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WISSENSCHAFTLICHE
VERÖFFENTLICHUNGEN DES
DEUTSCH -TÜRKISCHEN
DENKMALSCHUTZ-KOMMANDOS
HERAUSGEGEBEN
VON
THEODOR WIEGAND
HEFT 6
DIE DENKMÄLER UND INSCHRIFTEN
AN DER MÜNDUNG DES NÄHR EL-KELB
VON
F. H. WEISSBACH
BERLIN UND LEIPZIG
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUT1ENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER —
KARL J. TRÜBNER — VEIT & COMP.
1922
DIE DENKMÄLER
UND INSCHRIFTEN AN DER
MÜNDUNG DES NÄHR
EL-KELB
VON
Fl H. WEISSBACH
MIT 16 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 14 TAFELN
BERLIN UND LEIPZIG
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLA(.SHANDLUNG — J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG-— GEORG REIMER —
KARL J. TRÜBNER — VEIT & COMP.
1922
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Druck der Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co., Berlin W. 10.
Ueriüany
INHALT.
Seite
I. Der Nähr el-Kelb i
II. Geschichte des Mündungsgebietes des Nähr el-Kelb 4
III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb 8
IV. Die ägyptischen Denkmäler 17
V. Die assyrischen Denkmäler 22
VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars 31
VII. Die griechischen Inschriften 38
VIII. Die lateinischen Inschriften 41
IX. Die arabischen Inschriften 43
X . Die übrigen Inschriften und Altertümer 48
Bibliographie 52
Nachwort 55
Verzeichnis der Textabbildungen und Tafeln 56
Tafeln 1 — 14.
Nähr el-Kelb.
Kapitel I.
DER NÄHR EL-KELB.
Der ') Nähr el-Kelb ist einer jener zahlreichen Bergströme, die an den westlichen Abhängen des
Libanon entspringen und sich nach kurzem abschüssigen Laufe in das Mittelmeer ergießen. Die Mündung
des Nähr el-Kelb erfolgt etwa 12 km nördlich von Berüt. Da der Fluß aus mehreren ungefähr gleich starken
Quellflüssen entsteht, kann man im Zweifel sein, welchen man als eigentlichen Oberlauf des Nähr el-Kelb
ansehen soll. Weil aber der unbestrittene Unterlauf die Grenze zwischen den beiden Libanonbezirken
Kesruän (im Norden) und el-Metn (im Süden) bildet, empfiehlt es sich, wie es auf der Huberschen Karte
geschehen ist, denjenigen Quellfluß als Oberlauf des Nähr el-Kelb zu betrachten, in dessen Tal sich die
Grenze fortsetzt. Es ist dies zugleich einer der mittleren Quellflüsse; er entspringt an den Abhängen des
Libanon, die sich zwischen den Gipfeln des Sannin und des Mnetira hinziehen. Auf der Thomsonschen
Karte2) ist er fälschlich als W(ady) Biskinta bezeichnet. Das große Dorf Biskinta liegt weiter nach Süden
zu und unmittelbar westlich von dem gewaltigen Bergmassiv des Sannin. Die hier, oberhalb von Biskinta
entspringenden Quellen vereinigen sich alsbald; das Tal des vereinigten Flusses zieht sich nach Westen
empfängt bei einer südlichen Ausbiegung von links den Bach von Suer, dessen Quellen an der Wasser-
scheide zwischen Nähr el-Kelb und Nähr Berüt liegen, und mündet westlich von dem Dorfe Kä'afrim in
das Hauptta! ein. Auf das Tal dieses südlichen Nebenflusses des Nähr el-Kelb würde der Name Wädl
Biskinta passen; aber auch der Name Wädl es-Sannin, den die Baedekersche Karte (Nördlicher Libanon,
zu S. 304) bietet, ist zutreffend. Der bedeutendste Nebenfluß, den der Nähr el-Kelb von rechts aufnimmt,
heißt Nähr es-Salib (»Kreuzfluß«). Dieser entsteht aus der Vereinigung zweier starker Bäche, deren
Quellen Neba" el-Leben (»Milch quelle«, die südliche der beiden) und Neba* el-'Asel (»Honigquelle«) ge-
wöhnlich als die eigentlichen Quellen des Nähr el-Kelb betrachtet werden. Sie liegen jedoch nördlich von
dem Grenzfluß und schon innerhalb von Kesruän. Bald nach ihrer Vereinigung, westsüdwestlich von dem
Dorfe Hrägel, mündet auch der nördlichste Zufluß des ganzen Systems, der Bach, der das lange und ebene
Wädl Sebrüh durchströmt. Dessen Quellen (Neba' el-Hadid und 'Ain el-Hadid, beides »Eisenquelle«)
befinden sich an der Wasserscheide zwischen dem System des Nähr el-Kelb und dem Nähr Ibrahim, süd-
lich und südwestlich von dem Dorfe Ramlie. Der Nähr es-Salib mündet östlich von dem Dorfe Klai'ät,
etwas oberhalb der Mündung des Wädl es-Sannin, in den Nähr el-Kelb. Die Länge des Tales des Nähr el-Kelb
von der Quelle bis zur Mündung mag auf rund 40 km geschätzt werden.
') Das arabische Substantiv nähr »Fluß« ist Femininum, weshalb man eigentlich die Nähr el-Kelb, die Nähr es-Salib usw. sagen
müßte. Ich bleibe bei der eingebürgerten Gewohnheit.
2) Thomson, The Land and the Book Vol. 3.
Nähr el-Kelb. .
2 Kapitel I. Der Nähr el-Kclb.
Die Täler des ganzen Flußgebietes sind tief in das Gebirge eingeschnitten und so schmal, daß an
manchen Stellen kein Weg an den Ufern bleibt. Die Dörfer liegen sämtlich auf den Bergrücken, die sich
zwischen den Tälern erheben. Nur hie und da läßt der Fluß Platz für eine Mühle oder ein anderes ein-
sames Haus mit kleinem Garten oder Feld. Das Wasser ist frisch und von hervorragender Reinheit. Be-
sonders gerühmt wird dies an den Quellen des Nähr es-§alib. Aber noch in der Nähe der .Mündung, nur
wenige Kilometer oberhalb von ihr1), versorgt der Nähr el-Kelb seit 1875 die Stadt Berüt mit vortreff-
lichem Trinkwasser. Von der Quelle Neba' el-Leben ist ein mehrere Kilometer langer Bewässerungsgraben
abgeleitet, und im letzten Abschnitt bis zum Meere begleitet ein alter Aquädukt auf hohen schlanken
Abb. 1. Mündung und Vorgebirge des Nähr el-Kelb.
Bogen 2) an der nördlichen Felswand den Fluß bis nahe zur Mündung. Die Täler des Nähr el-Kelb und
seiner Nebenflüsse sind reich an Naturschönheiten. Wild stürzen sich die Quellbäche des Nähr es-Salib
über Wasserfälle von verschiedener Höhe hinab. Unter den zahlreichen grotesken Felsbildungen ist be-
sonders berühmt die Naturbrücke 3), die eine Viertelstunde unterhalb der Quelle Neba' el-Leben die Schlucht
des Baches übcrspanrt. Schwieriger zugänglich sind die drei Grotten 4), die, ungefähr 7 km vom Meere
entfernt, tief in die Kalkfelsen am Nordufer des Nähr el-Kelb eindringen und dem Besucher eine eigenartige
■) Das Wehr an der Stelle, wo das Trinkwasser abgeleitet wird, ist abgebildet bei Thomson a. a. O. Vol. 3, neben p. 106.
') Auf Taf. 3 und 4 (hier besonders deutlich) zu erkennen. ]
3) Diese Naturbrücke, arabisch Gisr el-Aagar (»Steinbrücke«) genannt, hat eine Bogenspannung von 38 m, ist über 30 m breit,
in der Mitte 9 m dick und im Lichten 24 m hoch. Abbildungen bei Thomson a. a. O. Vol. 3 p. 228. Ebers & Guthe Bd. 2 SS. 21
und 23. Eine ähnliche Naturbrücke überspannt die Schlucht des weiter nördlich entspringenden und ebenfalls in das Mittelmeer mün-
denden Nähr Ibrahim, des alten Adonis-Flusses.
4) Eine ausführliche Beschreibung mit Grundriß und Abbildungen bei Thomson a.a.O. Vol. 3 pp. 98 ff.
Kapitel I. Der Nähr el-Kelb. 3
Welt mit unterirdischen Seen und zahllosen seltsamen Tropfsteingebilden erschließen. Der üppige Pflanzen-
wuchs, der in angenehmer Abwechslung die Täler des Nahr-el-Kclb- Systems und die Berglehnen mit Grün
bekleidet, erhöht die Schönheiten der Gegend.
Die Felswände, die das Tal des unteren Nähr el-Kelb einengen, flachen sich am Nordufer nach dem
Meere zu ab. Am Südufer treten sie dicht an das Meer heran, so daß sie ein "Vorgebirge bilden, das die
schmale Küstenebene Phönikiens auf i bis 2 km Länge hin unterbricht. Der Rücken dieses Vorgebirges
ist seit alter Zeit von einem etwa 6 Fuß breiten holprigen Wege durchschnitten, der von der Ebene nord-
wärts in steilem Anstieg emporführt, sich dann nach dem Flusse hin senkt und nach Osten umbiegend
- v.,.:
Abb. 2. Die drei Brücken vor der Mündung des Nähr el-Kelb.
schließlich den Boden des schmalen Tales erreicht. An einer Stelle, die vom Meere nur einige Hundert
Schritte entfernt ist, wölbt sich eine steinerne Brücke mit drei Bogen über den Fluß. Hat man diese über-
schritten, so führt der Weg an der Nordseite wieder ein Stück flußabwärts, biegt aber noch vor der Mün-
dung nach Norden um und überwindet die niedrige Anhöhe, die das Tal des Nähr el-Kelb von der Küsten-
ebene von Günijeh trennt (vgl. Taf. i). Seit Mitte der achtziger Jahre hat sich dieses Bild etwas geändert.
Eine bequeme Landstraße verbindet jetzt die Städte Berüt und Gobel. Sie führt (s. Taf. 2) westlich von
dem alten Paßweg und in größerer Nähe des Meeres zum Nähr el-Kelb hin, den sie auf einer steinernen
Brücke von fünf Bogen übersetzt (s. Taf. 3). Hierzu ist dann 1898 die Eisenbahn Berüt — Ma'ämilten
gekommen, die am Vorgebirge neben der Landstraße herläuft, sie auch zweimal kreuzt und den Fluß auf
einer dritten Brücke, dicht an seiner Mündung, überquert (s. Abb. 2).
i Kapitel II. Geschichte des Mündungsgebietes des Nähr el-Kelb.
Das Mündungsgebiet des Nähr el-Kelb erregt in hohem Maße die Teilnahme des Geschichts- und
Altertumsforschers. Denn auf diesem verhältnismäßig kleinen Räume hat sich ein gutes Stück Welt-
geschichte abgespielt, und die Zeugnisse dafür sind zum Teil noch an Ort und Stelle erhalten. Die Denk-
mäler des Nähr el-Kelb blicken auf eine bis 3200 Jahre alte Vergangenheit zurück. Ihrer Betrachtung
sollen die folgenden Blätter gewidmet sein.
Kapitel II.
GESCHICHTE DES MÜNDUNGSGEBIETES DES NÄHR EL-KELB.
Der Nähr el-Kelb hieß bei den Griechen und Römern Atko«;, Lycos J). Das ergibt sich unmittelbar
aus der einen römischen Inschrift (Taf. 13), die im Kapitel VIII eingehender zu besprechen sein wird. Der
Name Lykos eignete verschiedenen Flüssen. Am bekanntesten wohl ist der assyrische Fluß dieses Namens,
der wahrscheinlich die griechische Übersetzung des einheimischen Namens Zäbu »Wolf« sein soll. Mög-
lich, daß auch der phönikische Lykos einen einheimischen Namen führte, der in der phönikischen Sprache
»Wolf« bedeutete; überliefert ist davon nichts. Die erste Erwähnung des phönikischen Lykos findet sich
bei Polybios V 68, 9 und zwar in der nicht recht klaren Schilderung der Kämpfe zwischen Antiochos III.
und den Streitkräften des Ptolemäos IV. Philopator im Jahre 218 v. Chr. Nachdem Polybios berichtet
hat, daß Antiochos die Einwohner von Arados miteinander ausgesöhnt hatte, fährt er fort (V 68, 8 ff.):
»Darnach fiel er in der Nähe des sogenannten Oeoö Trp6o"umov [Vorgebirge nördlich von Bo rys-Batrün] ein
und gelangte nach BnpuTÖc; [Bcrüt], nachdem er Botrys beim Vorüberziehen eingenommen, Triere und
Kalamos in Brand gesteckt hatte. Von hier schickte er Nikarchos und Theodotos vor mit dem Befehl,
die Engpässe um den sogenannten Lykos-Fluß vorher zu besetzen. Er selbst aber nahm die [Haupt-]
Macht, rückte vor, während der Admiral Diognetos nebenhersegelte, und lagerte um den Damuras-Fluß.«
Hier zog Antiochos die von Nikarchos und Theodotos geführten Heeresabteilungen wieder an sich und
rückte weiter, um die vor ihm liegenden Engpässe, die der ägyptische Feldherr Nikolaos besetzt hielt, zu
erforschen. Soweit Polybios. Die Unklarheit seiner Erzählung liegt vor allem darin, daß er die Ankunft
des Antiochos in Berytos zu früh berichtet. Da der Lykos und seine Engpässe zwischen Kalamos und
Berytos zu überschreiten waren, hätte notwendigerweise gesagt werden müssen, daß die vorausgesandten
Heerführer die Engpässe unbesetzt gefunden hatten, so daß sie sogleich weiterziehen konnten, und der
König mit der Hauptmacht auf dem Marsche nach Berytos kein Hindernis fand. Aller Wahrscheinlichkeit
nach hat Antiochos mit seinen Truppen in Berytos Rast gemacht, ehe sie nach dem 5V2 Stunden weiter
südlich fließenden Damuras aufbrachen. Hier holten sie die vorausgesandten Hecresabteilungen ein,
denen die Nähe des Feindes Halt geboten hatte. Die Schilderung, die Polybios im folgenden Kapitel von
dem Felsrücken, dem jetzigen Ras Damür, mit dem schmalen Durchgang unmittelbar am Meere, entwirft,
paßt fast ebenso gut auf das Vorgebirge südlich des Nähr el-Kelb, ein Umstand, der möglicherweise zu
') Daß der Lykos auch den Namen Ares geführt habe, ist eine durch nichts begründete Behauptung von Movers (Die Phönicier
Bd. 1 S. 665. Bonn 1841), die auch noch in der Neubearbeitung von Paulys Real-Encyclopädie Bd. II S. 642 Aufnahme gefunden
hat. Von den beiden Stellen, auf die sich Movers stützte, beweist Nonnos XLI 13 gar nichts. Die andere, Lydus de mens. IV 44
(= 119 Wünsch), besagt ausdrücklich, daß der Ares in den Adonis mündet und deshalb nicht seinen Namen bis zum Meere behält.
Es handelt sich also um einen Nebenfluß des Nähr Ibrahim, wahrscheinlich jenen, der unterhalb des Dorfes Bkäkeddin, 2 bis 3 km
von der Meeresküste, in den Nähr Ibrahim mündet.
Kapitel II. Geschichte des Mündungsgebietes des Nähr el-Kelb. j
der Entstehung der Unklarheiten in dem Berichte des griechischen Geschichtschreibers beigetragen hat.
Kämpfe wie die, die Antiochos damals hier den Sieg über das ägyptische Heer brachten, haben sich unter
ähnlichen Umständen und mit ähnlichem Erfolge 2058 Jahre später am Nähr el-Kelb abgespielt (s. u. S. 6).
Strabon erwähnt den phönikischen Lykos-Fluß zweimal: XVI 2, 16 behauptet er, daß der Lykos und der
Jordan mit Lastschiffen befahren wurden, besonders von den Aradiern. Auf dem Nähr el-Kelb kann aber
eine nennenswerte Schiffahrt niemals betrieben worden sein r), auch nicht von Aradiern. Wahrschein-
lich beruht diese Angabe Strabons auf Irrtum. § 19 nennt er den Lykos bei einer Aufzählung zwischen
TTa\aißuß\oq und BnpuTÖ«;, und in ähnlichen Aufzählungen findet sich Lycos bei Mela I 69 und Plinius nat.
hist. V 78. Gedenken wir noch des witzigen Vergleiches, den die Hetäre Gnathaina zwischen ihren beiden
Liebhabern und den Flüssen Lykos und Eleutheros anstellt (Aristodemos bei Athen. XIII 582 a), und
die Reihe der Erwähnungen des phönikischen Lykos- Flusses bei Griechen und Römern ist geschlossen.
Nach einer Lücke von reichlich einem Jahrtausend erfahren wir Wieder etwas über die Gegend am
alten Lykos-Flusse. Am Himmelfahrtstage (19. Mai) 1099 zogen die Kreuzfahrer, die unwiderstehliche
Sehnsucht nach der heiligen Stadt aus Tripolis weggetrieben hatte, ungefährdet per montem, in quo est
via nimis angusta s), den sie von Feinden besetzt geglaubt und zu ihrer Freude frei gefunden hatten, und
gelangten ohne Schwierigkeit nach Baruth (Berül), von wo der Marsch am folgenden Tage fortgesetzt wurde.
Der Name des Berges und der Fluß werden hier überhaupt nicht erwähnt, wohl aber geschieht dies bei den
Kämpfen, die der Graf Balduin von Edessa im folgenden Jahre (Oktober 1100) mehrere Tage lang gegen
die Einwohner und einige Türken zu bestehen hatte. Der Erzbischof Wilhelm von Tyrus (f 1190) ent-
wirft davon folgende Schilderung 3): Et procedens inde [von Tripolis], et Biblum [Gobel] pertransiens, ad
fluvium pervenerat qui cognominatur Canis. Est autein in eodem loco transitus periculosissimus, inter
montes excelsos, rupiunt asperitate et ascensu arduo, nimis impervius, et jretosum mare, vix habens latitudinis
cubitos duos, longitudinis autem stadia quattuor. Has locorum angustias et callem periculosum obsederant, ut
transitum impedirent, regionis incolae et de Turcis nonnulli, qui, ut tunc domini Balduini comitis iter prae-
pedirent, ad hoc de remotis convenerant partibus Sc.
Wie der Fluß wurde auch der Engpaß benannt, was zuerst wohl um 1280 der Pilger Burchardus
de monte Sion (II 14) bezeugt: Episcopus huius civitatis [seil. Beriti), sicut et sidoniensis, suffraganeus
est tyrensis. Et terminatur metropolis tyrensis ultra ad III leucas in f luvten, qui passus canis*) dicitur,
qui ibidem magnum mare ingreditur. Terminatur similiter palriarchatus ierosolymitanus, et ineipit patri-
archatus antiochenus et comitatus tripolitanus. Qui locus passus canis dicitur, tt est locus immeabilis
per terram, nisi de Saracenorum voluntate. Pauci enim ibi viri prohiberent transitum de jacili toti mundo. 5)
Diesen Worten ist zugleich die lehrreiche Tatsache zu entnehmen, daß der Fluß auch damals eine wichtige
') Anderer Meinung war freilich der Geolog Russegger (Bd. 3 S. 153). der einige Löcher im Felsen, 50 Fuß über dem Meeres-
spiegel, als Stellen ansah, wo die Schiffe mit Seilen an Pflöcken befestigt worden wären.
J) Gesta Francorum hg. v. Hagenmeyer XXXVI 3. Heidelberg 1890. Es ist ein Irrtum Hagenmeyers (a. a. O. S. 441 n. 13),
den sich auch Röhricht (Geschichte des ersten Kreuzzuges S. 181 Anm. 1. Innsbruck 1901) zu eigen gemacht hat, daß der Paß am
Nähr el-Kelb bei Raimundus de Aguilero c. XVIII unter dem Namen Bucca torta zu verstehen sei. Wenn es dort (Recueil des
historiens des croisades Hist. oeeid. T. 3 p. 291. Paris 1866) heißt: sequenti die Berütum devenimus, alque post haec, praeoecupatis
ex improviso angusliis quae Bucca torta nominantur, in/ra paueos dies et sine impedimenio venimus Achon, so ergibt sich mit aller
Deutlichkeit, daß die Bucca torta zwischen Berut und Akko, vielleicht am Ras Damür oder noch weiter südlich, zu suchen ist.
3) Willermi Tyrensis hist. X 5 (Recueil des historiens des croisades Hist. oeeid. T. I, 1. Partie p. 407. Paris 1844).
4) Hieraus ist bereits zu schließen, daß der Fluß nach dem Passe, nicht umgekehrt der Paß nach dem Flusse benannt worden ist.
5) Obige Stelle ist benutzt von Marinus Sanutus dictus Torsellus (f bald nach 1333), Liber secretorum fidelium crucis
(Orientalis historiae T. II) p. 245. Hanoviae 161 1. Auf der dritten Karte dieses Buches sind an der syrisch-phönikischen Küste nach-
einander die Namen eingetragen: Gibeletum [ÜobeTj, Caimm, Barutum [Berüt], Damorii [Damür] &c.
5 Kapitel II. Geschichte des Mündungsgebietes des Nähr el-Kelb.
Grenze bildete. Er schied das Erzbistum Tyrus und zugleich das Gebiet des jerusalemischen Patriarchen
von dem antiochenischen Patriarchat und, weltlich, von der Grafschaft Tripolis.
Der Name fluvius canis, flumen canis ist Wiedergabe des arabischen Nähr el-Kelb »Fluß des Hundes«-
An die Stelle des canis lupus ist also der canis familiaris getreten1). Der arabische Geograph Idrisi (f 1264/5)
sagt2): »Von Bairüt nach der Festung al-Mazdäsijjah (var. al-Murädisijjah) sind es 8 Milien, von da zum
Nähr el-Kelb 6 Milien; und das ist eine kleine Festung am Meere. Von da sind es 4 Milien bis Günijah,
einer Festung am Meere.« Danach hätte man al-Mazdäsijjah ungefähr beim heutigen Anteljäs zu suchen;
die Entfernung Nähr el-Kelb— Günijah ist etwas knapp bemessen. Auffälligerweise verlegt der im 13. Jahr-
hundert schreibende Jäküt in seinem geographischen Wörterbuche den Nähr el-Kelb zwischen Bairüt und
Saidä', also südlich von Bairüt. Über den Grund der Benennung »Hundsfluß« äußert sich der bay-
rische Ritter Martin von Baumgarten auf Braitenbach etc. (p. 127), der am 29. Januar 1508 wegen
der damals zwischen den Stadtherren von Berüt und Tripolis bestehenden Feindschaft zur -See von Berüt
nach der Mündung des Nähr el-Kelb fuhr, dann an Land ging, um seine Reise nach Tripolis zu Lande fort-
zusetzen, folgendermaßen : Per maris ergo finum plusquäm tribus miliaribus remigantes, expofiti fumus in
terram comitatüs Tripolitani, circa locunt, qui paffus canis Latine, apud Saracenos verb Narrikelb, id
est, jlum en canis dicitur. Arabum quippe lingua haec dictio Narr, flumen, dient & ignemfignificati), Kelb
verb canem. Obtinet autem locus nomen ideb, quia ibi fluvius quidam mare influens in ipsis faueibus faxum
habet ingens, media fere fui parte aquis fuperius; quod & formam habet caninam, & propter impetuosi fluminis
collifionem, latratus qua/i canis edit. In hoc loco erat quondam terminus Patriarchatüs Jerosolymitani, & ini-
tium Antiocheni, hodie medium est inter Baruthi & Tripolitani dominium: pertinet tarnen ad Tripolim.
Im Jahre 1840 war das Mündungsgebiet des Nähr el-Kelb wieder der Schauplatz heftiger Kämpfe:
es galt, Syrien, das seit 1832 von den Truppen des ägyptischen Vizekönigs Mehemed 'Ali besetzt war,
für den Großherrn am Goldenen Hörn wiederzugewinnen. Eine Flotte, bestehend aus englischen, türkischen
und österreichischen Schiffen, hatte sich Anfang September vor Berüt versammelt. Am 10. September
wurden die ägyptischen Truppen in Berüt durch ein Scheinmaröver der Flotte nach der im Westen der Stadt
vorspringenden Landzunge Ras Berüt gelockt, und dann an der Mündung des Nähr el-Kelb die ersten Ab-
teilungen des angreifenden Heeres gelandet, die sogleich das Vorgebirge und das nahe Kloster Mär Jüsuf
besetzten. Der Rest des vereinigten Heeres konnte dann ungestört weiter nördlich in der Bucht von Günijeh,
wo die Hauptmasse der Schiffe ankerte, an das Land gebracht werden. Der erste größere Erfolg war am
24. September die Gefangennahme einer Abteilung von 500 Albanesen, die bei Kornet Sehwän am Wege
nach Dik el-Mehdi standen. Die Angreifer mußten zu diesem Zwecke in dem engen Tal des Nähr el-Kelb,
der einzelne Mann hinter dem andern, aufwärts gehen und bei der Mündung eines von Süden zufließenden
Baches die Anhöhe, auf der das Dorf Zakrit liegt, erklimmen. Die Albanesen wandten sich nach 'Ain
el-'Alak und eröffneten unterwegs auf weite Entfernung das Feuer, zogen sich dann aber weiter nach diesem
Dorfe zurück, wo sie auf bereits vorgestoßene türkische Abteilungen trafen und sich gefangen gaben. Das
Hauptgefecht, an dessen günstigem Ausgang ein deutscher Offizier, der spätere Generalfeldmarschall
v. Moltke, einen hervorragenden Anteil hatte, fand am 10. Oktober bei Bekfajä statt. Die ägyptischen
') Über einen ähnlichen Wechsel der Namen bei einem Nebenfluß des oberen Tigris (Nähr a4-D?b »Fluß des Wolfes«
und Nähr al-Kiläb »Fluß der Hunde«) vgl. Streck Enzyklopädie des Islam Bd. I S. ioio. Leiden und Leipzig (913.
J) Übersetzt und herausgegeben von J. Gildemeister: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins Bd. 8 S. 135; arabische
Beilage S. 17.
3) Für den Nichtarabisten sei bemerkt, daß Baumgarten hier die drei ähnlichen Wörter nähr, nahär und när zusammenwirft.
Zur teilweisen Entlastung mag ihm dienen, daß die ersten beiden Substantive unter ihren Pluralbildungen zwei Formen (nu/iur
und anhur) gemeinsam haben.
Kapitel II. Geschichte des Mündungsgebietes des Nähr el-Kelb. n
Truppen, geführt von Ibrahim Päsä, dem Sohne des Vizekönigs, mußten nach Zahleh am Ostabhang des
Libanon, später, am 21. November, nach Damaskus zurückgehen. Der Krieg :j endete mit dem Rückzug
Ibrahim Päsä's aus Syrien und Palästina.
20 Jahre später sah der Hundsfluß wieder ein europäisches Heer an seiner Mündung. In Damaskus,
Zahleh und Dair el-Kamar waren viele Tausend Christen von der fanatischen Bevölkerung ermordet worden.
Da die Maßnahmen der türkischen Regierung gegen diese Greuel unzulänglich waren, beeilte sich das kaiser-
liche Frankreich, die gute Gelegenheit zur eigenen Einmischung zu benutzen. Die Einschiffung der Truppen
in Marseille begann am 8. August, die Landung in Berüt erfolgte am 22. August, der Einzug in Dair el-
Kamar am 26. September 1860. Die kriegerischen Taten dieses Heeres, das sich am 5. Juni 1861 in Berüt
wieder einschiffte, zu schildern ist hier nicht der Ort 2). Über die, übrigens recht wenig rühmliche, Zer-
störung einer altägyptischen Inschriftentafel, deren Oberfläche abgeschliffen und zur Einmeißelung einer
französischen Inschrift verwendet wurde, ist weiter unten (Kap. IV) zu sprechen.
Die Straße, die die Städte der phönikischen Küste miteinander verbindet, ist gewiß uralt. Seit
Jahrtausenden sind in Friedenszeiten die Karawanen von Gubla (Gebal, BußXoq, Gubail, Gobel) nach Beruta
(Be'eröt, BnpuTÖq, Bairüt, Berüt) und umgekehrt gezogen. Der Weg durch die Küstenebene bot keine
Schwierigkeiten, wenn nicht gerade die seichten Flüßchen, wie Nähr Berüt, Nähr el-Maut und wie sie alle
heißen, infolge von Regen oder Schneeschmelze Hochwasser führten. Nur der Nähr el-Kelb mit seiner
Umgebung konnte zuzeiten ein recht erhebliches Hindernis bilden. Die Furt an seiner Mündung, die bei
niedrigem Wasserstand leicht durchwatet werden kann, ist bei Hochwasser unzugänglich. Eine Brücke
wird deshalb von früher Zeit an bestanden haben, aber zweifellos mußte sie oft erneuert werden. Und
hatte man von Norden kommend den Fluß glücklich überschritten, so war noch das steile und rauhe Vor-
gebirge zu erklimmen und zu überwinden. Der Nähr el-Kelb ist von der Natur zum Grenzfluß bestimmt.
Nahte der Feind von Norden, so gebot ihm der Fluß mit seinem Vorgebirge im Süden Halt. Die Geschicht-
schreiber des ersten Kreuzzugs (vgl. o. S. 5) schildern anschaulich, wie leicht der Paß von einer
geringen Streitmacht verteidigt werden konnte, und der deutsche Ritter Arnold von Harff, der gegen
Ende des 15. Jahrhunderts von Berüt nach Tripolis zog, hat dafür die Formel: durch gar eynen engen steyn-
achtigen weech, dae tzeyn man weren moechten dusent (S. 200). Wie der Nähr el-Kelb im osmanischen Reiche
und zur Zeit des ersten Kreuzzugs eine Grenze bildete, so war es, wir dürfen diesen Rückschluß unbedenk-
lich ziehen, auch schon in jenen fernen Tagen, da Ammunira, der »Mensch« von Beruta, und Ilirabih mit-
samt der treuen Stadt Gubla dem König ihrem Herrn sieben und sieben Mal zu Füßen fielen und der erste .
den Echnaton (Amenophis IV. 1375 — 1358)3), den »Romantiker auf dem Throne der Pharaonen«, in den
') Eine anschauliche Darstellung »von einem Augenzeugen« findet sich im Militair- Wochenblatt 27. Jg. SS. 122 ff. Berlin 1842.
Als Verfasser bezeichnet Ritter 17, 509 den preußischen Major Laue. Dagegen irrt Ritter, wenn er demselben Offizier auch die
Verfasserschaft des folgenden Buches zuschreibt: Acht Wochen in Syrien. Ein Beitrag zur Geschichte des Feldzuges 1840 (= Reisen
und Länderbeschreibungen ... hg. v. E. Widenmann u. H. Hauff, 22. Lieferung). Stuttgart u. Tübingen 1841. Auf S. 67 be-
richtet der ungenannte Verfasser, wie er die Bekanntschaft des damaligen Kapitäns Laue machte. Wichtig ist als Stoffsammlung Baron
Augustus Jochmus, The Syrian war and the decline of the Ottoman empire 1840 — 1848, Vol. 1 (= Aug. v. Jochmus, Gesammelte
Schriften, hg. v. G. M. Thomas, I. Bd.). Berlin 1883. Auf Grund dieses Materials schrieb Hnr. Frhr. v. Scholl seinen Abriß der
Geschichte des Krieges 1840 — 41 in Syrien (Wien 1866), wieder abgedruckt in Jochmus' Ges. Schriften Bd. 2 SS. 225 — 286. Vgl.
noch Charles Henry Churchill, The Druzes and the Maronites under the Turkish rule from 1840 to 1860. London 1862.
;) Aus der umfangreichen Literatur über den französischen Feldzug der Jahre 1860/1 seien hier nur zwei Schriften genannt,
die mir zugänglich sind: Pierre de La Gorge, Histoire du second Empire. 3. Edition T. 3 pp. 297 ss. Paris 1896. Rambles
in the deserts of Syria pp. 238 ff. 286 ff. London 1864 (Briefe eines ungenannten und mir unbekannten Engländers an seinen Vater).
Lehrreiches Material bieten auch die zwei Bände La vie militaire du g<me>al [Auguste-Alexandre] Ducrot d'apres sa correspondance
(183c) — 1871). Paris 1895. Vgl. noch Churchill a.a.O. pp. 132 ff.
3) Die Jahreszahlen der Pharaonen sind als angenäherte zu betrachten.
g Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb.
devotesten Wendungen seiner Ergebenheit versicherte, der zweite ihn flehentlich, aber vergeblich um Hilfe
gegen seine feindlichen Nachbarn bat1). Die Gebiete der beiden Städte wird schon damals der Hundsfluß
voneinander geschieden haben. Das ganze Palästina und Phönikien, das seit dem großen Eroberer Thut-
mose III. (1501— 1447) 2) den Pharao als Oberherrn anerkannt hatte, ging durch die Schwäche Echnatons
verloren. Erst im 13. Jahrhundert stieß der tatkräftige Ramses II. wieder siegreich bis Nordsyrien vor
und behauptete in fünfzehnjährigen schweren Kämpfen gegen die Hatti seine Eroberungen. Als sichtbare
Zeugnisse seiner Kriegszüge hat er an den Felswänden südlich von der Mündung des Nähr el-Kelb drei
Denkmäler mit Inschriften hinterlassen. Seinem Beispiel folgten später mehrere assyrische Könige, als
letzter von ihnen Asarhaddon (680—669), ur>d nach dem Untergang des assyrischen Reichs der mächtigste
der neubabylonischen Könige, Nebukadnezar II. (605 — 562), dessen Inschriften an der Felswand im Norden
des Flusses entdeckt wurden. Wären alle diese Urkunden, zu denen nachmals Inschriften in griechischer,
lateinischer, arabischer und französischer Sprache hinzukamen, noch wohl erhalten, so würden sie eine
steinerne Chronik von unschätzbarem Werte bilden. Leider ist der weitaus größte Teil davon durch die
verheerenden Wirkungen des Wetters, ein Teil auch durch menschlichen Unverstand absichtlich zerstört.
Aber selbst die Überreste, die uns geblieben sind, verdienen noch gesammelt und beachtet zu werden.
Kapitel III.
DIE ENTDECKUNG DER DENKMÄLER AM NÄHR EL-KELB.
Weder Polybios und Strabon noch Mela und Plinius erwähnen etwas von den Denkmälern und In-
schriften am Lykos-Flusse. Aber zur Zeit der Renaissance, als die Teilnahme an dem geistigen Leben
des Altertums wieder erwachte, blieben auch die alten Urkunden an der Mündung des Nähr el-Kelb nicht
unbemerkt. Der berühmte Cyriacus de Pizzicollis (1391 — 1457), der als Kaufmann und Inschriften-
forscher einen großen Teil der Mittelmeerländer bereiste und zwischen 1426 und 1431 auch in Syrien war,
hat nach Mommsens sehr wahrscheinlicher Vermutung als erster eine lateinische Inschrift am Nähr el-
Kelb abgeschrieben. Zahlreiche spätere Reisende sind seinem Beispiele gefolgt 3). Eine zweite lateinische
Inschrift (CIL III 1, 207), die ebenfalls von Späteren wiederholt abgeschrieben worden ist, findet sich zuerst
in einem Codex Peirescianus (nach Nie. Claud. Fabr. de Peircsc, 1580— 1637, benannt). Freilich nicht
alle Reisenden, die Beschreibungen ihrer Reise hinterlassen ha' en, wandten den Altertümern ihre Auf-
merksamkeit zu. Des deutschen Ritters Arnold von Harff (gegen 1500) hatten wir bereits gedacht
(s. 0. S. 7). Aber auch z.B. der französische Edelmann Balthasar de Monconys (T. 2 pp. iöoss.),
der am 23. November 1647 den Nähr el-Kelb überschritt, hat von den Altertümern nichts berichtet, ebenso-
wenig der Deutsche G. H. v. Schubert (Bd. 3 S. 374), der am ersten Sonntag des Mai 1837 dieses Weges zog.
Einer der frühesten Besucher des Nähr el-Kelb, die auch auf dessen Altertümer achteten und sie in
ihren Beschreibungen erwähnten, war der Altbürgermeister von Brügge, Jor. Vincent de Stochove
(pp. 321 s.), der 1631 reiste. Sein Bericht lautet: »Wir waren an drei Lieues von dort [Berüt], um schöne
Altertümer zu besichtigen, die seit der Römerzeit übrig sind. Da fanden wir einen Weg, der in den leben-
') Knudtzon, Die el-Amarna-Tafeln (= Vorderasiatische Bibliothek Stück II) Nrr. 139 — 143.
'■) Vgl. S. 7 Ann.. 3.
3) Corpus inscriptionum Latinarum (abgekürzt CIL) Vol. III pars 1 p. 39 [nr.] 206.
Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb. O
digen Felsen eingeschnitten ist, und allenthalben mehrere Inschriften, sowohl lateinische als auch arabische,
aber zum größten Teil so verwittert, daß wir sie nicht mehr lesen konnten, außer einer, von der noch folgende
Worte sehr wohl gestaltet geblieben sind.« [Hier folgt der Text von CIL III i, 206.] »Etwas höher auf den
Berg hinauf sahen wir eingehauen einen Mann mit langem breiten Bart und in langem Gewände, daneben
verwitterte Inschriften. Einige Schritte davon entfernt, oberhalb des Meeresstrandes, gibt es drei große
Marmorblöcke, einer auf den andern geschichtet, so daß ein Piedestal gebildet ist. Man versicherte uns,
daß auf diesem einst ein Idol in Gestalt eines Hundes war, der Orakel gab. Als der heilige Paulus dort
vorüberkam, bewirkte er, daß das Bild in das Meer stürzte, wo man es noch heute sieht, bedeckt von unge-
fähr zwei Faden Wasser, in der Gestalt eines Hundes, aber von der Größe eines Pferdes. Unterhalb des
Berges gibt es einen Fluß, der sich in das Meer ergießt. Die Araber nennen ihn Narkel, d.h. Fluß des
Hundes; so daß er bis heute den Namen jenes Idols bewahrt.« Jean de Thevenot, dir 27 Jahre später
vnrüberkam, weiß folgendes zu berichten (S. 305) : »Zwey Stunden ungefähr über ermeldter Brücke [über
den Nähr Berüt] trifft man eine andere an / darunter ein Fluß auff Arabisch mit Namen Naar el Kelb,
das ist der Hunde-Fluß hinweg neust / sonder Zweiffei / weiln allda ein Ring in den Felsen gehauen /
gesehen wird / daran ein großer von eben den Stein gemachter Hund angebunden / und noch im Meer
wahrzunehmen ist. Man sagt / es habe dieser Hund weyland durch Bezauberung gebellet / wann eine Ar-
mee ankommen / und seine Stimm seye 4. Meilen weit gehöret worden. Ein wenig über dem Hügel wo
sich der Hund befindet / sind folgende Wort mit großen Buchstaben in den Felß gegraben:« [Hier folgt der
Anfang von CIL III 1, 206.] »Am Ende letztgemeldter Brücken ist ein Stein von Marmel/ 11. quer Hände
lang / und 5. breit /'worauff 6. Zeilen mit Arabischen Caractern geschrieben stehen.«
Bedeutungsvoll ist auch die Denkschrift des französischen Diplomaten Laurens d'Arvieux über
seine Reisen im Orient und Nordafrika (1660). Es heißt in seinem Bericht (Bd. 2 SS. 378 ff.): »Drei Lieues
von dort [Nähr Berüt] trafen wir einen andern Fluß. Man nennt ihn Nah'ar Ekkelb oder Fluß des Hundes,
weil es früher dort die Figur eines starken Hundes gab, die die Heiden aus dem Felsen eines ziemlich weit
in das Meer hinaustretenden Vorgebirges gemeißelt hatten. Man bediente sich seiner, um die heran-
ziehenden Heere zu entdecken und durch sein Anschlagen, das so laut war, daß man es bis auf Cypern
hörte, davon Kunde zu erhalten. Man erkennt daraus, daß er eine recht laute Stimme hatte. Aber die
Türken, denen die Religion verbietet, eine ausgemeißelte Figur zu dulden, schlugen ihn herunter und
stürzten ihn ins Meer, wo man ihn noch sieht, wenn das Meer ruhig ist. Doch bellt er nicht mehr, und das
ist schade; denn ich würde alles daran gesetzt haben, um Zeuge dieses Wunders zu sein, und vielleicht würde
man eher mir auf mein Wort glauben als der Überlieferung, die ich hier wiedergebe. Man hat mit scharfem
Meißel in den Fuß des Felsens einen Weg geschnitten, der an einer schönen, sehr gut und fest gebauten
Brücke von einem einzigen Bogen endet. Der Weg ist anscheinend von Kaiser Marcus Aurelius hergerichtet
worden, weil man am Felsen folgende Inschrift in großen lateinischen Buchstaben eingehauen sieht.« [Es
folgt der Wortlaut des Anfangs von CIL III 1, 206, dann fährt der Text fort:] »Am Anfang der Brücke
befindet sich eine Marmortafcl, 8 Fuß lang, 4 Fuß breit, mit 6 Zeilen arabischer Schrift zum Lobe dessen,
der diese Brücke hatte bauen lassen zur Bequemlichkeit der Vorüberziehenden, die aufgefordert werden,
Gott um die Ruhe seiner Seele zu bitten.«
Die Erzählung von dem steinernen Hunde kehrt bei den späteren Reisenden sehr oft wieder, meist
mit Abweichungen, die aber nicht sehr bedeutend sind. Der Saih 'Abd-al-Rani von Nablus (um 1688)
bezeichnet als Orientale natürlich die Franken als Urheber des Bildwerks, das dem Flusse den Namen ge- .
geben habe. Einige weitere Nachrichten über diesen steinernen Hund werden nachher im Zusammen-
hang zu besprechen sein (s. u. Kap. X). Von Bedeutung hätte die Reise eines dritten Franzosen werden
Nähr el-Kelb. ,
jO Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb.
müssen, der etwas später als d' Arvieux durch Kesruän zog, wenn sein Reisebericht rechtzeitig und un-
verkürzt veröffentlicht worden wäre. Des Mouceaux ist zweimal am Nähr el-Kelb gewesen: einmal
(pp. 404 ss.) hat er auf der Seereise von Berüt nach Tripolis an der Flußmündung Halt machen lassen,
die Brücke und den Engpaß besucht und figures d' Empereur, eingeschnitten in den Felsen, mit griechischen,
lateinischen und syrischen Inschriften, qui signifient la meme chose, bemerkt. Dann folgt der Wortlaut zweier
römischer Kaiserinschriften, die kein Späterer wieder erwähnt (s. u.). »An dem Anfang der Brücke ist ein
langer Stein mit einer syrischen Inschrift, die niemand, nicht einmal ein Eingeborener lesen kann.« Des
Mouceaux ist nachher (pp. 414 s.) von Tripolis aus zu Lande zurückgekehrt, hat die beiden Quellen, die
er als die Quellen des Hundsflusses betrachtete (Neba' el-'Asel und Neba* el-Leben, s. o. S. 1), besucht,
beschreibt auch die Naturbrücke über die südliche Schlucht, die er mit der früher von ihm besuchten
Naturbrücke über den Nähr Ibrahim J) vergleicht, und gelangte schließlich wieder an die Mündung des
Nähr el-Kelb. »Die Brücke ist mehrere Male zerstört und wieder aufgebaut worden. Es gibt hier ara-
bische Inschriften und eine unter ihnen, auf der zwei Kelche oder Becher sind, was auf die Zeit der Kreuz-
züge hindeuten könnte. Der Baumeister, der diesen Weg hat einhauen lassen, ist an drei verschiedenen
Stellen in Hochrelief abgebildet, in ein langes Gewand gekleidet, mit einem starken Bart und einer Mütze,
ähnlich der der Kroaten, einen Ölzweig in der einen Hand, in der anderen eine Art Winkelmaß. An zwei
oder drei Stellen erscheint eine Vertiefung in dem Felsen, die mit einer Art Kalk belegt ist, mit Schrift in
schmalen Zügen, von einem ziemlich kleinen Römisch, aber so verlöscht, daß nichts davon zu entziffern
ist. Man liest dort diese beiden Inschriften« [:CIL III 1, 206 u. 207]. »Bei einer Darstellung des Bau-
meisters, ähnlich der ersten, sind die Schriftzeichen der einen wie der anderen halb verlöscht; so gibt es
einiges Fehlerhafte in der ersten.« An übermäßiger Klarheit leidet die Darstellung nicht. Indessen ist
es gewiß, daß die angebliche syrische Inschrift auf dem langen Stein am Anfang der Brücke eine und die-
selbe ist mit der arabischen, auf die bereits de Stochove angespielt hatte, die von Thevenot und
d'Arvieux beschrieben worden war, und auf der Des Mouceaux zwei Kelche sah (s. u. S. 44). Die
Skulpturen, die Des Mouceaux erst für Kaiserbilder, dann für Bilder des Baumeisters der Straße hielt,
und von denen auch de Stochove bereits eine kurz beschrieben hatte, sind in Wirklichkeit Darstellungen
?ssyrischer Könige. Die dabei stehenden Inschriften sind freilich nichts weniger als römisch, sondern in
assyrischer Keilschrift geschrieben.
Ein vierter Franzose, De La Roque, der Anfang September 1C89 den Nähr el'-Kelb überschritt
und die beiden lateinischen Inschriften (CIL III 1, 206 u. 207) ebenfalls abschrieb, teilt zugleich mit, daß
die arabische Inschrift am Anfang der Brücke deren Erbauung dem »Emir-Faccardin« (Emir Fahr-ad-din)
zuweise, eine Behauptung, die fortan öfter wiederkehrt. Der englische Prediger Henry Maundrell, der
am 26. Februar 1697 mit einigen Landsleuten von Halab aufgebrochen war, um in Jerusalem Ostern zu
feiern, erreichte den Nähr el-Kelb am 17. März. Außer der arabischen und den bekannten lateinischen
Inschriften erblickten sie »hier und dar wunderliche alte Menschen-Bilder, in Felsen gehauen, gantz erhoben,
und so groß, als in der Natur. Neben jeder Figur hatte es eine große ebne Tafel in der Wand des Felsens,
mit gegrabener Arbeit umbher. Es schiene, die Figuren und Tafeln seien ehemals voller Überschrifften
gewesen. Allein, die Buchstaben sind dermahlen also ausgelöscht, daß weiter nichts mehr als einige Züge
') Baedeker S. 314. Von der ersten Naturbrücke bis zur zweiten braucht man fast 6 Stunden Zeit, von der zweiten bis zur
Mündung des Nähr el-Kelb noch 9 Stunden. Dieses letztere Wegstück hat der Epitomator des Des Mouceauxschen Reiseberichtes
vollständig übergangen und die Naturbrücke über die Schlucht des Neba' el-Leben mit der Kunstbrücke unweit der Mündung des Nähr
el-Kelb vereinerleit. Auch sonst scheint der Epitomator und Herausgeber seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen zu sein. Es ist
z. B. klar, daß die Inschrift, die Des Mouceaux vorher als syrisch bezeichnet hatte, nachmals von ihm als arabisch erkannt und be-
schrieben worden ist. Oder sollten seine Aufzeichnungen selbst keinen Anhalt geboten haben, diese Berichtigung als solche zu erkennen?
Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb.
1 I
zu sehen. Doch fanden wir Eine Figur, deren Züge und Uberschrifften noch gantz waren.« (S. 50.) Ein
Gewitter verhinderte den Reisenden, diese Inschrift abzuschreiben. Nur eine dürftige Skizze des einen
Reliefbildes *) gibt eine ganz schwache Vorstellung der Wirklichkeit; sie zeigt das Kniestück eines nackten
bartlosen Mannes mit eigentümlicher Kopfbedeckung. Auf Mau ndreil machten die Bilder den Eindruck
von Mumien; er glaubte, die dargestellten Personen seien in der Nähe begraben. Sein Landsmann Rieh.
Pococke, der am 1. Juni 1737 an der Stelle war, äußert sich über diese Bildwerke folgendermaßen: »Ich
sähe einige kleine menschliche Figuren von erhobener Arbeit, die an verschiedenen Stellen eingehauen,
aber durch das Wetter sehr verunstaltet waren. Ich bemerkete eine unter denselben, die eine Kappe,
gleich den Phrygischen Mützen, trug; vermutlich war es eine Persische Kleidung, und dieses Bild mag wohl
zu der Zeit verfertiget worden seyn, als die Persianer diese Länder im Besitze hatten.« (S. 135.) Auf der
höchsten Höhe des Passes glaubte Pococke »Ueberbleibsel von einem Thurme« zu sehen; außerdem be-
schreibt er als erster die »Wasserleitung, welche eine [englische!] Meile 2) längst der Seite des Hügels her-
geführet« ist.
Wertvoll ist der Reisebericht des Italieners Giovanni Mariti (2, 97 ff.), der am 25. Juli 1767 den
Nähr el-Kelb besuchte. Auf der Höhe des Hohlwegs sah er einen zerstörten alten Turm, weiterhin, zur
Rechten des Weges, eine große Tafel im Felsen mit einer sehr verlöschten griechischen Inschrift, unweit
davon eine kleinere Tafel mit der lateinischen Inschrift CIL III 1, 207. Dort seien auch verschiedene
Nischen in den Felsen eingegraben mit Figuren in Hochrelief und Schriftzeichen, von denen sich aber nicht
entscheiden lasse, ob sie griechisch oder lateinisch seien. Links vom Wege, auf einer Erhöhung, die das Meer
beherrscht, bemerkte Mariti einen aus dem Felsboden herausgearbeiteten Sockel, auf dem die Figur des
Tieres, nach dem der Fluß benannt war, gestanden habe, ehe sie ins Meer fiel. Das Schicksal dieser Figur
wird ausführlich erörtert. Weiterhin schrieb Mariti die lateinische Inschrift CIL III i, 206 ab, beschreibt
die Brücke mit ihren vier Bogen und die arabische Inschrift am Felsen südlich von der Brücke, deren Erbauer
oder Erneuerer Fahr-ad-dln sein sollte. Schließlich entdeckte er oben auf der Höhe des Felsen vier große
viereckige Tafeln, paarweise aus dem natürlichen Gestein gearbeitet, mit menschlichen Figuren von rich-
tiger Größe in Hochrelief, aber sehr verwittert. Nur auf einer dieser Tafeln konnte er etwas mehr erkennen,
nämlich die Figur eines bartlosen Jünglings in natürlicher Größe, aufrecht, in aufgeschürztem Gewand,
die eine Hand auf der Brust, die andere in die Höhe gehoben mit einem Gegenstand, der sich nicht deut-
lich erkennen ließ, vielleicht einer Lanze, die bis auf die Füße reichte, wenngleich die Hand zu diesem Zweck
etwas zu hoch erhoben schien. Auf dem Kopfe hatte er ein Barett, wie eine Art Modius, und um den Hals
einen ziemlich hohen Kragen. Die Arbeit machte auf Mariti den Eindruck, nicht römisch, sondern eher
phönikisch oder ägyptisch zu sein. Auch hier kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Maritis Beschrei-
bung, obwohl weniger genau als die von Des Mouceaux, dasselbe Bildwerk meint wie dieser mit seinem
»Baumeister« (Maundrells »Mumie«), und daß seine Vermutung, es sei nicht römisch, sondern phönikisch
oder ägyptisch, der Wahrheit wenigstens näherkommt. Der französische Maler Cassas, der um 1772
Syrien bereiste, hat auch drei verschiedene Aufnahmen vom Mündungsgebiet des Nähr el-Kelb gegeben
(T. 2, Pll. 76 — 78). Die menschlichen Figuren der Tafeln weichen freilich von der Wirklichkeit stark ab;
sie sehen wie griechisch-römische Figuren aus, und die eine, die de Stochove, Des Mouceaux und
Mariti bekleidet gesehen hatten, ist wieder nackt gezeichnet.
So verging auch das 18. Jahrhundert, ohne über diese fremdartigen Denkmäler die gewünschte Auf-
■) In der oben benutzten deutschen Übersetzung (Hamburg 1706) finde ich diese Skizze nicht, wohl aber in der von mir ebenfalls
eingesehenen englischen Ausgabe (London 1810) p. 49.
2) Bei Ritter 17, 528 sind daraus anderthalb Stunden geworden.
12 Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb.
klärung zu bringen. Das 19. Jahrhundert ermöglichte einige Fortschritte. Die ägyptische Expedition
Napol ons I. hatte 1799 die Steintafel von Rosette ans Tageslicht gefördert, die mit ihrer hieroglyphischen,
demotischen und griechischen Inschrift den Schlüssel zur Entzifferung des alten ägyptischen Schrifttums
darbot. Die Erfolge der jungen Wissenschaft mußten auch den Denkmälern am Nähr el-Kelb zugute
kommen. 1815 behauptete der junge Livländer Otto Frdr. v. Richter (S. 94), ein Basrelief an dem
Felsenwege stelle vollkommen einen ägyptischen Tempel dar mit seinem gewölbten Kranze und Rundstabe,
inwendig ein Opfernder vor dem Gottc mit SperDerkopfe, worauf eine Kugel, und im Jahre darauf stellte
der englische Reisende Buckingham (p. 448) ebenfalls den ägyptischen Charakter dieser Figuren fest.
Ein Irländer, Mr. Wyse, schrieb einige Hieroglyphenzeichen ab und teilte sie Sir William Gell mit, der
die Mitteilung an den Hieroglyphenentzifferer Thomas Young weitergab, mit dem Bemerken, daß in
den Schriftzeichen nicht der Name des Amasis, sondern der des Sesostris enthalten sei '). Young be-
nutzte noch eine weitere Angabe Wyses, die wahrscheinlich besagte, daß neben der ägyptischen eine Keil-
Inschrift stehe. Er gab sie 1823 in der Form wieder (p. 52): »Ramesses oder Armesses genannt Miamun . . .
der wahrscheinlicher als Amasis bei Berytus oder am Nähr el-Kelb gewesen ist, wo Mr. Wyse, wie ich von
Sir William Gell erfahre, diesen Namen deutlich bemerkte, begleitet von den nagelköpfigen Zeichen.«
Bei Champollion (p. 221) ist 1824 daraus geworden: »Man findet diese selbe Königslegende [seil, des
Pharao Ramses] auf einer Inschrift, deren Text zweisprachig, hieroglyphisch und in Keilschrift, ist; dieses
schätzbare Denkmal steht am Nahhar-el-Kelb in Syrien, unweit von dem alten Berythus.« Die Ent-
zifferung der Keilschrift, die der junge deutsche Gymnasiallehrer Georg Friedrich Grotefend 1802
mit Glück und Geschick begonnen hatte, machte in den ersten Jahrzehnten nur langsame Fortschritte.
Die Keilschriftforschung war ja ganz auf sich selbst gestellt, da ihr eine Bilingue fehlte, die sie, wie der
Stein von Rosette ihre glücklichere Schwesterwissenschaft, hätte fördern können. Jetzt schien sich eine
Aussicht zu eröffnen, mit Hilfe der Hieroglyphenentzifferung auch das noch recht tiefe Dunkel der Keil-
schrift aufzuhellen. Der französische Orientalist Saint-Martin (f 1832), der sich mit Keilschrift be-
schäftigte, versuchte vergeblich, von dem Engländer W. J. Bankes, der mit Zeichnungen vom Nähr el-
Kelb nach Paris gekommen war, dessen Abschrift der zweisprachigen Inschrift zur Einsicht zu erhalten 2).
Später (1830) fand er jedoch Gelegenheit, mit F. Lajard die Skizze einzusehen, die Guys von dem In-
schriftenrelief angefertigt und nach Paris mitgebracht hatte; er glaubte, zwei verschiedene Systeme Keil-
schrift zu erkennen, persisch und assyrisch-babylonisch, während Lajard in der Figur sofort einen alten
persischen König aus dem Geschlechtc der Achämenidcn zu finden wähnte 3). Bunsen meinte, daß die
ägyptischen Bilder am Nähr el-Kelb diejenigen seien, die Herodot (II 106) gesehen und dem Sesostris zu-
geschrieben hatte«). Ein englischer Reisender Levinge, der 1833 nach Italien zurückgekommen war, brachte
die Mitteilung, daß die hieroglyphische Inschrift am Nähr el-Kelb (in alter Zeit) absichtlich zerstört worden,
die Keilinschrift dagegen noch vollkommen wohl erhalten sei. Daraus schloß Sir William Gell, daß ohne
Zweifel Kambyses der Urheber dieser Inschrift sein müsse ?). Lajard wandte sich mit der Bitte um Auf-
klärung an Guys() und erhielt durch diesen") wie auch durch den französischen Offizier Callier8) die
Mitteilung, daß die ägyptischen Inschriften nicht absichtlich, sondern durch die Länge der Zeit zerstört
seien, und daß auch von zwei- oder mehrsprachigen Inschriften keine Rede sein könne. Damit schwand
nun freilich die Hoffnung, für die Entzifferung der Keilschrift aus den Denkmälern am Nähr el-Kelb etwas
') Brief Sir William Gells vom 28. Mai 1834 (Bullettino delT Institute- di corr. arch. 1834 pp. 155 ss.).
2) Bullettino dell' Instituto 1834 p. 151. 3) Daselbst pp. 152 ss. 4) Daselbst pp. 30 ss.
5) Daselbst p. 32 und pp. 155 ss. 6) Daselbst 1835 pp. 23 ss. 1837 pp. 136 ss.
7) Daselbst 1837 pp. 138 ss. und Guys, Relation T. 1 pp. 255 ss. 8) Bullettino dell' Instituto 1835 pp. 24 ss.
Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler mif I NalkH el»Kt*&l £6
zu gewinnen, aber nicht das Interesse für diese Denkmäler. Nanafcflfclioh[ bücHew^ieJöetnühbrigen rift* rMiü-
glieder des römischen Institute- di correspondenza archeclogica darmt£>gef^8üfyigena(ferefi)^HmblßJäiJfid
Zeichnungen davon zu erhalten. Als der gelehrte Jesuitenpate£\&y41tt/sioh8'E&3<iJgtrf Rsis^IinfocHaS^Preh
anschickte, empfahl ihm Lepsius1), damals Sekretär am Institfato;iddiiig^nä^ldi«lIBeaJimäle¥Td«8.'iB3ahi'
el-Kelb zu besichtigen und die noch bestehenden Unklarheiten la\ifcuhellwi..(\J^)l<rMtCTZo^s^fdm(Jr
Aufgabe mit großem Eifer, besuchte wiederholt, zuletzt mit drei ira*ia ö&sofeeln MhloÄ, ldwib9rcitfe>ä«öBg£ut
waren, Comte de Bertou, Montfort3) und Lehoux, den dcfflfewürdigsfl ©rft> ^ndlsäMxtto' am hjlMärk
1837 einen Bericht ein, der mit einem Brief Bertous an Pater MfflffehfiIvferOfreh»liditJ^rdeffe)f.iaxi#«rdiftm
eine Reihe von Skizzen der verschiedenen Denkmäler, die Lcpsius^itife^g^iti^^emtff^tiigkatefatfrn'adht^i
Allerdings wußte man nun, wo man die einzelnen Denkmäler zu's(i4föafc tßjlttep ealbW diö/ffos^ifhm^eÖfcat
besaß man noch nicht; von der griechischen z. B. erfuhr man nur,.*\iaß)siij seh^ btöifrüdigtutnrid sfchwe» Wfcefc-
lieh sei und aus später Zeit zu stammen scheine 5); von einer frariz^isiAbn.lErdtfinscliiiftKdtiisaHeiwI^.djBhh
hundert ist später überhaupt nicht wieder die Rede6). Die Keii9(JhrHlr^eBknrätp{5medtorije^diiii^QmhaeV
noch für persisch, wenn es ihm auch möglich schien, daß sie nichfra1hoeiiiremc^ndrfd£mBe(banvHes|£rfix^'.Hfo
gehörten 7). In besserer Ausführung erschienen die meisten dieser^ßkräaen ,irtteiirrrlemnoAa$rfklgri&i mag?
auch in dem Prachtwerk von Leon de Labord.e, der bereits iSi/niniÄyqBau/gerteiBt inüi guüerchitebhaWlo
und im gleichen Jahre veröffentlichte Bonomi die lange erwartatefl JprgieH nissa: iaoiiHir •eisernen Arbda§a«*ä
dem Winter 1833/4. An Stelle der sechs persischen nennt er fünf tilutd'd&iifi^hijhTü^n. .niaächiiiijtlenagrbfe
er ebensowenig wie seine letzten Vorgänger, abgesehen von der lateinischen CIL III/E/ißafo jfAar daä/böstii
erhaltene »chaldäische« Inschriftenrelief hatte er in Gips abgeforr^iigadi^lßnjAbgUiJjS fl%qh-, J.ft%cjfln\ge bracht,
wo er im Britischen Museum aufbewahrt wird. Über die arab^hjSiafnpcfari^JyMtja^te ^saÖPß #jß 4§JD
14. Jahrhundert, der Zeit Omars, angehören könne. ,g nß}Iua 19b üsb ^arfagusioviarf nairiog
Einen wesentlichen Fortschritt bedeutete die Prüfung der jä^pgt{qqh§n) Ifl^hrjf^nr^yelsbfWdrMvf&v
Preußische Expedition bei ihrer Rückkehr von Ägypten GelegtnäiQifoifcujidj niJ^iiJuHoB&iSsiftSlWfen&S
Architekt G. Erb kam die Gegend am Ausflüsse des Nähr el-Kel^ t^ogrj^b^gchj^u^^jjwäjy-eßäßdgrgSfb^
geübte Hier.oglyphen-Zeichner Max Weidenbach die Reliefs mi^g^Res^a der Inschrtfjteri abeemhjnete').
Im November des gleichen Jahres kamen Lepsius und Abekeft!^^}^^^^,,^)^^!^
seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Anfänge der ersten Zci}eJß^rng^^nm^^^^a^j1ynn^(|t^g|j
pflegt; es gelang ihm, an der mittleren Relieftafel das Jahr 4 mitj^e^^e^ustg^^äh^^i ^g
südlichen Tafel ein Schwanken zwischen dem 2. und dem 10. J^Mehl$nM$$£ ^d^^^
unter dem Relief nichts mehr zu erkennen. Schließlich ist der^Dpdi^gn^L^^i.u^^a^^jAbjSj^ir^];.
einer dritten lateinischen Inschrift (CIL III I, 200) zu verdanken, /, • . x? ■ • ■ .
Länger dauerte es, bis man über die Figuren der nichtäg^ti|Cjh^ ^^
iJiA oisiol 19b douA .noiew nabnßrfiov
*) Bullettino 1837 pp. 134 s.
2) Dies, und nicht Monfort, ist doch wohl die richtige Schreibung des Namens. Vgl. Röhricht, Bibliotheca geogr. Palaestinae
S. 391 Nr. 1882. Es ist eigentümlich, wie wenig sorgfältig damals selbst Gelehrte" mif Eigennamen' umgingen.'11 Aus'^anies' wurde
Banks, aus Bonomi: Bonomee, Buonomi und Bonome\ ausLevinge: Le(Vig\&,'''L^virigWtod)&lb4t4Jeir'g^ß-W:r Nähr
el-Kelb mußte sich den Nahbar el-Kelb gefallen lassen usw. >a .aiaansdÜ oniae bnu aviniKI ,(>ijäi(£j (t
3) Bullettino 1837 pp. 145 ss. 4) Annali dell' Instituto Vol. 10 pp. 12 s^MRomaaili$38adlMammronU)ittdirii4"pk*i (tav. 51.
5) Annali Vol. 10 p. 18, 10. Bullettino 1837 p. 135 u. p. 141. 6) BullettiM)it»37(;lpali35uoti;ii o^AMialv -Moü; to 'pb ij.
8) Veröffentlicht wurde diese Skizze erst 1915 im Textband 5 der Denkmäleq aus >ÄgyptehnS/.39Ti. »upigoIo^rbiE auva'A (■'
9) Veröffentlicht 1854 in Denkmäler aus Ägypten Abt. III Bl. 197. Zwei Verbesserung^ jn ifam /ebOT-jerWhiirten;Te±lMildra. a. O.
I0) Lepsius Archäol. Zeitung 4. Jg. S. 280. Berlin 1846. Lepsius, Briefe i ajreuÄgyp*eB Sl^OBaCBerlmjg&sjzladöianastSerichte
der Berl. Akademie 1854,345. \c\y:A isni^ ni i»t£qa JiiqqO rioie sJgias ubasaimo/l
j a Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb.
Bunsen, Gell und Lajard für persisch gehalten hatten, während Bonomi sie als chaldäisch bezeichnete,
zur Klarheit kam. Der preußische General-Konsul L. v. Wildenbruch glaubte allerdings schon 1843 an
der besterhaltenen Figur dieser Art »etwas prononcirt Jüdisches« zu finden. Er gab auch eine Probe ihrer
Kcilinschrift. Dasselbe tat Wilson, der ein Vierteljahr später den Nähr el-Kelb besuchte. Ehe aber
dessen Buch erschien (1847), waren große Entdeckungen in Assyrien gemacht worden. 1843 hatte der
französische Consul Botta den Ruinenhügel bei Horsäbäd auszugraben begonnen, 1845 der Engländer
Layard die Erforschung der Ruinen von Nimrüd in Angriff genommen. An beiden Stellen war eine Fülle
von assyrischen Steinreliefs und Inschriften zutage gekommen. Die Ähnlichkeit dieser Kunst und Schrift
mit den nichtägyptischen Reliefs vom Nähr el-Kelb konnte nicht lange verborgen bleiben. Rawlinson
und Norris ') sowie Wilson (2, 408 f.) wiesen darauf hin, und letzterer fügte hinzu (p. 411): »Vielleicht
stellt es sich heraus, daß sie [die Inschrift am Nähr el-Kelb] den Namen eines Shalmaneser, Sargon, Senna-
cherib oder Esarhaddon enthält, die die Eroberungen der Assyrer bis an die Ufer des Mittelmeeres, zum
Teil sogar bis nach Ägypten ausdehnten.« Layard selbst, der schon 1840 einmal am Nähr el-Kelb vor-
übergezogen war 3) und ihn später noch wiederholt besuchte, entdeckte in jener Inschrift, von der Bonomi
einen Abguß genommen hatte, einen Königsnamen, der ihm von Kujungik (Nineweh) her vertraut war -),
ohne daß er ihn fürs erste aussprechen konnte. Aber die Aussprache des Namens blieb nicht' lange ver-
borgen; es war der assyrische König Sanherib, von dem auch die riesigen Felsenreliefs bei Bawian in As-
syrien herrühren. Auf die Ähnlichkeit dieser mit dem Denkmal am Nähr el-Kelb machte Layard aus-
drücklich aufmerksam 4).
v. Wildenbruch hatte durch seinen' Dragoman Catafago auch die arabische Inschrift am Süd-
ufer des Flusses, gegenüber der Brücke, abschreiben lassen, soweit sie noch leserlich erschien. Aus ihr
schien hervorzugehen, daß der Sultan Selim I. (1512— 1520) als Erbauer der Brücke genannt war, wie
vorher bereits de Laborde (p. 41) angegeben hatte. Die griechische Inschrift konnte v. Wildenbruch
ebensowenig finden wie sein Begleiter Eli Smith, der sie früher selbst gesehen hatte. Zwei Jahre später
hat sie aber der deutsche Theolog W. Krafft abgeschrieben und veröffentlicht.
Die Jahre 1852—54 sind merkwürdig wegen eines uns sehr überflüssig anmutenden Streites, der mit
Bezug auf die ägyptischen Denkmäler des Nähr el-Kelb geführt wurde. Jules Oppert, der im November
oder Dezember 1851 mit mehreren Anderen den Nähr el-Kelb besucht hatte, bestritt in einem Briefe an
das Journal asiatique, daß jemals ägyptische Inschriften dort vorhanden gewesen seien, und ging sogar
soweit, denen, die sie abgeschrieben hatten, den guten Glauben abzusprechen. Ihm schloß sich de Saulcy
an, der einige Monate früher die gleiche Erfahrung gemacht hatte 5). Der Comte de Bertou legte da-
gegen entschieden Verwahrung ein6), wodurch sich de Saulcy veranlaßt sah, in ehrlicher Weise zu wider-
rufen 7), während Oppert fürs erste8) nur die Möglichkeit zugab, daß die umstrittenen Inschriften einst
vorhanden waren. Auch der letzte Artikel, den Lepsius über die ägyptischen Felsentafeln vom Nähr
') Journal of the R. Asiatic Society Vol. 10 p. 27. London 1846.
-) Layard, Early adventures. New Edition p. 88. London 1894.
3) Layard, Ninive und seine Überreste. Deutsch von Meissner S. 391 Anm. * und S. 293 Anm. **. Leipzig 1850.
4) Layard, Discoveries in the ruins of Nineveh and Babylon P. 1 p. 210 note *. London 1853.
5) de Saulcy, Voyage autour de la Mer Morte T. II pp. 652 ss. Paris 1853.
6) Revue archeologique n.Annee I. partie pp. 1 ss. Paris 1854.
7) L'Athenaeum francais Annee 3 pp. 902 s. Paris 1854.
8) Daselbst p. 370. Deutsche Übersetzung in »Das Ausland« 27. Jg. S. 406 f.' Stuttgart u. Augsburg 1854. Etwas entgegen-
kommender zeigte sich Oppert später in seiner Expedition en Mesopotamie T. 1 p. 19. Paris 1863.
Kapitel III. Die Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb. I ;
el-Kelb veröffentlichte1), war durch den leichtfertigen Angriff Opperts und de Saulcys veranlaßt.
Einen größeren Gewinn brachte eine amerikanische Forschungsexpedition von 1873; Professor John Alsop
Paine entdeckte drei neue griechische Inschriften, von denen er aber nur eine veröffentlichte. Boscawen,
der im Herbst 1879 den Nähr el-Kelb besuchte, zeichnete einen übersichtlichen farbigen Plan mit den
Plätzen der einzelnen ägyptischen und assyrischen Reliefs, deren Maße er überdies angab. Im besonderen
bemühte er sich, die Urheber der assyrischen Denkmäler festzustellen. Dies glückte ihm mit völliger
Sicherheit nur bei dem besterhaltenen, in dessen Keilinschrift Layard den Namen Sanheribs gelesen hatte.
Aber nicht Sanherib selbst, sondern dessen Sohn und Nachfolger Asarhaddon, den Eroberer Ägyptens,
stellt es dar. Von der Inschrift konnte Boscawen nur einige kurze Auszüge mitteilen.
Bis 1878 kannte man nur im Süden des Nähr el-Kelb Denkmäler mit Inschriften. In diesem Jahre
aber bemerkten Arbeiter, die unterhalb des Aquäduktes, dicht an der nördlichen Felswand, einen Kanal
gruben, unter dem Gestrüpp und Buschwerk, das die Felswand bedeckte, fremdartige Schriftzeichen. Sie
sprengten ein Stück aus dem Felsen heraus, dessen Inschrift von dem damaligen Dragoman des deutschen
Konsulats in Berüt, Martin Hartmann, später auch von Guthe und dem dänischen Konsul Leytved
abgeklatscht wurde. Die Abklatsche wanderten je nach Berlin, Leipzig und Paris und wurden von
Schrader, Delitzsch und Lenormant untersucht. Aber nur der französische Gelehrte hat einen kurzen
Bericht darüber gegeben *). Das Original selbst gelangte in verschiedene Hände und blieb viele Jahre
verschollen. Ein Meter weiter links von dem ausgebrochenen Stück fanden sich noch Reste von vier
hohen Kolumnen einer Inschrift und auf der andern Seite ebenfalls Reste, aber von sehr geringem Umfang.
Über die große Inschrift berichtete Sayce noch 1881 und stellte fest, daß sie babylonisch ist und von
König Nebukadnezar II. (605—562) stammt. 1882 äußerte sich auch Lenormant darüber in der Pariser
Akademie der Inschriften 3). Merkwürdigerweise dachte niemand daran, diese Inschrift, deren große Be-
deutung man sogleich erkannte, zu veröffentlichen. Bei meinem Besuch des Nähr el-Kelb im April 1903
gelang es mir festzustellen, daß die Inschrift Nebukadnezars fast wörtlich mit dessen Inschriften vom Wädl
Brisä übereinstimmte, und als mir bald darauf Loytveds Material zugänglich wurde, ergab sich, daß es
sich in Wirklichkeit, wie im Wädi Brisä, um zwei Inschriften Nebukadnezars handelte, eine altbabylonische
und eine neubabylonische. Von der letzteren Fassung war freilich nur ein Wort vollständig erhalten.
Der herausgebrochene Stein war mir noch unzugänglich, als ich meine Ausgabe veröffentlichte, und blieb
verschollen, bis ihn Unger 1913 im Konstantinopler Museum wiederfand und der Vergessenheit entriß.
Er gehört der neubabylonischen Fassung an.
Von großer Bedeutung wurde Hilprechts kurzer Besuch des Nähr el-Kelb im Herbst des Jahres
1888. Da es ihm an Zeit gebrach, die Altertümer selbst eingehender zu studieren, ließ er durch einen
Photographen eine Anzahl vortrefflicher Aufnahmen anfertigen, die er mir 1903 in selbstloser Weise zur
Verfügung stellte. Hilprechts weitblickendes Vorgehen war um so dankenswerter, weil die Gefahr,
daß jene ungeschützten Altertümer zerstört werden könnten, immer bestand. Tatsächlich ist ja auch
das eine Relief während des Weltkrieges vollständig zertrümmert worden, so daß davon jetzt vielleicht
überhaupt keine andere Abbildung mehr vorhanden ist als die Hilprechtsche, die wir auf Taf. 5 reprodu-
zieren durften. In den neunziger Jahren hat der norwegische Assyriolog J. A. Knudtzon (t Jan. 1917)
') Monatsberichte der Berliner Akademie 1854 SS. 338 ff.
J) Am 11. Mai 1882 in der Pariser Akademie der Inschriften: Comptes rendus de l'Academie des inscriptions IV. Serie T. 10 pp. 86 s.
3) Dieser Bericht ist, wie es scheint, niemals in den Schriften der Akademie gedruckt worden. Leytyed erhielt ihn durch einen
Brief von G. Schlumberger. Eine Abschrift dieses Briefes kam mit dem Abklatschmaterial Leytveds 1903 durch Kauf in den Besitz
der Kgl. Museen in Berlin und wurde 1906 von mir veröffentlicht (Die Inschriften Nebukadnezars II. im Wädl Brisä und am Nähr el-
Kelb SS. 9 f.)-
fc<*
K4jpj|eJjUftBviDiift: Entdeckung der Denkmäler am Nähr el-Kelb.
njijj;^Qfl;g^n#yij[p/LvitfJicJl5;ni)SQrgf$.-l^(j(i(tOih'tn eigen war, die Inschrift Asarhaddons abgeschrieben und seine
Abs.<?l?rift cfijijt foigi;töf$p.<fp(ß?c!Q@vi (Afegfeßqim Britischen Museum und einem zweiten Abguß, den das Ber-
lin fr Mji#§iyn b^itJ#jr,nf'^j\mindpfim)i,ig>Öytig verglichen. Auch diese wertvolle Abschrift hat mir ihr Ur-
h§b,ei)ij« s?li>9tlös^;cMÖiisfl^k>tl¥Mfet}gyog(giestellt. Schließlich muß ich noch meines Schülers und Freundes
E/jn$jtj0G^iofrg Klft^bjera^fcd«rticen) (ffilM9*4), der 1908 auf meine Bitte Papierabdrücke dieser Inschrift
&\£tit&&QiMndifflihf^&fyQ-n(llrnjJMMteiiS$93, auf seiner Reise vom Mittelmeer zum Persischen Golf, be-
rührM (Bseihgrfdto'jiöpgQfthfetahnaUchTde^r Nähr el-Kelb. Außer einer guten Abbildung eines assyrisch-
^6p^i^g&enij5kftfcaiailf)&areß)5fej;da©J?feni>^lr ihm die Veröffentlichung von L0ytveds Abschrift der fran-
zösischen Inschriffeöil-iqjiflb-wjgbiiarAt J$5fi/i ausgeführt, doch in ihrem unteren Teile schon recht undeutlich
gfttfi^rdena'^ifer,rijetzh'^efdgäh6arftfiihrttj(niägyptischen Rahmen vollständig zerstört ist. Die Expedition van
i8öJfMiftW$'jUili^iJv^t'j^Snij?l'jJfik«b(jahrt>i895, die besonders der Aufsuchung und Erforschung arabischer In-
^fferiftjegiflg^^-ftfgSnalyjrtoEhraMiph ■.däo-jfjra&ischen Inschrift am Nähr el-Kclb zugute, von der van Berchem
«Bfcft ITieÄ sufriiftratenjafil iPjgifeirtig&rrkekuaag mitteilte (p. 100, note 1). Über die Schicksale des Mündungs-
gebi9t^vJd$e8MaJIr|IeJ^^Kftll18I>^M?thfeI!wiIJde3[ Weltkrieges zu berichten, muß der Zukunft überlassen bleiben.
EjneiSbiPiri'>?atteiffQ?i*iErln&hrnegisbli'dJe (MJMeilung, daß eine türkische und eine deutsche Inschrift hinzu-
gqiügft W««dp9x;*ipW(ldi^-,vJ#ß1iu$lJßbilv*s(jden »Siegern« in diesem schändlichsten aller Kriege wieder be-
§tiHi$[t iitffk ÜUxUh [frapz5?jftrite #indjfrtigltsche (oder amerikanische?) ersetzt worden sind. Relata refero,
arid AJlahjJWfiiß i<$ofee?&ig. nobim\ jbülS n
.grißlmU mognrrjg irfja nov iodß pteaSi alle
nov bnu iai rfoainolYdßd oiii ÜJ.h >y. n vjiil
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iisiiia rbiub nrli Jlsirfis bsvl^nj .nobiow Jjtaufbsg sirt
sJissa nsb nilus» rioiub (091 «bsv J YS^WhsJsmMftmfcizze des Mündungsgebietes um 1887.
-b irffiH niü bnu i:?Ä-\H ibfiW rni .II ?.ißS3nb£}(nd3M! nytl
Kapitel IV. Die ägyptischen Denkmäler.
•7
Abb. 4. Nördliches ägyptisches Relief (1845V
Kapitel IV.
DIE ÄGYPTISCHEN DENKMÄLER.
Die drei Reliefs haben die Gestalt von Scheintüren. Die Höhe ist 7' 6" engl., die Breite 3' 8", die
Tiefe bei dem ersten Relief 6", bei den beiden anderen 5*/a". ') Unter dem vorkragenden Hohlkehlkarnies
liegt der Türsturz mit der geflügelten Sonnenscheibe, rechts und links davon die gleichlautende Beischrift
Bahdet »(Sonnengott von) Edfu«. Unter dieser waren die Türrahmen mit Inschriften bedeckt (links I,
rechts II). Das Rechteck der Türfüllung2) ist durch eine Querlinie in zwei Teile geschieden: das obere
') Vgl. Boscawen Transactions of the Society of bibl. archaeol. Vol. 7 p. 335. Der Unterschied in der Tiefe erklärt sich, wie
Boscawen richtig bemerkt, daraus, daß die Scheintürfüllung des ersten Reliefs vor der Anbringung der französischen Inschrift abge-
schliffen wurde.
J) Auf die Frage, ob die ägyptischen Reliefs früher durch steinerne oder metallene Schutztüren gedeckt waren, braucht jetzt nicht
mehr eingegangen zu werden. Die Löcher in den Ecken der Scheintüren sind, wie Renan (p. 340) mit Recht sagt, wahrscheinlich späteren
Ursprungs. Wo Prutz (S. 49) die eisernen Angeln, in denen sich die Vorsatztüren bewegt haben sollen, noch gesehen hat, ist mir un-
erfindlich.
Nähr el-Kelb. -i
jg Kapitel IV. Die ägyptischen Denkmäler.
Feld enthielt eine Reliefdarstcllung von je drei Figuren, links ein Gott, rechts der Pharao Ramses II. I),
beide einander zugewandt, in der Mitte ein kriegsgefangener Feind, dessen Gestalt im Vergleich zu der
Größe der beiden anderen zwerghaft erscheint. Diese Figuren hatten zum Teil Beischriften (III). Die
Hauptinschrift (IV) füllte das ganze Feld unter diesem Relief aus 2). Die besten Zeichnungen der Denk-
mäler, ausgeführt von Max Weidenbach im Juli 1845, hat Lepsius (Denkmäler aus Ägypten, III. Abt.
Tat'. 197 a, b u. c) veröffentlicht 3). Bei der Beschreibung der Reliefs erfreute ich mich der Hilfe Dr. Hans
Abels; die Umschreibungen und Übersetzungen der Inschriften verdanke ich seiner Freundlichkeit aus-
schließlich.
I. NÖRDLICHES RELIEF.
Darstellung: Der Pharao mit der Krone des Südlandes, den Oberkörper vorgebeugt, packt mit dem
ausgestreckten rechten Arm den in die Knie gesunkenen Feind beim Schopf und holt mit der Waffe, die
er in der Linken schwingt, zum Schlage aus. Der Gott ist Ptah. Die Beischriften (III) und die Haupt-
inschrift (IV) waren schon 1845 völlig unleserlich. (Vgl. Abb. 4.)
Inschrift I = II: hr kl nJjt mrjj-mYt nswl bjtj nb t\wj ws'r-ml't-r' stp-n-r'- s> r( nb ffw r'-ms-sw mrjj-
jmn . . . dj (n/i mj rc
Der Horus »Starker Stier, von der Wahrheit geliebt«, der König von Ober- und Unter-Ägypten, Herr
der beiden Länder, Wsr-mJ't-R' Stp-n-R', Sohn des Re', Herr der Diademe, Ramses Miamun . . . mit
Leben beschenkt wie Re'.
Während des syrischen Feldzuges 1 860/1 wurde die Türfläche auf Anordnung des französischen Con-
sulats-*) abgeschliffen, wobei das Ptah-Rclief vollständig verloren ging, und mit umstehender französischer
Inschrift geziert (vgl. S. 19 und Taf. 5).
Über diese Inschrift urteilte Louis Lortet, doyen de la Facult6 de medecine de Lyon (pp. 657 s.):
Au dessus, entoure par un encadrement taille dans le roc, mais dejä tres altere par le temps et par des mains
hostiles, je n'ai pu lirc sans un certain depit une inscription frangaise, en l'honneur de Napoleon III
et des generaux commandant le corps d'oecupation de la Syrie, en 1860— 1861, pour les hauts faits d'armcs
qu'ils n'ont point eu ä aecomplir. Helas! dans cettc circonstance, comme dans bien d'autres, la diplo-
matie de notre pays et nos generaux ont ete trompes par l'astuce et la ruse de la Sublime Porte; la France
n'a pas su mettre le pied d'une facon definitive ä Damas et en Syrie, oü eile aurait ete soutenue par toute
une population chretienne devouee. Ici eile n'aurait point eu ä lutter sans cesse, comme en Afrique,
contre des races musulmanes införieures, qui s'eteindront, mais qui ne se soumettront jamais. — Dans
l'inscription franc.aisc, les noms et les numeros de nos regiments sont presque tous illisibles apres un si
petit nombre d'annecs, tandis que les belles lettres augustales de Marc-Aurele ont brave l'action destruetive
du temps et des hommes. Das war 1880. Inzwischen haben sich die heißblütigen Hoffnungen des Herrn
Doyen erfüllt, ob aber d'une jacon definitive, muß angesichts des Umstandes, daß in Damaskus und Syrien
neben der population chritienne devouee noch des races musulmanes inferieures wohnen, der Zukunft über-
') Herrschte nach Meyer 1300 — 1234, nach Breasted 1292 — 1225. Vgl. Röder in Paulys Real-Encyclopädie, Neue Bearbeitung
II. Reihe Bd. 1 SS. 152«.
*) Vgl. S. 17 Anm. 2.
3) In einfacherer Ausführung wiederholt Monatsberichte der Berliner Akademie 1854 Tafel zu S. 346. Vgl. auch Denkmäler
Textband 5 S. 390 (Leipzig 1915).
4) In Berut bekleidete damals (1860/61) Generalconsul Comte de Bentivoglio diese Würde. Duc de Luynes. der
dessen Namen selbst nicht nennt, fügt hinzu (Relation p. 10): Cette inscription, peinte sur fond blanc, semble etre un acte de
simple deference commandee par les circonstances, et n'aura pas, heureusement, plus de duree <|u'elle n'etait utile ni opportune.
/
Kapitel IV. Die ägyptischen Denkmäler. jy
lassen bleiben. Während des Weltkrieges ist das ganze Denkmal — Tür und Rahmen — von einem
türkischen Offizier in irregeleitetem patriotischen Zorn völlig zerstört worden.1)
1860- -1861
NAPOLEON III.
EMPEREUR DES FRANCAIS
ARMEE FRANQAISE
GENERAL DE BEAUFORT D'HAUTPOUL
COMMANDANT EN CHEF
COLONEL OSMONT
CHEF D'ETAT-MAJOR GENERAL
GENERAL
COMMANDANT
DUCROT
D'INFANTERIE
55. DE LIGNE
13= DE LIGNE
165. BATÜN CHASSEURS
25 GENIE
IS D'ARTILLERIE
105. D'ARTILLERIE
llr HUSSARÜS
15 CHASSEURS D'AFRIQUE
35. CHASSEURS D'AFRIQUE
15T ZOUAVES
SERVICES ADMINISTRATIFS
25 SPAHIS
II. MITTLERES RELIEF.
Dieses Denkmal steht rechts von dem vierten assyrischen Relief (s. auch Taf. 9). Darstellung: Der
Pharao mit dem sogenannten Kriegshelm, aufrechtstehend, hält mit der Linken einen kurzen Hakenstab,
der etwas über die linke Schulter emporragt. Mit der Rechten, die leicht gebogen ist, faßt er den Feind
am Schopf. Dieser steht aufrecht und ist mit einem langen Gewände bekleidet; die Arme hängen ihm
schlaff hinter dem Rücken herab. Der Gott ist Harmachis mit langem Szepter in der linken und Sichel-
schwert in der rechten Hand.
Inschrift I: n/r nfr nht Itprw Uk\ " phtj s nswt bjtj nb ßivj wsr-mYt-r' stp-n-rl s\ r' r'-ms-sh'
mrjj-jmn dj 'n/i
Der gute Gott, stark an Gestalt, der Fürst, groß an Kraft, der König von Ober- und Unter-
Ägypten, Herr der beiden Länder, Wsr-mJ't-R' Stp-n-R', Sohn des Rc', Ramses Miamun, mit Leben be-
schenkt.
Inschrift II: n/r nfr nfyt pdwt nb fypi n/r '> ml jMjivtj ms n pnn d[t\ nfwt bjtj nb t\wj wsr-
m\lt-rl s'tp-n-r' s> r' r'-ms'-s'w mrjj-jmn dj 'n//
Der gute Gott, stark an Bogen, der Herr der Kraft, , der große Gott wie der vom Horizonte,
s) Wiegand Zeitschrift f. bildende Kunst Neue Folge Bd. 30 S. 284. Leipzig 1920.
3*
20
Kapitel IV. Dre ägyptischen Denkmäler.
Abb. 5. Viertes assyrisches und mittleres ägyptisches Reliet.
gezeugt von Amon ewiglich, der König von Ober- und Unter -Ägypten, Herr der beiden Länder, Wsr
m^'t-r' Stp-n-r', Sohn des Rec, Ramses Miamun, mit Leben beschenkt.
Rest von III a (links, hinter Harmachis) : $tfwt nb{t) ml nb itn (?)
.... alle Frcmdländer wie der Herr der Sonnenscheibe (?) J)
III b (rechts, hinter dem Pharao) : ntr nfr nb tiivj nb h'w min dt
') Statt U (I _ 1 ist wohl wie beim (olgenden zu lesen.
Kapitel IV. Die ägyptischen Denkmäler.
21
Der gute Gott, Herr der beiden Länder, Herr der Diademe, heute (?) (und) ewiglich').
Anfang von IV: h\t-sp 4 ibd 4 \ht shv 2 -4- x
Jahr 4, Monat 4 der Überschwemmungsjahreszeit, Tag 2 + x . . . .
IH. SÜDLICHES RELIEF.
Dieses Denkmal steht links von dem sechsten und letzten assyrischen Relief, dem des Königs Asar-
haddon (s. Taf. 6).
Darstellung: Der Pharao mit der Atef-Krone, Stellung ähnlich wie auf dem I. Relief. Der Feind
ähnlich wie auf dem II. Relief, aber leicht in die Knie gesunken. Der Gott Amon streckt die Linke
nach dem Feind und hält mit der Rechten dem Pharao einen jetzt zerstörten Gegenstand hin.
1
Abb. 6. Südliches ägyptisches Relief.
Inschrift I: nlr nfr kl n/it nhvt bjtj nb tlwj wsr-ml't-r' stp-n-r' s> r' nb //'w r'-[mssw
mrjj]- jmn
Der gute Gott der starke Stier der König von Ober- und Unter- Ägypten, Herr der beiden
Länder, Wsr-mJ't-r' Stp-n-r', Sohn des Re', Herr der Diademe, Ra[mses Mijamun.
«)
ist vielleicht nur Kratzer;
Q01
»wie Re'«?
22 Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler.
Inschrift II zerstört.
Rest von Inschrift III (hinter dem Pharao) : nb tlwj ml r' dl
Herr der beiden Länder wie Re' ewiglich.
Anfang von Inschrift IV: lfit-sp 10 ibd l + X ssiv ')
Jahr 10, Monat I -f x, Tag
Kapitel V.
DIE ASSYRISCHEN DENKMÄLER.
Die assyrischen Denkmäler, sechs2) an Zahl, unterscheiden sich auf den ersten Blick von den
ägyptischen. Diese stellen Scheintüren dar, mit geflügelter Sonnenscheibe auf dem Türsturz und In-
schriften auf den Pfosten. Die Reliefs des oberen Teiles der Türfüllung enthalten je drei Figuren: einen
Gott, den Pharao und dazwischen einen kriegsgefangenen Häuptling oder Fürsten. Die assyrischen Reliefs
sind einfache Nischen, teils mit viereckigem, teils mit oben abgerundetem Rahmen. Im übrigen sind sie,
wie es scheint, ausnahmslos nach einerlei Schablone gearbeitet. Dargestellt ist der König mit langem
Vollbart, nach links blickend. Auf dem Haupte sitzt, etwas nach hinten geneigt, die assyrische Krone.
Die Gestalt ist von einem langen, ziemlich 'eng sitzenden gegürteten Gewand umgeben, das gerade die Füße
frei läßt. Der linke Unterarm ruht an der Brust, die linke Hand faßt an das Szepter mit länglichrundem
Knauf, das am Gürtel befestigt scheint, und etwas schlag hängt. Der rechte Oberarm ist gerade ausge-
streckt und der Unterarm fast rechtwinklig zum Oberarm erhoben, so daß die Hand in Gesichtshöhe erscheint.
Der Gegenstand, den der König in der rechten Hand hält, ist nur auf dem besterhaltenen Relief noch zu
sehen, aber undeutlich, so daß er zu den verschiedensten Erklärungen Anlaß gegeben hat: Ölzweig (Des
Mouceaux), anscheinend eine Art Lanze (Mariti), Vogel (Callier), etwas wie ein Fächer (Bonomi),
Ährenbüschel (v. Wildenbruch), sieht aus wie ein Opferkörbchen (v. Kremer), Tannenzweig (Bos-
cawen), kurzer Wedel (Steindorf f) 3). Es ist aber wohl nichts von alledem, sondern, wie die Vergleichung
mit der Darstellung des assyrischen Königs Asarhaddon auf der Stele von Sendschirli lehrt, wahrscheinlich
ein Becher 4). Auffällig ist an der Darstellung dieses Gegenstandes auf dem Relief von Nähr el-Kelb eine
eigentümliche schuppige Musterung, die offenbar v. Wildenbruch an das Aussehen eines Ahrenbüschels
erinnerte. Der assyrische König steht in anbetender Haltung. Auch die Götter sind gegenwärtig,
aber nur in ihren Emblemen: den Beizeichen, die an den Stelen des Nähr el-Kelb links oben auf der
Bildfläche angebracht sind.
') Die Jahreszahl io scheint nach dem Textbande ziemlich sicher zu sein. Von den folgenden Zeilen sind nur einzelne Zeichen
erhalten. Am Schlüsse von Z. 4 erkennt man z. B jeden Tag der gute Gott
2) Layard (Discoveries P. I p. 211) spricht von sieben, außer den drei ägyptischen Tafeln. In Boscawens Aufsatz (Trans-
actions of the Soc. of bibl. arch. Vol. 7 p. 335) bemerkt A. H. S(ayce) zu Nr. III (zweites assyrisches Relief): / discovered the remains
of another Assyriern monument there, almosl desiroyed. Offenbar war dieses siebente Denkmal auch schon Layard bekannt, scheint aber
nach Sayce von niemandem weiter beachtet worden zu sein.
3) Ausgrabungen in Sendschirli I (Kgl. Museen zu Berlin. Mitteil, aus den Orient. Sammlungen Heft 1 1) S. 30 Anm. 6. Berlin 1893.
4) Einen Becher oder ein Symbol vermutet auch Meissner, Babylonien und Assyrien (Kulturgeschichtl. Bibliothek I. Reihe 3)
S. 328. Heidelberg 1920.
Höhe
Breite
I.
6' 7"
4' 5"
II.
5' i"
2' 4"
[II.
6'i"
2' 6'/»"
IV.
6' 4"
2' 97a"
V.
7 o
3' 8'/»"
Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler. 2 }
DIE ASSYRISCHEN RELIEFS I— V.
Die fünf ersten assyrischen Reliefs sind mehr oder weniger stark zerstört. Bei II ist gerade noch ein
Stück des Kopfes sichtbar. Aber auch bei den übrigen Darstellungen ist nur die Gestalt des Königs noch
zu sehen, die Beizeichen und Inschriften haben höchstens einige Spuren hinterlassen. I und II (s. Taf. 7)
sind von einem rechteckigen Rahmen umschlossen, ähnlich den ägyptischen, aber nicht als Türen heraus-
gearbeitet. Bei den übrigen assyrischen Reliefs (s. Tafeln 8 — n) ist der obere Abschluß des Rahmens
halbkreisförmig. Die Maße der ersten fünf assyrischen Reliefs sind nach Boscawen (Transactions of the
Soc. of bibl. arch. Vol. 7, p. 335):
Tiefe
4Va"
5"
41/«"
5"
5 i*
Die Aufgabe, die Urheber dieser Bilder im einzelnen zu ermitteln, ist bei ihrem beschädigten Zustande
und dem Fehlen der Inschriften, außerordentlich schwierig, um nicht zu sagen unlösbar. Die Zuweisungen
Boscawens (Asur-ris-isi, Tukulti-apil-esarra L, Asur-nasir-apli II-1), Sulman-asarid III., Sin-ahe-eriba)
und Wincklers (Asur-nasir-apli IL, Sulman-asarid III., Adad-nirari III., Tukulti-apil-esarra III., Sin-
ahe-eriba) sind nur zum Teil wahrscheinlich; keine ist gesichert. Von A§ur-ri§-iSi kennt man keinen Zug
nach dem Mittelmeere, wohl aber von seinem Sohne Tukulti-apil-esarra (Tiglatpileser) I. (um uoo). In
dessen Prisma- Inschrift VI 39 ff. heißt es: »Im ganzen 42 Länder nebst ihren Fürsten von jenseits des
unteren Zab längs der fernen Gebirge bis jenseits des Euphrats, dem Hatti-Lande und dem oberen Meere
des Sonnenuntergangs gewann meine Hand vom Anfang meines Königtums bis zu meinem 5. Regierungs-
jahrc.«2) Asur-nasir-apli II. (884—859) rühmt sich (Steininschrift IV 14 ff.): »Auf das Geheiß ASurs,
des großen Herrn, meines Herrn, und Nin. Ebs, der mein Priestertum liebt, zog ich nach dem Gebirge
Libanon, stieg zum großen Meere hinauf 3), im großen Meere wusch ich meine Waffen, Opfer brachte ich dar
meinen Göttern. «t) Ahnlich Annalen III 84 ff., wo der König noch hinzufügt, daß er von den Königen des
Küstenlandes — unter den Städten werden genannt Tyros, Sidon, Byblos. Arados usw. — Tribut erhalten
habe. Dann stieg er zum Amanos hinauf, ließ Zedern und andere wertvolle Bäume fällen und errichtete
ein Denkmal seines-Heldentums.5) Daraus könnte man schließen, daß Asur-nasir-apli sich am Nähr el-
Kelb, den er auf dem Wege von Sidon nach Byblos schwer vermeiden konnte, gerade nicht durch ein Denk-
mal verewigt habe, weil er hier keines erwähnt, und das Denkmal, von dem er spricht, auf dem Amanos
errichtet war. Indessen wäre ein solches argumentum ex silentio bedenklich. Aäur-nasir-apli's Sohn
und Nachfolger Sulman-asarid (Salmanassar) III. (859 — 824) ist ebenfalls wiederholt im Westlandc ge-
wesen. In seinem 18. Regierungsjahr schlug er Hazä'el von Damaskus, zog dann nach dem Haurän-
■) Bisher als Asur-nasir-apli III. bezeichnet. Vgl. jedoch Weidner. Die Könige von Assyrien (Mitteilungen der Vorder-
asiatisch-ägyptischen Gesellschaft Jg. 26 H. 2. Leipzig 1921) S. 19.
*) Budge & King, The Annais of the kings of Assyria Vol. I pp. 82 f.; vgl. p. 126 p. 138 f. und Scheil Recueil de travaux
T. 22 p. 157. Paris 1900.
3) Man erwartet: hinab. Die Assyrer scheinen »hinabsteigen« nur dann zu sagen, wenn sie am Tigris und Euphrat stromabwärts
zogen.
4) Budge & King a.a.O. Vol. 1 pp. 199t.
5) Daselbst pp. 372 ff.
2± Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler.
Gebirge, dessen Städte er zerstörte, schließlich an das Meer: »Bis zum Berge Ba'lira'si, einem Vorgebirge,
zog ich; ein Bild meines Königtums richtete ich dort auf. Damals erhielt ich Tribut von den Tyriern, den
Sidoniern und von Jaua (Jehu) aus Bit Humri« !) (, dem Haus Omri, das Jehu in Wirklichkeit ausgerottet
hatte!). Es wird allgemein angenommen, daß Ba'lira'si (»mein Ba'al ist mein Oberhaupt«?) der phöni-
kische Name des Vorgebirges am Nähr el-Kelb sei, so daß eines der assyrischen Denkmäler dieses Ortes
mit großer Wahrscheinlichkeit dem König Salmanassar III. zuzusprechen wäre. Dessen Enkel Adad-
nirari III. (810— 782) rühmt sich, von oberhalb des Euphrats die Länder Hatti, Amurru nach seinem ganzen
Umfang, Tyros, Sidon, Omri, Edom, Philisterland (Palastu) bis hinauf zum großen Meere des Sonnen-
untergangs seinen Füßen unterworfen und tributpflichtig gemacht zu haben *).
Auch die in der Bibel erwähnten assyrischen Könige Tiglatpileser (Tukulti-apil-esarra III., 745—727),
Salmanassar (Sulman-asarid V., 726—722), Sargon (Sarru-kTnu II., 722—705), Sanherib (Sin-ahe-eriba,
705—681) und Asarhaddon (Asur-ahe-iddin, 680—669) haben Feldzüge nach dem Westen unternommen.
Tiglatpileser berichtet "i): »19 Bezirke der Stadt Hammatti (Hamäh) nebst den Städten an ihrer Grenze,
die (an) der Küste des Meeres des Sonnenuntergangs (gelegen sind), die sich in Sünde und Frevel dem
Azriiau angeschlossen hatten, brachte ich an das Reichsgebiet von Assur und setzte meine Beamten als
Statthalter über sie.« Weiterhin 4) heißt es: »Kriegsgefangene vom Lande Kute, dem Lande Bit-Sangi-
bute, 1200 Illiläer, 6208 Nakkabäer, Budäer .... siedelte ich in den Städten Simirra, Arkä, Usnü (und)
Siannu, die (am) Gestade desMeeres (liegen), an.« Unter den Fürsten, die ihmTribut leisteten, nennt Tiglat-
pileser auch Sibittibi'li von Gublu (Byblos) und Hirummu von Tyros 5). Daß die dazwischenliegenden
Städte Berutu und Sidunu fehlen, ist wahrscheinlich darin begründet, daß sie damals zum Gebiet von Tyros
gehörten. Von Salmanassar 6), dem Nachfolger Tiglatpilesers, sind Inschriften mit geschichtlichen An-
gaben noch nicht gefunden. Wohl aber hat nach Menander bei Ioseph. ant. lud. IX 284 ff. IsXä^ai;
der König der Assyrer zu Lebzeiten des Elulaios von Tyros ganz Phönikien mit Krieg überzogen und, nach
Abschluß von Verträgen »mit allen«, wieder den Rückzug angetreten. »Und es fielen von den Tyriern
Sidon, Arke, Alt-Tyros und viele andere Städte ab und ergaben sich dem König der Assyrer.« Sargon
hatte gleich im Anfang seiner Regierung im Westlande zu kämpfen. Das Unternehmen in Palästina endete
mit der Eroberung Samarias, die den Untergang des Reiches Israel bedeutete. Auch im Jahre 711 hat
Sargon im nördlichen Syrien gekämpft und das Königreich Gurgum (Hauptstadt Markasi, jetzt Mar'aS)
erobert. Von Kämpfen im phönikischen Küstenland berichtet Sargon in den bis jetzt bekannten In-
schriften nichts. Doch muß man wohl annehmen, daß er es in seiner Gewalt hatte, da er sogar von den
Königen von Cypern Tribut erhielt und diese Insel, auf der ein Standbild von ihm gefunden worden ist,
wahrscheinlich selbst besucht hat. Sanherib unternahm 701 einen Feldzug nach dem Westlande. Luli
(Elulaios) von Sidon floh auf das Meer und kam um. Seine Städte wurden erobert. Tribut sandten unter
anderen die Könige Abdili'ti von Aruda (Arwad) und Urumilki von Gublu (Byblos).
Somit gäbe es nicht weniger als acht assyrische Könige, die als Besucher des Nähr el-Kelb und Ur-
heber der ersten fünf assyrischen Denkmäler in Betracht kommen können, und die Liste der Kandidaten
wird sich vielleicht noch vermehren lassen, wenn einst weitere assyrische Königsinschriften gefunden
') Keilinschriftliche Bibliothek Bd. 1 SS. 140 t. Anm. 1.
*) Steinplatteninschrift von Kalah ZZ. 11 ff. Keilinschr. Bibliothek Bd. I SS. 190 f.
3) Rost, Die Keilschrifttexte Tiglat-Pilesers III. Bd. 1 S. 23. Leipzig 1893. 4) Daselbst S. 25. Vgl. auch S. 79.
5) Daselbst S. 27. Anderwärts (S. 73) berichtet Tiglatpileser, daß er von Metenna dem (König der Tyrier 150 Talente Gold emp-
fangen habe.
6) Über Salmanassar, Sargon und Sanherib vgl. meine Artikel in der Neubearbeitung von Paulys Real-Encyclopädie.
Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler. 25
werden. Unter allem Vorbehalt möchte ich vermutungsweise die beiden ältesten Bilder I und II Tiglat-
pileser I. zuweisen, da ich eine gewisse Ähnlichkeit mit dessen Bild am Ausgang des Tigris-Tunnels •) zu
erkennen glaube. Die Zuweisung der übrigen drei an Asur-nasir-apli IL, Salmanassar III. und Sanherib
Abb. 7. Berliner Abguß des Asarhaddon-Reliefs.
ist auch mir am wahrscheinlichsten, besonders eines an Salmanassar III., aus dem vorhin angeführten
Grunde. Wirklich gesichert ist aber nur die Urheberschaft des sechsten assyrischen Denkmals, das wir
jetzt näher betrachten wollen.
') Veröffentlicht von Lehmann-Haupt, Materialien zur älteren Geschichte Armeniens und Mesopotamiens (= Abhandlungen
der K. Gesellschaft der Wiss. zu Göttingen Phil.-hist. Kl. Neue Folge Bd. 9 Nr. 2) S. 18. Berlin 1907.
Nähr el-Kclb. • 4
26
Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler.
DAS ASSYRISCHE RELIEF VI (RELIEF ASARHADDONS).
Die Maße des Denkmals Asarhaddons sind nach Boscawen: Höhe 6', Breite 3' 1", Tiefe 6". Der
Erhaltungszustand ist weniger schlecht als bei den benachbarten assyrischen Denkmälern, aber noch keines-
wegs gut zu nennen. Das Original ist zudem durch umfangreiche dunkle Flecken entstellt und so noch
undeutlicher geworden. Dieser Nachteil kann beim Abformen in Gips vermieden werden, und in der Tat
treten auf dem Abguß des Berliner Museums x) gewisse Teile der Skulptur, die auf der Photographie des
Originals nahezu oder völlig unsichtbar sind, mit genügender Deutlichkeit hervor. Man beachte z. B. die
Binde, die hinter dem Rücken des Königs von der Mütze bis auf den Gürtel herabhängt, und, was noch wich-
tiger ist, die Beizeichen links oben vor der Königsmütze -). Diese Beizeichen sind Embleme von Göttern,
und zwar zunächst von solchen, die in der begleitenden Inschrift angerufen werden. Leider stimmen In-
Abb. 8. Beizeichen der Berliner Stele Sargons II.
Abb. 9. Beizeichen des Asarhaddon-Reliefs vom Nähr el-Kelb.
schritten und Embleme nur in seltenen Fällen vollständig zusammen, so daß es recht schwierig war und
auch noch jetzt nicht vollständig gelungen ist, die Bedeutung dieser Embleme zu ermitteln. In der unten
zu besprechenden Inschrift Asarhaddons sind von Götternamen noch erhalten Ea, Sin, Samas, Adad
und Marduk. Nach der Analogie der Asarhaddon-Stele von Sendschirli und der Sanherib- Inschrift von
') Bezeichnet VAG 31. Vgl. Kgl. Museen zu Berlin. Verzeichnis der vorderasiatischen Altertümer und Gipsabgüsse S. 42.
Berlin 1889. Von wem und wann dieser Abguß angefertigt ist, habe ich nicht ermitteln können. Einen zweiten Abguß, den Bonomi
1834 genommen hat, besitzt das Britische Museum (Nineveh Gallery No. 1); vgl. British Museum. A Guide to the Babylonian and
Assyrian antiquities. 2nd Edition pp. 37 f. London 1908. Ein dritter Abguß soll sich in der Bibliotheque nationale in Paris befinden;
vgl. Oppert, Expedition scientifique en Mesopotamie T. 1 pp. 19 s. Paris 1863.
2) Eine gute Skizze dieser Beizeichen gab zuerst v. fcuschan, Ausgrabungen in Sendschirli I S. 20 Fig. 7, später Bollacher
(Vorderasiatische Schriftdenkmäler, Beiheft zu Heft 1 Taf. 8. Leipzig 1907). Von v. Luschan stammt auch der erste systematische
Versuch, die Bedeutung der Beizeichen zu bestimmen. Vgl. Frank und Zimmern Leipziger Semitistische Studien Bd. 2 H. 2. Leipzig
1906. Frank Ztschr. f. Assyr. Bd. 22 SS. 105 ff. Zimmern daselbst Bd. 25 SS. 196 ff. Thureau-Dangin Revue d'assyriologie
T. 16 pp. 134 ss. 1919.
Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler.
27
Bawian sind am Anfang der 1. Zeile noch zu ergänzen Asur, Anu und Ellil, gemäß der Sendschirli- Stele
am Anfang der 2. Zeile iStar und Sibitti (Siebengottheit), so daß den acht Beizeichen zehn Götter der In-
schrift entsprechen würden. Genau dieselben Embleme wie auf dem Asarhaddon- Relief vom Nähr el-Kelb,
nur in anderer Gruppierung, finden sich auf der Sargon-Stele von Cypern, in deren Inschrift die Gottheiten
Asur, Sin, Samaä, Adad, Marduk, Nabu, Istar und Sibitti angerufen werden. Die Beizeichen (efreti) ver-
teilen sich dabei folgendermaßen: Göttermütze (Asur), Mond (Sin), geflügelte Sonnenscheibe (SamaS), drei-
zackiger Blitz (Adad), Lanzenspitze auf dreieckigem Fuß (Marduk), Pfahl auf dreieckigem Fuß (Nabu),
Scheibe mit achtstrahligem Stern (Istar), sieben Kugeln (Sibitti). So die Sargon-Stele, bei der Beizeichen
und Inschrift einander genau entsprechen. Anders die beiden Asarhaddon- Stelen, die aller Wahrschein-
Abb. 10. Beizeichen der Asarhaddon-Stele von Sendschirli.
lichkeit nach genau eine und dieselbe Götterreihe aufzählten, aber in der Darstellung der Beizeichen große
Verschiedenheiten aufweisen. Auffallen muß zunächst, daß das Emblem Nabus sowohl in Sendschirli wie
am Nähr el-Kelb abgebildet, der Name Nabu aber in der Sendschirli- Inschrift nicht genannt ist und am Nähr
el-Kelb schon deshalb und außerdem wegen Platzmangels nicht ergänzt werden darf. In beiden In-
schriften wird Ea genannt, und vorher ist nach der Sendschirli-Inschrift auch am Nähr el-Kelb Asur, Anu
und Ellil zu ergänzen. Aber unter den Beizeichen vermißt man hier solche für Anu, Ellil und Ea, während
in Sendschirli Ea z. B. durch sein gewöhnliches Emblem (Widderkopf auf Stange) vertreten ist. Die Er-
klärung liegt wahrscheinlich darin, daß die Göttermütze J) am Nähr el-Kelb alle vier Gottheiten: Asur und
die Trias Anu, Ellil, Ea zugleich bezeichnet.
DIE INSCHRIFT DES ASARHADDON-RELIEFS.
Obwohl diese Inschrift die Europa am nächsten stehende ist und bereits 1631 entdeckt worden war,
gehört sie doch zu den am wenigsten bekannten Keilinschriften. Teile von ihr wurden zwischen 1843 unc'
') An dem Felsen von Bawian sind drei ganz gleichartige Göttermützen nebeneinander abgebildet, die Aäur, Anu und Ellil be-
deuten. Dann folgt freilich das Widdersymbol Eas noch besonders.
4*
2§ Kapitel V. Die assyrischen Denkmaler.
1853 veröffentlicht: Enden der ZZ. II— 17, 19 und 21—25 von v. Wildenbruch (Taf. III), Enden der
ZZ. 24, 27, 29 und 30 von Wilson (Vol. 2 p.412), schließlich Enden der ZZ. 20—27 von v- Kremer (S. 230);
doch scheinen diese Proben völlig unbeachtet geblieben zu sein, und es wäre in der Tat kaum etwas Brauch-
bares daraus zu entnehmen gewesen. Auch die Gipsabgüsse, die in den Museen von London, Berlin und
Paris (?) aufbewahrt werden, haben keinen Assyriologen anzuregen vermocht, die Veröffentlichung der
Inschrift ^auszuführen. So ist es bei den wenigen Bemerkungen von Boscawen, Lehmann (-Haupt)2),
Meißner 3) und Winckler (S. 20 ff.) verblieben. Die Inschrift Asarhaddons ist keineswegs so wohl erhalten,
wie einige Besucher des Nähr el-Kelb (Maundrell, Levinge u. a.) versichert hatten, sondern im Gegen-
teil sehr verstümmelt. Die linke Seite ist in einer Breite von ungefähr 24 cm völlig zerstört, so daß immer
die Anfänge der Zeilen fehlen. Ergänzen lassen sich überhaupt nur die ersten 7 Zeilen 4). In den fol-
genden Zeilen finden sich Lücken von mehr oder minder großem Umfang, die den Zusammenhang unter-
brechen. Von Z. 16 an beginnt die Zerstörung an dem Rücken der Königsfigur und verbreitert sich nach
unten zu, bis von Z. 31 an links überhaupt kein vollständiges Zeichen mehr zu erkennen ist. Z. 33 hat
links die letzte Spur, Z. 35 auch gegen Ende das letzte vollständige Zeichen, dann folgen noch 5 Zeilen-
enden mit einigen undeutbaren Zeichenspuren. Von Z. 41 an ist die Zerstörung vollkommen. Ungefähr
42 Zeilen mag die ganze Inschrift ursprünglich umfaßt haben. Vgl. Taf. 12.
Anfang: x[Aiur Anu Ellü ''"]E-a n"sin il"iamai ''"adad ""marduk 2[Iitar Sibitti üäni rabüte}""
kali-iu-nu mu-iim-mu iim-ti^ia ana iarräni mi-gir]-iu-nu i-iar-ra-ku da-na-an u li-i-tam ^[Aiur-ahhe-
iddin iarru rabü iarru\ da[n]-nu iar mat aiiurk! iakkanakku babilu"1 s[iar mat Sumeri u Akkadi iar]
"mtkar-i,udun-iä-äi kali-i[u]-un iar iarräni'"e ^""'Musur '""'Paturisu u] '""'ku-u-si iar kib-ra[t] irbittim'""
mär ' ih'sin-ahhe""'s-eriba '[iarru rabü iarru dan-n)u iar kiiiati iar mat aiiur*'
'[Asur, Anu, Ellil,] Ea, Sin, SamaS, Adad, Marduk, 2[I§tar, die Siebengottheit, ihr großjen [Götter],
die alle bestimmen das Schicksal, 3[die den Königen] ihrer [Gunst] Macht und Stärke verleihen 1
4[Asarhaddon, der große König, der] mächtige [König], König vom Lande ASsur, Statthalter von Babel,
5 [König von Sumer und Akkad, König] von Kardunias, König aller Könige 6[von Musur, Patrös und]
Küs, König der vier Weltgegenden, Sohn Sanheribs, "[des großen Königs, des mächtigen [Königs], Königs
der Gesamtheit, Königs vom Lande Assur.
Schluß von Z. 7: ina fii-da-a-ti u ri-ia-a-ti ki-rib al"me-im-pi äl iarru-ti-iu
»Mit Freude und Jubel in Memphis, die Stadt seines Königtums«.
Diese Worte schließen ganz unvermittelt an die Einleitung an. Am Anfang der nächsten Z. (8) möchte
man vermuten : ia Tarkü iar '""'küsi erub »nämlich des Tarkü, des Königs von Küs, zog ich ein« (vgl. Z. 1 1),
doch passen die Spuren der 5 oder 6 Zeichen,. die noch schwach sichtbar sind, nicht zu dieser Ergänzung.
Dann folgt ka-ia-da »erreichen, erobern« o. ä., ferner ein undeutliches Zeichen, das mit 4 Winkelhaken,
paarweise gruppiert, beginnt, eine Lücke von ungefähr einem Zeichen, schließlich, mehr oder weniger
undeutlich, ia hurasi ak-di (?) ul-sa-[ni]i (?) ü-i[ib] (?) »von Gold. Ich freute mich (?), jauchzend (?)
setzte ich mich (?)«. Zu erwarten wäre dem Sinnenach etwa [ina kussT ia] ljurasi i/i-zi ul-sa-nii ü-iib »auf
einen mit Gold überzogenen Stuhl setzte ich mich jauchzend«.
') Sie fehlt auch bei E. A. W. Budge, The History of Esarhaddon. London 1880. 2) Ausgrabungen in Sendschirli I S. 22.
3) Supplement zu den assyrischen Wörterbüchern S. 42 s. fyalänu. Leiden 1898.
•4) Winckler (S. 22) schrieb: »Die Inschrift selbst ist stark verstümmelt, wir können den Text aber ergänzen aus der jetzt im
Berliner Museum befindlichen großen Siegesstele Asarhaddons, welche in Sam'al- Sendschirli aufgestellt wurde, und deren Inschrift
bis auf geringe Abweichungen denselben Wortlaut trug.« Da die Abweichungen von Z. 7 an sehr beträchtlich sind, ist an eine Wieder-
herstellung der folgenden Zeilen mit Hilfe der Sendschirli-Inschrift nicht zu denken. Ob sie später einmal durch noch aufzufindende
Duplikate und Paralleltexte ermöglicht werden wird, bleibt abzuwarten
V. Kapitel. Die assyrischen Denkmäler. 20
Z. 9 nach der Lücke am Anfang iu (?) kakke""* . ia . . ki(>)is (?) nad(l)-na-na-ti [}[ur]asi kaspi . .
Waffen Geschenke Gold Silber
U-e
Z. 10 nach der Lücke am Anfang ar-ka-nu um(l) ia (?) eb (?) ma la ui (?) um-ma
darauf
Z. ii nach der Lücke am Anfang e[kalli-iu iläni'""-iu iitaräte'"l'J"'-iu ia 't[a\r-ku-u iar
seines Palastes, seine Götter, seine Göttinnen, die Tarkü, der König
'""'ku-u-si a-di makkuri-iu-nu
von Küs, nebst ihrem Besitz
Z. 12 nach der Lücke am Anfang \ial-la\-tii [a]m-nu Sal e[kalli-i]u S[al. Sa]b. E. G[al'"]ei-iu
als Beute rechnete ich. Die Frau seines Palastes, seine Kibsweiber,
'ü-ia-na-lju-\r\u mär ridü-ti-iu
Usanahuru, den Sohn seiner Regierung
Z. 13 nach der Lücke am Anfang iu (?) i(?)-ri man-za-[a]z pa-ni-iu ud ia(})
seine Würdenträger
. . makküru
Besitz
Z. 14 nach der Lücke am Anfang ffii))"""' (?) aban iadi [i]i[n p]fri u- zu(})-3i-n[a] fjurasu,
Kalkstein, Elfenbein, ihr (earum) Gold
mu-si-Si-na
ihr (earum) Ausgang (?)
Z. 15 nach der Lücke am Anfang do.(>) ü-nu-ut ljura\si k]aspi aban [nisi/tti?] mim-ma s\am\-s\u\ ....
dgl. (?), Geräte von Gold, Silber, [Edel ?]stein aller Art
ekalli ia la in (?) su (?) nu. ( ? )
Palast, das nicht
Z. 16 nach der Lücke am Anfang . . nak-lii iü-pu-su . . ap-te-e-ma /s-(})Dup .... pi-sa-an-ni pu(?)
kunstreich gemacht öffnete ich und Kästen (?) Truhen
Z. 17 nach der Lücke am Anfang sarru-li su do. (?) / (?) ni (?) .... Sü li mi[r] (?) iu (?)
sein Königtum
a sir (?)
Z. 18 nach der Lücke am Anfang k[i] ? Iu (?) . . . . iarru ia-pi-ir pu iu ta[k\ ti . .
König regierend
sal{>) ....
Z. 19 nach der Lücke am Anfang . . i-zi-b[u]-iun a-di XV [1] a XXX a-gi ia
ließen sie zurück nebst 16 30 (?) Kronen (?) der
Sal E.GaV" do.(>)
Palastfrauen dgl. (?)
Z. 20 nach der Lücke am Anfang [d)am mu kin aban .... "'""'a-gur-ri a-[«a]
Stein Ziegelstein in
mu-'-di-e
Menge
Z. 21 nach der Lücke am Anfang bi[t] na-käm-a-ti hurasi kaspi gu-u/j.-[lu] [l]a i
Schatzhäuser Gold Silber Augenschminke
. . ku(l) . . tili bu u si
Z. 22 nach der Lücke am Anfang ia kima . . . ba(})-a/-la-at(}) eru
die wie . . . aufgehört hatte (?) Erz,
anaku abaru iin pfri
Blei, Magnesit, Elfenbein
Z. 23 nach der Lücke am Anfang . . ti ba (?) ku mi ni ti k[i] (?) \ma\kküri""
Besitz
amelu s u'\(})-u-ti
der Süti-Leute (?)
^O Kapitel V. Die assyrischen Denkmäler.
Z. 24 nach der Lücke am Anfang . . si(>) la (?) ud (?) . . ni{});
Ende: -iu """'"/ia-ta-na-t[i) ^in-ni-iu
seine Schwiegersöhne seiner Familie
Z. 25 ist links nur noch das Ideogramm abnu »Stein« erhalten;
Ende: . . -su u [niare]'"" iarräni'""
seine und die Söhne der Könige
Z. 26 nach der Lücke am Anfang da e (?) sab (?) bu (?);
Ende: [««"Wase"^ **ul*barlMU'1
Ärzte, Seher
Z. 27 ist links nur . . na r[a] (?) zu sehen;
Ende : {"""'"^kudimmu """'"fur-frur-ri
den Juwelier, den Goldschmied
Z. 28 ist links nur ku (?) tin (?) ma zu sehen; Ende: la . . u
Z. 29 links Rest eines Zeichens wie tin; Ende . . . . nu meS
Z. 30 links a na a; Ende: mär 'bi-in-zu-ki (?)
Sohn des ßinzuki (?)
Z. 31 links zerstört; Ende: Sti (?) fca (?) /w wi
Z. 32 links zerstört ; Ende : Sa 'tar-ku-u ana dan-nu-ti-Su-nu
das Tarkü zu ihrer Festung
Z. 33 links undeutbarer Zeichenrest; Ende: si bi ds" (?) ri
Z. 34 Ende: XXX II »(?) Jt
Z. 35 Ende: //m (?) 7iw . . . . ri
ZZ. 36—40 enthalten auch an den Enden nur undeutbare Zeichen und Zeichenreste.
Trotz des beklagenswerten Erhaltungszustandes der Inschrift läßt sich doch manches aus ihr gewinnen.
Sie handelt von dem Feldzug Asarhaddons gegen Ägypten, der in der Eroberung von Memphis seine
Krönung fand. Gemäß der babylonischen Chronik W fiel dieser Zug in das 10. Regierungsjahr des Königs.
Die ägyptische Hauptstadt wurde am 22. Düzu, also im Hochsommer des Jahres 671, erobert. Der Pharao
Tarkü (Tirhäkäh) rettete sich, aber sein ältester Sohn Usanahuru, seine Frauen, seine Verwandten, sein
Hofstaat, Ärzte, Seher, Künstler (Juweliere, Goldschmiede und andere, deren Titel nicht mehr erhalten
sind) wanderten in die Gefangenschaft nach Assyrien. Eine ungeheure Beute wurde in den Schatzhäusern
gefunden : Gold, Silber, Edelsteine, Erz, Blei, Magnesit, Elfenbein, Augenschminke usw. Die Inschrift
war in der Aufzählung der gefangenen Personen und der erbeuteten Gegenstände viel ausführlicher als
die Parallel- Inschrift von Sendschirli, die offenbar im gleichen Jahr, bald nach der Inschrift am Nähr el-
Kelb, angefertigt und in der Stadt Sam'al aufgestellt wurde (Herbst 671). Der ägyptische Kronprinz,
dessen äthiopische Herkunft an seinem negerhaften Typus erkannt wird, ist auf dem Relief der Stele von
Sendschirli dargestellt: barhäuptig und die Hände flehentlich emporstreckend kniet er vorder Riesengestalt
des assyrischen Königs; neben ihm steht als Leidensgefährte ein phönikischer König (Ba'al von Tyros),
noch mit der Tiara bedeckt, ebenfalls die Hände emporhebend. Jedem der beiden Gefangenen, die vor
dem assyrischen König in der Größe etwa vierjähriger Kinder abgebildet sind, ist ein Ring durch die Lippen
gezogen; an den Ringen sind starke Seile befestigt, deren obere Enden Asarhaddon um seine linke Hand,
die das Szepter trägt, geschlungen hat.
Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II. 31
Kapitel VI.
DIE BABYLONISCHEN INSCHRIFTEN NEBUKADNEZARS II.
An den Felsen, die den Nordrand des Tales des Nähr el-Kelb abschließen, hat sich der babylonische
König Nabu-kudurri-usur IL, der biblische Nebukadnezar (605 — 562), in zwei Inschriften, einer alt- und
einer neubabylonischen, verewigt. Die altbabylonische geht der neubabylonischen unmittelbar voraus.
Von beiden sind nur Bruchstücke erhalten, die bei der Auffindung von Gesträuch überwuchert waren. Die
Entdeckung geschah im Frühjahr 1878 durch Arbeiter, die unter dem Aquädukt J) einen Bewässerungs-
kanal bauten. Von der neubabylonischen Inschrift brachen die Arbeiter ein Stück aus dem Felsen. Das
Bruchstück, von dem 1881 drei verschiedene Abklatsche genommen wurden, blieb bis 1883 in Privatbesitz
in Syrien, verscholl dann aber, bis es 1913 von Unger im Antikenmuseum in Konstantinopel wiedergefunden
und von ihm und mir veröffentlicht wurde 2). Auch von den anderen Inschriften und Inschriftenteilen
nahm der dänische Vizekonsul Julius Leytved Abklatsche; die hauptsächlichsten Stücke davon wurden
1903 von der Vorderasiatischen Abteilung der Kgl. Museen zu Berlin erworben und 1906 von mir veröffent-
licht 3). Was von den beiden Nebukadnezar- Inschriften am Nähr el-Kelb erhalten geblieben ist, stimmt
zum großen Teil mit den beiden großen Inschriften überein, die derselbe König im Wädi Brisä, einem
schmalen, nördlich von Hörmel in die Bikä' mündenden Tale des Libanon, in die Felsen beiderseits des Weges
hat einmeißeln lassen. Beide Inschriften im Wädi Brisä enthalten nämlich einen und denselben Text,
einmal in altbabylonischer, das andere Mal in neubabylonischer Schrift. Die erhaltenen vier Kolumnen-
teile der alt babylonischen Inschrift am Nähr el-Kelb entsprechen Wädi Brisä neubab. Col. VI 49—70;
Col. VII 15 — ca. 50; Col. VII 67— Col. VIII 25 und wahrscheinlich dem zerstörten Schluß von Col. VIII
bis zum gleichfalls zerstörten Anfang von Col. IX. Unmittelbar neben der altbabylonischen Inschrift muß
an der Felswand des Nähr el-Kelb die neubabylonische Inschrift gefolgt sein. Die Stelle des herausge-
brochenen Stücks soll sich ein Meter östlich von der altbabylonischen Inschrift befunden haben. Die In-
schrift dieses Bruchstücks entspricht Wädi Brisä altbab. Col. IV 41 —57 = einer zerstörten Stelle aus der
Mitte von Col. II der neubabylonischen Inschrift vom Wädi Brisä.
Die Höhe der Kolumnen der babylonischen Inschriften vom Nähr el-Kelb mag 4 m erreicht haben.
Die Stelle des herausgebrochenen Steines reicht bis dicht an den Wasserspiegel des Bewässerungskanals,
und die erste Zeile einer späteren Columne der neubabylonischen Inschrift befindet sich in einer Höhe von
4 m. Der Standort der Inschriften, die ursprünglich an der freien Felswand weithin sichtbar waren und
imposant wirken mußten, ist gegenwärtig sehr ungünstig. Die reichliche Bewässerung der Felswand, die
aus dem undichten Aquädukt in der Höhe andauernd berieselt wird, während dicht am Fuße der Inschrift
der neue Bewässerungskanal vorüberfließt, erzeugt eine üppige Vegetation, die im Bunde mit der Nässe
schon große Teile der Inschriften zerstört hat und, wenn nicht bald ein Denkmälerschutz eingreift, binnen
kurzem auch den Rest zerstört haben wird. Doch sind auch die bis jetzt erhalten gebliebenen Stücke
') Auf Tafel 4 ist die Stelle der altbabylonischen Inschrift, vom Gesträuch gereinigt, links unter dem dritten Pfeiler des Aquä-
duktes zu erkennen.
l) Zeitschrift für Assyriologie Bd. 29 SS. 181 — 184 u. Taf. II. Straßburg 1914. — Sc heil hat 1917, ohne diese Veröffent-
lichung zu kennen, das Inschriftenbruchstück, das er um 1893 m Konstantinopel abgeschrieben hatte, seinerseits veröffentlicht
Revue d'assyriologie T. 14 pp. 160 ss.
3) Die Inschriften Nebukadnezars II. im Wädi Brisä und am Nähr el-Kelb (= Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deut-
schen Orientgesellschaft Heft 5) SS. 35 — 37 und Tafeln 42 — 45. Leipzig. Ausführlichere Mitteilungen über die Entdeckung und erste
Bekanntmachungen dieser Inschriften finden sich daselbst SS. 9 — 12.
,2 Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II.
der Inschriften nicht unwichtig, da sie z. T. wertvolle Varianten und Ergänzungen zu den ebenfalls lücken-
haften Texten im Wädl Brisä bieten. Es ist übrigens zu erwarten, daß künftige Funde von Nebukadnczar-
Inschriftcn die Ausfüllung der jetzigen Lücken ermöglichen werden.
INHALT DER NEBUKADNEZAR-INSCHRIFTEN IM WÄDI BRISÄ.
i. Einleitung: Name und Titel des Königs; sein göttlicher Beruf zur Herrschaft, seine Frömmigkeit;
2. Bauten in Esagila, dem Haupttempel von Babylon;
3. Vollendung des Stufenturms von Babylon, genannt Etemenanki;
4. Aufzählung der Opfergaben für Marduk und Zarpanitum, die in Esagila verehrten Hauptgott-
heiten von Babylon. (In diesen Abschnitt gehört das in Konstantinopel befindliche Bruchstück der neu-
babylonischen Inschrift vom Nähr el-Kelb);
5. Ausrüstung des heiligen Schiffes für Marduk, dann Lücke im Text;
6. Bauten in Ezida, dem Haupttempel der Stadt Barsip ;
7. Aufzählung der Opfergaben für Nabu und Nana, die in Ezida verehrten Hauptgottheiten von Barsip;
8. Ausrüstung des heiligen Schiffes für Nabu;
9. Herstellung der Prozessionsstraße für Nabu in Babylon;
10. Wiederherstellung des Ostkanals in Babylon, genannt Libil-hegalla; Bau einer Brücke über den
Kanal im Zuge der Prozessionsstraße für Marduk ;
11. Vollendung der beiden großen Stadtmauern von Babylon, genannt Imgur-Ellil und Nimitti-Ellil ;
Vollendung der Ufermauer des Wallgrabens und verschiedener Kanalmauern, dann Lücke im Text;
12. Bau einer Befestigung im Strombett des Euphrats, dann Lücke im Text;
13. Bau verschiedener Tempel in Babylon, darunter für Nabu, Gula, Adad, SamaS, die »Herrin des
Himmelshauses« und »die hohe Fürstin, die Esabad bewohnt«;
14. Bau der Stadtmauer von Barsip, genannt Tabi-supursu, und des Wallgrabens;
15. Bau verschiedener Tempel in Barsip, darunter für Mar-biti und drei verschiedene Erscheinungs-
formen der Göttin Gula, dann Lücke im Text;
16. Bau der neuen (dritten) Stadtmauer im Osten Babylons; Aufschüttung eines mit Backsteinen
verkleideten Erdwalls »von der Kunststraße am Euphrat-Ufer bis zur Stadt Ki§« und Überschwemmung
der Ausgrabung; Aufschüttung eines ähnlichen Walles »oberhalb von Aksak bis nach Sippar, vom Ufer
des Tigris bis zum Ufer des Euphrats« und Umgebung der Stadt »mit großen Wassermassen gleich
der Fülle des Meeres«. (In diesen Abschnitt gehört Col. I der altbabylonischen Inschrift vom Nähr
el-Kelb);
17. Aufzählung der Opfergaben für die Feste !zu Ehren Marduks und Nabus. (In diesen und den
folgenden Abschnitt gehört Col. II der altbabylonischen Inschrift vom Nähr el-Kelb);
18. Bau des Nergaltempels und der Ufermauer des Wallgrabens der Stadt Kuta;
19. Bau von Tempeln in verschiedenen babylonischen Städten: Sippar, Bas, Dilbat, Maradda, Uruk,
Akkad (?), Larsam, Ur. (In diesen Abschnitt gehört Col. III der altbabylonischen Inschrift vom Nähr
el-Kelb) ;
20. Bau eines königlichen Palastes in Babylon, sehr lückenhaft. (In diesen Abschnitt gehört wahr-
scheinlich Col. IV der altbabylonischen Inschrift vom Nähr cl-Kelb);
21. Geschichtlicher Teil: Befreiung des Libanongebietes von dem »fremden Feind«. Bau eines Weges
im Libanon. Fällen von Zedern, die den Euphrat hinab nach Babylon geflößt werden;
Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II. 33
22. Anfertigung eines Bildes des Königs mit einer Inschrift;
23. Segenswünsche für den Nachfolger, der in Nebukadnezars Geist herrschen wird;
24. Schlußgebet an Marduk.
UMSCHRIFT UND ÜBERSETZUNG DER ERHALTENEN TEILE DER BABYLONISCHEN
INSCHRIFTEN VOM NÄHR EL-KELB.
NEUBABYLONISCHES BRUCHSTÜCK IM ANTIKENMUSEUM ZU KONSTANTINOPEL.
(Inventarnummer 379, gehört zu Abschnitt 4.)
Abb. 11. Neubabylonisches Bruchstück.
1 la-la-a m[u-sare]
2. [inba rusiütu] sü-mu-uh si-[ppati]
3. [suluppi asne GiLM]a pisa-a munzika" billi[t damiktim]
4. [Ifimetu mut-t\a-ku H-iz-bi ü-lu i[d-am-nu ]
5. [ainan r]u-u$-Sa-a la-ap ku-na-a-Sü ka[ranu ellu]
6. [karanu mat i-za-a]l-lum mat tu-'-im mat si-im-[mi-nu]
7. [mat hilbunu] mat ar-na-ba-nu mat su-[ü-/iu]
8. [mat bit-ku-ba-t]i alu ak-id-ak mat [bitäti]
9. [paiiur n"mar]duk u n"zar-pa-ni-tum [belea]
10. [eli i}d pa-nim ü-[/a-/ii-id]
1 die Fülle der Acker, 2. reifes Obst, einen Haufen Früchte, 3. Datteln, Tilmun-Datteln,
weiße Feigen, Weißwein, vorzüglichen Branntwein, 4. Butter, Rahm, Milch, Öl, Fett , 5. reifen Weizen,
Überfluß von Emmer, funkelnden Wein, 6. Wein der Länder Izallu, Tu'im, Simminu, 7. Hilbunu, Arna-
banu, Sühu, 8. Bitkubati, der Stadt Aksak, des Landes Bitäti: 9. den Tisch des Marduk und der Zarpa-
nitum, meiner Herren, 10. stattete ich reichlicher aus als früher.
Von einer späteren (der übernächsten?) Columne der neubabylonischen Inschrift ist nur ein einziges
Wort der ersten Zeile lesbar geblieben: si-i-ri »hoch, erhaben«.
Nähr el-Kelb. 5
34
Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II.
RESTE DER ALTBABYLONISCHEN INSCHRIFT.
Abb. 12. Inschriften Nebukadnezars II. am Nähr el-Kelb.
I
3
5
7
9
ii
13
15
17
19
21
23
25
27
MM MM ammat] gag-gar
iJtu kiSad pu]-ra-ti el äli
düru dannu bal]-ri sit iants'i
hi-ri-is]-su ah-ri-e-ma
a-gur-ri ak-zur-ma
sa-da-nii] ina kiSadi-üu ab-nu
daläte]'"eS '"erini siparri
i-na] ki-sur-ri-e ba-bi-lu1'
a-di k]i-rib k[i]s~ki II"//// bere ekli
me-li me-]e älu ui-tal-me
ina] kup-ru u a-gur-ri
ai\-ni-ma el ak$akki
iStu] kisad idiklat
Col. I (gehört zu Abschnitt 16).
2. [ni-si-is] la laljec
4. [adi kisad pu]-ra-ti $a-pa äli
6. [babiluY'' ü-iai-me
8. [ki-bi-i]r-iu ina kup-ri
10. [düru dannu] ina kup-ru u a-gur-ri
12. [abulläni]""3-Su ü-[rak]-ki-is-ma
14. [ü-/ial-lib]-ma ir-te-te-si-na-ti
16. [istu ma\$-da-lju Sa [küad] pü-ra-li
18. [ii-bi-ik e-p]iri ä$-tab-bak-ma
20. [aS-ium ]-bu-ti [la] Sub-H-i
22. [ki]-bi-ir-su-nu ak-zur
24. a-di sipparki
26. [adi] kiSad pu-ra-ti
[V ber]e ekli
[An den Seiten Babylons] 1. 4000 Ellen Landes, 2. fern, nicht herankommend, 3. vom Ufer des
Euphrat oberhalb der Stadt 4. bis zum Ufer des Euphrat unterhalb der Stadt, 5. eine starke Mauer gen
Osten 6. ließ ich um Babylon herum aufführen. 7. Ihren Graben hob ich aus, 8. seine Böschung mit Asphalt
9. und Backsteinen band ich und 10. eine starke Mauer mit Asphalt und Backsteinen n. baute ich berge-
hoch an seinem Ufer. 12. Ihre Stadttore fügte ich zusammen, 13. Türflügel aus Zederholz mit Kupfer
14. überzog ich und hängte sie ein.
Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II. 35
15. Im Bezirk Babylons, 16. von der Kunststraße am Euphrat-Ufer 17. bis hinein uach Ki§, 2^3 Doppel-
stunden Feld(weg)s, 18. schüttete ich einen Erdwall auf und 19. mit einer Wasserflut ließ ich die Stadt
umgeben. 20. Damit kein Dammbruch entstehe, 21. mit Asphalt und Backsteinen 22. band ich ihre
Böschung.
23. Ich fuhr fort und oberhalb von AkSak 24. bis nach Sippar, 25. vom Ufer des Tigris 26. bis zum
Ufer des Euphrat, 27. 5 Doppelstunden Feld(weg)s, [schüttete ich einen mächtigen Erdwall auf und ließ
mit großen Wassermassen gleich dem Wogen des Meeres auf 20 Doppelstunden Feldwegs die Stadt um-
geben].
Col. II (gehört zu Abschnitten 17 und 18).
1. [ret] mim-[mi-e-a damga] 2. gü-mah [paglüti Juklulüti]
3. zu-lu-hi-e [damküti] 4. pa-si-lu gu-[uk-ka-al]-lu
5. is-ßfi nüni [ap\-si-[i] 6. issur ia-me-e [kur]-gu
7. |? paspasi] 8. marräti [Tu. KU. Hu]
9. ü-Sum-[mi] püu [si-mat ap-pa-ri] 10. dr-ka di-[iü-tim]
11. ld-ld-a m[u-sa-r}i-[e] 12. in-ba ru-su-ti
13. $u-mu-u[/i] sip-pa-ti 14. s[ul]u[pp]i dS-ni-e
15. Gii . M[a pisa-a m]unzika" 16. billitu [da-mi-ifc-t]i
17. dispu Ijimetu mu-ut-ta-ku 18. H-iz-[b\i ul ia-am-nu
19. fu[h]-di {fy]e-[gäl-la\ 20. du-muk {m]a-[ti]-tan
21. si-e-ra-ai la ni-b[i\ 22. ma-mei karani
23. iat-ti-Sa-am ina mahri-iu-ni 24. e-te-it-ti-ik
25. il"nabü-kudurru-ü-su-ür 26. Jar ba-bi-lu'': \mu-ui-t\e-um
27. ma-ha-\zi\ sa [iläni a-na]-ku 28. a-na zi-ki-ir-[$]u-n[u] kah-ti
29 ''"marduk 30. Si[s ]-tt-[i]u
31. a-na te-dis-ti [bita\t iläni rabüte 32. na-ia-an-ni\ lib-ba
33. ana ''"[nergal ) 34. Sag[ za-']i-ri-ia
35. dal[äte }biti-Su
(Es folgen noch zusammenhanglose Reste von neun weiteren Zeilen.)
1. Das Vorzüglichste von allem Schönen, 2. feiste Stiere, vollkommene, 3. schöne zulu/ie, 4. Mast-
hämmel, Zicklein, 5. Gewimmel von Fischen der Wassertiefe, 6. Vögel des Himmels, Hühner, 7. Gänse,
8. Enten, Tauben, 9. Knoblauch (?), Lorbeer (?), das Köstlichste von den Fluren, 10. zartes Gemüse,
11. die Fülle der Äcker, 12. reifes Obst, 13. einen Haufen Früchte, 14. Datteln, Tilmun-Datteln, 15. weiße
Feigen, Weißwein, 16. vorzüglichen Branntwein. 17. Honig, Butter, Rahm, 18. Milch, Öl, Fett, 19. in
Hülle und Fülle, 20. das vorzüglichste der Länder, 21. unendlich viel Most, 22. Ströme Weines, 23. jähr-
lich vor ihnen 24. brachte ich dar.
25. Nabu-kudurri-usur, 26. König von Babylon, der aufsucht 27. die Städte der Götter, (bin) ich.
28. Wegen ihres heiligen Namens 29 Marduk 30 31. zur Erneuerung
der Tempel der großen Götter 32. trieb mich das Herz.
33. Für Nergal 34 meine Feinde, 35. die Türen seines Tempels
(Fortsetzung unverständlich).
5*
36 Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II.
Col. III (gehört zu Abschnitt 19).
1. ana iluLu[gal . GiS. A.] T[u. Gab. LiS] 2. [E-dur] -gi-na
3 4. ana il"ura[S
5. [ina] dü-ba[tk' ] 6. ana n"Lugal. [Marad-da beli]-id
7. E-igi-[ka]l[am-ma bit-su] 8. ina marad-[da'" eS-SiS e-pu]-uS
9. ana üuiStar 10. E-an-na
II. [ana uruk]kt u E-an-[na }Su 12 Sa
13. ana ü"iUar a-ga-\deki ] 14 mal
15 ü-[Se-piS]-ma 16. ü-Sat-ri-is [e-li-Su]
17. [ana il"Sa]maS 18 -ni . .
19. [ana] '['"sin ] 20. E- [giS-Si]r-gal bit-[su]
21. [ina] ur[iki eS-SiS e-pu-uS) • 22. £.?-[»"]z'-£-[ta'] iläni [rabüte]
23. a-li-[ku] i-[di-ia] 24. eS-SiS [e-pu-u]S
25. iläni rabüte a-Si-eb lib-b[a-Sin} 26. ina fyi-da-a-ti [u r]i-[S]d-ti
27. Ju-bat-su-nu 28. iläni rab[üte] lippalsu-[inni]-ma
29. lik-ta-[a]r-ra-bu 30
1. Dem Bei sarbati 2. Edurgina [, seinen Tempel,] 3. [in Bas baute ich].
4. Dem Uras [E-ine-Anu, seinen Tempel,] 5. [in] Dilbat [baute ich].
6. Dem Lugal-Maradda, meinem Herrn, 7. E-igi-kalamma, seinen Tempel, 8. in Maradda baute ich neu.
9. Der Istar 10. Eanna II. nach Uruk und Eanna
12
13. Der Istar von Akkad .... 14 15 ließ ich anfertigen und
16. darüber hinbreiten.
17. Dem Samas [Ebarra, seinen Tempel,] 18. [in Larsam baute ich].
19. Dem Sin 20. Egissirgal, seinen Tempel, 21. in Ur baute ich neu.
22. Die Heiligtümer der großen Götter, 23. die mir zur Seite gehen,
24. baute ich neu 25. Die großen Götter, die darin wohnen, 26. in Freude und Jubel
27. ihre Wohnungen [ließ ich beziehen]. 28. Die großen Götter mögen mich anblicken und
29. segnen [meine Königsherrschaft] 30
Col. IV (gehört vielleicht zu Abschnitt 20).
1 2 it-Sam
3 Sa na ... . 4 /fu be-lu-t[i
5 ki . . ü-tafj- .... 6. ""nabü-kudurri- [usur]
7. Sar ba-bi-lu[1'] 8. mu-kin du-mufc ....
9. [iS-tu] ti-amat $d-[ap-li-ti] 10. [a-di] ti-amat e-[li-ti]
11 12. Sa ,l"mar[duk
13 14. ina pal-e
15. . . ri ka ni 16. . . ki ba am
17. a-na zu-lu-l[i 18. . . w-i[^]- nie
Es folgen noch acht Zeilen mit zusammenhanglosen, meist undeutbaren Zeilenresten. Verständlich
sind nur: Z. 6 Nabu-kudurri-usur, Z. 7 König von Babylon, Z. 8 der fest begründet die Güte ... 9. Vom
unteren Meere 10. bis zum oberen Meere. 12. des Marduk 14. während (meiner) Regierung 17. zu [
Bedachung 18. . . machte ich ähnlich
Kapitel VI. Die babylonischen Inschriften Nebukadnezars II. 37
Anmerkungen.
Während die Inschrift des herausgebrochenen Steins und die ersten beiden Kolumnen der altbaby-
lonischen Inschrift mit dem Texte der Wädl-Brisä- Inschriften in allem Wesentlichen übereinstimmen, ent-
hält Col. III sicher und Col. IV wahrscheinlich eine kürzere Fassung. Vielleicht wich auch der leider nicht
erhaltene Schluß der Inschriften vom Nähr el-Kelb stärker ab. Doch ist die Übereinstimmung immer
noch so groß, daß man alle diese Inschriften in eine und dieselbe Zeit Nebukadnezars setzen muß. Wahr-
scheinlich sind sie bei der Rückkehr des Königs von einem Feldzug nach dem Westlande eingemeißelt
worden, erst die am Nähr el-Kelb, dann die des Wädl Brisä. Zur genaueren Bestimmung des Jahrs geben
die Texte keinen Anhalt. Wegen der vielen Bauten, die Nebukadnezar berichtet, wird man geneigt sein,
sie nicht allzu früh anzusetzen, vielleicht frühestens 587, das Jahr der Gefangennahme Sedekjähs von
Juda, oder gar erst 568, das 37. Jahr Nebukadnezars, aus dem Bruchstücke eines Berichtes erhalten sind,
der von Kämpfen zwischen Babylonien und Ägypten handelt •).
Eine besondere Besprechung erfordert Col. I der altbabylonischen Inschrift, die Befestigungsarbeiten
um Babylon betrifft. Außer den alten Stadtmauern Imgur-Ellil und Nimitti-Ellil ließ Nebukadnezar eine
vollständig neue Mauer mit Graben erbauen, die 4000 Ellen Landes lang war, am Euphrat oberhalb der
Stadt begann, nach Südosten führte, dann nach Südwesten umbrach und am Euphrat unterhalb der Stadt
endete. Diese äußere Stadtmauer, deren Nordende in einer späteren Bauperiode um die Terrasse des
dritten Nebukadnezar-Palastes (jetzt Ruinenhügel Bäbil) herumgeführt wurde, ragt gleich den inneren
Stadtmauern noch jetzt als Damm über die Ebene hervor, ist aber bisher nicht archäologisch untersucht.
Schwieriger ist die Bestimmung des Erdwalls mit Backsteinverkleidung und Vorgraben, den der König von
der Kunststraße amEuphrat bis nachKiS errichten ließ. Aus demUmstande, daß das Ortsideogramm (]!}. Ki
einmal als ü-pi-e, anderwärts als ki-e-H, ki-si oder ki-is-sa erklärt wird, glaubte ich früher, folgern zu müssen1),
daß Upe ('Qm«;) und Kis Nachbarstädte seien. Dazu kommt noch, daß die Länge des Walls Euphrat • —
Ki§ wahrscheinlich 2-/3 Doppelstunden, die des nachher zu besprechenden Walls Sippar am Euphrat —
oberhalb von Uh. Ki am Tigris wahrscheinlich 5 Doppelstunden betrug. Die Zahlenangaben sind freilich
beide nicht sicher 3). Inzwischen ist aber die Frage noch verwickelter geworden. Es scheint jetzt fest-
zustehen i), daß Kis doch mit der Ruine Ohamir, etwa 14 km östlich von Babylon und weit vom Tigris
entfernt, zu identifizieren ist. Die genaue Länge des babylonischen Wegmaßes beru (»Doppelstunde«) ist
noch nicht bekannt. Es entsprach in alter Zeit 21 600 babylonischen Ellen, stand also zwischen 10 und
II km. Die gerade Entfernung Euphrat — Ohamir beträgt nicht über 15 km, also höchstens 1% beru.
Wenn nun die Gleichsetzung von Kis und Ohamir zu Recht besteht, und Nebukadnezar die Länge des Walles
vom Euphrat bis Ki§ auf (mindestens!) 2:/3 beru -= (mindestens!) 27 km bemißt, so muß dieser Wall ent-
weder in starker Krümmung verlaufen sein, oder, wenn er geradlinig verlief, ungefähr 22 km von Babylon
entfernt seinen Anfang genommen haben. Selbstverständlich müßte dieser Anfang nördlich, nicht süd-
') S. Langdon, Die neubabylonischen Königsinschriften SS. 206 f. Leipzig 1912.
a) Die Inschriften Nebukadnezars II. im Wädl Brisä SS. 42 f.
3) Die zweite Zahl ist nur in der neubabylonischen Inschrift des Wädl Brisä Col. VI Z. 70 erhalten, und zwar kann man zwischen
5 und 6 schwanken. Die Wahrscheinlichkeit spricht für 5, obwohl die beiden unteren senkrechten Keile etwas weit voneinander abstehen.
Bei der ersten Zahl ist in der gleichen Inschrift Z. 62 die Bruchzahl '/i deutlich, davor stehen noch oben die Köpfe zweier senkrechter
Keile. Diese ergeben als Mindestzahl 22/}. Da aber darunter noch zwei kurze senkrechte Keile gestanden haben können, wäre an sich
auch 4s/t möglich, und so glaubte ich früher die schwachen Spuren an der entsprechenden Stelle der altbabylpnischen Inschrift am Nähr
el-Kelb Col.I Z. 17 deuten zu müssen.
4) Thureau-Dangin Orient. Lit.-Ztg. Jg. 12 (1909) SS. 204 s.; de Genouillac Revue d'assyriologie T. 10 p. 83. 1913, wo
ich aber Beweise für die Gleichung Kis = Ohamir vermisse.
•ig Kapitel VII. Die griechischen Inschriften.
lieh von Babylon gesucht werden, da sonst die Bewässerung des den Wall begleitenden Grabens schwierig
oder überhaupt unmöglich gewesen wäre.
Der zweite Wall verlief vonSippar bis an den Tigris, und zwar lag das Ende oberhalb des Ortes Ufa. Ki.
Dieses Ideogramm findet sich auch in der altbabylonischer Inschrift vom Wädl Brisä Col. IV Z. 53, während
in der neubabylonischen Parallel- Inschrift des Nähr el-Kelb Z. 8 dafür diu ak-Sä-ak steht. Den Namen
Akiak werden wir für U/t.Ki, unbekümmert um andere Lesungen dieses Ideogramms, auch oben einzu-
führen haben. Die Stadt AkSak1) lag also am Tigris und jedenfalls nicht weit von Upi «= 'Qm?, das in
der Nähe des späteren Seleukeia gesucht werden muß 2). Die gerade Entfernung Sippar (= Abu rlabba) —
Tigris beträgt ungefähr 27 km, und wenn man auch annehmen will, daß dieser Strom hier früher weiter
östlich geflossen ist, so kann doch die Entfernung nicht viel größer gewesen sein. Der Wall Sippar — Tigris
hatte strategisch nur dann Sinn, wenn er die beiden Ströme dort verband, wo sie einander am nächsten
kamen. Das führt in die Gegend von Seleukeia. Freilich kann dann das beru zu Nebukadnezars Zeit
nicht zwischen 10 und 11 km, sondern nur etwa die Hälfte gemessen haben 3).
Von den beiden Wällen Nebukadnezars sollen angeblich Spuren jetzt nicht mehr sichtbar sein. Aller-
dings ist in ernsthafter Weise überhaupt noch nicht gesucht worden. Eine solche Untersuchung, die früher
oder später vorgenommen werden muß, hat ihren Ausgang von Abu Habba, dem einzigen fest gegebenen
Punkt, zu nehmen und von da gegen den Tigris vorzudringen. Die Aufgabe ist topographisch und metro-
logisch von zu großer Bedeutung, als daß sie noch länger hinausgeschoben werden sollte.
Kapitel VII.
DIE GRIECHISCHEN INSCHRIFTEN.
Eine griechische Inschrift entdeckte am 25. Juli 1767 Mariti (T. II p. 100). Nachdem er die Höhe
des Passes von Süden nach Norden überschritten hatte, ziemlich am Ende des Weges, fand er eine große
Tafel rechts in den Felsen selbst eingemeißelt, der dem Weg dort gewissermaßen als Wand dient. Man
bemerkt wohl, daß diese Tafel eine griechische Inschrift enthielt; aber ihre Buchstaben sind dermaßen
zerstört, daß kein ganzes Wort zu erkennen ist. Nahebei ist nach Mariti eine kleinere Tafel mit einer
lateinischen Inschrift (CIL III 1, 207). Ende November oder Anfang Dezember 1834 hat Guys 4) einige
Zeilen einer griechischen Inschrift nachts bei Fackelschein gelesen und einem anderen diktiert, der aber
') Vgl. Landsberger Orient. Lit.-Ztg. Jg. 19 (1916) SS. 34 ff.
2) Ungnad Ztschr. d. Deutsch, morgenländ. Gesellsch. Bd. 67 SS. 133 ff. 1913. Herzfeld in Sarre & Herzfeld, Archäolo-
gische Reise, hat 191 1 (Bd. I S. 60) Opis noch an der früher angenommenen Stelle (Teil Mangür, I Tagereise oberhalb Bagdads) gesucht,
glaubt aber jetzt (Bd. 2 S. 46 Anm. 3. 1920), daß Opis im Weichbilde von Seleukeia-Ktesiphon lag. Auch auf der Karte, die Meißner
seinem Buche Babylonien und Assyrien (Kulturgeschichtliche Bibliothek I. Reihe 3) Bd. 1 (Heidelberg 1920) beigegeben hat, ist die Lage
von Upi und Aksak in der Gegend des späteren Seleukeia eingezeichnet.
3) Wie es Thureau-Dangin (Journal asiatique X. Serie T. 13 p. 99 note I. 1909) und ihm folgend Ungnad (Ztschr. d. Dtsch.
morgenl. Gesellsch. Bd. 67 S. 135. 1913) annehmen. Ungnad schließt seine Ausführungen: »Die Xenophon-Stelle, die allein allen
anderen Angaben über die Lage von Upi = 'Qttic, zu widersprechen scheint, ...bedarf einer speziellen Interpretation.« In meinem
Artikel ZlTTOKr) in der Neubearbeitung von Paulys Real-Encyclopädie habe ich die Ansicht ausgesprochen, daß bei Xenophon anab.
II 4, 13 u. 25 die Namen der beiden Städte ZirdKn, und 'Quic, verwechselt worden sind: die Zehntausend gelangten bei ihrem
Marsch innerhalb der medischen Mauer (des Nebukadnezar-Walls Sippar — Tigris) erst nach Opis, dann nach Sitake.
4) Bullettino dell' Instituto 137 p. 141. Guys, Relation d'un sejour T. I p. 271. Über den Standort der Inschrift schweigt Guys.
Kapitel VII. Die griechischen Inschriften. -2Q
nicht gut Griechisch verstand. Guys glaubte, daß man mit Geduld und Zeit die vollständige Inschrift
abschreiben könnte. Ähnlich hat Pater Ryllo im März 1837 eine griechische Inschrift von 12 Zeilen beim
Schein einer Laterne abgeschrieben. Nach seiner Angabe befand sie sich bei dem gleichen Abstieg, wo die
Straße abschüssiger wird und die Biegungen häufiger sind, zur Linken an dem senkrecht geebneten Felsen
ohne irgendwelchen Rahmen oder Karnies. Die Reste oder besser gesagt, Schatten der Buchstaben, die
er zusammengebracht hatte, sandte er an P. Secchi, damit dieser sie Lepsius mitteilen möchte. Unter
den Abschriften, die Comte de Bertou, Montfort und Lehoux um diese Zeit genommen und an das
Institut gesandt hatten, befand sich auch die griechische Inschrift. Bertou beabsichtigte noch, sie ab-
zugießen. Über die Inschrift urteilte Lepsius (Annali dell'Instituto Vol. 10 p. 18. 1838), daß sie nach
den wenigen lesbaren Wörtern eine ziemlich späte Grabinschrift zu sein scheine. Der Standort ist auf
dem sehr ungenauen Lageplan (Monumenti inediti Vol. II Tav. 51) unter 10 eingezeichnet '), zwischen den
assyrischen Denkmälern III und IV »in einem Winkel, den der Weg macht«. Der amerikanische Missionar
Eli Smith, der die griechische Inschrift ebenfalls früher gesehen hatte, konnte sie nicht wiederfinden
als er sie im März 1843 v. Wildenbruch zeigen wollte. Indessen war sie noch vorhanden, denn der deutsche
Theolog Krafft hat sie im Laufe des Jahres 1845 abgeschrieben und im Jahre darauf veröffentlicht (s. u.).
Ihren Standort beschreibt er (S. 268): Nro. 23 ist die griechische Inschrift, welche sich an der senkrechten
Felswand gleich unterhalb [!] des Ausflusses des Nähr el-Kelb oder des alten Lycus, des Hundsflusses, findet,
wo ägyptische, assyrische, griechische, römische und arabische Denkmäler und Inschriften sich vereint
finden.« Am 16. Oktober 1845 wanderte auch der Missionar W. M. Thomson (Bibliotheca sacra Vol. 5
p. 2. 1848) — nicht zum ersten Male — von Berüt nach dem Nähr el-Kelb hinaus. An der engsten Stelle
des Passes bemerkte er Reste eines Tores, dabei eine granitene Säule mit einer griechischen Inschrift, die
zu sehr verlöscht war, um noch eine Abschrift zu ermöglichen. In seinem späteren Buche 2) ist von dieser
Inschrift nicht mehr die Rede. v. Kremer, der um 1850 in Syrien war, kannte sogar »zwei griechische
Inschriften, die aber so verwittert sind, daß nur noch einige Buchstaben wahrzunehmen sind«. Nach seiner
Beschreibung müßten sie sich zwischen dem III. und dem IV. assyrischen Denkmal befunden haben. Renan
(p. 340) hat 1861 keine griechische Inschrift gesehen, obwohl ihm Kraffts Veröffentlichung bekannt war.
Dagegen entdeckte der amerikanische Professor Paine am 3. Januar 1873 drei, wie er glaubte, vollständig
unbekannte griechische Inschriften: 1. Inschriftenfragment auf einem der Steine, die hoch oben in die
alte römische Mauer eingebaut sind, die den Fluß entlang läuft. Die Buchstaben scheinen von ansehn-
lichem Alter zu sein. Nicht veröffentlicht.
2. »Eine geschichtliche Inschrift von größerem Werte wurde glücklicherweise weiter oben an dem
Paß festgestellt. Sobald der Weg begonnen hat sich zu senken, trägt eine leidlich flache Seite des Felsens
eine Urkunde, die wahrscheinlich für viele Jahrhunderte unbemerkt geblieben ist.« Es folgt dann eine
Schilderung, aus der hervorgeht, wie schwierig es ist, die Inschrift nur überhaupt als solche zu erkennen.
Zur Entzifferung bedurfte es eines ausgedehnten Studiums des Papierabdrucks. (Text folgt unten S. 40.)
3. Zehn etwas kürzere Zeilen. Hängt nicht weit davon entfernt neben dem Weg an einem senk-
rechten Felsen. Ebenfalls sehr schwer zu entdecken. Langes und geduldiges Studium würde es nach
Paines Urteil ermöglichen, Worte und Inhalt der Inschrift herauszubringen.
Als ich am 23. April 1903 mit Winckler am Nähr el-Kelb war, erzählte mir dieser, daß die griechische
') Auf der gleichen Tafel sind auch die Umrisse der Inschrift gezeichnet und zwar als ein Rechteck, dessen Länge und Breite sich
wie 19 : 12 verhalten.
2) The Land and the Book Vol. 3 p. 96. London 1886.
iQ Kapitel VII. Die griechischen Inschriften.
Inschrift, die er selbst nie gesehen hatte, vermutlich beim Bau der Landstraße zerstört worden sei. Dies
konnte jedoch schon deshalb kaum richtig sein, weil die griechischen Inschriften im Engpaß standen, und
der Paß von dem Bau der Landstraße nicht betroffen wurde. Tatsächlich hatte auch Mrs. Ghosn-el-
Howie einige Tage vor unserem Besuch wenigstens eine der griechischen Inschriften wiedergefunden und
ein paar Buchstaben abgeschrieben, mit denen aber selbst der russische Generalkonsul in Berüt, dem sie sie
vorlegte, nichts anzufangen wußte '). Es ist also mit Sicherheit anzunehmen, daß wenigstens die beiden
Inschriften, die v. Kremer gesehen hatte, einst wiedergefunden werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach
sind es dieselben, die später Paine im Engpaß wieder entdeckt hat. Eigentümlich ungenau sind die Be-
schreibungen der Standorte dieser Inschriften. Mariti sah eine griechische Inschrift an der rechten
(östlichen) Seite des Weges, Ryllo umgekehrt an der linken (westlichen) Seite. Links ist sie auch in den
Lageplan von de Bertou und Genossen eingezeichnet, und zwar in dem Wegestück zwischen dem III. und
dem IV. assyrischen Denkmal, an einer Biegung, die der Weg macht. Zu dem gleichen Wegabschnitt führt
auch v. Kremers Beschreibung, aber weder er noch Paine sprechen sich darüber aus, an welchen Seiten
des Wegs ihre Inschriften sich befanden. Ganz unbrauchbar sind Kraffts oben mitgeteilte Bemerkungen
über den Standort seiner Inschrift. Diese selbst hat folgenden Wortlaut :
CONKA0AYM
SACüNPC
enenoNrATTANöYAo
oreNEQAL
5 AIXPeiTPLOlWN
TTPLOGHBHMXIMNI
AZIAWN
ONPA0AV
KOOeAtüNIO
IO KH0WN
Paine hat nur die zweite der von ihm entdeckten Inschriften veröffentlicht und übersetzt. Sie lautet2):
TTpoKXe ttettov Taxiavou Apicnoio A
koio YeveöXn«; löayevoio
ApxiKa iraxpuuujjv eücupiaZiujv qpauXw
Trpujünßns <poivi£ HXiouTroXeuuq 9eo
5 cpiv apxwv. Aupa MaXex xeXewv tepa
offera voai eppovee cpoiviKn auxrj
O0ov Kai Tobe epxaZoxeov vor|ua
Q ueta 9auua xa anruö'axa xuuv
0"K0TT€XUUV tffov e0nK6 ueo*ov
io Oqppa binveKeuj«; ouaXr|v obov erc
avuovxe? qpeurujuev xa^£TT£l?
Yiyoq oboirXavnq-
') Records of the Past Vol. 2 p. 20t. Washington 1903. Der Name des damaligen russischen Generalkonsuls war Demerik.
Ich habe übrigens von Mrs. Ghosn-el-Howies Besuch und ihrer Schilderung erst 1920 Kenntnis erhalten.
=) Im Palestine Exploration Fund Quarterly Statement for 1873 P- JI2 ist obiger Text ebenfalls abgedruckt, aber mit einigen
Fehlern.
Kapitel VIII. Die lateinischen Inschriften. ^j
Davon gibt Paine folgende Übersetzung:
O Proclus, friend of Tatian, son of Arisius, of A
co as to thy birthplace, of honorable descent,
leaving behind the royalties of thy fathers for a common rank,
a Phoenician in the bloom of youth, of Ba'albek by the will
5. of the gods the ruler. Forthwith to Malek performing sacred rites,
as many as he thought prudent for Phoenicia itself,
in proportion also to this very to be executed purpose,
Oh great marvel! the steepest parts of the
promontorics he made level in the middle:
10. In order that, from beginning to end, completing
the even road, we may escape difficult approaches (?)
the height being cireuitous as to the route (?).
Bei Paine folgen noch viele gelehrte Anmerkungen über das eigentümliche Griechisch dieser In-
schrift, die Formen der einzelnen Zeichen und den Erhaltungszustand, wonach die Zeilenenden im allge-
meinen schwerer lesbar sind als die Anfänge. Da der Papierabdruck, den Paine genommen hat, leider
nicht wiedergegeben worden ist, enthalte ich mich weiterer Bemerkungen.
Über die dritte Inschrift sagt Paine u. a., daß sie im allgemeinen weniger deutlich als der linke Teil
der zweiten Inschrift, aber etwas leserlicher als ihr rechter Teil ist. Die 6. Zeile beginnt nach seiner An-
gabe mit uipoq, die letzte mit tpoiviKiKn. Eine Vergleichung mit Kraffts Inschriftenbruchstück führt
zu keinem brauchbaren Ergebnis. Doch sei darauf hingewiesen, daß Kraffts 6. Zeile mit dem charakte-
ristischen Trpujenßn beginnt, das Paines zweite Inschrift am Anfang von Z. 4 hat, und in der vorher-
gehenden Zeile Krafft TPtolwN, Paine ttcitpujiujv bietet. Kraffts 4. Zeile entspricht der 2. Zeile
Paines, Kraffts 3. Zeile dem Anfang von Paines zweiter Inschrift. Man ergänze und verbessere
danach Kraffts Z. 3 [TTpoK\]€ TTeTTON TATIANOY AP[iotoio A], Z. 4 [xoi]0 rEN€0AH[? lecrrevoio].
Kapitel VIII.
DIE LATEINISCHEN INSCHRIFTEN.
Etwa 300 m westlich von der alten arabischen Brücke, 100 m östlich von dem jetzt zerstörten ägyp-
tisch-französischen Denkmal ist in den südlichen Uferfelsen eine lateinische Inschrift (Tabula ansata) ein-
gemeißelt. Die rechteckige Tafel dieser Inschrift ist nach de Sau lcys Angaben !) 1,60 m breit, ihre ansäe
je 20 cm. In der Mitte unter der Tafel ist eine Art Konsole in der Gestalt eines Türmchens mit einer Kugel
darüber, auf den ansäe je ein Palmenzweig eingemeißelt. Die Inschrift ist seit Jahrhunderten bekannt
und oft abgeschrieben2). Sie lautet (vgl. Taf. 13):
') Voyäge autour de la Mer Morte T. II p. 649.
:) Meist fehlerhaft. Einen richtigen Text gab Mommsen im CIL Vol. III pars I Nr. 206.
Nähr el-Kelb.
42
Kapitel VIII. Die lateinischen Inschriften.
Abb. 13. Römische Inschrift.
IMP • CAES • M . AVRELIVS
ANTON INVS • PIUS • FELIX • AVGVSTVS
PART • MAX • BRIT • MAX • GERM ■ MAXIMVS
PONTIFEX ■ MAXIMVS
5 MONTIBVS- INMINENTLBVS
LYCO • FLVMINI • CAESIS VIAM • DELATAVlT
PER llllllllllllllllllUilllllHIIIIHllllllilhllllJllllllliliIhlillUII
ANTON IN IANAM • SVAM
Über die Bedeutung des Textes kann kein Zweifel bestehen. Nur der Schluß der 7. Zeile, der schon
im Altertum, wahrscheinlich auf Veranlassung des Urhebers der Inschrift selbst, zerstört worden ist, bleibt,
vorläufig wenigstens, unbekannt. Das Anfangszeichen des ersten zerstörten Wortes scheint, nach den
geringfügigen Spuren zu urteilen, M gewesen zu sein,|was Mommscns Ergänzung [leg 1 1 1 gallicam) aus-
schließen würde.
Die Frage, welcher Kaiser die dem Lycos-Flusse überhängenden Felsen habe wegsprengen und den
Weg erweitern lassen, scheint genügend geklärt zu sein. Wenn es feststeht, daß der Beiname Britannicus
zuerst von Antoninus Commodus (180— 192) geführt worden ist, kann ein früherer Kaiser, auch Marcus
Aurelius (161 — 180) '), nicht in Betracht kommen, obwohl dieser in den Jahren 175 und 176 selbst Syrien
durchzogen hat. Es bleibt dann nur Caracalla (211— 217) übrig, der im Jahre 215 von Antiochien nach
Alexandrien zog. Sowohl auf dem Hin- wie auf dem Rückwege wird er den Engpaß am Lycos-Flusse be-
nutzt haben. Die durch die Inschrift bekundete Wegebesserung ist aller Wahrscheinlichkeit nach in eben
diesem Jahre vorgenommen worden.
In dieselbe Zeit gehört dann auch die kürzere Inschrift, die sich näher nach dem Meere zu in den
Felsen eingehaucn findet. Sie lautet (CIL III 1, 207):
INVICTE ■ IMP
ANTONINE • PIE • FELIX • AVG
MVLTIS • ANNIS • IMPERES
Eine dritte Inschrift, sehr verwischt und sehr verstümmelt, haben Lepsius (Denkmäler VT Taf. 101
Lat. n. 6oj und de Saulcy (a.a.O. p. 648) abgeschrieben. Nach de Saulcy fand sie sich auf einem
') Für dessen Urheberschaft ist besonders geschickt eingetreten John Hogg in einem gelehrten Aufsatz (Journal of the R. Geo-
graphica! Society Vol. 20 p. 45. London 1850).
Kapitel IX. Die arabischen Inschriften. az
Säulenstumpf in der Nähe des Piedestals des Hundes, also ungefähr auf der höchsten Höhe des Engpasses,
wo dieser steil abzufallen beginnt. Mommsen (CIL III i, 209) versucht sie folgendermaßen herzustellen:
imp. caes. fl. constantino
MAXIMö uiciori
AC • TRIUMFa/on
SEMPER • Augusto et
FL • CL • CQYlStantino et
FL • IVL • COtiSTantio et
FL- IVL • CONSTanri
NOBILLL • CAESSS
CCVI/// ?
Es ist ein Meilenstein. Wenn Mommsen mit seiner scharfsinnigen Wiederherstellung recht hat,
gehört die Inschrift in die Jahre 333—335, als Constantin I. mit seinen drei Söhnen Constantin IL, Con-
stantius und Constans herrschte und sein Neffe Delmatius noch nicht zum Caesar ernannt war (18. Sept. 335).
Der Herausgeber der v. Richterschen Inschriften, J. V. Francke, hat (S. 114) aus Des Mouceaux
(p. 405) zwei lateinische Inschriften aufgenommen, die wahrscheinlich ganz fehlerhafte Abschriften von
CIL III I, 206 und 207 sind. Als eine solche fehlerhafte Abschrift scheint selbst der Herausgeber des Des
Mouceauxschen Reiseberichtes wenigstens die erste aufgefaßt zu haben, da er sofort hinzufügt: Plus bas,
eile eft mieux figuree. (Elle eft plus exaetement dans Stockowe.) Tatsächlich finden sich auf p. 415 des
Reiseberichtes die Inschriften CIL III I, 206 und 207, zwar auch noch reichlich mit Fehlern behaftet, aber
doch unverkennbar, und die von de Stochove mitgeteilte Inschrift ist CIL III 1, 206. Der Text
de Stochoves ist auch wirklich besser. Denn während noch Des Mouceaux' zweite Fassung die Worte
enthält: montibus imminentibus in coelum incisis viam düatavit, hatte de Stochove richtiger gelesen:
montibus imminentibus Lico flumini cesis viam düatavit. Die Fortlassung der beiden vermeintlich selb-
ständigen Inschriften, die sich bei Des Mouceaux p. 405 finden, scheint mir hiernach genügend gerecht-'
fertigt.
Kapitel IX.
DIE ARABISCHEN INSCHRIFTEN.
Wenige Schritte westwärts von der alten Brücke ist in die südliche Felswand eine rechteckige Tafel
von 4,68 m Länge und 1,38 m Höhe eingehauen. Diese trägt eine arabische Inschrift von 5 Zeilen, die
durch starke Linien voneinander geschieden sind. Die ersten beiden Zeilen enthalten außerdem noch drei
kreisrunde Medaillons, die ebenmäßig angeordnet sind: eines in der Mitte, die beiden anderen an den Seiten.
Das mittlere Medaillon hat 3 Zeilen Inschrift, die beiden seitlichen kelchförmige Verzierungen. Die Schrift
ist sehr verschnörkelt, außerdem an mehreren Stellen zerstört, so daß der Text nicht mehr vollständig her-
gestellt werden kann.
Erwähnt wird die arabische Inschrift bereits von de Stochove (1631), in bestimmterer Form von
Thevenot (1658), dann von d'Arvieux (T. II p. 378), der meinte, sie verkünde das Lob dessen, der die
Brücke für die Bequemlichkeit der Reisenden erbaut hatte, und ermahne diese, Gott um die Ruhe seiner
Seele zu bitten. Wenige Jahre später nahm auch Des Mouceaux Kenntnis von der Inschrift. Er er-
6*
. . Kapitel IX. Die arabischen Inschriften.
wähnt sie zweimal. Zuerst (p. 405) bestimmt er als ihren Standort einen langen Stein am Anfang der Brücke,
bezeichnet sie aber als syrisch und versichert, daß sie niemand, selbst kein Eingeborener, lesen könne. Das
zweite Mal (p. 414) spricht er von einer Mehrzahl arabischer Inschriften, darunter einer, auf der zwei Kelche
oder Becher abgebildet seien, was auf die Zeit der Kreuzzüge hindeuten könne. Auch viele der späteren
Reisenden haben diese Inschrift gesehen und die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, sie zu entziffern, be-
tont. De La Roquc, Maundrcll, Mariti und andere schrieben sie dem berühmten Emir Fahr-ad-din
(2595 — 1634) zu, de Laborde dem osmanischen Sultan Sellm I. (1512— 1520), Bonomi setzte sie in die
Zeit Omars (14. Jahrhundert), v. Kremer in die Zeit der Atabeken, Palmer1) in die Zeit des al-Malik az-
Zähir (1382— 1399). Auch Seetzen erwähnt dieselbe Inschrift, hörte aber außerdem von einer anderen
arabischen Inschrift auf dem nördlichen Ufer, die sich nach der Versicherung eines Maroniten, der sie gelesen
haben wollte, auf Sultan Selim bezog. Abgeschrieben wurde die arabische Inschrift zum ersten Male, wie
es scheint, von Henri Guys. Durch Lajard 2) erfahren wir, daß diese Abschrift sich 1835 in den Händen
des französischen Orientalisten Reinaud befand, der sie übersetzen wollte. Indessen scheint weder Guys*
Abschrift noch Reinauds Übersetzung jemals veröffentlicht worden zu sein. Eine zweite Abschrift nahmen
1837 der Comte de Bertou und seine Begleiter Montfort und Lehoux3). Auch diese ist niemals bekannt
gemacht worden und ruht wahrscheinlich noch im Archiv des Istituto di corrispondenza archeologica. Ver-
öffentlicht wurde nur eine Skizze der Inschrift, aus der wenigstens die Anordnung der Medaillons deutlich
zu erkennen ist 4). Eine dritte Abschrift endlich, von J. Catafago, dem Dolmetsch des K. preußischen
Generalkonsuls L. v. Wildenbruch in Berüt, 1843 genommen, wurde, irrtümlicherweise unter dem Namen
v. Wildenbruchs selbst, veröffentlicht, und die lesbaren Teile von F. Larsow entziffert 5). Aber diese
Abschrift war sehr fehlerhaft oder vielmehr völlig unbrauchbar. In ihr war als Urheber der Inschrift
Sultan Sellm, Sohn Bäjezids, (1512— 1520) genannt, und diese falsche Deutung hat sich jahrzehntelang
durch die Literatur über die Altertümer des Nähr el-Kelb fortgeerbt. Eine gründliche Besserung brachte
erst die Reise van Berchems und Fatios (1895) 6), die eigens zur Beschaffung von Stoff für das Corpus
inscriptionum Arabicarum unternommen war und reiche epigraphische, topographische und baugeschicht-
liche Ausbeute eintrug. Von der in der Tat schwer leserlichen und ziemlich beschädigten Inschrift an
dem Felsen gegenüber dem Südende der alten Brücke über den Nähr el-Kelb haben vanBerchem und
Fatio einen Teil veröffentlicht 7), der das richtige Verständnis des Ganzen erschließt. Die vollständige
Bearbeitung der Inschrift bleibt einem späteren Bande des Corpus inscriptionum Arabicarum vorbehalten.
Zu diesem Zwecke wird allerdings eine neue eingehende Durchforschung des Originals oder eines guten
Abgusses, der noch anzufertigen wäre, unerläßlich sein. Dem Entgegenkommen Prof. Dr. Sobernheims
in Berlin, der mir die Ergebnisse seines eigenen Studiums der Inschrift in selbstloser Weise zur Verfügung
gestellt hat, verdanke ich es, daß ich schon jetzt in der Lage bin, einiges mehr zu geben. Nach vanBerchems
und Sobernheims vorläufiger Entzifferung lautet die Hauptinschrift:
») Palestine Exploration Fund Quarterly Statement 1871 p. 118.
2) Bullettino dell' Instituto di corrispondenza archeologica 1837 p. 137.
3) Daselbst pp. 134 s.
4) Monumenti inediti Vol. 2 Tav. 51 Nr. 2. Eine ähnliche Skizze hatte 1837 auch Bonomi (Transactions of the R. Society of
literature Vol. 3 PI. 2 Nr. 8) veröffentlicht.
5) Monatsberichte der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Neue Folge Bd. I Taf. IV. Berlin 1844. Vgl. auch daselbst
SS. 86, 235 u. 304.
6) Voyage en Syrie T. I (= Memoires publies par les membres de 1' Institut francais d'archeologie Orientale du Caire). Le Caire 1914.
7) Daselbst p. 100 note 1; van Berchem konnte auch einen Papierabdruck Brunn jws benutzen, der freilich ebenso schwer
lesbar zu sein scheint, wie es die Photographie, die auf Taf. 14 dieses Werkes wiedergegeben wird, tatsächlich ist.
Kapitel IX. Die arabischen Inschriften. 45
ijoo. ., -/^»'t (Mittleres Medaillon) aJÜ' '»iA*3 (hier folgt eine nicht erkennbare Koranstelle) *£aOl -j*:>_;l nLS *-~J Z. I
-*l#ÜI J^*^U} (Mittleres Medaillon) «J!.jlSI _;ji Jfc^wJI -*}J|»äJI ^^XLti! {Jjiy*i\ (_e^-*J'' *-^*£" AJ' Z. 2
ü>Jj ..v« Lfc*s L^i; Joii .-«.s iUlIx* (fehlen 3 bis 5 Worte) i-L>JI &1JI ajL'il io.pJiJI i^XJuJI Xj,t»X*j>ül Z. 3
j->~£J 5Ü1 i^Rj" jJUI Ji ~*ääJI ^\«.*i! (fehlen 12 bis 15 Worte) ■jjUr.oT»! (j*Lütj Z. 4
(Schluß fehlt) |^äJI _-t**J' ^5 (Lücke) JU-jjÄtJt [, iXi^JAJ (fehlen 1 bis 2 Worte) Z. 5
Das mittlere Medaillon hat die Inschrift:
L.
J*J
^Lkit ^US c,wliJUJI 1%J ^c
Übersetzung der Hauptinschrift.
Z. 1. Im Namen Gottes des Allbarmherzigen (Lücke) wahrhaft ist Gott der Erhabene und wahrhaft
sein ehrwürdiger Gesandter. Es befahl den Bau dieser gesegneten Brücke Z. 2 Se. geehrte hohe Exzellenz,
der Herr, der Machthaber, der (wohl) bedient wird, Saifl Abu'l-'Azä'im Itmis an-NahhäSi az-Zähiri, General
der Truppen des Islam und Anführer der Rotten Z. 3 der Gamdäre des al-Malik az-Zähir, schenke ihm Gott
das Paradies! (Lücke) Unrecht, wer nun etwas davon darin tut, über den (komme) der Fluch Gottes und
der Engel Z. 4 und der Menschen insgesamt! (Lücke) Der Knecht, der nach Gott — er ist hocherhaben —
verlangt, der Wallfahrer Bahädur (Lücke) Z. 5 in Damaskus] der wohlverwahrten (Stadt) (Lücke) im
Monat Muharram (Schluß fehlt).
Übersetzung der Inschrift des mittleren Medaillons.
Preis sei unserm Herrn, dem Sultan al-Malik az-Zähir Barkük, gepriesen sei sein Sieg!
Anmerkungen.
Z. 1. Auf die Formel Im Namen Gottes des Allbarmherzigen folgt in den arabischen Inschriften meist
eine Koranstelle, die hier nicht mehr zu bestimmen ist. Die Worte: sadaka'llähu »wahrhaft ist Gott«
usw. lehnen sich an Sure 3, 89 an.
Z. 2. Über den Titel al-makarr vgl. van Berchem, Materiaux pour un Corpus inscriptionum Ara-
bicarum I. Partie, fasc. I (= Memoires publies par les membres de la Mission archeologique frangaise au
Caire T. 19. Paris 1894) pp. 183 ss. und öfter, über mahdümi, eigentlich »einem (wohl) bedienten (Herrn)
zugehörig« p. 452, über die Nisbe Saiß für Saif-ad-din p. 185, über die Persönlichkeit des Saij-ad-dln Itmis
an-Nahhäii (oder Aidumui an-NaggäSi, nach Sobernheim al-Bag-äsi1) zu lesen) pp. 295 ss., 745 und 774.
Die Kunja AbuH-'Azä'im deutet Sobernheim »Mann der festen Entschlüsse«. Den Titel ra's naubah
»Rottenführer« hatte Itmi§ seit 781 d. H. (1379/80 n. Chr.). Über den Titel ra's naubat an-nuwwäb siehe
van Berchem p. 537. Das Grabdenkmal des Itmis steht noch halbzerstört in Kairo: das sogenannte
l) Nach Sobernheim ist diese Lesung sicher. Sobernheim hat einen Koran gesehen mit gut geschriebener Widmung
des Itmis, und in der Biographie des Itmis von Manhal as-Safi ist die Schreibung des Beinamens besonders erwähnt.
_i6 Kapitel IX. Die arabischen Inschriften.
Gämi' Aidumus an-NagäSI an der Ecke der Schloßstraße und der Gasse, die zum Tore Bäb al-Wazir führt.
Die Gründungsinschrift (van Berchem Nr. 190) lautet: 'amara bi'inSä'i hädihi 't-turbati 'l-mubärakati
'l-'abdu 'l-fakiru 'äa Hlähi ta'älä 'ItmiJ an- iX 'ahljäSlju ra'su 'n-naubati 'g-zähiriju ß sanati Ijamsin watamä-
nina wasab'imi'ah: Es befahl die Erbauung dieses gesegneten Grabdenkmals der nach Gott — er ist hoch-
erhaben — verlangende Knecht Itmis an-NahhäsI, Anführer der Rotte des Zähir, im Jahre 785 [d. H. =
1383/4 n. Chr.]. Ein Bruchstück einer Inschrift von der hölzernen Täfelung der Kanzel ist Nr. 191 bei
van Berchem, der außerdem noch zwei Koran- Inschriften in dem Gebäude nachweist, eine Inschrift
der alten Moschee von Edfu aus dem Jahre 797 (1394/5) van Berchem Nr. 539. Aus zwei unveröffent-
lichten arabischen Büchern weist van Berchem nach, daß Itmis auch einen Turm bei Tripolis erbauen
ließ, um die Küste vor den Angriffen der Franken zu schützen, vermutlich den Löwenturm an der Küste
von Tripolis (v. Berchem & Fatio, Voyage pp. 122 ss. und pl. VIII oben).
Die Beinamen al Malikl ag-Zähiri »zu Malik, zu Zähir gehörig« beziehen sich auf den Oberherrn des
Itmis, den Mamluken- Sultan al-Malik az- Zähir Saif-ad-din Abu Sa'id Barkük (1382— 1399), als dessen
General Itmis 791 (1388/9) in Syrien gegen den rebellischen Statthalter von Malatija kämpfen mußte, aber
besiegt und gefangen genommen wurde. Barkük, der selbst den Rebellen den Platz räumen und nach
Syrien in die Gefangenschaft wandern mußte, gelang es, zu entkommen und von Damaskus aus seine Herr-
schaft wieder zu erobern. Bei diesen Kämpfen wird auch Itmis wieder frei geworden sein. Im Jahre 802
(1 399/1400) wurde das Bauwerk des Itmis in Kairo bei einem Aufstand der Mamluken geplündert und be-
schädigt. Itmis selbst mußte fliehen und entkam nach Syrien, wo er noch im Jahre 1400 starb.
Z. 3. gamdärijah, eine Art Leibgarde der Mamluken- Sultane, war in sieben Rotten (naubah) ein-
geteilt; vgl. Sobernheim Enzyklopaedie des Islam Bd. I S. 1055 s. Djamdär.
TL. 3 f. Beispiele des »Fluches Gottes und der Engel und der Menschen insgesamt« sind selten; u. a.
wird er in einer Inschrift in Mardin (Beiträge zur Assyriologie Bd. 7 H. 1 S. 68 Nr. 104) angedroht.
Z. 4. In der ersten Lücke hat wahrscheinlich etwas näheres über die Bauausführung gestanden, in
der zweiten Lücke die Beinamen des Bauführers rläggi Bahädur.
Z. 5. Von dem Datum am Schluß ist nur der Monatsname erhalten. Doch kann nur die Regierungs-
zeit des Barkük (1382— 1399) in Betracht kommen; aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Brücke über den
Nähr el-Kelb in den ersten Jahren, vielleicht zwischen 1382 und 1390 gebaut worden.
Abb. 14. Wappen des Sultans Bai Unk.
Von den drei Medaillons enthält das mittelste Namen und Lobpreis des Sultans Barkük, die beiden
seitlichen stellen sein Wappen dar. Es besteht, wie die meisten islamischen Wappen jener Zeit '), aus
■) Über die islamischen Wappen vgl. Rogers Bey Bulletin de l'Institut egyptien II. Serie No. i Annee 1880 pp. 83 ss. Le Caire
1882. Yacoub Artin Pacha daselbst II. Serie No. 9 Annee 1888 pp. 67 ss. Le Caire 1889.
Kapitel IX. Die arabischen Inschriften. aj
einem Kreis, der durch zwei Querlinien in drei Zonen eingeteilt ist. Die obere Zone ist leer, die mittlere
und größte enthält die Darstellung eines flachen Kelches mit breitem Fuß, die untere einen ähnlichen Kelch
in entsprechend kleineren Maßen. Das gleiche Wappen findet sich zweimal neben einer Inschrift, die der
Statthalter Gumusbugä ') im J. 792 (1390) am antiochischen Stadttore von Halab hat anbringen lassen.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der einzige, der vor van Berchem & Fatio die arabische
Inschrift zeitlich richtig bestimmt hat, Palmer war. Die Brücke selbst ist öfter erneuert worden. Aus
der Geschichte von Berüt, verfaßt von Sälih ibn Jahjä, haben van Berchem & Fatio (pp. 100 s.) nach-
gewiesen, daß die Brücke über den Nähr el-Kelb von einem Baumeister, namens Abu Bakr ibn al-Basis
aus Baalbek, der 1344 noch lebte, erbaut worden war. Dies ist die älteste Erwähnung der Brücke, die
wir bis jetzt kennen. Die zweite uns bekannte Erneuerung ist in der Inschrift des Itmiä berichtet; sie
hat während der Regierung des Barkük, wahrscheinlich in deren erster Hälfte, zwischen 1382 und 1390,
stattgefunden. Ob eine solche Erneuerung auch unter dem osmanischen Sultan Sellm I. (1512— 1520)
vorgenommen worden sei, ist sehr ungewiß. Soweit sie auf falscher Lesung der Inschrift des Itmi§ und der
fehlerhaften Abschrift Catafagos beruht, schwebt diese Annahme völlig in der Luft. Aber Seetzen,
der am 9. September 1805 diese Inschrift sah, erfuhr gleichzeitig, daß auch am Nordufer eine arabische
Inschrift sei, die sich, wie ihm ein Maronit später versicherte, auf den Sultan Selim beziehen sollte. Frei-
lich hat weder vorher noch nachher jemand diese Inschrift gesehen, und Seetzens Angabe selbst ist recht
unbestimmt; es ist also sehr wahrscheinlich, daß sie auf irgend einem Irrtum beruht 2). Nicht viel besser
steht es mit der Beglaubigung der oft wiederholten Angabe, daß Fahr-ad-dln (1595— 1634) die Brücke über
den Nähr el-Kelb gebaut habe. Indessen spricht doch innere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit dieser
Überlieferung, da der berühmte Drusenfürst in Berüt selbst längere Zeit residiert hat. Seine Brücke hätte
dann wahrscheinlich noch 1668 gestanden, müßte aber in dem folgenden Vierteljahrhundert zerstört und
wieder erneuert worden sein. Denn die Brücke, die d'Arvieux iööound DesMouceauxum 1668 sahen, be-
stand aus einem einzigen Bogen, während Mau ndreil 1697, Pococke 1737 undMariti 1767 eine Brücke
von vier Bogen erwähnen 3). Seetzen fand 1805 die Brücke in Ruinen, spricht aber einige Zeilen weiter
seltsamerweise von »der neuen zerstörten Brücke««). Dagegen sah Burckhardt 1812 eine feine Stein-
brücke, Turner 1815 eine Brücke, die vom Emir Beshyr erbaut war, und Buckingham 1816 eine neue
Brücke von drei Bogen, das Werk des Amir Busheer, des Drusenfürsten. Russegger bezeichnete sie 1839
als eine der besterhaltenen Brücken, die er in Syrien fand, Seiff 1875 als eine uralte steinerne Brücke mit
lebensgefährlichem Pflaster. Es ist die Brücke, die noch heute steht, aber seit der Erbauung der Heer-
straße und ihrer neuen Brücke (1887) kaum mehr benutzt wird. An der Westseite des südlichen Bogens
■) Diesem Gumusbugä will van Berchem das Wappen vermutungsweise zuerkennen. Aber in dessen Inschrift (Beitr. z. Ass.
Bd. 7 H. 1 Nr. 51) wird Barkük als Sultan erwähnt wie in der Inschrift am Nähr el-Kelb. Beide Inschriften haben das gleiche Wappen.
Folglich muß es das Wappen des Barkük sein. An dem Grabmal des Chajrbak (Beitr. z. Ass. Bd. 7 H. I S. 53 Abb. 8) befindet sich ein
anderes Wappen, das van Berchem dem Chajrbak zusprechen möchte. Dieser Chajrbak war Statthalter für Sultan Käjtbäj (1468
— 1496), und das Wappen ist unverkennbar ein solches des Käjtbäj, vgl. Yacoub Artin Pacha a.a.O. p. 70 Planche fig. 1.
2) Eine Inschrift aus Konia, die wirklich von Sultan Sellm I. herrührt, hat van Berchem Beitr. ■/.. Assyr. Bd. 7 H. 1 S. 146 Nr. 18S
bekannt gemacht.
3) Vielleicht stand die neue Brücke schon 1689, da de La Roque, der sie in diesem Jahre besuchte, von einer sehr schönen
steinernen Brücke spricht, leider ohne die Zahl ihrer Bogen zu nennen. Aber er schreibt sie dem Fahr-ad-dln zu.
<) Das Rätsel löst sich, wie ich nachträglich bemerke, so: Seetzen hat den Nähr el-Kelb zweimal besucht. Bei seinem
ersten Besuche (Bd. 1 S. 151) erwähnt er »die Ruinen einer Brücke, die vor wenigen Jahren auf Verordnung des Emir Bschir an-
gelegt, aber schon wieder vom Strome niedergerissen wurde, bevor man noch die Arbeit vollendet hatte«. Bei seinem zweiten
Besuch (S. 234) unterschied er zwischen »den Ruinen der alten Brücke« bei der arabischen Inschrift und »der neuen zerstörten
Brücke«, die er vor der größeren römischen Inschrift, also ungefähr 300 m weiter stromabwärts, sah. Emir Basir ließ später die
Brücke an der Stelle der alten, vor der arabischen Inschrift, erbauen, und dort steht sie noch jetzt.
48 Kapitel X. Die übrigen Inschriften und Altertümer.
ist eine arabische Inschrift eingefügt. Diese ist leider noch nicht veröffentlicht, soll aber nach Baedeker
(S. 264) und Meyer (S. 94) die Angabe enthalten, daß die Brücke im J. 1224 d. H. vom Emir BaSIr er-
baut worden sei. Dieses Jahr entspricht ') dem christlichen Jahr 1809/10, wird also richtig sein, da die
Erbauung zwischen den Besuchen Seetzens 1805 und Burckhardts (1812) erfolgt sein muß, und der
Fürst BaSIr (geboren 1767, gestorben 1851) von 1789— 1840 herrschte.
Kapitel X.
DIE ÜBRIGEN INSCHRIFTEN UND ALTERTÜMER.
Unter den Inschriften, die Comte de Bertou und seine Begleiter Montfort und Lehoux im Jahre
1837 abgeschrieben hatten, soll sich auch eine französische Grabschrift des 13. Jahrhunderts befunden
haben. Lepsius, dem wir diese Notiz verdanken 2), hatte auch versprochen, auf alle diese Stücke noch-
mals zurückzukommen. Das ist leider unterblieben. Da kein anderer Besucher des Nähr el-Kelb der
erwähnten französischen Grabinschrift gedenkt, ist möglicherweise anzunehmen, daß sie seitdem völlig
zerstört worden ist. Vielleicht befindet sich aber die Abschrift der französischen Maler noch im Archiv
des Istituto di correspondenza archeologica. Der Geolog Giambattista Brocchi (II 150) hat 1823
an der alten Straße im Tale des Nähr el-Kelb geglättete Stellen der Felswand oder förmliche Tafeln bemerkt
die ihm zur Aufnahme von Inschriften bestimmt schienen, aber nie beschrieben worden sind. Eine solche
Stelle, etwa 50 m östlich von der lateinischen Inschrift CIL III 1, 206, haben auch Comte de Bertou und
seine Begleiter 1837 gesehen und nachgewiesen 3). Auf der Höhe des Passes bemerkten Pococke 1737
und Mariti 1767 einen zerstörten Turm, v. Richter 1815 unweit des mittleren ägyptischen Reliefs und
Thomson 1845 an der engsten Stelle des Passes die Reste eines Tores. Spätere Reisende scheinen darauf
nicht mehr geachtet oder nichts mehr davon gefunden zu haben. Jedenfalls ist daran zu erinnern, daß
der arabische Geograph Idrisl bei der Erwähnung des Nähr el-Kelb von einer kleinen Festung am Meere
spricht, und daß für diese die höchste Stelle des Engpasses der geeignetste Platz gewesen wäre.
Fast alle Reisenden, die ihr Weg durch diesen Engpaß führte, haben auch in irgendeiner Form die
Erzählung von dem steinernen Hunde gehört, dessen Piedestal gesehen und sich in der Brandung den
Felsblock zeigen lassen, den die Eingeborenen für die abgestürzte Figur des Hundes halten. Wir haben
den Namen »Paß des Hundes« bis in das 13., den Namen »Hundsfluß« sogar bis in das 12. Jahrhundert
zurückverfolgen können, die Erzählung von der Figur des Hundes allerdings nur bis 1508. Die Figur
selbst stand nicht mehr auf ihrem Piedestal, und wenn de Stochoves Erzählung (1631) richtig ist, wäre
sie vom heiligen Paulus, also bereits im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, herabgestürzt worden.
Übrigens hat schon de Stochove die zutreffende Bemerkung gemacht, daß die Hundefigur im Meere die
Größe eines Pferdes hat. Eine andere Erzählung hat der Pater Domenico Laffi 4), der am 30. Dezember
1677 am Nähr el-Kelb war. Laffi behauptet, diese Skulptur, die entschieden vornehm und sehenswürdig
gewesen sei, selbst gesehen zu haben. Beim Falle der Figur habe sich der Kopf vom Rumpfe getrennt
') Nicht 1828/9, wie sowohl Baedeker als Meyer bieten; vgl. van Berchem & Fatio p. 99 note i.
2) Bullettino dell' Institute 1837 p. 135.
3) Monumenti inediti Vol. 2 Tav. 51 Nr. 4.
4) Ich kenne sie nur aus Mariti Vol. 2 p. 102.
Kapitel X. Die übrigen Inschriften und Altertümer.
49
und sei nach Venedig gebracht worden. Dort befinde er sich angeblich in der Galeric des Signor Niccolö
Visinoni, eines Kaufmanns von Venedig. Soweit Laffi, bezw. Mariti. Dieser Bericht erregt manche
Bedenken. Wenn man es auch dahingestellt lassen kann, ob schon der Apostel Paulus die Figur in das
Meer gestürzt habe: gewiß ist doch, daß der Hund 1631 bei de Stochoves Besuch nicht mehr auf dem
Piedestal stand, sondern von den Eingeborenen im Meer gezeigt wurde. Wo hat ihn dann 1677 der hoch-
würdige Pater Laffi gesehen? Auf dem Piedestal sicher nicht mehr, und der rohe Felsblock im Meer
ist alles andere als una scultura al certo nobile e degna di esser veduta. Vielleicht wäre aber zu erkunden,
ob die Galerie Visinoni in Venedig noch jetzt besteht, und wenn nicht, was aus ihren Altertümern ge-
worden ist, insbesondere wohin der steinerne Hundekopf gekommen sein mag, der sich früher dort be-
funden haben soll. Bemerkenswert ist ferner, daß der Comte de Bertou und seine Begleiter 1837 nicht
eins, sondern zwei Piedestals gesehen und abgezeichnet haben *). Das erste befand sich an dem Steil-
absturz, ungefähr 26 m über dem Meere, das zweite etwa 30 m südlich von diesem am Paßwege. Der
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Abb. 15. Aufriß und Grundriß des zweiten Piedestals.
deutsche Gelehrte J. N. Sepp, der zwischen 1845 und 1874 verschiedene Male in Syrien und Palästina
gewesen ist, bietet einen ganz eigentümlichen Bericht 2): »An dem vorspringenden Fels vor der Mündung
[des Nähr el-Kelb] befanden sich die Statuen eines Wolfes und Hundes, seinem alten und neuen Namen
entsprechend. Ersterer ist in der Nähe des untersten Überganges noch an Ort und Stelle, letzterer von den
Türken ins Meer geworfen, hat aber vor einigen Jahren unter den Händen eines Britten auch seinen Kopf
eingebüßt, der ihn abstümmelte und nach England schleppte.« Hierzu ist zu bemerken, daß kein anderer
Reisender die Wolfsstatuc »in der Nähe des untersten Überganges« (wo befindet sich dieser?) jemals ge-
sehen hat. Möglich ist aber immerhin, daß ein Sohn Albions bei seichtem Wasserstand 3) ein Stück von dem
Felsblock im Meer abgeschlagen und zum Andenken mit nach Hause genommen hat, wenngleich ander-
weitige Nachrichten darüber fehlen. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß eine Dame, Mrs. Ghosn-el-
Howie *), die vom 3. bis 5. April 1903 am Nähr el-Kelb studiert und photographiert hat, in dem verwitterten
Felsen neben dem mittleren ägyptischen Relief nach einer Photographie von Bonfils in Berüt (s. oben
■) Monumenti inediti Vol. 2 Tav. 51 Nrr. 11 u. 12.
3) Jerusalem und das heilige Land Bd. 2 SS. 342 f. 2. Aufl. Bd. 2 S. 430.
3) Robinson (S. 814) bemerkte 1852, daß der Fels eben sein Haupt aus dem Wasser hervorsteckte,
■t) In der amerikanischen Zeitschrift Records of the Past Vol. 2 (1903) ist der Name durchaus Ghosu gedruckt.
Nähr el-Kelb. 7
50
Kapitel X. Die Übrigen Inschriften und Altertümer.
Abb. 5) Tiergestalten zu erkennen glaubte. In der von ihr mit einem ziemlichen Aufwand von Phantasie
entworfenen Zeichnung ') erblickt man neben dem ägyptischen Relief vier gespenstische Tiere aus dem
Katzen- und Hundegeschlecht, als ob sie leicht aus dem Felsen herausgearbeitet wären. Als ich selbst
mit Win ekler drei Wochen später an der Stelle weilte, war der Spuk verschwunden; wir beiden haben
jedenfalls nichts davon gesehen.
Was ist nun von allen diesen Berichten zu halten ? Ich meine, die Möglichkeit, daß einst vor Jahr-
hunderten ein steinerner Hund oder Wolf als weithin sichtbares Wahrzeichen die Höhe des Engpasses be-
wachte, ist nicht zu bestreiten. Daß dieses Bildwerk frühe von seinem Standort heruntergefallen oder ge-
stürzt und schließlich von Ikonoklasten oder abergläubischen Eingeborenen in das nahe Meer geworfen
worden sei, ist ebenfalls recht wohl möglich. Von da an verschwindet aber seine Spur; denn daß der unge-
füge Felsblock, den die Eingeborenen zeigen, nicht die Hundestatue gewesen sein kann, liegt auf der Hand.
Die Frage, ob das Piedestal oder eines der beiden Piedestals des Engpasses jemals für eine Hunde- oder
Wolfsfigur bestimmt gewesen sein kann, wird der Archäolog von Fach zu untersuchen haben.
Abb. 16. Assyrisches Löwenpostament. (Gartental bei Chinnis in Kurdistan.)
Herr Dr. W. Bachmann in Dresden-Radebeul hat mir auf meine Bitte seine Anschauungen über
das eine der beiden Piedestals mitgeteilt:
»Im Frühjahr 1917 kam ich anläßlich einer militärischen Dienstreise durch den Bezirk des Nähr el-Kelb
und benutzte einen kurzen Aufenthalt dazu, die Skulpturen zu besuchen. Dabei fiel mir auf halber Höhe
des Hanges, am alten Wege dicht über dem Abhang gelegen, ein stark verwittertes Postament auf, in dem
ich nach kurzer Untersuchung eine mir bekannte Skulpturenform wiederfand.
Anläßlich der Neuaufnahmen der Sanherib-Felsreliefs in Kurdistan ergab sich bei Bearbeitung des
großen Götterreliefs von Chinnis (Bawian), welches schon durch Layards Untersuchungen seit langem
bekannt ist, daß auf der Deckplatte dieser Felsenskulptur drei Tierpostamente standen, von denen sich
zwei in Resten erhalten haben. Wie die Abbildung 16 zeigt, handelt es sich um Steinstümpfe, die wie das
Relief aus dem anstehenden Felsen herausgearbeitet sind und an der Vorderseite die vordere Hälfte je zweier
iegender kleiner Löwen erkennen lassen. An dem besser erhaltenen der beiden Sockel ist auf der Ober-
fläche noch der Rest eines Dübcllochs sichtbar. Die Übereinstimmung dieser Sockelreste mit dem Piedestal
vom Nähr el-Kelb (siehe Abb. 15) ist auffällig. Man darf deshalb als wahrscheinlich annehmen, daß auch
0 Records of the Past Vol. 2 p. 205.
Kapitel X. Die Übrigen Inschriften und Altertümer. 5 1
dieses Postament an der dem Meere zugekehrten Seite in einen Tierkopf und -vorderkörper auslief. Nach
dem babylonisch-assyrischen Symbolkanon käme Löwe, Drache oder Stier in Frage. Welches Tier dar-
gestellt war, läßt sich aus der Skulptur selbst wegen ihres stark beschädigten Zustandes nicht erkennen.
Aber für die örtliche Überlieferung von dem Standbild eines Hundes ist leicht eine Erklärung zu finden,
wenn man annimmt, daß zu einer Zeit, da das Tierpostament noch etwas besser erhalten war, die Ver-
witterung den Charakter des ursprünglichen Tierkopfes soweit verändert haben konnte, daß er naiven Beob-
achtern als der eines Hundes erscheinen mochte. Die Frage, welchen Gegenstand der Sockel selbst einst
getragen haben mag — eine Statue, eine Säule oder irgend ein Symbol — , liegt nicht mehr im Rahmen
dieser Untersuchung. Hält man daran fest, daß das Postament aller Wahrscheinlichkeit nach assyrischen
Ursprungs ist, so käme als sein Schöpfer am ehesten einer der Herrscher von Sargon II. ab in Betracht, da
erst seit Sargons Zeit Tierpostamente dieser Art in Assyrien auftauchen und, wie wir wissen, in den Palästen
von Niniveh, Chorsabad und Nimrud eine Rolle spielten.«
Zu diesen Mitteilungen sei es mir gestattet, noch folgendes zu bemerken. Die von Bachmann
beobachtete Ähnlichkeit des Piedestals auf dem Vorgebirge des Nähr el-Kelb mit den von ihm zuerst
genauer untersuchten Löwenpostamenten am Felsen von Chinnis scheint auch mir unbestreitbar. Basis,
Sockel und Dübelloch sind an beiden Denkmälern noch sicher nachzuweisen. Die eigentümliche Ab-
schrägung an der westlichen Seite des Denkmals auf dem Vorgebirge könnte der Stirnpartie einer
Tierfigur entsprechen, deren übrige Formen restlos abgeschlagen sind. Der archäologische Befund und
die örtliche Überlieferung dienen sich gegenseitig zur Stütze und führen zu der Schlußfolgerung, daß
das vermeintliche Piedestal auf dem Vorgebirge nicht eine Tierfigur trug, sondern selbst der nach
Abschlagen aller äußeren Teile verbliebene Rumpf der Figur eifies Löwen, Wolfes oder Hundes ist.
Auf dem Rücken dieser Tierfigur ruht noch jetzt der Sockel mit dem Dübelloch, über dessen ehe-
malige Bestimmung heute nur Vermutungen möglich sind. Am nächsten scheint mir die Annahme
zu liegen, daß einst eine Inschriftenstele mit ihrem Zapfen in das Dübelloch eingelassen war.
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stündigen Besuch abstattete, verfolgte ich keine weitere Absicht, als die Inschriften Nebukadnezars,
deren nahe Verwandtschaft mit denen des Wädi Brisä mir zur Gewißheit geworden war, zu veröffent-
lichen. War ich doch damals der Meinung, daß die Bearbeitung aller übrigen Denkmäler und In-
schriften entweder schon längst erfolgt oder doch wenigstens von anderer Seite in Angriff genommen
worden sei. Da sich diese Annahme nach meiner Heimkehr als irrtümlich erwies, kam mir der Ge-
danke, die Arbeit womöglich selbst zu unternehmen. Freilich wäre das vorliegende Buch niemals in
dieser Form zustande gekommen, hätte ich nicht von den verschiedensten Seiten bereitwillige und
wertvolle Unterstützung erfahren. Es drängt mich, jetzt beim Abschluß dieser Arbeit, noch einmal
allen denen, die mir unveröffentlichtes archäologisches oder inschriftliches Material oder eigene Deu-
tungen und Übersetzungen in selbstloser Weise zur Verfügung gestellt haben, geziemenden Dank aus-
zusprechen. Mit Wehmut gedenke ich zunächst dreier Toten: J. A. Knudtzon (SS. 15 f.), E. G. Klauber
(S. 16) und M. van Berchem (S. 44). Von den Lebenden haben mich vor allen die Herren H. V. Hilp-
recht (S. 15), H.Abel (S. 18), M. Sobernheim (S. 44) und W. Bachmann (SS. 50 f.) verpflichtet.
Herrn Geheimrat Wiegand, der die Textabbildung 15 beizusteuern die Güte hatte, schulde ich noch
dafür besonderen Dank, daß er die Drucklegung dieses Buches ermöglicht hat.
Gautzsch, 6. Januar 1922.
F. H. WEISSBACH.
VERZEICHNIS DER TEXTABBILDUNGEN UND TAFELN.
I. ABBILDUNGEN IM TEXT.
Seite
1 nach Zumoffen (Anthropos Bd. 3 S. 439) 2
Starke Linien bezeichnen der Reihe nach von links oben nach rechts unten: den ältesten (ägyptisch-assyrischen) Pfad; den
römischen Paßweg (bei c) ; die moderne Landstraße; die Geleise der Eisenbahn Berut-Ma'ämilten. Die Buchstaben f, e, d
bezeichnen die Orte der assyrischen und ägyptischen Denkmäler 5 — 9 (vgl. unten zu Abb. 3).
2 nach Wright (Records of the Past Vol. 5, Titelbild) 3
3 nach Boscawen-Winckler mit einigen Verbesserungen 16
Die ägyptischen (| |) und assyrischen (Q) Denkmäler sind von 1 — 9 durchgezählt. Am Nordufer des Nähr el-Kelb (über
dem Buchstaben b) bezeichnet o den Platz der babylonischen Inschriften. In der Mitte des Paßwegs ist der Ort des iömi-
schen Meilensteins durch S und Pfeil angedeutet.
4 nach Lepsius " 17
5 nach Bezo 1 d , Nineve S. 37 20
6 nach Lepsius 21
7 nach einer von der Verwaltung der Vorderasiatischen Abteilung der Staatlichen Museen gefälligst zur Verfügung gestellten
Photographie 25
8 — 10 nach Vorderasiatische Schriftdenkmäler, Beiheft 26 f.
1 1 nach Zeitschrift für Assyriologie Bd. 29 Tafel II 33
1 2 nach W e i ß b a c h , Die Inschriften Nebukadnezars II. S. 11 34
Der dänische Vizekonsul Leytved und sein Diener Inschriften abklatschend.
1 3 nach einer Photographie 42
1 4 nach van Berchem (Beiträge zur Assyriologie Bd. 7 H. 1 S. 42) 46
1 5 nach einer Skizze von T h. W i e g a n d 49
1 6 nach einer Photographie von W. Bachmann ^o
IL TAFELN.
1. Die Mündung des Nähr el-Kelb. Ansicht von Süden.
2. Das Vorgebirge am Nähr el-Kelb. Ansicht von Norden.
3. Blick in das Tal des Nähr el-Kelb flußaufwärts.
4. Nordseite des Flußtales des Nähr el-Kelb mit altem Aquädukt. Babylonische Inschriften.
5. Nördliches ägyptisches Denkmal mit französischer Inschrift.
6. Südliches ägyptisches Denkmal. Vgl. Taf. It.
7. Erstes und zweites assyrisches Denkmal.
8. Drittes assyrisches Denkmal.
9. Viertes assyrisches Denkmal und mittleres ägyptisches Denkmal.
10. Fünftes assyrisches Denkmal.
11. Sechstes assyrisches Denkmal (Asarhaddon). Vgl. Taf. 6.
12. Inschrift Asarhaddons.
13. Römische Inschrift.
14. Arabische Inschrift.
NÄHR EL-KELB.
Tafel I.
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Tafel III.
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NÄHR EL-KELB.
Tafel V.
Nördliches ägyptisches Denkmal mit französischer Inschrift.
NÄHR EL-KELB.
Südliches ägyptisches Denkmal.
NÄHR EL-KELB.
Tafel VII.
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Tafel VIII.
Drittes assyrisches Denkmal.
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NÄHR EL-KELB.
Tafel X.
Fünftes assyrisches Denkmal.
NÄHR EL-KELB.
Sechstes assyrisches Denkmal (Asarhaddon).
NÄHR EL-KELB.
Tafel XII.
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Inschrift Asarhaddons.
NÄHR EL-KELB.
Tafel XIII.
Römische Inschrift.
NÄHR EL-KELB.
Tafel XIV.
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