusserste  verschlechtert  hatten.^)  Johann  von  Gorze 
sprach  sieh  deshalb  entschieden  gegen  die  Villicationen  durch 
Mönche  aus^);  in  andern  Fällen  wurden  auch  beide  Betriebs- 
fonnen  nebeneinander  dnrchgeftihrt,  indem  ein  Teil  der  Dörfer 
durch  Meier,  ein  anderer,  namentlich  die,  in  denen  Kirchen 
waren,  durch  Mönche,  welche  die  Priesterweihe  hatten,  ver- 
waltet wurden.^) 

Sei  es  aber,  dass  Meier  oder  Mönche  oder  beide  neben- 
einander in  dieser  Weise  den  Villen  und  Wirtschaftshöfen  vor- 
standen, so  fand  meistens  ein  directer  Verkehr  mit  den  Be- 
amten der  Centralverwaltung  statt  Man  findet  nun  auch  eine 
Art  der  Verwaltung,  in  welcher  klösterliche  Beamte,  Pröpste, 
einen  grösseren  Herrschaftscomplex  von  einem  Fronhofe  aus 
verwalten  und  somit  eine  Zwischeninstanz  zwischen  den  Meiern 
ihrer  Bezirke  und  der  Centralstelle  bilden.<^)  Hier  tritt  der 
Propst  also  an  die  Stelle  des  karolingischen  Judex.  Diese 
Methode  verringerte  die  Kosten  der  Verwaltung  und  ermög- 
lichte doch  eine  bequeme  Beaufsichtigung  der  Meier.  Sie  wurde 
deshalb  auch  da  angewandt,  wo  entfernte  Besitzlage  einen  be- 
sonderen Schutz  zu  verlangen  schien,  und  dann  in  der  Form, 

0  Vgl.  Bemardi  Constit.  Claniac.  I,  c.  ö,  Hergott  p.  145. 

*)  Consaet.  OlnDiac.  c.  11. 

>)  DispoBitio  rei  famüiaris  Cluniacensis,  Migne  1. 189,  col.  1047. 

*)  V.  Joh.  Gorz.  c.  85. 

^)  Vgl.  Rodulfi  Mir.  ss.  in  Fuldenses  ecclesias  translat.,  SS.  XV,  330: 
quorttm  (seil,  praediorum)  alia  quidem  per  viUicos  ordinavitf  alia  vero  et 
maxime  iÜay  in  quibus  ecclesiae  fuerantj  presbyteris  procuranda  atque  dis- 
panenda  commiait 

^)  Es  ist  die  in  Fleury  angewandte;  vgl.  Mir.  S.  Bened.  II,  c.  15.  17; 
III,  C.5.  8;  Vm,  c.  14.86. 


424 

daBS  gleich  eine  kleine  Mönchscolonie  an  dem  geeigneten 
Orte  angesiedelt  wnrdeJ)  Die  Meier  waren  dem  ihnen  vor- 
gesetzten  Propste  verantwortlich^);  an  ihn  führten  sie  die  ge- 
sammelten Frachterträge  und  Zinse  ab.  Der  Propst  hatte  den 
Besitz  vor  unrechtmässiger  Abemtung^),  vor  Räubern  und  im 
Falle  eines  Krieges  zu  schützen  und  für  Bergung  des  beweg- 
lichen Eigentums  zu  sorgen.^)  Auch  alte  vernachlässigte  Rechte, 
wie  die  bezüglich  entlaufener  Leibeigenen,  nahm  der  Propst 
wahr.^)  Gerichtlich  vertrat  er  den  Abt  in  dessen  patrimonialer 
Gerichtsbarkeit  innerhalb  des  ihm  unterstehenden  Bezirks  und 
den  Unterbeamten  <^)  gegenüber.  Auch  Klagen  von  Ungenossen 
oder  Freien^)  gegen  Hof  hörige  wurden  von  ihm  erledigt  and 
schiedsrichterliche  Befugnisse  bei  Processen  grnndunterthäniger 
Personen,  über  welche  die  gerichtliche  Entscheidung  den  Meiern 
zufiel,  auch  nach  Festsetzung  des  Gerichtstermins  ausgeübt 

Als  oberste  Wirtschaftsbehörde  sassen  über  dem  Meier 
und  Propst  die  mit  der  Wirtschaftoftthrung  betrauten  Beamten 
der  Centralstelle.  Hier  ist  die  Einrichtung  verschieden  geregelt 
Entweder  waren  von  vornherein  den  einzelnen  Wirtschafts- 
ressorts bestimmte  Besitzungen  zur  Nutzniessung  überwiesen 
—  und  das  war  die  Regel  — ,  oder  sämtliche  Elingänge  flössen 
an  eine  Stelle,  von  der  aus  die  verschiedenen  Bedürfnisse  be- 
friedigt wurden.  Im  ersteren  Falle  übernahmen  die  einzelnen 
Klosterämter  die  Verwaltung  und  ControUe  der  ihnen  zage- 
wiesenen  Güter,  so  dass  die  fUr  die  Propstei  bestimmten  Do- 
mänen der  Propst,  die  Tafelgüter  der  Mönche  der  Cellerar,  die 

0  Ghron.  S.  Mich.  c.3d;  Ghron.  S.  Bened.  p.  162.  Das  Dorf  Vatnoii 
wird  St  Benigne  restituiert:  übi  fie  deinceps  auferretur,  inatituit  ccUam 
monachorum;  p.  167:  Dedit  (Wilhelmus)  monachis  Sarmocenais  ceüe  ad  labo- 
randum  et  custodiendum  terram  S.  Benigni  pontam  in  Sarmacia  viüa. 
Auch  Cluni  hatte  eine  grosse  Zahl  derartiger  Gellen  oder  Obödieozeu,  in 
denen  einige  wenige  Mönche  lagen,  um  einen  bestimmten  Herrschaftsbe- 
zirk zu  überwachen. 

«)  Vgl.  Mir.  S.  Bened.  VIII,  c.  22. 

')  ib.  c.  18;  vgl.  Marchegay  II,  p.  4,  n.  4  (ca.  1050). 

*)  Marchegay  p.  1  n.  4. 

8)  Mir.  S.  Bened.  VI,  c.  2. 

«)  ib.  VIII,  c.  22. 

^)  Gart,  de  Romainmoutier,  M6m.  de  la  Suisse  Rom.  III,  453. 


425 

ittr  die  Kleidung  vorbehaltenen  der  Vestierar  u.  s.  w.  verwalte* 
tenJ)  Die  Spezialisierung  ist  sehr  weit  durchgeführt  In 
St  Amanda)  sind  Revenuen  bestimmter  Güter  festgesetzt  für  die 
Beleuehtung  und  Ausstattung  der  Kirche,  für  Ergänzung  des 
Kirchenschatzes,  für  die  Klostergebäude,  für  den  Tisehwein 
der  Brüder,  für  das  Brot  der  Mönche,  Gäste  und  Handwerker, 
für  den  Abt,  für  den  Kellermeister,  Kämmerer  und  für  den 
Propst  Eine  wesentUehe  Ursache  dieser  Verwaltuogsform  lag 
darin,  dass  die  Geber  das  Recht  hatten,  die  Verwendung  der 
Einnahmen  ihrer  Landschenkungen  für  einen  bestimmten  Zwec^ 
für  den  Tisch 3)  oder  die  Kleidung«)  der  Brüder,  für  die  Be- 
leuchtung^) und  Bemalung  <<)  der  Kirchen  festzulegen.  Sie 
konnten  verbieten,  dass  das  betreffende  Grundstück  als  Lehen 
vergeben,  verpachtet  oder  vertauscht  werde.  Durch  alle  diese 
Beschränkungen  in  der  Verfügung  über  einzelne  Pertinenzen 
der  Grundherrschaft  wurde  die  einheitliche  Verwaltung  fast 
unmöglich  gemacht  Jeder  der  Beamten  der  Centralstelle  hatte 
also  wirtschaftliche  Functionen.  Wenn  Johann  von  Gorze, 
dessen  Tüchtigkeit  auf  öconomischem  Gebiete  besonders  an- 
erkannt wurde,  nacheinander  Propst,  Decan,  Kellermeister, 
Kleidermeister  wird  und  in  diesen  Stellungen  bestöndig  in 
wirtschaftlicher  Action  erseheint,  so  sehe  ich  in  diesem  Wechsel 
des  Amtes  nichts  anderes  als  das  Bestreben  des  Abtes,  nach 

^)  Vgl.  z.B.  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  48;  sowie  die  instructlve  Urk. 
Benedicts  VIII.  für  St.  Vaast  von  1021  im  Cart.  de  St.  Vaast  ed.  Gui- 
mann  p.  56. 

')  Cart.  de  St.  Amand,  Cod.  Paris,  nouv.  acijuis.  1219.  Im  Cart.  de 
St.  Bertin  ed.  Gu^rard  p.  97  steht  ein  Verzeichnis  'der  Villen  ad  fratrum 
U8U8  pertinentes  . .  .abaque  hü,  quae  in  aliis  ministeriis  erant  distributae; 
vgl.  Cart.  de  Beaulieu  nr.  50 :  hos  imponimwi  ad  ceüerarioa  ad  clanstra 
omanda;  Anselmi  Gesta  Leod.  c.  42;  Cart.  de  St.  Victor  I,  40.  42.  464. 

')  So  CHCL  1332.  1701.  1808;  Cart.  de  Beaulieu  nr.  48;  Cart.  de  Saux. 
nr.  232 :  et  fructum,  que  de  ipsas  vineas  exierit,  volo,  ut  in  proprios  usus 
8XW8  scilieet  in  pisces  omni  tempore  in  commutiia  abeant,  et  cellerarivA 
qualiscwnqiAe  fuerit  in  monasterio  de  Celsinanias  ipse  hanc  conventianem 
requirat. 

*)  CHCL  2693;  Chron.  S.  Ben.  p.  172. 

*)  Cart  de  Beaul.  nr.  150:  harwn  frxictus  vinearum  venundetur  utile, 
ut  ematur  lumen  nitena  ac  ftdgena  quotidie;  cf.  nr.  154  und  114. 

«)  Cart.  de  Beaulieu  nr.  154  (1005—1028).  Hier  schreibt  der  Geber 
sogar  die  GemiUde  vor,  die  natürlich  die  Geschichte  Christi  betreffen. 


426 

und  Dach  alle  Domänen  des  Stifts  seiner  Verwaltang  and 
seinem  Einflüsse  zu  unterwerfen. 

Dieser  Verwaltangsmodus  hatte  aber  seine  bedenklichen 
Seiten.  Er  setzt  einmal  einen  verhältsnismässig  kleiBen  Be- 
trieb, wenig  aasgedehnte  Herrschaften,  dann  aber  feste  Gon- 
sistenz  des  Besitzstandes  voraas.  In  nnrnhigen  und  kriege- 
rischen Zeiten,  in  denen  die  Besitzverhältnisse  sich  verschlech- 
tern, in  denen  einzelne  Wirtschaftsressorts  ihrer  Einkünfte  ganz 
beraabt  werden  konnten,  war  eine  derartige  Wirtschaftsver- 
^sang  so  wenig  durchführbar  als  bei  schnellem  Wachsen  des 
Besitzstandes.  Sie  setzt  auch  stets  den  directen  Einfluss  der 
Klosterämter  auf  die  Villen  voraus,  die  ihnen  unterstehen,  ent- 
spricht also  einem  Betriebe,  in  dem  die  Meier  oder  die  mön- 
chischen Verwalter  in  directer  Abhängigkeit  von  der  Central- 
stelle  erscheinen.  Bei  einer  Verwaltung  durch  klösterliehe 
Districtsvorsteher  musste  eine  Vereinfachung  der  Centralbe- 
hörde  eintreten. 

Ais  ein  Versuch,  die  Verwaltung  zu  vereinfachen,  muss  es 
schon  gelten,  wenn  Abt  Mysach  von  Gembloux  die  Einkünfte 
nach  zwei  Gesichtspunkten  teilt,  fttr  Kleidung  und  Ernährung 
der  Brttder.  ^  Drei  Aemter  treten  hier  auf,  das  des  Vestierars, 
der  aus  den  Erträgen  bestimmter  Dörfer  feste  Geldsammen 
zugewiesen  erhält,  das  des  Kellermeisters,  der  ebenfalls  Geld 
erhält,  aber  ohne  Beziehung  auf  gewissen  Besitz,  also  aus  einer 
Gentralcasse,  und  das  Amt  des  Kämmeres,  der  wieder  auf  be- 
stimmte Dörfer  angewiesen  ist,  von  denen  er  Sportein  bezieht, 
die  beim  Hand  Wechsel  von  Grundbesitz,  an  den  Gerichtstagen 
und  von  den  Meiern  gezahlt  wurden.  Wie  die  Verwaltung  im 
einzelnen  geteilt  war,  wissen  wir  freilich  nicht  Wir  müssen 
aber  annehmen,  dass  dem  Kämmerer,  der  allein  einen  directen 
Einfluss  auf  bestimmte  Güter  ausübte,  der  Propst  oder  Prior 
gegenüberstand,  der  die  allgemeine  Verwaltung  in  der  Hand 
hattet),  bei  dem  die  Zinse  und  Naturalerträge  einliefen,  die 
Abgaben,  die  nicht  direct  dem  Kämmerer  zuflössen,  der  für 
den  Abt,  die  Gäste  und  Armen  zu  sorgen  hatte. 


0  Gesta  abb.  Gemblac.  c.  59  if. 

*)  ib.  c.  61:  MarceUintu  abbas  . . .  commisit  ei  praepositurae  officium 
. . .  ÄbbM  Tietmarw  . . .  eiu8  curae  commmt  omnia  exteriora. 


427 

Diesen  Dualismns  von  Prior  und  Kämmerer  finden  wir 
dann  in  Cluni  nnd  den  verwandten  Klöstern  so  ausgebildet, 
dass  in  den  Händen  des  ersteren  die  Aufsicht  und  Ausgabe 
aller  Natnralerträge  lag^),  während  alle  Geldzinse  und  Summen, 
die  dureh  Verkauf  von  Naturalien  erzielt  wurden,  dem  Käm- 
merer ngingen.^)  Ebenso  gelangten  Gold  und  Silber  oder 
Geldgeschenke  ttber  10  Solidi  an  ihn.  Desgleichen  alle  ge> 
schenkten  Ktthe,  die  in  dem  ihm  unterstellten  Kuhstall  einge- 
stellt werden.  Dem  Prior  und  Kämmerer  gegenüber  hatte  der 
Kellermeister  eine  untergeordnete  Stellung^);  denn  er  musste 
das,  was  er  an  Naturalien  und  Geld  brauchte,  erst  von  ihnen 
in  Anspruch  nehmen.  Jeden  Sonnabend  beriet  er  mit  ihnen 
über  die  an  jedem  Tage  der  nächsten  Woche  notwendigen 
Lieferungen.  Für  seine  nächsten  Bedürfnisse,  für  die  Weide 
der  Pferde  oder  den  Fischfang  standen  ihm  ein  paar  nahe- 
gelegene Dörfer  zur  Verfügung.  Hatte  der  Kämmerer  fttr  die 
Kleidung  der  Brttder  zu  sorgen,  so  der  Kellermeister  für  die 
Verpflegung.  Aber  auch  er  hatte  wieder  Unterbeamte.  Wäh- 
rend er  über  die  von  den  Höfen  zu  liefernden  Schweine  und 
Hammel  Buch  führte^},  so  der  Granatarius  über  das  eingehende 
Getreide.^)  Nach  der  Ernte  sagte  ihm  der  Prior  als  erster 
Wirtsehaftsbeamter,  wie  viel  ScheflFel  von  den  einzelnen  Obe- 
dienzen  eingehen  sollten,  und  der  Granatarius  hatte  die  Posten 
zu  eontrollieren.  Bäcker,  Wäscher  und  Holzholer  hatte  er  unter 
sich.  Neben  den  Eingängen  an  Fleisch  und  Getreide  kamen 
die  an  Wein  besonders  in  Betracht  Auch  sie  controUierte  ein 
besonderer  Beamter,  nachdem  der  Prior  ihm  angekündigt,  wie 
viel  Karren  von  jeder  Verwaltungsstelle  zu  erwarten  wären.«) 
Auch  der  Weinhüter  stand  unter  dem  Kellermeister.  Es  gab 
dann  noch  eine  Anzahl  anderer  Beamter,  die  ebenfalls  vom 
Gellerarius  abhängig  waren,  wie  den  Hortularius,  den  Stabn- 
larins,  der  die  Pferde  der  im  Hospiz  abgestiegenen  Gäste  be- 


^)  CoDS.  Cluniac.  111,  c.  5,  d'Acb^ry  I,  686  ff.  In  St.  Bertin  hiess  dieser 
Beamte  Decan,  Folquini  Gesta  Bcrth.  II,  c.  80:  Odoldus  . . .  noster  decanus 
de  partihus  citra  Rhenum  positiSj  tibi  vindemiare  ftterat  mi$»u8  cum  vinea 
VIII  vasorum  est  reversus. 

«)  Cons.  Cluniac.  III,  c.  11.         »)  ib.  e.  18. 

*)  ib.-  c.  18:  Item  in  brevi  notat  summam  porcorum  et  arietum  etc. 

*)  ib.  c.  18.         •)  ib.  C.18. 


428 

sorgte,  den  HospitalariuB,  den  Infinnarius,  den  Armarins,  die 
aber  als  Beamte  des  Grossbetriebs  nicht  mehr  in  Betracht 
kommen.^) 

Somit  ergiebt  sich,  dass  in  grösseren  Klosterwirtschaften 
wie  Claui  zwei  Oberbeamte  an  der  Spitze  der  Verwaltung  stehen, 
der  Prior  und  der  Kämmerer,  ersterer,  als  der  höchste  klöster- 
liche Würdenträger  nach  dem  Abt,  auch  dem  Kämmerer  über- 
legen. Vom  Ressort  der  Camera  zweigt  sich  die  Kellerei  ab, 
deren  Vorsteher  wieder  fttr  die  einzelnen  Zweige  der  Natural- 
verflegung  über  Unterbeamte  verfUgt 

III. 
Anteil  am  Verkehr. 

An  der  Entwicklung  des  binnenländischen  Handels  und 
Verkehrs  hatten  die  Grossgrandherrschaften,  wie  sie  sieh  um 
die  Klöster  gebildet  hatten,  keinen  unbedeutenden  Anteil^) 
Die  Ueberftlhrung  der  Naturalzinse  allein  von  den  Einnahme- 
stellen nach  der  Centralstelle,  die  Verteilung  der  Ueberschttsse 
auf  die  einzelnen  Domänen,  wirkte  auf  die  Hebung  des  Trans- 
portverkehrs auf  den  Land-  und  Wasserstrassen.  Aber  es  ge- 
nügte auf  die  Dauer  der  Austausch  der  Produete  innerhalb  der 
einzelnen  Pertinenzen  der  Grundherrschaft  keineswegs:  der 
nächste  Fortschritt  führte  notwendig  zu  einem  Warenverkehr 
über  die  Grenzen  der  Grundherrschaften  hinaus,  und  zwar  dies 
in  demselben  Masse,  in  dem  im  wirtschaftlichen  Lieben  der 
Geldumsatz  den  Naturalientausch  zu  verdrängen  begann.  Da 
die  Naturaleinnahmen  vielfach  den  Transport  nicht  lohnten, 
traten  an  Stelle  der  Naturalzinse  mehr  und  mehr  Geldab- 
gaben. Oder  aber  man  verkaufte  die  Productionsttberschttsse 
der  Höfe  an  Ort  und  Stelle'),  wenn  die  Entfernung  die  um- 
ständliche Ueberftlhrung  nach  dem  Herrenhofe  verbot  Auf 
jeden  Fall  war  die  Grundherrschaft  dann  gezwungen,  in  stei- 
gendem Masse  ihre  eigenen  Bedürfnisse  durch  Kauf  zu  be- 
friedigen. 4)    Sie  wurde  so  als  Käuferin  wie  als  Verkäuferin 


0  Vgl.  auch  Disciplina  Farf.  II,  c.  47.  48,  Hergott,  Vetua  diseiplina 
luonast.  p.  116f 

»)  Vgl.  Inama,  Wirtschaftsgesch.  II,  364. 
8)  Vgl.  Consuet.  Clun.  III,  c.  11. 
*)  S.  oben  S.422. 


429 

zur  Teilnahme  am  allgemeinen  Handelsverkehr  gezwangen. 
Die  Folge  dieser  Entwicklung  waren  zunächst  nähere  Be- 
ziehungen zu  den  grossen  Verkehrsplätzen  der  Provinz  oder 
des  Landes.  Die  Teilnahme  am  Markt  machte  neben  den 
Gesehäften  am  Bischofshofe  öftere  Reisen  des  Abtes  oder 
einzelner  Mönche  notwendig.  ^  Man  versteht,  dass  die  Klö- 
ster zunächst  in  jenen  Städten  Orundstttcke  und  Häuser  zu 
erwerben  sachten,  die  ihnen  als  Absteigequartiere  dienten, 
dass  ihnen  daran  lag,  an  Handelsplätzen,  wie  Lyon^),  Arles, 
Vienne,  Avignon^),  Poitiers*),  Le  Puy*),  Clermont*),  Antun''), 
Reims  ^),  Orleans  ^)  u.  a.,  festen  Fuss  zu  fassen.  Am  Ende  des 
zehnten  Jahrhunderts  hatte  Cluni  bereits  Häuser  in  Le  Puy, 
Vienne,  Avignon  und  Arles. 

Hatten  sie  an  den  Hauptverkehrscentren  erst  Boden  ge- 
wonnen, so  musste  ihnen  weiter  daran  liegen,  alle  Transitzölle 
fttr  ihre  Transporte  zu  beseitigen:  war  die  Errichtung  von  Zoll- 
stätten doch  schon  im  zehnten  Jahrhundert  in  Frankreich  bei 
der  Schwäche  der  Krone  zu  einem  stark  missbrauchten  Rechte 
der  Grundherren  geworden.!^)    Der  weltliche  Adel  bewilligte 


')  Vgl.  auch  Arnold,  Verfassungsgesch.  der  deutscheu  Freistädte  II 
(Gotha  1854),  165  ff. 

')  Savigny:  Gart  de  Sav.  nr.  766  (1080). 

')  Cluni  in  Arles,  Vienne,  Avignon  nach  CHOL  nr.  2466;  in  Arles 
St.  Victor  de  Marseille,  Cart.  de  St.  Victor  I,  158.  171.  175.  176.  196.  199. 

*)  St.  Jean  d'Ang^ly  erhält  1027:  alodum,  qui  est  Situs  infra  moenia 
Pictavae  civitatis  ad  domum  construendum  cum  curte  et  stabtdaria  et  est 
in  rtuij  quae  appdlatur  Hedera  sttbtus  ecclesiam  b.  Paulis  Besly  p.  346. 

»)  CHCL  III,  nr.  1926  (992). 

*)  Sanxillanges:  Cart.  de  Saux.  nr.  388  (994—1048). 

')  Flavigny:  Cart.  de  Flavigny,  Cod.  Paris.  1.  17720,  p.60. 

»)  Vgl  die  interessante  Urk.  CHCL  IV,  nr.  3366  (ca.  1060):  Cum  in 
urbe  Remorum  suas  habere  mansiones  pleraque  cpiobia  considerassem,  in 
quibus  fratreSf  qui  in  eisdem  cfnobiis'  Deo  militant j  undecumque  redirent^ 
hoepitarentur  et  requiescerentj  schenkt  der  Urkundenaussteller  an  Clnni, 
das  noch  kein  Haus  in  Reims  hatte,  seinen  Besitz  bei  der  Kirche  St  Denis, 
anter  der  Bedingung,  dass  sie  ihn  nicht  gegen  Zins  ausgeben,  sondern 
selbst  behalten. 

•)  CHCL  IV,  nr.  3049. 

")  Vgl.  Cart.  B.  de  Cluni  nr.  678,  f.  258:  Ex  hoc  peccato  nata  est  mihi 
aUerius  peccati  occasio,  scilicet,  ut  cunctis  per  terram  meam  iter  agentibus 
seu  causa  negotiationis  seu  orationis  exactionem  quam  vulgo  pedituram 
vocant  imponerem  et  hoc  meos  ab  eis  exigere  iuberem. 


430 

derartige  Gesuche  nm  Zollbefreinog  sdteDS  der  Elostervor- 
stände  in  der  Regel  wohl  ebenso  gern,  als  er  bereit  war,  fbr 
sein  Seelenheil  Grandbesitz  zu  schenken.^)  Der  ZoUberr  liess 
auch  wobl  durch  einen  seiner  Beamten  Warentransporte  be- 
gleiten, um  den  Mönchen  Belästigungen  an  andern  Zollstätten 
des  Territoriums  zu  ersparen.^)  Es  wird  dann  nirgend  ein 
Unterschied  gemacht,  ob  diese  Wagen-  oder  Schiffsladungen 
Naturaleinnahmen  der  eigenen  Domänen  zur  Centralstelle  oder 
zum  Markte  beförderten  oder  ob  sie  angekaufte  Waren  ent- 
hielten. Neben  diesen  Durchgangszöllen,  die  sehr  verschieden 
basiert  und  benannt  waren,  existierten  MarktzöUe,  die  teils  als 
Thor-,  Brücken-  oder  Hafenzölle  bei  der  Anfahrt  am  Marktort 
bezahlt  wurden,  teils  in  einer  vom  Käufer  und  Verkäufer  zu 
zahlenden  Abgabe  vom  Umsatz  bestanden.^)  Diese  Einnahmen 
bildeten  neben  den  aus  der  Platzmiete ^),  dem  Münzrecht  und 
dem  Geldwechsel  fliessenden  Erträgen  die  finanziellen  Vor- 
teile, die  der  Markt  gewährte.  Die  Elostervorstände  hatten 
nun  die  Tendenz,  einmal  sich  von  derartigen  Abgaben  Be- 
freiung zu  verschaffen  —  bereits  im  Jahre  927  erhielt  Clani 
Befreiung  von  allen  Marktzöllen  durch  königliches  Privileg  — , 
vor  allem  aber  an  den  Vorteilen  der  Zollerhebung  selbst  zu 
participieren.  Mehrfach  wurden  Klöstern  in  unserer  Periode 
derartige  Anteile  an  der  Markteinnahme  oder  auch  die  ganzer 
Märkte  zugewiesen^),  oder  ihnen  besonders  gUnstige  Verkanfs- 
bedingungen  gestellt. 

^)  So  erhielt  St.  Fiorent  Zollfreiheit  bei  der  Burg  Chaumont  (Cart. 
de  St.  Gondon  nr.  35,  p.  59) ;  St.  P^re  de  Chartrea  auf  der  Seine  am  Castell 
Vernon  (Cart.  de  St.  P^re  I,  178);  Fleury  seitens  des  Fulco  von  Anjou 
(V.  Gauzl.  I,  c.  28);  Marmoutier  von  Gaufred  von  Anjou  auf  der  Loire 
(Marchegay  11,50);  St.  Julien  ebenfalls  von  Gaufred  (Cart  de  St.  Julien, 
Cod.  Paris.  1.  5448,  l  36').  Vgl.  die  Consuetudines  des  Grafen  Burchard 
in  Vendöme  (ed.  Bourel  de  la  Ronci^re  in  der  Vie  de  Bouehard,  Paris 
1892,  p.  37):  In  tempore^  quo  cwnes  Burchardua  vivebatj  twn  erai  peda- 
gium  neque  minagiunif  non  erat  in  villa  nee  in  comitatu  Vindocini,  quia 
comes  Fulco  iüum  niisit. 

>)  Vgl.  Marchegay  II,  50. 

')  Vgl.  £.  Mayer,  Zoll,  Kaufmannschaft  und  Markt  Kwischen  Rhein 
und  Loire,  German.  Abhandl.  f.  Konrad  v.  Maurer  (Göttingen  1893)  S.  37Sif. 

*)  Waitz  VIII,  285. 

^)  So  erhielt  St.  Benigne  schon  925  den  ehemals  bischöflichen  Wochen- 
markt  in  der  Burg  und  die  Hälfte  des  Jahrmarktes  am  Festtage  von 


481 

Vor  allem  entwickelte  sich  nm  die  Klöster  selbst  im  An- 
scfalnss  an  die  kirchlichen  Feste  ein  reger  Marktverkehr.i) 
Diese  Märkte  waren  znm  Teil  sehr  alt  und  reichten  gewiss 
hoch  in  die  merovingische  Zeit  zarOck  2),  andere  entstanden  un- 
abhängig von  der  königlichen  Macht,  die  Oberhaupt  in  Frankreich 
in  dieser  Zeit  fast  alle  Regalrechte  eingebttsst  hatte:  man  sieht 
es  daraus,  dass  wir  aus  spätkarolingischer  und  frtlhcapetingiscber 
Zeit  gar  keine  besonderen  Marktprivilegien  haben  und  bei 
Dorfgrttndungen  der  Markt  auf  Initiative  des  Grundherrn  oder 
der  Golonisten  entstand.  Es  gab  Wochenmärkte  und  Jahrmärkte; 
sie  müssen  sieh  aber  je  nach  der  Lage  des  Marktortes  in  der 
Art  der  Producte  und  der  Händler  stark  unterschieden  haben.^) 
Der  blühende  Verkehr  lockte  eine  grosse  Zahl  freier  Gewerbe- 
treibenden nach  dem  Kloster^);  andere  Handwerkergingen  viel- 
leicht aus  der  Zahl  der  Unfreien  hervor,  die,  soweit  sie  nicht 
fllr  den  Hofdienst  verpflichtet  waren,  mit  Erlaubnis  des  Herrn 
fttr  den  Markt  arbeiten  durften.^)  Von  dem  Marktzoll  waren 
in  der  Regel  alle  diejenigen  befreit,  die  zur  Familie  des  be- 
treffenden Klosters  gehöiiien,  also  zins-  oder  fronpflichtig 
waren.<^)     Alle  andern,  die  etwa  freies  Allod  besassen  oder 

St  Benignus  (Perard,  Recueii  p.  162;  Chron.  S.  Ben.  p.  124);  die  Chorherren 
von  St.  Barnard  erhalten  den  wöchentlichen  Markt  in  Valence  (Gart,  de 
S.  Bamard  nr.  66);  ferner  Montierender  (Gart,  de  Montierender  nr.  13,  p.  136); 
Savigny  (Gart,  de  Sav.  nr.  335  von  984);  St.  Pere  de  Ghartres  (Gart,  de 
St.  P^re  I,  129  von  1061). 

^)  So  in  Fleury  (V.  Gauzl.  I,  c.  12);  Arras  (Gnimann,  Gart,  de  St.  Vaast 
p.  170  ff.);  La  R^ole  (Labbe,  Nova  Bibl.  II,  744;  vgl.  Flach  11,  419). 

*)  So  der  Marict  von  St.  Denis;  vgl.  Ratbgen,  Die  Entstehang  der 
Märkte  in  Deutschland  (1881)  S.  7.  In  Fleury  begegnet  im  9.  Jahrhundert 
bereits  ein  judex  fori,  natürlich  ein  Beamter  des  Abtes;  vgl.  Sohm,  Die 
Entstehung  des  deutschen  Städtewesens  (Leipzig  1890)  S.  58,  n.  75. 

*)  Ueber  die  auf  den  Märkten  von  Arras  und  La  R^ole  gehandelten 
Waren  erhalten  wir  aus  den  angeführten  Urkunden  eingehendsten  Auf- 
scfaluss. 

*)  Vgl.  die  von  Flach  II,  319,  n.  1  angeführte  Stelle  aus  Ordericus 
Vitalis. 

*)  Lex  Burg.  XXI,  2;  v.  Schlosser,  Schriftquellen  zur  Geschichte  der 
karoling.  Kunst  (Wien  1892)  S.421. 

«)  Privileg.  Leduini  abb.  bei  Guimann,  Gart,  de  St.  Vaast  p.  171  und 
p.  182.  Vgl.  V.  Gauzl.  II,  c.  69:  Forensibue  etiam  remisit  portaticum  atqtie 
rotaticum  nisi  de  plaustriSy  qtie  annonam  vehuntj  indignum  esse  iudicans, 
ut  quos  enteret  ab  adversariorum  potestate  ipse  indigna  opprimeret  servi" 


432 

ausserhalb  der  Bannmeile  des  Ortes  wohnten,  waren  znm  Te- 
lonenm  verpflichtet.  Dieses  nahm  bei  den  ansässigen  Ge- 
werbetreibenden allmählich  den  Gbaracter  einer  bestimmten 
Abgabe  von  Erzeugnissen  der  eigenen  Werkstätte  an,  die  fbr 
die  Erlaubnis,  auf  dem  Markte  zu  verkaufen,  gezahlt  wurde.*) 
Immerhin  war  die  Verkaufsabgabe  vielfach  doch  so  drttekend, 
dass  die  am  Verkehr  beteiligten,  znm  Teloneum  verpflichteten 
Leute  die  Tendenz  zeigten,  sich  in  den  Zins  der  betreffenden 
Marktherren  zu  begeben^),  um  von  der  Abgabe  befreit  zu  werden. 
Es  leuchtet  ein,  dass  die  Verschmelzung  ursprünglich  freier 
und  unfreier  Handwerker  und  Eaufleute  dadurch  ganz  erheb- 
lich befbrdeit  wurde. 

Um  die  Klöster  bildete  sich  so  ein  dichtbewohnter  Be- 
zirk, der  meist  ummauert  wurde,  aber  auch  ausserhalb  der 
Mauern  nahmen  die  Ansiedelungen  zu.  Soweit  der  Abt  sich 
als  Orundherr  betrachtete,  hatte  er  das  Bedürfnis,  die  Asyl- 
freiheit der  Kirche  auf  dieses  Revier  auszudehnen  und  die 
Unverletzlichkeit  des  Ortes  durch  die  weltliche  Macht  beson- 
ders decretieren  zu  lassen.^)    Wer  in  diesen  Bezirk  geflüehtet 


tiUe.    Das  Reichenauer  Marktrecht  von  1100  §4  bei  Altmann  nnd  Bern- 
heim, Ausgewählte  Urkunden  S.  209;  Erstes  Strassburger  Stadtrecht  §  52. 

')  Das  geht  schlagend  aus  der  von  Flach  II,  822,  n.  1  aus  dem  Carl 
de  Redon  angeführten  Urkunde  von  1062  hervor;  ebenso  aus  der  Urkunde 
von  La  R^ole  (oben  S.  430,  n.  4).  Die  Abgaben  der  Handwerker  im  Strass- 
burger  Stadtrecht,  die  zu  der  Idee  geführt  haben,  diese  seien  hörig  ge- 
wesen, sind  m.  £.  nichts  als  Abgaben  für  den  Verkauf.  Gerade  diese  Ab- 
gaben weisen  auf  die  ursprüngliche  Freiheit.  Vgl.  v.  Below  (Hist.  Zs. 
Bd.  58,  S.  21 8  ff.),  der  jedoch  bei  seiner  Erklärung  von  anderen  Gesichts- 
punkten ausgeht. 

<)  Vgl.  Gart,  de  St.  Vaast  p.  182:  et  sic^  tU  a  theiotieo  liberareniwrf 
innumerabiks  se  obligaverunt  hoc  aduUerina  aervüute.  In  der  Gonstitutio 
Leduins  wird  bestimmt,  dass  die  Leute,  die  sich  freiwillig  in  die  Herr- 
schaft der  beiden  vom  Teloneum  befreiten  Kirchen  St.  Maria  und  St.  Vaast 
in  Arras  begeben,  auch  weiter  das  Teloneum  zahlen,  ebenso  die  damals 
schon  lebenden  Erben.  Ein  volles  Licht  fällt  hier  auf  das  Wachstum  der 
Städte  und  die  Stellung  der  Gewerbetreibenden. 

>)  Vgl.  die  Urkunde  Lothars  von  955  für  Glnni  (GHGL II,  nr.980):  ut 
inprimis  caatrum  monasterii  omnimodo  ait  immune  et  9ub  ditione  eonim 
libere  constitutimi,  nuUuaque  intra  girum  eius  vel  extra  quamlibet  iudi- 
ciariam  exerceat  poteatatem  contra  volwntatem  ipsar^im;  ebenso  die  Syno- 
dalurkunde von  Anse  (904),  GHGL  II,  nr.  2255. 


433 

war,  war  frei.^)  Wer  aueh  nur  vorübergehend,  nm  zu  beten, 
in  die  Abteistadt  kommt,  tritt  unter  die  Gerichtsbarkeit  des 
Abtes;  niemand  darf  ihn  ausserhalb  vor  ein  Gericht  rufen.^) 
Der  Abt  oder  sein  Vertreter  erteilt  femer,  wem  er  will,  siche- 
res Geleit.^)  Wie  der  Abt  im  engeren  Fronhofsbezirk  die 
patrimoniale  Gerichtsbarkeit  selbst  ausübte,  in  den  Villen  durch 
den  von  ihm  eingesetzten  Amtmann,  den  Vogt,  ausüben  liess, 
so  ernannte  er  richterliche  Beamte,  deren  Functionen  von  ihm 
festgestellt  wurden^),  die  aber  erst  dann  für  den  ganzen  Ort, 
also  nicht  nur  die  Zinspflichtigen,  Geltung  erlangten,  als  die 
Libertas  desselben  von  der  öffentlichen  Gewalt  anerkannt 
wurde.  Für  den  Marktverkehr  wurden  Beamte  eingesetzt,  die 
die  Verkaufsabgaben  zu  erheben,  über  solche,  die  sie  ver- 
weigerten, zu  entscheiden,  über  Marktstreitigkeiten  zu  richten 
und  Mass  und  Gewicht  zu  beaufsichtigen  hatten.^) 

Häufig  wurden  die  Abteien  aber  in  bereits  bestehenden 
Städten  von  Territorialherren  begründet  oder  unter  den  Mauern 
einer  Burg,  deren  Herr  zugleich  die  öffentlichen  Rechte  ausr 
übte.  Die  Tendenz  der  Klöster  ging  nun  dahin,  als  Grund- 
herren die  andern  Berechtigten  zu  verdrängen,  die  Freien  sich 

0  Urkunde  für  St.  Jeän  d'Aiig61y,  Besly  p.  328:  curtem  S.  lohannis 
et  cunctaj  quae  in  ea  fuennt  et  omneSj  qui  ad  eam  confugerintf  cuiua- 
cumqtie  criminis  rei  sinty  securos  ab  amnibtis  et  ttdos  esse  precipimuSj  et 
nuUus  his  quicunque  intra  ambitum  eius  fuerintf  dum  tutw  fuerintf  älir 
quam  viokntiam  inferre  praesumat;  vgl.  Flach  II,  171  ff. 

>)  Urkunde  für  St.  Jean  p.  829. 

*)  So  in  der  Urkunde  für  St.  Jean  und  dem  Stadtrecht  von  La  R^ole, 
wo  der  Lehnsinhaber  der  Marktgerichtsbarkeit  securum  condudwn  dabit 
venientibus  ad  forum  in  eundo  vel  redeundo.  Hier  ist  überall  der  Stadt- 
frieden and  das  Geleitsreoht  ans  dem  erweiterten  nnd  staatlich  anerkann- 
ten kirchlichen  Asyl  abzuleiten,  so  dass  ich  diesen  Ursprung  des  Stadtr 
friedens  a  priori  überall  da  annehmen  möchte,  wo  sich  Stadtgemeinden 
an  Kirchen  anlehnten;  das  war  aber  im  Anfange  überall  der  Fall. 

*)  In  St  Jean  übt  der  Propst  an  Stelle  des  Abtes  die  Gerichtsbar- 
keit und  Execution  auf  alle  an  ihn  gelangenden  Klagen,  d.  h.  also  die  ge- 
samte Civilgerichtsbai'keit. 

^)  Das  geht  ans  den  Markt-  und  Stadtrechten  von  St.  Jean,  St  Vaast 
d'Arras  und  LaR^ole  hervor.  Mass  nnd  Gewicht  ist  überall  in  den  Hän- 
den der  Stadtherren  und  waren  wie  alle  anderen  Regalien  vielfach  zu 
grundherrliohen  Rechten  geworden.  Vgl.  E.  Meyer,  Zoll,  Kaufmannschaft 
und  Markt  a.  a.  0.  p.  395.  444.  Die  Belowsche  Ansicht,  dass  Mass  und 
Gewicht  znr  Competenz  der  Landgemeinde  gehörten,  kann  ich  nicht  teilen. 

Sftokur,  UlmÜMoiMr.  II«  28 


434 

zinspflichtig  zq  machen,  in  ihren  Dienst  zn  ziehen,  ihren  eigenen 
Besitz  gegen  Zins  an  Bürger  der  Stadt  anszngeben.^)  Einzelne 
öffentliche  Rechte,  wie  den  Markt,  wnssten  sie  in  ihre  Hände 
ZQ  bringen.  So  konnte  es  kommen,  dass  die  Einwohner  all- 
mählich fast  in  der  Gesamtheit  als  Ministerialen,  Pächter  nnd 
Censnalen  von  dem  Klosterhofe  abhängig  wurden'),  dass  von 
der  öffeutliohen  Gewalt  ein  Stack  nach  dem  andern  auf  sie 
überging,  bis  der  Territorialherr  sich  schliesslich  genötigt  sah, 
diese  Entwicklung  durch  Anerkennung  der  Oberherrlichkeit 
des  Abtes  zu  bekräftigen.^)  Der  Abt  wurde  dann  Obereigen- 
tttmer  aller  Grundstücke^),  auf  denen  überhaupt  ein  klöster- 
licher Zins  ruhte,  ganz  gleich,  ob  andere  Grundherren  mehr 
ZU  fordern  hatten,  nnd  damit  wurde  die  Veräussemngsfreiheit 
zu  Gunsten  des  betreffenden  Klosters  beschiilnkt*) 

Sei  es  nun,  dass  auf  klösterlichem  Terrain  die  Ansiede- 
lung entstand,  sei  es,  dass  die  klösterliche  Grnndherrschaft 
erst  die  andern  Grundherren  verdrängte:  das  kirchliche  Asyl, 
die  günstige  Stellung  geistlicher  Censnalen  und  der  Markt  haben 
hauptsächlich  die  Entwicklung  dieser  Abteistädte  befördert 
Sehen  wir  auf  der  einen  Seite,  wie  Kaufleute  und  Gewerbe- 
treibende, Freie  und  Unfreie  in  den  Schutz  und  die  Zinspflicht 
des  Klosters  drängen,  am  einmal  die  besondere  Freiheit  des 
kirchlichen  Asyls,  sodann  die  Befreiung  vom  Verkehrszoll  zn 
gemessen,  so  begreift  man,  dass  alle  diese  Leute  zunächst  in 
eine  gewisse  Abhängigkeit  vom  Stadtherrn  kamen,  und,  da 
dieser  in  der  Hand  hatte,  die  Leistungen  der  einzelnen  zu  be- 
stimmen, glückte  es  ihm  zunächst,  eine  starke  stadtherrliche 
Gewalt  zu  statuieren.  Je  nach  den  Interessen  des  Ortes  konn- 
ten  aber  später    auch   wieder  Ansiedler  nnter  freieren   Be- 

^)  In  der  Urkunde  von  La  R6ole  wird  dem  Prior  zur  Pflicht  gemacht, 
KloBtergut  nur  gegen  Zins  auszugeben. 

')  vd  ipsi  de  hominibve  burgi,  qui  omnes  fere  iuris  eorvm  sunt. 

')  Das  geschieht  in  der  Urkunde  fUr  St.  Jean  d'Ang^ly. 

*)  Urkunde  für  St.  Jean  a.  a.  0.  Wie  weit  dieser  Orundsatz  geht, 
erhellt  daraus,  dass  anoh  die  Gri&fin  von  Poitiera  fttr  die  gräflichen  Be- 
sitzungen das  Obereigentum  des  Abtes  anerkennt 

^)  Urkunde  fttr  St  Jean  d'Angöly  a.  a.  0.;  Urk.  fttr  La  R6ole  a.  a.  0. 
Vgl.  die  Urk.  Gart  de  St  Victor  I,  nr.  58  (1040):  Ergo  äUodiarii  supra- 
dictarum  viUarum  nan  habeant  UeenHam  vendere  swum  dUodem  cuique 
kamini  sine  eonsilio  vel  eonsensu  abbatis  sancH  Vietaris, 


455 

dingungen  Hänser  zu  Stadtleihe,  d.h.  zn  erblichem  and  leicht 
veränsserlichem  Besitz  gegen  Zins  geliehen  erhalten  i),  konnte 
die  Kaufmannschaft  einen  stärkeren  Einflnss  anf  die  Rechts- 
bildnng  der  Städte  gewinnen. 

So  Würden  diese  Aebte  zn  Stadtherren;  die  Voraussetzung 
ist  immer  die,  dass  auf  Grund  des  kirchliehen  Asylreehts  sich 
unter  Anerkennung  der  Staatsgewalt  ein  ummauerter  gefreiter 
Bezirk  aus  den  Beziehungen  zur  öffentlichen  Gerichtsbarkeit 
aussondert  und  dass  unter  der  Gunst  mercantiler  Verhältnisse 
riete  Handwerker  und  Eaufleute  sich  innerhalb  desselben  an- 
siedelten. Sie  wurden  nun  entweder  teloneumpflichtig  oder 
traten  als  Censualen  in  die  Abhängigkeit  von  der  Grundherr- 
schaft. Da  nun  das  Teloneum  schliesslich  zu  einer  fixierten 
Gewerbesteuer  wurde,  die  denen  nicht  mehr  erlassen  wurde, 
die  in  die  Zinspflicht  des  Stiftes  traten,  wurde  die  Gewerbe- 
steuer wahrscheinlich  allmählich  auf  die  urspränglich  Befreiten 
ausgedehnt  An  Stelle  der  Unterschiede  der  Geburt  traten  die 
des  Berufs. 

Versuchen  wir  uns  noch  einmal  kurz  die  wirtschaftliehe 
Bedeutung  der  Klosterreform  zu  vergegenwärtigen. 

An  Stelle  des  alten  in  der  zweiten  Hälfte  des  neunten 
Jahrhunderts  zersplitterten  und  yerschlenderten  Grossgrund- 
besitzes traten  neue,  unorganische  Aufhäufungen  von  zerstreuten 
Ländereien  und  Rechten,  die  das  Mönchtum  zu  organisieren 
und  abzurunden  versucht.  Durch  den  intensiveren  Wirtschafts- 
betrieb wurde  aus  diesen  Grundstücken  der  denkbar  grösste 
Nutzen  gezogen  und  damit  allmählich  ersetzt,  was  an  wirt- 
schaftlichen Kräften  während  der  grossen  Umwälzung  verloren 
gegangen  war.  Zahlreiche  freie  Bauern,  die  ihre  Habe  verloren, 
fanden  als  Censualen  oder  Hospites  der  Klosterwirtschaften 
eine  neue  Existenz;  freie  Handwerker  und  Kaufleute  bildeten 
die  Bevölkerung  der  Abteistädte.  Die  neuen  Gentren  zogen 
magnetisch  durch  den  Schutz,  den  sie  gewährten,  eine  Menge 
Personen  in  ihren  Dienst  und  lichteten  somit  mehr  und  mehr 
die  Reihen  der  vollfreien  Bauern.  Im  Bewusstsein  ihrer  hu- 
manitären Pflichten  schufen  die  Aebte  ihren  Unterthanen  über- 
all eine  freiere,  selbständigere  und  menschenwürdigere  Existenz. 

*)  Vgl.  V.  Below  a.  a.  0.  S.  98  f. 

28* 


436 

Aber  mit  der  Colonisation  der  ansgedehnten,  wttst  liegen- 
den Landstriche,  mit  der  Aufsangang  des  kleinen  Grnndbesitzes 
ist  die  wirtschaftliche  Bedeutnng  der  Klosterreform  nicht  er- 
schöpft. Nicht  weniger  wirkten  die  Abteien  in  ihrer  Stellung 
als  sociale  Centren,  als  Finanzinstitnte,  auf  ihre  gesamte  Um- 
gebung. Ans  den  Zinsen,  ans  dem  Verkauf  ihrer  Productions- 
ttberschttsse  sammelten  sich  grössere  Capitalien,  die  dem  stei- 
genden Bedürfnis  der  Landleute  und  des  Adels  dienstbar  ge- 
macht, die  zum  Ankauf  von  Grundbesitz  und  zur  Beschaffung 
von  Lebensmitteln  und  Kleidung  der  Brttder  auf  den  Märkten 
verwendet  wurden.  Durch  ihre  auf  Immobiliarpfand  beruhen- 
den Darlehen,  durch  die  Versicherungs-  und  Pensionsgeschäfte, 
die  sie  eingingen,  übten  die  Stifter  an  Bauern  und  Edelleuten 
wohlthätige  Handlungen,  die  freilich  für  sie  selbst  reichen 
Nutzen  trugen,  indem  die  Pfänder  häufig  in  ihrem  Besitz  blie- 
ben und  die  Dienste  der  Mönche  zu  immer  weiteren  Scken- 
kungen  Anlass  gaben.  In  jedem  Fall  wurde  durch  sie  der 
Geldumlauf  befördert,  durch  ihre  Fähigkeit,  sich  in  die  Lücken 
der  socialen  Ordnung  überall  einzuschieben,  die  allgemeine 
materielle  Kultur  erhöht:  das  alles  in  einer  Zeit,  in  der  das 
geistige  Leben  noch  mehr  von  den  materiellen  Grundlagen 
abhing,  als  heutzutage. 


Vierzehntes  Capitel. 

Ergebnisse. 


L 

Das  Kloster  Clani  war  von  Wilhelm  dem  Frommen  in 
einer  Zeit  gegründet  und  ausgestattet  worden,  als  allerorten 
der  Geist  der  Religion  sich  gegen  den  Umsturz  aller  Sittlich- 
keit erhob.  Viele  Klöster  waren  damals  schon  wieder  neu- 
erstanden oder  wurden  bald  darauf  ins  Leben  gerufen.  Wenn 
Cluni  vor  allen  andern  es  zu  einer  weltbeherrschenden  Be- 
deutung brachte,  so  verdankte  es  diese  einmal  dem  Anschlnss 
an  den  römischen  Stuhl,  vor  allem  der  Persönlichkeit  des 
ersten  Abtes  Odo.  Er  erhob  die  allgemeine  Beform  der  Klöster 
zum  Princip;  er  liess  sich  von  Bom  das  Becht  gewähren, 
Mönche  irregulärer  Klöster  aufzunehmen  und  mehrere  Abteien 
unter  seiner  Leitung  zu  vereinigen.  Das  agitatorische  Talent 
und  der  zähe  Wille,  mit  dem  Odo  diese  Idee  verfolgte,  sicherte 
ihm  den  Erfolg  und  schuf  seinen  Nachfolgern  eine  Grundlage, 
auf  der  sie  fussen  konnten.  Odo  verfuhr  dabei  nicht  pedan- 
tisch; es  kam  zunächst  darauf  an,  das  gemeinsame  Leben 
wiederherzustellen:  im  einzelnen  war  man  sicher  leicht  zu  Con- 
cessionen  geneigt. 

Zwei  Jahrzehnte  hatten  aber  seit  der  Gründung  Glunis 
vergehen  müssen,  bis  Odo  die  Beform  der  Klöster  in  grossem 
Massstabe  betreiben  konnte.  Die  Hauptsache  war,  dass  ausser 
dem  Papst  die  Fürsten  gewonnen  wurden,  neben  der  Familie 
und  den  Vasallen  des  Stifters,  Adelheid  von  Burgund,  Budolf 
von  Frankreich,  Hugo  der  Schwarze,  Hugo  von  Francien.  In 
Italien  hatte  Odo  Alberich  und  Leo  Vli  auf  seiner  Seite,  die  ihm 


488 

infolge  seiner  Vermittlung  mit  König  Hugo  verpflichtet  waren. 
In  den  höchsten  Kreisen  war  das  Bedürfnis,  die  Kirche  zu 
unterstützen,  zuerst  wieder  lebendig  geworden.  Waren  diese 
vorangegangen,  so  folgten  die  Vasallen,  das  Volk.  Zuerst  lang- 
sam, dann  immer  rascher  wuchs  die  Zahl  der  Schenkungen, 
schwoll  der  Grundbesitz.  Wer  ehemaliges  Kirchengut  in  der 
Hand  hielt,  wurde  veranlasst,  es  zurückzugeben. 

In  Aquitanien,  Nordfrankreich,  Italien  bildeten  sich  neue 
Reformcentren.  Von  Tülle  und  Aurillac  pflanzten  Adacius  nnd 
Arnulf  die  Bewegung  fort,  von  Flenry  drangen  die  neuen  Ge- 
wohnheiten nach  der  Touler  Diöcese  und  nach  Reims,  wo  von  der 
Abtei  St  Remi  aus  die  andern  Klöster  des  Sprengeis  gewonnen 
wurden.  In  Italien  wurden  die  römischen  Klöster  wieder  ins 
Leben  gerufen,  nach  Benevent  und  Salerno  kamen  schon  die 
Schüler  des  französischen  Abtes.  Unter  Majolns  wurde  nament- 
lich Francien,  Marmontier  und  St  Maur-des-Fossös  gewonnen, 
beide  nicht  mehr  in  den  Händen  der  Robertiner,  das  Herzog- 
tum Burgund,  hier  die  Sprengel  Chalon,  Anxerre,  Autan.  In 
der  Diöcese  Langres  nahm  Wilhelm  von  Volpiano  die  Tbätig- 
keit  des  Lehrers  auf. 

Am  Anfang  des  elften  Jahrhunderts  existierten  bereits  eine 
ganze  Anzahl  Reformcentren,  ausser  Cluni:  Flenry,  St  Benigne 
von  Dijon,  St  Julien  de  Tours.  In  Lothringen  eröffnete  Riehard 
von  St  Vannes  einen  neuen  Reformherd.  Jeder  wirkte  in  be- 
stimmten Kreisen  und  Diöcesen,  erfreute  sieh  seiner  besonderen 
Gönner.  In  ganz  Frankreich  wurde  so  ein  Kloster  naeh  dem 
andern  der  strengen  Zucht  gewonnen,  von  den  Gegenden  der 
Rhonemündung  bis  in  den  Nordwesten  der  Bretagne,  in  Lo- 
thringen und  Flandern  verzweigte  sich  die  Reform  von  der 
Diöcese  Verdun  bis  nach  den  Niederungen  der  Nordsee. 

Das  Stammkloster  der  Reform,  der  Quell,  ans  dem  das 
mönchische  Leben  zu  den  andern  strömte,  war  unbestritten 
Cluni,  das  auf  die  Institutionen  Benedicts  von  Aniane  zurück- 
gegangen war;  nur  in  Lothringen  und  an  der  Somme  hatte  im 
zehnten  Jahrhundert  der  Drang  zur  Weltflncht  selbständig  zum 
Zusammenschlnss  und  gemeinsamen  Leben  nach  der  Benedictiner- 
regel  geftlhrt  Freilich  waren  dann  diese  spontanen  Bildungen 
von  Frankreich  ans  nicht  unberührt  geblieben.  Auch  in  Italien 
hatte  der  wiedererwachende  religiöse  Sinn  naeh  einem  con- 


439 

formen  Ausdraeke  gesucht  Hier  tand  das  Eremitenleben  zahl- 
reiche Vertreter;  in  den  oberitalienischen  Episcopaten  hatten 
dagegen  die  Bischöfe  wieder  zur  Benedictinerregel  gegriffen. 

Verfolgt  man  die  Geschichte  einzelner  Klöster,  so  kann 
man  unmöglich  annehmen,  dass  eine  dieser  Richtungen  damals 
stark  exclusiv  gewesen  sei.  Mönche  yersehiedener  Herkunft, 
Achte  yersehiedener  Schulen  wirkten  da  öfter  neben-  und  nach- 
einander. Eine  Centralisation  ist  wohl  von  Gluni  hier  und  da 
versucht,  in  kleinem  Massstabe  auch  dnrchgeftthrt  worden:  die 
grosse  Masse  der  Klöster  erhält  —  namentlich  am  Anfang  — 
Aebte  und  Mönche  vom  Mutterkloster,  dann  verschwindet  jede 
Verbindung.  Erst  Odtlo  hat  mit  Bewosstsein  begonnen,  die 
reformierten  Abteien  durch  ein  festeres  Band  an  das  Mntter- 
kloster  zu  knüpfen. 

Die  Reform  hatte  sich  zuerst  in  voller  Freiheit  vollzogen; 
man  war  zufrieden,  wenn  man  die  Hauptttbel  beseitigt  hatte, 
den  Privatbesitz  und  den  Fleischgenuss,  in  nebensächlichen 
Dingen  war  man  offenbar  nachsichtig.  Das  sicherte  zunächst 
den  Erfolg  im  grossen,  hinderte  freilich  eine  constante  Ent- 
wicklung. Die  Aebte  behielten  meist  Selbständigkeit;  nach 
ihrem  Tode  hatten  die  Brüder  das  Recht  der  freien  Abtwahl. 
Auch  Laien,  Burg-  und  Lehnsherren  gewannen  wieder  Einflnss, 
und  man  konnte  ein  Menschenalter  später  mitunter  die  Sisyphus- 
arbeit von  neuem  beginnen.  Das  war  im  Anfang  namentlich 
in  vielen  Fällen  der  Verlauf,  da  die  einzelnen  Stifter  in  ihrer 
Umgebung  nicht  den  genügenden  Rückhalt  fanden ;  sie  erlagen 
bald  wieder  den  localen  Gewalten.  In  steigendem  Masse  be- 
festigten sich  dann  die  Verhältnisse.  In  dem  diehtmaschigen 
Netze  wurden  die  einzelnen  Glieder  stärker  zusammengehalten, 
als  durch  die  lockeren  Fäden  am  Anfange.  Aber  immerhin 
war  doch  von  einer  vollen  Sicherheit  keine  Rede.  In  Lothringen 
und  rechts  vom  Rhein  sind  alle  Anzeichen  dafür,  dass  die  Re- 
formen Poppos  von  Stablo  ein  Schlag  ins  Wasser  waren.  Man 
ordnete  hier,  griff  dort  gelegentlich  ein;  was  dann  geschah, 
wusste  niemand. 

Ist  diese  Darlegung  zutreffend,  dann  ergiebt  sich  auch, 
dass  von  Cluniacensern  in  einem  Sinne,  der  alle  jemals  von 
Clnni  beeinflnssten  Institute  umfasst,  nicht  die  Rede  sein  kann. 
Wenn  Rodulfns  Glaber  dem  Papste  in  dem  Augenblicke  das 


440 

Reeht  bestreiten  darfte,  gegen  den  Willen  des  DiOeeBanbisehofiB 
in  dessen  Diöeese  geistliche  Handlangen  yorzonehmen  ^),  in 
dem  Flenry  und  Clnni  ftir  dieses  Recht  stritten,  wenn  Poppo 
von  Stablo  flir  eine  nneanonische  Ehe  eintrat,  die  Sigfried  yon 
Gorze  entschieden  bekämpfte,  so  sieht  man,  dass  selbst  in  prin- 
zipiellen Fragen  eine  darchgängige  Uebereinstimmung  fehlte. 
Gleichwohl  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Führer  der  Bewegung 
sich  als  solidarisch  betrachteten  2),  dass  Odilo  ebenso  mit  Wil- 
helm von  D\|on,  wie  mit  Abbo  von  Flenry  zusammenarbeitete, 
dass  sie  eine  gemeinsame  Idee  vertraten  und  auch  in  den 
Grundfragen  zusammengingen. 

Werfen  wir  die  Frage  auf,  inwieweit  das  Cluniacensertum 
—  um  so  in  aller  Etirze  die  Gemeinschaft  der  Führer  des 
französischen  Mönchtums  zu  bezeichnen  —  einheitliche  Ge- 
sichtspunkte vertrat  und  inwieweit  diese  Gesichtspunkte  ge- 
rade dieser  Richtung  eigentttmlich  waren. 

IL 

Man  stimmt  darin  ttberein,  dass  die  kirchengeschichtliche 
Entwicklung,  wie  sie  sich  seit  dem  Untergang  des  Karolinger- 
reiches vollzieht,  in  der  Persönlichkeit  und  den  Ideen  Gre- 
gors VII.  gipfelt.  Wer  deshalb  in  grösserem  Zusammenhange 
kirchliche  Strömungen  des  zehnten  und  elften  Jahrhunderts 
schildert,  wird  das  Verhältnis  derselben  zu  den  Bestrebungen 
dieses  Papstes  betonen  müssen;  und  wer  eine  Reformbewegung, 
wie  die  cluniacensische,  behandelt,  aus  der  Gregor  hervor- 
gegangen sein  soll,  wird  ganz  besonders  zu  zeigen  haben,  wie 
diese  Tendenzen  sich  zu  denen  Hildebrands  verdichteten,  er- 
weiterten, wie  weit  sie  den  letzteren  gar  widersprachen. 

Drei  Hauptgedanken  lässt  die  Wirksamkeit  Gregors  er- 
kennen: die  Idee  einer  universalen,  von  Rom  aus  geleiteten 
Kirche,  die  Idee  der  Superiorität  alles  Geistlichen  über  das 
Weltliche,  die  Idee  einer  von  Lastern  freien,  einzig  und  allein 
dem  Dienste  der  Kirche  geweihten  Geistlichkeit:   Gedanken, 


')  Hist.  II,  0.  4,  §  6.  Man  sieht,  was  seine  Aeusserungen  über  Kon- 
rads  uncanonische  Ehe  dann  zur  Characteristik  der  Cluniacenser  fUr  einen 
Wert  haben  und  wie  Unrecht  man  thut,  die  Gegensätze  zu  Übertreiben. 

«)  Vgl.  Bd.  I,  299;  H,  218. 


441 

die  keineflwegs  neu  waren,  die  aber  in  ein  System  gebracht 
und  consequent  in  die  Praxis  umgesetzt,  auch  in  anderen 
Zeitlänften  umwälzend  hättep  wirken  müssen.  Welche  Beden- 
tnng  hatte  die  olnniacensische  Reformbewegnng  Air  die  Ent- 
wicklung dieser  Ideen? 

Die  römische  Universalherrsohaft  hatte  sich  aus  der  Ehren- 
stellung entwickelt,  die  man  dem  Bischof  von  Rom,  der  alten 
Welthauptstadt,  zugestand,  und  aus  dem  Anspruch,  den  dieser 
erhob,  als  Nachfolger  Petri  in  alle  dessen  Rechte  einzutreten. 
Diese  Uniyersalherrschaft  war  aber  seit  Jahrhunderten  mehr 
eine  Forderung  als  ein  erworbenes  Recht  gewesen,  sie  war 
stets  insoweit  zur  Geltung  gekommen,  als  die  Individualität 
des  Trägers  der  Tiara  und  die  materiellen  Mittel,  über  die  er 
verfttgte,  den  Anspruch  auf  die  Oberhoheit  über  alle  Kirchen 
förderte.  Seit  Pippin  und  Karl  dem  Grossen  trat  das  Papst- 
tum als  dritte  anerkannte  politische  Weltmacht  neben  dem 
oströmischen  und  dem  von  Karl  erneuerten  weströmischen 
Kaisertum  auf:  mit  der  Emancipation  von  Byzanz  bewegten 
sich  die  Ansprüche  Roms  in  aufsteigender  Linie.  Was  sie  för- 
derte, war  die  Schwäche  der  weltlichen  Centralgewalt  des 
Westens,  die  Notwendigkeit  an  Stelle  des  königlichen  Schutzes 
den  des  Papstes  aufzusuchen,  während  des  Zerfalls  des  Franken- 
reiches die  Einheit  der  Kirche  aufrecht  zu  erhalten.  Als  dann 
das  Papsttum  seit  der  Wende  des  neunten  Jahrhunderts  seine 
politische  Selbständigkeit  nicht  behaupten  konnte,  als  der 
Papst  durch  die  lokalen  Adelsgewalten  Roms  zu  einem  klei- 
nen Landbischof  herabgedrückt  wurde,  seine  Würde  eine 
Sinecure  einzelner  römischer  Familien,  eine  Zeitlang  erblich, 
dann  wieder  bestritten ,  da  war  von  der  Machtfölle  eines  Nico- 
laus und  den  Forderungen  der  falschen  Decretalen  wenig  mehr 
übrig.  Nur  hier  und  da  schien  man  sieh  des  römischen  Bischofs 
noch  zu  erinnern ;  rein  geistliche  Functionen  übte  er  wohl  wei- 
ter, aber  die  grossen  politischen  Umwälzungen  vollzogen  sich 
ohne  seine  Teilnahme.  Die  italienische  Politik  der  Ottonen 
brachte  das  Papsttum  zwar  wieder  in  unmittelbare  Berührung 
mit  der  grossen  Weltpolitik  und  ihren  Trägem,  vermochte  den 
römischen  Stuhl  jedoch  auf  die  Dauer  der  Adelsherrschaft 
nicht  zu  entreissen,  noch  weniger  för  geeignete  KirchenfÜrsten 
zu  sorgen.    Es  war  die  Frivolität  und  Gewinnsucht  der  römi- 


442 

sehen  jeunesse  doräe,  die  aieh  damals  anf  dem  apostoKseheii 
Sitze  breit  maehte. 

Unter  dieaen  Umständen  hatten  die  Bisehöfe  and  nament- 
lich die  Metropolitane  der  einzelnen  Länder  eine  fast  selb- 
ständige Stellang  erworben.  Sie  bestritten  keineswegs  dem 
Papste  die  Oberherrschaft  ttber  die  Kirehe,  das  hlk^hste  Richter- 
amt, das  Recht  za  binden  and  za  lösen.  Die  theoretisehen 
Grandlagen  des  römischen  Vorrechts  waren  aach  für  sie  nicht 
anfechtbar J)  Aber  sie  wollten  einmal  ihre  Geltang  abhängig 
machen  von  der  Würdigkeit  des  Trägers  dieser  Gewalt;  sie 
stellten  ferner  den  Satz  aaf,  dass  der  Papst  nicht  das  Recht 
habe,  willkürlich  in  die  Diöcesanrechte  anderer  einzugreifen ^), 
sie  verlangten,  dass  die  kirchliche  Strafgewalt  nicht  vom  Papst 
zaro  Schaden  der  Disciplin  willkürlich  darchbrochen  werde. 
War  nach  der  Theorie  Pseado-Isidors  der  Papst  die  Qaelle 
alles  Rechts,  so  stand  nach  der  Ansicht  der  Gegner  die  Pyra- 
mide der  Hierarchie  anf  der  breiten  Basis  der  Episcopal- 
gewalten.») 

Man  kann  nicht  bestreiten,  dass  diese  Vorstellnng  die  im 
Gleras  allgemein  vertretene  and  in  Anwendung  gebrachte  war, 
dass  die  Metropolitane  von  Rom  fast  anabhängige  Kirchen 
leiteten.  Die  anbedeatenden  Bestätigungsrechte,  die  man  Rom 
einräamte,  and  die  theoretische  Anerkennang  seiner  Herrsehaft 
hatten  doch  nar  den  Wert  von  Ehrenrechten,  wenn  man  bei 
jeder  Gelegenheit,  wo  der  Papst  seinen  eigenen  Willen  znr 
Geltang  brachte,  sich  gegen  ihn  erhob.  So  unabhängig  sich 
aber  anscheinend  die  Landeskirchen  bewegten  und  entwickel- 
ten, so  fehlten  doch  die  Kräfte  nicht,  die  allmählich  den  festen 
Boden  der  episeopalen  üerrschaften  unterminierten,  die  dem 
römischen  Einfluss  ausserhalb  Italiens  in  steigendem  Masse 
Eingang  verschafften,  die  in  den  Zeiten  des  Verfalls  der  päpst- 
lichen Macht  einen  Faden  nach  dem  andern  nach  der  Haupt- 
stadt der  Christenheit  spannen. 

Nach  dieser  Richtung  war  die  Entwicklung  des  französi- 
schen Mönchtums,  der  cluniacensisohen  Bewegung  von  grosser 


»)  Vgl  Bd.  1,279;  11,29. 
«)  Rod.  Glaber  II,  c.  4,  §  6. 
»)  Bd.  I,  J80. 


443 

Bedeatang.  Fttr  die  Mönohe  als  Vertreter  der  Seligion  hatte 
Rom  immer  noeh  als  Stadt  der  Apostel  auf  fromme  Ver- 
ehmng  Anspmeb.  Sie  sachten  die  heiligen  Stätten  orationis 
gratia  auf  und  sehrieben  diesen  Pilgerfahrten  einen  hohen 
Wert  fUr  das  Seelenheil  za.  Alle  hervorragenden  Aebte  dieser 
Zeit  haben  solche  Reisen  ans  religiösen  Gründen  unternommen 
nnd,  wo  sie  aas  andern  Rücksichten  Rom  anfsnehten,  nicht 
anterlassen,  an  den  geweihten  Orten  ihre  Andacht  za  ver- 
richten. Keiner,  der  anf  Frömmigkeit  Ansprach  machte,  durfte 
es  versäumen 9  nach  Rom  zu  ziehen,  und  kaum  konnte  ein 
Biograph  die  Verehrong  ftlr  einen  Helden  herauszufordern 
hoffen,  wenn  er  nicht  von  einer  Romreise  zu  berichten  wusste. 
Auch  Laien  zogen,  seit  Oerald  von  Aurillac  durch  seine  vielen 
Romreisen  sieh  einen  Anspruch  auf  Bewunderung  und  Ver- 
ehrung erwarb,  in  steigendem  Masse  als  Pilger  in  die  Stadt 
der  Apostel,  fast  jährlich  Wilhelm  V.  von  Aquitanien.  Es  war 
die  Wirkung  mönchischen  Einflusses;  man  war  auf  dieser  Seite 
deshalb  sehr  wenig  entzückt,  als  die  Pilgerfahrten  nach  dem 
heiligen  Lande  die  Romfahrten  zu  verdrängen  begannen.^) 

Aus  religiöser  Ueberzeugung  von  der  Nachfolge  Petri  hielten 
die  Mönche  femer  an  der  Binde-  und  Lösegewalt  fest  und 
begründeten  damit  die  Universalherrsehaft  der  römischen 
Kirche.  Für  Abbo  von  Fleury  ist  Rom  der  Gipfel  der  Kirche, 
die  römischen  Decrete  bindend  fttr  die  gesamte  Hierarchie J) 
In  den  Kämpfen  der  Aebte  von  Fleury  gegen  die  Bischöfe 
von  Orleans,  in  denen  Glnnis  gegen  den  Bischof  von  Mäcon, 
in  dem  (regensatz  Wilhelms  von  Dijon  gegen  Johann  XIX,  als 
er  im  Begrifif  war,  anf  den  Titel  Universalis  Ostrom  gegenüber 
za  verzichten,  kommt  immer  wieder  der  von  cluniacensiseher 
Seite  vertretene  Satz  zum  Vorschein,  dass  das  Recht  zu  binden 
and  zu  lösen  auf  der  Herrschaft  Petri  rahe,  dass  die  in  sei- 
nem Namen  erlassenen  Bestimmungen  kritiklos  anzanehmen 
seien.3) 

Die  Vorstellang  von  der  universalen  Gewalt  Roms  hat  dann 
die  vielen  Schutz  Verhältnisse  hervorgerufen,   in  denen  Cluni 

»)  Bd.  1,281. 

«)  S.  oben  S.  86.  173.  193  ff. 

")  So  verbietet  Abbo  seinem  Schüler  Bemard  nach  Jerusalem  iiW 
gehen,  gestattet  ihm  aber  nach  Born  za  pilgern. 


444 

nnd  die  anderen  grösseren  Beformklöster  zu  Rom  standen. 
Sowohl  den  Bisehöfen  als  Laien  gegenüber,  die  ihre  Freiheiten 
und  Rechte  beeinträchtigten,  riefen  die  französischen  Aebte  be- 
ständig den  römischen  Schatz  an.  Mit  aller  Energie  vertraten 
sie  den  Satz  von  der  Gültigkeit  aller  Papstdecrete  dem  Epi- 
scopat  gegenüber  and  führten  damit  eine  Discassion  herbei, 
die  stets  zam  Vorteil  des  apostolischen  Stahles  ablief.  Rom 
schützte  sie  und  sie  verteidigten  die  universalen  Rechte  Roms 
in  den  Kämpfen ,  die  sie  für  die  Unabhängigkeit  ihrer  Institute 
zu  bestehen  hatten :  so  war  das  Band  geschmiedet,  das  sie  mit 
den  Trägem  der  apostolischen  Gewalt  verknüpfte. 

Hatte  das  Mönchtum  somit  das  grösste  Interesse  an  der 
Machtentfaltang  des  römischen  Papsttums,  so  ist  es  begreif  lieh, 
dass  es  eine  Politik  mit  Teilnahme  verfolgte,  die  den  römischen 
Stuhl  aus  der  Gewalt  der  localen  Laiengewalten  zu  befreien 
und  zu  höherem  Ansehen  zu  erheben  bestrebt  war.  Von  dem 
Eingreifen  Ottos  I.  zu  Gunsten  Johanns  XIU.  an  begleiteten  die 
Cluniacenseräbte  jeden  ähnlichen  Schritt  der  deutschen  Kaiser 
mit  ihrem  Beifall.  Sie  waren  dabei,  als  Gregor  V.  an  Stelle 
Johanns  XV.  trat,  sie  fehlten  nicht,  als  es  galt,  Benedict  VIII. 
gegen  die  Crescentier  zu  schulden,  und  begrüssten  die  That 
Heinrichs  III.  mit  unverholener  Freude.  Kirchenrechtliche  Be- 
denken gegen  die  Beteiligung  der  weltliehen  Fürsten  kamen 
für  sie  gar  nicht  in  Betracht,  ebenso  wenig  handelte  es  sieh 
hier  um  Reformen  in  bestimmtem  Sinne,  nur  zugänglich  sollte 
der  römische  Papst  sein,  unabhängig  von  den  Gewalten,  die 
nach  Belieben  Bischöfe  erhoben  und  stürzten,  wilde  Kämpfe 
in  den  Strassen  der  Stadt  aufführten  und  die  Rompilger  aus- 
plünderten. 

Darin  bestand  ihre  ganze  Politik  Rom  gegenüber.  Auf 
religiösen  Anschauungen  beruhte  der  Gedanke  von  einer  uni- 
versalen Kirche  mit  Rom  an  der  Spitze.  Practische  Bedürf- 
nisse führten  dazu,  diese  Idee  laut  zu  vertreten  und  die 
Gültigkeit  aller  Papstdecrete  zu  verteidigen.  Der  Wunsch, 
Päpste  zu  haben,  die  ihnen  den  nötigen  Schutz  gewähren 
könnten,  führte  zur  Unterstützung  einer  Politik,  wie  sie  die 
deutschen  Kaiser  verfolgten. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  hierin  zwar  eine  verständ- 
liche Entwicklung  liegt,  aber  kein  System.    Die  Papstdecrete 


445 

haben  allgemeine  Otültigkeit  —  wie  aber,  wenn  die  Päpste  flie 
gegen  ihre  Besebützer,  die  Kaiser,  selbst  richten?  Es  ist  höchst 
interessant,  wie  das  Rechtssystem  Abbos  von  Flenry  denselben 
ungelösten  Widerspruch  aufweist  Nach  ihm  haben  die  päpst- 
lichen Verordnungen  fUr  die  ganze  Kirche  Gültigkeit.  Auf  der 
andern  Seite  ist  der  König  Herr  über  alle  seine  Unterthanen, 
auch  die  Bischöfe,  die  ihm  Gehorsam  schulden:  seine  Bestim- 
mungen haben  auch  für  die  Kirche  innerhalb  des  Reichsgebietes 
geltende  Kraft.  Dieser  Mangel  an  scharfer  Begrenzung  der 
Rechtssphäre  beider  Gewalten  ist  nun  das  Characteristische 
in  den  kirchenpolitischen  Anschauungen  der  Cluniacenser  über- 
haupt Es  beweist  das,  wie  weit  sie  von  Canonisten,  wie 
Wazo  und  Hildebrand,  entfernt  sind.^  Das  Cluniacensertura 
kämpft  von  einem  religiösen  Boden  aus  ohne  scharf  getrennte 
Begrifife  ftlr  die  verschwommene  Vorstellung  eines  friedlichen 
Zusammengehens  beider  Gewalten.  Man  brauchte  die  weltliche 
Macht  viel  zu  sehr,  um  Ideen  zu  entwickeln,  die  auf  eine 
völlige  Emancipation  von  ihr  hinzielten.  Wovon  die  Mönche 
ausgehen,  sind  Vorstellungen,  die  in  ihrer  weiteren  Entwick- 
lung nicht  zu  Gregor  VII,  sondern  seinen  Gegnern  Hugo  von 
Fleury  und  Sigebert  von  Gembloux  filhrten.  Wie  schon  die 
Meinung  Abbos  von  Fleury  eine  starke  Neigung  zur  könig- 
lichen Gewalt  Tcrrät,  so  stehen  Hugo  von  St  Maria  und  Sige- 
bert, die  doch  beide  auf  dem  Boden  des  von  Gluni  beeinfluss- 
ten  Klosterwesens  aufwuchsen,  im  Banne  royalis tischer  An- 
schauungen. Mit  nichts  weniger  als  freundlichen  Mienen  sah 
man  in  Cluni  Hildebrand  den  römischen  Stuhl  besteigen.^) 

III. 

Gehen  wir  zu  der  Frage  über,  wie  weit  das  Cluniacenser- 
tnm  an  der  Bekämpfung  der  Misstände,  die  in  der  Kirche 
hervorgetreten  waren,  arbeitete,  wie  weit  diese  Bekämpfung 
einen  spezifischen  Character  trägt 

Seit  den  Reformsynoden  des  neunten  Jahrhunderts  war 
die  Simonie,  der  Erwerb  geistlicher  Aemter  durch  Geld  und 

')  Ich  betone  hier,  dass  auch  Abbo  von  Fleury  den  Pseudoisidor 
schwerlich  im  Original  gekannt  hat;  vgl.  unter  den  Nachtriigen. 

>)  Man  vgl.  die  Briefe  I,  6.  12  im  Register  Gregors  VII,  Jaff(g  S.  15 
und  81,  femer  die  tadelnden  Briefe  VI,  17,  S.351;  VUI,  ^,  S.429. 


440 

EinflnRfl  statt  anf  canonischem  Wege,  beständig  verboteo  wor- 
den. Noeb  auf  der  Synode  von  Hohenaltheim  von  916  fehlte 
das  Verbot  nicht,  das  zu  einem  festen  Bestandteil  aller  Con- 
oilsbescblQsse  geworden  war.  In  der  Folgezeit  borten  alle 
grösseren  Synodalvereinignngen  anf;  die  Laiengewalten  be- 
herrschten die  Bischofsitze  so  ansscbliesslicb,  dass  jeder  Zu- 
sammenhang zwischen  den  Bischöfen  der  einzelnen  Pronnzen 
unterbrachen  war  und  jeder  ftlr  sich  zu  sorgen  hatte.  Die 
kirchliehe  Gesetzgebung  ruhte.  Dass  damals  die  Simonie 
wenisrer  stark  war  als  im  neunten  Jahrhundert,  ist  nicht  an- 
zunehmen; höchstens  überwog  die  rohe  Gewalt  noch  die  Aus- 
übung der  Simonie  bei  der  Besetzung  der  Bischofsttthle  und 
Aemter;  und  in  dem  allgemeinen  Chaos  der  Verhältnisse  wäre 
jede  Stimme  ungehört  verhallt  Von  einer  litterariscben  Be- 
kämpfung des  Uebels  ist  kaum  etwas  zu  spüren:  ganz  gelegent- 
lich und  ohne  Betonung  gaben  die  Cluniacenser  in  ihren  Bio- 
graphieen  ihr  Missfallen  an  dem  Kauf  oder  Verkauf  des 
hl.  Geistes  zu  verstehen.  Doch  zeigt  sich,  dass  das  franzö- 
sische Mönchtum  bei  kirchliche  Amtshandlungen,  sei  es,  dass 
die  Beschaffung  von  Privilegien  seitens  der  Curie  in  Frage 
kam,  sei  es  die  Besetzung  der  Bistttmer  und  Abteien  dnrch 
die  Könige  oder  die  Weihen  der  Geistlichen  von  Seiten  der 
Uischüie  und  höheren  Cleriker,  überall  die  Habsucht  der  Geld- 
nehmer verurteilte.  Man  beklagte  sich,  wie  Majolus,  Wilhelm 
von  Dijon  und  Abbo  von  Fleury  thaten,  über  die  Geldgier  der 
Curie,  der  letztere  trat  sogar  energisch  gegen  den  Aemterkanf 
auf,  allerdings  in  einer  Schrift,  die  keinen  andern  Zweck  hatte, 
als  den  Weltclerus  am  französischen  Hofe  anzuschwärzen.  ■) 
Am  lebhaftesten  eiferte  Rodulfus  Glaber,  freilich  kein  spe- 
zifischer Vertreter  des  Cluniacensertums.  Sein  Lieblingsge- 
danke ist,  dass  die  Simonie  Schuld  sei  an  den  Hungersnöten 
und  Seuchen,  die  im  Anfang  der  dreissiger  Jahre  —  um  das 
tausendste  Jahr  der  Passion  —  in  Frankreich  wüteten.  In 
der  erdichteten  Rede,  die  er  Heinrich  HL  in  den  vierziger  Jah- 
ren halten  lässt,  kommt  derselbe  Gedanke  zum  Ausdruck,  zu 
einer  Zeit,  in  der  wieder  schwere  Notstände  Frankreich  be- 
drängten.'^) 

»)  S.  oben  S.  25.         ^)  Vgi.  Kuypers  S.  64. 


Betrachtet  man  diese  verBchiedenen  Aenssernngen  franzö- 
siseber  Mönche  über  die  Simonie,  so  wird  man  nicht  zweifeln, 
dass  ihre  tiefe  Religiosität  sie  in  Gegensatz  gegen  den  simo- 
nistischen Erwerb  der  Gnade  des  hl.  Geistes  brachte  nnd  dass 
sie  darin  einen  schweren  Schaden  der  Kirche  erblickten,  aber 
wir  yennissen  im  Gegensatz  za  den  streitbaren  Geistern  Ita- 
liens, wie  Rather,  Atto,  Romnald,  Gnido,  Petrus  Damiani,  die 
doch  völlig  selbständige  Individnalitäten  waren,  jede  active 
nnd  agitatorische  Bekämpfung  des  Uebels.  Die  Achte  von 
Fleury  wurden  in  Abhängigkeit  vom  französischen  Hofe  er- 
hoben i)  und  noch  Hugo  von  Cluni  war  nicht  ganz  frei  von 
dem  Verdachte  der  Simonie.  Der  Kampf  gegen  die  Simonie 
ging  von  den  italienischen  Verhältnissen  aus  und  fand  in 
Italien  die  energischsten  Vertreter.  Von  dieser  Seite  ist  Hein- 
rich III.  gewonnen  worden. 

Was  die  Verheiratung  von  Geistlichen  betrifft  oder  ihr 
Zusammleben  mit  Weibern,  so  hat  es  ebenso  wenig  der  Clunia- 
censer  bedurft,  um  die  Bekämpfung  derselben  zu  inscenieren.^) 
Nicht  nur  im  neunten,  das  ganze  zehnte  Jahrhundert  hindurch 
wurden  Beschlüsse  gegen  die  Priesterehe  und  die  Unkeusch- 
heit  des  Clerus  erlassen:  vor  der  Gründung  Clunis  und  nach 
der  Gründung  Clunis,  in  Deutschland,  Frankreich,  wie  in  Ita- 
lien, ohne  dass  wir  den  leisesten  Grund  hätten,  eine  Agitation 
der  Cluniaeenser  anzuehmen.  Selbstverständlich  nahmen  sie 
lebhaftes  Aergemis  an  diesen  Dingen,  wie  Abbos  von  Fleury 
Aeusserungen  zeigen,  die  wieder  gegen  den  Weltclerus  im  allge- 
meinen gerichtet  sind;  aber  doch  nicht  mehr  als  jeder  fromme 
Kirchenmann,  gleichviel  welcher  Richtung.  Auch  in  der  Be- 
handlung der  verheirateten  Cleriker  oder  ihrer  Kinder  ist  gar 
kein  Unterschied  zu  merken:  der  mönchsfreundliche  Adal- 
bero  II.  von  Metz  nahm,  wie  der  Abt  Constantin  an  ihm 
noch  rühmt,  gar  keinen  Anstand,  Priestersöhne  zu  ordinieren, 
was  andere  streng  verwarfen.    Das  Vorgehen  gegen  die  Ehe 


>)  In  ganz  seltenen  Fällen  wnrde  in  Stiftangsurkanden  für  Klöster 
Simonie  bei  Erwerbung  der  Abtwttrde  ausdrücklich  abgewiesen,  so  fttr 
Fruttuaria  (oben  S.  4)  nnd  Bargeuil  (S.  64). 

')  Man  bat  nur  nütig,  den  4.  Band  von  Hefeies  GoncilieDgescbicbte 
durchzusehen. 

')  z.  B.  ConcU.  Bitnric.  c.  8. 


448 

der  Geistlichen  hatte  aber  ttberbaapt  neben  den  religiösen  zn 
einem  wesentlichen  Teil  rein  practische  Gründe.  Es  ist  oben 
darauf  hingewiesen  worden^),  wie  es  sich  namentlich  darum 
handelte,  die  Kinder  unfreier  Cleriker  in  der  Leibeigenschaft 
der  Kirchen  zn  erhalten:  dabin  zielten  die  Massnahmen  Leos 
Yon  Vercelli,  Heinrichs  II,  Benedicts  VIIL  Erwägt  man  end- 
lich, dass  in  den  Biographieen  der  Cluniacenseräbte  anch  nicht 
ein  einziges  Mal  einer  Agitation  gegen  die  Priesterehe  gedacht 
wird,  so  werden  wir  den  Gedanken  aufgeben  müssen,  dass 
sie  nach  dieser  Richtung  hin  besonders  gewirkt  hätten.  Sie 
haben  wie  in  vielen  andern  Dingen  beigetragen  zur  Schärfang 
der  Gewissen,  sie  haben  grosse  Kreise  kirchlichen  Gesichts- 
punkten zugänglich  gemacht,  aber  es  ist  unbeweisbar,  dass 
die  Idee  einer  Reform  der  Geistlichkeit  von  ihnen  ausging 
oder  yon  ihnen  agitatorisch  vertreten  wurde. 

Man  hat  den  Cluniacensem  endlich  einen  starken  Anteil 
an  dem  Kampfe  gegen  die  uncanonischen  Ehen  zogeschrieben. 
Auch  diese  Annahme  schwebt  in  der  Luft.  Ehen  in  der  Ver- 
wandtschaft sind  immer  verboten  worden :  in  unserer  Zeit  waren 
derartige  Fälle  unter  Fürsten  und  Adeligen  aber  so  häufig  ge- 
worden, dass  die  Bischöfe  ihren  Einfluss  auf  das  Familienleben 
und  die  häuslichen  Verhältnisse  der  Laien  wieder  stärker  zu  be- 
tonen wünschten.  Zudem  waren  mit  der  Bekämpfung  der  ein- 
zelnen uncanonischen  Ehen  stets  politische  Zwecke  verbunden. 
Wenn  Gregor  V.  die  Ehe  Roberts  IL  anfocht,  so  stand  die 
Curie  eben  damals  mit  dem  französischen  Hofe  wegen  der  Ab- 
setzung Arnulfs  von  Reims  im  Kampfe.  Heinrich  IL  forderte 
die  Lösung  der  Ehe  seiner  Gegner  Konrad  von  Kärnthen, 
Otto  von  Hammerstein  und  Konrad  von  Franken.  Dass  er 
die  Bischöfe  auf  seiner  Seite  hatte,  versteht  jeder,  der  die  Ab- 
hängigkeit der  deutschen  Kirche  von  der  Krone  kennt  Abbo 
von  Fleury  hat  nun  freilich  als  Agent  der  Curie  Robert  zur 
Entlassung  seiner  Gemahlin  aufgefordert,  Rodulf  Glaber  hat 
voll  Hass  gegen  Konrad  II.  in  den  Lärm  eingestimmt,  den  die 
deutschen  Bischöfe  gegen  dessen  Ehe  erhoben,  Sigfried  von 
Gorze  trat  gegen  die  beabsichtigte  Verheiratung  Heinrichs  III. 
mit   Agnes    von    Poitou    auf,    aber   Poppe    von   Stablo    hat 

»)  S.  169  ff. 


449 

doch  die  uncanonische  Verbindung  des  deutschen  und  franzö- 
sischen Königshauses  wenigstens  gefördert.  Aber  mag  das  refor- 
matorische Mönchtum  auch,  wie  es  zu  erwarten  war,  oft  bereit 
gewesen  sein,  die  Canones  zu  verteidigen,  so  wäre  es  doch 
völlig  verfehlt,  in  der  Agitation  gegen  antikirchliche  Ehen  vor- 
wiegend cluniacensisehe  Einflttsse  zu  erblicken. 

Erkennt  man  diese  Gesichtspunkte  an,  so  wird  man  auch 
davon  absehen  müssen,  gerade  von  cluniacensischen  Ideen  als 
der  Summe  aller  reformatorischen  Bestrebungen  jener  Zeit  zu 
reden.  Der  Reformgedanke,  auf  so  viele  Gebiete  er  sich  er- 
streckte, hatte  sehr  verschiedene  Wurzeln.  Unter  Heinrich  U. 
und  Benedict  VIII.  fanden  sieh  schwerlich  im  cluniacensischen 
Mönchtum  die  eigentlichen  Agitatoren,  und  als  Leo  IX.  das 
Reformwerk  unternahm,  war  sein  Vorgehen  das  Product  des 
Zusammenwirkens  mannigfacher  Kräfte,  von  denen  das  Clunia- 
censertum  doch  nur  einen  Teil  repräsentierte,  freilich  jenen 
wichtigen  Teil,  der  dem  Papste  ermöglichte,  in  Frankreich 
seine  Wirksamkeit  mit  Erfolg  zu  eröffnen.  Aber  unbeweisbar 
und  ganz  unwahrscheinlich  ist  es  —  denn  in  der  ganzen  Clunia- 
censerlitteratnr  findet  sich  davon  ebensowenig  als  in  der  übrigen 
Geschichtsschreibung,  —  dass  das  Cluniacensertum  mit  einem 
bestimmten  Reformprogamm  in  die  Weltgeschichte  eintrat  oder 
spezifische  Forderungen  agitatorisch  durchzusetzen  suchte.  Es 
war  eine  idealistische  Richtung,  unbestimmt  und  abstract,  die 
neben  anderen  mehr  den  Boden  im  Stillen  vorbereitete,  auf 
dem  concreto  Wünsche  zur  Realität  gelangen  und  practischere 
Naturen  wirken  konnten,  als  dass  sie  im  stände  gewesen  wäre, 
auf  feste  Ziele  hinzuweisen  oder  selbst  Persönlichkeiten  wie 
Gregor  VIL  zu  producieren. 

IV. 
Betrachten  wir  die  Beziehungen  Clunis  zum  deutschen 
Reiche.  Der  Umstand,  dajss  die  Kaiserin  Adelheid  Peterlingen, 
die  Stiftung  ihrer  Mutter,  vollendete  und  Majolus  zu  dauerndem 
Besitz  übergab,  legte  den  Grund  zu  dem  engen  Verhältnis,  das 
die  Achte  von  Cluni  seither  zum  deutschen  Königshause  hatten. 
Schon  Otto  I.  urkundete  zweimal  fttr  Peterlingen,  das  im  Elsass 
Güter  besass,  vermutlieh  in  Italien  967  und  971.    Die  Urkunden 

Sackur,  Oluniacenaer.   II.  29 


450 

sind  jedoch  verloren  gegangen.^  Seit  dieser  Zeit  Hessen  die 
Aebte  von  Clani  sieb  regelmässig  unmittelbar  nach  Antritt  der 
deutschen  Könige  den  Besitz  anf  deutschem  Boden  bestätigen. 
Bereits  am  25.  Juli  973,  also  bald  nach  dem  Tode  Ottos  I., 
erschien  Majolus  zu  dem  Zwecke  in  Aachen.^)  Kurz  vor  seinem 
Tode,  am  15.  Juni  983,  stellte  Otto  IL  ein  neues  Privileg  für 
Peterlingen  aus.^)  Die  Minderjährigkeit  Ottos  Ili.  hinderte  Ma- 
jolus jedenfalls,  sich  mit  dem  Könige  in  Verbindung  zu  setzen ; 
aber  Odilo  benutzte  seine  erste  italienische  Reise,  um  sich  im 
Februar  998  vom  Kaiser  die  elsässsischen  Besitzungen  Peter- 
lingens  bestätigen  zu  lassen/)  Kaum  war  Heinrich  IL  König,  als 
Odilo  im  October  1003  wiederum  erschien,  um  Peterlingen  den 
Schutz  des  Herrschers  zu  sichern^),  und  noch  rascher  erfolgte 
die  Bestätigung  der  Peterlinger  Güter,  als  Konrad  IL  gefolgt 
war,  nämlich  unmittelbar  nach  der  Wahl  des  neuen  Königs.^) 
Eine  Neuausfertigung  bewirkte  Odilo  dann  1027,  als  die  burgun- 
dische  Frage  in  ein  neues  Stadium  getreten  war.^)  Beim  Re 
gierungsantritt  Heinrich  HI.  erfolgte  zum  ersten  Male,  wenn 
wir  von  Otto  III.  absehen,  keine  Bestätigung  der  Peterlinger 
Besitzungen.  Zufällig  wissen  wir  auch,  dass  Peterlingen  aus 
der  Gunst  des  Kaisers  gefallen  war,  und  da  auch  1032  beim 
Aufenthalte  Konrads  IL  in  Peterlingen  keinerlei  Gunstbezeu- 
gung für  Odilo  erfolgte  und  die  Beziehungen  zum  deutschen 
Hofe  von  1027  bis  1046  vollkommen  ruhten,  haben  wir  allen 
Grund  zu  der  Annahme,  dass  die  Eroberung  Burgnnds  und  die 
Behandlung  der  burgundischen  Stifter  Peterlingen  und  Romain- 
moutier  durch  die  Deutschen  die  Entfremdung  mit  dem  deut 
sehen  Hofe  herbeigeführt  hatte.^) 

Beobachten  wir  auf  der  einen  8eite,  mit  welcher  Eile  die 
Aebte  von  Cluni  sich  sofort  nach  Regierungsantritt  der  deut 
sehen  Könige  und  auch  sonst  Urkunden  fllr  Peterlingen  aus- 
stellen Hessen,  bemerken  wir,  dass  die  Stellung  der  Könige  zn 
Peterlingen  wieder  den  Bruch  mit  Cluni  hervorrief,  so  ist  die 
Bedeutung  Peterlingens  fUr  das  Verhältnis  zwischen  den  Aebten 
und  dem  deutschen  Hofe  damit  genügend  gekennzeichnet. 


>)  S.  Bd.  I,  22,  n.  4. 

^)  Bd.  I,  283.         >)  I,  235.         *)  I,  WM.        «)  II,  6.         •)  II,  187. 

»)  U,  196.        «)  U,  237. 


451 

Weitere  Beziehungen  znm  deutseben  Hofe  ergaben  sich 
aus  dem  Verhältnis  zu  Italien.  Seit  der  Eroberung  durch  die 
deutschen  Könige  sind  folgende  italienische  Reisen  der  Glunia- 
censeräbte  bekannt  Majolus  war  967,  971  bis  972,  980,  983, 
987,  Odilo  998,  vielleicht  1001, 1004,  1014, 1027, 1046/1047  jen- 
seits der  Alpen.  Freilich  sind  öftere  italienische  Reisen  nicht 
ausgeschlossen,  da  wir  häufig  aur  zufällig  der  Anwesenheit  des 
deutschen  Königs  die  Erwähnung  der  Reise  und  der  Person 
des  Majolus  oder  Odilo  verdanken.  Soweit  wir  aber  ein  Urteil 
haben,  fallen  die  römischen  Reisen  der  cluniacensischen  Aebte 
regelmässig  mit  denen  der  deutsehen  Kaiser  zusammen.  Nur 
987  war  der  deutsche  Herrscher  nicht  gleichzeitig  dort.  Selbst- 
verständlich ist  das  kein  Zufall;  erinnern  wir  uns  ferner,  dass 
Odilo  auch  1007  und  1012  in  Deutschland  war,  jedesmal  zu 
einer  Zeit,  als  die  Romfahrt  auf  der  Tagesordnung  stand,  so 
liegt  das  Interesse  an  den  Romreisen  der  Kaiser  deutlich 
zu  Tage. 

Fragen  wir  nach  den  GrUnden,  weshalb  die  Aebte  von 
Gluni  regelmässig  die  italienischen  Züge  der  Könige  zum  An- 
lass  nahmen,  uro  ebenfalls  über  die  Alpen  zu  gehen. 

Die  Cluniacenser  hatten  in  Oberitalieu  Grundbesitz  seit 
dem  Jahre  967J)  Das  Kloster  St.  Peter,  später  St.  Majolus  bei 
Pavia  gehörte  ihnen,  und  Otto  I.  hatte  diesen  Besitz  vermehrt. 
Mit  Unterstützung  des  Kaisers  und  der  Kaiserin  hatte  Majolus 
die  Abteien  S.  Salvator  und  S.  Peter  Ciel  d'oro  bei  Pavia  und 
S.  ApoUinaris  in  Classe  reformiert.  Während  wir  über  die  letz- 
tere nichts  mehr  hören,  trat  Odilo  noch  einigemal  als  Inter- 
venient  ftir  Ciel  d'oro  am  deutschen  Hofe  auf,  998  und  1012. 
Für  St.  Majolus  intervenierte  er  999  in  Rom.  Auch  1004  weilte 
Odilo  in  demselben  Paveser  Kloster.  S.  Salvator  stand  ihm 
ebenfalls  weiter  nahe;  denn  dem  Abte  desselben,  Andreas,  wid- 
mete er  die  Biographie  der  Kaiserin  Adelheid.  Erinnern  wir 
uns,  dass  Odilo  zweimal,  1004  und  1027,  zu  Gunsten  der  Pa- 
veser bei  den  deutschen  Kaisern  intervenierte,  so  wird  die  Vor- 
stellung in  uns  befestigt,  dass  die  Cluniacenser  hier  in  der 
lombardischen    Hauptstadt    sich    ein    Standquartier    und   gute 

>)  I,  222  flF. 

29* 


452 

Freunde  geschaffen  hatten,  dass  die  nicht  selten  feindlichen 
Beziehungen  der  deutschen  Herrscher  za  den  Lombarden  in 
ihnen  den  Wunsch  erregten,  ihren  Einfluss  bei  den  Kaisern 
zu  Gunsten  der  letzteren  in  die  Wagschale  zu  weifen.  In 
erster  Reihe  musste  die  Rücksicht  auf  ihren  oberitalienisehen 
Besitz  sie  dazu  führen,  dem  deutschen  Heere  in  Oberitalien  zu 
begegnen.  In  der  That  war  Majolus  967,  971,  980,  983,  987, 
Odilo  wahrscheinlich  Ende  997,  sicher  1004,  1014,  1027  in  der 
Krönungsstadt  der  Lombarden.  In  den  meisten  Fällen  stiessen 
sie  hier  zum  deutschen  Heere. 

Neben  der  Rücksicht  auf  ihren  oberitalischen  Besitz  iUhr- 
ten  die  Cluniacenseräbte  die  römischen  Beziehungen  häufig  zu 
einer  Zeit  nach  Italien,  als  die  deutschen  Könige  ebenfalls 
über  die  Alpen  zogen.  Die  Kaiser  traten  überall  als  die  Be- 
schützer der  Päpste  auf,  züchtigten  den  aufständischen  römischen 
Adel  und  machten  mitunter  den  römischen  Stuhl  für  Bittsteller 
erst  zugänglich.  Sie  liehen  denen,  denen  sie  näher  standen,  wie 
den  Cluniacensern,  ihre  Fürbitte.  Steht  es  fest,  dass  derartige 
Romfahrten  der  Kaiser  immer  eine  grosse  Zahl  von  Fürsten 
und  Geistlichen  aller  Länder  nach  Rom  zogen,  so  begreift  man, 
dass  das  Cluniacensertum  gern  die  Gelegenheit  ergriff,  alte 
Beziehungen  aufzufrischen  und  neue  anzuknüpfen,  erwägt  man, 
dass  bei  der  Unsicherheit  der  Strassen  und  des  Aufenthaltes  in 
der  Hauptstadt  die  deutschen  Heerscharen  Schutz  gewährten, 
so  versteht  man,  dass  Aebte  und  Mönche  gerade  die  deutschen 
Romfahrten  benutzten,  um  ihre  Geschäfte  am  Hofe  und  an 
der  Curie  zu  besorgen.  Man  erledigte  dann  viele  Angelegen- 
heiten mit  einem  Schlage:  man  ging  die  Päpste  und  Kaiser 
um  Privilegien  an,  man  erschien  auf  den  grossen  Festen,  der 
Hochzeit  Ottos  II,  der  Krönung  Heinrichs  II,  Konrads  II.  und 
Heinrichs  III,  man  sass  in  den  Reichs  Versammlungen  und 
Synoden  unter  den  Geistlichen,  und  je  nach  dem  Eiofluss,  den 
man  hatte,  konnte  man  sein  Wort  in  die  Wagschale  werfen. 
Man  braucht  gar  nicht  an  ein  bestimmtes  Programm,  an  be- 
stimmte Absichten  zu  denken,  um  zu  verstehen,  dass  die  viel- 
fach interessierten  Prälaten  bei  diesen  Fürstencongressen  nicht 
fehlen  mochten. 

Es  hatte  sich  zudem  ein  wahrhaft  intimes  persönliches 
Verhältnis  zwischen   den  deutschen  Kaisem  und  den  Aebten 


453 

von  Clnni  herausgebildet,  seit  Adelheid  za  Majolas  dnreh  Peter- 
liugen  in  engere  Beziehungen  getreten  war.  Die  Begünstigung 
des  Mönehtums  war  so  reeht  eine  Sache  der  Frauen.  Wie 
später  Gisela  und  Agnes  von  Poitou,  that  Adelheid  ihr  Bestes 
fttr  die  Fortsehritte  der  Cluniaoenser  in  Pavia,  der  Residenz 
ihres  ersten  Gemahls  Lothar.  Sie  brachte  Majolus  dann  Otto 
dem  Grossen  nahe;  er  wurde  zu  einem  Freunde  der  kaiser- 
liehen Familie.  Er  durfte  bei  der  Hochzeit  des  jungen  Prinzen 
nicht  fehlen,  er  musste  eigens  nach  Pavia  kommen,  um  die 
Spannung,  die  später  zwischen  Otto  II.  und  seiner  Mutter  ein- 
getreten war,  auszugleichen.  Er  hatte  Gelegenheit,  auf  der 
letzten  Reichsversammlung  zu  Verona  dem  Kaiser  die  Fort- 
setzung seiner  bisherigen  unteritalischen  Politik  zu  widerraten. 
Majolus  vererbte  seine  Stellung  zu  Adelheid  dem  Nachfolger. 
Wir  wissen,  wie  nahe  ihr  Odilo  in  den  letzten  Lebensjahren 
stand,  wie  er  als  ihr  geistlicher  Berater  erschien,  wie  er  ihren 
Sturz  und  die  Herrschaft  der  Theophano,  wie  er  die  bedenk- 
lichen Neigungen  Ottos  III.  beklagte.  Heinrich  II,  der  sich 
als  Erben  der  Ottonen  betrachtete,  trat  auch  in  die  persön- 
lichen Beziehungen  zu  Odilo  ein.  Beide  tauschten  Geschenke, 
Odilo  erschien  öfter  in  des  Kaisers  Umgebung  und  wohnte 
vielleicht  seiner  Beisetzung  bei.*)  Odilo  mochte  mit  Sicherheit 
hoffen,  dieselbe  Stellung  bei  seinem  Nachfolger  zu  behaupten. 
Es  hatte  auch  zuerst  den  Anschein,  bis  die  Eroberung  Bur- 
gunds  dem  freundlichen  Verhältnis  ein  Ende  machte. 

Treten  wir  nun  der  Frage  näher,  wie  weit  diese  Bezie- 
hungen zum  Reiche  zu  einer  Einwirkung  der  Cluniacenser  auf 
die  Politik  desselben  führten. 

Es  ist  klar,  dass  eine  solche  zunächst  sieh  in  der  Ueber- 
tragung  von  Reichsklöstern  auf  Cluniacenseräbte  geäussert 
haben  mttBste.  Nun  steht  es  aber  fest,  dass  weder  Majolus 
noch  Odilo,  noch  selbst  Richard  von  St.  Vannes  je  in  den  Be- 
sitz von  reichsunmittelbaren  Stiftern  gelangten.  Hier  giebt  es 
nur  eine  Alternative:  entweder  sie  mochten  sie  nicht  oder  sie 
konnten  sie  nicht  erhalten.    Meines  Erachtens  lag  die  Sache 


>)  Es  ist  das  sehr  wahrscheinlich;  die  Anwesenheit  bei  Konrads 
Wahl  wUrde  sich  dann  um  so  leichter  erklären. 


454 

so,  dass  die  Aebte  strengster  Observanz  gar  nicht  daran  denken 
konnten,  Reicbsabteien  zur  Leitung  zn  übernehmen. 

Die  Reichsäbte  waren  genötigt,  dem  Reiche  mit  ihren 
Mitteln  zu  dienen  und  mit  ihrem  Aufgebot  in  den  Krieg  zu 
ziehen.  Sie  mussten  für  die  Klöster  dem  Könige  durch  einen 
Eid  huldigen.  Die  Cluniacenser  dagegen  verwarfen  nicht  nur 
den  Eid,  sondern  vertraten  auch  den  Grundsatz  vollster  Frei- 
heit und  Autonomie,  den  Grandsatz,  dass  Geistliche,  am  wenig- 
sten Mönche,  sich  mit  weltlichen  Dingen  zu  beschäftigen  hätten. 
Es  ist  interessant,  dass  das  einzige  Mal,  da  eine  Reichsabtei, 
nämlich  Breme,  an  einen  Schiller  Odilos,  Feinen  gleichnamigen 
Neffen,  kam,  dieser  bald  abgesetzt  wurde,  als  er  dem  Kaiser 
den  Gehorsam  verweigerte,  und,  gefangen  genommen,  erst  frei- 
gelassen wurde,  als  er  dem  Bischöfe  von  Como,  der  die  Abtei 
erhielt,  den  Eid  geleistet.  Erinnern  wir  uns  schliesslich,  dass 
der  Bruch  zwischen  Cluni  und  dem  deutschen  Hofe  wahrschein- 
lich deshalb  erfolgte,  weil  Konrad  und  Heinrich  HI.  die  könig- 
lich burgundischen  Abteien  Peterlingen  und  Romainmoutier  in 
die  Pflichten  der  Reichsklöster  nehmen  wollten.  Wie  stellt  es 
nun  aber  mit  Poppo  von  Stablo,  der  doch  mehrere  Reichs- 
abteien zeitweise  leitete?  Wir  wissen,  wie  erzttrnt  Abt  Richard 
war,  als  der  Mönch  hinter  seinem  Rücken  die  Reichsabtei  Stablo 
annahm:  man  wird  nicht  fehl  gehen  in  der  Vermutung,  da&s 
hierin  ein  Bruch  mit  den  strengen  Traditionen  des  Gluniacenser- 
tums  lag.  Aber  wir  gehen  noch  weiter.  Drei  Jahre  später  er- 
hielt Poppo  St.  Maximin,  kurz  nachdem  Heinrich  II.  dem  Kloster 
einen  Teil  des  Besitzes  weggenommen  und  einigen  Grafen  gegen 
die  Verpflichtung  des  Kriegsdienstes  zu  Lehen  gegeben  hatte. 
Dieser  Act  war  nun  kaum  gegen  den  alten  Abt  Haricho  ge- 
richtet —  mochte  das  vorgegeben  worden  sein  oder  nicht  — , 
sondern  vermutlich  erfolgt,  um  Poppo  von  den  Reichsdiensten 
zu  befreien.^)  Limburg  ist  kaum  je  in  Poppos  Hand  ge- 
wesen;   er    hat    eben    nur    die   Einrichtungen    getrofl'en    und 


*)  lieber  diesen  Act  vgl.  Bresslau,  Königs-  und  Papsturkunden  für 
das  Kloster  St.  Maximin  bei  Trier,  Westd.  Zs.  V  ( 1 8S6),  46  und  Joerres, 
Die  6650  Hufen  der  Abtei  St.  Maximin,  Westd.  Zs.  VIII  (1889),  237,  die 
oben  schon  hätten  citiort  werden  sollen.  Sollte  sich  unsere  Vermutung 
bestätigen,  so  hätten  wir  darin  das  Vorspiel  zu  jener  Lösung  der  In- 
vestiturfrage, wie  sie  im  Jahre  HU  versucht  wurde. 


455 

ebenso  wirkten  in  den  andern  ReicbsBtifliem  nnr  SQine  Schü- 
ler. Aber  damit  traten  sie  eben  aus  dem  Rahmen  des  spezi- 
fischen Climiacensertums  heraus:  eine  Entwicklung,  die  un- 
möglich das  Ziel  des  Majolus,  Odilo  oder  Richard  gewesen 
sein  kann. 

Somit  scheint  klar,  dass  das  cluniacensische  Klosterwesen 
in  seiner  idealen  Gestalt  sich  in  keiner  Weise  mit  der  deut- 
sclien  Klosterpolitik  vertrug.  Ebenso  wenig  war  die  Ueber- 
nahme  von  Reichsbisttimern  durch  die  Führer  der  Reform- 
bewegung möglich:  darum  lehnten  Odilo,  Richard,  Poppe  ab, 
darum  nahm  Halinard  nur  mit  dem  grössten  Widerstreben  und 
unter  der  Bedingung,  nicht  schwören  zu  dürfen,  an.  Sind  diese 
Darlegungen  zutreffend,  so  konnte  das  Cluniacensertum  so 
lange  nicht  hoffen,  im  Reiche  Einfluss  zu  gewinnen,  als  hier 
die  finanzielle  und  militärische  Kraft  auf  den  Leistungen  der 
Kirche  beruhte.  Stellt  man  sich  dann  das  Verhältnis  Odiles 
zu  Heinrich  IL  vor  Augen,  der  trotz  seiner  Freundschaft  gegen 
den  Abt  für  die  Ausbreitung  und  Unterstützung  seiner  Bestre- 
bungen gar  nichts  gethan  hat,  so  wird  es  klar,  dass  hier  nur 
persönlich-geistliche  Beziehungen  vorlagen,  die  einem  poli- 
tischen Einfluss  des  Abtes  kaum  irgendwelchen  Spielraum  ge- 
währten. Man  könnte  höchstens  annehmen,  dass  die  Exemtion 
des  Bistums  Bamberg  und  die  Stellung  desselben  unter  Rom 
auf  cluniacensische  Einflüsse  zurückzuführen  seien.  Keiner  der 
zunächst  folgenden  Kaiser  ist  von  dieser  Reichskirchenpolitik 
abgewichen  und  konnte  von  ihr  abweichen  i):  nach  dieser  Rich- 
tung —  in  Bezug  auf  die  Verbreitung  ihres  spezifischen  Kloster- 
wesens —  konnte  es  den  Cluniacensern  daher  ziemlich  gleich- 
gültig sein,  wer  nach  Heinrich  IL  auf  dem  deutschen  Throne 
sass,  vorausgesetzt,  dass  der  Besitz  auf  Reichsboden  und  ihre 
burgundischen  Klöster  nach  dem  zu  erwartenden  Heimfall  Bur- 
gunds  geschützt  wurden  und  der  neue  König  auch  in  Bezug 
auf  die  italienische  Politik  nicht  völlig  neue  Wege  einschlug. 
Dass  Odilo  Gründe  gehabt  haben  könnte,  Konrad  den  Aelteren 


^)  Konrad  IL  allerdings  insofern,  als  er  die  kleineren  Lehen  fUr  erb- 
lich erklärte.  Hierin  lag  m.  £.  der  Griiud  für  die  spätere  Zerrüttung  der 
Kirchen  und  flir  den  Zwang,  durch  Simonie  einen  Teil  des  Staatshaus- 
halts zu  bestreiten.  Aber  das  kann  nicht  im  Interesse  Clunis  gelegen 
h^ben. 


456 

weniger  gern  anf  dem  deutschen  Throne  zu  sehen,  als  den 
jüngeren  Vetter,  ist  nicht  za  erkennen. 

Aber  wenn  die  Reichsklöster  auch  einer  Richtang  wie  der 
Odilos  verschlossen  blieben,  so  gab  es  doch  vielleicht  andere 
Wege,  am  die  gleichen  Bestrebungen  in  Deutschland  zur  Gel- 
tung zu  bringen.  Wir  werden  dadurch  anf  die  Frage  geführt, 
wie  weit  das  französische  Mönchtum  im  Reiche  überhaupt  anf 
Förderung  und  Anerkennung  zu  rechnen  hatte. 

Wir  constatieren  zunächst  die  Thatsache,  dass  bis  zur 
Wahl  Konrads  II.  und  noch  lange  nachher  i)  jede  Spur  von 
Beziehungen  zu  Cluni  ausserhalb  Lothringens  fehlt.  Diese  ein- 
fache Thatsache  schliesst  von  vornherein  aus,  dass  die  clunia- 
censische  Bewegung  eine  freie  Strömung  war,  der  sich  beliebig 
der  eine  oder  andere  deutsche  Bischof  anschliessen  konnte. 
Da  das  niemals  geschehen  ist,  folgt  mit  zwingender  Notwendig- 
keit, dass  das  Kriterium  der  anticluniacensischen  Gesinnung 
auf  ausserlothringische  Bischöfe  von  vornherein  nicht  anwend- 
bar ist.  Franken,  Sachsen,  Baiern,  Schwaben  fallen  ans  dem 
Bereich  unserer  Betrachtung.  Die  Mönche  freilich  mochten 
sieh  heftig  gegen  die  ttberrheinische  Klosterzucht  und  Mönchs- 
tracht wehren:  aber  eben  gerade  weil  man  gar  keinen  Versuch 
machte,  sie  umzuwandeln,  erhellt  schlagend,  dass  die  ganze 
Bewegung  über  eine  locale  Bedeutung  nicht  hinauskam  und 
dass  kein  Bischof  so  viel  Wert  darauf  legte,  dass  er  nur  die 
Mönche  eines  Klosters  deswegen  in  Zorn  versetzt  hätte.  Aribo 
war  kein  Anticluniacenser,  nicht,  weil  er  die  Cluniacenser  Hebte, 
sondern  weil  von  ihrer  Seite  nichts  zu  befürchten  war. 

Nur  nach  Lothringen  also  hat  das  französische  Mönch- 
tum  herttbergewirkt  und  zwar  durch  einen  Zufall.  Zwei 
Pilger,  Richard,  an  der  lothringischen  Grenze  geboren,  und 
Friedrich,  der  Graf  von  Verdun,  suchten  in  Cluni  Aufnahme. 
Odilo  nahm  sie  jedoch  nicht  als  Mönche  auf;  mit  gutem  Grunde 
durften  sie  nur  als  Gäste  das  Klosterleben  betrachten.  Dann 
liess  er  sie  nach  Verdun  zurückziehen,  woher  sie  gekommen 


')  Die  Ausnahme  betrifft  nur  die  wenigen  Reichsklöster  anf  nfcbt- 
lothringischem  Boden,  die  Poppo  erhielt  Darauf  iiommt  es  aber  hier 
nicht  an,  sondern  nur  auf  die  Thatsache,  dass  nicht  ein  einziger  nicht- 
lothringischer Bischof  auf  die  Idee  kommen  konnte,  französisch-lothrin- 
gische Mönche  nach  Deutschland  zu  bringen. 


457 

waren:  dort  sollten  sie  ihre  Kräfte  einsetzen.  Mit  Widerstreben 
nahm  sie  der  Abt  Fingenins  in  St.  Vannes  auf:  denn  sie  kamen 
ans  Clnni.  Wären  sie  Mönche  in  Cloni  geworden,  so  wäre  es 
ihnen  überhaupt  schwer  möglich  gewesen,  nach  Lothringen 
zarückznkehren  und  dort  za  wirken.  Kein  einziger  lothrin- 
gischer Bischof  hat  sich  nach  Clnni  direct  gewandt  oder  per- 
sönliche Beziehungen  za  dem  französischen  Kloster  unterhalten. 

Jede  Reformbewegung  vollzog  sieh  innerhalb  bestimmter 
Provinzen.  So  wenig  Odilo  darauf  rechnen  durfte,  cluniacen- 
sische  Mönche  in  lothringischen  Klöstern  wirken  zu  sehen,  so 
wenig  Aussicht  war  für  Tothringische  Mönche,  in  sächsischen 
oder  bairischen  Klöstern  zu  reformieren.  Die  ostfranzösischen 
und  lothringischen  Reformkreise  griffen  noch  manchmal  inein- 
ander über:  so  hat  Wilhelm  von  Dijon  Metzer  und  Touler 
Klöster  geleitet;  viel  entfernter  standen  die  Lothringer  den 
rechtsrheinischen  Stämmen.  Sie  waren  ftlr  diese  Wälsche, 
Franzosen:  oder  waren  Richard  von  St.  Vannes  und  Gerhard 
von  Cambrai  nicht  Reimser  Cleriker  gewesen,  war  Poppo 
nicht  in  ein  Reimser  Kloster,  St.  Thierri,  getreten?  Man  wird 
sich  nicht  wundern,  wenn  Richard  seine  erste  und  haupt- 
sächlichste Thätigkeit  in  der  Kirchenprovinz  Reims,  vor  allem 
im  Sprengel  von  Cambrai,  entfaltete.  Hier  regierte  der  Freund 
seiner  Jugend  und  mit  andern  Diöcesen  der  Reimser  Kirchen- 
provinz verknüpften  ihn  noch  nähere  persönliche  Beziehungen. 
In  der  Diöcese  Lüttich  hatte  er  schon  Schwierigkeiten  zu  be- 
stehen: nach  Metz,  Toul,  Trier,  Cöln  ist  er  nie  gekommen: 
und  jenseits  des  Rheins  ist  an  ein  Wirken  nie  zu  denken  ge- 
wesen. Auch  Poppo  ist  niemals  von  ausserlothringischen 
Bisehöfen  des  Reiches  herangezogen  worden.  Er  war  auf 
Lüttieh,  Utrecht,  Metz,  Cöln,  Trier  beschränkt  und  hat  nur 
in  der  letzten  Lebenszeit  noch  vorübergehend  in  Flandern 
eingegriffen. 

Zeigt  sich  somit,  dass  diejenigen  Reformatoren,  die  in 
Lothringen  thätig  waren,  niemals  von  nichtlothringischen 
Bischöfen  des  Reiches  herangezogen  wurden,  so  hatte  diese 
Abneigung  gegen  die  fremden  Klosterleute  allerdings  noch 
einen  besonderen  Grund. 

Die  Reform  der  Klöster  vollzog  sich  in  zwei  Formen: 
entweder  der  Abt  setzte  seine  Schüler  zu  Aebten  und  ver- 


458 

zichtete  somit  auf  jeden  weiteren  Einflnss  auf  die  reformierten 
Stifter  oder  er  machte  einen  der  Mönche  zum  Propst  und  be- 
hielt die  Oberleitung  der  betreifenden  Abtei  weiter  bei.  In 
diesem  letzteren  Falle  wurde  das  Kloster  aus  der  unmittel- 
baren Abhängigkeit  vom  Diöcesanbischofe  befreit.  War  der 
Oberabt  in  einer  andern  Diöcese  ansässig  oder  stand  er  einem 
reichsunmittelbaren  Kloster  vor,  so  war  der  Einflnss  des  Bischofs 
auf  seine  Abtei  zu  Gunsten  eines  fremden  Prälaten  fast  auf 
nichts  herabgedrückt.  Zwischen  das  Kloster  und  den  Bisehof 
schob  sich  der  Abt  einer  fremden  Diöcese,  gegen  den  der 
Bischof  keine  Disciplinargewalt  hatte.  Nun  war  es  cluniacen- 
sische  Tendenz,  die  kleineren  Klöster  auf  diese  Weise  von 
dem  Keformcentrum  abhängig  zu  machen  und  die  Rechte  des 
Diöcesanbischofs  zu  durchbrechen.  Es  war  auch  die  Methode, 
die  Richard  von  St.  Yannes,  wenigstens  so  oft  er  konnte,  ein- 
schlug. Es  ist  völlig  klar,  dass  dieses  System  fUr  die  Bischöfe 
nur  dann  annehmbar  war,  wenn  die  persönlichen  freundlichen 
Beziehungen  zum  Abte  scharfe  Gegensätze  nicht  befürchten 
Hessen;  mit  dem  Augenblick,  wo  dieses  Verhältnis  fehlte,  wo 
Rechtsbeziehungen  an  Stelle  freundschaftlichen  Zusammen- 
gehens traten,  war  das  System  unhaltbar. 

Persönliche  Beziehungen  hatten  häufig  die  Reform  hervor- 
gerufen und  ermöglicht:  man  erinnere  sich  der  Freundschaft 
Richards  und  der  Bischöfe  Haimo  von  Verdun,  Gerhard  von 
Cambrai  und  Roger  von  Chälons,  man  denke  an  die  Bezie- 
hungen Wilhelms  von  Dijon  zu  Berthold  von  Toul,  Adal- 
bero  IL  und  Theoderich  II.  von  Metz.  Aber  wo  dieses  Band 
fehlte  oder  wo  der  Bischof  seinen  Einflnss  auf  die  Klöster  zu 
verlieren  fürchtete,  zeigte  er  das  Bestreben,  die  Propsteien  in 
Abteien  zu  verwandeln,  unter  selbständige  Aebte  zu  stellen. 
Als  Raginar  von  Lttttich  Bischof  wurde,  stand  Lobbes  unter 
einem  Propste  Richards  von  St.  Vannes,  wurden  St.  Lorenz 
und  St.  Trond  von  Pröpsten  Poppos  regiert.  Welcher  Bischof, 
wenn  er  auf  Wahrung  seiner  Rechte  hielt,  mochte  derartige 
Verhältnisse  dulden V  Indem  Raginar  nun  die  Schttler  Richards 
und  Poppos  zu  selbständigen  Aebten  erhob,  bewies  er,  dass 
es  nicht  der  Gegensatz  gegen  die  Cluniacenserreform  war,  die 
ihn  in  Confliot  mit  ihren  Führern  brachte,  sondern  nur  die 
Art  ihres  Regiments.    Aehnlich  ist  der  Gegensatz  Hermanns 


459 

von  Tool  gegen  die  Mönche  von  St  fevre  aufzufassen,  und 
wenn  wir  bedenken,  dass  selbst  Bruno  von  Toul,  kaum  zum 
Bisehof  geweiht,  den  Propst  Widerich  von  St.  fcvre*),  nach- 
dem er  ihm  St.  Mansuy  und  Moyenmoutier  überwiesen,  dass 
Gerhard  von  Cambrai  1023  Leduin  von  St.  Vaast  zu  einem 
selbständigen  Abte  erhob,  dass  sie  ihre  Diöcesen  damit  dem 
Einfluss  fremder  Aebte  entzogen,  so  erkennt  man,  dass  selbst 
die  eifrigsten  Anhäoger  der  Reform  jurisdictionelle  Verhält- 
nisse ablehnten,  die  die  Geschlossenheit  ihrer  Diöcesanrechte 
aufzulösen  drohten.  Man  wird  demnach  den  Unterschied 
zwischen  einem  Raginar  von  Lüttich  auf  der  einen,  Theoderich 
von  Metz  und  Gerhard  von  Cambrai  auf  der  andern  Seite 
mehr  in  localen  und  persönlichen  Beziehungen,  als  in  prinzi- 
piellen Gegensätzen  begründet  finden.  Zielte  aber  die  Ten- 
denz der  cluniacensisch-lothringischen  Aebte  dahin,  die  ihnen 
übergebenen  Klöster  möglichst  lange  von  sich  in  Abhängigkeit 
zu  halten,  so  gewinnen  wir  auch  darin  einen  Grund  dafDr,  dass 
man  in  nichtlothringischen  Diöcesen  keine  Veranlassung  hatte, 
sich  für  ihre  Fortschritte  zu  erwärmen. 

Wir  kommen  somit  zu  dem  Schluss:  nationale  oder  pro- 
vinzielle Gegensätze  schlössen  eine  Einwirkung  des  französi- 
schen oder  lothringischen  Reformmönchtums  im  Reiche  aus. 
Die  lothringische  Bewegung  hatte  überhaupt  nur  eine  locale, 
durch  persönliche  Beziehungen  getragene  Bedeutung,  die  noch 
erheblich  eingeschränkt  wurde  und  einer  Erweiterung  deshalb 
nicht  fähig  war,  weil  das  cluniaceosische  Element  nach  Auto- 
nomie drängte  und  zu  einer  Schwächung  der  bischöflichen 
Diöcesanrechte  führte. 

V. 

Es  ist  niemals  behauptet  worden,  dass  die  Cluniaccuser 
während  des  zehnten  Jahrhunderts  einen  politischen  Einfluss 
in  Deutschland  ausübten  oder  auszuüben  suchten.  Aber  seit 
den  letzten  Jahren  Heinrichs  II.  schien  diese  politische  Be- 
deutung festzustehen.  Directe  Quellenzeugnisse  dafür  haben 
wir  nicht;  wir  haben,  was  die  französischen  Aebte  anbetrifft, 
auch  keine  Anzeichen  für  einen  derartigen  Einfluss.    Dass  sie 

»)  S.  oben  S.  131. 


460 

im  elften  Jahrhundert  sich  die  Peterlinger  Privilegien  von  den 
Königen  bestätigen  liessen  und  dass  sie  sich  anf  den  Rom- 
fahrten  einfanden,  kann  keine  Handhabe  ftlr  die  herrschende 
Anschannng  abgeben:  denn  das  haben  sie  im  zehnten  Jahr- 
hundert ebenso  gethan.  Welche  Motive  sie  dabei  hatten,  wurde 
bereits  hervorgehoben. 

Aber  in  den  letzten  Jahren  Heinrichs  II.  traten  zwei  merk- 
würdige Ereignisse  fast  gleichzeitig  ein.^)  Der  Kaiser  plante 
mit  dem  französischen  Könige  und  dem  Papste  eine  inter- 
nationale Regelung  kirchlicher  Fragen.  Gleichzeitig  geriet  der 
Primas  des  deutschen  Reichs,  Aribo,  mit  Benedict  VIII.  in  einen 
Conflict  wegen  der  Hammersteinschen  Eheangelegenheit,  die 
ihm  Veranlassung  bot,  auf  einer  Synode  päpstliche  Absolutionen 
vor  ErftlUung  der  Kirchenstrafe  fttr  ungültig  zu  erklären.  Die 
Gesandten,  deren  der  Kaiser  sich  bediente,  waren :  an  den  fran- 
zösischen Hof  Richard  von  St.  Vannes  und  Gerhard  von  Cam- 
brai,  ehemalige  Reimser  Cleriker,  durch  ihre  vielfachen  Be- 
ziehungen zur  französischen  Kirche  die  geeignetften,  die  zu 
finden  waren;  nach  Rom  ging  Pilgrim  von  Cöln,  der  den 
Römerzug  von  1022  mitgemacht  hatte  und  deshalb  in  die  po- 
litischen Beziehungen  zur  Curie  am  besten  eingeweiht  war. 
Pilgrim  weilte  gerade  in  Rom,  vom  Papst  mit  Ehren  über- 
häuft, als  Benedict  sich  veranlasst  sah,  Aribo  von  Mainz  das 
Pallium  zu  entziehen.  Voll  Neid  sah  dieser  die  Entwicklung 
der  Dinge.  Als  Heinrich  IL  bald  darauf  starb,  standen  Aribo 
und  Pilgrim  bei  der  Königswahl  auf  verschiedenen  Seiten: 
Aribo  trat  für  Konrad  den  Aelteren  in  die  Schranken,  wäh- 
rend Pilgrim  mit  den  lothringischen  Herzögen  und  Bischöfen 
eine  feindliche  Stellung  einnahm:  freilich  nur  für  wenige  Tage, 
denn  dann  ging  er  doch  mit  den  lothringischen  Bischöfen  zu 
dem  Sieger  über. 

Dieser  Gegensatz  zwischen  Aribo  und  Pilgrim  wäre  nun 
aus  ihrer  verschiedenen  Stellung  xum  Cluniacensertum  zu  er- 
klären. Aribo  als  Anticluniacenser  hätte  die  Grundfesten  der 
päpstlichen  Allgewalt  zu  einer  Zeit  zu  erschüttern  gesucht,  als 
die  internationale,  angeblich  durch  Cluni  veranlasste  Reform 
geplant  wurde.    Sein  Candidat  sei  der  kirchlich  gleichgültige 

>)  Vgl.  oben  S.  161  flf. 


461 

ältere  Ronrad  gewesen.  Pilgrim  hätte  mit  den  lothringischen 
Bischöfen  das  clnniacensische  Klosterwesen  repräsentiert  und 
deshalb  den  Gandidaten  Aribos  verworfen.  Man  muss  die  Be- 
deutang  des  Glnniacensertams  fttr  das  deutsche  Reich  schon 
als  Axiom  betrachten,  um  diesen  Darlegungen  zu  folgen. 

Wer  sich  vergegenwärtigt,  dass  die  französischen  Giunia- 
censer  niemals  im  deutschen  Reiche  zu  Einfluss  kamen,  dass 
die  Klosterreform  nur  auf  Lothringen  beschränkt  blieb,  eine 
rein  locale  Bewegung  war,  dass  alle  politischen  Dienste  lothrin- 
gischer Giuniacenser  —  Poppo  leistete  deren  noch  mehrere  — 
lediglich  durch  ihre  französischen  Beziehungen,  nie  etwa  prin- 
zipielle Bevorzugung,  bedingt  waren,  wer  sich  klar  macht,  dass 
Pilgrim  von  Göln  bis  zum  Tode  Heinrichs  II.  auch  nicht  die 
leisesten  Beweise  einer  Begünstigung  des  lothringischen  Mönch- 
tums  gegeben  hat  >)  und  auch  nachher  nicht  mehr  that,  als  er 
allenfalls  nötig  hatte,  wer  sich  vergegenwärtigt,  dass  die  lo- 
thringische Opposition  bei  der  Wahl  Konrads  IL  von  den  Fürsten 
ausging  und  auf  keiner  andern  Stufe  stand,  als  die  bei  der 
Erhebung  Heinrichs  IL  und  Heinrichs  III:  der  hat  keine  Ver- 
anlassung, einen  Factor  einzuschieben,  für  dessen  Wirksamkeit 
sich  nirgend  ein  Anhalt  findet. 

Erschöpft  sieh  aber  der  ganze  Gegensatz  bei  der  Wahl 
Konrads  in  der  Frage:  ob  lothringisch  oder  nicht,  so  liegt 
auch  kein  Grund  vor,  in  Aribo  gerade  den  Gegner  Glunis  zu 
sehen.  Die  französischen  Giuniacenser  haben  allerdings,  wie 
wir  sahen,  wesentlich  dazu  beigetragen,  das  Autoritätsgeftihl 
Roms  zu  stärken.  Aber  sie  waren  nicht  die  einzigen,  die  die 
bischöfliche '  Jurisdiction  zu  Gunsten  der  römischen  schwäch- 
ten und  nicht  gegen  sie  waren  die  Schritte  Aribos  gerichtet. 
In  steigendem  Masse  entwanden  sich  ihr  hohe  und  niedere 
Laien  und  halfen  sich  gegenüber  dem  Streben  der  Bischöfe, 
ihre  Macht  zu  befestigen,  mit  Appellationen  an  den  römischen 
Stuhl.  Das  war  eine  Tendenz  der  Zeit:  es  war  jene  Periode, 
die  das  Zeitalter  der  römischen  Omnipotenz  vorbereitete.  Man 

I)  Zuerst  trat  Pilgrim  zu  GuDsten  Poppos  auf,  als  er  Dach  1024  den 
Pfilzgrafen  Ezzo,  der  ein  Kloster  gründen  wollte,  auf  Poppo  aufmerksam 
machte.  Die  Gründung  Brauweilers  durch  Ezzo  war  aber  offenbar  erst 
die  Folge  der  Ereignisse  nach  Konrads  IL  Wahl. 


462 

kann  diesen  Zug  nach  Rom  wenigstens  von  Benedict  VIII.  an 
verfolgen.  Dagegen  bestehen  die  Metropolitane  und  Bischöfe 
der  Länder  nördlich  der  Alpen  auf  ihren  Rechten.  Aber  so 
wenig  auch  die  französischen  Mönche  meinten,  dass  dem 
Papst  alles  erlaubt  sei'),  so  wenig  dachten  Aribo  oder  die 
sudfranzösischen  Bischöfe  daran,  die  Grundfesten  päpstlicher 
Allgewalt  zu  erschüttern,  wenn  sie  sich  auf  den  vollkommen 
correcten  Satz  zurückzogen,  dass  Exeommunicationen  nur  nach 
gethaner  Busse  und  im  Einvernehmen  mit  dem  Diöcesanbisehof 
aufzuheben  seien.  Das  war  anerkanntes  Kirchenrecht ^),  und 
wenn  Aribo  seine  Meinung  auf  der  Seligenstädter  Synode  in 
etwas  schroffer  Form  zum  Ausdruck  brachte,  so  haben  wieder- 
holte Fälle,  in  denen  der  Papst,  wahrscheinlich  zum  Teil  durch 
die  Bittsteller  belogen,  die  Absolution  erteilte,  sein  Vorgehen 
hervorgerufen.  Ein  prinzipieller  Gegner  der  römischen  Uni- 
versalgewalt ist  er  so  wenig  wie  seine  französischen  Amtsge- 
nossen gewesen  und  noch  am  Ende  seines  Lebens,  acht  Jahre 
etwa  nach  diesen  Ereignissen,  ist  er  als  Bttsser  nach  Rom 
gezogen. 

Unter  den  Lothringern  hatten  Gerhard  von  Cambrai  und 
Poppo  von  Stablo  verstanden,  sich  der  Coalition,  die  gegen 
den  König  entstand,  zu  entziehen  und  schienen  nun  geeignet, 
als  Friedensvermittler  zwischen  Kourad  und  den  lothringischen 
Fürsten  zu  wirken.  Der  Umstand,  dass  Konrad  IL  sieben  oder 
acht  Jahre  später  auch  mit  dem  französischen  Könige,  der  mit 
den  Lothringern  im  Bunde  gestanden  hatte,  wieder  in  ein 
freundliches  Verhältnis  zu  treten  wünschte,  bewirkte,  dass  auch 
diesmal  Poppo,  und  zwar  zusammen  mit  Bruno  von  Toul,  mit 
der  Gesandtschaft  betraut  wurde.  Der  Abt  von  St  Maximin 
hatte  sich  inzwischen  als  Kloster  reform  ator  einen  Namen  er- 
worben; der  Kaiser  hatte  ihm  —  jetzt  zum  ersten  Mal  —  nicht- 
lothringische Reichsabteien,  wie  Limburg,  Hersfeld  und  Weissen- 
burg,  zugewiesen.    Er  behielt  sie  so  wenig  wie  St.  Ghishun  und 

0  S.  Rod.  Glaber  II,  c.  4,  §  6. 

*)  Vgl.  zu  dem  oben  Bemerkten  die  Worte  PaschaÜs  II.  auf  der 
Lateransynode  von  1112  (Mansi  XXI,  49):  Constat  enim  neminem,  um 
jwenitentetn  et  satisfacientem  absolutionis  gratiam  consequi.  Man  hatte 
Paschalis  vorgeworfen,  die  excouimunicierten  Wibertisten  absolviert  zu 
haben. 


463 

St  Gallen,  in  die  er  1034  Schiller  als  Aebte  eingetzte.  Durch 
den  Feldzug  von  1083  nach  der  Champagne  kam  der  Kaiser 
in  noch  engere  Beziehungen  zu  den  lothringischen  Reform- 
klöstern, für  die  er  des  öfteren  unterwegs  urkundete. 

Dass  diese  Begünstigung  Poppos  und  der  Gedanke,  St.  Maxi- 
min zu  einem  Seminar  für  Reichsäbte  zu  machen,  irgend  welche 
allgemeinere  Folgen  oder  eine  prinzipielle  Bedeutung  hatte,  dass 
die  Stellung  zu  den  französischen  Cluniacensern  dadurch  irgend- 
wie berührt  wurde,  ist  schlechterdings  nicht  zu  ersehen.  Mit 
Odilo  stand  der  deutsche  Hof  seit  1032  auf  gespanntem  Fusse 
und  die  Erfolge  Poppos  in  den  deutschen  Reichsklöstern 
waren  gleich  Null.  Widersetzlichkeit  der  Mönche,  bestän- 
diger Abtwechsel  waren  auf  der  Tagesordnung,  von  einer  wirk- 
lichen dauernden  Durchführung  chiniacensischer  Institutionen 
keine  Rede.  Es  war  ein  unglücklicher  Versuch  ohne  weitere 
Bedeutung. 

Heinrich  HI.  begann  seine  politische  Thätigkeit  zu  einer 
Zeit,  als  Beziehungen  zwischen  dem  deutschen  Hofe  und  Gluni 
nicht  mehr  bestanden  und  Poppo  von  Stablo  kalt  gestellt  war. 
Er  trat  zwar  in  Lothringen  bald  nach  seinem  Regierungsantritt 
auch  zu  ihm  und  einigen  anderen  Achten  derselben  Richtung 
in  freundliche  Beziehungen,  aber  von  einer  Begünstigung  dieser 
ist  doch  keine  Rede.  Nur  seine  Verheiratung  mit  Agnes  von 
Poitou  muss  ihn  mit  der  sUdfranzösischen  und  burgundischen 
Kirche  in  Verbindung  gebracht  haben,  und  es  scheint,  dass 
das  Vorbild  des  Gottesfriedens  ihm  seine  idealen  Friedens- 
neigungen gegeben  hat.  Aber  man  weiss  doch,  dass  er  die 
ersten  Päpste,  die  er  einsetzte,  nicht  aus  Lothringen  oder  Bur- 
gund  nahm,  dass  sie  der  alten  Reichskirche  angehörten  und 
dass  erst,  nachdem  diese  ihn  im  Stich  liess,  der  König  im 
Westen  Hilfe  suchte. 

Wir  haben  gesehen,  dass  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  von 
einer  politischen  Einwirkung  des  französischen  oder  lothrin- 
gischen Mönchtums  auf  deutsche  Reichsangelegenheiten  keine 
Rede  sein  kann.  Aber  in  Lothringen  und  Burgund  reiften  in- 
zwischen in  stiller  Entwicklung  Vorstellungen  und  Ideen,  die 
in  dem  Augenblick  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  erregten, 
als  ihre  Träger  zur  Reichspolitik  Stellung  zu  nehmen  hatten. 


464 

Natürlich  war  Halinard  nicht  der  erste,  der  auf  dem  Stand- 
punkt sich  befand,  nicht  schwören  zu  wollen:  aber  als  er  aaf 
Befehl  des  Papstes  die  Wahl  zum  Erzbischof  von  Lyon  ange- 
nommen —  in  einem  ähnlichen  Falle  hatte  Odilo  trotz  dessen 
abgelehnt  — ,  blieb  ihm  nichts  übrig,  als  vor  Heinrich  IIL 
seinen  Standpunkt  zu  vertreten.  Die  oberlothringischen  Bischöfe 
traten  ihm  bezeichnenderweise  alle  bei.  Der  Speierer  konnte 
diesem  Ungehorsam  nicht  begreifen:  man  sieht,  wie  hart  an 
der  lothringischen  Grenze  die  mönchischen  Einflüsse  absehnei- 
den. In  Niederlothringen  war  man  gar  auf  Grund  des  Pseudo- 
isidor  dazu  gelangt,  dem  Kaiser  jede  Beschäftigung  mit  kirch- 
lichen Dingen  abzusprechen.  Dass  das  nicht  der  Standpunkt 
der  französischen  Cluniaeenser  war,  haben  wir  gesehen.  Wie 
die  lothringischen  Aebte  sich  zu  dieser  Theorie  Wazos  von 
Lüttich  gestellt  haben,  wissen  wir  freilich  nicht:  aber,  ange- 
nommen, sie  hätten  sie  gebilligt,  so  würde  das  nicht  beweisen, 
dass  Wazo  von  Lüttich  clnniacensische  Ideen  vertrat,  sondern 
dass  das  lothringische  Mönchtum  sich  von  Cluni  bereits  ge- 
trennt hatte. 

VI. 

Wir  haben  nur  noch  kurz  darzulegen,  worin  die  eigentliche 
Bedeutung  der  französischen  Mönchsreform  bestand. 

Das  Cluniacensertum  trat  nicht  mit  einem  Programm  auf: 
es  war  geboren  aus  einer  Weltanschauung.  Es  hatte  keine 
andere  Absicht,  als  dem  rohen  Materialismus  jener  Tage  gegen- 
über diejenigen  Institute  wieder  ins  Leben  zu  rufen,  die  eine 
Existenz  im  Sinne  evangelischer  Vorschriften  auch  inmitten 
einer  verwilderten  Gesellschaft  gestatteten.  Es  waren  genossen- 
schaftliche autonome  Bildungen,  wie  sie  in  desorganisierten 
Staaten  unter  einer  sehwachen  Centralgewalt  zu  entstehen 
pflegen  und  dazu  dienen,  durch  Selbsthilfe  die  grossen  Ge- 
meinsamkeiten, wie  Staat  und  Kirche,  zu  ergänzen.  So  ergab 
sich  die  Absicht,  von  diesen  Instituten  aus  auf  die  Nachbar- 
schaft zu  wirken,  sie  für  die  Religion  zu  gewinnen.  Die  wieder- 
erstandenen Klöster  mehrten  sich,  die  Aufgabe  wurde  immer 
grösser,  aber  sie  wurde  keine  andere.  Der  Seelenfang  war 
und  blieb  der  eigentliche  Zweck.  Die  Beziehungen  erweitei-ten 
sieh ;  wir  sahen,  wie  bereit  die  Fürsten  waren,  die  Bestrebungen 


465 

der  Mönche  zu  unterstützen.  Bald  hatte  jede  yomehme  Familie 
ihr  Familienkloster.  Das  Mönchtum  vergalt  diese  Fürsorge,  in- 
dem es  überall  bemüht  war,  Fehden  beizalegen,  Kriege  zu  ver- 
hindern,  den  Frieden  zn  vermitteln  und  Bedrohte  vor  den  An- 
greifem zu  schützen.  Es  beteiligte  sich  agitatorisch  an  den 
Friedenseinigangen.  Es  kam  an  die  Höfe.  Es  wnsste  sich 
durch  politische  Dienste,  zu  denen  die  Mönche  ihrjer  weit- 
reichenden Verbindungen  wegen  sehr  geeignet  waren,  ange- 
nehm zu  machen  und  fand  auch  Schutz  gegen  diejenigen,  die 
die  Freiheit  des  Wirkens  und  die  Privilegien  bedrohten. 

Durch  eine  hervorragende  sociale  Wirksamkeit  gewann 
das  Mönchtum  die  Massen.  Der  gewaltige,  täglich  wachsende 
Grundbesitz  eröffnete  einer  wirtschaftlich  heruntergekommenen 
Bevölkerung  eine  gesichertere  Existenz,  das  mobile  Capital, 
das  die  Klöster  ansammelten,  gewährte  den  Wankenden  eine 
gern  geliehene  Stütze.  Stattliche  Basiliken  mit  Marmorsäulen 
und  Steingewölben  zogen  eine  heilsbedürfkige  Menge  an,  der 
die  Pracht  der  goldenen  und  silbernen  Altargeräte  die  Macht 
der  Heiligen  vor  Augen  führte.  Rohe  Krieger  hüllten  sich  in 
den  Mantel  der  Demut,  stolze  Feudalherren  vertauschten  das 
Schwert  mit  dem  Kreuze  Christi,  harte  Bauern  hörten  die  frohe 
Botschaft  und  gewannen  mildere  Sitten.  Nicht  wenige  Bischöfe, 
namentlich  im  Süden,  wurden  mit  fortgerissen,  Freunde  der 
Bewegung  kamen  auf  die  Bischofssitze.  Es  war  eine  geistige 
Umbildung,  die  folgte:  zum  Schmerze  derer,  die  bisher  aus  den 
Ruinen  der  karolingisehen  Gesellschaftsordnung  sich  ihr  Haus 
gebaut,  zum  Aerger  namentlich  eines  Episcopats,  der  mit 
Schrecken  sah,  wie  das  Mönchtum  von  den  Bischofskirchen 
die  unrechtmässig  angeeigneten  Güter  zurückfordeii;e,  in  voller 
Unabhängigkeit  alle  religiösen  Kräfte  sich  allein  nutzbar  machte 
und  das  Laientum  von  dem  bischöflichen  Drucke  zum  Vorteile 
einer  fast  vergessenen  Centralgewalt  emancipierte,  zum  Aerger 
einer  verweltlichten  Weltgeistlichkeit,  die  jetzt  auf  ihre  Weiber, 
ihre  Geldeinnahmen  und  die  üppige  Behaglichkeit  eines  von 
Gewissensbedenken  freien  vornehmen  Lebens  verzichten  sollte. 

Damit  war  auch  der  Gegensatz  gegeben.  Die  vom  Süden 
ausgegangene  asketisch  -  romanische  Strömung  überwältigte 
schliesslich  den  französischen  Norden,  gewann  das  neue 
Königtum  der  Capetinger  und  sah  sich  hier  einem  Episcopat 

Sftokar,  Olani^omaer.  II.  30 


466 

gegenüber,  der  sieh  znm  Teil  verzweifelt  gegen  den  Anstarm 
eines  Mönchtums  wehrte,  das  von  der  Idee  einer  alles  gleieh- 
macbenden  Weltanschaunng,  von  dem  Gedanken  des  nniver- 
salen  Romanismns  aasging  und  kein  Verständnis  fttr  den  selb- 
ständigen Stolz  eines  nationalen  Kirehentnms  besass. 

Die  völlige  Zerrüttung  des  iranzösisehen  Kirehenwesens, 
das  Entgegenwirken  zahlloser  vereinzelter,  von  einander  unab- 
hängiger Kräfte  fbrderte  im  westfränkischen  Reiche  das  Vor- 
dringen jener  Bewegung  ebenso,  als  die  straffe  Organisation 
der  deutschen  Reichskirche,  ihre  enge  Verbindung  mit  dem 
Königtum ,  die  Sittlichkeit  der  Geistlichen  sie  von  den  Grenzen 
Deutschlands  noch  abhielt.  Erst  der  kirchlich-staatliche  Auf- 
lösungsprocess,  der  unter  Heinrich  IV.  eintrat,  öffnete  die  Lücken, 
durch  die  der  mönchisch -romanische  Geist  in  den  deutschen 
Staatsorganismus  eindringen  konnte.  Erscheinungen,  wie  Sig- 
fried  von  Mainz,  der  den  Plan  fasste,  sich  nach  Gluni  zurück- 
zuziehen, und  Anno  von  Göln,  der  aus  Fruttuaria  Mönche  nach 
lothringischen  Klöstern  führte  und  damit  andern  Bischöfen  ein 
Beispiel  gab,  —  beide  beim  ersten  Ansturm  von  Rom  aus  geneigt, 
die  Würde  des  Reiches  preiszugeben:  —  solche  Erscheinungen 
waren  erst  möglich,  als  das  Band  zwischen  der  alten  Kirche 
und  dem  Königtum  sich  löste,  als  Heinrich  III,  in  unglück- 
seliger persönlicher  Neigung  und  vom  Reichsepiscopat  im  Stich 
gelassen,  sich  von  Gesichtspunkten  abhängig  gemacht  hatte, 
wie  sie  im  Glerus  der  romanischen  Länder  gereift  waren.  In 
der  Epoche  aber,  die  wir  betrachtet  haben,  lag  hier  noch  alles 
in  der  Dämmerung:  während  jenseits  des  Wasgenwaldes  be- 
reits der  König,  die  Fürsten  und  ein  grosser  Teil  der  Bischöfe 
mönchische  Fesseln  trugen,  der  nordfranzösische  Episcopat  in 
erbittertem  Kampfe  gegen  Rom  und  seine  Miliz  sich  wehrte, 
hatten  im  Reiche  wohl  lothringische  Bischöfe  Gelegenheit  ge- 
funden, persönlichen  Freunden,  Landsleuten,  die  entfernte  Be- 
ziehungen zu  Gluni  hatten,  die  Leitung  und  Reform  ihrer 
Klöster  anzuvertrauen,  aber  weder  vermochte  lothringisches 
Klosterwesen  jenseits  des  Rheins  festen  Fuss  zu  fassen,  noch 
ist  das  Verhältnis  französischer  Aebte  zum  deutschen  Hofe  ein 
anderes  als  ein  platonisches  gewesen. 


fixcurse, 


SM 


Erster  Excurs. 

Die  Abstammung  der  Gerberga,  der  Mutter 
Otto  Wilhelms  von  Burgund. 

8eit  dem  siebzehnten  Jahrhundert  streitet  man  sich  bekanntlich 
über  die  Herkunft  der  Gerberga,  der  Mutter  Otto  Wilhelms  von 
Burgund,  des  Gründers  der  Franchecomt^.  Die  Frage  ist  um  so 
wichtiger,  als  sie  mit  der  andern  eng  zusammenhängt:  wie  Gerbergas 
Sohn  die  verschiedenen  Länder  seines  Territoriums  zusammenbrachte. 

Bis  in  die  neueste  Zeit  stehen  sich  zwei  Parteien  einander 
gegenüber,  von  denen  die  eine  daran  festhält,  dass  Gerberga  die 
Tochter  des  Grafen  Lambert  von  Chalon  s.  S.  sei,  die  Schwester 
Hugos,  Grafen  von  Chalon  und  Bischofs  von  AuxeiTe,  während  die 
zweite  in  ihr  eine  Tochter  des  Grafen  Letald  von  Mäcon  erblickt. 
Die  erste,  vertreten  durch  die  Art  de  vdrifier  les  dates  XI,  126  und 
Dümmler,  Otto  der  Gr.  S.  450,  stützt  sich  vornehmlich  auf  eine 
Stelle  der  Gesta  episc.  Autiss.  (Duru  I,  387):  Henrici  dticis,  qui 
eins  (seil.  Hugonis  Autissiod.)  ^germanam  uxorem  duxerat,  sowie 
auf  eine  Urkunde,  in  der  ein  Otto,  den  man  für  Otto  Wilhelm  hält, 
sich  in  der  Unterschrift  nepos  Hugonis  episcopi,  also  Neffe  Hugos 
von  Auxerre,  nennt.')  Die  andere  Partei,  an  deren  Spitze  Dunod,  Hist. 
de  Scquanois  II  (Dijon  1737),  126  ff.  marschiert,  dem  sich  Hirsch, 
Heinrich  II.  I,  383,  Wagner,  l>aö  Geschlecht  der  Grafen  von  Bur- 
gund S.  40  ff.,  Pfister,  fttudes  angeschlossen  haben,  beruft  sich  auf 
eine  bei  Chifflet,  Lettre  sur  Beatrix  de  Chalon  p.  180  gedruckte  Ur- 
kunde von  Otto  Wilhelms  Enkel  Otto,  in  der  es  heisst:  pro  animae 
mmc  et  patris  (wuidonis  necnon  avi  mei  Ottonis  cognomento 
Willdmi,  siciif  iam  nute  comes  Letaldus  ataru,s  mens  per  testa- 
mentum  praerepto  Lmlorici  regis  fec4irat.  Danach  habe  also 
Letald  für  den  Urgross vater  dieses  Otto  zu  gelten. 

Gegen  die  Zeugnisse  an  sich  ist  gar  nichts  einzuwenden:  nur  wird 
sich,  glaube  ich,  mit  aller  Bestimmtheit  zeigen  lassen,  dass  Gerberga 
die  Tochter  Lamberts  war  und  eine  Nichte  Letalds,  dass  Letald  nach 
zwei  Seiten  zu  den  Ahnen  des  jungen  Otto  gehörte  und  dass  man 
atarus  nur  mit  Ahn,  wie  das  Wort  schon  in  der  classischen  Lati- 
nität  gebraucht  wird,  zu  übersetzen  hat,  um  alle  Zeugnisse  in  voll- 
sten Einklang  zu  bringen.  Mit  Hilfe  neuen  Materials  lässt  sich  die 
Frage  mit  genügender  Sicherheit  lösen;  da  die  entgegengesetzte  An- 

•)  L'art  de  verif.  XI,  129. 


470 

Rieht  von  Wagner  am  ausffllirlichsten  vertreten  wnrde,  werden  wir 
uns  bei  der  Widerlegung  voniehmlich  mit  ihm  beschäftigen. 

In  L'art  de  vor.  les  dates  XI,  129  wird  die  Heirat  Lamberts 
mit  Adelheid,  die  für  eine  Tochter  Roberts  von  Troyes  gehalten 
wird,  nm  945  gesetzt,  eine  Annahme,  der  Wagner  S.  41  folgt.  Dann 
aber  könne  Gerberga  frühestens  in  diesem  Jahre  geboren  sein.  Da- 
mit lasse  sich  aber  nicht  in  Einklang  bringen,  dass  ihr  Sohn  Otto 
Wilhelm  bereits  nm  975  die  Ermentmd  heiratete:  folglich  könne 
Gerberga  nicht  die  Tochter  Lamberts  sein.  Die  ganze  Beweisfüh- 
rung gilt  aber  nur  für  den  Fall,  dass  die  unbewiesene  Behau ptnng 
richtig  sei,  dass  Adelheid,  Lamberts  Frau,  die  Tochter  Roberts  von 
Troyes  war.  Nun  ist  aber  Adelheid  die  Schwester  Letalds  von 
Mäcon  gewesen  und  die  Ehe  ist  sicher  vor,  wahrscheinlich  viel  vor 
944  geschlossen  worden.  In  CHOL  I,  nr.  655  vom  Febmar  944 
schenkt  Letald  von  Mäcon  an  Cluni:  hoc  est  mansu^  indominicatua 
cum  aecclesia  heati  Martini,  quetn  mihi  Lanhertus  consanguinews 
meus  dedit  et  soror  mea  Attula  michi  postea  reddidit,  situs  in 
pago  CahiUonense  in  rilla  Flagiaco,  Lambert  und  Letalds  Schwester 
Attala  waren  also  im  Besitz  desselben  Grundstücks  im  Gau  von 
Chalon.  Lambert  hat  es  zuerst  gegeben,  dann  vielleicht  wieder 
weggenommen  und  Attala  konnte  es  ihrem  Bruder  wiedergeben. 
Da  wir  nun  wissen,  dass  Lamberts  von  Chalon  Gemahlin  Adelheid, 
Adala,  hiess,  so  ist  der  Schluss  gerechtfertigt,  dass  die  hier  erwähnte 
Schwester  Letalds  von  Mäcon,  Attala,  eben  Lamberts  Gemahlin  war. 

Mit  diesem  Nachweis  fllllt  die  Argumentation  Wagners,  sowie 
die  von  Dunod  II,  126  0  aufgestellte,  von  Hirsch  und  Wagner  wieder- 
holte Behauptung,  Gerberga  und  ihr  Bruder  Hugo  wären  im  Alter 
zu  verschieden  gewesen,  da  die  Annahme  Wagners,  dass  Hugo  im 
Jahre  999  mit  etwa  24  Jahren  Bischof  wurde,  jeder  Begründung 
entbehrt  und  sich  nur  darauf  stützt,  dass  in  jener  Zeit  viele  Adelige 
in  jungen  Jahren  Bischofssühle  erlangten.  Mit  der  wichtigste  Ein- 
wand gegen  die  Annahme,  dass  Gerberga  die  Tochter  Lamberts  von 
Chalon  war,  musste  sich  aus  der  Frage  ergeben,  woher  denn  dann 
Otto  Wilhelm  die  Grafschaften  Burgund  und  Mäcon  gehabt  habe, 
wenn  seine  Mutter  nicht  die  Tochter  Letalds  von  Mäcon  gewesen 
wäre;  doch  nicht  von  seiner  Gemahlin  Ermentrud,  die  eine  Dame 
von  Rouci  gewesen  sei?  fragt  Wagner.  Denn  dass  sie  mit  der 
gleichnamigen  Gemahlin  Alberichs  II.  von  Mäcon  nicht  identisch 
sei,  habe  er  bereits  bewiesen. 

Aber  hat  er  das  wirklich  bewiesen?  Der  Beweis  stützt  sich 
wieder  auf  eine  unrichtige  Behauptung  der  Art  de  v6r.  les  dates 
XI,  15  und  Schlüsse,    die  Bresslau,   Konrad  II.  U,  39   bereits   mit 

*)  Dunod  bemerkt  a.a.O.:  il  repugne  que  Gerbcrge,  dejä  veuve  en 
965 j  fut  fille  du  conite  iMtnbertj  mort  senldnent  ä  la  ^n  du  10«  siecle  et 
8(Bur  d^Hugue  fait  ^veque  d^Auxerre  en  999  dans  m  jeunease.  Letstere 
Behauptung  ist  unbelegt.  Ferner  ist  Lambert  uicbt  Ende  des  zehnten 
Jahrhunderts,  sondern  978  gestorben.- 


471 

Recht  abwies.  Aber  statt  mich  in  weitere  Erörterangen  einzulassen, 
ziehe  ich  es  vor,  sofort  ein  positives  zeitgenössisches  Zeugnis  ent- 
gegenzuhalten, aus  dem  allerdings  unzweifelhaft  hervorgeht,  dass 
Ermentrud,  die  Gemahlin  Otto  Wilhelms,  identisch  war  mit  der 
Gattin  des  letzten  Grafen  von  Mäcon.  Im  Oatalog  der  Grafen  von 
MÄcon,  gedruckt  bei  Baluze,  Hist.  d'Auvergne  II,  pr.  5;  Ragnt,  Cart. 
de  St  Vincent  p.  6;  Pfister,  £tudes  p.  393,  n.  3  heisst  es:  atque 
post  illum  Albericus,  filius  Letaldi  comitis;  quo  mortuo  domi- 
nus Guillelmu€  comes  uxorem  iUius  accepit.  Daraus,  dass  der 
Catalog  hier  schliesst  und  gerade  Wilhelms  Name  im  Gegensatz  zu 
den  frtiheren  allein  den  Zusatz  dominus  hat,  ist  zu  entnehmen,  dass 
das  Verzeichnis  eben  in  jener  Zeit  abgefasst  wurde.  Somit  fällt 
jeder  Zweifel  fort,  dass  Ermentrud,  die  Gemahlin  Otto  Wilhelms, 
die  Gräfin  von  Mäcon  und  Bürgend  war  und  dass  er  ihr  diese 
Grafschaften  verdankte. 

Ya  bleibt  nun  noch  ein  Einwand  zu  entkräften,  wenn  Dunod 
II,  126  und  Hirsch  I,  384  bemerken:  es  widerspräche  zu  sehr  den 
Parteinngen  der  Zeit,  wenn  Gerberga  aus  dem  Hause  der  Grafen 
von  Chalon  stammte.  In  der  That  sehen  wir  Otto  Wilhelm  in 
Feindschaft  mit  Hugo  von  Chalon,  dem  Bischof  von  Auxerre.  Aber 
gerade  diese  Feindschaft  Ottos  gegen  seinen  Oheim  erscheint  nur 
so  voll  erklärlich,  ja  die  ganze  Politik  Hugos  im  Gegensatz  zu 
dem  burgundischen  Adel  erst  jetzt  aufgehellt.  Bei  Rod.  Glaber 
HI,  c.  2  heisst  es  von  Lambert  von  Chalon:  praeter  eum  (Hngonem) 
.  .  .  non  habuit  subolem  sexus  mascuUni,  d.  h.  wohl  aber  eine 
Tochter,  nämlich  Gerberga,  deren  Sohn,  da  der  Oheim  dem  geist- 
lichen Stande  angehörte,  natflrlich  Anspruch  auf  die  Erbschaft  er- 
hob. Wenn  nun  der  Bischof  von  Auxerre  aus  besonderer  Gnade 
des  Königs  die  väterliche  Grafschaft  Chalon  behalten  durfte,  so  ist 
nicht  nur  sofort  verständlich,  dass  Otto  Wilhelm  sich  direct  gegen 
Hugo  von  Chalon  wandte  *),  um  ihm  die  Grafschaft  zu  entreissen, 
sondern  dass  Hugo  allein  in  dem  Kampfe  Otto  Wilhelms  gegen  den 
König  auf  des  letzteren  Seite  trat 

Nach  diesen  Erörterungen  dürfen  wir  die  Verwandtschaftsbe- 
ziehungen durch  folgenden  Stammbaum  bezeichnen: 

Alberich  I  Manassev^^Irmingard 

Graf  von  Mäcon 


-'N— 


Lambert  .^.^Attala  Humbert  Letaldv^^Irmingard 

6rf.  V.  Chalon  Grf.  v.  Mäcon 

^  I 

Hugo  Gerbergfts.^  Heinrich 

Bisch.  V.  Auxerre  |        Hrz.  v.  Burgund  i 

Otto  Wilhelm  2._^Ermentruds_.l  Alberich  II, 

Grf.  V.  Mäcon,  Burgund  etc.  Grf  v.  Mäcon 

Rainald  Wide 

Otto. 
0  Ademar  IH,  c.  51. 


472 


Zweiter  Excurs. 


Die  Anfänge  von  La  Cava. 

lieber  der  Geschichte  des  nnteritalischen  Klosters  La  Cava 
waltet  ein  unglücklicher  Stern;  obgleich  die  bedeutende  Vergangen- 
heit der  Abtei  schon  früh,  im  sechzehnten  Jahrhundert,  zu  histo- 
rischer Bearbeitung  angeregt  hat,  ist  doch  kaum  irgendwo  so  viel 
erlogen  und  ei'fnnden  worden  als  hier,  und  bis  in  die  neueste  Zeit 
schleppt  sich  der  Uusinn  durch  dicke  Bücher.  Zwar  haben  Pertz 
und  Köpke,  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  IX  (1847), 
S.  1 — 239  das  von  Pratilli  herausgegebene  Chronic.  Cavens.  als  eine 
F&lschung  nachgewiesen,  aber  weder  haben  sie  die  das  Kloster 
selbst  bezüglichen  Angaben  gestürzt,  noch  hat  man  sich  entschliessen 
können;  auf  die  nicht  unwesentlich  ergänzenden  Daten  ganz  zu 
verzichten. 

Neuerdings  besitzen  wir  nun  ausser  einer  kleinen,  für  uns 
nichts  bietenden  Arbeit  von  H.  de  Chambnre,  I^e  monastere  bend- 
dictin  de  la  Cava  pr^s  de  Naples  et  ses  archives  in  der  Bibl.  de 
r^cole  des  chartes  ser.  V,  3,  p.  427  mehrere  Schriften  von  Paul 
Guillaume  zur  Geschichte  des  Klosters,  von  denen  für  uns  die  um- 
fangreichste: Essai  historique  snr  Tabbaye  de  Cava  d'apres  des  do- 
cuments  inddits,  Cava  dei  Tirreni  1877  in  Betracht  kommt.  Von 
da  sind  die  Angaben  wieder  auf  Ringholz,  Der  hl.  Abt  Odilo  (Brunn 
1885)  S.  52  ff.  übergegangen.  Auch  Morcaldi  hat  im  I.  Band  des 
von  ihm  edierten  Codex  Cavensis  einen  Abriss  der  Geschichte  von 
La  Cava,  aber  nicht  kritischer  gegeben. 

Natürlich  kann  es  sich  hier  nur  darum  handeln,  die  Thatsachen 
der  Geschichte  des  ersten  Abtes  Alfer  an  der  Hand  des  Buches 
von  Guillaume  zu  prüfen.  Ich  bemerke,  dass  wir  von  Quellen 
nichts  besitzen  ausser  einer  in  der  zweiten  Hälfte  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  geschriebenen  Vita  8.  Alferii,  die  an  positiven  Nach- 
richten äusserst  arm  ist  und  durch  die  vielen  Wunder  und  erbau- 
lichen Betrachtungen  einen  durchaus  legendarischen  Eindruck  macht. 
Die  Angaben,  die  wir  zu  untersuchen  haben  werden,  sind  kurz  fol- 
gende: Alfer  aus  dem  Geschlecht  der  Pappocarbone  ist  931  geboren, 
traf  995  mit  Odilo  im  Kloster  S.  Michele  delle  Chiuse  zusammen 
und  ging  mit  nach  Cluni,  wurde  1010  zurückberufen,  zog  sich  1011 
nach  La  Cava  zui*ück,  begann  1012  den  Bau  des  Klosters,  Hess 
1019  die  Weihe  vollziehen  und  starb  1050  im  Alter  von  120  Jahren. 

Was  zunächst  das  Geburtsjahr  anbetrifft,  so  kommt  man  aller- 
dings auf  etwa  931,  wenn  man  die  Nachricht  der  Vita  annimmt, 
dass  Alfer  120  Jahre  alt  geworden  sei  (Vit«  8.  Alfer.  c.  15),  denn  ge- 
sichert ist  durch  die  Ann.  Cav.,  dass  er  1050  starb.  Berücksichtigt 
man  aber  die  ganz  unwahrscheinliche  Höhe  des  Alters,  von  einer 
.soviel  späteren  Quelle  tiberliefert,  suwie  die  Thatsache,  dass  in 
dieser   Zeit   öfters    die    Altersangaben    von   späteren   Autoren    ver- 


473 

grössert  werden  —  ich  erinnere  an  Romnald  (vgl.  Harter,  Inno- 
oenz  UI.  Bd.  IV,  8.30,  n.  6)  nnd  Odilo,  den  sp&tere  Quellen  zu 
einer  virgo  centenarius  machen  (8.  oben  S.  298)  — ,  so  werden  wir 
unmöglich  an  dem  legendarischen  Alter  von  120  Jahren  festhalten 
können.  Ebenso  wenig  ist  der  Familienname  Alfers  zu  retten,  denn 
die  handschriftliche  Quelle,  die  Guillaume  anfährt:  Rodulphi,  Hist. 
S.  Monast.  Cavens.  stammt  erst  aus  dem  Anfang  des  siebzehnten 
Jahrhundert«  (Guillaume  p.  338).  Es  ist  ja  eine  Thatsache,  dass 
spätere  grosse  Adelsgeschlechter  mit  Stolz  ihre  Abstammung  auf 
die  Familie  irgend  eines  Helligen  zurttckzufQhren  suchten,  wie  z.  B. 
in  Bezug  auf  Majolus  (vgl.  Ogerdias,  Hist.  de  8.  Mayol  p.  355  und 
a.  a.  0.,  der  all  den  Unsinn  fQr  Ernst  nimmt,  vgl.  eine  Recension 
des  Buches  von  Audiat  in  der  Revue  des  quest.  histor.  XXII,  p.  351). 
Durchaus  ähnliche  Verhältnisse  scheinen  hier  vorzuliegen. 

Nach  der  Vita  soll  nun  Alfer  von  dem  Fürsten  Waimar  von 
8alemo  zu  einer  Gesandtschaft  nach  Frankreich  und  an  den  deut- 
schen König  mit  auserwählt  worden  sein;  in  dem  Michaelskloster 
bei  Turin  sei  er  mit  Odilo  zusammengetroffen,  der  ihn  mit  nach 
Cluni  nahm.  Ganz  willkürlich  setzt  Guillaume  p.  16  die  Gesandt- 
schaft 995,  indem  er  meint,  dass  die  übrigens  von  ihm  missver- 
standene Angabe  des  Chron.  Cav.  992  zu  früh  wäre,  weil  Majolus 
damals  noch  lebte,  996  aber  Otto  III.  selbst  nach  Italien  kam.  Wo 
steht  denn  aber,  dass  die  Boten  an  Otto  111.  bestimmt  waren?  Endlich 
aber  lässt  das  von  Provana  in  Rom  gefundene  13.  Capitel  zum  Chron. 
8.  Mich,  keinen  Zweifel,  dass  das  Kloster  8.  Michele  erst  unter 
Silvester  II.  gegründet  wurde,  mithin  Alfer  nicht  schon  995  mit 
Odilo  daselbst  zusammengetroffen  sein  kann.  Vgl.  Memorie  della 
R.  Academia  delle  scienze  di  Torino  1840  Tom.  II,  ser.  2,  p.  93  ff. 
Und  wenn  De  Blasi,  Chron.  ex  Tabul.  SS.  Trinitat.  Cavao  Monumen- 
tis  excerpt.  (Original)  1780  (vgl.  über  diese  handfichriftliclie  Quelle 
Guillaume  p.  399)  die  Gesandtschaft  Alfers  in  die  Zeit  Ottos  III, 
nämlich  in  das  Jahr  990  und  991  setzt,  so  ist  dies  ebenfalls  nach 
allen  Richtungen  hin  falsch  und  unbegründet. 

Nun  lässt  man  (Guillaume  p.  17)  Alfer  1010  aus  Cluni  heim- 
berufen werden,  aus  keinem  andern  Grunde,  als  weil  man  ihn  1011 
bereits  die  Grotte  von  Metellianum  besiedeln  lässt  Es  wird  also 
notwendig  sein,  dieses  Factum  zu  prüfen. 

Das  Chron.  Cav.  1011  hat  hier  eine  seltsame  Nachricht,  die 
ganz  deutlich  die  Spuren  willkürlicher  Erfindung  an  sich  trägt:  da- 
nach soll  Alferius,  Propst  von  Metelliauum,  in  Salerno  zum  Abt 
gewählt  worden  sein,  und  dort  wollte  er  residieren :  er  sendet  nach 
Salerno  den  Propst  Rotpert  und  den  Kanzler  Petrus  (vgl.  Archiv 
IX,  137).  In  der  Vita  Alfer.  c.  5  steht  nur:  Dimifisa  quippe  civi- 
tate  (seil.  Salenio)  lonye  in  exceli^i  montis  latent,  cui  Fenestra 
vocdbulum  est,  quietis  sue  locum  suhlit  primusque  prae  onmibtis 
Metelliani  Cavam  monachorum  mansionem  fecit  etc.  Für  die 
Angabe,  dass  das  Kloster  La  Cava  1011  gegründet  worden  sei,  be- 


474 

ruft  man  Bich  nun  (Guillanme  p.  18;  Morcaldi,  Cod.  C«v.  V,  33  n.  95) 
auf  Chron.  Vnltnm.  IV,  Ende  bei  Muratori  SS.  rer.  Ital.  I,  2,  p.  494 : 
Ohiit  (Moraldus  abbas)  //  KcU,  Dec.  anno  dominicae  incaf^. 
MXI.  ind.  IX.  Otto  IIL  Imperator  ohiit  Henricus  Dux  con- 
sohrinus  eins  fit  rex.  Hoc  tempore  Monasterium  Sanctcie  Tri- 
nitatis  apud  Salemum  a  tribus  eremitis  inhabitari  coepit.  Man 
sieht  auf  der  Stelle,  dass  es  ganz  unstatthaft  ist,  das  Todesdatum 
des  Abtes  auf  die  Besiedelung  des  Klosters  zu  beziehen.  Am  Ende 
einer  langen  Behandlung  des  Lebens  Moralds  werden  zu  seinem 
Todesdatum  ein  paar  Ereignisse  angefßgt,  die  während  seiner  Amts- 
verwaltung eintraten;  aber  nicht  ist  das  so  zu  verstehen,  als  wenn 
etwa  Otto  III.  1011  gestorben  w&re.  Was  soll  das  nun  heissen: 
Das  Kloster  der  hl.  Dreieinigkeit  beginnt  von  drei  Eremiten  bewohnt 
zu  werden?  dooh  wohl  die  Stelle,  auf  der  später  das  Kloster  stand, 
wie  auch  Gnillaume  offenbar  versteht,  da  er  Alfer  nach  dem  apo- 
cryphen  Chron.  Cav.  erst  1012  den  Bau  beginnen  lässt.  Also  Ein- 
siedler haben  sich  offenbar  in  jener  Grotte  zur  Zeit  des  Abtes  Mo- 
raldus niedergelassen.  Nun  wissen  wir  ja  in  der  That  durch  Leon. 
Chron.  Casin.  11,  30,  SS.  VII,  646,  dass  die  besagt«  Stelle  schon  vor 
Alfer  von  einem  Einsiedler  bewohnt  war:  Liutius  .  .  .  prima  apud 
Salerntim  in  quadam  heremo,  ubi  nunc  monasterium  sanctae 
Trinitatis  constructum  est,  quod  nuncupatur  Ad  cavam,  aliquam- 
diu  mansit;  und  Gnillaume  hat  tiber  diesen  Lintius  p.  13  ansfAhr- 
lieh  gehandelt,  den  er  ganz  willktlrlich  um  1009-  dem  nach  seiner 
Meinung  1011  anreisenden  Alfer  Platz  machen  lässt.  Vielmehr  kntipft 
Leo  von  Ostia  in  der  That  die  Erzählung  von  des  Liutius  Rückkehr 
von  Jerusalem  und  seine  Niederlassung  bei  Salemo  an  eine  vorher- 
gehende Thatsache  von  1011  an  mit  den  Worten:  Circa  haec  tetn- 
pora  recersus  etc.  Man  wird  mir  nicht  einwenden,  dass  das  Chron. 
Vnlturn.  von  drei,  Leo  von  Ostia  nur  von  einem  Eremiten  spricht; 
der  Chronist  von  Monte-Cassino  erzählt  ja  doch  die  Thatsache  nur 
im  Zusammenhang  mit  den  Schicksalen  jenes  casinesischen  Mönchs 
Liutius:  genug,  dass  eben  vor  Alfer  schon  die  Gegend  von  La  Cava 
von  Eremiten  bewohnt  wurde. 

Haben  wir  gesehen,  dass  man  weder  in  chronologischer,  noch 
in  historischer  Beziehung  aus  der  Notiz  des  Chronisten  von  Voltnmo 
für  Alfer  irgend  etwas  gewinnt,  so  sind  natürlich  die  Datierungen 
von  1009  und  1010,  letzteres  Jahr  als  das  von  Alfers  Znrück- 
berufung,  ganz  hinfällig  geworden.  Und  wenn  wir  jetzt  die  Daten 
des  Anfangs  des  Kirchenbaus  1012  und  der  Weihe  1019  (Guillamne 
p.  19),  die  lediglich  auf  die  Fälschung  Pratillis  zurückgehen,  ver- 
werfen, so  wird  das  keiner  besonderen  Begründung  bedürfen.  Wir 
besitzen  jetzt  im  Cod.  Cav.  den  ganzen  Urkundenvorrat  von  La  Cava; 
nicht  die  leisesten  Spuren  sind  vorhanden,  dass  vor  1025,  wo  die 
Fürsten  von  Salerno  die  Klostergründung  bestätigten,  ein  Kloster 
in  La  Cava  existirt  hat.  Es  bezeichnet  entschieden  einen  Rück- 
schritt in   der  gesamten  Forschung   von  La  Cava,  wenn  Morcaldi, 


475 

Cod.  Cav.  V,  96  bemerkt:  Ab  anno  huius  d^üomatis  (sc.  1025)  äe- 
cepti  Muratorius  et  Mabiüonitis  hoc  anno  assenmt  aedificatum 
monasterium  Cavense,  quod  sane  anno  10/ i  fundatum  legimns 
in  vettistioribus  chronids  a  Divo  Alphetio.  Die  Maratori  und 
Mabillon  werden  also  doch  Recht  behalten. 


Dritter  Excurs. 
Die  Einfahrung  des  Allerseelentages. 

Man  hat  bis  jetzt,  zuletzt  noch  Ringholz,  Die  Einführung  des 
Allerseelentages  durch  den  hl.  Odilo  von  Cluny,  Studien  und  Mit- 
tbeilungen aus  dem  Benedictinerorden  1881,  Jahrg.  II,  8.237  und 
Der  hl.  Abt  Odilo  S.  63  ff.,  die  Einftlhrung  des  genannten  Gedenk- 
tages in  das  Jahr  998  gesetzt.  Man  stützte  sich  dabei  auf  eine 
Notiz  Sigeberts  zu.  diesem  Jahre  und  die  vermeintliche  Thatsache, 
dass  bereits  Bischof  Notger  von  Ltittich,  der  1008  starb,  Allerseelen 
iu  seiner  Diöcese  eingeführt  habe.  Prüft  man  nun  die  diesen  An- 
gaben zu  Grunde  liegenden  Quellen,  so  ergeben  sich  dieselben 
durchaus  als  unbrauchbar. 

Was  zunächst  den  Chronisten  Sigebert  betrifft,  so  hat  derselbe 
überhaupt  erst  vom  Jahre  1024  selbständige  Nachrichten.  Nun  be- 
achte man,  in  welcher  Weise  er  die  berührten  Angaben  bringt. 
998:  Agapitus  Ronianae  aeccelesiae  141^  praesidet  Hoc  autem 
tempore  quidam  religiosus  etc.  und  nun  erzählt  er  die  Geschichte 
aus  Jotsald  von  jenem  Einsiedler  und  dem  Pilger.  Bekanntlich  ist 
Agapit  eine  fabelhafte  Person,  die  man  Silvester  II.  zum  Nachfolger 
gab,  weil  er  seiner  Zauberkünste  wegen  nicht  als  würdiger  Nach- 
folger Petri  erscliien.  In  die  Zeit  dieses  sagenhaften  Papstes  reiht  nun 
Sigebert  offenbar  ganz  willkürlich  eine  legendarische  Geschichte  ein, 
die  er  erst  gelesen  hat.  Dass  hieraus  kein  Mensch  den  Schluss 
ziehen  darf,  dass  die  an  jene  Legende  geknüpfte  Einführung  des 
Allerseelentages  in  das  Jahr  fällt  in  welches  die  mit  dem  unbe- 
stimmten hoc  autem  tempore  angereihte  Erzählung  gesetzt  wird, 
ist  augenscheinlich.  Aber  da  Sigebert  viel  benutzt  und  ausge- 
schrieben wurde,  so  ist  das  angebliche  Jahr  der  besprochenen  Ein- 
richtung in  andere  mittelalterliche  Schriften  übergegangen,  ohne 
dass  es  dadurch  an  Glaubwürdigkeit  gewänne,  wie  in  der  Chron. 
Andreae  mon.  Aquic,  wo  das  Factum  a.  III  regis  Robert i,  i.  e.  998, 
datiert  ist.  Auf  noch  weniger  sicheren  Füssen  ruht  die  Behauptung, 
dass  Notger  das  Fest  in  der  Lütticher  Diöcese  eingeführt  habe. 
Denn  das  Magnum  Chronicon  Belgicum  bei  Pistorius,  Script,  rer. 
Genn.  III,  92,  auf  das  sich  Ringholz  beruft,  stammt  erst  aus  dem 
fünfzehnten  Jahrhundert  und  ist  natürlich  keine  Quelle,  die  hier 
herangezogen  werden  darf.  Vorsichtiger  drückt  sich  Eisen,  Sancta 
Legia  I  (Leodii  1696),  156  aus,  der,  nachdem  er  erzählt,  dass  nach 


476 

Sigebert  die  Cömmemoratio  998  entstanden  sei,  fortführt:  Ex  quo 
sane  confido,  non  tdtimam  in  hoc  instituto  susdpiendo  gloriam 
Notgeri  fuisse,  quam  Uli  nostrates  omnes  adscrihunt;  quando- 
quidetn  vix  annos  noveni  solidos  post  Odilonis  decrefum  vixerit 
Man  bemerkt  den  Clrkel:  Fisen  schliesst  ans  der  Nachricht,  dass 
998  die  Einführnng  von  Allerseelen  erfolgt  sei,  dass  Notger  die 
Einrichtung  angenommen  habe;  Spätere  suchen  womöglich  Sigeberts 
Angabe  durch  diese  vermeintliche  That^ache  zu  stützen.  In  den 
für  uns  allein  massgebenden  Quellen,  so  bei  Ansei m  in  den  Gesta 
Leodiens.,  findet  sich  nichts  über  die  noch  von  Ringholz  aufgestellte 
Behauptung,  obgleich  Pignot,  Hist.  de  Cluni  I,  358,  n.  1,  der  aber 
fast  stets  nur  Mabillons  Annalen  ausschreibt,  infolge  eines  Irrtums 
des  letzteren  geradezu  auf  Anselm  verweist. 

Aber  diejenigen,  die  an  Sigeberts  Angabe  festhalten,  geraten 
in  eine  Schwierigkeit  in  Bezug  auf  das  Statutum  8.  Odilonis  de  de- 
functis,  Bibl.  Clun.  col.  338,  Mabillon,  Acta  SS.  VI,  1,585,  zuletzt 
bei  Ringholz,  Der  hl.  Odilo  p.  XXXIII.  Hier  nämlich  finden  sich  die 
Worte:  Ergo  qualiter  omnium  memoria  Chrisficolarum  seniel  in 
anno  agatur,  monuimus  ar.  praecepimus,  dignum  p^'ofecto  dud- 
mus,  tit  pro  nostromm  fratrum  animabus  sub  almi  Benedicti 
norma  in  coenohiis  Domino  militantibiis,  ut  divints  ohsequiis 
plus  more  solito  adaugeamus  necnon  ut  memoria  cari  nostri 
Imperatoris  Henrici  cum  eisdem  praecijrue  agahir  constituimus, 
ut  merito  debemus,  multis  ab  ipso  ditati  opibus  etc.  Pignot  be- 
seitigt diesen  letzten  Satz  sehr  einfach:  Mais  cette  phrase  semble 
avoir  ete  ajoutee  apres  coup,  comme  il  arrivait  souvent.  Auch 
Ringholz  erklärt«  anfangs  in  den  Studien  und  Mittheilungen  etc. 
a.  a.  0.  den  Schluss  des  Decrets  von  Ergo  qualiter  an  für  einen 
Zusatz.  Nachdem  er  aber  von  der  Clironol.  abb.  Clun.  (Bibl.  Clun. 
1620)  1030  Kenntnis  genommen,  hält  er  das  Decret  etwas  unbe- 
stimmter für  eine  andere  Form  oder  spätere  Fassung.  In  der  eben 
angeführten  Quelle  nun,  der  einzig  zeitgenössischen,  steht  zwischen 
1080  und  1031:  Cömmemoratio  omnium  defundorum.  Aber  auch 
diese  Quelle  ist  unbrauchbar.  Die  Chronol.  abb.  Clun.  ist  uns  er- 
halten im  Cod,  Paris.  1.  10938  (sacc.  XIII),  im  Cart.  A.  v.  Cluni,  Cod. 
Paris.  1.  nouv.  acquis.  1297  und  im  Cod.  Paris.  1.  17716,  die  ich  selbst 
eingesehen  habe.  In  den  ersten  beiden  Codd.  fehlt  die  Notiz  ganz, 
im  letztgenannten  ist  sie  von  einer  Hand  des  saec.  XV.  erst  nachträg- 
lich an  die  betreffende  Stelle  gesetzt.  Es  folgt-  daraus,  dass  wir  ver- 
zichten müssen,  ein  bestimmtes  Jahr  zu  nennen.  Innere  Gründe 
sprechen  freilich  für  die  Einführung  Anfang  der  dreissiger  Jahre. 
Ueber  die  Verbreitung  der  Feier  und  ihre  Bestätigung  durch  die 
Päpste  handelt  Ringbolz.  Die  einzige  ältere  (zwischen  1073  und  1088 
verfasste)  Quölle,  die  V.  S.  Bertulfi  c.  34  (Mabillon,  Acta  SS.  HI,  1),  ist 
nicht  berücksichtigt  worden. 


Beilage. 


Aus  ungedruckten  Predigten  des  Ademar  von 

Chabannes.  .  ^x 

Der  Cod.  Paris,  lat.  2469,  saec.  XI,  mbr.,  ^BL,  enthält  Pre- 
digten  des  Ademar  von  Chabannes,  die  in  Limoges  bei  verschiedenen 
Gelegenheiten  gehalten  wurden.  Der  Codex  schliesst  mit  den  Acten 
der  Synode  von  Limoges.  Im  folgenden  habe  ich  diejenigen  Stellen, 
die  historischen  Inhalts  sind,  excerpiert. 

I. 

[fol.  89']  Incipit  Sermo  in  dedicatione  ecclesiae  domini  salva- 
toris  apnd  Lemovicam  urbem  qnod  est  XIIII.  Kai.  Novembris. 

Ad  hnins,  dilectissimi,  ecclesiae,  qnae  speciatiter  in  salvatoris 
domini  nostri  lesn  Christi  ac  per  hoc  in  summae  Trinitatis  est  de- 
dicata  honore,  sicnt  libentibns  animis  convenire  certastis,  annnam 
dedicationem,  ita  christiana,  nt  cernimus,  impellente  devotione,  aedi- 
ficationis  vobis  debitnm  sermonem  impendi  desideratis.  Ecce  enim 
ad  hanc  solito  more  anniversariam  templi  festivitatem  propter  im- 
petrandam  divinae  largitatis  clementiam  non  solnm  vulgaris  plebs, 
vernm  etiam  principnm  freqnentia  et  nobilium  claritas  devote  accnrrit. 
Episcopoiiim  etiam  sacer  conventns  propter  pacis  nnitatem  firmius 
foederandam  ad  hnins  domas  sollempnitatem  in  nomine  Domini  con- 
gregatns  est.  Sancta  quippe  sinodus,  quae  ante  hos  dies,  videlicet 
in  hnins  mensis  capite,  apnd  sedem  habita  est  Bitnricam^),  nnanimi 
prudenter  tractavit  consnltn  concilinm  apnd  hanc  urbem  Lemovicam 
in  hac  hodiema  die  debere  iterare,  quatinns  beato  Marciale,  ad  cnius 
venerabile  convenemnt  spnlchmm,  patrocinante  episcoporum  sit  va- 
lentior  virtns  ad  persecntomm  dirnendam  malignitatem  atque  eccle- 
siae roborandnm  statnm.  Hodie  siqnidem  snmmis  laborare  decemnnt 
viribns  per  pastoralem  cnram  pontifices,  nti  in  popnlo  Christiane 
bella  sedentor,  pax  reformetnr,  sopiantnr  ininsta,  discissio  longins 
explodatnr,  concordia  in  ecclesia  regnet,  resecentur  qnae  nnitati 
snnt  inimica,  patrnm  regnlae  rimentnr  et  inlibate  serventur,  et  qnae 
Deo  probantnr  placita  ardenti  suscipiantnr  amore.  Proinde  soUemp- 
nitas  ecclesiae,  quanta  sit  agenda  veneratione,  hinc  liquido  perpen- 


1)  Am  I.Oetober  1031. 


480 

ditnr,  qnod  domus  Dei,  qnae  est  »ancta  eccIoBia,  et  caelum  et  sedeB 
l)ei  est,  dicente  Domino  per  Isaiam  prophetam:  (\ielum  sedes  mea 
et  terra  scabellum  pedum  meornm.  Qnae  est  ista  domus,  quam 
aedißcaftitis  michi,  et  quis  est  iste  locus  quietis  mea^?  Omnia 
haec  manus  mea  fecit  et  facta  sunt  a  me  unhersa  ista,  dicif 
Dominus.  Ad  quem  autem  rCrSpiciam,  nisi  ad  pauperculum 
et  contritum  spiritum  et  trementetn  serniones  meosJ)  Nam  de 
his,  qni  ecclesiam  Dei  honorant,  qui  episcopornm  inssis  oboedire 
desiderant,  ne  eos,  qui  recnsant  ea,  qnae  pacis  sunt,  metnant,  in 
persona  eonsolantis  item  Esaias  ait:  Audite  rerbum  Domini  .  .  .*) 
[fol.  89']  Dignnm  deniqne  et  conveniens  de  hac  Salvatoris  mundi 
basiüca  pastoribus  Aquitaniae  visnm  fuit,  at  malti  ad  eam  dedican- 
dam  episcopi  congregarentur.  Pro  hac  etenim  dedicatione  et  illa 
res  maxlma  ad  effectum  nsqne  perducta  est,  scilieet  ut  apostoli  8a- 
cratissimum  corpus  tunc  a  loco  suo  levaretnr,  et  in  idem  salvatoris 
domini  sanctnarium  introduceretar.  Quod  inestimabile  margaritnm 
praeciosum  onus  gaudentes  episcopi  in  humeris  suis  ferebant  a  loco, 
qui  so] et  dici  Mons  Gaudii  usque  ad  ipsnm  sanctuarii  altare  iam 
dedicatnm  in  ipsa  Domini  basilica.  [fol.  90]  Sanctorum  quoqne  mnlta 
Corpora  illuc  de  diversis  Aquitaniae  locis  addncta  praeeunte  eodem 
Aqnitanorum  patrono  beatissimo  Marciale  simul  in  hoc  divinum 
introducta  sunt  templum.  Ut  quidem  discipnlus  Domini  primam 
primus  ecclesiam  in  Galliis  Domino  consecraverat,  quasi  ad  fontem 
christianitatis  suae  Aquitanicus  recurreret  populus  in  hac  ipsa  orbe 
Lemovica  et  sancti  cum  patrono  praesentia  sua  hoc  sanctificatum 
Deo  templum  ingrederentnr.  Ipsa  etiam  prima  et  mater  ecclesiaram 
Galliae,  scilicet  beati  protomartiris  Stephani  basilica  sedes  beati  Mar- 
Cialis,  tamquam  pia  mater  huic  ecelesiae  plurimum  adgandebat,  dum 
clericorum  nobilitas  cum  proprio  pastore  eidem  dedicationi  summo 
tripudio  frequens  instaret  .  .  . 

Igitnr,  fratres,  sicut  episcopi,  qui  ad  haue  festivitatem  convene- 
runt  causa  concilii,  vobis  suadent  de  pace  et  institia:  Pacem  sus- 
cipite,  institiam  diligite.  'Iustitia\  inquit  Salomon^),  elevat  gentem, 
misei'os  facit  populus  iniustitia.  Hex  iustus  erigit  ten^am,  vir 
avarus  destruit  eam.  .  .  . 

IL 

[fol.  90]  Ne  forte  quibuspiam  virorum,  dilectissimi,  qui  de  lon- 
ginquo  ad  hodierna  convenistis  encenia,  de  huius  ignotnm  sit  basilicae 
dignitate  simnlque  de  beati  Marcialis  discipuli  domini  nostri  lesu 
Christi,  quae  tunc  facta  est,  beata  translatione,  ideo  vestrae  referre 
dilectioni  de  his  pauca  non  ab  re  iudicamus.  Oracnlum  siqaidem 
de  hoc  in  domini  Salvatoris  nomine  et  honore  multo  olim  ab  auti- 
quis  idco  fabricatum  est  atque  sanctificatum,  ut  Christi  apostoli 
membra  inibi  transposita  perpetim  quiescerent  in  popoloram  ingenti 

>)  Isaias  66,  1.  2.        >)  Isaias  66,  5.        ')  Prov.  14,  34. 


481 

veneratione.  Vernm  divina  provenisse  videtur  ordinatione,  ut,  dnm 
ipsa  ad  apostoli  sepulchrum  fabricata  fuerit  sacra  aedes,  templum 
qnidem  ad  laudem  snmmi  conditoris  percelebre  permaneret,  membra 
vero  patroni  sepalcliro  restitnerentur  priori.  Ut  qai  ibidem  snperna 
providente  maiestate  mausoleum  meruerat  exinde  neqnam  hnmano 
exclnderetiir  iuditio.  De  quo  sancto  antiquo  sepnlchro  eins  scriptum 
est:  n^Q^^i  inquit,  „crastina  die  hominis  Dei  corpns  a  basilica  sanctae 
sedis  eins  ad  humandum  deferretur,  mox  aperti  caeli  viam  omnibns 
reseratione  sua  ostendernnt,  quo  membra  eius  tumnlanda  essent/^  Ulis 
igitur  temporibus  Carolo  Magno  imperatore  augusto  et  filio  eins  Lu- 
dovico  imperii  gerentibus  insignia,  hoc  templum  a  Lemovicensibns 
primitns  fnndatum  est  ipso  Ludovico  tunc  Aqnitaniae  rege  con- 
snltnm  et  opere  praebente  et  eidem  dedicatione  instante.  Qnae 
prior  dedicatio  per  octavnm  mensem  tercia  decima  eiusdem  mensis 
die  peracta  est.  Qua  de  re  eiusdem  decima  mensis  die  inven* 
tum  translatnm  est  beati  apostoli  corpns  ac  memoriae  soUempni 
deinceps  omnibns  annis  dedicatam  eandem  primam  translationem 
constat.  At  vero  post  eiusdem  primae  translationis  transactum 
diem  tercinm  huius  sacratissimi  templi  illa  dedicabilis  sollempni- 
tas  dudum  extabat.  Etenim  sive  temporum  vetustate,  sive  gemi- 
nae  adnstionis  periculo,  quo  divina  promissione  eadem  vetus  ba- 
silica laborabat,  sive  ampliiicandi  et  in  meliorem  quam  prius  fuerat 
statum  restaurandi  studio,  potinsque  divina  inspirante  volnntate,  ite- 
rum  novo  a  Lemovicensibns  opere  est  fundata  et  dedicatio  eins  in 
mensem  nonum  octava  decima  mensis  die  soUicito  patrum  consnltu 
permutata;  verum  die  tercio  ante  ecclesiae  dedicationem,  exigente 
fidelinm  devotione,  beati  Marcialis  membra  iternm  a  tnmulo  sunt 
sublevata.  Tremendnm  certe  tale  fuit  opus  et  solis  sanctis  viris 
attemptandnm.  Quod  nnlla  ratione  ab  aliquo  licet  sanctitate  florente 
ingenti  arriperetnr,  nisi  Christi  volnntas  et  devotorum  ardens  in 
patronnm  fides  et  ipsius  domini  nostri  lesu  Christi  dedicanda  coge- 
retur  domns.  Ac  nisi  superna  fieri  iuberet  volnntas,  tam  arduum 
opus  magis  praesumptio  fidelis,  quam  fidelis  iudicaretur  devotio. 
Quoniam  nimis  probatur  periculosum  aliqno  pacto  sanctomm  inqnie- 
tari  Corpora  de  sepulchris  vel  attrectari  vel  de  locis,  in  quibus 
quiescunt,  extrahi,  etiam  si  summa  rei  necessitas  intervenerit.  Nonne 
meministis  eomm,  qui  olim  apud  quasdam  ecclesias  quorundam  mar- 
tirnm  corpora  conabantur  [fol.  9 1]  le vare,  qui  licet  causa  pietatis  et 
honoris  id  dicerent  se  arripere,  tamen  ira  divina  sub  ocnlis  omnium 
experti  sunt  in  semetipsos  et  nltione  sunt  plexi  citissimae  mortis? 
Numquid  non  recordamini,  qualiter  antistites  priores  sanctae  et  uni- 
versalis Romanae  sedis  hanc  omnino  rem  devitabant?  Nam  dum 
mnltotiens  ab  imperatoribns  rogarentur  vel  a  terennis  principibus 
conferri  Ulis  reliquias  ex  membris  apostolorum  et  martirum,  nulla- 
tenus  id  attemptare  praesnmebant.  Verum,  ne  extranei  a  caritate 
principnm  viderentur,  ut  satis  eis,  qui  fideliter  postnlabant,  facerent, 
super  corpora  sanctomm,  de  quibus  reliquiae  expostnlabantur,  missas 

Sftckur,  Cluniacenaer.    II.  31 


482 

celebrabant,  et  pro  summis  pi^noribns  prandeum  tribnebant  linenm, 
in  quo  corporis  et  sanguinis  Domini  faerant  involnta  misteria.  Quibus 
mnneribus  a  qnolibet  fidelissime  susceptis  loco  reb'qniarum  de  cor- 
poribus  sanctorum  tante  per  haec  virtutes  et  miraciila  florebant,  acsi 
integra  ibi  sanctorum  corpora  essent.  Et  beatus  papa  Gregorius, 
qualiter  ob  quorundam  infidelitatem  de  prandeo  sangninem  excusse- 
rit  et  in  epistolis  suis  sanctorum  corpora  inquietari  et  attrect^iri 
temerarium  et  terrificum  iudicet,  peritis  lectoribus  darum  est.  Hoc 
auteni  modo  in  ista  Salvatoris  basilica  prandeum  mundissimum  vice 
reliquiarum  ex  illo  corpore,  quod  de  virgine  Maria  natum  et  a 
ludeis  crucifixum  est  et  resujTexit  et  in  coelum  ascendit  et  iudicabit 
vivos  et  mortuos,  collocatum  est  cura  regum  Caroli  et  Ludvici  magno- 
rum  Augustorum.  Apud  sanctam  enim  resurrectionem  in  Uieroso- 
limis  super  sanctum  Domini  sepulchrum,  ubi  corpus  Domini  a  loseph 
et  Nichodemo  sepnltum  est,  patriarcha  Hierosolimorum  rogante  per 
cpistolam  Oarolo  Augnsto  misteria  celebravit  ipsnmque  prandeum, 
in  quo  involutum  est  corpus  Domini,  quasi  de  membris  dominicis 
benedictionem  fauic  ecclesiae  direxit.  ...  De  ligno  etiam  dominicac 
crucis  praetiosa  in  hoc  templo  sunt  pignora  recondita.  Scitis  autem, 
quod  in  ecciesiis,  ubi  sola  sanctorum  invocatio  et  memoria  est  tanta, 
saepius  fiunt  eorum  meritis  miracula,  acsi  eorum  praesentia  videan- 
tur  ibi  iacere  corpora.  Quod  in  illa  ecclesia,  quae  est  apud  Engolis- 
menses  foris  muros  civitatis  in  beati  Marcialis  nomine,  necnon  et  in 
aliis  per  diversa  occidentis  loca  eins  honori  dicatis  fieri  saepissime 
plerique  testantur  et  nos  coram  multis  testibns  experti  sumus. 

III. 

[fol.  91]  Ad  hanc  Domini  basilicae  anniversariam  sollempnitatem 
plures  episcopi  congregafi  pro  pace  popnlorum  adstant,  pacem  cupien- 
tes  omni  Aquitaniae  reparare.  De  hac  pace  Esaias  dicit*):  Vetiiat 
pax,  reqtiiescat  in  cuhili  suo,  qui  amhulavit  in  dtrectione  saa.  . . . 
Quod  gens  interea  Aquitanica  audierat  pati*oni  sui  ossa  dndnm^) 
ante  hos  anuos  in  huius  templi  consecratione  levanda,  ideo  ad 
ipsam  multitudo  infinita  convenire  cum  multis  episcopis  congratula- 
batur  dedicationem.  Et  rite  ex  omni  Aqnitania  properare  certatim 
ad  cum  festinabant  populi,  per  cuius  praedicationem  omnis  Aqni- 
tania in  Christo  renasci  mernit.  In  Christo  enim  lesn  per  evangelinm 
Marcialis  Aquitaniam  genuit.  Quae  si  multos  habet  pedagogos.  .  .  . 
Ipsa  siquidem  nocte,  qua  propter  dominicae  ecclesiae  dedicationem 
tercia  die  futuram  a  ministris  Domini  una  cum  primate,  qui  tunc 
sanctae  Lemovicensi  ecclesiae  praesidebat,  lordano^  sacratissimum 
corpus  eins  de  sepulchro  levaretur,  multi  testes  de  longe  et  prope 
de  ordine  clericornm  et  laicorum  et  qui  ab  hac  civitat«  longe  ab- 
erant  et  qui  in  ea  erant,   splendorem  inmensum   de  eaelo  videnmt, 


0  Isaias  57,2.        *)  Im  Jahre  1028. 


483 

qni  per  tarn  propinqna,  quam  per  longinqua,  in  quibus  erant  loca, 
canctas  noctis  tenebras  inlnstravit,  ita,  nt  aestimarent  se  praeclaram 
videre  meridianam  Incem.  Prae  ingenti  etiam  caelestis  Inminis  radio 
ipsa  hora  visa  est  terra  movere.  Verum  illucescente  die  sabbati 
pontifex  in  ecclesiam  novam  venit  et  sermonem  in  popnlo  fecit,  ut 
in  diem  tercium  parati  essent  digni  interesse  dedicationi  basilicae, 
monens  omnes,  ut  mundos  se  et  castos  custodirent,  neve  praeterito- 
rnm  criminum  culpis  summi  opificis  oculos  offenderent,  elemosinas 
pauperibus  et  peregrinis  tribuerent.  Qnod  populus  libenter  obedivit; 
ipsamqne  diem  propter  apostoli  levatum  corpus  tunc  iussit  agi  sol- 
lempnem,  eos,  qui  ad  dedicandum  templum  venturi  ipso  die  et  in 
crastinum  erant,  expectans.  Aptum  autem  locum  pontifex  providit, 
ubi  eodem  die  membra  discipuli  Christi  congrne  collocarentur  et 
sanctorum  corpora,  quae  [e]  diversis  et  longinquis  et  proximis  Aquita- 
niae  locis  huc  gestabantnr,  libere  sine  compressione  populari  ad 
patroni  praesentiam  accederent.  Dominica  vero  resurrectionis  die 
illucescente,  iussit  pontifex  sacratissimum  apostoli  corpus  cum  psal- 
lentium  choris  in  Montem  Gaudii  in  ecclesiam  transferri,  in  eundem 
videlicet  locum,  quo  iam  olim^  semel  idem  Christi  discipulus  trans- 
latus  fuerat.  Ibi  usque  in  diem  tercium  soUicite  a  ministris  ex- 
cubatnm  est,  quousque  domni  Salvatoris  ecclesia  nova  dedicaretur, 
et  in  ea  ab  ipsis  gestantibus  episcopis  sacra  beati  Marcialis  membra 
introducerentur,  et  paulo  post  deinceps  in  pristinum  recederentur 
sanctum  sepulchrum.  Non  autem  praetereundum  videtur,  quod  ibi 
tunc  vidimus,  qui  praesentes  eramus,  ostensum  magnum  miraculum. 
Namque  illa  qua  ante  patroni  corpus  nocte  excubatum  est,  in  eodem 
Monte  Gaudii,  cum  circum  circa  tentoria  multa  extenta  et  papiliones 
essent  et  in  conspectu  aliorum  sanctorum,  quorum  ibi  de  longo  et 
prope  adducta  pignora  erant,  excubias  sacras  quique  celebrarent,  in 
tempesta  noctis  silentio  magnum  et  valde  coruscans  lumen  de  caelo 
totnm  ipsum  Montem  Gaudii  diutius  tercio  inlustrasse  visum  est  et 
qui  ibi  erant  infirmi  sanati  sunt.^)  .  .  .  8ed  mirnm  dictn  peracta 
templi  dedicatione  perturbatio  elementorum  gravis  subsecuta  est,  ut 
per  continuos  quattuor  menses^)  venti  et  pluviae  totam  infestarent 
terram.  Yisio  autem  nocturna  quibusdam  longo  ab  hac  urbe  manen- 
tibus  multoties  apparuit,  ut  dicerent  episcopo  Lemovicensi:  „Alia 
sanctoinim  corpora  de  diversis  Aquitaniae  locis  in  templi  dominicl 
dedicatione  ad  sepulchrum  discipuli  Dei  allata  sunt  et  cur  beati 
Leonardi  e  vicino  non  iussisti  ibidem  corpus  afferri?  Ideoque  scias 
pro  hac  calamitate,  quae  pro  peccatis  populorum  accidit,  quia  disci- 
pulus Christi  beatus  Martialis  non  prius  orabit  faciem  Domini,  quam 
cum  laetaniis  tum  cum  clero  et  populo  exhibere  eures  ad  eins  me- 
moriam  corpus  sancti  Leonardi."    Pontifex  itaque  collecto  de  maio- 

^)  II.  November  094. 

')  Uior  folgen  einige  Heilungswunder  bei  den  Leibern  der  hl.  Valeria 
und  des  hl.  Gerald  von  Aurillac  ohne  weiteres  Interesse. 
»)  D.h.  bis  grgen  Ende  Februar  1029. 

31* 


484 

ribns  natu  magno  conventn  cum  popularibns  tnrbis,  per  mensem 
Martium  in  diebus  sacris  ieiunlorum  laetanias  faciens  processit  cum 
corpore  sancti  Leonard!  prins  in  basilicam  Stephani  protomartiris, 
deinde  in  Salvatoris  basilicam,  dein  vero  in  sepnlchram  discipuli 
Christi.  Res  mira!  hora  eadem  sol  relnxit,  procella  per  omnem 
Aquitaniam  quievit,  optata  temporam  tranquillitas  facta  est,  imminu- 
tae  sunt  aquae,  cessavit  pugna  elementornm,  de  qna  scriptom  est: 
Pugnavit  pro  eo  orbis  terrarum  contra  insefisatos  ^),  nt  aperte 
constaret,  quia  beatns  Martialis,  sicut  a  Deo  Galliis  directas  est 
apostolus,  ita  sit  potentissimns  pro  eis  ad  Denm  intercessor  atqne 
patronus.  Benedixit  omnis  plebs  gloriam  Domini,  dum  tanta  mirabilia 
yidit,  et  episcopns  ibi,  antequam  ab  hac  urbe  recederet,  conventos, 
pacem  iterum  et  iusticiam  confirmare  omnibns  iussit.^)  £t  omnibus 
rite  perfectis  cum  choris  psallentium  beati  Leonardi  corpus  Nobiliaco 
reportatum  est  et  beati  Marcialis  eximinm  damit  patrocinium  ad 
gloriam  et  laudem  domini  nostri  lesu  Christi,  qui  est  benedictns 
Dens  in  saecula.     Amen. 

VU. 

[fol.  94^]  .  .  .  Caeternm  dedicationis  exordium  non  ab  re  sie 
peractum  inspeximns.  Primo  namque  pontifices  in  eccesiam  novam 
simul  convenerunt  tenentesqne  singnli  in  manibus  pastorales  virgas 
eiecerunt  omnes  ab  ecclesia  praeter  necessarios  ministros  et  sie 
hostia  clauserunt  propriis  manibus.  . .  .  Qua  in  re  nonnuUi  prae- 
sules  in  templa  dedicanda  oves  et  boves  etiamqne  pro  indnstria 
aliquoties  inmitti  inbent,  et  sie  ipsi  pecora  et  homines  eleminant  et 
portas  claudunt.  Qnod  etiam  in  secnnda  dedicatione  Carrofensis 
templi  Ugo  episcopus  Engolismensis*^),  qui  in  disciplinis  liberalibns 
acutissimus  et  in  profectu  ecclesiastico  studiosissimus  erat,  agere 
studuit.  Ideoque  primo  negotiantes  a  domo  dedicanda  eleminare 
docebat,  quia  Dominus  ad  passionem  adpropinquans  videlicet  con- 
secrandam  suo  sanguine  ecclesiam  novam,  intravit  in  templam  et 
invenit  in  templo  vendentes  boves.  .  .  . 

IX. 

Maxime,  dilectissimi,  propter  episcopornm  et  reliqnornm  sacer- 
dotum  excommunicationem  iustam,  quae  a  subditis  vel  neglegenter 
observatur  vel  süperbe  contempnitnr,  plaga  in  popnlum  crebro  venit 
et  iustus  perit  pro  impio.  Ecce  per  hos,  qui  processerunt,  annos  a 
principibus  secularibus  et  iunioribus  episcopornm  insta  excommuni- 
catio  despecta  est.  Et  quod  gravius  est,  ipsi  episcopi,  qui  vice 
Christi  honorari  debuerant,  quasi  viles  aporiati  sunt  et  infestati  a 
viris  secularibus.    Ätirum  ecclesiae,  secundum  Hieremiam^),  obscu- 

•)  Sap.  5,  21. 

>)  Somit  fand  also  im  März  1029  eben&lls  ein  Conzil  statt,  auf  wel- 
chem der  Frieden  beschworen  wurde. 

>)  978  —  991?       *)  Jeremiae  lament  4, 1. 


485 

ratum  est  hoc  tempore,  et  mutatus  est  color  optimus,  et  dispersi 
sunt  lapides  sancfnarH,  hoc  est  eccles^iastici  viri  in  capite  omnium 
platearum.  Et  illud  propheticnm  nunc  in  sacerdotibas  Domini  vi- 
dimns  impleri.  Erit,  inqait,  sicut  populus  sie  sacerdos,^)  Nam 
velnt  populäres  viri,  hoc  tempore  episcopi  et  ecclesiae  ministri  tam 
lingois,  quam  manibus  laicornm  persecutiones  passi  sunt  et  graviter 
concnlcati.  Deniqne,  sicnt  nostis,  post  dedicationem  huins  sancti 
templi,  qnae  in  honore  Salvatoris  nostri  ante  hos  annos  hodierna 
die  facta  est,  nbi  ipsi  plures  adfuernnt  episcopi  adnnntiantes  pacem, 
prohibentes  ininsticiam,  violatores  pacis  excommunicantes,  plaga 
pessima  in  popnlos  occidentales  divino  iuditio  misisa  est.  Et  non 
inmerito  eo,  qnod  pene  ab  omnibns  sive  prineipibns  et  snbditis,  sive 
urbanis  et  rusticis  episcoporum  excommnnicatio  pro  niehilo  dncta 
est,  eorum  inssa  posthabita  sant  et,  cum  omnium  frugum  affluentia 
et  reinim  ubertas  copiosius  abundaret,  pax  inter  omnes  et  iustitia 
violatae  sunt.  Qua  de  re  ignis  exaestuans  hunc  praesertim  Lemovi- 
censem  populum  corripnit,  mortalitas  per  alias  etiam  urbes  ingens 
in  hominibus  et  iumentis  fnit.  Per  totam  Galliam  defecit  vindemia, 
fames  facta  est  valida,  ut  innumeri  de  valgo  necarentur  et  germanus 
sororem  in  Sanconico  territorio  mactaverit  et  comederit. .  .  .  [fol.  96] 
Hoc  frenum  erroris  contemptus  est  excommunicationis.  Quotiens  enim 
quemlibet  iuste  excommunicat  episcopus,  quod  non  confestim  plagam 
sentit  corporis,  praeponderat  invanum  excommunicationem  pastoris. 
E  vestigio  autem  post  illam  dedicationem  secundae  huius  ecclesiae 
tercia  nocte  post  natale  Domini  vidit  visnm  quidam,  de  cuius  asser- 
tione  nemo  quis  dubitet.  Videbat  cathedras  aeniorum  intra  sepul- 
chrum  beati  Marcialis  dispositas  et  Petrus  apostolus  in  una  earum 
primns  residebat  velut  concilium  consulens.  In  alia  vero  residens 
Marcialis  sie  Petro  querebatur  diceus:  „Molestor  in  illorum  temeri- 
tate,  qui  nuperrime  in  dedicatione  ecclesiae  Domini  parvipendere 
visi  sunt  corporis  mei  translationem.^  Qua  in  re  vestro  consilio, 
domine  mi,  inditium  super  illos  grave  volo  exercere  *).  Neque  enim 
egi,  neque  agere  quid  umquam  volo  absque  vestro  consultu.  Per 
vos  quippe  dominus  misit  me  in  istam  provinciam.  Cui  Petrus  re- 
spondebat  crebrius:  „Parcite,  karissime,  vestris,  parcite,  et  potius 
ipisericordiam ,  quam  iuditium  impendite."  Illud  enim  devote  mi- 
nistri vestri  egenint,  et  quicquid  offensionis  humano  erratu  egerunt 
iam  paenitendo  diluernnt.  Cum  haec  et  huiuscemodi  Marcialis  cum 
Petro  quasi  tristis  pro  se  quereretur,  et  Petrus  cum  flecteret  et 
iuditio  suspendendo,  ait  ille:  „Quia^',  inquit,  „non  sinitis  me,  domine 
mi,  inditium  de  reis  accipere,  ibo  vobiscum  RomatQ^)  et  usque  ad 
quinque  annos  Aquitaniam  non  visitabo,  et  quae  illis  acciderint, 
audiam."     Non   vana   haec   visio   fuit.     Siquidem   mox   plagae   per 


*)  Isaias  24,  2.        *)  exerere  lis, 

8)  Vgl.  dazu  Job.  Vit»  Odon.  111,  c.  8,  wo  eine  ganz  ähnliche  Ge- 
schichte vom  hl.  Benedict  mitgeteilt  wird. 


486 

Aqnitaniam  iDcipientes  venire  in  tempae  praefinitam  iinem  Deo  mise- 
rante  habnerant.  Illud  qnoqne  mirabile  quibnsdam  per  noctumam 
visionem  non  incassum  ostensum  est  ipso  articulo  temporis.  Vide- 
batnr  Dei  apostolas  a  sepulcbro  suo  cum  splendore  ma^o  procedere 
cum  multis  viris  veste  fulgentibus,  et  ad  partem  occiduam  tendens 
per  iter,  quod  pedes  eins  tangebant,  flamma  de  terra  ernctuante, 
iterum  in  hoc  templnm  Salvatoris  regrediebatur.  Et  propter  Salva- 
toris  mensam  quasi  in  throno  residens  gladio  accinctus  gladinm 
medium,  quasi  de  vagina  extrahens  nltionem  minabatur  bis  iratns, 
qui  ei  molesti  fnisse  accusabantur.  Qnibus  rebus  Deo  revelante  osten- 
debantur,  non  absque  patrocinantis  apostoli  nutu  Aquitanicis  cladem 
incurisse  et  demum  quietem  advenisse.  Nam  incendium,  quod  diu 
vulgus  consumpserat,  in  praeterita  beati  Marcialis  festivitate  novis- 
sima  lunii  mensis  die  subito  absortum  et  extinctum  est  per  omne 
solum  Lemovicense.  Non  postmultum  hostilitas  in  pacem  eonversa 
est,  clades  in  incolomitatem,  sterilitas  terrae  in  foecunditatem,  in- 
edita  transiit  in  satietatem.  Item  quoniam  propter  contempta  divina 
mandata  plagae  roittantur  in  ten*a  per  propbetam  Dominus  loquitur 
dicens:  Dedi  i'obis  Stupor em  dentiiim  in  cunctis  iirbihus  restris 
et  indigentiam  pannm  in  omnihus  locis  vestris  et  non  estis  reversi 
ad  me,  dicit  dominus.  Frohibui  a  vohis  hinibrem  cum  adhuc  tres 
menses  superessent  usque  ad  messem,  etplui  super  cityitatem  unam, 
et  super  eivitationem  alteram  'non  plni.  Pars  una  compluta  est  et 
pars,  super  quam  non  plui,  aruit.  Et  venerunt  dua^  et  tres  civi- 
tates  ad  civitatem  unam,  ut  biberent  aquam  et  non  sunt  satiatae 
et  non  redist is  ad  me,  dicit  dominus,  Percussi  vos  in  vente  urente 
.  .  .  facti  estis  quasi  torris  raptus  de  incefidio,  et  non  redi^ti^ 
ad  me,  dicit  dotninus.^)  Item  quia  pro  sanctae  ecclesiae  et  mi- 
nistrorum  Domini  conculcatione,  quae  ab  impiis  üt,  percutiatur  terra 
plagis  lobel  propbeta  sie  ait:  Periit  sacrificium  [fol.  97']  gandium 
a  filiis  hominum.^)  Hoc  est,  quia  impii  ecclesiae  perturbant  lae- 
titiam,  ideo  haec  mala  super  populum  veniunt.  Quodammodo  quippe 
sacrifitinm  perit  de  domo  Dei,  cum  res  ecclesiae  a  fraudatoribus  sive 
alienatoribus  vel  a  praedatoribus  inminuuntnr;  et  prae  inopia  desunt 
ministri,  qui  Dei  sacrifitio  ecclesias  oment,  vel  cum  sacerdotes  a 
laicis  affliguntur,  vel  cum  excommunicatio  generalis  indicitur  propter 
impiorum  contemptum,  qui  ab  episcopis  iuste  excommunicati  inpor- 
tune  se,  quasi  bonam  habeant  conscientiam,  ecclesiae  atriis  ingerant. 
Plane  quotiens  inviti  episcopi  ecclesias  suae  diocesis  excommunicant, 
tunc  sacerdotali  cessante  pristino  ofßtio,  quasi  perit,  hoc  est,  cessat 
sacrifitium  de  domo  Dei,  et  tam  episcopi,  quam  reliqui  sacerdotes 
propter  ipsas  innocentes  pro  impiis  clausas  ecclesias  in  Inctu  sunt 
Gerte  nunc  Pictavenses  et  Engolismenses  ecclesiae  omnes  ab  epi- 
scopis  suis,   qui  huic  concilio  intersunt  pro  impiis  ita  sunt  excom- 

0  Arnos  4,  6—11.        *)  Joel  1,  9—12. 

')  Vgl  Apoc.8,  1  und  12,  7,  die  miteinander  verwei^hselt  sind. 


487 

mnnicatae,  nt  portae  clansae  sint  spinis,  altaria  spoliata,  laicornm 
nnllus  ecclesiam  aliqaomodo  ingredi  permittitnr,  sed  pro  foribns 
orationi  singnli  vacant.  Omniam  vero,  qui  ibi  nunc  moriantnr,  in- 
sepulta  saper  terram  per  plateas  vulgo  cadavera  iacent.  Mnlta  iam 
facta  sunt  in  escam  volatilibns  caeli  et  bestiis  terrae,  qnia  non  est, 
qni  abigat.  Signa  ecciesiarum  et  landes  Dei  non  andiuntar.  Vide- 
mns  nunc  impleri  quod  ait  lohannes^):  Factum  est  silentium  in 
caelo,  dum  draco  cofnmitferet  bellum.  Hoc  est,  in  ecclesia  propter 
excommnnicationem  generalem  fit  silentinm  a  divinis  officiis,  nt  omnia 
a  clericis  üant  sub  silentio  et  in  Inctu,  quia  draco  per  membra  sna 
committit  bellum  contra  pauperes  et  ministros  Domini.  Ideoqne  in- 
dignum  est  tradere  sanctnm  canibus  et  margeritas  porcis  dare,  hoc 
est,  divinum  opus  peragere  praedatoribus  et  misteria  celebrare  in- 
mnndis  erga  pacem  et  iustitiam.  Baptismus  tantum  traditur  bis,  qui 
in  periculo  mortis.  Consultu  episcoporum  tamdiu  vero  ista  per- 
durabit  excommunicatio,  donec  cnncti  principes  eorum  inter  se  in- 
vicem  iusticiam  et  pacem  foederent  in  manibns  episcoporum.  In 
tanto  denique  luctu  et  concnlcatione  ecclesiae,  quid  pastoribus  agen- 
dum  Sit,  propheta  indicat  dicens:  Accingite  vos  et  plangite  sacer- 
dotes,  ululate  ministri  alfaris,  ingredimini,  cuhate  in  sacco  mi- 
nistri  Dei  mei,  quoniam  inter iit  de  domo  Dei  vestri  sacrifitium 
et  lihatio.  Sanctificate  ieiunium,  vocate  coetum,  congregate  sencs 
omnes  habitatores  terrae  in  domum  Dei  vestri^  clamate  ad  Do- 
minum.^)  Hoc  multociens  ab  hac  sancta  Lemovicensi  sede  con- 
stitutum vidistis.  Nam  ob  pravomm  sevitiam  refrenandam  ob  con- 
cnlcationem  ecclesiae  et  imminentes  ab  iracnndia  Dei  piagas  laetaniae 
crebro  indictae,  triduanum  more  Ninivitarum  ab  episcopo  imperatum 
est  ieiunium,  et  congregatis  sacerdotibus  atque  maioribns  natu  con- 
silinm  iuxta  Dei  velle  initur,  qualiter  respublica  Deo  auxiliante  me- 
lioretur.  Ideo  autem  ab  iniquorum  redargutione  vehementi  ab  eccle- 
siae quoque  et  pauperum  defensione  cessare  episcopi  nullatenus 
audent,  quia  magis  cum  timent,  qui  corpus  et  animam  potest  perdere 
in  gehennam,  quam  eos,  qui  solum  corpus  occidere  possunt.  Nulla 
inquam  ratione  silere  audent  pastores  a  prohibitione  malorum,  qnia 
nimis  illud  timent,  quod  per  prophetam  Dominus  ad  pastores  ait: 
Super  pastores  iratus  est  fiiror  mens  .  .  .  eius  tcnebrescens  obs- 
curabiturP)  Item  propheta  de  tacentibus  et  pigris  pastoribus  ait: 
Non  ascendistis  ,  .  ,  in  die  Domini?)  Ipsi  honor  et  gloria  in  se- 
cnla  seculorum.    Amen. 

*)  Joel  1,  13.  14.        >)  Zachar.  10,  3.  11, 17.        ^  £zecbiel  13,  5. 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

S.   4,  Z.  1.  Setze  „sieb*  an  den  An&ng  der  Zefle. 

S.  21,  letzte  Zeile  lies:  «Inzwischen  gelug  es  Robert*. 

S.  29,  Z.  6  streiche  «zwiscben". 

S.51,  Z.6  lies  «Haspres"  statt  »Haspr^". 

S.51,  Z.  16  lies  „etwa  Ende  1028*'  statt  „Anfang  1029*. 

S.  55,  n.  4  ff.  lies  „de  la  Borderie*  statt  „de  la  Broderie*. 

S.  67,  Z.  3  y.  u.  nnd  S.  69,  Z.  2  y.  n.  lies  „Saiotonge''. 

S.81,  Z.3  lies  *)  statt  «). 

8.141,  Z.3  y. n.  lies  statt:  «Wann  Ledain  starb,  ist  ungewiss':  «Leduin 
starb  am  2.  Januar  1047*^;  ygL  S.  295. 

S.  153,  Z.  7  y.  u.  lies  «Herzog  Tbeoderich  yon  Oberlothringen*. 

S.  167,  n.  2.  Pfister,  Etudes  p.  XL  setzt  die  Urk.  Ayalon,  1023,  37.  Jahr 
Roberts  allerdings  nach  den  Regierungsjahren  1024;  das  37.  Jahr  — 
wenn  es  Überhaupt  richtig  ist  —  begann  aber  bereits  am  25.  Dec.  1023. 

S.  183,  Z.  13  lies  „Pilgrim*  statt  .Aribo''. 

S.236,  Z.  19  lies  ,6.  Sept.''  statt  ,16.Sept.<' 

S.  308.  In  Bd.  I,  S.  281  wurde  mit  Unrecht  die  Abhängigkeit  Abbos  yon 
Fleury  yon  Pseudoisidor  betont  Es  ist  richtig,  dass  unechte  Briefe 
des  Damasus  und  an  Damasus  auf  der  Synode  yon  St  Basle  yon 
den  drei  Vertretern  des  Mönchtums,  Abbo,  Romulf  und  Johannes 
yon  Anxerre,  yorgelegt  wurden.  Aber  weder  wissen  wir,  dass  ge- 
rade Abbo  sie  yorlegte,  noch  dass  sie  direct  dem  Pseudoisidor  ent- 
nommen wurden.  Beides  ist  nun  sehr  unwahrscheinlich.  Was  den 
letzteren  Punkt  betrifft,  so  folgen  in  den  Acten  Gerberts  c.  22  lauter 
Stellen  aus  pseudoisidorischen  Papstbriefen  mit  der  VorbemerkuDg: 
Äüatiu  est  autem  etiam  tomtis  ab  Lothariensi  regno  per  manw 
Raibodi  epiacopi  Noviamensis,  in  quo  haec  continebarUur  etc.  Das 
war  also  der  Pseudoisidor,  der  characteristischerweise  yon  einem 
flandrischen  Bischöfe  (yon  Nuyon  und  Toumai)  aus  Lothringen  prä- 
sentiert wurde,  entsprechend  der  von  uns  heryorgehobenen  That- 
Sache,  dass  der  Pseudoisidor  in  diesen  Gegenden  Gegenstand  des 
Studiums  war.  Demnach  haben  die  Vertreter  des  Mönchtums  schwer- 
lich den  Pseudoisidor  selbst  vorgelegt  Dagegen  nun,  dass  Abbo 
den  Pseudoisidor  kannte,  spricht  erstens,  dass  in  seiner  Canonsamm- 
lung keine  Beweise  einer  Benutzung  desselben  sich  finden;  in 
Brief  14  Abbos,  der  viele  Kircheorechtsstellen  enthält,  steht  nun 
auch  kein  einziger  unechter  Papstbrief,  in  den  Concilsauszügen  ist 
allerdings  neben  der  Uebersetzung  des  Dionysius  Exiguus  die 
Pseudoisidors  vertreten,  aber  eben  das  deutet  darauf  hin,  dass  Abbo 
nicht  den  Pseudoisidor  selbst  hatte,  sondern  Canonsammlungen  oder 
Excerpte,  in  denen  beide  Uebersetzungen  verwertet  waren. 

S.  357,  Z.  7  war  an  die  Ann.  Floriac.  zu  erinnern,  die  aber  für  unsere  Zeit 
yon  der  äussersten  Dürftigkeit  sind. 


Register 

zum  ersten  und  zweiten  Bande. 

Den  Seitenzahlen  des  zweiten  Bandes  ist  eine  rOmische  II  vorgesetzt. 


A. 

Aachen  3.  4.  8.  12.  170.  233;  11,255. 

257.  —  Aachener  Capitnlar  57—59. 

61.  62.  162.  —  Aachener  Reichs- 
tag 5. 
Abbo,  A.  von  Fleury  200.  270.  273. 

274.  277—282.  284—294.  296—298. 

309.  336.  440.  443.  445.  448;  II,  26. 

84.  35.  62.  68.  85.  88.  92—94.  224. 

234  n.  3.   305.   308.  844—349.  362. 

364.  382. 402.  488.  —  Vita  Abbonis 

II,  848. 
Abbo,  Vater  Odos  v.  Cluni  44.  45. 
Abderrahman,  Chalif  145. 
Abdinghof,  Kl.  b.  Paderborn  II,  157 

n.  3. 
Abellonins,  Gr.  v.  Savillianum  II,  206. 
Absalon,  Münch  v.  St.  Fleurent  de 

Saumur  197. 
Acfred,  H.  v.  Aqaitanien  76.  83. 
Achard,  A.  v.  St.  Germain  245. 
Acharich,  Eremit  167.  168  n.  1. 
Acius,  Erzb.  v.  Bordeaux  II,  60. 
Acqui,  Grfsch.  II,  15.  16. 
Adacius,  A.  v.  Tolle  79.  80—82.  88 ; 

II,  482. 
Adacins,  Priester  79. 
AdakJd,  BUrger  v.  Gap  II,  82;  Gem.: 

Frodina. 
Adalbald,  B.  v.  Utrecht  II,  1 79. 
Adalbero,  Erzb.  v.  Reims   188.   1h9. 

192—195.  203.  247.  295. 


Adalbero  I,  B.  v.Metz  143.  144.  149 

—157.  159.  163—166.  168.  171. 178. 

174.  178.  179.  188;  II,  115.  124.  360. 
Adalbero  II,  B.  v.  Metz  II,  115.  118 

—121.  123—128.  158n.1.  447.  458. 
Adalbero,  B.  v.  Laon  11,94—97.  100. 
Adalbero,  B.  v.Verdun  II,  118.  119. 
Adalbert,  Albert. 
St.  Adalbert-Basilika  in  Pereum  347. 
Adalbert,  Erzb.  v.  Prag  234.  235.  332. 

384.  335.  339.  343.  345.  346.  355. 
Albert,  A.  v.  St.  Denis  II,  38. 
Albert,  A.  v.  Marmoutier  II,  27  n.  4. 
Albert,  A.  v.  St.  Mesmin  201 ;  II,  51. 
Adalbert,  A.  v.  Moyenmontier  167. 

168.  174. 
Albert,  A.  v.  St.  Thierrl  II,  'S\^. 
Adalbert,  König  von  Italien  II,  1. 
Albert  II,  Markgr.,  Otbertiner  223. 
Adalbert  IV,  Markgr.,  Otbertiner  II, 

206;  Gem.:  Adelheid. 
Adalbert,  Markgr.  v.  Turin  II,  201. 
Adalbert ,  Markgr.  11,181;    Gem.: 

Jutta. 
Adalbert,  Gr.  von  Vermandois  1S9. 

190.  192.  366. 
Adalbert,  lothr.  Graf  149.  151. 
Adalbert,  Br.  Richards  v.  St.  Vannes 

II,  133. 
Adalgardis,  Gem.  Roberts  I.  v.  Au- 

vergne  84. 
Adalgis,  Italien.  Priester  223. 


N- 


S.    4,  Z.  1.  ' 
S.  21,  lete^ 
S.29,  Z 
S.51, 

S. 


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/)y^' 


II,  336. 


•":  u»a^*    >if  OmeT,  A.  v. 

1,/i"''*  ^i'^i^«^  n,  1%. 

./«//i.  ^  *^'-  iriihelins  I.  v.  Arles 


i^^-    g  ^daJbert. 
^^^^^fj'i.s  B.  V.  Laon  185. 
^£i:,  B.  V.  Paris  36S. 
/f  lelto,  A.  V.  St.  Salvator  in  Nevers 

A^lelelmJ  Mönch  v.  Fleury  II,  349. 

4delgardis,  T.  Beralds  302. 
^Adelheid,  Gem.  Ottos  I.   185.   218. 
'219.   223.  226.  227.  233.  234.  257. 

34 1  —344.  347.  354 ;  II,  77.  228.  341 . 

342.  449.  451—453. 
Adelheid,  Gem.  d.  Mkgr.  Adalbert 

II,  206. 
Adelheid,  Gem.  Richards  Jttdiciarius 

50.  72;  11,437. 
Adelheid,  Attala,  Gem.  Lamberts  v. 

Chalon  11,469. 
Adelmodus,  Abt  156. 
Ademar,  Gr.  v.  Puitiers  80;  Gem.: 

Sancia. 
Ademar,  Gr.  v.  Valence  II,  92 ;  G  e  m.: 

Rothilde. 
Ademar,  Vicegr.  v.  Limoges  II,  59  n.  3. 
Ademar,  Vicegr.  v.  Lyon  72.  74. 
Ademar,  Vicegr.  v.  Tarenne  78.  79. 
Ademar  v.  Chabaunes   77.  240;  II, 

218. 
Adeodat,  S.  Augiistius  46. 
Adhal-  s.  Adal-. 
Adhegrin,  Eremit  26.  43.  44.  48.  49. 

101.  3ö9. 
Adilo,  Mönch  v.  St.  Evre  132. 
Ado,  B.  V.  Mäcon  225. 


j^j,  A.  V.  St.  Germaln  des  Pres 

^^  //;34. 

^draldus,  Prior  v.  Paray-le-Monial 

II,  40. 
Adso,  A.  y.  St.  Basle  191.  193  n.  1. 
Adso,  A.  V.  Montierender  176.  177, 

191.    194.   261;   11,221—226.    2;J3. 

319.  35S.  362—365.  391. 
Adverada,  Gräfin  11,401  n.  4. 
Aelfwin,  A.  v.  R&msay  11,319. 
Acthicensis   abbatia  (Montier- en- 

Bresse?)  66. 
Agadus,  Snbdiaoou  v.  Vercelli  31 S 

n.  5. 
St.  Agapit  11,16. 
Agapitll,  P.  88.  112  n.  1.  113.  16:J. 

190.   191.  208.  214.  215.  224. 
Agapit,  fabelhafter  Papst  II,  474. 
S.  Agathe  327  n.  2. 
Agiltrud,  Gem.  Rudolfs  III.  v.  Bur- 

gnnd  11,72.  77. 
Agnes,  Gem.  Heinrichs  III.   II,  100. 

113.  189.  257.  261.  294.  448.   452. 

463. 
Agnes,  Gem.  Wilhelms  V.  v.  Aquit. 

II,  67.  228. 
S.  Agnete,  Kl.  b.  Rom  102.  1  OS.  111. 
St.  Aignan  in  Orl^s  201. 
Ailwin,  Alderman  277.  278. 
Aimerich,  Erzb.  y.  Narbonne  86. 
Aimerich,   A.  v.  St.  Jean  d'Ang^ly 

II,  69. 
Aimericus,  Vicegr.  v.  Thouars  1 99. 
Aimo,  Aymo. 
Aimo,    A.  V.  TuUe  77.   78.   81.  82; 

II,  332—334. 
Aymo,  burgund.  Gr.  266.   * 
Aymo,  S.  Aymards  251  n.  3. 
Aimo,  S.  Humberts  y.  Aosta  II,  80. 
Aimoin,  Mönch  y.  Fleury  296.  297; 

II,  335.  347—349. 
Ainay  (Lyon),  Kl.  II,  74. 
Airard,  A.  y.  St.  Remi  II,  209. 
Airard,  A.  y.  St.  Thierri  193.  194. 
Aix,  Grfsch.  10.  209.  2M0. 
Alanus  III,  Herz.  d.  Bretagne  II,  49. 55. 
Alaya,  Bistum  11,102.  110. 


491 


Alba,  Grfßch.  II,  15.  16. 
Albenga  318;  11,16;  B.:  Erembert. 
Alberich,  B.  v.  Capiia  332. 
Alberich,  B.  v.  Como  II,  20l.  202. 
Alberich,  B.  v.  Laiigres  267. 
Alberich,  A.  v.  Fari'a  350. 
Alberich,  A.  v.  Marchiennes  II,  143. 
Alberich,  A.  v.  Montierender  1 76. 1 77. 
Alberich  I,  Gr.v.Macon  211 ;  Gem.: 

Attala. 
Alberich  11,  Gr.v.Macon  200;  II,  17, 

469. 
Alberich  II ,  S.  Marozias,  Ftlrst  der 

Römer  SS.  97-105.  107.  108.  111. 

361;  11,437;  Gem.:  Alda. 
Albert  s.  Adalbert. 
St.  Albin  in  Tours  116. 
Albiniacus  (d^p.  Haute-Saone)  264. 
Albain,  A.  v.  Nienburg  II,  246. 
Alby  8.  Siebod. 
Alda,  T.  Hugos,  Gem.  Albcrichs  II. 

99. 
Aldebald,  Mönch  II,  338—340. 
Aldebald,  M.  v.  Dijon  II,  352. 
Aldebrand,  Prior  v.  L^rins  II,  339. 
Aldegar,  B.  y.  Limoges  II,  61. 
Aldegardis  s.  Hildegardis. 
Aldrada,  Mutter  Brunos  v.  I^ngres 

260. 
Alduin,  B.  v.  Limoges  80;  11,6'«.  61. 

62  n.  1. 
Alduin,  A.  v.  St.  Jean  d'Angely  II,  6s. 

69. 
Alduin,   Gr.  v.  AngoulOme   80;    S.: 

Wilhelm  Taillefcr. 
Aledramiden,    oberital.   Fürstcuge- 

sclilecht  II,  I.  15.  261. 
Alemannien  5.  322. 
S.  Alessio  (St.  Bouifacius  u.  Alexius), 

Kl.  in  Rom  282.  332.  335.  337.  340; 

A.:  Leo. 
Aletramm,  A.  v.  Lobbes  1 72.  1 84. 
St.  Alexander  II,  16. 
Alexander  II,  P.  II,  105.  107. 
Alexius  s.  S.  Bonifazio. 
Alfer,   A.  v.  La  Cava   II,  199.  200. 

471-473. 


Alfons  III,  K.  y.  Asturien  45. 
Alfons  IV,  K.  V.  Galizieu  II,  59. 
Alfons  VI,  K.  V.  Castilien,  S.  Ferdi- 
nands I.  II,  112. 
Alfoz  St  S.  Mametes. 
Alfracta,  Hof  67.  6«^. 
Aligernus,  A.  y.  Monte  Cassino  1 1 3. 

330. 
Alindrada  s.  Landrada. 
Alliardeys,  Gau  202. 
St.  Allyre,  Kl.  in  Clermont  85. 
Almanus,  Mönch  v.  Cltmi  II,  343. 
Almerad,  B.  y.  Ricz  II,  82. 
Almodus,  A.  v.  C^risy  II,  49. 
Alnardns,  Propst  v.  S.Zoylus  II,  111. 
Aloara,  Fürstin  v.  Capua  83o. 
Alpaidis,  Gem.  Gotfrieds  v.  Florennes 

II,  138. 
Alpen  218.  334.  335. 
Alpes  Ammiates  360. 
Airich,  B.  y.  Asti  II,  20.*^. 
Altdorf  (Eisaas),  Kl.  222.  233;  II,  130 

n.  2.  322. 
Alveus,  A.  y.  St.  Pere  196.  197. 
Amadeus,  S.  Humberta  y.  Aosta  II,  SO. 
Amadeus,  Pfalzgr.  151.  154. 
Amadeus,  A.  y.  Flayigny  245. 
Amadeus  I,  Gr.  y.  Savoyen-Belley 

II,  SO. 
Amalbert,  A.  v.  St.  Florent  u.  St.  Be- 

noit  19S.  275. 
Amalfi  II,  2S9;  Erzb.:  Laurentius. 
Amalie,  Gem.  Attos  v.  B^ziurs  81. 
Amalia,  (vcm.  Kadoloms  v.  Aulnay 

11,  70. 
Amalone,  Fl.  II,  4. 
Amalrich,  A.  v.  Lerins  II,  Sl  n.  5. 
Amalrich,  A.  y.  St.  Mesmin  200,  201. 
Amaltrud,  Gem.  Abellonius'  II,  2u6. 
St.  Amand  (Trois-Chateaux),  KL  229 ; 

II,  81  n.  3. 
St.  Amand,  Kl.  in  Flandern  133.136; 

II,  147.  152.  392.  424. 
Amandus,  B.  y.  Gent  128.  13H.  221. 
St.  Amantius,  Kl.  in  Aquitanien  II,  26. 
Amarcius,  Poet  11,261. 
St.  Amator,  Kl.  b.  Langres  265, 


492 


Amb6rieu,  0.  in  d.  Diöc.  Belley  98. 

106;  II,  36. 
Ambierle  (Lyon),  Kl.  11,74  n.  2.  380. 
Amblard,  Erzb.  v.  Lyon  II,  78.  74. 
San  Ambrogio,  Kl.  in  Mailand  349; 

II,  206.  390  n.  5.  392. 
Ambrosius,  d.  hl.  26.  329.  358.  364. 
Amel  (Verdun),  Kl.  II,  128. 
Amiens  10;  11,221.  264.  265. 
Amiternum  314. 
Anastasins,  Erzb.  v.  Sens  203. 
Anastasius,  ß.  d.  Ungarn  335. 
Anastasins,  A.  v.  St.  Maria  347.  .'^48. 
Andlan,  Kl.  II,  322. 
St.Andr6duCatean,  Kl.  11,144.  145. 
St.  Andreas,  Kirche  in  Fleury  II,  382. 

.3*i3. 
St.  Andreas  (Gap),  Kl  II,  82. 
St.  Andrd-de-Rosans  (Gap),  Kl.  II, 

8'.  82. 
St.  Andreas,   Kl.  in  Rom    100.   102. 

103.  Jll;  A.:  Leo. 
St  Andr6-le-Bas  (Vienne),  Kl,  II,  75. 

227. 
St.  Andr6-le-Haut  (Vienne),  Kl.  11,76. 
Andreas,  A.  v.  S.  Apollinare  nuovo 

in  Kavenna  227  n.  6. 
Andreas,  A.  v.  S.  Salvator  22".  347; 

11,341.  451. 
Andreas,  Mönch  v.  Cluni  II,  343. 
Andreas,  Mönch  v.  Fleury  11,351. 
Andreas,  Britte  148. 
Angeldus,  Gr.  v.  Corsica  II,  206. 
S.  Angelo  auf  d.  Monte  Grifianello 

103. 
Angers  11,65.  318;  ß.:  Rainald. 
Angilram,  A.  v.  St.  Riquier  II,  264. 265. 
Angilram,  Archidiacon  v.  Toul  146. 

161. 
Anglicoart  11,51.  144. 
Angoulßme  80.  83.  297;  II,  61.   69. 

76.  219;  B.:  Grimoard,  Gotfried. 
Aniane,  Kl.   4.  53.  61.  62  n.  3.   — 

Anianische  Klöster  56.  57. 
Anianus,  d.  hl.  II,  209. 
Anjou,  Grfsch.  II,  59.  87.  88.  232. 
Annecy  (Lyon)  II,  75. 


Anno,  A.  v.  Jumieges  200. 

Ansbert,  d.  hl.  131. 

Anse  (St. Romanus)  208.  310;  II,  168. 

169. 
Ansclm,  Cleriker  190  n.  6. 
Anselm  I,  Aledram.,  Mkgr.  II,  15. 
Anselm  II,  Aledram.  II,  15. 
Ansere,  Concil  v.  86. 
Ansfred,  Normanne  II,  232  n.  7. 
Ansteus,  A.v.St.  Arnulf  161. 164. 183. 
Antiochien  II,  233. 
Antonins,  Lehrer  des  Majolus  (A.  v. 

Isle-ßarbre?)  212. 
Antonius,  d.  hl.  II,  358. 
Aosta  310;  II,  16.  80.  238. 
Apennin  327. 
San  Apollinare  in  Classe,  Kl.  227. 

228.  325.  344.  347.  451. 
S.  Apollinare  nuovo  in  Ravenna  227 

n.  6.  348;  Aebte:  Johannes,  An- 
dreas. 
St.  ApoUinaris  in  Rom  102. 
Apt,  Grfsch.  209. 
Apulien  328. 

Aqua  bella  im  Apennin  327. 
Aqnelin,  A.  v.  S.  Juan  II,  107. 
Aquitanien  9.  13.  46.  64.  75—77.  82. 

83.  88.  303.  312;  11,24.  25.  31  n.  2. 

45.   59.   60.   68.   69.    88.    103.   219. 

220.  232.  269.  438. 
Araber  10.  267. 
Aragon  II,  102.  103.  105,  106. 
Archcmbald,  Erzb.  v.  Sens  203.  204. 
Archembald,  Erzb.  v.  Tours  247  n.  3. 
Archembald,  A.v.St  Evre  158—160. 

174.   175. 
Archembald,  A.  v.  Fleury  187.  195. 

204. 
Archimbald,  Gr.  v.  Bourbon  313. 
Archembald,  Vicegr.  v.  Mäoon  II,  36. 
Arderadus,   A.  v.  St  ApoUinaris  in 

Classe  347. 
Ardicio,  S.  Arduins  331  n.  3. 
Arduin,  Erzb.  v.  Tours  198. 
Arduin,  B.  v.  Chartres  197  n.  I. 
Arduin,  B.  v.  Langres  II,  324. 
Arduin,  Mkgr.  v.  Ivrea,  K.  v.  Italien 


493 


318-320.  331  n.I;  II,  1-5  n.l.  7. 

10.  12—16. 

Arembert,  A.  v.  St.  Pere  197. 
Arezzo  315  n.  3.  317  n.  3.  318. 
Argonnen  147.  148. 
Aribert,  Erzb.  y.  Mailand  349  n.  2. 
Aribert,  A.  v.  St.  Arnulf  163. 
Aribo,  Erzb. V.Mainz  11,158. 161. 162. 

184.  ISS.  462. 
Arigaud,  A.  v.  St.  Pierre-le-Vif  92. 
Aripert,  B.  v.  Chur  222. 
Aristoteles  46;  11,345.  358.  362. 
Arles  225.  230.  231 ;  II,  76.  83.  220. 

267.  429. 
Arluc,  Kl.  231. 

Armo,  A.  v.  St.  Maria  in  Rom  II,  288. 
Amaldus,  B.  v.  Clermont  85. 
Amald,  B.  v.  P6rigueux  II,  2 1 8. 
Arnald,  A.  v.  Toul  157. 
Amald,  A.  v.  Fleury  II,  383.  385. 
Arnold,  A.  v.  Echternach  II,  182. 
Arnold,  A.  v.  Hersfeld  II,  245. 
Arnold,  A.  v.  St.  Quentin  190  n.  6. 
Arnulf,  Erzb.  v.  Reims  193.  278.  282. 

294-296;  11,448. 
Arnulf,   Erzb.  v.  Tours  II,  26  n.  5. 

281  n.  3. 
Arnulf  I,  B.  v.  Orleans  200. 
Arnulf  II,  B.  v.  Orleans  273.  274.  279. 

280.   282.  284.  286.  291.  292.  298; 

11,201.  349. 
Arnulf,  A.  v.  Ainay  II,  74  n.  6. 
Arnulf,  A.  v.  Aurillac  78.  85  —  88; 

11,  438. 

Arnulf,  A.  v.  St.  Martin  d'Autun  36. 
Arnulf,  A.  V.  Ripouil  106. 
Arnulf,  Prior  v.  St.  B61in  II,  129. 
Arnulf,  Prior  v.  St  Benigne  268;  II, 

352.  390. 
Arnulf,  Mönch  v.  Fleury  II,  349. 
Arnulf,  Lehrer  Johannes'  v.  Salerno 

II,  337. 
Arnulf,  Touler  Cleriker  II,  1 28. 
Arnulf,  Kaiser  32.  157.  158. 
Arnulf  I,  Mkgr.v.  Flandern  127—137. 

139—141;  II,  146.  148.  151. 
Arnulf  V.  Y6vre-le-Chatel  2 84. 


Arnulf,  Herr  v.Florennes  II,  138;  S.: 

Gerhard. 
St.  Arnulf,  Kl.  in  Metz  163.  164;  II, 

123.126.322.360;  Aebte:Anstens, 

Johannes,  Warinus. 
Arras  II,  135.  136.  151.  152.  295.  430 

n.  4.  431  U.2.  432  u.  1. 
Arseudis,  Gem.  Bieters  301. 
Arsonconrt  268. 
Artald,  Gr.  v.  Lyon  11,238;   Gem.: 

Thedberga. 
Artedunus  (Lyon),  Kl.  II,  74  n.  2. 
Artold,  Erzb.  v.  Reims  91.  106.  187. 

188.  191.  207  n.  4. 
Ascoli,  Kl.  327. 
Asenda,   Gem.  d.  Ostorgius  v.  Au- 

vergne  84. 
Asti  II,  15.  16.  203.  204.  321  n.3;  B.: 

Airich. 
Astilia,  Insel  (?)  178. 
Asturien  11,101.  102. 
Atenulf,  Fürst  v.  Capua  96. 
Attala,  Gem.  Alberichs  I.  v.Macon  211. 
Attala  s.  Adelheid. 
Atto,  B.  V.  Vercelli  II,  447. 
Atto  Benedict  (Ato  Yetulus  de  Am- 

biledo),  Vicegr.  v.  B^ziers  81. 
Aubeterre  s.  Girald. 
Augsburg  308;  B.:  Udakich. 
Augustin  46.  116.  280;  11,329.  358. 
St.  Augustines,  Kl.  in  England  278; 

11,819;  A.:  WulMc. 
St  Augustin,    KL  in  Limoges    82; 

11,70;  Aebte:   Martin,  Riehard, 

Adacius. 
Aulnay  (Saintonge)  11,69. 
Aunenrudis,  Mutter  Aimoins  v.  Fleury 

297;  II,  347. 
Aurelian,  A.  v.  Ainay  34. 
Aurillac,  Kl.  in  Aquitanieu  34.  77. 

78.  85—87.  90;  11,333.  438. 
Austrasien  II,  272. 
St.  Autbert  (Cambrai),  Kl.  II,  140. 
Autun  22  n.  3.  50.  62  n.  2    202.  244. 

264.   310;    II,  6.    17.   37.    38.   272. 

273.  429.  438;    B.:   Walter,   Hel- 

moin,  Hagano. 


494 


Auvergne   75.   77.   83.  87.  208.  251. 

300.  302.  304;  II,  57.  329. 
Auxerre  243;  II,  17.  tS.  39.  92.  166. 

167.  220.  324.  438;    B.:   Heribert, 

Hugo. 
Ava,  Gern.  Wariuis  v.  Mäcon  40. 
Ava,  Schwester  Wilhelms  v.  Aqui- 

taDien  40. 
Avalon,  St.  in  Burgund  264;  II,  18 

n.  5.  19.   166  n.  209. 
Aventicum,  Avenches  II,  379. 
Aventin  lOi.  111.  113.  337.  345;  s.: 

St.  Maria. 
Avesgaud,  B.  v.  Le  Mans  II,  35. 
Aviguon  209.  232.  252;  11,267.  429; 

B.:  Benedict. 
Aymard,  A.  v.  Climi  205—209.  215. 

216.  224.  370—373;  II,  57.  190.  328. 

337.  407.  408. 
Aymard  v.  Bourbon  251. 
Aymo  s.  Aimo. 

Azelin,  B.  v.  Sutri  11,315.  324. 
Azelin,  Gr.  v.  Toul  11,115. 
Azo,  A.  V.  St.  Benigne  261  n.  4. 
Azzü,  A.  V.  St.  Peter  Ciel  d'oro  237. 

B. 

Babylon  178. 

Badilo,  Gr.  34.  36. 

Bagno  s.  S.  Michael. 

Baiern  11.  164.  233.  249;  II,  25S. 

Balduin,  B.  v.  Th6rouanne  II,  1 50. 

Balduin,  A.  v.  St.  Paul  und  St.  Maria 

100.  101.  102.   111.  112  n.  1.  113. 
Balduin,  Mönch  v.MarcbiennesII,29i). 
Balduin  IV,  Gr.  v.  Flandern  II,  135. 

136.    141  —  151.   169.    185;    Gem.: 

Ogiva. 
Balduin  V,  Gr.  V.  Fl.  11,143.  147.  151. 

295.  321. 
Balderich,  B.  v.  Lilttich  II,  174.  175. 

250. 
Bamberg  II,  11.  455. 
Bar,  0.  in  Lothringen  II,  264.  266. 
St.  Barbara,  Kl.  in  Italien  103. 
Bardo,  Krzb.  v.  Mainz  II,  245. 
Barnabas,  griech.  Bischof  348. 


St.  Barnard ,  Chorherrnstift  31 1 ;  II, 

430  n.  3. 
St.  Bartholomeus  u.  Gregor  s.  Altdorf. 
Basilius,  d.  hl.  330.  332. 
Basken  297. 
St.  Basle,  Kl.  191;  11,363;   Aebte: 

Odoleus,  Frodoard,  Aso. 
St.  Basle,  Synode  v.  278.  282.  293. 

300.  332. 
Basolus,  d.  hl   191;  II,  363.  364. 
Baume,  Kl.  36—39.  43.  48.  51.  54.  56. 

57.  63.  65.  66. 
Bavo,  d.  hl.  128;  11,221. 
StBavo,  Kl.  in  Gent  128. 129.  134. 1.36 

—138.  141.  147— 149n.l;  Aebte: 

Gerhard,   Womar,    Hugo,  Wido, 

Othelbold,  Adalwin,  Leduin,  Ru- 

mold. 
Bayeux  II,  50.  232.  392  n.  3. 
Beatrix,  Herzogin  v.  Lothringen  II, 

118.  123. 
Beaulleu  (Limoges),  Kl.  II,  62.  93. 
Beaulieu  (Diüc.  Verdun)  s.  Vasloges.. 
Beaumont  11,20;   Gr.:  Hugo. 
Beaune,  0.  in  Burgnnd  264.  265;  II, 

167.  209. 
Beauvais  11,144.  168.  169.  209.  263. 

265;  B.:  Warin. 
Bego  II,  B.  V.  Clermont  II,  341. 
Belgien  280;  11,394. 
St.  B61in  (Toul),    Kl.   II,  129.   390; 

A.:  Gregor. 
Belley  II,  36.  80. 
Bellum  Campum  150. 
Belmont,  Celle  167. 
Benedict,  Beneventaner  345. 
Benedict,  Eremit  336. 
Benedict  VI,  P.  233. 
Benedict  VII,  P.  1 72. 1 99. 231 .  233. 272. 

294. 
Benedict  VIII,  P.  263.  348.  353  n.  3; 

11,9—11.  14.  29.  46.  47.  S6n..5.  8»*. 

89.   122.   137.    141.   144.   159—163. 
164.  171.  172.  184.  191.   201.  22S. 

229.  444.  448.  449.  461. 
Benedict  IX,  P.  11,267.  277.  281.  i^6, 

289.  301. 


495 


Benedict,  A.  v.  Aniane  4.  Hfi.  S7.  40. 

50  n.  J.  51.  55-63;  II,  9S.  438. 
Benedict,  A.  v.  St.  Arnulf  II,  126. 
Benedict  v.  Nursia  2.  89.  90,  96.  187. 

196.   217.   240.  250.  251.  254.  259. 

266.   273.   274.  278.  324.  rM).  XV2. 

335;   11,334.  335.  344.  345.  347— 

:M9.    357.    387.    402.  —   Miracula 

S.  Benedicti  11,351. 
Benedictinerregel  3-5.  26.  27.  48. 

51.   53.   56—60.   62.   87.    156.    159. 

165.  186.  193;  11,41.  44.—  Bene- 

dictinerorden  112.  350. 
Benevent  112.  149.  263;  II,  117.  19s. 
St.  Benigne,  Kl.  in  Dijon  177.  261  — 

266.  268.  269.  348.  352;  II,  1.  8-5. 

16.  17.  20—23.  37  n.2.  38.  126.  128. 

133.  213.  273.   274.   351.  352.  354. 

356.  357.  368.  386— .3S8.  389-391. 

404.  430.  438;   Aebte:   Wilhelm, 

Halinard.  —  s.  Dijon. 
Benignus,  d.  M.  26 1 ;  II,  5.  386. 
Benignus,  Bischof  348. 
Benignus,  Eremit  345. 
Benno,  B  v.  Metz  143  n.  6. 
St.-Benoit-sur-Loire  s.  Fleury. 
St.-Benolt-du-Saut,  Kl.  II,  350. 
Benzo,  A.  v.  Montierender  176.  177. 
Beraldus,  S.  Beralds  301  n  8.  308. 
Berald,  S  Bieters  300  n.l.  301.  302. 
Berald,  Propst  v.  Le  Puy  II,  58. 
Bercharius,  Verduner  Chronist  II,  367. 
St.  Bercharius  s.  Montierender. 
Bercharius,  d.  hl.  II,  364. 
Berengar  v,  Tours  II,  324. 
Berengar,  Erzb.  v.  Besan^^on  65.  218. 
Berengar,  B.  v.Verdun  145.  178.  179. 
Berengar,  franz.  Ilofgeistlicher  II,  47. 
Berengar,  K.  v.  Italien  257;  11,342; 

Gem.:  Willa. 
Berengar,  Gr.  v.  Namur  122.  123. 
Berengar  II,  Markgraf,  Aledrauiide 

11,1. 
Bergh  St.  Winuoc  (Flandern),   Kl. 

11,150—152. 
BerharduB,  A.  v.  St.  Martin  in  Metz  1 56. 
Bemacer,  Metzer  Cleriker  148.  149. 


Bernacer,  Archidiacon  v.  Noyon  130. 
Bernai ,  Kl.  in  d.  Normandie  II,  47. 

51.  52.  374  n.  1.  392;   A.:  Vitalis. 
Bernhard,  Bernard« 
Bernard  I,  A.  v.  Solignac  u.  Beaulicu, 

U,  B.  V.  Cahors  II,  62.  443  n.  3. 
Bernard  III,  B.  v.  Cahors  II,  62.  63. 
Bernard,  B.  v.  Savona  323. 
Bemard  II,  A.  v.Beaulieu  11,234  n.3. 
Bernard,  A.  v.  St.  Allyre  de  Cler- 

niont  85. 
Bernhard,  A.  v.  Clairvaux  II,  299. 
Bernard,  A.  v.  Isle-Barbe  II,  74. 
Bernhard,  A.  v.  St.  Maximin  II,  255. 
Bernard,  Mönch  v.  Cluni  50  n  1 .  58. 

61.  162;  11,328. 
Bernhardus  (derselbe?),  Mönch  von 

Cluni  II,  343. 
Bernhard,  Mönch  v.  Fleury  II,  93. 
Bernard,  Herz  d.  Gascogne  296.  297. 
Bernard,  Gr.  v.  P^rigueux  76  n.  2.  80; 

Gem.:  Gersindis. 
Bernard  II,  Gr.  v.  Auvergne  39. 
Bernard,  Gr.  v.  Auvergne  83. 
Bernard,  Br.  Odos  v.  Cluni  44. 
St.  Bernhard,  d.gr.  110.  228;  II,  316. 
St.  Bernhard,  d.  kl.  II,  297. 
Bernardinus,  A.  v.  S.  Maria  de  Alaone 

II,  108. 
Bemer,  A.  v.  Ilomblieres  133.  190. 

191. 
Berner,  A.  v.  Marmoutier  247;  II,  34. 

35.  92 
Berner,  Touler  Cleriker  146.  147;  II, 

359. 
Berno,  B.  v.  Mäcon  II,  1 90. 
Berno,  A.  v.  Burgeuil  II,  66. 
Berno,  A.  v.  Cluni  85—41.  49.  50.  52. 

54.  58.  61—69.  205.  215.  251.  328. 

332.  338.  337.  372.  407    4i>S. 
Bernuin,  Erzb.  v.  Besanyon  65  n.  3. 
Bernuin,  B.  v.  Verdun  178. 
Bernward,  B.  v.  llildesheim  345. 
Berta,   Gem.  Rudolfs  I.  v.  Burgund 

218.  219. 
Berta,  Gem.  Gerards  v.Roussillon  34. 
Berta,  Gem.  Letalds  v.  Macon  72. 


496 


Berta,  Gem.  1)  Odos  I.  v.  Chartres, 

2)  Roberts  IL  v.  Frankreich  246. 

293.  294. 
Berta,  Gem.  Olderich  Manfreds  IL  ▼. 

Turin  II,  204.  205. 
Berta,  Aebt.  y.  Hombli^res  1  &9. 
Berteiz,  Gem.  des  Gr.  Raimund  34. 
Bertinas,  d.  lii.  129;  11,221. 
St.  Bertin,  KL  in  Flandern  128.  132. 

133.   134.   136.   139;   II,  149—151. 

152;  Aebte:   Hildebrand,  Ragi- 

nald,  Heimfried,  Roderich,  Bovo. 
Berthold,  B.  v.  Toul   II,  120.  128— 

180.  312.  458. 
Berthold,  A.  v.  Inden  II,  138. 
Bertold,  Br.  des  Erzb.  Rotger  v.  Trier 

145. 
Berold,  B.  v.  Soissons  II,  170. 
Bertrann,  S.  Beralds  301  n.  b.  302  n.  1; 

II,  58. 
Bertram,  A.  v.  Stablo  II,  154. 
Bertrann,  Gr.  v.  Provence  II,  83. 
Bertulf  US,  d.  hl.  132. 
Bertulf,  A.  v.  St  Eucharius  II,  181. 
Besan^on  65.  69.  213.  225.  307;  II, 

36.  37.  191.  237.  256.  260.  302.  323; 

Erzb.:  Gedeon,  Bemuin,  Beren- 

gar,  Letald,  Hugo. 
Bevaix  (Waadt),  KL  II,  79. 
Beze.  Kl.  263.  267.  268;  11,390. 
Beze,  Fl.  267. 
B^ziers  81. 
Bifurci  327. 

BUl-Berclau  (Cambrai),  Kl.  II,  142. 
St.  Blaise-aux-Liens  (Genf),  Kirche 

II,  72. 
Blandinienser  182. 
Blangy  (Th^rouanne),  KL  II,  52. 
Blidulf,  Primicer  v.  Metz  167.   108 

n.  1.  174. 
Biismodis,  T.  Beralds  302. 
Blismodis  11,  74  n.  2. 
Blois  246. 

Bobo,  d.  hl.  230  u.  5. 
Boehmen  11,257. 
Boethins  II,  179. 
Bohlsbach  (Ortenau)  220. 


Boleslaw,  König  v.  Polen  336. 
Bonifiizius  s.  Bruno  v.  Querfurt 
St.  BoniÜAzins  u.  Alexios  s.  S.  Alessio. 
Bonifacius,  Eremit  347. 
Bonifaz,  Mkgr.  v.  Tuscien  824. 
Bouizo,  A.  V.  St  Severus  347. 
Bonvenil  80. 

Bordeaux  9.  34.  312;  11,60.  64.  76. 
BoscherviUe,  Kl.  II,  392  n.  2. 
Boscus  S.  Petri  (Auvergne),  KL  11, 

57  n.  3. 
Boso,  A.  y.  Mouzon  193. 
Boso  II,  Gr.  V.  Arles  229.  230;  S.: 

Wilhelm  I. 
Boso,  Br.  Königs  Rudolf  v.  Frank- 
reich  78.  142.  144.  152.  154.  155. 

176  n.  1. 
Boso  (derselbe?),  Gr.  166. 
Bosonvilie  168. 

Boulogne  s.  M.  131.  132.  135.  Ib2. 
Bourges  20.  21. 34.  64.  310;  II,  24.  25 

n.  1.  27.  56.  60.  70.  8Ä  209.  217.  218; 

Er zb. :  Gerunco,  Rudolph,  Gauzlin. 
Bonxieres(Toul), KL  174. 175;  II,  116. 
Bovo,  A.  V.  St  Bertin  II,  150. 
Brauweiler  (Cöln),  Kl.  II,  183. 
Bredulium,  Gr&ch.  II,  15. 
Breme  s.  Novalese. 
Brenner  II,  12. 

Bretagne  13;  11,24.  54—57.  71.  438. 
Breteuil,  Kl.  11,263;  A.:  Evrardus. 
Breteuil,  Grfsch.  11,263.  264;   Gr.: 

Gelduin. 
Brioude,  Vicogrfsch.  88.  84;  11,57. 
Britteu  148. 
Brogne,  Kl.  121—125.  129.  185.  136; 

11,42.  50;  A.:  Gerhard,  Womar. 
Brüssel  171. 

Brumpt  (Elsass)  220;  II,  171. 
Brunhilde,  Königin  36. 
Bruno,  Erzb. v. Cöln  170;  II,  1 14.  1 16. 
Bruno,  B.  v.  Langres  260—262.  264. 

267—269;  II,  14.  17.  18.  20.  21.  78. 

129.   177.  273. 
Bruno,  B.  v.  Toul  s.  Leo  IX. 
Bruno,  B.  v.  WUrzburg  U,  259. 
Bruno,  A.  v.  Montierender  II,  364. 


497 


Bruno  v.  Querfnrt  (Bonifazius)  335. 

345.  354. 
Bmoch,  Dorf  11,417. 
Bacciniftnum,  Castell  II,  to. 
Baccino  333  n.  1. 
Burchard  I,  £rzb.  v.  Lyon  II,  73. 
Burchard  II,  Erzb.  v.  Lyon  200;  11, 

72—74.  77.  78.  167.  194.  238. 
Burchard  III,  Erzb.  v.  Lyon  II,  2H 

n.  5.  238.  239.  242.  243. 
Burchard,  Erzb.  v.  Vienne  II,  168  n. 

190. 
Burchard,  B.  v.  Worms  II,  808.  310. 
Burchard,  A.  v.  St.  Galien  II,  162. 
Burchard ,  Gr.  v.  Corbeil,  Vendöme, 

Melun  247.  248—250.  266.  313;  II, 

45  n.  5.  430  n.  1;  Gem.:  Elisabet; 

S..  Rainald. 
Burgeuü,  Kl.  m  Poitou  247  n.6;  II, 

64.  65.  447  n.  1;  Aebte:  Gosbert, 

Berno,  Theodelin. 
Burgos,  Bistum  11,110.  111. 
Bnrgund,  Herzogt.  213.  240—242. 

256.  300.  308.  341;  II,  16—18.  22. 

23.  30.  36.  119.  165.  208-210.  220. 

273.  438. 
Burgund,  Königr.  27.  71—74. 162. 163. 

207.  219.  223.  234;  II,  71.  72.  77.  88. 

154  n.2.  227.  236.  239.  242.  269. 

289.  301.  450.  453.  455.  469. 
Burgunder  76;  II,  121. 
Buriano,  0.  in  Italien  109. 
Busendorf  (Metz),  Kl.  11,181. 
Byzanz  11,441. 

C. 

Caen  II,  53.  392  n.  3. 

Cahors  11,62.  63.  70.  71:  B.:  Ber- 
nard II,  Bemard  IIL 

Calabrien  330.  333. 

St.  Cahiis,  Kl.  II,  385. 

Cambnü  126.  136.  280;  II,  5  L  135. 
138—140.  142.  146.  169.  198.  246. 
394.  457;  B.:  Stephan,  Fulbert, 
Erluin,  Gerhard. 

Camden  182. 

Camerino,St  Italiens  327. 328;  11,280. 

tjackur,  CluniaceaMT.    11. 


Campagna  100.  325. 

Campo,  Mönch  T.Far&  96.  104.  105. 

Canossa  II,  269. 

Canterbury  140.  277;  II,  136.  346; 

Erzb.:  Odo,  Dunstan. 
Capua  96. 113.  330. 348;  B. :  Alberich. 
Caramagna,  Kl.  11,208.  205.  206. 
Carcassonne  86. 
Carenniacus  [Charentonnay]  s.  St. 

Satumin. 
Carla  327. 

Carrion  s.  S.  Zoylus. 
Carthago  47. 
Casauria  s.  Pescara. 
Cassignol,  Castell  in  der  Gascogne 

202  n.4. 
Castell  di  Pietra  109. 
Castello  II,  278.  283. 
Castilien  II,  102.  103.  109. 
Catalonien  326. 
Catwallo,  A.  v.  Kedon  II,  56. 
Cavalliaca  II,  16. 
Cayariacus  [ChaveyriatJ  (Lyon),  Kl. 

II,  74  n.  2. 
Caviniae  105. 

Cavour  (Turin),  Kl.  II,  206. 
Cellier  (Bretagne),  Kl.  II,  56. 
S.  Celso,  Kl.  in  Mailand  323. 
Cerchiara,  Kl.  in  Calabrien  323 ;  A. : 

Gregor. 
Cerdana,  Kl.  in  Castilien  II,  1 11;  A.: 

Gomez. 
C^risy  (Normandie),  Kl.  II,  49.  50. 

392  n.  2.  3. 
St.  C^saire  d'Arles,  Kl.  232;  11,76. 
('esina  347. 

Cessey-sur-Tille,  0.  in  Burgund  264. 
St.  Chaflfre  du  Monastier,  Kl.  87;  A.: 

Dalmatius. 
Chalcedon  11,191.  192. 
Chalons  s.  Marne  II,  262.  263.  265 

323.  391.  394;  B.:  Roger  I,  Wido 
Chalon  s.  S.  67.  209.  241.  242.  310 

II,  18.  36.  38.  39.  92.  167.  191.  438 

B.:  Hildebold;  Gr.:  Lambert,  Hugu 
Chambrou  (Limoges),  Kl.  II,  70. 
Champagne  11,239.  291.  462. 

32 


498 


Champeaux  s.  St.-L6ger. 
Chanteuge,  Kl.  83  n.  5.  85. 
Charibert,  K.  d.  Franken  11,  30S  n.  1. 
Charlieu,  Kl.  98.  105.  215.  311;  II, 

380. 
Charroux,    Kl.  in  Poitou   297.   309; 

11,  67. 
Chartres  11.  196.  246;  11,43.  63.  67. 

85.    207.    209.    300;    B.:    Hagano, 

Ragenfred,  Wulfald,  Fulbert;  Or. : 

Odo  I,  Theobald  II,  Odo  II,  Theo- 

bald  III. 
Chateauceaux  (Bretagne),  Kl.  II,  56 

n.  5. 
Chätillon-sur-Seine  266;   s.  Rainald. 
Chaumont,  Castell  11,429  n.  10. 
Chauriae  (Auvergne),  Kl.  II,  57. 
Ohalles,  St.  in  Frankreich  II,  32. 
Chiers,  Fl.  II,  171. 
Chiusi  s.  S.  Michael. 
Chlodwig,  König  73. 
Christian,  A.  v.  St.  Thierri  194. 
(Christian,  Cleriker  274. 
St.  Christina  263  n.  2.  347;  II,  3.  355. 
(^hrodegangus,  B.  v.  Metz  150. 
Chiir  10.  222. 
Cicero  11,341.  862.  368. 
Ciel  d'oro  s.  St.  Peter. 
Classe    .T25.    326.    344.    846.    348;    8. 

S.  ApoUinare. 
Claudius  85;   S.:  Cunebert-. 
Clivus  Scaurus  s.  St.  Andreas. 
Clemens,  d.  hl.  II,  124. 
Clemens  IL  (Suidger  v.  Bamberg), 

11,286—290.306.  307.314. 
C'lemens,   vornehmer  Angelsachse 

II,  97. 
St.  Clemens  u.  Felix,  Kl.  in  Metz  1 34. 

156.  183.  184;  11,124.  361;  Aebte; 

Kaddroe,  Fingenius. 
Clermont  S4.  85.  208.  225.  310;  11,57. 

341.  429;   B.;  Arnald,  Stephan  II, 

Stephan  IV,  Bego  II. 
Cluni   33—37.  40.  41.  43.  44.  48.  50 

—52.    54—57.   60.   62—75.  SO.  82. 

88.  91.  92.  98—102.   105.  107.  108. 

114.  162.  163.  186.  195.  203—209. 


214.  215.  217.  218.  222—224.  229. 

230.  232.   236.   237.  241.  242.  244. 

245.  248.   249.  251.  252.  255.  256. 

260.  261.  270-272.  299.  302.  304. 

305.   311.   337.  340.  341.  344.  347. 

348.    351—353;    11,6.  7.  9.  11.  13. 

25.  32.  34.  36.  37.  39.  40.  46.  47.  54. 

57  n.  3.  58.  68.  67.  72.  77.  78.  SO. 

S2— 84.  88  -  90.  92.  93.  96.  100. 104. 

106.  107.  109.  110.  112.  133.131.146. 

151.  152.  157.  162  n.  2.  171.  190.  191. 

194.  199.  208.  228.   229.   231.  237. 

255.  281.  289.  290.  297.  801-303. 

3'»8.  318.  825  n.  3.   327—331.  335. 

336.  338.  342.   344.  855.   357.  368. 

371—375.  377.  378.  381.  38.5.  393. 

899.  401.   405.   407.   408.  422.  423 

n.  6.  426.   429.   430.  432  n.  2.   437. 

465.    469;    Aebte:    Bemo,    Odo, 

Aymard,    Majolus,   Odilo,   Hugo, 

Pefaiis. 
Cluniacenser  53.  57—69.  62.  74.  162. 

163.  186.  219—221.  232.  242.  249. 

262.   329  n.  1.   336.  347.  852.   354. 

355;  11,86—38.  41.  71.  74.  81—83. 

89—91.  93—95.  98—100.  103.  HS. 

125.   157—160.  165.  184  n.  5.    191. 

196.  200.  202.  208.  262.  280.   2v2. 

286.   290.  304.  311.  327.  872.   439. 

465.  —   Cluniacenserreform   251; 

11,33.  35.  72;  Cluniacensertum  II, 

56.   100.  260.   272.  —    Cluniacen- 

sische  Litteratur  11,827.  331.  337; 

Bauschule  11,875. 
Cöln  166;  11,114—116.  164.  176.183. 

310.  311.  457;  Erzb.:  Bruno,  111- 

grim. 
Colmar  220.  221. 
Colocz  11,324;   Erzb.:  Georg. 
St.  Colomba  (Toulouse),  Kirche  11, 

83  n.  1. 
St.  Columba,  Kl.  in  Seus  203. 
Columban  27. 
Comacchio  828.  347. 
Combom  s.  Hugo. 
Commercy,  Burg  in  Lothringen  II, 

265.  266. 


499 


Como  346;  11,12.  18.  201.  454;  B.: 

Alberich. 
Compiögne  250;  II,  168. 169.  207.  315. 
CoDan  I,  G.  v.  Rennes,  Herz.  d.  Bre- 
tagne II,  54.  56  n.  3. 
Cono,  A.  V.  Busendorf  II,  181. 
Coostantin  I,  P.  II,  30$  n.  1. 
Constantin,  A.  y.  Micy  II,  349. 
(>onstantm,  A.  v.  St.  8ymphorian  II, 

447. 
Constantinopel  II,  288. 
CoDStanz  II,  320.  374  n.  1.  898. 
Constanze,  Gem.  Roberts  II.  v.  Frank- 
reich II,  18.  31.  34.  99.  207—209. 

404. 
Corbeii  247;  Gr.:  Haimo,  Burchard. 
Corbie  (Amiens),  Kl.  II,  22 1 . 
Corbigny  (Diöc.  Autun),  Kl.  244;  II, 

38;  A.:  Robert. 
Cormery,  Kl.  22  n.  3.  249.  250 ; 

Aebte:  Theobald,  Richard. 
Cordova  155. 

Corsica  10;  11,206;  Gr.:  Angeldus. 
Cortona  314. 

Corvey  II,  156.  250.  898  n.6. 
8t.  Cosmas  u.  Damianus  (Chalon), 

Kl.  11,40. 
Cosinas,  gr.  MUnch  II,  233. 
S.  Oostanza  (Rom)  II,  389. 
Cotrone  235. 

Cremona  319.  323;  B.:  Odalrich. 
(■rescentius  278.  336.  838.  389.  343. 
Crescentier  350;  11,8.  10.  160.  196. 
Crespiu,  Kl.  II,  415  n.5. 
Crespy,  Kl.  11,48;  A.:  Gerard. 
Crotouiaten  11,95. 
Cunebert,    Propst  v.  .St.  Julien  de 

Brionde,  S.  des  Claudius  85. 
Cunibert,  Archipresb.  v.  Vercelli  318 

n.  5. 
St.  Cyprian,  Kl.  bei  Poitiers  82.  296 ; 

11,64.67.68.93;  Aebte:  Martin, 

Aimo. 
St.  Cyr  de  Nantes  (Bretagne),   Kl. 

II,  56. 
St.  Cyr  de  Rennes  (Bretagne),  Kl. 

II,  56. 


St  Cyriaens,  Collegiatstift  in  Nevers 

11,41. 
Cyricus,  Bruder  desMajolus  209.  210. 

Dado,  B.  V.  Verdun  147.  148. 

Dado  11,1;  Sohn:  Arduin. 

Dänemark  11,59.  102. 

Dänen  9—11. 15.  82.  148.  169;  11,54. 

Dagibert  v.  Cumae,  A.  v.  Farfa  104. 

Dagobert,  König  190. 

Dajocus,  A.  V.  St.  Gildas  II,  55. 

Dalmatins,  A.  v.  St.  Chaflfre  87.  88. 

Dalmatins  Raimund,  B.  v.  Rota  II,  108. 

Dalmacius,  Vicegr.  83. 

Damasus  II,  F.  II,  803.  309. 

Daniel,  A.  v.  Lezat  81. 

Darvensischer  Gau  170. 

Dauphin^  10. 

St.  Deicolus,  Kl.  145. 

Denain  (Cambrai),  Kl.  II,  142. 

St.  Denis,  Kl.  15.  123—125.  185.  136. 

168.  239.   251.  284.  286.  287.  291. 

335.  866—368;  11,32.  83.  263.328 

n.4.   431  n.  1;    Aebte:    Robert, 

Vivian,  Albert. 
D6ol8,  Kl.  50.  52.  68.  64.  66.  71.  91. 

106;  11,55. 
Derf  176;  cf.  Montierender. 
Desiderius  v.  Benevent  (A.  v.  Monte- 

Cassino,  als  Papst  Victor  III.)  II, 

200. 
Deuil,  Kl.  123;  A.:  Leudegar. 
Deutschland  6.  11.  12.  141.  257.  280. 

282;  II,  12.  165.  188.  259.  822.  398. 

399.  413.  447.  456. 
Deville,  0.  in  Lothringen  11,241. 
Deynze,  0.  in  Flandern  II,  135. 
Die,  Grfsch.  87. 

St.  Di6,  Kl.  168;  II,  123.  132.  822. 
Diedenhofen  II,  257.  258. 
Dijon    177.  261.   262.  265—268.  347 

—349;  11,4.  5.  18.  15.  17.  20.  23. 

47.  50.  51.  53.  126.  167.  210.  213. 

274.  276.  827.  851.  852.  356.   386. 

390;  s.  St.  Benigne. 
Dinant  a.  d.  Maas  127. 

32* 


500 


St.  Dionysius,  K.  in  Fleury  II,  383. 

Dodo,  A.  V.  St.  Michel  de  Tonnere  269. 

Domene  (Grenoble),  KL  II,  bO.  380. 

Dominicus,  A.  v.  San  Giusto  II,  205. 

Dominicus,  Baumeister  v.  Fleury  200. 

Dominicus  y.  Foiigno  324 ;  II,  280. 

Donat  147. 

Donau,  Fl.  II,  8. 

Donauwörth,  Kl.  II,  322. 

Dreux,  Burg  in  Francien  II,  209. 

Drogo,  B.  V.  Beauvais  II,  263. 

Drogo,  B.  V.  Toul  15S. 

Dudo,  A.  V.  Montierender  II,  2U9. 

Dangalus  7  n.  1. 

Dunstan,  Erzb.  v.  Canterbury  60. 140. 

277.  278.  295;  11,136.  846. 
Durance,  Fl.  11,375. 
Durand,  B.  v.  Lüttich  11, 175. 
Durandus  A.  v.  ('6risy  II,  50. 
Durandus,  A.  v.  Moissac  II,  63. 
Durantus,  A.  v.  Savigny  II,  74. 

E. 

Ebbo,  Ebo. 

£bbo,  Fttrst  v.  D^ols  50.  52.  63.  64; 

II,  55. 
Ebo,   S.  Beralds  301  n.  8.  302  n.  I ; 

II,  58. 
EboluSy  Ebalng. 
Ebaltts,  Erzb.  v.  Keims  II,  263. 
Ebaliis,  B.  V.  Limoges  76  n.  2. 
Ebolus,  Gr.  v.  Poitiers  78.  79.  82. 
Eberhard,  Erzb.  v.  Trier  II,  31 8.  322. 
Eberhard,  Gr.  v.  Egisheim  221. 
Ebersheim,  Kl.  220. 
Eberwin,  A.  v.  St.  Martin  II,  283. 
Ecceman,  A.  v.  Sek  313  n.  3. 
Ekkehard  IV,  M.  v.  St.  Gallen  59 ; 

11,98.  252—254. 
Eohelles  78  n.  3. 
Echternach  (Trier),  Kl.  11,156.  181. 

374  n.  1.  894.  396—399;  Aebte: 

liavanger,  Arnold,  Humbert 
Edmund,  K.  v.  England  II,  346. 
Edwin,  Br.  Ethelstans  v.  England  132. 
Egisheim,  0.  im  Elsass  221.  233;  s. 

Eberhard,  Hugo,  Bruno. 


Eilbert,  A.  v.  St.  Andr6  II,  135.  144 

—146. 
Eilbert  v.Peronne  181—184. 189.  364 

—366;  Gem.:  Hersindis. 
Eiminildis,    Mutter   des  Presbyters 

Adaoius  79. 
Einard,  lothr.  Gr.  166. 
Einhart,  Biogr.  Karls  d.  Gr.  II,  356. 
Einold,  A.  v.  Gorze  112  n.  1.  137.  146. 

148.   153.   155.  161.  164.    166.    167. 

171.  179.  183.  224.  369. 
Einsiedeln,  Kl.  II,  249.  250. 
Eidrad,  A.  v.  Breme  II,  202. 
St.  Elias,  Kl.  in  Nepi  104.  111. 
Elias  de  Limaco,  A.  v.  St.  Florent  de 

Saumur  198. 
Elisabeth,  Gem.  1)  Heimos,  2)  Bnr- 

chards  v.  Corbeil  249. 
Elisabeth,   T.  d.  Grafen  Elisiemus 

89  n.  5. 
Elisiardus,  Gr.  89  n.  6;  Gem.:  Rot- 

lindis. 
Elisiemus  (Elisiardus),  Gr.  89. 
Ello,  A.  y.  Brauweiler  II,  lb3. 
p:ioquius,  d.  hl.  181.  183. 
Elsass  185.  220.  233;  11,6.  322.  338. 
Embrun  10. 
Emma,    T.  Theobalds  v.  Chartres, 

Gem.  Wilhelms  IV.  v.  Aquitauien 

11,63.  64. 
Emmelin,  Mönch  v.  St.  Vaast  II,  295. 
Emmeline,  Gem.  d.  Grafen  Goscelin 

II,  50. 
St.  Emmeram  (Regensbnrg),  Kl.  II, 

250. 
Emmo,  Erzb.  v.  Tarautaise  II,  75. 
Emmo,  lothr.  Gr.  170. 
p:nfonvelle,  0.  inBurgund  266;  KL: 

St.  Leodegar. 
England   132.  162.  324;   II,  59.  102. 

225.345;  Könige:  Edmund, Ethel- 

stan,  Ethelred,  Knut 
St  Enimie,  Kl.  in  Aquitanien  87. 
St  Eparch,  Kl.in  Angouleme  76  n.  2. 

80.  297;  11,61. 
Epernay  29. 
EpIonis-villa  150. 


501 


St  Erasmns,  Kl.  lOB. 
Erkambold,  Erzb.  v.  Mainz  II,  162. 
Erchembold,  B.  v.  Strassburg  222. 
Erembert,  B.  v.  Albenga  348. 
Erembold,  Br.  Kichards  v.  StVannes 

11,133. 
Erhiin,  B.  V.  Cambrai  172;  II,  136. 140. 
Erliiin  I,  A.  v.  Gemblonx  171.  172. 
Erluin  II,  A.  v.  Gembloux  172. 
Ermenfried,  Archidiac.  v.  Verdnn  II, 

322. 
Enoenfried,  Verduner  Chorherr  II,  53. 
Ennengardis,   Gem.  Rudolfs  III.  v. 

Burgund  II,  73.  75.  77.  227. 
Ennengard,   KOnigin  v.  Niederbur- 

gund  38. 
Ennengardis,  Gem.  Letalds  v.  Mäcon 

72. 
Ennengardis,  Gem.  Odos  II.  v.  Char- 

tres  246  n.  I . 
Ennengard,  Gem.  d.  I^aetus  274. 
Ermenthäns,  B.  v.  Orleans  200. 
f^rmentrud,  Gem.  1)  Alberichs  II,  v. 

Mäcon,  2)  Otto  Wilhelms  v.  Bur- 

gund  260;  II,  17.  78.  469.  470. 
Ermes,  A.  v.Bergh  StWinnoc  II,  151. 
Erstein,  0.  im  Elsass  185.  234  n.  3. 
Escntiola  105. 
Esino,  Kl.  327. 

Ethelred,  König  v.  England  278. 
Ethelstaii,  König  v.  England  132. 
Ethelword,  Erzb.  277. 
St.  Eucharius  (Trier),   Kl.   II,  181; 

A.:  Richard. 
Eucherbertus,  A.  v.  St.  Die  168. 
St  Eugendus  [S.  Claude]  (Jura),  Kl. 

11,78;  A.:  Gauzerann. 
S.  Eugenia  de  Burgos,  Kl.  II,  111. 
Eugenius,  d.  hl.  122.  123.  366—368. 
St.  Eugenius,  Kl.  in  Savona  323. 
Eupraxios,  griech.  Statthalter  330. 
Eusebius,  B.  v.  Angers  II,  323  n.  2. 
Ensebius,  fabelhafter  Herzog  v.  Sar- 
dinien II,  229. 
Euspicius,  d.  hl.  201. 
Eustorgius,  auvergn.  Cleriker  11,57 

n.  3. 


Eustorgius,  S.  Beralds  301  n.  8. 

Everhelm,  A.  v.Haumont  11,295. 296. 

St  Evodius  zu  Le  Puy,  Chorherren- 
stift 303. 

Evrardus,  A.  v.  Breteuil  II,  263. 

Evrard,  A.  v.  St  Julien  in  Tours  275. 

St  Evre,  Kl.  in  Toul  90  n.l.  132. 
137.  139.  145.  156—160.  174.  175. 
178;  11,116.  128.130-133.312.  362. 
365.  459;  Aebte:  Archembald, 
Humbert,  Wilhelm,  Widricus. 

Evreux  11,52. 

St  Exupere,  Kl.  in  d.  Bretagne  II, 
56  n.5. 

Ezzo,  Pfalzgr.  11,180.  183;  Gem.: 
Mathilde. 

F. 

S.  Facundus,  Kl.  11,111. 

Faenza  II,  280.  285. 

Fano  11,278.  283. 

Farabert,  B.  v.  Lüttich  136. 

Farfa  58-60.  96.  104.  105.  111.349 

-352;  11,3.  8-10.  196.  197.  375; 

Aebte:  KafFred,  Alberich,  Hugo, 

Wido. 
St  Faro,  Kl.  'm  Meaux  II,  34. 
F6camp  (Normandie),  Kl.  II,  20.  44 

—48.  50.  52.  90.  210.  389;  Aübte: 

Wilhelm,  Johann;    Prior:  Theo- 
derich. 
Felix,  A.  V.  St.  Gildas  II,  55. 
St  Felix  s.  St  Clemens. 
La  Fert6  s.  L. 

Fenestra,  Berg  bei  Salerno  II,  199. 
Feraldus,  B.  v.  Gap  II,  82. 
Ferdinand  I,  K.  v.  Castilien  11,111. 

112;  S.:  Alfons  VL 
Ferrara  II,  16. 
Ferrutius,  A.  v.  S.  Millan  de  Cogolla 

II,  108. 
Fimes  32. 
Fingenius,  A.  v.  St.  Clemens  und  St 

Vannes  II,  124.  126.  134.  366.  457. 
St  Firminus  179;  11,221.  366. 
Flandern  9.  121.  127.  129.  134—136. 

139-141;  II,  135.  146.  272.  438. 


502 


Flavigny  a.  d.  Mosel  II,  366. 

Flavigny  (Diöc.  Autan),  KL  244;  II, 
88.  320.  429  11.5;  Aebte:  Helde- 
rich, Amadeus,  Hugo. 

St.  Fleurent  de  Saumur,  Abtei  197— 

199.  201.  275;  11,56.  370.  374.  401. 
429  n.  1 ;  A.:  Amalbert. 

Fleury  (St-Benott-sur-Loire),  Kl.  52. 
56.  61.  71.  88—93.  106.  134.  140. 
156.  157.  160.  162.  163.  176.  181. 
182.  186.  187.  195—198.200—204. 
240.  271—277.  284.  286.  287.  294 
—296.  298.  299.  334;  II,  36.  54.  55. 
85.  86.  88.  93.  94.  135.  224.  275. 
318.  319.  327.  331 .  334.  844.  345.  348 
—351.  358.  357.  368.  877.  381.  384. 
385.  390.  402.  403.  414  n.5.  423  D.5. 
429  n.  10.  430.  431  n.  1.  438.  443. 
447.  48S;  Aebte:  Lambert,  Odo, 
Archembald ,  Wulfald ,  Richard, 
Amalnch,  Oylbold,  Abbo,  Gauz- 
lin,  Amald.  —  Floriacenser  276; 
Fioriacensische  Münche  196.  198. 

200.  204. 
Fiodoard  155. 
Florentius,  d.  hl.  197.  198. 
Florennes  11,138.  139.  146. 

St.  Florus  (Auvergne),  Kl.  II,  57  n.  3. 

Folmar,  A.  v.  Weissenburg  II,  247. 248. 

Folmar,  lothr.  Edelmann  150.  154. 

Foligno  324. 

Fönte  Avellana,  Kl.  11,280;  Prior: 
Petrus  Damiani. 

Fontenai  a.  d.  Mosel  147. 

Föntenelles  11,152. 

ad  Fontes  (Viviers),  Kl.  11,81  n.l. 

Foramian,  A.  v.  Waulsort  182.  188. 

Formosus,  P.  38. 

Fossombrone  II,  283. 

Fouron  141. 

Fouvent-le-Chäteau  268;  KL:  St. Ma- 
rie; Gr.:  Girard. 

Franken  11,458. 

Francien  26.  27.  43.  75.  89.  93.  239. 
240.  245.  247.  271.  272.  284.  285. 
300;  II,  71.  209.  268.  269.  271.  286. 
316.  438, 


Franoo,  B.  v.  Worms  340.  343. 
Frankreich  5.  9.  11.  31.  83.  72.  74. 

77.  88.  95.  187.  141.  142.  165.  201. 

204.  207.  225.   250.  257.  259.  267. 

307.  808.  328.  332.  334 ;  II,  22.  26. 

32.  54.  68.  87.  98.  99.  102.  108.  143. 

170.  172.  185.  187.  188.   204.  210. 

225.  226.  232.  240.  259.  262.   314. 

316.  317.  322.  858.  357.   381.   389. 

398.  898.  413.  429.  481.  488.   447. 

465. 
Fredegar  II,  356. 

Fredelindis,  Gem.  d.  Gr.  Stephan  134. 
Freisingen  8. 

Fr^jus,  Grfsch.  13.  230;  11,72. 
Friedrich,  Card.  s.  Stephan  X. 
Friedrich,  Erzb.  v.  Mainz  135. 
Friedrich,  B.  v.  Genf  II,  323.  324. 
Friedrich,  A.  v.  St.  Hubert  170.  174. 
Fridericus,  Mönch  11,94. 
Friedrich  I,  Herz.  v.  I^othringen  150. 

165-168.    174.    183.    184;   II,  115. 

123. 
Friedrich,  Gr.  v.  Verdun  II,  118.  134. 

137.  152.  238.  456. 
Friesland  9. 

Frodebert,  B.  v.  Troyes  II,  363. 
Frodina,  Gem.  Adalalds  II,  82. 
Frodo,  Kriegsmann  203. 
Frodoard,  A.  v.  St.  Basle  191. 
Froterins,  B.  v.  Poitiers  82. 
Frotmund,  B.  v.  'i'royes  11,324. 
Fruttuaria,  KL  in  Piemont  34s.  :U9; 

11,2.  4.  5.  13—16.  48.  50.  90.  126. 

167.  171.  192.  195.  203—206.  351. 

447  n.1;Aebte:  Wilhelm,  Johannes. 
Fulbert,  B.  v.  Cambrai  183.  136. 
Fulbert,  B.  v.  Chartres  II,  27.  29  n.  2. 

48.  60.  85.  89.  207.  300.  306. 
Fulbert,  A.  v.  St  Martialis  81  n.  12. 
Fulcherius,  A.  v.  St.B6nigne  261  n.4. 
Fulcher,  Kriegsmaun  209.  210.  212; 

Gem.:  KaimOdis;   Söhne:  Majo- 

Ins,  Cyricus. 
Fulcü,  Erzb.  v.  Reims  186. 
Fulco,  B.v.  Orleans  201;  11,85.  86.  93. 
Fulco  I,  Gr.  V.  Anjou  35.  43.  45.  46.48. 


503 


Fulco  III.  Nerra,  Gr.  v.  Anjou  246. 
250;  II,  59.  87.  88.  232.  235.  242 
n.  2.  270.  429  ü.  10;  S.:  Gauzfrod. 

Fulco,  Gr.  V.  Poiithieu  II,  265. 

Falcuin  (Folcuin),  A.  v.  Haumout 
II,  140.  295. 

Fülcuin,  A.  v.  S.  Vinoenz  II,  178. 

Fulda,  Kl.  167;  11,247. 

Fulradus,  B.  v.  Paris  368. 

Fulrad,  A.  v.  St.  Vaast  II,  136. 

G. 

Gaeta  332.  338.  340. 
Gaidulf,  kaiserl.  Richter  223. 
Gaitelgrimma,  Gem.  Waimars  III.  v. 

Salerno  II,  199. 
Galizien  324;  11,102. 
St.  Gallen,   Kl.  10.  22  n.  4;  II,  249. 

250—252.  254.  255.  294.  463. 
Gallien  242.  273. 
Galliis,  Autor  HO. 
Ganagobie  (Gap),  Kl.  11,81. 
Gap,  Bist.   10;  II,  81—83;  B.:  Fe- 

raldus. 
Garsias,  A.  v.  Ona  II,  1 1 0. 
Garcias,  K.  v.  Navarra  II,  106.   108. 

109. 
Garcias,  Gr.  v.  Castilien  II,  109. 
Garde-Frainet  10.  230. 
Garentiniacus  s.  Carenniacus. 
Garsias  s.  Garcias. 
Gascogne   13.  202.  296;  11,60.  269. 

348;  Herz.:  Sansia-Garcia,  Bern- 
hard, Sancho. 
Gaubert  s.  Giselbert. 
Gaudentius,    Erzb.  v.  Guesen  335; 

Br  :  Adalbert. 
Gaugericus,  d.  hl.  II,  140. 
Gauzbert,  Mönch  v.  St.  Martialis  II, 

405. 
Gausbert  s.  Gosbert. 
Gauzerannus,  A.  v.  St.Eugendus  II,  78. 
Ijlaufred,  (j^ausfred,  tiauzfred. 
Gauzfred,  B.  v.  Chalon  s.  S.  (?)  II,  239 

n.  1. 
Gaufred,  Herz.  d.  Bretagne  II,  54.  55. 
Gaufred  I,  Gr.  v.  Anjou  242 ;  11, 59. 


Gaufred  (Gauzfred)  IL  Martell,  Gr.  v. 

Anjou  247  n.6;  11,266.  270. 
Gauzfred,  Gr.  (v.  Nevers?)  72. 
Gausfred,  Gr.  d.  Provence  II,  83. 
Gausfred,  Vicegr.  v.  Bourges  II,  8S. 
Gausmar,  A.  v.  Savigny  II,  234. 
Gauzlin,  A.  v.  Fleury,  Erzb.v.  Bourges 

297;  II,  24.  36.  65.  85.  86.  88.  350. 

351.  381-386.  389.  402.  403.  413. 
Gauzlin,  B.  v.Mäcon  II,  168  n.2.  190. 

191.  194. 
Gauzlin,  B.  v.  Toul  143.  146.  155— 

160.  165.  166.   174—176.  178.   179. 

207  n.  4;  11,120.  363. 
Gauzlinus,  Mönch  v.  D^ols  53  n.  1. 
Gebhard,   Erzb.  v.  Ravenna  11,278. 

279.  281.  284. 
Gedeon,  Erzb.  y.  Besau^on  41  n.  4. 
Geilinus,  Gr.  v.  Valence  87. 
Geisa,  Nonne  v.  St.  Peter  in  Metz 

147. 
Gelduin,  Erzb.  v.  Sens  11,235.  242. 

320.  323  n.  2. 
Gelduin,  H.  v.  Breteuil  II,  153.  268. 

264.  266. 
Gembloux,  Kl.  170—172;  11,174.178. 

310;  A. :  Erluin  I,  Erluin  1 1,  Olbert, 

Mysach. 
St.  Genes  de  Thicrs  (Auvergne),  Kl. 

II,  58;  A.:  Peter. 
Genf  394;   11,73.  77.  242.  323.  379; 

B.:  Hugo,  Friedrich;  Gr.:  Gerald. 
St.  Geugulf  (Toul),  Kl.  II,  122. 
Gengulfus,  d.  hl.  II,  138. 
Genouillac  s.  St.  Sorus  80. 
St.  Genovefa  in  Paris  247. 
Gent  61.  128.  130.  131.  135.  136.  138. 

140.  141.  147. 
Genua  323;  B.:  Johann  IL 
Genuesen  II,  388. 
St.  Georg  (Autun),  Kl.  11,  3b. 
St.  Georges  de  Henues  (Bretagne), 

Kl.  II,  56. 
St.  Georg  b.  Vesoul  265. 
Georg,  Erzb.  v.  Colocz  II,  324. 
Gerald,  B.  v.  Limoges  II,  61. 
Gerald,  B.  v.  Mäcon  II,  190. 


r,04 


Gerald,  B.  v.  Riez  108. 

Gerald,  A.  v.  Solignac  81. 

Gerald,  (ir.  v.  Aurillac  27.  34.  77; 

II,  383. 443.  -  V.  S.  Geraicli  H,  834. 
Gerald,  Gr.  v.  Lyon  II,  238. 
Gerbald  (Girbald),  A.  v.  St.  Christina 

34:;  11,3.  355. 
Gerberga,  Gem.  Ludwigs  IV.  142. 

177.  187.  188.  190.  191;  11,224.  8ß5. 
Gerberga,  Gem.  Heinrichs  I.  v.  Bur- 

gund  II,  468—470. 
Gerberga,  Gem.  Beralds  301. 
Gerbert  s.  Silvester  II. 
(i^erhard,  Gerard. 
Gerhard  I,  B.  v.  Cambrai  II,  138  — 

145.  169.  170.  174,  187.   222.  236. 

246.  291.  295.  457-459.  462. 
Gerhard,  B.  v.  Toul   168.  175.  234; 

11,114—116.    120.    122.    129.   312. 

823.  824.  863.  365, 
Gerhard,  A.  v.Brogne  121—125. 127. 

129-136.  139—141.  184.  192.  86« 

—370;  11,50.  146. 
Gerard,  A.  v.  Crespy  II,  48. 
Gerard,  A.  v.  St.  Quentin  190  n.  6. 
Gerard,  Mönch  v.  Fleury  II,  347. 
Gerhard,  lothr.  Gr.  148.  157. 
Gerard,  Gr.  v.  Metz  II,  16. 
Gerard,    Gr.  v.  Roussillon   34.  42; 

11,38. 
Gerard,  Mkgr.  v.  Turin  II,  15. 
Gerlan,  Erzb.  v.  Sens  91.  106. 
St.  Gemiain  d'Auxerre,  Kl.  II,  19.  23. 

243.  244.  282.  355;    A.:  Ileldrich, 

Achard. 
St.  Germain -des -Pres,  Kl.    15.  239; 

11,33;  AebteiMorand,  Ingo,  Wil- 
helm, Adrald. 
St.  Germain  (Diöc.  Toul),  Kl.  157. 
St.  Germanus  (Savoyen),  Kirche  II,  80. 
St.  Germanus,  B.  v.  Paris  II,  308  n.  1. 
Germanus,  A.  v.  Winchacumbe  277. 
Germigny,  Kl.  11,389. 
Gersindis,  Gem.  Heinrichs  v.  Burgund 

243. 
Gersindis,  Gem.  Bernards  v.  P^ri- 

gueux  80. 


Gersindis,  Gem.  des  Raimund  Pon- 
tius 86. 
Gersindis,    Schwester  Teotolos   v. 

Tours  93. 
Gertrud  v.  Arsoncourt,  Gem.  Girards 

268. 
Gerunco,  Erzb.  v.  Bourges  91.  106. 
Gervinus  I,  A.  v.  8t.  Riquier  II,  233. 

265.  266.  819.  328. 
Gervinus  II,  A.  v.  St  Riquier  11,265. 
Ghärbald,  B.  v.  Lttttich  8. 
St.  Ghislain,  Kl.  126.  127.  246.  247. 

251.   256.  415  n.  5.  462;    Acbte: 

Wenrich,  Heribrand. 
Gibuin,  B.  190. 
Gigny  s.  St.  Peter. 
Gilbert  (Willibert,  Giselbert),  A.  v. 

Marmouder  246.  247. 
St.  Gildas- des -Bois  (Bretagne),  Kl. 

II,  55.  56;  Aebte:  Dajocus,  Felix. 
Girald,  Mönch  v.  Fleury  II,  349. 
Girald  v.  Aubeterre  297;  II,  347. 
Girard,   Gr.  v.  Fouvent-le-Cliat«au 

268;    Gem.:  Gertrud;    S.:  Hum- 
bert, Girard. 
Girard,  S.  Girards  268. 
Girard,  S.  Roberts  II.  v.  Volpiano  (?) 

II,  13. 
Girbald  s.  Gerbald. 
(virbertus,  MCmch  v.  Dijun  II,  352. 
(lisela,  GrossuiutterdesWigbert  17u. 
Gisela,  Gem.  Konrads  II.   II,  (I.Hl. 

177.)  182.  187.  188.  244.  215.  247. 

251.  294.  452. 
Giselbert  (Gaubert),  A.  v.  StCyprian 

II,  67. 
Giselbert,   Archidiacon  v:  Vercelli 

318  n.5. 
Giselbert,  Herz.  v.  Lothringen  125  — 

127.  142.   144.  153.   163.  166. 
Giselbert,  Gr.  v.  Burgund  67.  74.  78. 
Giselbert,  lothr.  Gr.  166.  167. 
Giselbert,  Gr.  v.  Piacenza  324  n.  3; 

T.:  Richilde. 
San  Giuglio,  Insel  257. 
8.  (Husto  (Susa),  Kl.  II,  204—206. 
(Mandeve  810. 


505 


S.  Glodesindis  Mirac.  II,  360. 

St.  Glodesindis  (Di6c.  Metz),  Kl.  16  4. 

I(i5.  174    184;  Aebt.:  Himeltrud. 
Gneseu  335.  345;  Krzb.:  Gaudentins. 
Godenum,  A.  v.  Maillezais  II,  66. 
Godescalc,  B  v.  I^  Puy  87. 
Golfald,  Decan  v.  Brioude  301. 
Gomez,  A.  v.  Cerdana  II,  111. 
Gomez,  Gr.  v.  Carrion  II,  1 1 1 . 
St.  Gondon,  Kl.  197. 
Gontard,  Archidiac.  v.  Turin  II,  5.  6. 
St.  Gorgonius  150.  153.  155;  11,322. 

359. 
Gorze,  Kl.  57.  60.  112  n.  1.  137.  140. 

145.  146.  149—152.  154.  155.  160— 

162.  165—167.  169—174.  178.  179. 

181.  182.  185.  186;    II,  100.  121  - 

123.  127.  210.  251.  265.   358.  359. 

422n.2;Aebte:  Einold,  Johannes, 

Odilbert,    Immo,   Wilhelm,    Sig- 

Med. 
Gosbert  (Gansbert,  Gauzbert),  A.  v. 

St.  Julien  247;  11,34.  85.  63—65. 

71.  167. 
Goscelin,  normann.  Gr.  II,  50 ;  Gem.: 

Emmeline. 
Gosfried  (Jozfred),  A.  v.  St.  Martialis 

311;  11,415. 
Goslar  11,159.  160. 
Gotfried  1,  A.v.S.Ambrogio  349  n.  2. 
Gotfried  II,   A.  v.  S.  Ambrogii)  349 

n.  2. 
Gotfried,  A.  v.  Brenic  11,201. 
(lotefred,  Archidiacon  348. 
Gotfried,  Gr.  v.Verdun  192.  193;  II, 

118. 
Gotfried  I,  Herz.  v.  Lothringen  II, 

139.  155. 
Gotfried  II,  Herz.  v.  Lothringen  II, 

256.  295.  321. 
Gotfried   I.   V.   Florennes    II,  138; 

Gem.:  Alpaidis;  S.:  Arnulf. 
Gotfried  II.  v.  Florennes  II,  139. 
Gotfried,  Gr.  v.  Volpiano  II,  3.  4. 
Gothien  39.  69  n.  6.  75. 
Gozelo  I,  Ilerz.  v.  Niederlothringen 

II,  1^54.  246.  255.  256.  266. 


Gozilo,  Gr.  II,  1 1  ^. 

Gozelinus,  Stief  br.  Adalberos  v.  Metz 

151.  154. 
St.  Gratüian,  Celle  in  Nagi  102. 
Gregor  I,  P.  46.  47.  116.  274.  279.  305 

n.  I.  320.  331.  349.  358.  —  V.  Gre- 

gorii  I.  II,  340. 
Gregory,  F.  229.  292-296.  334.  336 

—339.  350.  353  n,  3.  444.  448. 
Gregor  VI.  (Johannes  Gratianus),  P. 

11,264.  275.  2S1— 283.  286.  289.  306. 

307.  309.  310  n.  L  811. 
Gregor  VII.  (Hildebrand),  P.  II,  287. 

302.  303.  805.  808.  309.  311.   326. 

440.  445.  465. 
Gregor,  A.  v.  St.  B6lin  II,  1 32. 
Gregor,  A.  v.  Cerchiara  333.  334. 
St.  Gregor  auf  d.  Scaurusberge,  KL 

in  Rom  II,  325. 
Gregor  v.  Tours  II,  856. 
Grenoble  13.  295.  310;  11,76.  80. 
Griechen  II,  38S. 
Griechenland  162. 
(irimald,  A.  v.  S.  Victorian  II,  107. 
Grimauldus,    Propst  v.  St.  Mansuy 

175. 
Grimoard,  B.  v.  Angoul^me  II,  61. 
Grosne,  Fl.  72;  11,37. 
Guarinns,  A.  v.  Lozat  ^1. 
(lubbio,  St.  Italiens  II,  280. 
St.  Gudwalo  132. 
Guido  V.  Arezzo  II,  336. 
Guido,  A.  V.  Farfa  II,  197. 
Guido,  A.  V.  Pescara  II,  197.  19S.   . 
(iuido,   A.  y.  S.  Maria  di  Pomposa 

11,279—281.  447. 
Guido  8.  Wido. 

Gumbert,  A.  v.  Limburg  II,  397. 
Gumbald,    Erzb.  v.  Bordeaux    2(^2; 

II,  64. 
(Tumbold,  Mönch  v.  Fleury  274. 
Gunbald,  A.  v.  St.  Savin  II,  67. 
Gundeloch,  Mönch  v.  Moyenmoutier 

167.  168  n.  1. 
Guntram,  A.  v.  St.  Trond  11, 177. 
Guntram,  Edelmann  22(K 


506 


H. 

Iladcricus,  Gr.  181. 

8t.  Hadrian,  Kirche  iu  Unteritalieu 

32VI. 
Hadiiwid  (Hawid),  Aebt.  v.  St.  Peter 

in  Metz  165. 
Iladuwid,  Gem.  Hugos  v.  Francien 

142. 
lladvis,  Gem.  d.  Gr.  Roger  v.  St.  Paul 

II,  52. 
Ilagano,  B.  v.  Autun  II,  272. 
Hagano,  B.  v.  Chartres  196. 
Hagaoo,  Herzog  122. 
Ilaimo,  B.  v.  Ilalberstadt  II,  32U. 
Haimo,  B.v.Verdun  II,  133,  135.  153. 

155.  283.  458. 
Heimo,  Gr.  v.  Corbeil  247. 249 ;  G  e m.: 

Elisabeth. 
Haito,  B.  V.  Basel  4  n.  6.  S. 
Hakem  BiamriUah  II,  232. 
Ilalinard,  A.  v.  St.  Benigne,  Erzb.  v. 

Lyon  265;   11,132.   273.  274.  286. 

309.  313.  318.  322—325.  852.  356. 

455.  463. 
Hamage  (Cambrai),  Kl  II,  142. 
Ilardoinns,  Neffe  Angilrams  146  n.  3. 
Harlcho,  A.v. St.  Maximin  II,  180.  454. 
Hartwig,  A.  v.  Hcrsfeld  11, 99  n.  1. 
Haspres  (Diüc.  Cambrai),  Kl.  11,51. 

143.  144.  148  n.  4. 

Ilastiere,   Kl.   165.  184;   II,  248.  — 

Hasterienser  249. 
Hasuma,  lothr.  Gr.  166. 
Ilatria  347. 
Haumont,  Kl.  II,  139.  294.  394;  A.: 

Folcuin. 
Ilcctor,  Decan  v.  St.  Julien  85. 
Heimfried,  A.  v.  St.  Bertin  II,  149. 
Heiminas,  Bürger  v.  Besangon  213. 
Heimo  s.  Haimo. 
Heinrich,  B.  v.  Lausanne  II,  26b. 
Heinrich  I,  deutscher  König  142- 

144.  152. 

Heinrich  II,  Kaiser  237;  II,  2.  6— 
13.  15.  16.  89.  127.  136.  145.  148. 
154—159.  161  —  165.  171.  172.  IT9. 
180.   185.    187.  189.  192.  196.  198. 


200.  201.   207.  228.  231.  251.  261. 

262,  291.  329.  448.  450.  452-455- 

459—461. 
Heinrich  III,    Kaiser   II,  tOO.    113. 

180.  183.  184.  189.  202.   237.   242. 

245.  247.  248.  251.  254—259.  261. 

274—276.  279.  284—291.  294.  295. 

301.  302.  304.  307—309.  816.  325. 

326.  444.  446-448.  450.  452.  454. 

461.  463.  464. 
Heinrich  IV,  Kaiser  II,  326. 
Heinrich  I,  K.  v.  Frankreich  II,  147. 

169.  208.  209.  235.  236.   240.  257. 

258.  261—265.  270.  274.  316-318. 

320. 
Heinrich  d.  Zänker,  Herz.  v.  Baiern 

11,117. 
Heinrich,  Herz.  v.  Borgund,  S.  Hugos 

des  Grossen   242.  243.   264.  266. 

304;   11,17.  86.  40;    Gem.:  Ger- 

sindis. 
Heinrich,  Herz.  v.  Luxemburg  11,180. 
Heirich  v.  Auxerre  11,  338.  339. 
Helderich,  A.v. St. Germain  d'Auxere 

214.  217.  226.  243—245.  255  n.  3; 

11,38.  329. 
Helgaud,  Cantor  v.  Fleury  II,  349— 

351. 
Helmoin,  B.  v.  Autun  II,  3b.  39. 
Hennegau  II,  118. 
Herard,  Erzb.  v.  Tours  20. 
Herberchtingen,  0.  in  Schwaben  II, 

276. 
Herbold,  A.  v.  St.  Josse  II,  350. 
Heribert,  Erzb.  v.  Mailand  II,  242. 
Heribert,  B.v.  Auxerre  243;  11,324. 
Heribert,  A.  v.  St.  Vaast  II,  136. 
Heribert,  Cleriker  182. 
Heribert,  Gr.  v.  Troyes  177.  365. 
Heribert  II,  Gr.  v.  Vermandois  142. 

187;  S.:  Hugo  v.  Reims. 
Heribert  lll,  Gr.  v.  Vermandois  365; 

11,118.  123. 
Heribert,  kaiserl.  Kanzler  320. 
Heribrand,  A.  v.  St.  Ghislain  II,  246. 

247. 
Heribrand,  A.  v.  St.  Vincenz  II,  17b. 


507 


Heribrand  von  Mawolt  172. 
Heriger,  A.  v.  Hohorst  II,  179. 
Herimar,  A.  v.  St.  Rem!  II,  316.  318. 
Herivens,  £rzb.  v.  Reims    18H.  187. 

192. 
Heriveus,  Archidiacon  v.  Ori^s  II, 

282  n.  7. 
Heriveus,  Thesaurar  y.  St.  Martin  II, 

348. 
Heriward,  A.  v.  Gembloux  172. 
Heriward,  Kriegsmann  II,  145. 
Hennann,  B.  v.Toul  11,129. 130.312. 

459. 
HerimanD,  Mönch  v.  Cluni  II,  328. 
Hermann,  Gr.  v.Enham  11,138.  152. 

155.  175. 
Hermenald,  MOnch  v.  Flenry  200. 
Hermentens,  A.  v.  Tufüac  II,  35. 
Hersfeld,  Kl.  11,99.  1 77.  245.  246.  249. 

251.255.  394—399.  462;  A.:  Rudolf. 
Hersindis,   Gem.  Eilberts   181.  182. 

184.   189.  365.  366. 
Herslnde,  Gem.  Raginalds  II,  50. 
Hervin,  A.  v.  St.  Paul  II,  134. 
H6ry  II,  167. 

Hessen  (Elsass),  Kl.  II,  130  n.  2. 
Hicterius  v.  Mercoeur  300  n.l.  301; 

Gem.:  Arsendis ;  S  0  h  n  e :  Stephan, 

Walter,  Nicedius,  Berald. 
Hicterius,   S.  Beralds  301  n.  8.  302. 

304. 
St.  Hieronymus  II,  341.  358. 
Hilarion,  d.  h.  324;  11,358. 
St.  Hilarius  (Poitiers),  Collegiatstift 

11,64.  67. 
Hildebert,  A.  v.  St.  Maur  250. 
Hildebert  I,  A.  v.  Mont- St. -Michel 

II,  48. 
Hildebert  II,  A.  v.  Mont- St. -Michel 

II,  48. 
Hildebert,  A.  v.  St.  Ouen  II,  50. 
Hildebert,  Priester  II,  333. 
Hildebert,  franz.  Edelmann  II,  333. 
Hildebold,  B.v.Chalon  207  n.4.  209; 

II,  337. 
Hildebold,  Scholasticus  v.  St.  Mihiel 

146;  11,358. 


Hildebrand,  A.  v.  St.  Bertin  133.  189. 
Hildebrand,  Prior  v.  Cluni  108.  2i)6. 

214.  216;  11,190.  337. 
Hildebrand,  Mönch  v.  Farfa  96. 104. 

105. 
Hildebrand  s.  Gregor  YII. 
Hildegar,  Canonicus  v.  Le  Puy  303. 
Hildegardis  (Aldegardis),  Gem.  Ro- 
berts I.  V.  Auvergne  83  n.  5.  84.  208. 
Hildegard,  vornehme  Dame  296. 
Hilderat,  Gr.  II,  152.  256. 
Hildesheim  345;  B.:  Bemward. 
Hilduin,  B.  v.  Limoges  311. 
Hildüin,  B.  v.  Lüttich  143. 
Hilduin,  G.V.Champagne  178;  Br.: 

Manasse  v.  Troyes. 
Hildulfi  Vita  II,  366. 
Ilimbert,  B.  v.  Paris  II,  352. 
Ilimeltrud,  Aebtissin  v.  S.  Glodesindis 

165.  174. 
Hincmar,  Erzb.  v.  Reims  2o.  30.  32; 

II,  363. 
Hincmar,  A.  v.St.Remi  187. 188. 190. 

191.  207  n.4. 
Hingala,  Gem.  Oddos  264. 
St.  Hippolyth  (St.  Pilt),  0.  im  Elsass 

11,6. 
Hyrmentrud,  Aebt.  v.  St.  Peter  in 

Metz  1 65  n.  6. 
Hirschau,  Kl.  11,374  n.l. 
Hisimbert,  Mönch  v.  Fleury  II,  350. 
Höchst  II,  164. 
Hohenaltheim  II,  446. 
Hohorst  (Utrecht),   Kl.  11,179;   A.: 

Heriger. 
Holland  9. 
Homblieres  (Noyon),  Kl.  ISl.  1S9; 

11,264.  266;  A.:  Berner. 
Homer  II,  363. 

Honestus,  Erzb.  v.  Ravenna  228. 
Horaz  II,  362. 

St.  Hubert, Kl.  170. 174;  A.:  Friedrich. 
Hubert,  Mkgr.  v.  Tuscien  324.  331 

n.3;  Gem.:  Willa. 
Hucbert,  B.  v.  Turin  II,  337. 
Hucbert,  Vicegr.  v.  Auvergne  83  n.  5; 

T.:  Aldegardis. 


508 


Hudo,  Abt  156. 
Ilüttenheim,  0.  im  Elsass  220. 
Ilugu  Candidus,  Card.  II,  107.  315. 
Hugo,  Erzb.  V.  Besan9ou  II,  37.  237. 

26S.  275.  270.  286.  302.  31b.  822. 
Hiij^o,  Erzb.  V.  Bourges  246;  11,372. 
Hugo,  Erzb.  v.  KeimB  1 87. 
Hugo,  Erzb.  v.  Rouen  II,  43. 
Hugo  V.  Chalou,  B.  v.  Auxerre  242; 

II,  17.  21.  38-40.  92. 166.  468—470. 
Hugo,  B.  V.  Genf  II,  77. 
Hugo,  B,  V.  Langres  II,  320.  S24.  3?5 

D.  3. 
Hugo,  B.  y.  Lausanne  II,  268  n.  3. 
Hugo,  B.  V.  Nevere  II,  41. 
Hugo,  B.  V.  Noyon  II,  220. 
Hugo,  ital  Bischof  350.  351. 
Hugo,  A.  V.  St.  Bavo  137.  138.  36S— 

370. 
Hugo  I,  A.  V.  Cluni  50  n.  1.  163;  II, 

112.  113.  281.  290.  302.  313-320. 

322.  323.  330.  337.  342.   374.  408. 

447. 
Hugo,  A.  V.  Farfa  350—352;  11,8— 

10.  196.  197. 
Hugo,  A.v.Flavigny  11,52.  140.  368. 
Hugo,  A.  V.  Lobbes  II,  176. 
Hugo,  A.  V.  St.  Martialis  11,61. 
Hugo,  A.  V.  St.  Rerai  l^s.  191. 
Hugo,  A.  V.  Savigny  310. 
Hugo,  Clüriker  II,  15. 
Hugo,  Cleriker  II,  lis. 
Hugo,  Möncb  v.  Aurillac  II,  333. 
Hugo,  Mönch  v.  Autun  35.  36. 
Hugo,  Mönch  v.  Fleury  11,351.  368. 

44.3. 
Hugo,  Möuch  V.  Montierender  11,377. 
Hugo  V.  Provence,  König  v.  Italien 

67  n.  3.   72.  96-99.  lo3.  105.  108. 

109.  111.  314.  319.  861.  438. 
Hugo  Capet,  König  v.  Frankreich  169. 

201.  240.  242.   247-249.   251.  271 

—278.  278.  2S2.  284.  2S7.  2S9.  291. 

292.  297.  313;    11,24.   32.   64.   S8. 

188.  341  n.3.  350. 
Hugo,  S.  Roberts  II.  v.  Frankreich 

11,40.  207.  20b. 


Hugo  d.  Schwarze,   H.  ▼.  Bnrgnnd 

72.  74.  213.  437. 
Hugo,  H.  V.  Gamerino  II,  198. 
Hugo  d.  Grosse,  H.  v.  Francien  74. 

89.  93.  106.  142.  187.  217.  240.  212. 

363;  11,359.487;  Gem.:  Haduwid; 

Söhne:  Hugo  Capet,  Heinrich. 
Hugo,  Mkgr.  V.  Tnscien  331. 
Hugo,  Gr.  V.  Beaumont  II,  20. 
Hugo,  Gr.  V.  Egisheim  221.222.23.'). 
Hugo,  Gr.  V.  Maine  II,  85. 
Hugo,  Gr.  67. 

Hugo,  Vicegr.  v.  Cambom  II,  62. 
Hugo  V.  Castelnau  II,  62. 
Hugo  Bardulfns  11,271  n.2. 
Humbert,  Erzb.  v.  Lyon  II,  325. 
Humbert,  B.  v.  Grenoble  II,  80. 
Humbert,  B.  ▼.  Valence  II,  195. 
Humbert,  A.  v.  Echternach   II,  ISl. 

182.  897. 
Humbert,  A.  v.St.Evre  137. 148. 1«3. 

175.  369. 
Humbert,  A.  v.  Maillezais  11, 66. 
Ilumbert,  A.  v.  St.  Martin  d'Autnn 

207  n.  4. 
Humbert,  A.  v.  Moyenmoutier  11, 315. 
Humbert,  A.  v.  St.  Vannes  160  n.  1. 

178.  179;  11,125. 
Hnmbert,  G.  v.  Savoyen-Aosta  IL  SO ; 

Söhne:  Amadeus,  Aimo,  Oddo. 
Ilumbert,  Gr.  v.  Savoyen  11,242. 
Humbert,  Gr.  v.  Savoyen-Belley   11, 

23S. 
Humbert,  IL  v.  Salmaise  265. 
Ilumbert  Mailly  II,  20. 
Ilumbert, Gründer  v.  Maroilles  II,  1 44. 
Humbert,  S.  Girards  268. 
Humfred,  Erzb.  v.  Ravenna  II,  314. 
Hunold,  A.  V.  St.  Mansuy  II,  132. 
Hunald  I,  A.  v.  St.  Michel  de  Ton- 

nerre  269;  11,352. 
Hunald  II,  A.  v.  St.  Michel  de  Ton- 

nerre  269  n.  8. 
Hunald,  Mönch  v.  St.  Benigne  11,388. 
Huno,  Neffe  Angilrams  1 46  n.  3. 
Hunegundis,  d.  hl.  189. 
Ilynuentrud  s.  Hirm. 


509 


I. 

Jacca,  St.  in  Aragon  II,  1U7. 

St.  Jacob  de  Ayvar,  Kl.  in  Aragon 

II,  106. 
St.  Jacob,  K,  in  Fleury  II,  383. 
St.  Jacob  (Lüttich),  Kl.  11,174.  176, 
Jacob,  MOnch  v.  St.  Benigne  II,  352. 
St.  Jacobns  in  Galizien  s.  Santjago. 
Icterius,  A.  V.  Savigny  II,  74—76. 
Jerusalem  236.  261;  11,94.  181.230. 

233.  26S.  289.  443  n.  3. 
Ingelbald,  A.  v.  La  Couture  II,  35. 
Ingelberga,  Gem.  Wilhebns  I.  v.  Aqui- 

tanien  40. 
Ingelbert,  Laienabt  v.  Bergh  II,  151. 
Ingelheim,  Pfalz  166.  187;  11,261. 
Ingeltrud,Gem.  Roberts  v.Chalon  241 . 
Ingenald,  A.  v.  St  Paul  n.  St.  Julien 

225. 
Ingo,  A.  V.  St.  Germain,  Massay,  St. 

Peter  in  Sens  II,  33. 
Ingobrand,  A.  v.  Lobbes  II,  1 74. 
Inigo,  A.  V.  Ona  11,110. 
St.  Jean  d'Angely  (Limöges),  Kl.  87; 

II,  68.  69.  429  n.  3.   432  n.  1 .  434 ; 

A  e  b  t  e :  Alduin,  Rainald,  Aimerich. 
St.  Jean  d'Autun  301. 
St.  Johannes,  K.  in  Fleury  II,  383. 
St.  Johann,  Kl.  in  Miicon  2«)7.  215. 
St.  Jean  de  Molgone  (Saintonge),  Kl. 

11,  69. 
St.  Johannes,  Kl.  in  Parma  235.  323; 

Aebte:  Johannes  I,  Johannes  II. 
St  Jean  de  R6ome  (Moutier  St  Jean), 

Kl.  267. 
St.  Johannes  u.  Maurus  (Verdun),  Kl. 

II,  153. 
Johann  VIII,  P.  98. 
Johann  X,  P.  67.  68.  98. 
Johann  XI,  P.  70.  71.  78. 
Johann  XII,  P.  190. 
Johann  XIll,  P.  122.  188.  192.  193. 

201.  225.  226.  444. 
Johann  XV,   P.   237.   263.  278.  282. 

292.  332.  334;  11,64.  444. 
Johann  XVIU,  P.  198.  226.  227;  II, 

6.  7  n.  3.  86.  87. 


Johann  XIX,  P.  II,  7  n.8.  29.  69.  172. 
173.  184.  191-194.  211.  228.  239. 
273.  274.  443. 

Johann  II,  B.  v.  Genua  323. 

Johann,  B.  v.  Modena  323. 

Johann,  B.  v.  Nola  110. 

Johannes  Philagathos,  B.  v.  Piacenza, 
Gegenpapst  336.  343. 

Johann  IV,  B.  v.  Porto  II,  176.  229. 

Johann,  B.  v.  Sabina  s.  Silvester  III. 

Johannes,  A.  v.  S.  Apollinare  in  Ra- 
venna  348. 

Johann,  A.  v.  St  Arnulf  164;  II,  359. 

Johannes,  A.  v.  Capua  348. 

Johann  (.Johannelinus),  A.  v.  Fecamp 
11,49.  51—53.  353.  354.  389. 

Johannes,  A.  v.  Fruttuaria  II,  13. 

Johannes,  A.  v.  Gorze  140—149. 151. 
153.  155.  156.  161.  162.  164.  184. 
185;  II,  127.  35S— 361.  423.  425.— 
V.  S.  Johannis  II,  368. 

Johannes,  A.  v.  Limburg  u.  St  Maxi- 
min II,  245.  248.  252.  255.  397. 

Johamies,  A.  v.  Mouzon  II,  263. 

Johannes,  A.  v.  Monte  Cassino  96. 

Johamies  I,  A.  v.  St.  Johannes  in  Par- 
ma 235.  236. 

Johannes  II ,  A.  v.  St.  Johannes  in 
Parma  236. 

Johannes,  Odos  Biograph,  A.  v.  Sa- 
lerno  87  n. 7.  107—112.  359—863; 
II,  198.  386.  837. 

Johannes,  A.  v.  St  Vaast  II,  1 4  i .  295. 

Johannes,  A.  v.  S.Victorian  II,  107. 

Johannes,  Eremit  336.  339. 

Johannes,  Eremit  347. 

Johannes,  Eremit  849. 

Johannes,  Mönch  v.  Autim  36.  54.  56. 
60.  61. 

Johannes,  Münch  v.  St.  Benigne,  Chro- 
nist 11,356. 

Johannes,  Italien.  Münch  324. 

Johannes,  Scholasticus  v.Auxerre  278. 

Johannes  Gratiauus  s.  Gregor  VI. 

Johannes,  Mönch  v.  S.  Alessio  333. 

Johannes,  Mönch  v.  S.  Alessio  333. 

Johannes,  Mönch  v.  S.  Alessio  333. 


510 


Johannes  Crescentius  II,  8.  9. 
Johannes,  Herz.  v.  Gaeta  332  n.  4. 
Johannes  Gradenicus  328.  345. 
Johannes,   Hansminister  in  Salerno 

112. 
Johannes,  Maler  II,  377. 
Johannes,  Schtiler  d.  Romimld  351. 
linmo,  A.  V.  Gorze  II,  127.  251.  359. 

361. 
Jordan,  B.  v.  Limoges  II,  60.  70.  218. 
St.  Joss^  (Amiens),  KI.  II,  264. 
Joseph,  A.  V.  St.  Maria  329.  852  n.  I. 
Joseph,  S.  d.  Gr.  Elisierniis  89  n.  5.' 
Jotsald,  Biograph  Odilos  11,299.  302. 

342.  343. 
Jozfred  s.  Gosiried. 
Irmgard,  Gem.  Ottos  v.  Ilammerstein 

II,  158.   162.  103. 
Irun,  Bistum  in  Navarra  II,  108. 
Isaac,  B.  v.  Grenoble  88  n.  1. 
Isarnus,  B.  v.  Grenoble  13. 
Isembert,  B.  v.  Paris  265. 
Isembert,  B.  v.  Poitiers  II,  09.  70.  2 1  i<. 
Isembert,  A.  v.  St.  Trinit6  de  Ronen 

II,  50. 
Isenbardus,  Mönch  v.  Fleury  II,  349. 
Isle-Barbre,  Kl.  212;  11,74;  A.:  (?)An- 

tonius. 
Islo,  B.  V.  Saintes  11,61. 
Italien  2.  4.  6.  11.  14.  24.  72.  93.  98. 

99.  109.  HO.  121.  147.  H9.  1S5.  222. 

225.  284.  238.   257.   264.  293.  823. 

324.  329.  330.   334.   388.  389.  344. 

349.  354;  11,1.  3.  8.  10.  15.  17.  27. 

08. 161.  105.  172.  200.  205.  209.  254. 

275.  277.  279.   282.   283.  290.  299. 

315.  310.  323.   338.   354.  385.  880. 

388.  889  n.  3.  438.  442.  447. 
Iterius,  A.  v.  St.-Andr6-le-Bas  II,  75. 
Iterias,  Gr.  v.  Auvergiie  300. 
S.  Juan  de  la  Pena  (Aragon),  Kl.  II, 

1 04—  1 09;  A  e  b  t  e :  Patermis,  Aque- 

lin. 
tfudlcae'I,  B.  v.  Vannes  II,  55. 
Judith,  Gem.  d.  Mkgr.Hugo  331  n.l. 
Judith,  Gem.  Richards  II.  v.  d.  Nor- 

maudie  II,  47. 


St.  Judocus  II,  350. 

St.  Julien  de  Brioude,  Chorherrenstift 

39.  40.  75.  300  n.l.  303. 
St.  Julien,  Kl.  in  Tours  92.  93.  114 

—11«.  225.  240.  241.  247.  266.  275; 

II,  34.  85.  56.  03—65.  167.  885.  429 

n.  10.  438;  Aebte:  Ingenald,  Ev- 

rard,  Gansbert. 
St.  Julien,  Kl.  b.  Dijou  266. 
Jnlian,  d.  hl.  II,  15. 
Julli,  0.  in  d.  Diöc.  Chalon  s.  S.  II,  30. 
Jumi^ges,  Kl.  82.  83;  11,42.  49-51. 

83.  148.  892  n.  8;  Aebte:  Martin, 

Theoderich,  Wilhelm. 
Jara-Burgnnd  72. 
Jura  218.  265;  11,297.  856. 
St.  Justin  u.  Ptistor,  KI.  zu  Orma  II, 

107. 
Justinian,  rüm.  Kaiser  44. 
Jutta,  Gem.  d.  Mkgr.  Adalbert  11,181. 
Juvenal  II,  380.  862. 
Ivois  II,  164.  169. 
Ivrea   98.  215.  257.  319;   II,  1.  3.  5. 

16.  192.  195.  203. 

K. 

Kaddroe,  A.  v.  St.  Clemens  u.  Wauls- 
ort  155.  162.  163.  165.  182—185. 
195  n.  8.  824  n.  3;  11,861.  862. 

Kadolom,  Vicegr.  v.  Aulnaj  11,09. 
70;  Gem.:  Amelia. 

Kärnthen  II,  158;  Herz.:  Konrad. 

Kari  Martell  1.  24. 

Karl  d.  Grosse,  Kaiser  1.  3.  6  — S. 
80.  42.  289.  290.  300;  11,76. 

Kari  d.  Kahle,  Kaiser  10.  12.  15.  21. 
27-29.  31.  36.  87.  141;  11,76. 

Karl  III,  Kaiser  32.  157. 

Karl  der  Einfältige,  König  v.  Frank- 
reich 39.  40.  76.  142;  11,144. 

Karl,  Herz.  v.  Niederlothringen  278. 
282. 

Karl,  Gr.  v.  Vienne  207. 

Karlmann,  König  v.  Frankreich  31; 
II,  76. 

Karolinger  127.  141.  194.  239.  240. 
278.  289. 


511 


Knut,  König  v.  England  n.  Dänemark 

11,59.  102. 
Konrad  IL  II,  7  n.  3. 59. 130—132. 147. 

180.  182—187.  192.  195.  197.  198. 

200—202.  207.  235—237.  239—244. 

246.  247.  251.   255.   257.  274.  285. 

290.  294.  301.  340.  448. 
Konrad,  König  v.  Burgund  74.  207. 

21S.  219.  230.  232.  234.  337. 
Konrad,    Herz.  v.  Kärnthen  II,  15B. 

189. 
Konrad,  Herz.  v.  Lothringen  135. 155. 

170.  179.  188;  II,  184.  189. 
Knscl,  Abtei  188. 

L. 

La  Cava,  KL  b.  Salerno  II,  199.  200. 

471—474;  Aebte:  Alfer,  Leo. 
La  Croix-St.-Lanfroy  (Nonuandie), 

Kl.  II,  50. 
Laetus  274;  Gem.:  Ermengard;  S.: 

Abbo  V.  Fleury. 
La  Fert6  (Anvergne),  Kl.  II 57  n.  3. 

380. 
Lagneyville,  0.  in  Lothringen  154. 
I^ifinus,  Stifter  v.  Gigny  37.  66. 
I^mbert,  B.  v.  Langres  265.  268;  II, 

14.  21.  273. 
Lambert,  A.  v.  Flenry  89. 
Lambert,  A.  v.  Waulsort  II,  248.  249. 
Lambert,  Propst  v.  St.  Evre  II,  131. 
Lambert,  Eremit  147—149. 
Lambert,  Gr.  v.Chalon  241.  242;  II, 

92.  468—470;  S.:  Hugo. 
I^mbert,  Gr.  v.  Löwen  II,  1 39. 
I^mbert,  Gr.  v.  Valence  232. 
Laudrada,  Aiindrada,  Gem.  d.  Vicegr. 

iMajolns  v.  Mäeou  211  n.  6. 
Landricus,  Mönch  11,387. 
I^andrich,  Gr.  v.  Nevers  244;  11,17. 

19.  88.  41.  167. 
Landulf,  Erzb.  v.  Mailand  319.  823. 
Landulf,  B.  v.  Turin  II,  68.  206. 
Landiilf  I,  Fllrst  v.  Capua  96. 
Landulf  II,  Fürst  v.  Capua  1 1 3. 
Langres  176.  245.  260.  265.  268.  269; 

11,14.  17.  20.  119.   273.   274.   318. 


324.391.438;  B.:  Alberich,  Widri- 

cus,  Bruno,  Lambert,  Hugo,  Arduin. 
Laon  128. 129. 163. 182. 185. 189. 193; 

11,94.95.101;  B.:  Adelelmus,  Ro- 

rico,  Adalbero. 
JjSl  Reole  (St.  Peter  in  Squirs),  Kl. 

202.  204.  296.  297;  II,  68.  93.  430 

n.4.  431.  433.  434. 
St.  Laurentius,  Kl.  in  Cremona  323. 
St.  Lorenz  (Liittich),  Kl.  II,  175  -177. 

458;  Aebte:  Richard,  Stephan. 
St.  Lorenz,  Kl.  b.  Rom  102.  111. 
S.  Laurentius  de  Burgos  II,  111. 
St.  Lorenz  in  Fontenai  a.  d.  Mosel  1 47. 
St. Laurentius,  Kirche  in  Macon  11,36. 
Laurentius,  Erzb.  v.  Amalfi  II,  289. 
Lausanne  344;  II,  79.  2»»»;  B.:Hugo, 

Heinrich. 
Lausus,  Jerusalemfahrer  11,233. 
St.  Lautenus,  Celle  in  Burgimd  38.  66, 
Laymont  168. 

Le  Bourget  (Savoyen)  II,  SO. 
Leduin,  A.  v.  St.  Vaast  11,51.  137. 

140-144.   146—148,  169.  170.  295. 

459. 
Ledricus,  A.  v.  St.  Amand  133.  134. 

369. 
St.  L^ger  de  (-hampeaiix.  Kl.  243; 

II,  354. 
Le  Maus   12.  44;  11,36.  50.  66;    B.: 

Avesgaud. 
San  Leo,  Castell  257. 
Leo  I,  P.  279;  11,194. 
Leo  VII,  P.  90.  91.  99—101.  105.  107. 

108.   111.  155.  195.  240.   272.   279. 

294.  361.  363.  364.  437. 
Leo  IX.  (Bruno  v.  Toul),  P.  221 .  222 ; 

II,  126.  130.  132.   159  n.4.  181.  183. 

231.  240.  259.   275.  302.  303.  309. 

311—314.  317.  319—322.326.342. 

364—366.  459-462.  466. 
Leo,  B.  V.  Vercelli  321;  11,2.  13.  160. 

448. 
Leo,  A.  V.  St.  Andreas  102—104. 
Leo,  A.  V.  St.  Bonifacius   2S2.  293. 

332-334. 
Leo  1,  A.  V.  La  Cava  II,  200. 


512 


I^eo,  A.  V.  Sublaco  103. 

Leo,  A.  V.  St.  Vincenzo  am  Voltumo 

114. 
St.  Leode^ar  in  Enfouvelle  26H. 
St.  Leodegar  de  Champeaux   s.  St. 

Leger. 
Leodegar,  Krzb.  v.  Vieniie  II,  75. 
Leodegar,  Mönch  v.  Cluni  II,  83. 
Leotlierich,  P^rzb.  v.  Sens  II,  22.  86. 

167.  235.  300. 
Lcrins,  Kl.  230.  231;  11,81.  ,339.  340. 
Letald,  A.  v.  Thin-le- Montier  134. 

192.  193.  200.  20L 
Letald,  £rzb.  y.  Besan^on  307. 
Letald,  A.  v.  Bt.  Mesmin  200.  201. 
Letald,  Gr.  v.  Macon  72.74.211.217. 

468. 
Letbald  v.  Autuu  II,  232  n.  7. 
Letbald,  B.  v.  Macon  II,  191. 
I^tbald,  A.  V.  St.  Michel  de  Tonnerre 

269. 
Letbald  v.  Beaune  265. 269 ;  II,  20. 352. 
I/Ctgardis,  Mutter  Odos  I.  v.  Chartres 

246. 
Leudegar,  A.  v.  Deuil  123. 
Leudericus  s.  Ledricas. 
Leyre,  Kl.  in  Navarra  II,  104.  108. 
Lezat,   Kl.   80.  81;  11,63;   Aebte: 

Adacios,  Daniel,  Goarinus. 
Lietfried,  B.  v.  Pavia  223. 
Liethard,  Gr.  v.  Marcey  11,153.  155. 

237. 
Ligurien  11,297. 
Limburg  a.  IL,  Kl.  II,  244.  245.  248. 

254.  874  n.  l.   394—399.  454.  462; 

Aebte:  Poppo,  Johannes,  Gum- 

bert. 
Limoges  65.  76.  77.  80.  81.  83.  308. 

311;  11,59—61.  69.  163.  217—219. 

232.   332.   344.   404;    B.:    Turpin, 

Alduiu,  Jordan;   Vicegr.:   Ade- 

mar,  Wido. 
Limousin  308;  11,331. 
LisoiuB  V.  Amboise  II,  271  u.2. 
Listergau  II,  1 35. 
Liudger,  B.  v.  Como  II,  202. 
Liudolf,  B.  V.  Noyon  366. 


IJuthard,  A.  v.  Weissenburg  II,  247. 

Liutius,  Eremit  II,  473. 

lA>bbe8,  Kl.   171;  11,174—177.  8lo. 

403.  458;  Aebte:  Aletramm,  £r- 

luin,  Ingobrand,  Richard,  Hugo. 
Loches  (Tonraine),  Kl.  II,  87. 
Lochmenech  (Bretagne),  Kl.  11,55. 
I^cedia  s.  S.- Michael. 
Lodi  321  n.5. 
Lod^ve  86.  310. 
Löwen  II,  139;  Gr.:  I.«ambert. 
Loire,  Fl.  9.  29.  45.  71. 156.  186.  200. 

277.  323;  11,41.  214. 
Lomatschgau  122. 
Lombardei  234.  257.  323;  II,  12. 185. 

269, 
Looz,  Grfsch.  II,  176. 
St.  Lorenz  s.  Laurentius. 
I^thar  I,  Kaiser  6.  28.  157. 
Lothar  II,  König  157. 
lA)thar,  König  v.  Italien,  S.  Hugos 

98.  99.  103.  105.  108.  111;  11,453. 
Lothar  V,  König  v.  Frankreich  137. 

186.  188.  190.   191.  194.    197.   199. 

217.229.260.275.278;  11,117.  118. 
lA)thringen  12.  26.  124.  125.  135.  141. 

149.  156.  163.  165.  167.   178.   308. 

323;  11,114.  117.  145.  169.  170.  185. 

186.  210.  224.   233.  239.  253.  272. 

312.  314.  351.  357.   362.  393.  403. 

438.  439.  456.  457.  463. 
Lothringer  142.  144. 
Lothringische  Reformen  61.  174. 
Lonlai,  Kl.  in  Maine  11,36;  A.:  Wil- 
helm. 
Lucan  II,  362. 
Lucca  .318.  321  n.5.  324. 
Lucia,  d.  h.  II,  245. 
Lucia,  Gem.WilhelmsIlI.  V.  Provence 

II,  83. 
Lucrezia  47. 
Ludelm,  B.  v.  Toul  158. 
Ludolf,  Herz.  v.  Schwaben  135. 
Ludwig,  A.  V.  Gorze  150  n.2. 
Ludwig  d.  Blinde,  Kaiser  38.  4U.  97. 
Ludwig  d.  Fromme,  Kaiser  4.  U.  2s. 

30.  42.  53.  58.  62.  289. 


513 


Ludwig  d.  Deutsche  28.  30. 

Ludwig  d.  Stammler,  König  v.  Frank- 
reich 3L 

LudwigUI,  König  V.Frankreich  II,  76. 

Ludwig  IV,  König  v.  Frankreich  74. 
82.  85.  86.  101.  130.  134.  137.  142. 
187—189.  193.  207.  208. 

Ludwig  y ,  König  v.  Frankreich  246 ; 
II,  1 19. 

Ludwig,  Gr.  11,  l  ö2. 

Lüttich  122. 1 23. 136. 169. 183;  11,139. 
174. 177. 179.  256.  296.  322.  457;  B.: 
Stephan,  Richer,  Balderich,  Wol- 
bod,  Durand,  Raginar. 

Luiniacus  (Lyon),  Kl.  II,  74  n.  2. 

Lupus,  englischer  Bischof  II,  324. 

Lure-en-Comt^,  Kl.  II,  130  n.2. 

Luxemburg  11,182;  Gr.:  Sigfried. 

Luxueil,  Kl.  176. 

Lyon  44.  72.  74.  212.  225.  234.  260. 
310;  11,72—75.  165.  107.  189.  220. 
238.  256.  274.  275.  429;  Erzb.: 
Bnrchard  I,  Burchard  II,  Bur- 
chard  III,  Odulrich,  Halinard. 

M. 

Mabbo,  B.  v.  St.  Pol  195  n.3. 

St.  Macharius  II,  35S. 

Macon   37.  «7.   72.  74.  75.  207.  210. 

212-215.  225.  231.  271.  272.  303. 

315;  11,17.  36.  190.  191.  324.  443. 

469. 470;  B.:  Gerald,  Bemo,  Maim- 

bod,  Odo,  Ado,  Milo,  Letbald,  Ganz- 

lin,  Walter. 
Magdeburg  11,246.  250;  £rzb.:  Ta- 

geno. 
Magenard,  A.  v.  St.  Maur  248. 
St.  Maglorius,  Kl.  in  Paris  240. 
Magnus,  Vicegr.  v.  Dijon,   Prior  v. 

Beze  268. 
Magyaren  11.  335. 
Majelpotus,  A.  v.  Monte>Cassino  1 1 3. 
Mailand  7n.l.  319.  323.  349;  11,16. 

206. 
Maillezais,  Kl.  in  Poitou    247  n.  6; 

II,  63  — 65;    Aebte:   Theodelin, 

Humbert,  Goderann. 

Sftokar,  Cluuiaoensor.   II. 


Maimbod,  B.  v.  Mäcon  II,  190. 
Mainardns,  Erzb.  v.  Sens  II,  2:i3. 
Mainard  (I.),  A.  v.  St.  Wandrille,  Mont- 

St.-Michel  II,  42—44 
Mainard  II,   A.  v.  Mont-St- Michel 

U,48. 
Mainard,  A.  v.  Redon  II,  56. 
Maine,  Grfsch.  II,  35« 
Mainz  32.  135.  334;   II,  8.  158.  189. 

245.  321.  322;    Erzb.:   Friedrich, 

Bardo,  Aribo. 
Majolns,  A.  y.Cluni  56.  -:o5.  2Q9.  210. 

213—220.  222—234.  236.  237.  239 

—246.  248.  249.  251-256.  259.  260. 

308.  344.  347.  370—373;  11,3.  7.  32. 

37.  38.  40.  44.  45.  57.  81  n.  5.  82. 

83.  91.  92.  133.  190.  256.  261.  266. 

269.  276.  291.  293.  297—300.  303. 

303.  304.  806.  311-313.  328—331. 

337—341.  343.  344.  352.  357.  365. 

381.  408.  438.  449.  4.M-453.  455. 

472.  —  V.  MaioU  II,  840.  341.  843; 

Mir.  S.  Maioli  U,841. 
St.  Miyolus  (St.  Maria),  Kl.  b.  Pavia 

287.  840;  11,7.  880.  451. 
Majolus,  Cleriker  805. 
Majolns,  Vicegr.  v.  Mäcon  211. 
Majolus,  Vicegr  v.Narbonne  210.  21 1. 
Malancene  (D^p.Vaucluse),  Kl.  11,80. 
Malbod,  A.  v.  St.  Amand  II,  147. 
Malcalan,  A.  v.  St.  Michel   168.  182. 

183.  185.  186. 
Malenus,  B.  v.  Grenoble  II,  76.  80. 
Malm^dy  II,  894. 
S.  Mametis  in  Alfolz,  Kl.  II,  1 1 1 . 
Manasse,  B.  v.  Troyes  178;  Br.:  Hil- 

duin  V.  Champagne. 
Manasse,  A.  v.  St.  Benignus  201. 
Manasse,  Gr.  II,  153. 
Mancidlus,  A.  v.  St.  Allyre  85. 
Manegaud,  Gr.  II,  257. 
Manichäer  201. 

Manso,  A.  v.  Monte  Cassino  331.  851. 
Mansuetus,  d.  hl.  II,  363. 
St.  Mansuy  (Toni),  Kl.  176;  11,116. 

122.  130—132.  363.  365.  459. 
Mantios,  B.  v.  Aragon  II,  104. 

88 


514 


Mautna  4.  117.  324. 

S.  Marcelhis  in  Albiniacns  264. 

St.  Marcel  (Auxerre),  Kl.  II,  39   40. 

St.  Marcel  (Chalon  s.  S.),  El.  242. 

St.  Marcel  de  Sanzet,  Kl.  232;  II,  91. 

Marcey  s.  Lfethard. 

Marchienues,  Kl.  in  Cambrai  II,  142. 

143.  148  n.  4.  152.  295. 
Marcianas  Capeila  46. 
Marcill^  (Bretagne),  Kl.  II,  56  n.  5. 
Marcus,  Abt  348. 

S.  Maria  di  Pomposa,  Kl.  347;  11,279. 
St.  Maria  a.  Andreas  v.  Quinciacns, 

Kl.  II,  69. 
St.  Marie,  Kl.  in  Reims  189. 
St.  Maria,  Kirche  in  Keims  II,  265. 
S.  Maria  v.  Beymund,  Kl.  in  Castilien 

II,  111. 
St.  Maria  de  RipoU,  Kl.  in  der  span. 

Mark  106. 
St.  Maria,  Kl.  in  Rom  tl2  n.1. 
St.  Marie  b.  Salmaise  265. 
St.  Maria  u.  St.  Flavian,  Kl.  b.  Sax- 

fontaine  266. 
St.  Maria  anf  dem  Scaurusberge  102. 
St.  Maria,  Kl.  in  Soissons  190. 
S.Maria  Talnzati8(Lyon),  Kl.  II,74n.2. 
St.  Marie  en  Tardenois  193.  194. 
S.  Maria  di  Travo,  Kl.  II,  206. 
S.  Maria  de  Alaone,  Kl.  in  Aragon 

II,  108. 
St.  Maria  auf  dem  Aventin  102.  111. 

334.  337;  II,  288.  289. 
St.  Maria  (Cambrai),  Kl.  II,  140. 
St.  Maria  in  Coyse,  Kl.  II,  202. 
S.  Maria,  Kl.  a.  d.  Etsch  331  n.S. 
St.  Maria  u.  Benedict  in  Fleury  200; 

II,  382. 
St.  Marie,  Kl.  b.  Fouveut-Ie-Chätean 

268. 
St.  Maria  (Limoges),  Kl.  II,  70. 
St.  Maria  u.  Victor  in  Marseille  230. 
St.  Maria  ad  Montes  (Auvergne),  Kl. 

11,57  n.S. 
S.  Maria  de  Najera,  Kl.  II,  109. 
S.  Maria  de  Ovarra,  KI.  II,  107. 
St.  Maria  b.  Pavia  s.  S.  Majolus. 


S.  Maria  de  Yrache,  Kl.  II,  109. 
St.  Maria  Magdalena,  Kirche  in  Yer- 

dun  II,  322. 
Marinus  II,  P.  118  n.i. 
Marinus,  Herz.  v.  GaSta  332  n.4. 
Marinus  v.  Venetien,  Lehrer  Roma- 
aids 326.  328.  349. 
Marmontier  (Tours),  Kl.   239.   245. 

247.  251;  11,34.  35.  5«.  67  n.7.  92. 

415  n. 7.  429  n.  10.   438;    Aebte: 

Gilbert,  Berner,  Gansbert. 
Marne,  Fl.  248. 

Maroilles,  Kl.  in  Cambrai  II,  144.  145. 
Marozia,  Gem.  Alberichs  I.  97—99. 
Marronen,  Volksstamm  111. 
Marseille  10;  11,230.  267. 
Marsia  am  Fucinersee  314. 
Martialis,  d.  hl.  312;  II,  70.  217. 
St.  Martialis,  Kl.  in  Limoges  b  i .  82. 

308;  11,61.  67.  7(».  363.405;  Aebte: 

Aimo,  Hugo,  Jozfred. 
St.  Martin,  B.  v.  Tours  40.  48.  101. 

107.  110.  112.  115.  116.   119.  308; 

11,96.  331.  334.  385. 
Martin,  A.  v.  St.  Cyprian  82.  83. 
Martinus,  Eremit  II,  :>78. 
St.  Martin  d'Autnn,  Kl.  34.  36.  38.  50. 

54.  207  n.4;  A.:  Hnmbert. 
S.  Martin  de  Fromestra  II,  1 M . 
St.  Martin,  Kl.  in  Limoges  II,  Hl 
St.  Martin,  Kl.  in  Macon  207.  215. 
St.  Martin,  Kl.  in  Massay.64.  66;  II, 

33;  A.:  Ingo. 
St.  Martin,  Kl.  in  Metz  148.  156. 
St.  Martin,  Chorherrenstift  in  Totirs 

45—47.  49.  93.  106.  107.  114.  23«. 

240.  385.  344;  II,  331.  344.  348.  3b«. 
St.  Martin,  Kl.  in  Trier  145;  11,233. 
S.  Martin  de  Triezo,  Kl.  II,  111. 
Mas-Garnier,  Kl.  81. 
Massay  s.  St.  Martin. 
Matfried,  lothr.  Gr.  143.  157. 
St.  Mathias  s.  St.  Eucharius. 
Mathilde,  Gem.  Konrads  v.  Burgund 

234. 
Mathilde,  Tochter  Konrads  II.  11, 243. 

257.  258. 


515 


Mathilde,  Gem.  des  Pfalzgr.  Ezzo 

II,  183, 
Manbeuge  126. 
Maoms,  d.  hl.  II,  196. 
St.  Maur-des-Foßs^s,  Kl.  247—251. 

»35;   11,45  n.5.  92.  438;  Aebte: 

Magenard,  Tento,  Theobald,  Hil- 
debert. 
St.  Maur  (Glanfeil),  Kl.  36. 
Maaren  II.  280.  231;  11,101.  102. 
St.  Maurice  (Wallis),  Kl.   10.  343; 

II,  323. 
St.  Mauritius,  Kl.  in  Toul  157. 

loges. 
St.  Mauritius  und  Bodingns  s.  Vas- 
St.  Maxent  (Poitiers),  Kl.  II,  65. 
St.  Maximin,  Kl.  in  Trier  158.  167; 

n,  179-188.   244.   245.   247—249. 

254. 294.  296.  398.454.463;  Aebte: 

Haricbo,  Poppo,  Theoderieh. 
St.  Maxhnin  (Eiez),  Kl.  II,  82. 
Mazolin,  Herz.  v.  Tiroli  845. 
Meanx,  Bistum  11,34. 
St.  M^dard,  Kl.  II,  209;  A.:  Richard. 
St.  M6en  (Bretagne),  Kl.  II,  56. 
Meinwerk,  B.v. Paderborn  II,  157  n.8. 
Melun  247.250;  II, 2 1 3 ; Gr.: Burohard. 
Melus,  Bürger  von  Bari  II,  172. 
Mende,  Bistum  88;  B.:  Stephan. 
Mercoeur  (D^p.   Haute -Loire)    300. 

302.  308;  11,68. 
Mersen  141. 
St.  Mesmin  (Micy),  Kl.  198—201;  II, 

51.  93.  349;  A.:  Robert. 
Mesvres,  Kl.  in  d.  Diöc.  Autun  II, 

37.  39. 
Metellianüm  b.  Salemo  II,  472. 
Metz  82.  140.  148.  145—149.  151.  155. 

161—168.  165.  166.  169.  172.  178. 

184.  192.  224.  342.  374  n.l;  II,  114. 

118.  120—122.  128.  184.  177-179. 

248.  255.  275.  309.  822.  862.  457; 

B. :  Adalbero  I,  Theoderich  I,  Adal- 

bero  II,  Theoderich  II. 
8t*  Mlebael)  Michel,  Mlchele,  Mi- 

hiel. 
S.  Michael  b.  Bagno  327. 


S.  Michele  delle  Chinse  11,67.  199. 

471. 
St.  Michel  de  Cnsan,   Kl.  326.  328. 

849. 
St.  Michael  in  Eremo,  Kl.  190. 
S.  Michele  in  Looedia  286.  258.  259. 

352. 
St.  Mihiel  a.  d.  Maas,  Kl.  11,146. 153. 

168.  180.  867. 
St.  Michael  auf  dem  Monte-Gargano 

110.  148.  263.  829.  839.  362.  363. 
St  Michael  a.  d.  Sadne  218. 
St.  Michael  am  Sangro,  Kl.  108. 
St.  Michel-en-Thi6raohe,  Kl.  181. 182. 

185.  186. 
St.  Michel-de-Tonnerre,  Kl.  262.  267 

—269. 
St.  Michael  in  Vallaluca  830. 
Micy  s.  St.  Mesmin. 
S.Millan  deCogoIla  II,  108.  109:  A.: 

Ferrutius. 
Milo,  B.  y.  Mäoon  II,  191. 
Milo,  B.  V.  Minden  II,  859. 
Milo  I,  Gr.  V.  Tonnenre  269. 
Mirabeaa,  Burg  in  Burgnnd  11,213. 
Mizoscnm  (Viviers),  Kl.  II,  81  n.l. 
Modena  328;  B.:  Johann. 
Moissac  (Cahors),  Kl.  11,68;  A.:  Du- 

randns. 
Moivron  150.  154. 
Molgone  s.  St.  Jean. 
Molosmes,  Kl.  267. 
Molsheim  (Elsass)  221. 
Mons  (Hennegau)  11,119. 
Montaniacus,  Dorf  801. 
Monte  Amiata  109. 
Mont-Blandain  s.  St.-Pierre-au-Mont- 

Blandain. 
Monte  Cassino,  Kl.  8.  61  n.  2.  95.  96. 

98.  99.  112—114.  148.  195. 196.  828. 

880. 845.  851;  Aebte:  Theudemar, 

Balduhi,  Aligemus,  Manso,  Theo- 
bald. 
Monte  Cello,  Kl.  in  Italien  103. 
Mon^Ceni8  10.  108;  11,199. 
Monte  Pizi  324. 
Montfancon,  O.in.Frankr.  148;  II,  138. 

83* 


516 


MontgloDoe,  Kl.  in  Frankreich  197. 
Mont-Saint-Hichel  (Nonnandie),  Kl. 

11,43.  4S— 51.   56.    389;    Aebte: 

M&inard  I.  n.  II,  Hildebert  I.  n.  II, 

Snppo. 
Mont-St.-Qnentin  (Noyon),  Kl.   19U; 

264.  266. 
Montferrat  10;  11,269. 
Montierender,  KL  176. 177;  II,  123. 167. 

209.  323.364.376.  391.430;  Aebte: 

Benzo,  Albericb,  Adso,  Dndo. 
Montmajonr  (Mftrseille),  Kl.  231;  II, 

81  n.5. 
Hontriond,  0.  in  Bnrgnnd  11,268. 
Horald,  A.  v.  S.  Vincenzo  II,  473. 
Horand,  A.  v.  St.  Germain  II,  33. 
Moulins  154. 
Moutier-la-CeUe,Kl.  176. 177;  Aebte: 

Benzo,  Odo. 
Moutier-St'Jean  (Reoman),  Kl.  243; 

11,18.  162  n.  2. 
Monzon,  Kl.  134.  186.  192.  193;  II, 

155.  263;   Aebte:  I^etald,  Boso, 

Johannes,  Rudolf. 
Moyenmoutier,Kl.  166— 168;  11,123. 

1 30—  1 32. 3 1 5. 365. 366. 459;  Aebte: 

Adalbert,  Widerich,  Norbert,  Harn- 

bert. 
Hnrbach,  Kl.  im  £lsas8  220;  11,338. 
Murten  11,236.  237.  242. 
Mysach,  A.v.Gembloox  11,178.426. 

N. 
Najera  (Spanien)  II,  102. 
Namor  122. 123. 183;  Gr.:  Berengar, 

Robert. 
Nantes  II,  320. 
Nanteuil  297. 

Nanther,  A.  v.  St.  Mihiel  11,153. 367. 
Nantoa  (Jnra),  Kl.  II,  78.  297. 
Narbonne  81.  86.  309. 
Navarra  11,68.  102.  103.  106.  108. 
Navigena  11,16. 
St.  Nazarins  in  Rossano  329. 
Neapel  11 J.  148.  862;  II,  198. 
Neapolitaner  114. 
Nepi  102.  104.  111. 


Nenbnrg  a.  d.  Denan  II,  8. 
Neuenbarg(Neafchatel)  11,79. 236. 287. 
Neuvelle-Ies-Champlitte,  0.  in  Bnr- 
gnnd 268. 
NeuTi  (D^p.  du  Loiret)  II,  383. 
Neuville  168. 
Nevers  72.  245;   II,  17.  36.  41.  167. 

318.  390.  382;  Gr.:  Umdrich,  Re- 

ginald,  Ganzfred. 
Nicediiis,  S.  Bieters  301. 
St.  Nicolas  (Poitiers),  Ohorherrenstift 

II,  67. 
Nicolaus  I,  P.  282. 
Nicolaus  II,  P.  159  n.  4. 
Nicophorus,  griech.  Statthalter  33o. 
Nienburg,  Kl.  11,246;  A.:  Albnin. 
Niethard,  ital.  Gr.  II,  3—5. 
Nilus.  d.  hL  324.  329—334.  338-340. 

355. 
Nivardus,  £izb.  v.  Reims  II,  364. 
Nivardus,  Bildner  II,  402. 
Nizza  230;  11,267;  B.:  Nithard. 
Nonnette,  Vicaria  83  n.  5. 
Norbert,  A.  y.  St.  Gallen  II,  252. 254. 
Korbert,  A.  v.  Moyenmontier  II,  132. 
Normandie  13.  82.  83.  135.  140;  II, 

24.  41.  53.  56.  71.  89.  210.  232.  292. 

353.  392;  Herz.:  Rollo,  Wilhelm  I, 

Richard  I,  Richard  II,  Richard  III, 

Wilhehn  IL 
Normannen  9—11.  13.  16.  29.  30.  32. 

34.  36.   45.    88.  89.  128.  134.  169. 

173.  187.  196.  197.  245.  267;  II,  18. 

33.  41.  45.  49.  54.  263.  323. 
Notger,  B.  t.  Lüttich  334;  II,  474. 
Notker  Labeo,   Mönch  v.  St  Gallen 

11.251.  253. 
Notger,  kais.  Gleriker  340  n.  1. 
Notrann,  A.  v.  St.-Pierre-le-Vif  2o8. 
Novalese,  Kl.   10;  II,  201.  454;  ef. 

Breme. 
Novara,  Bistum  257.  321  n.5;  II,  12. 

13.  16;  B.:  Peter. 
Noyon  U,  185  n.  1.  220. 264;  B.:  Hugo, 

Rudolf. 
Nursia  53.  62. 
Nymwegen  II,  295. 


517 


0. 

Oberitalien  6.  111.  223.  224.  287.  823; 
II,  186.  206.  451.  452. 

OberlothriDgen  141.  145.  160.  195; 
204;  II,  125.  821. 

Octavianus,  B.  v.  Ivrea  II,  5. 

Odulrich,  Erzb.  v.  Lyon  II,  243  n.  2. 
274.  275. 

Odalrich,  Erzb.  t.  Reims  192. 

Odelrich,  B.  v.  Asti  II,  15. 

Odalrich,  B.  v.  Cremona  823. 

Odolrich,  B.  v.  Orleans  II,  232  n.  7. 

Odulrich  v.  St.  Julien,  Maler  II,  377. 
885. 

Oddo,  A.  V.  Breme  II,  202. 

Oddu,  HOnch  v.  Fleury  II,  349. 

Oddo  II,  Mrkgr.  v.  Turin  II,  15. 

Oddo,  Yicegr.  y.  Beaune  264;  Gem.: 
Hingala. 

Oddo,  S.  Hnmberts  y.  Aosta  II,  80. 

Oderisius,  Gr.T.Marsicanum  325  n.l. 

Odgiva,  Gem.  Balduins  IV.  y.  Flan- 
dern II,  148. 

Odilbert,  Erzb.  v.  Mailand  7  n.l. 

Odilbert,  A.  v.  Gorze  II,  122.  127. 

Odilo,  A.  y.  Breme  11,201.  202.  454. 

Odilo,  A.  v.Cluni  56.  84  n.2.  215.  227. 
228.  234.  235.  237.  242.  296.  298— 
801.  308—307.  310.  311.  313.  336 
—338.  340—344.  847.  850—352  n.  1. 
854;  11,6-10.  19.  20.  22  n.l.  23. 
32.  83.  85.  87-41.  57.  58.  68.  (16— 
74.  76—79.  81.  82.  88.  90-98.  108 
—105.  111.  112.  183.  184.  137.  159. 
167.  168.  304  n.5.  305  n.l.  829.  337 
—344.  355.  857.  872.  373.  375-377. 
380.  386.  399  n.l.  401.  408.  489. 
440.  450—457.  468.  464.  471.  472. 

Odilo,  A.  V.  Stablo  169.  170. 

Odo,  A.  V.  Cluni  19.  20.  22.  26.  27. 
34.  35.  43—49.  ft2.  54—56.  60—67. 
69—71.  78.  75.  77.  78.  80-82.  85. 
86.  88—93.  99-115.  118.  119.  121. 
122.  145.  160.  161.  195.  203.  205— 
207.  209.  215.  217.  218.  224.  240. 
254.  255.  277.  279.  297.  830.  351. 
359—364;  11,25.  84.  183.  195*.  223. 


225.  328.  330—838.  343—345.  872. 

382.  401.  407.  408.  487.  —  V.  Odo- 

nis  II,  337. 
Odo,  Erzb.  v.  Canterbury  277.  278. 
Odo,  B.  V.  Mäcon  11, 190. 
Odo,  A.  V.  Moutier-la-Celle   177;  II, 

868. 
Odo,  MOnch  v.  Antun  86. 
Odo,  König  y.  Frankreich  39.  41.  245. 
Odo  I,  Gr.  V.  Blois  u.  Chartres  198. 

246.  284.  288.  294;  11,64;  Gem.: 

Bertha. 
Odo  II,  Gr.  y.  Champagne  II,  34.  68. 

209.  235.  236.  239.  241.  242.  263— 

266.  270.  271.  291.  292.  340. 
Odo,  Gr.  y.  Ori^ana  89. 
Odo,  Gr.  y.Vermandois  II,  118. 
Odoleus,  A.  y.  St.  Basle  191. 
Odoleus,  A.  y.  St.  M6dard  de  Sois- 

sons  191  n.6. 
Odorann,  Mönch  y.  Sens  II,  404. 
Odolrich,  Odulrich  s.  Odalrich. 
Odwin,  A.  y.  St.  Bayo  128  n.3. 
Odylard,  A.  y.  St.  Peter  zu  Chälons 

11,268.  291.  318. 
Oglio,  Fl.  347;  II,  X 
Ogo,  A.  y.  St.  Maximin,  B.  y.  LUttich 

153.  167.  183. 
Olbert,  A.  y.  Gemblonx  II,  174.  176. 

178.  310. 
Olderich  Manfred  II,  Mrkgr.  y.  Turin 

11,15.  208-205;  Gem.:  Bertha. 
Oliba,  Gr.  828. 
St.  Omer,  Rl.  in  Flandern  128.  133. 

134. 
Oila,   Kl.  in  Castilien   11,109.  llo; 

Aebte:  Garsian,  Idigo. 
Orange,  Bist.  11,81. 
Orbe,  0.  in  Burgund  844. 
Orco,  Fl.  II,  4. 
Orieh,  Normanne  9. 
Orleans  20.  89.  196.  199  —  201.  271. 

273.  274.  284;    II,  51.   85-87.  93. 

209.  275.  429.  448;  B.:  Theodulph, 

Arnulf  1,  Arnulf  II,  Fulco. 
Orma  s.  St.  Justin. 
Orsieres  a.  d.  Dranoe  228. 


518 


Orta,  See  v.  257. 

Orvieto  827. 

Osimo  II,  278. 

Osmund,  engl.  Bischof  II,  47. 

Ostorgius,  Vicegr.  v.  Auvergne  84; 

Gem.:  Asenda. 
Ostorgius,  fabelh.  H.  y.  Sicilien  II, 

229. 
Oswald,  Erzb.  v.  York  277.  278. 
Otbert,  B.  V.Verona  318  n. 4. 
Otbert  I,  Mrkgr.,  Aledramide,  S.  An- 

selms  I.  II,  15. 
Otbert  II,  Mrkgr.,  Aledramide  II,  206; 

S.:  Adalbert. 
Otbert  I,  Gr.  v.  Asti(?)  II,  15. 
Otbert  II,  Gr.  v.  Asti(?)  II,  15. 
Otbert  II,  Mrkgr.  v.  Este  II,  12. 
Otbertiner  II,  2U8.  269. 
Otgar,  A.  V.  St.  Pons  86. 
Othelbold,  A.  v.  St.  Bavo  II,  148. 
Otmarsheim  i.  £.  II,  395. 
Otto  I,  Kaiser  138.  144.  155.  159.  163. 

165.  166.  170.  171.  173—175.  179. 

183.  184.  187.  188.  218—220.  223. 

224.  226—228.  233.  243.  257.  314. 

319.  34-2;  II,  6.  76.  115.  116.  122. 

182.  184.  251.  342.  444.  449—451. 
Otto  II,   Kaiser    138.  226.  228.  233. 

235.   341—343;    II,  117.    196.  450. 

452.  453. 
Otto  III,  Kaiser  168.  237.  292.  313. 

319.  321.  832-341.  343.  345—347 

n.2.  849-851.  354.  855.  450.  458. 

472. 
Otto,  Herz.  v.  Kärnthen  II,  158  n.  1. 
Otto  Wilhelm,  Gr.  v.  Bargund  260. 

264.  265.  267.  304;  II,  1.  3.  15.  19. 

20.   36.   38.   41.   67.   78.   129.  187. 

468—470. 
Otto,  Gr.  V.  Burgund  II,  36.  468. 
Otto,    Gr.  V.  Hammerstein    II,  158. 

162.   163.   189.  448;    Gem.:   Irm- 
gard. 
Otto,  lothr.  Gr.  166. 
Otto,  Gr.  11,180. 
Ottonen    219;   II,  6.   147.   179.  244. 

441. 


St.  Ouen   (Ronen),   Kl.   II,  44.   50; 

Aebte:  Mainard,  Hildebert. 
Ovid  II,  330.  362. 
Oylbold,  A.v.Fleury  273.275-277; 

II,  345.  348.  349.  402. 

P. 

St.  Pachomins  II,  858. 
Paderno,  St.  Italiens  II,  16. 
Paderborn  11,246;  B.:  Rudolf. 
Palencia,  Bistum  11,110. 
Pamplona,  Bistum  11,104-106.  108; 

B.:  Sancho. 
St.  Pancratius,  Kl.  b.  Rom  II,  2SS. 
Pandulf  I,  FUrst  v.  Capua  830. 
Pandulf  IV,  Fürst  v.  Capua  II,  1 98. 1 99. 
Pannonien  11. 

StPantaleon  (Orange),  Kl.  II,  81  n.4. 
Paray-le-Monial,  Kl.  in  Chalons  s.  S. 

241.  242;   11,40.  41.  92;    Prior: 

Adraldns. 
Paris  10.  12.  46.  240.  245.  247.  248. 

251.  265.  274.  291;  11,235.  262. 
Parma  235.  321  n.6.  323;  II,  280;  B.: 

Sigfried. 
Patemus,  A.  v.  S.  Jnan  de  la  Peila 

II,  UI4— 106.  108.  109. 

Paulus,   d.  hl.,  V.  Orleans  195  n.  3. 

196;  11,349. 
Paulus,  Eremit  II,  358. 
Paulus,  Eremit  349. 
St.  Paul,  Bistum  11,81. 
St.  Paul  de  Bouteville  (Saintonge), 

Kl.  II,  76. 
St.  Paul,   Kl.  in  Rom  10.  101.  109. 

III.  112  n.l.   163.   224.  340.  362; 
II,  325.  336.  372. 

St.  Paul,  Kl.  in  Verdun  II,  118.  122. 

134. 
St.  Paul  s.  Roger. 
Pavia  7.  9.  12.  13.  108.  109.  179.  184. 

217.  223.  224.  226.   234.  236.  237. 

258.  326—331.  340.  343.  847;  11,16.* 

159.  169.  192.   314.  342.  343.  352. 

451.  452. 
P6lerie  (Bretagne),  Kl.  II,  56  n.  5. 
Pefia  s.  S.  Juan. 


519 


St.  P6re,  Kl.  in  Chartres  190;  II,  429 
n.  tO.  430  n.  3;  Aebte:  Alveus, 
Arembert,  Widbert. 

Pereiim  344—346. 

P6rigord  11,59.  61.  62. 

Perintia  (Perenza),  Gem.  Roberts  v. 
Volpiano  257.  25S;  11,1. 

Pörigueux,  St.  in  Frankreich  9.  80. 
83;  IT,  76.  218;  Gr.:  Wilhebn, 
Bemard. 

Persins  11,366. 

Perugia,  St.  Italiens  II,  280. 

Pewro  II,  278.  283. 

Pescara  (Casaaria),  Kl.  in  Mittelita- 
lien 95;  11,196.  198. 

Peterlingen,  Kl.  217—219.  233—235. 
337.  348;  II.  6.  76.  79.  92.  1S7.  189. 
195.  237.  289.  290.  802.  374  n.  1. 
382  n.  13.  412  n.  5.  449.  450.  451. 

Petms,  Peter,  St.  Petras,  St.  Pe- 
ter, St.  Pierre. 

St.  Peter  u.  Paul  (Arles),  Kl  II,  83. 
St.  Peter  de  Avellana,  Kl.  325  n.l. 
St.  Pierre  au  Mont-Blandaiu,  Kl.  in 

Gent  61.  128—131.  133.  135.  136. 

138.  140.  869;  II,  137. 138.  141, 147. 

152.  263.  415  n.  5. 
St.  Peter  in  Bncilly,  Kl.  181.  184. 
St.  Peter,  Kirche  in  Fleury  II,  200. 

274.  382.  383.  385. 
St.  Petrus,  Kirche  im  Gau  v.  Lyon  44. 
St.  Pierre  de  La  Conture,  Kl.  in  Maine 

II,  35;  Aebte:  Gosbert,  Ingelbald. 
St.  Peter  Ciel  d'oro,  Kl.inPavia  108. 

III.  235  n.  5.  286.  237.  3.17;   11,7. 
8.  451;  A.:  Azzo. 

St.  Peter  in  Gigny,  Kl.  37.  38.  43.  63. 

66-68. 
St.  Peter  de  lacu,  Kl.  325  n.l. 
St.  Peter,  Kl.  in  Le  Hans  247  u.  6. 
St.  Peter  in  LUttich  169. 
St.  Peter,  KL  zu  Melun  250. 
St.  Peter,  Nonnenabtei  in  Metz  1 47. 

165.  174.  184;  11,123. 
St.  Peter,  Kl.  in  Modena  323. 
St.  Peter  (Chälons  s.  M.),  Kl.  II,  262. 

;^91;  A.:  Odylard. 


St.  Peter  in  Rom   10.  120;  II,  389. 

402. 
St.  Peter  u.  St.  Saturnin  (Us^z)  II, 

81  n.  2. 
St.  Pierre-le-Vif,  Kl.  in  Sens  92.  203. 

204;  11,33.  235.  242  n.2;  Aebte: 

Samson,  Arigaud,  Ingo. 
St.  Peter  in  Sqnirs  s.  La  R^ole. 
St.  Peter  de  Tabema,  Kl.  II,  1 07. 
St.  Pierre  la  Tour  303  n.  7. 
Petrus  Damiani,  Cardinalb.  y.  Ostia 

333.   386;    11,279—288.  320.   375. 

385.  447. 
Petrus,  Cardinallegat  II,  87. 
Peter,  B.  v.  Novara  II,  12. 
Petrus  Rogerlus,  B.  v.  Toulouse  II, 

83  n.  1. 
Petrus,  B.  v.  Vercelli  II,  2. 
Petrus,  A.  v.  S.  ApoUinare  in  Classe 

227  n.  6. 
Petrus  Venerabilis,  A.  v.  Cluni  27; 

II,  423. 
Petrus,  A.  v.  St.  Michel  de  Tonnerre 

269. 
Peter,  A.  v.  Thiers  II,  58. 
Petrus,  Propst  v.  St.  Andr6  de  Ro> 

Sans  II,  82. 
Peter,  Propst  v.  Pavia  II,  343. 
Petrus,  Mönch  v.  Gluni,  Presbyter 

109. 
Peter,  Herz.  v.  Ravenna  227  n.6.  348. 
Petra  Pertusa  II,  280. 
Petronilia,  Gem.  Gotfrieds  v.  Angou- 

leme  II,  76. 
St.  Pharaildis  128. 
St.  Philipp  u.  Jacob  in  Rom  102. 
Piacenza  323.  338.  343;  B.:  Johannes, 

Sigfried. 
Piemont  10. 

Pier  Orseolo  I,  Doge  v.  Venedig  328. 
Pier  Orseolo  II,   Doge  v.  Venedig 

349. 
Pilgrim,  Erzb.  v.  Cöln  II,  154,  176. 

183.  184.  187.  246.  461. 
Piombino,  Golf  v.  1 09. 
Pippin,  König  1.  4.  24;  II,  441. 
Pippin  V.  Landen  12J. 


520 


Pisa  318.  324. 

Pitiviera  11,271  n.2. 

Pitres,  Castell  a.  d.  Seine  12.  31. 

Plectrudis,  Mutter  Gerhards  v.  Brogne 

122. 
Po,  FL  223. 
Podium  Odolenum  (Orange),  Kl.  II, 

81  n.4. 
Poitiers  36.  78.  80.  82.  83.  296.  312; 

II,  64.  67.  68.  70.  93.  218—220.  232. 

323.  429;  B.:  Froterins,  Isembert. 
Poitou  76;  11,63.  69.  71. 
Polen  336. 

Poliacus  (Lyon),  Kl.  II,  74  n.  2. 
Poligny,  0.  in  d.  Diöc.  Besan^on  II,  36. 
St.  Pons  de  Tbomi^res,  Kl.  86. 
Ponthieu,  Grfsch.  II,  265;  Gr.:  Fuloo. 
Pontius,  Gr.  v.  Toulouse  63. 
Poppo,   Erzb.  V.  Trier  II,  131.  182. 

233.  250. 
Poppo,  B.  V.  Utrecht  II,  861. 
Poppo,  A.  V.  Stablo  141;  II,  100.  132. 

135.  187.  146.  164.  174—179.  181. 

183.  186.  187.  189.  233.  240.  244— 

261.  275.  284.  290.  292—296.  822. 

894.  397.  899.  439.  440.  448.  454. 

465.  467.  461—363. 
Porphyrius  11,358.  362. 
Porto  111;  11,229;  B.:  Johann  IV. 
Posthumian,  Autor  110. 
Poutieres,  Kl.  34.  42;  11,820. 
Prag  334. 

Pressburg,  St.  a.  d.  Donau  II,  325. 
Pressy  (Autun),  Kl.  20.  201. 
St.  Privat  II,  168. 
Provence   10.  13.203  —  232;   11,82. 

S8.  Vn.  268.  375;  Gr.:  Wilhelm  I, 

Wilhelm  II,  Wilhelm  III. 
Prüm  Crrier),   Kl.  11,127.  247.  251; 

A.:  Immo. 
Pseudo-Isidor  279.  281.  282;  11,306. 

308  n.  2. 
Puisieux,  0.  in  Burgund  265. 
Le  Puy   262.  302.  308.  809;   H,  379 

n.5.  429;  B.:  Wido. 
Pyrenäen  11,59.  102—104.  118. 
Pythagoriier  II,  95. 


Quaranta  II,  16. 

St.  Quentin  s.  Thin-le-Moutier. 

Quiberon  (Bretagne),  Kl.  11,56. 

Quierzy  79. 

Qnimperl6  (Bretagne),  Kl.  II,  56. 

Qninciacus  s.  St.  Maria. 

St.  Quintinus  in  Insola  190. 

B. 

Rabanus  Manrus  II,  32S. 
Racnlf,  Vicegr.  V.  Mäcon  211. 
Radinous,  Cleriker  v.  St  Symphorian 

148.  149. 
Raflfred  (Ratfred),  A.  v.  Farfa  96. 104. 
Ragimbald,  Dienstmann  188. 
Raimbald,  Mönch  II,  338  n.  2.  340. 
Baginar,  Rainar,  Ratner. 
Raginar,  B.  v.  Ltittich  II,  139.  175. 

176.  458.  459. 
Rainar,  A.  v.  St.  Trond  1 73. 
Rainer,  Mrkgr.  v.  Tuscien  327.  328. 
Raginar  I,  Langhans,  Gr.  v.  Henne- 

gan  142;  S.:  Giselbert. 
Raginar  II,  Gr.  v.  Hennegan  171. 
Rainer  III,  Gr.  v.  Hennegau  127;  II, 

119. 
Rainer  IV,  Gr.  v.  Hennegau  II,  185. 

246. 
Raginired,  B.  v.  Chartres  196.  197. 
Raimodis,  Gem.  Fulchers  210.  211. 
Raimodis,  T.  d.  Vicegr.  Majolus  v. 

Mäcon  211  n.6. 
Raimund,  B.  v.  Limoges  34. 
Raimund  Pontius,  Herz.  v.  Aquitanien 

75.  80.  83.  85.  86.  S8;  Gem.:  Ger- 

sindis. 
Raimund,  Gr.  .34;  Gem.:  Berteiz. 
Rainald,  B.V.Angers  198. 199;  11,65. 
Rainald,  B.  v.  Paris  247.  249.  313; 

11,411  U.8. 
Rainald,  A.  v.  Ainay  II,  74. 
Rainald,  A.  v.St.  Jean  d'Ang^ly  II,  69. 
Rainald,  Prior  v.  Cluni  II,  82. 
Rainald,  Gr.  v.  Burgund,  S.  Otto  Wil- 
helms 265;  11,36.  356. 
Rainald,  Gr.  v.  Nevers  II,  41. 


521 


Rainald,  Gr.  v.  Ronoy  260. 
Rainald,  Gr.  v.  Sens  II,  255.  242  n.  2. 
Rainald  v.  ChatiUon-sar-Seine  266. 
Rainald  v.  Marsicannm  325  n.  1 . 
Rainard,  A.  v.  St.  Pierre-le-Vif  204. 
Rainard,  Mönch  ▼.  St.  Columba  203. 

204. 
Rainard,  Gr.  ▼.  Sens^  II,  22. 
Rambert,  B.  v.  Verdmi  II,  256. 
Rambert,  A.  v.  Senones  166. 
Ramiro,  K.  v.  Aragon  II,  105—107. 
Ramnnlf,  Herz.  v.  Aquitanien  89. 
Ramsay,   Kl.  in  England  277.  278; 

11,319.  847;  Prior:  Germanns. 
Ranger,  A.  v.  Senones  166. 
Ratbod,  A.  y.  St.  Amand  II,  147. 
Ratbumas,  Vicegr.  v.  Lyon  72. 
Ratber,  B.v.  Verona  168;  11,447. 
Ravanger,  A.  v.  Eohtemach  II,  182. 
Ravenna  199.  227.  235.  236.  272.  814. 

320.  825.  826.  328.  334.  337.  344— 

348.  358;  11,9-11.  278.  279.  2S1. 

284.  814;  Erzb.:  Honeetns,  Geb- 

bard,  Wigger,  Humfred. 
Ravennaten  11,388. 
Recimnnd,  A.  v.  S.  Maria  von  Rey- 

mund  II,  111. 
Redon  (Bretagne),  Kl.  11,56;  Aebte: 

Mainard,  Catwallo. 
Regenold,  Gr.  189. 
Regensbnrg  11,242.  246.  249.  251. 
Reggio  321  n.5. 
Reginald,  A.  v.  St  Bertin  139. 
Reginald,  Kriegsmann  II,  50;  Gem.: 

Hersinde. 
Reginbald,  Erzb.  v.Arles  II,  83.  267. 
Reginbald,  B.  v.  Speier  II,  247. 
Reichenan  II,  127.  247.  822. 
Reims  23.  181.  186.  189.  191.  192. 

194.   195.  204.   213  n.  6.  247.  249. 

252.   260.  274.  278.  280.  282.  292. 

352;  II,  188.  134.  139.  144. 169.  171. 

209.  216.  265.  320.  393.  429;  Erzb.: 

Fnlco,  Heriveus,  Senlf,  Hugo,  Ar- 

told,  Odabrich,  Adalben),  Arnulf, 

Gerbert,  Ebalns. 
Kefssbaeh  3. 


St.  Remaclus  11, 252. 

St.  Remi,  Kl.  134.  188.  189.  192.  198. 

195  n.8;  11,209.  316.  393;  Aebte: 

Archembald,  Airaud,  Herimar. 
Remigius,  d.  hl.  186—188.  190. 
Remigius,  Mönch  v.  Flenry  296. 
Remigius,  Lehrer  Odos  46.  146;  II, 

835. 
Remiremont,   Kl.  in  Lothringen  II, 

315. 
La  R^ole  s.  La. 
Reoman  s.  Moutier-Saint-Jean. 
Revigny  168. 
Rhein,  Fl.  11.  187;  11,9. 
Rhone,  Fl.  210.  229.  260;  11,375. 
Richard,  B.  v.  Verdun  11,256.  275. 

291.  297.  848.  867. 
Richard,  A.  v.  St.  Angustin  82. 
Richard,  A.  v.  Cormery  250. 
Richard,  A.  y.  St.  Eucharius  II,  181. 
Richard,  A.  v.  Fleury  199.  200.  202. 

203.  272.  275;  11,345.  382. 
Richard,  A.  y.  St.  MMard  II,  209. 
Richard,  A.  y.  StVannes  n,53.  131 

—186.  138—140.  144.  146.  147.  152 

—155.  157.  169.  171.  173-176.  180. 

215.  216.  282.  233.   254.  256.  257. 

262—265.  271.  272.275.290—293. 

296.  297.  304.  319.  866.  892-894. 

397.  438.  453—458. 
Richard  Judiciarius,  Herz.  v.  Burgund 

72.  74. 
Richard  I,  Herz.  d.  Normandie  1 35 ; 

11,42-45. 
Richard  II,  Herz.  d.  Normandie  II,  43. 

45—48.  50.  89. 143.  169.  232;  Gem.: 

Judith;  Söhne:  Richard  III,  Ro- 
bert. 
Richard  III,  Herz.  d.  Normandie  II, 

143. 
Richandns,  Cleriker  11,81. 
Richer,   B.  y.  Lüttich   125.  143.  144. 

169.  170. 
Richilda,  Aebt.  y.Caramagna  II,  205. 
Richilde,  Gem.  des  Bonifaz  y.  Tus- 

den  324. 
Richildis,  Gem.  Letalds  v.  Mäcoq  72, 


522 


Kichiza,  Königin  v.  Polen  II,  183. 

Richwin,  lothr.  Gr.  147. 151. 152. 166. 

Riculf,  B.  V.  Soissou  20.  21. 

Hienzi  354. 

Riez  209.  232 ;  II,  82 ;  B. :  Almerad. 

Kigomer,  d.  hl  II,  66. 

Riklendis,  Gem.  d.  Vicegr.  Wido  v. 

Thiers  II,  58. 
Riliacus  (Auvergne),  Kl.  II,  57  u.  8. 
Rimini,  St.  Italiens  II,  280. 
Riprand,  Aledramide  II,  15. 
St.  Riquier  (Amiens),   Kl.   II,  264; 

A  e  b  t  e :  Angilram,  Gervinus  I.  n.  IL 
Risus  (Viviera),  Kl.  11,81  n.l. 
Riz  (Rivis),  Kl.  in  der  Auvergne  II, 

57.  87y. 
Robert,  Erzb.  v.  Reuen  II,  20  n.  5.  1 44. 
Robert,  Erzb.  v.  Trier  179. 
Robert,  B.  v.  Metz  150. 
Robert,  A.  v.  Flavigny  241. 
Robert,  A.  v.  St.  Fleurent  u.  v.  Micy 

198.  199. 
Robert,  A.  v.  St.  Mesmin  200.  20  t. 
Robert  II,  König  v.  Frankreich  201. 

240.  243.  246--250.  264.  265.  2^2. 

278.  282.  287-289.  292—294.  297; 

II,  16—24.   31.  83.  34.  40.  48.  46. 

64.  68.  86.  88.  Ol.  92.  95.  99.  100. 

102.  164.  168.  169.  171.  185-188. 

193.  207—210.  213.  216.  235.  263. 

275.  (297).  301.  350.  351.  404.  448; 

Gem.:  Berta,  Constanze. 
Robert,  8.  Roberts  II,  Herz.  v.  Bur- 

gimd  II,  39.  209. 
Robert,   Herz.  d.  Normandie  II,  5o. 

51.  53.  143. 
Robert,  Gr.  v.  Namur  188. 
Robert,  Gr.  v.  Paris,  A.  v.  St.Denis  1 2.i . 
Robert,  Gr.  v.  lYoyes  II,  468. 
Robert,  Vicegr.  v.  Aubusson  77. 
Robert  I,  Vicegr.  v.  Auvergne  83— 

S5.  208.  3(12;  Gem.:  Hildegardis. 
Robert  II,  Vicegr.  v.  Auvergne  84; 

S.:  Wido. 
Robert,  Vicegr.  v.  Chalou  s.  S.  24 1 ; 

Gem.:  Ingeltrud. 
Robert  v,  Pcronne  II,  264. 


Robert  I.  v.Volpiano  257—259;  II, 

13;  Gem.:  Perintia. 
Robert  IL  v.  Volpiano,  S.  Roberts  v. 

Volp.  11,3.  5.  13. 
Robert,  Br.  Bernards  III.  v.  Gabors 

II,  63. 
Robert,  Jerusalemfahrer  II,  233. 
Robertiner  240.  241.  247. 278;  11,438. 
Röderich,  A.  v.  St.  Bertin  II,  149— 

151.  170. 
Rodez  11,216.  230.  810. 
St.  Rodingus  II,  366. 
Rodoald,  B.  v.  Beziers  86. 
Roger  I,  B.  v.  Chälons  s.  M.  II,  262. 

266.  458. 
Roger,  Gr.  v.  StPaal  11,52;  Gem.: 

Hedvic. 
Roho,  B.  V.  Angouleme  II,  28  n.  '^. 
Rollo,  Herz.  v.  d.  Normandie  II,  42. 
Römer  97.  100    115;  11,388. 
Rom  S.  10.  38.  41—43.  97-102.  lOo. 

107—111.   114.  192.   214.   215.  224 

—226.  233.  TAo.  236.  240.  259.  263. 

271.  279—282.  292.  295.  '.'96.  809. 

324.  829.  332.   834.   336—340.  359 

—362;  11,3.  9.  12.  46.  58.  h5.  86. 

88.  89.  96.  100.  148  n.  4.  160.  163. 

172.  191.   192.   195.   201.  286.  289. 

294.  297—299.  301.  802.  309.  311. 

813.  314.  821.  325.   336.  342.  440. 

441.  443.  451.  452.  455.  461. 
Romagna  II,  884. 

S.  Romanus  de  Rupibus,  Kl.  II,  111. 
Romanus  s.  Johann  XIX. 
Romainmoutier,  Kl.  50.  73.  215.  337; 

U,  78.  287.  289.  313  n.5.  323.  340. 

374  n.l.  376.  379.  381.  383.  454, 
Romans,  Kl.  11,323. 
St.  Roman  US  in  Anse  810. 
Romuald,  d.  hl.   227  n.  6.  324—828. 

330.  383.  385.  33<n  344—349.  354. 

355;  11,278.  280.  281.  447.  472. 
Romulf,  A.  V.  Sens  279. 
Rorico,  B.  v.  Laou  185. 
Rossauo  329.  330.  842;  II,  117. 
Rota,  Bistum  in  Aragon  II,  106— lOS; 

B.:  Palmatius  Raimund, 


523 


Hotbold,  A.  y.  St.  Pierre  de  Gand  II, 

147. 
Rotbold,  Gr.  v.  Arles,  S.  Bosos  229; 

11,280;  S.:  Bo80  IL 
Rotger,  Erzb.  v.  Trier  143. 
Rotger,  Gr.  v.  Laon  193. 
Rotger  V.  Vignory,  S.  Widos  266. 
Rothilde,  Aebt.  v.  Boaxieres  174. 
Rothilde,  Gem.  Ademars  v.  Valence 

n,92. 
Rotlindis,  Gem.  d.  Grafen  Elisiardas 

$9  n.  6. 
Rotmar,  A.  v.  Hautvillers  191. 
Rouen  9;  11,43.  45.  46.  51.  53.  143. 

144.  148  D. 4.  392;  Erzb.:  Hago. 
Rudhard,  B.  v.  Constanz  II,  162. 
Rudland,  Cantor  v.  St.  Stephan  148. 
Rudolf,  Rodnlf,  Radnlf. 
Rudolf,  Erzb.  y.  Bourges  20. 
Rudolf,  B.  y.  Chalon  242.  252. 
Radulf,  B.  y.  Laon  182. 
Rudolf,  B.  V.  Noyon  133.  140. 
Rudolf,  A.  y.  Hersfeld,  B.  v.  Pader- 
born II,  246.  322.  397. 
Rudolf,  A.  y.  Gorze  150  n.2. 
Rudolf,  A.  y.  Mouzon  II,  263.  3  i  8. 
Rudolf,  A.  y.  St.  Remi  188.192—194. 
Rodulf,  Prior  v.  Beze  II,  390. 
Radulfus  Tortarins,  Mönch  y.  Fleury 

U,351. 
Rodulfns,  Erzpriester  II,  402. 
Rodulfus  Glaber  II,  S8.  99.  188,  204. 

212.  220.  227,  260.  354.   355.  357. 

368.  371.  386.  439.  446.  448. 
Rudolf  I,  KOnig  y.  Burgimd  38.  72. 

73. 
Rudolf  m,  König  v.  Burgund  265. 

304;  11,37.  72—79.  195.  227.  236; 

Gem.:  1 )  Agiltrud,  2)  Ermengardis. 
Rudolf,  König  y.  Frankreich  67.  69. 

72.  74.  75.  78.  79.  87.  89.  142.  144. 

176  n.l.  187;  11,190.  437. 
Rudolf,  Bruder  d.  Kaiserin  Adelheid 

220. 
Rudolf,  normänn.  Gr.  II,  43. 
Rodulf,  Gr.  II,  28  n.  5. 
Rudolf,  burgund.  Edehuaun  11, 79. 


Rudolf,  Bürger  y.  Dijon  26S. 

Rufec,  Kl.  34. 

Rumold,   A.  y.  St  Bayo  u.  Bergh 

St.Winnoc  II,  149.  151. 
de  Rnmpono   Monte   (Yiyiers),   Kl. 

11,81  n.  I. 
Rupertus,  A.  y.  Murbach  220  n.8. 
Russland  335. 

8. 
St.  Sabinus,  Kl.  in  Piaoenza  323. 
Sacerge  (ddp.  de  FIndre),  Kl.  202. 
Sachsen  9.  11.  164.  336;  11,456. 
Salutes  11,61.  76.  323;  B.:  Islo. 
Saintonge  II,  67.  69.  76. 
Salecho,  Gleriker  yon  St.  Martin  in 

Metz  148. 
Salerno   HO.  112.  361;  11,198.  199 

336.  337.  344.  472.  473. 
Salins,  0.  in  Burgund  264.  265;  II, 

356. 
St.  Saiyator,   Kirche   in   Fleury    II, 

383. 
St.  Saiyator,  Kirche  in  Lunoges  II, 

217.  219. 
St.  Saiyator  in  Metz  146.  148.  150; 

Cantor:  Warimbert. 
St.  Saiyator  in  Neapel  148. 
St.  Saiyator,  Kl.  bei  Payia  226.  227. 

237.347;  11,341.451;  A.:  Andreas. 
St.  Saiyator  in  Scandrilia  324. 
St.  Saiyator  (Toul)  II,  132. 
St.  Saiyator,  KI.  zu  Vaux  II,  36.  37 

n.  1. 
Salzburg  3. 

Samson,  A.  y.  St.  Pierre-le-Vif  92. 
Sancho,  B.  y.  Pamplona  II,  104—106. 

108. 
Sancho  Mayor,    König  v.  Nayarra 

II,  59.  68.  102  - 106,  108—1 II.  228. 

298. 
Sancho  III,  König  y.  Aragon  II,  105 

—108.  114. 
Sancho,  Herz.  y.  Gascogue,   S.  Wil- 
helms 296;  11,60. 
Sancho,  Gr.  v.  Castilien  II,  109;   S.; 

Garcias, 


524 


Sancia,  Gem.  Ademars  v.Poitiers  80. 

Sancias,  Vater  Gerards  v.  Brogne  122. 

Sandrart,  A.  v.  St.  Gallen  II,  251.  252. 

Sangro,  Fl.  t03. 

San  Marino  257. 

Santjago  de  Compostela  324 ;  II,  59. 

60.  1U2.  103. 
Sanzia-Garzia,  Herz.  v.  Gascogne  202. 
Saöne,  Fl.  213. 

Saragossa  11,106;  B.:  Patemus. 
Sardinien  10;  II,  229;  fabelh.Herz.: 

Ostorgius. 
Sarlat,  Kl.  in  Aquitanien  80. 
Sarrazenen  9.  10.  12.  13.  32.  95—97. 

103.  210.  222.  225.  229.  230.  309. 

328—330;  11,76.  82.  101.  102.  112. 

340. 
Sarrians,  0.  in  der  Provence   232; 

11,82.  168. 
Sarsina,  St.  Italiens  II,  280. 
Sassina  327. 
St.  Satamin  in  Cbarentonnay  (Gabors) 

II,  63. 
St.  Satnmin  (Verdun),  Kürche  II,  122. 
Saumnr,  Barg  197. 
Sanxillanges,  Kl.  75.  208.  209.  215. 

226;  11,57.  303  n.  5.  380.  429  n.  3. 
Savilliano,  Kl.  II,  206. 
Savigneux  (Lyon),  Kl.  98.  115;   II, 

74  n.  2. 
Savigny  (Lyon),  Kl.  II,  73—76.  429 

n.l.  430  n.3.;   Aebte:  Darantus, 

Icterius. 
St.  Sayin,  Kl.  b.  Poitiers  36.  62  n.  2. 

78;  11,67. 
Savinian,  d.  hl.  II,  404. 
Savona  II,  16. 
Savoyen  II,  79.  80.  202. 
Savoyen-Belley  II,  80. 238 ;  G  r.:  Ama- 
deas I,  Hambert. 
Saxfontaine  266. 
Scandrilia  s.  St.  Salvator. 
St.  Scholastica,  Kirche  in  Fleury  II, 

383. 
Schütten  182.  183;  11,124.  125. 
Scariolae  (Aavergne),  Kl.  II,  57  n.  3. 
St.  Sebastian,  Kirche  in  Fleory  II,  382. 


Seine,  Fl.  9.  12.  248. 
Selavanam(?),  Provinz  348. 
Seliger,  Bnrgander  II,  237;  S.:  Udal- 

rieh. 
Seligenstadt  11,161.  462. 
Selz,  KI.  im  Elsass  313.  344. 
Senlis  II,  209.  348. 
Senones,  Kl.  165.  166;  II,  415  n.  4. 
Sens  11.  203.  286;  11,22.  23.  38.  86. 

87.  167.  209.  285.  242.   300.   321; 

Erzb.:   Anastasius,   Archembald, 

Sewtn,  Leotherich;  Gr.:  Rainald. 
Serbien  II,  238. 
Sergias  IV,  P.  II,  66.  87. 
Sergias,  Vater  des  Romoald  325. 
St.  Semin,  Kl.  260.  261;  11,380. 
Servins  11,361. 
Sessieu,  Kl.  34. 
Seulf,  Erzb.  v.  Reims  187. 
S.  Severas,  Kl.  in  Classe  347.  348; 

A.:  Bonizo. 
Sewiu,  Erzb.  v.  Sens  203.  250.  266~ 

288. 
Sichardus,  A.  v.  Marmoatier  II,  35  n.  2. 
Sicilien  10;  11,315. 
Sidaec,  A.  v.  Magdeburg  II,  246. 
Siebod  v.  Alby  II,  343. 
Siena  109.  360.  362. 
Sigebert,   Mönch  v.  Gembloax   II, 

368.  445. 
Siegfried,  B.  v.  Parma  111.  235.  323. 
Siegfried,  B.  v.  Piacenza  823. 
Siegfried,  A.  v.  Gorze  II,  99. 127.  12S. 

241  n.l.  255.  257—261.  322.  448. 
Siegfried,  Prior  v.  St.  Marcel  II,  39. 
SiegMed,  lothr.  Gr.  II,  118.  120. 
Silva  Candida  11,315;  Cardinalb.: 

Hambert. 
St.  Silvester,  KI.  102. 
Silvester  II.  (Gerbert),  P.  177.  194. 

247.  252.  276.  282—284.  291.  295. 

340.  352.  354.  355;  II,  26.  65.  84. 

117.  325.  362—364.  472.  474. 
Silvester  III.  (Johann,  B.  v.  Sabina), 

P.  11,281.  286. 
Simeon,  gr.  Mönch  II,  283. 
Symeon,  Eremit  324, 


525 


Simpert,  A.  v.  Murbach  4  n.  6. 

Sipontam  II,  »1 4. 

Siflteron,  Bistam  10.  209.  230. 

Sitrio  327. 

Slaven  835. 

SmaragdoB,  A.  v.  St.  Mihiel  II,  367. 

Sobbo,  Erab.  v.  Vienne  207. 

Soignies  8.  St  Vincenz. 

Soissons  20.  29;   II,  170.   318;    B.: 

Berold. 
Solignac,  H.  v.  302. 
Soliipiac,  Kl.  b.  Limoges  81 ;  II,  62. 

70.  93;  A.:  Gerald. 
Solothum  II,  242. 
Summe,  FL  181. 
St.  SoniB  de  Genomllac,  Kl.  80. 
Souvigny,  Kl.  251.  308.  344;  11,57. 

297.  328  11.4.  341.  343.  380. 
Spanien  II,  68.  lol.  102. 104. 1 12.  216. 
Speier  II,  245.  247.  275.  394.  398.  464; 

B.:  Reginbald. 
Spoleto  293.  328.  336. 
Stablo,   KL    169.   170.   174;   U,  100. 

154.  177.  245.  256.  257.  284  n.  5. 

296.  394.  454;   Aebte:   Bertram, 

Poppo. 
Statins  II,  362. 

St.  Stephan,  Kirche  in  Auxerre  II,  369. 
St.  Stephan  in  Beaume  265. 
St.  Stephan,  Chorherrenstift  in  Dijon 

II,  274. 
St.  Stephau,  ital.  KL  102. 
St.  Stephan  in  Mercceur  300  n.  1. 
St.  Stephan  in  Metz  148;   Oantor: 

Kudland. 
S.  Stefano  Rotondo  (Rom)  II,  389. 
St.  Stephan,  KL  in  Vignory  266. 
Stephan  II,  P.  73. 
Stephan  Vni,  P.  111.  175. 
Stephan  X.  (Friedrich),  P.  II,  315. 
Stephan,  Cardin.  11,315. 
Stephan,  B.v.Cambrai  126. 127;  11,144. 
Stephan,  B.  v.  Clermont  84.  208. 
Stephan  II,  B.  v.  Clermont  225. 
Stephan  IV,  B.v.  Clermont  II,  57.  58. 
Stephan,  B.  v.  Liittich  122.  123.  366. 

367. 


Stephan,  B.  v.  Mende  88. 
Stephan,  B.  v.  Le  Pny  302. 
Stephan,  A.  y.  St  Lorenz   II,  175. 

176. 
Stephan,  A.  v.  St  Martialis  81  n.  12. 

363. 
Stephan,  A.  v.  StUrban  11,268.291. 

818. 
Stephan,   König  v.  Ungarn  II,  228. 

298.  342  n.  5. 
Stephan,  lothr.  Gr.  157. 
Stephan,  Gr.  134;  Gem.:  Fredelindis. 
Stephan,  Edelmann  II,  129. 
Stephan,  Edelmann  11,350;  S.:  An- 
dreas. 
Stephan,  S.  d.  Vioegr.  Wido  v.  Thiers 

II,  58. 
Stephan,  S.  Beralds  301  n.8.  802  n.l. 
Stephan,  S.  Bieters  301. 
Stephan,  Br.  Odilos  y.  Clnni  II,  58. 
Strassburg  145.  283;  11,236.  240. 256. 

275.  322.  394.  431  n.6;   B.:  Utho, 

Wilderod,  Werner. 
Stratns  338. 
Stura,  FL  II,  15. 
Snbiaoo,  KL  96.  103.  111.  351. 
Suppo,  A.  V.  Mont-St.-Michel  II,  48. 

49. 
Susa  824;  11,203. 
Sutri    347;    II,  2S6.    315.    324;     B.: 

Azelin. 
Symeon  s.  Simeon. 
Symmachtts,  P.  337. 
StSymphorian  in  Metz  148;  11,124. 
St.  Syrus,  KL  in  Genua  823. 
Syrus,   Mönch  v.  Cluni  222;  11,338 

-340. 
Syrus,  Abt  II,  343. 

T. 

Tageno,  Erab.  v.  Magdeburg  II,  250. 
Tallende,  Vicegrfsch.  8:i  n.  5. 
Taloire  (Lyon),  KL  II,  75. 
Tammo  (Thomas),  Br.  Bemwards  v. 

Hildesheim  845. 
Tanaro,  FL  11, 15. 
Taneth,  A.  v.  Lochmenech  II,  55. 


526 


TanDtaise    18.  810;  II,  75;   Ersb.: 

Emino. 
TaurmtiB,  d.  hl.  11,210. 
St.  TaurinuB,  KL  in  Evreux  II,  52. 
Tecelin,  franz.  Hofgeistlieher  II,  47. 
Teotolo,  Erzb.  V.  Tours  48n.].  82. 

91-  93.  1"6.  114.  116. 
Teudinus,  Gr.  v.  Rieti  325  n.  1. 
Teudo,  Mönch  v.  Fleniy  II,  56. 
Teuto,  A.v.StMaar  248.  249;  11,92. 
Terenz  47;  II,  862. 
Theo-9  Then-9  Thiet-,  Thed-. 
Theobald,  A.  v.  St.  Maur  249.  250. 
Theobald,  A.  v.  Monte  Cassino  II,  1 95. 
Theobald  I ,  Gr.  v.  Blois  u.  Chartres 

lO'.  198;  11,68. 
Theobald  II,  Gr.  v.  ßlois  u.  Chartres 

246. 
Theobald  III,  Gr.  v.Blois  a  Chartres, 

S.  Odos  IL  y.  Champagne  II,  270. 
Theobald,  Gr.  d.  Provence  97;  S.: 

Hago  y.  Italien. 
Thedald,  Mkgr.  824  n.  3. 
Theodart,  S.  d.  Vicegr.  Wido  v.  Thiers 

II,  68. 
Theodoartus,  Propst  y.  St.  Elias  104. 
Thietbald,   A.  y.  St.  Gallen  II,  25  J. 

252. 
Thedborga,  Gem.  Artaids  v.  Lyon  II, 

238. 
Theodelin,  A.  v.  Maillezais  II,  65.  66. 
Tendemar,  A.  y.  Honte  Cassino  3. 
St.  Theuderius  (Lyon),  Kl.  II,  74. 
Thietmar,  B.  y.  Merseburg  II,  230. 
Theoderich,  d.  hl.  194. 
Theoderich  I,  B.  y.  Metz  165.  184. 

342;   II,  114—117.   122.    127.   177. 

860. 
Theoderich  II,  B.y.Metz  II,  127.  177. 

17S.   181.  458.  459. 
Theoderich,  B.  y.  Orleans  201. 
Theoderich,  Herz.  v.  Oberlothringeu 

11,115.  153.  185.  186. 
Theoderich,  Gr.  v.  Holland  II,  1 35. 
Theoderich,  Prior  y.  F^camp,  Abt 

V.  Juuiii'ges  II,  49.  50.  143. 
Theoderich,  A.v.  St.  Maximin  11,296. 


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H^ 


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fn 


Theodericns,  A.  v.  Murbaeh  220  n.8. 
Theodnda,  Matter  Richards  y.  St 

Vaimes  II,  138. 
Theodulph,  B.  y.  Orl^Ans  20. 
Theodnlfus,  B.  y.  Paris  36S. 
St.  Theofried  s.  St  Cha&e. 
Theodon  97. 
Theodor,  Gr.  II,  152. 
Theodoms,  Mönch  y.  St.  Alessio  338. 
Theophano,  Gem.  Ottos  IL  226.  234. 

331  n.  8. 334.  341—343;  II,  117.  342. 
Th^ouanne  11,52.  150;  B.:Baldiiin. 
Thidrache  182. 
Thin-le- Montier  (St  (^aentin),    Kl. 

134.  192;  A.:  LeUld. 
Thionyille  (Diedenhofen)  28. 
StThierri,  KL  m  Rehns   192.  193; 

II,  185.  144.  145.  318.  457;  Aebte: 

Airard,  Christian,  Adso,  Albert. 
Thiers  (Auyergne)  11,58. 
llber  102.  334. 
Tiburtiner  345. 
St  Tiburtius  II,  16. 
St  Timotheas(I)iöc.  Reims),  KL  189. 
Tidebaldus  (od.  Ildebaldus),  Abt(?) 

y.  St  Salyator  227  n.  4. 
Toledo  289. 
Tonnerre  269;  KL:  St  Michel;  Gr.: 

Milo  I. 
Torsting,  Normanne  IL  48. 
Tortona  U,  16. 
Toscana  98. 
Toul    143.   145-148.   157—160.  162. 

163.   165.    174.   176.   204;   H,  114. 

117.  119—121.  123.  128.  182.  133. 

239.   312.   323.  324.  368.  457;    B.: 

Gauzlin,  Gerhard,  Berthold,  Her- 

mann,  Bruno. 
Tonion,  St.  Frankreichs  13. 
Toulouse  75.  80.  83.  310;  11,62.  83 

n.  I;   Gr.:  Raimund  Pontius,  Wil- 
helm, Pontius. 
Tounüne  9.  20.  29.  204.  245.  308; 

11,24.  34.  56.  71, 
Toumai  11, 185  n.  1. 
Toumus  197. 
Tours  12.  20.  28.  45.  46,  48.  49.  82. 


fp 


n^ 


527 


92.  106.  114.  115.  120.  125.  245— 

247.  249.  275.  284.  308.  314;  11,63. 

87.  96.  209.  214.  270.831;  ErBb.: 

Herard,  Teotölo,  Hngo. 
Transmar,  B.v.Noyon  I2*J-  131. 133. 

189. 
TrasmtmduB,  ital.  Gr.  825  n.  I. 
Travo  s.  S.  Maria. 
Tribuccum,  Castell  II,  10. 
Trier  125.  143.  170;  II,  181.  164. 179. 

182.  396.  398.  45T;  Erzb.:  Rotf?er, 

Poppo. 
Triezo  8.  S.  Martin. 
Tri&lto,  0.  in  d.  Oampagna  325. 
8t.  Trinit6  de  Ronen,  Kl.  II,  50. 
St.  lYinit^  de  Vendöme,  Kl.  247  n.6. 

II,  67. 
Trion  (Poitiers),  0.  II,  70. 
St.  Trond  (Diöc.  Lüttich),  Kl.   173; 

11,177.247.251.458;  AebterAdel- 

bard,  Guntram. 
St.  Tropez,  Golf  10.  230. 
Trosly  33.  82. 
Troyes   177;  11,824.  363;   B.:  Frot- 

mund,  Frodebert;  Gr.:  Heribert. 
St.  Trudo  173. 
Tuffiac,  Kl.  in  Maine  II,  35;  A.:  Her- 

menteus. 
TuUe,  Kl.   77—80.  88;  11,332.  488; 

A.:  Aimo,  Adacius. 
Turin  324;  II,  16.  68.  203.  206.  297; 

B.:  Landulf. 
Turluron,  Vicegrfsoh.  83  n.  5. 
Tnrpio,   B.  v.  Limoges  65.  77.  82; 

U,332.  388. 
Tuscien  Iü9.  827.  328.  881;  11,280. 
Tuscnlnm  II,  160. 

u. 

Udalricb,  B.  y.  Angsbnrg  308. 
Udalrich,  MOnoh  v.  Cluni  50  n.  1. 
Udalrich,  S.  Seiigers  II,  242. 
Udalrich  s.  Odalrich,  Odulrioh. 
Ulfric,  A.  y.  St.  Angastines  II,  319. 
Umbrien  II,  280. 

Unberins    (Unbertns),     Bildner    in 
Flenry  II,  384. 


Ungarn  9.  11.  12.  82.  92.  164.  187. 

267.   886;  II,  238.   249.  257.   825. 

842;  B.:  Anastasins. 
Unteritalien  160.  172;  11,198.  325. 
St.  Urban  (Toni),  Kl.  II,  129. 
St.  Urban  (Chälons  s.M.),  Kl.  II,  263. 

291;  A.:  Stephan. 
Urban  II,  P.  II,  465. 
Urbino,  Herzogt.  327. 
Userche  (Limoges),  KL  11,70. 
Usez,  Bistum  800;  11,81. 
Utho,  B.  y.  Strassburg  145. 
Utrecht  II,  179;  B.:  Adalbold. 
Uxellodnnnm,  Burg  79. 

Y. 

St.  y aast,  Kl.  in  Arras  136.  139;  II, 
135—138.  140—142.  146.  149.  151. 
154.  295.  394.  482  n.l;  Aebte: 
Fnlrad,  Heribert,  Richard,  Leduin, 
Johannes;  Prioren:  Poppo,  Fried- 
rich. 

Vabre,  Kl.  84. 

Val  di  Castro  327. 

Valence,  Grfsch.  87.  225.  232.  310; 
11,92.  430  n. 8;  Gr.:  Ademar. 

Valenciennes  171. 

Valensole,  Erbgut  d.  Majolus  232; 
II,  82. 

(St.  Mauritius  u.  Rodingus  in)  Yas- 
loges  (Beaulieu)  11,137.  158.  291. 
366.  394;  A.:  Riehard. 

Varaug^yille  (Metz),  Kl.  154.;  II,  128. 

Vannes  (Bretagne)  II,  55;  B.:  Judicael. 

Vandieres  146. 

St.  Vannes,  Kl.  22  n.  4.  141.  145.  178 
—180;  11,124.  125.  131.  133.  184. 
186.  187.  140.  151.  153.  155.  216. 
238.  256.  265.  291.  323.  866—368. 
374.  392—994.  401  n.4.  403.  457; 
Aebte:  Humbert,  Adelard,  Ri- 
chard, Walerann. 

Vanoux  152. 

Vanx  s.  St  Salyator. 

Velai,  Grfsch.  39.  75.  87. 

Vendöme  s.  St.  Trinit6  de  Vendftme. 

Venedig  328. 


528 


VeDerios,  Anacboret  S25. 

Vereelli  2bH.  263  n.  2.  319.  521,  324. 

347;   11,2.  S.  12.  13.  tft.  160.  SU. 

352;  B.:  Petras,  Leo. 
VerduD  123.  145.  147.  148.  155.  160. 

162.  16%.  17%.  ISO.  187;  IL  lU.  117 

—119.  12S.  138—185.  171.  174.  275. 

822.  367.  398.   43%.  456.  457;    B.: 

Dado,  BereDgar,  Wigfried,  Haamo, 

lUmberti  Richard. 
VerdoD,  0.  in  d.  Grfiich.  Chalon  II, 

167.  170. 
Veniuuidoia,  Orfsch.  1%1. 
Verneoil  IS.  2%. 
Venon,  Castell  II,  429  n.  10. 
Verona  235.  315.  346;  II,  12.  453. 
Veray  (Vergy),  KL  248.  266;   KL: 

8.  VlTentina. 
Vesool,  Caatell  265. 
Venvey-snr-Ouche,  O.  in  Bnrgond 

264. 
Vezelai  (DiOc.  Autun),  Kl.    84.  42; 

11,88.  39.  41. 
Vic,  Salzbergwerk  in  Ij4>thringeD  1 55. 
Vicenza  827  n.  2. 
Victor,  d.  hL  II,  77. 
Victor  II,  P.  II,  50. 
St.  Victor,  Kl.  in  Genf  844;  11,76. 

879. 
St.  Victor  de  Marseille  11,267.  429 

n.2. 
S.  Victorian,  KL  in  Aragon  II,  106— 

108;  A.:  Johannes. 
St.  Victnrius  (Le  Maus),  KL  II,  50. 
Vienne  225.  234.  310;  11,72.  73.75. 

76.  268.  429. 
Vignory  266;  11,390.  391  n.2;   KL: 

S.  Stephan;  s.  Rotger. 
Villiers  (Nonuandie),  KL  II,  52. 
S.  Vincenz  de  Burgos,  Kl.  11,111. 
StVincenz,  KL  in  Laon  ]8;>. 
St  Vincenz  (Metz),  KL  11,122.  177. 

178;  A.:  Herlbrand. 
S.  Vincenzo  bei  Petra  Pertnsa  II,  2G0. 
StVincenz,  KL  in  Soignies  171. 
St.  Vincenzo  am  Voltumo,  KL  95. 96. 

114.  314;  A.:  Leo. 


Virgfl  47.  254;  IL  5.tO. 

S.  Vhale  (lUTenna)  II,  3S9. 

VItalis,  A.  ▼.  Bernai  II,  52. 

Vitalis,  MOndi  ▼.  Fleory  II,  347. 349. 

VitODOS,  d.U.  11,413. 

Vitry  152;  IL  123;  Gr.:  Heribert 

St  Viventina,  KL  b.  Veigy  266. 

Vivian,  Prior  ▼.  Clnni,  A.  ▼.  St  Drais 

242.  310.  346  n.  7;  11,32. 
ViTiera  310;  U,81. 
Vogesen  167. 

Volpiano,  Ort  b.  Ivrea  U,  1.  15. 
Ijk  Vodte-prte-Chilhae  (Auvergne), 

KL  308  n.1;  11,58.  189.  230.  379. 
Valnon  (Vulnonis-villa),  DorfinBur- 

gund  11,890.  423. 

w. 

Waimar  III,  Fttrst  v.Salerno  IL  199. 

472;  Gem.:  Gaitelgrimma. 
Wala,  A.  y.  Corbie  8. 
Waldrada,  Gem.  Peters  v.  Venedig 

331  n.3. 
Waldrich,  A.  y.  St.  Andre  u.  Maroilles 

11,145. 
Walerann,   A.  v.  Homblieres  n.  St 

Qnentin  II,  264.  260. 
Walerann,  Gr.  v.  Bretenil,  A.  v.  St 

Vannes  II,  158.  264.  266.  823.  367. 
Waleraonus  v.  Meanx  11,271  n.2. 
Walter,  B.  y.  Anton  244.  264.  265; 

11,6.  19.  37.  38.  278. 
Walter,  B.  y.  Eichstädt  II,  162. 
Walter,  B.  y.  Maoon  II,  32  L 
Walter,  Vicegr.  y.  Macon  211  n.  6. 
Walter,  CastellaD  y.  Cambnü  II,  138. 
Walter,  S.  Bieters  300  n.l.  301. 
Walter,  Vater  Richards  y.  St  Vannes 

11,133. 
Walter,  Br.  Richards  y.  St  Vannes 

II,  133. 
St  Wandregisil  131.  13:^;  11,221. 
St  Wandrille  (Normandie),  KL  135; 

II,  42.  43. 
Wanpert,  A.  y.  Mnrbach  220  n.8. 
Warimbert,  Metzer  Cleriker  146. 148. 
Warin,  B.  y.  Beauyais  II,  144.  169. 


529 


Warinus,  A.  v.  St.  Anrnlf  II,  51.  126. 

322. 
Warinus,   Gr.  v.  Mäcon  40;  Gem.: 

Ava. 
Warmimd,  ß.  t.  Ivrea  II,  14. 
Warner,  Prior  v.  Cluni  220;  II,  339. 840. 
Wanlsort  (Lüttich),  KL  168. 163. 181. 

183.  184;  11,247.  248.  251. 
Wazo,  B.  V.  Lüttich  II,  284. 294—297. 

804—307.  810.  311.  445.  464. 
Weissenburg,  Kl.  11,247.  248.  251. 

394.  396.  398.462;   Aebte:  Liut- 

hard,  Folmar. 
Wendricus,  A.  v.  Florennes  II,  139. 
Wcnrich,  A.  y.  St  Ghislain  II,  Ul^. 
Werden,  Kl.  II,  245. 
Werinfried,  A.  v.  Stablo  HO. 
Warinharius,  A.  v.  Murbaeh  220  n.8. 
Werner,  B.  v.  Strassbwg  II,  240. 
Wemerioa,  A.  v.  LMis  II,  81  n.5. 
Werner,  A.  v.  Beichenau  II,  127. 
Werner,  Mön«h  v.  Cluni  II,  329. 
Werner,  Mnk.  Gr.  \bb. 
Werner,  lothr.  Edelmann  147. 
WettfD,  Mönch  y.  Reiohenau  6. 
Wibo,  Schwabe  257;   S.:  Robert  y. 

Volpiano. 
St.  Wiborada  II,  252. 
Wie-,  Wlg-. 
Wigbert,  Gründer  d.  Kl.  Gembloux 

170—172.  184. 
Wicfiried,  B.  y.  Th6rouaune  133. 
Wigfried,  B.  y.Verdun  11,114.  116. 

118.  119.  122.  134.  179. 
Wichard,  A.  y.  St.  Pierre  de  Gand 

U,  147. 
Wichmann,  Gr.  183. 
Widbert,  A.  y.  St  P^re  197. 
Wld-,  Wied-,  Wig-,  Wieg-. 
WidricuB,  B.  y.  Langres  268. 
Wiegrich,  B.  y.  Metz  148.  150. 
WigericuB,  A.  y.  Gorze  150. 
Widerich,  A.  y.StEyre  II,  129. 181. 

132.  365.  459. 
Wigericus,  Primicer  y.  Metz  II,  1 24. 
Wido,  Erzb.  y.  Lyon  67. 
Wido,  B.  y.Chidon  s.  S.  II,  323.  324. 


Wido  I,  B.  y.  Padua  237. 

Wido  I,  B.  y.  Le  Puy  87. 

Wido  II,  B.  y.  Le  Puy  809, 

Wido,  B.  y.  Soissons  190. 

Wido,  A.  y.  Farfa  II,  9. 

Wido,  A.y.  St  Bertin  138. 

Wido,  A.  y.  Gigny  48.  66—68. 

Wido,  A.  y.  St  Pet«r  nid  St  ßayo 
138.  189. 

Wido,  Gr.  y,  Jlayergne  84. 

Wido,  Gr.  t.  Macon  II,  36. 

Wido  der  Reiche,  Vicegr.  y.  Dijon 
II,  20. 

Wido,  Vicegr.  y.  Limoges  11,61. 

Wido,  Vicegr.  y.  Thicra  II,  58 ;  G  e  m. : 
Riklendis ;  S  öhn e :  Theodart,  Wil- 
helm, Stephan. 

Wido  y.  Vignory  266;  S.:  Rotger. 

Wido,  S.  d.  Sancius  122  n.  1. 

Wido,  Normanne  11,282  n.7. 

Wido  8.  Guido. 

Widukind  II,  250. 

Wigger,  Erzb.  y.  Rayenna  II,  284. 
285.  807. 

Wigo,  A.  y.  St  Theuderius  II,  74. 

Wigo  I,  Gr.  y.  Grenobie  II,  195. 

Wigonen,  bürg.  Grafengeschi.  II,  80. 

Wilderod,  B.  y.  Strassburg  283. 

Wilhebn,  Erzb.  y.  Sens  92. 

Wilhelm,  B.  y.  Lacedämon  348. 

Wilhelm  y.  Volpiano,  A.  y.  St  Be- 
nigne de  Dlijon  140.  171—178.  188. 
192.  195.  201.  208.  204.  206.  208. 
210—213.  215.  236.  243.  245.  256 
—269.  273—275. 297.  30U.  304.  312. 
318.  322.  347—349.  861—356.  362. 
365.  386—388.  892;  11,1—6.  13— 
20.  23.  34.  86.  88.  89.  45—48.  50 
52.  71.  89.  99.  100.  123.  126—129. 
181—133.  143.  167.  168.  488.  440. 
457.  458. 

Wilhebn,  A.  v.  Fleury  II,  384. 

Wilhelm,  A.  y.  Hirschau  50  n.  1 . 

Wilhelme?),  A.  y.  Jumiöges  11,51. 

Wilhelm,  A.  y.  Lonlai  II,  86. 

Wilhelm,  Eremit  167.  168  n.l. 

Wilhelm,  Eremit  347. 


530 


Wilhelm  I ,   Hera.  v.  Aquitanien  85. 

39-41.  43,  45.  48.  «3.  64.  68—70. 

75.  208.  437. 
Wilhelm  II,  Hen.  v.  Aquitanien  75. 

87. 
Wilhelm  III.  (Caput -Stnpae),  8.  d. 

Ebolus,  Herz.  v.  Aquitanien  76  n.  2. 

79.  82—84.  208. 
Wilhelm  IV,  Hera.  v.  Aquitanien  II, 

63.  64.  68;  Gem.:  Emma. 
Wilhelm  V,  Hera.  v.  Aquitanien  311. 

312;  11,45.   50.  65—69.    1U3.   185. 

200.  218.  232.  443;  Gemr.:  Agnes. 
Wilhem  VI,  Hera.  V.  Aquitanien  11,60. 
Wilhelm  Gotfried,  Hera.  y.  Aquitanien 

IL  7!. 
Wilhelm,  Hera.  d.  Gascogne  202.  296; 

Sohne:  Sancho,  Bernard. 
Wilhelm  I,  Hera.  d.  Normandie  II,  42. 
Wilhelm  II,  Hera.  d.  Normandie,  Kg. 

V.  England  II,  46  n.  4.  50.  52—54. 

269.  318. 
Wilhelm  Taillefer,  Gr.v.Angoul3me 

76  n.  2.  80. 
Wilhelm,  Gr.  v.  Angoulöme  II,  59. 

282.  233. 
Wilhelm  der  Gute,  Gr.  v.  Bordeaux 

34. 
Wilhelm,   Gr.  v.  P6rigueux   80;   S.: 

Bernard. 
Wilhelm  I,  Gr.  V.Provence  229-231. 

236.  252;  11,81  n.5.  62. 
Wilhelm  II,  Gr.  d.  Provence  232. 
Wilhelm  III,  Gr.  d  Provence  11,83; 

Gem.:  Lucia. 
Wilhelm  Taillefer,  Gr.  v.  Toulouse 

312:  11,62. 


Wilhelm  II,  Aledram.  II,  1 5. 
Wilhelm,  Vieegr.v.  Auvergne  83  n.5. 
Wilheln»  V.  Belt^me  11, 36. 
Wilhelm,  S.  d.  Vicegr.  Kadolom  v. 

Aulnay  II,  70. 
Wilhelm,  S.  d.  Vicegf .  Wido  v.Thiers 

II,  58. 
Wilhelm,  S.  Beralds  801  n.S. 
Wilhelm,  Bajulus  296. 
Willa,  Gem.  Ardicios  831  n.3. 
Willa,  Gem.  Berengarsv.  Italien  257. 
Willa,  Gem.  Huberts  v.Tuscien  331 

n.  8. 
Willa,  Gem.  Hugos  v.  d.  Provence  72. 
St.  Willibrord  s.  Echtemach. 
StWinocus  11,221. 
Witard,  ftmz.  Edelmann  II,  833. 
Woffenheim  (Elsass),  Kl.  II,  130  n.  2. 
Wolbod,  B.  V.  LUttich  II,  174.  175. 
Wolfgang,  B.  v.  Regensburg  II,  249. 
Womar,  A.  v.  St.  Peter  u.  St  Bavo 

182.  136—138.  140.  141.  184.  369. 

370. 
St.  Wortes  de  Chatillon,  Kl.  II,  390. 
Worms  34";  11,310. 311;  B.:  Franco. 
Wulfald,  A.  V.  Fleury,  B.  v.  Chartrea 

90.  195—197.  199.  274.  275. 
Wulfram,  d.  hl.  131. 
Wulfric,  A.  V.  St.  Augustines  27S. 

Y. 

York  277.  279;  Erzb.:  Oswald. 

z. 

S.  Zoylns  de  Carrion  II,  1 1 1 . 

Zürich  II,  237. 

Zwentibold,  S.  Kaiser  Arnulfs  100. 


Druck  von  Ehrliardt  Karru  In  HftUa. 


Verlag  von  MAX  NIEMEYER  in  Halle  a.  S. 

Neudrucke  deutscher  Litferafurwerke 
des  XVI.  u.  XVII.  Jahrhunderts. 

Herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Wilh.  Braune  in  Heidelberg, 
kl.  8.    Preis  jeder  Nummer  60  Pfennige. 

Bis  jetzt  erschienen: 

1.  Martin  Opitz,  Buch  von  der   deutschen  Poeterei.    (1624.) 

2.  Johann  F  i  s  c  b  a  r  t ,  Aller  Praktik  Grossmntter.    ( 1 572.) 

3.  Andreas  Gryphias,  Horribilicribrifax.    Soberaspiel.    (1663.) 

4.  M.  Luther,  An  den  ehristliohen  Adel  deutscher  Nation.  (1520.) 

5.  Johann  Fischart,   Der  FlOhhaz.    (1573.) 

6.  Andreas  Gryphius,  Peter  Squenz..    Schimpfspiel.    (1663.) 
7  —  8.  Das  Volksbuch  vom  Doctor  Faust.    (1587.) 

9.  J.  B.  S c  h  u pp ,  Der  Freund  in  der  Not    (1657.) 

10—11.  Lazarus  Sandrub,    Deliti»  historie«  et  pootic«.    (1618.) 

12—14.  Christian  Weise,  Die  drei  ärgsten  Erznarren.    (1673.) 

15.  J.  W.  Zinkgref ,  Auserlesene  Gedichte  deutsch.  Poeten.  (1624.) 

16—17.  Joh.  Laurembere,  Niederdeutsche  Scherzgedichte.  1652.  Mit 
Einleitung,  Anmerkungen  und  Glossar  von  W.  Braune. 

18.  M.Luther,  Sendbrief  an  Leo  X.  Von  der  Freiheit  eines 
Ghristenmenschen.  Warum  des  Papstes  Bücher  verbrannt  seien. 
Drei  Beformationsschriften  aus  dem  Jahre  1520. 

19 — 25.  H.  J.  Chr.  ▼.  Grimmeishausen,  Der  abenteuerliche  Simpli- 
cissimus.    Abdr.  d.  ältesten  Originalausgabe  (1669.) 

26—27.  Hans  Sachs,  SXmmtliche  Fastnachtspiele  in  chronolog. Ordnung 
n.  d.  Originalen  hersg.  von  Edmund  Goetze.    1.  Bttndchen. 

28.  M.  Luther,  Wider  Hans  Worst.    (1541.) 

29.  Hans  Sachs,   Der  httmen  Seufrid,  Tragoedie  in  7  Acten. 

30.  Burk.  Wal  dl  s,  Der  verlorne  Sohn,  ein  Fastnachtl^piel.  (1527.) 
31  —  32.  Hans  Sachs,  Fastnachtspiele  herausg.  von  £.  Goetze.    2. 

33.    Barth.  Krüger,  Hans  Ciawerts  Werckliche  Historien.    (1587.) 

S4— 35.    Caspar  Scheidt,  Friedrich  Dedekinds  Grobianus.    (1551.) 

36.    Hayneccius,  Hans  Pfriem  od.  Meister  Kecks.  KomOdie.  (1582.) 

37  —  38.  Andreas  Gryphius,  Sonn-  und  Feiertags- Sonette.  (1639  und 
1663.)  Herausg.  von  Dr.  Heinrich  Welti. 

39—40.    Hans  Sachs,  Fastnachtspiele  herausg.  von  £.  Goetze.    3. 

41.    Das  Endinger  Judenspiel.    Herausg.  von  K.  v.  Amira. 

42—43.    Hans  Sachs,  Fastnachtspiele  herausg.  von  E.  Goetze.    4. 

44—47.  Die  Gedichte  des  KOnigsberger  Dichterkreises  aus  Alberts 
Arien  und  musikalischer  Kürbshtttte  (1638  —  1650)  herausgeg. 
von  L.  H.  Fischer. 

48.  Heinrich  Albert.  Musikbeilagen  zu  den  Gedichten  des  KOnigs- 
berger  Dichterkreises,  hg.  von  Bob.  Eitner. 

49.  Burk.  Waldis'  Streitgedichte  gegen  Herzog  Heinrich  d.  Jüngern 
von  Braunschweig.    Herausgeg.  von  Friedrich  Koldewey. 

50.  M  a  r  t  i  n  L  u  t  he  r ,  Von  der  Winkelmesse  u.  Pfaffenweihe.  (1 533 .) 
51—52.  Hans  Sachs,  Fastnachtspiele  herausg.  von  Ed  Goetze.    5. 
53  —  54.  M.  Binckhardt,  Der  Eislebische  christliche  Ritter.    (1613.) 
55—56.  Till  Eulenspiegel.  (1515.)    Herausg.  von  Hermann  Knust. 
57—58.  Chr.  Reuter,  Schelmnffsky.    (1696.  1697.) 

59.    Chr.  Reuter,  Schelmnffsky.    Abdruck  der  ersten  Fassung  1 696  • 

60—61.    Hans  Sachs,  Fastnachtspiele  herausg.  von  E.  Goetze.    6. 

62.    Ein  schöner  Dialogus  von  Martino  Luther  und  der  ge- 
schickten Botschaft  aus  der  Hölle.   (1523> 


r/;     04.    Uaoft  8»ebf,  Fastnachuptele  bg.  Ton  E.6oetze.  7.  (Schlass.) 

6r»  71.  JohAim  Fif  Charts  GetehiebtkHttennc;  {GargwaimMi  Hemi^. 
ron  A,  AlflebeD.  Hynoptueher  Abdruck  der  Bearbeitmgea 
TOD  1»75,  15%2  and  IMH). 

72.  Qeoff;  Tbjmf  Ocdicbt  Thedel  vom  WaDnodea.    HenaB^.  vob 
Faal  ZimaiermaDB. 

73.  Adam  Po  ach  man.  Grfiadlicher  Berieht  dea  deataehen  Meiater- 
l^etaagf.    (1571.)    Merauag.  von  lüch.  Jonas. 

74  —  75.  Jacob  Schwieger,  Gebamachte  Yenoa.  (1660.)  Heranag.  von 
Tb.  Haebie. 

76.    L  o  t  b  e  r  •  Fabela  nach  seiner  wiedergefnAdenen  Haadaehrift  her- 
auagegeben  nnd  eingeleitet  ron  Ernst  Thiele.  Mit  1  Faedraile. 

77  —  7%.  itornliard  Rot  mann,  Basti  tntion  rechter  and  geaander  chriat- 
Hcher  Lehre.    Eine  Wiedertäaferschrift.    (Münster  1534.) 

79— SO.  Erzherzog  Ferdinand  IL  voo  Tirol,  Specnlam  Tifae  ha- 
manae.  Ein  Drama.  (15S4.)  Nebst  einer  Einleitung  in  das  Drama 
des  XVL  Jahrhunderts  heransg.  von  Jacob  Minor. 

Sl— S2,  Das  Lied  vom  Hürnen  Seyfried  nach  der  Drneicredaction 
des  XVI.  Jahrhunderts.  Mit  einem  Anhang:  Daa  Volksbaeh 
vom  gehörnten  Siegfried,  nach  der  ältestf^n  Ausgabe  (1726) 
herausgegeben  von  Wolf  gang  Golther. 

SS  — S4.  Luther  nnd  Emser.  Ihre  Streitschriften  aus  dem  Jahre 
1521  herausgegeben  von  Ludwig  Enders.    Band  L 

Hb.    T  b  o  m  a  s  M  u  r  n  e  r  s  Schelmenzunft.    Nach  den  beiden  alteaten 
Drucken  herausgegeben  von  Ernst  Matthias. 

%6'%9.  Yen usgHrt lein.  Ein  Liederbuch  des  XYL  Jahrb.  Nach 
dem  Druck  von  1656  heransg.  von  Max  Freih.  v.  Wald  barg. 

(10—91.  Christian  Reuter,  Die  ehrliche  Frau,  nebat  Harleouina 
Hochzeit-  und  Kindbetterinnenschmaus.  —  Der  ehrlichen  Frau 
Bcblampampe  Krankheit  und  Tod.  —  Lustspiele.  1695.  1696. 
Herausgegeoen  von  Georg  Ellinge r. 

92.  P.  8 c h u 1 1 z  und  Chr.  Hegendorf,  Zwei  älteste  Katechismen 
der  luther.  Reformation.    Neu  herausg.  von  G.  Kawerau. 

03  —  94,  D.  M.  Luther,  Yon  den  guten  Werken.  (1550.)  Aus  der 
Originalhandschrift  herausgegeben  von  Nie.  Müller. 

05.  Ludwig  Hollonius,  Somnium  vitae  humanae.  Ein  Drama. 
1605.    Herausgegeben  von  Franz  Spengler. 

96 -Ob.  Luther  und  Emser.  Ihre  Streitschriften  aus  d.  Jahre  1521 
herausgegeben  von  Ludwig 'Ender s.    Band  IL 

99—100.  Bergreihen.  Ein  Liederbuch  des  XYL  Jahrhunderts.  Nach 
den  vier  ältesten  Drucken  von  1531,  1533,  1536  und  1537  her- 
ausgegeben von  John  Meier. 

101  — lO'j.  Hans  Rudolf  Manuel,  Das  Weinspicl.  Fastnachtsspiel,  1548. 
Herausgegeben  von  Theodor  Odinga. 

lo:».  D.  Martin  Luther.  Ein  Urteil  der  Theologen  zu  Paris  über  die 
Lehre  D.  Luthers.  —  Ein  Gegenurteil  D.  Luthers.  —  Schutzrede 
Philipp  Melanchthons  wider  dasselbe  parisische  Urteil  fUr  D.  Luther. 
(1521).    Aus  der  Originalhandschrift  herausgeg.  von  N.  Mttller. 

104—107.  Erasmus  Alberus,  Fabeln.  Abdruck  der  Ausgabe  von  1550 
mit  den  Abweicbnngen  der  ursprünglichen  Fassung  herausgegeb. 
von  W.  Braune. 

ION  -  109.  Hans  Michel  Moscherosch,  Insomnis  Cura  Parentum.  Abdruck 
der  ersten  Ausgabe  (1643).  Herausgeg.  von  LudwigPariser. 

110—117.  Hans  Sachs.  SUmtiiche  Fabeln  und  Schwanke.  In  chronologischer 

Ordnung  nach   den    Originalen   herausgegegen    von   Edmund 

.    (roetze.   I.Band. 

1IN.  Aus  dem  Kampf  der  Schwärmer  gegen  Luther.    Drei 

Flugschriften  (1524.  1525).    Herausgeg.  von  Ludwig  Enders. 


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