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Full text of "Die Dolomit-Riffe von Südtirol und Venetien : Beiträge zur Bildungsgeschichte der Alpen"

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Die 


DOLOMIT-RIFFE 


von 


SÜDTIROL  UND  VENETIEN, 


^ 


BEITRÄGE 


ZUR  BILDUNGSGESCHICHTE  DER  ALPEN 


von 

Edmund.  Mojsisovicst  von  Mojsvdr. 


N/-V,>X^-V>-V^^   .^V#-^'^>-^^^'-^ 


Herausgegeben  mit  Unterstützung  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissenschsiften. 


Mit  der  geologischen  Karte  des  tirolisch-venetianischen  Hochlandes  in  6  Blättern, 

3o  Lichtdrackbiidern  und  iio  Holzschnitten. 


WIEN,  1879. 


ALFRED  HOLDER 

K.  K,  HOF-  UND  UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER 

ROTHENTHURMSTRA88B  15. 


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Alle  Rechte,  auch  das  der  Uebersetzung  in  fremde  Sprachen,  vorbehalten. 


KJmST'  UND  BUCHDRUCKZREI  STEYBEBMÜHL,  WIEN. 


Vorwort. 

Ich   habe   dem   vorliegenden  Buche   nur   wenige  Worte   über 
dessen  Entstehungsgeschichte  voranzusenden. 

In  einem  im  Frühjahre  1874  veröffentlichten  Aufsatze  über  ^^die 
Faunengebiete  und  Faciesgebilde  der  Triasperiode  in  den  Ostalpen*  *) 
hatte  ich  den  Versuch  unternommen,  die  verwickelten  und  einander 
scheinbar  widersprechenden  stratigraphischen  Verhältnisse   der   ver- 
schiedenen  Triasdistricte   der    Ostalpen    durch   die   Unterscheidung 
gesonderter  Faunengebiete  und  die  Annahme  allgemein  verbreiteter, 
scharf  contrastirender  vicarirender  Faciesgebilde  zu  erläutern  und  ein- 
heitlichen Gesichtspunkten  unterzuordnen.  Ebenso  wie  zur  Feststellung 
der  Faunengebiete   leiteten    mich   die   Resultate   palaeontologischer 
Untersuchungen     auch     zur     Erkenntniss      der     Faciesverhältnisse. 
Directe,    aus  dem  Lagerungsverbande   der   als   Facies   bezeichneten 
Gebilde  entnommene  Beweise  konnte  ich  damals  zur  Rechtfertigung 
meiner  Anschauungen  nicht  beibringen.    Aber  es  zeigten  selbst  die 
abweichendsten   Profile   benachbarter   Regionen   mittelst   der   ange- 
wendeten Interpretation   eine  erfreuliche  Uebereinstimmung  mit  der 
gleichzeitig  aufgestellten,  vorzugsweise  auf  palaeontologische  Anhalts- 
punkte gegründeten  und  von  den  lithologischen  Merkmalen  so  viel 
wie  möglich  abstrahirten  Reihenfolge  der  Trias-Zonen.    Vom   theo- 
retischen   Standpunkte    durfte    ich    sonach     meine   Anschauungen 
als   in  der   Natur   begründete   betrachten.     Ich   konnte   mich    aber 
darüber   keiner  Selbsttäuschung   hingeben,    dass   auf  eine   sofortige 
ungetheilte  Zustimmung  der  Fachgenossen  nicht   gerechnet  werden 
dürfe.  Und  zwar  nicht  blos  wegen  des  überraschend  jähen  Wechsels 
der  entgegengesetztesten  Faciesgebilde,  sondern  auch,  und  bei  Vielen 
vielleicht  vornehmlich,  wegen  der  zu  Grunde  gelegten,  von  dem  trans- 
formistischen  Standpunkte  ausgehenden  palaeontologischen  Methode, 

*)  Jahrb.  d.  Geol.  R.-A.   1874. 


IV 


welche  der  Stratigraphie  bisher  vernachlässigte  scharfe  Kriterien  zu 
Gebote  stellt.  Wurden  ja  durch  diese,  wenn  auch  indirect,  vorgefasste 
Meinungen  und  eingelebte  Anschauungen  bekämpft,  und  mochte  des- 
halb, um  von  principiellen  Gegnern  zu  schweigen,  dem  berechtigten 
Conservativismus  eine  zuwartende  Haltung  am  gerathensten  erscheinen! 

Sollte  diese  Zurückhaltung  rasch  beseitigt  werden,  so  mussten 
an  die  Stelle  der  theoretischen  Folgerungen  objectiv  greifbare 
Thatsachen  gesetzt  werden.  Solche  aber  constatiren  zu  können, 
dazu  schien  nach  Allem,  was  ich  bis  dahin  genauer  von  den  Alpen 
kannte,  wenig  Aussicht  vorhanden  zu  sein.  Die  meisten  Chancen 
versprach  noch  das  südtirolische  Gebiet  von  Gröden,  Enneberg, 
Fassa  und  Buchenstein,  welches  ich  bereits  in  meinem  Aufsatze 
zum  Ausgangspunkte  der  Besprechung  der  Faciesgebilde  gewählt 
hatte.  Die  einfachen  tektonischen  Verhältnisse,  einige  Angaben 
V.  Richthofen's  und  Stur's,  sowie  eigene,  auf  kürzeren  Excursionen 
gemachte  Wahrnehmungen  berechtigten  zu  der  Hoffnung,  dass, 
wenn  irgendwo  in  den  Alpen,  so  hier  der  directe  geognostische 
Nachweis  des  Facieswechsels  gefunden  werden  k(')nnte. 

Bei  Feststellung  des  Planes  für  die  Aufnahmen  im  Sommer  1 874 
beantragte  ich  deshalb  bei  der  Direction  der  k.  k.  Geologischen 
Reichsanstalt,  dass  die  beginnende  Detailaufnahme  der  südtirolischen 
Kalkalpen  von  dem  bezeichneten  Terrain  ausgehen  und  von  da  aus 
in  den  nächsten  Jahren  gegen  die  Landesgrenzen  fortschreiten  solle. 

Bereits  der  Erfolg  der  conform  diesem  Antrage  im  Sommer  1874 
durchgeführten  Untersuchung  überflügelte  weitaus  meine  viel  be- 
scheideneren Erwartungen.  Denn  es  wurden  nicht  nur  die  gesuchten 
Nachweise  des  Ineinandergreifens  der  zwei  wichtigsten 
Faciesgebilde  gefunden,  sondern  überdies  eigenthümliche 
Structurverhältnisse  an  den  Stellen  des  Facieswechsels  beob- 
achtet, welche  für  das  Verständniss  der  in  den  Ostalpen  allgemein 
verbreiteten  triadischen  Riflfmassen  von  höchster  Wichtigkeit  sind  *). 
Ich  fasste  nun  den  Plan,  in   einer   besonderen,   durch   Illustrationen 


*)  Zur  Wahrung  der  Priorität  dieser  Beobachtungen  veröffentlichte  ich  in 
den  Sitzungs-Berichten  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften  (LXXI.  Band,  1875) 
eine  kurze  vorläufige  Notiz  unter  dem  Titel:  Ueber  die  Ausdehnung  und  Structi»r 
der  südostlirolischen  Dolomitstöcke. 


zu  erläuternden  Schrift  eine  zusammenhängende  Schilderung  des 
bereits  untersuchten,  sowie  des  angrenzenden,  ähnliche  Aufschlüsse 
versprechenden  und  in  den  folgenden  Jahren  aufzunehmenden  Gebietes 
zu  veröffentlichen.  Ich  gewann  noch  im  Laufe  des  Sommers  1874 
den  Photographen  Herrn  G.  Egger  aus  Lienz  für  die  photo- 
graphische Fixirung  einiger  besonders  instructiver  Stellen.  Herr 
Dr.  R.  Hoernes,  welcher  mir  als  Sections-Geologe  zugetheilt  war, 
begleitete  Herrn  Egger  und  wählte  passende  Aufnahmspunkte.  Im 
nächsten  Jahre  schaffte  ich  mir  selbst  einen  leicht  portativen  photo- 
graphischen Apparat  an,  mittelst  welchem  ich  in  den  Jahren  1875  und 
1 876  eine  ziemlich  grosse  Anzahl  geologisch  interessanter  Aufschlüsse 
fixirte.  Eine  Auswahl  dieser,  sowie  der  Egger'schen  Aufnahmen 
begleitet,    durch   Lichtdruck   vervielfältigt,    das    vorliegende  Buch. 

Als  die  vornehmste  Aufgabe  dieses  Buches  betrachtete  ich 
die  Darstellung  des  Facieswechsels  und  der  Structurverhältnisse  der 
Dolomitriffe.  Doch  wurden  selbstverständlich,  ohne  in  ermüdende 
und  oft  wiederkehrende  Detailschilderungen  mich  einzulassen,  auch 
die  zahlreichen  wichtigen  Aufschlüsse,  welche  zu  dem  Hauptthema 
in  keiner  unmittelbaren  Beziehung  stehen,   entsprechend  gewürdigt. 

Um  auch  die  tektonischen  Verhältnisse  des  geschilderten 
Gebietes  im  Zusammenhange  mit  den  stärker  gestörten  südlichen 
Districten  darstellen  zu  können,  schien  es  mir  zweckmässig,  über 
die  Grenzen  der  Verbreitung  der  triadischen  Dolomitriffe  hinauszu- 
gehen und  auch  noch  das  am  Südrande  der  Valsugana-Spalte 
liegende  Gebiet  in  die  Karte  aufzunehmen. 

In  der  Einleitung  machte  ich  den  Versuch,  die  Bedeutung  der 
die  moderne  Naturwissenschaft  beherrschenden  transformistischen 
Grundsätze  für  die  historische  Geologie  zu  skizziren.  Ich  erlebte 
die  grosse  Freude  und  Genugthuung,  dass  der  Altmeister  der 
heutigen  Naturwissenschaft,  Charles  Darwin,  diesen  Erörterungen 
sein  besonderes  Interesse  schenkte  und  in  einem  liebenswürdigen 
Schreiben  die  Berechtigung  derselben  anerkannte. 

Die  Untersuchung  und  Kartirung  des  geschilderten  Gebietes 
erfolgte  unter  Mitwirkung  meiner  beiden  damaligen  Sections-Geo- 
logen*)  der  Herren  Dr.  C.  Doelter   und  Dr.   R.  Hoernes,   sowie 


♦)  Gegenwärtig  Professoren  an  der  Grazer  Universität. 


VI 

unter  der  zeitweisen  Betheiligung  der  Herren  Volontäre  Dr.  Ed. 
Kotschy,  Dr.  Ed.  Reyer  und  Dr.  Th.  Posewitz  in  den  Jahren 
1874 — 1876  und  dienten  fiir  den  österreichischen  Antheil  des 
Gebietes  die  photographirten  Copien  der  Original-Aufnahmsblätter 
der  neuen  Generalstabskarte  der  Monarchie  im  Massstabe  von  i  :  25cxx>, 
für  die  italienischen  Antheile  aber  die  Blätter  der  neuen  Specialkarte 
der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  im  Massstabe  von  i  :  75000 
zur  Grundlage.  Herr  Dr.  Hoernes,  welcher  mich  am  Beginne  der 
Arbeit  durch  zwei  Monate  begleitet  hatte,  nahm  in  der  Folge  einen 
sehr  hervorragenden  Antheil  an  der  eigentlichen  Aufnahmsarbeit.  Die 
Gegenden  im  Norden  von  Villnöss  und  Enneberg,  dann  die  Gebiete 
von  Brags,  Höhlenstein,  Sexten,  Auronzo,  Cadore,  die  Umgebungen 
von  Longarone,  sowie  der  grösste  Theil  des  Blattes  VI  (Belluno) 
wurden  von  ihm  bearbeitet.  Die  eingehenden,  von  Profilzeichnungen 
begleiteten  schriftlichen  Berichte,  welche  er  mir  zur  Benützung 
für  meine  Ausarbeitung  übergab,  sind  unter  steter  Angabe  der 
Quelle  meiner  Darstellung  der  betreffenden  Gebietstheile  zu  Grunde 
gelegt.  Es  wäre  undankbar,  wenn  ich  die  wesentliche  Unterstützung, 
welche  mir  aus  der  Mitwirkung  des  Herrn  Dr.  Hoernes  erwuchs, 
nicht  bereitwilligst  und  freudig  anerkennen  wollte.  Die  Aufgabe  des 
Herrn  Dr.  C.  Doelter  bestand  in  der  Untersuchung  der  Eruptions- 
stellen von  Fassa  und  Fleims,  des  Quarzporphyrgebietes  und  des 
Cima  d'Asta-Stockes.  Die  Begrenzung  der  Eruptivgesteine  an  den 
beiden  alten  Vulcanschloten  von  Fassa  und  Fleims  auf  unserer  Karte 
rührt  von  den  Aufnahmen  des  Herrn  Dr.  Doelter  her,  welcher  die- 
selben mit  einem  grossen  Aufwände  an  Zeit  eingehend  studirt  hatte  *). 


*)  Literatur.  Von  der  Mittheilung  eines  ausführlichen  Literatur- Verzeich- 
nisses wurde  Umgang  genommen,  weil  in  dem  vortrefflichen  Werke  Ferd.  Freih. 
V.  Richthofen*s  „Geognostische  Beschreibung  von  Predazzo,  Sanct  Cassian  und 
der  Scisser  Alpe.  Gotha  1860",  welches  für  einen  Theil  unseres  Gebietes  eine  aus- 
gezeichnete Grundlage  aller  späteren  Forschungen  bildet,  sich  bereits  ein  solches 
vorfindet.  Die  wichtigeren  seither  erschienenen  Arbeiten  findet  man  an  den  geeigneten 
Stellen  im  Texte  angeführt. 

Eine  kritische  Würdigung  der  Arbeiten  meiner  Vorgänger  wurde  principiell 
vermieden,  zunächst,  weil  es  sich  in  erster  Linie  um  die  Mittheilung  von  That- 
sachen  handelte,  welche  man  erst  in  neuerer  Zeit  zu  sehen  gelernt  hatte,  und  dann 
aber  auch,  weil  ich  die  meisten  derartigen  Besprechungen  für  einen  unnützen 
Ballast  halte,  welcher  nur  dazu  dienen  soll,  die  Verdienste  des  Autors  in 
besonders  günstigem  Lichte  erscheinen  zu  lassen. 


vn 


Um  die  Herausgabe  des  Werkes  in  zweckentsprechender  Weise 
zu  ermöglichen,  bewilligte  mir  über  Antrag  meiner  hochverehrten 
Freunde,  der  Herren  Akademiker  Hofrath  Fr.  Ritter  v.  Hauer, 
Hofrath  Ferd.  Ritter  v.  Hochstetter  und  Prof.  Ed.  Suess 
die  Hohe  kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften  einen 
namhaften  Geldbetrag,  für  welche  wahrhaft  liberale  Unterstützung  ich 
derselben  ehrfurchtsvollen  Dank  schulde. 

Auch  das  Hohe  k.  k.  Reichs-Kriegsministerium  und  das 
k.  k.  Militär-Geographische  Institut  haben  durch  die  Gestattung 
des  Umdruckes  der  betreffenden  Blätter  der  neuen  Specialkarte 
der  Monarchie  in  zuvorkommender  Weise  zum  Zustandekommen 
dieses  Werkes  beigetragen. 


Wien,  im  October  1878. 


Dr.  Edm.  v.  Mojsisovics. 


Druckfehler  und  Berichtigungen. 

Seite    23,  Zeile     2  von  unten  (Note),  statt:  Neumayr,  zu  lesen:  Neumayer. 

„  24,  Zeile  II  von  oben,  statt:  nachgewiesen  wird,  zu  lesen:  nach- 
gewiesen sind. 

„      47,  Zeile  18  von  oben,    statt:    Voltzia  üccubartensis,  zu  lesen:   Voltzia  Agordica. 

(Man  vergleiche  die  Note  Seite  436.) 
„       56,  Zeile  II  von  unten,  statt:  bezeichnensten,  zu  lesen:  bezeichnendsten. 

„       58,  Zeile  17  von  oben,  statt:  Lycoteras,  zu  lesen:  Lytoceras. 

^  93,  Zeile  18  von  oben:  Nachdem  bei  den  Untersuchungen  des  letzten  Sommers 
von  den  Herren  Bittner  und  Vacek  festgestellt  wurde,  dass  die  Cephalo- 
podenbänke  der  Zone  des  Simoceras  scissum  über  den  Oolithen  mit 
RhynchontUa  bilohata  liegen  und  die  tiefsten  Lagen  des  bisher  ausschliesslich 
den  Klaus-Schichten  zugerechneten  Complexes  der  sogenannten  Curviconcha- 
Schichten  bilden,  müssen  weitere  Funde  von  Fossilien  abgewartet  werden, 
um  über  das  Alter  der  Bilobata-Schichten  entscheiden  zu  können.  Die 
Vermuthung,  dass  dieselben  noch  liasisch  seien,  gewinnt  durch  die  Verhält- 
nisse im  Osten  und  Nordosten  sehr  an  Wahrscheinlichkeit. 

„     loi,  Zeile  6  von  unten,  statt:  biosiegen,  2U  lesen:  blosliegt. 

„  132,  In  dem  Profile  wurden  durch  ein  Versehen  die  Schichten  von  Veronza  nord- 
anstatt  südfallend  eingezeichnet. 

„  133,  Zeile  3  von  unten,  und  Seite  137,  Zeile  4  von  oben,  statt:  Sotchiada,  zu 
lesen:  Sotschiada. 

„  162,  Zeile  13  von  oben,  statt:  und  dem  Dolomit  der  Buchensteiner 
Schichten,  zu  lesen:  und  der  Buchensteiner  Schichten. 

„     286,  Zeile  6  von  oben,  statt:  Hamatoceras ,  zu  lesen:  Hammatoceras. 

„  377.  In  dem  Querprofile  des  Monzoni-Gebirges  wurden  durch  ein  Versehen  des 
Zeichners  die  Werfener  Schichten  der  Monzoni-Alpe  bis  an  die  Basis  der 
Zeichnung  fortgesetzt,  während  dieselben  nur  so  weit,  als  sie  zu  Tage  aus- 
streichen, angegeben  sein  sollten. 

„    401,  Zeile  8  von  oben,  statt:  schwacher,  zu  lesen:  flacher. 

„    409,  Zeile  16  von  unten,  statt:  wird,  zu  lesen:  werden. 

„    411,  Zeile  13  von  oben,  statt:  des  Sette,  zu  lesen:  der  Sette. 

„    418,  Zeile  9  von  unten,  statt:   Turitella^  zu  lesen:   Turritella, 

„    419,  Zeile  3  von  unten  (Note),  statt:  oligocänen,  zu  lesen:  oberoligocänen. 

„    435,  in  der  Beschreibung  des  Profils,  statt:  Col  de  Moi,  zu  lesen:  ColdelMoi. 

„    436,  Seite  5  von  oben,  statt:  Armarola,  zu  lesen:  Armarolo. 

„    455,  Zeile  4  von  oben,  statt:  Korallee,  zu  lesen:  Korallen. 

„    459,  Zeile  I  von  oben,  statt:  sein,  zu  lesen:  ihr. 

„    470,  Zeile  6  von  unten,  statt:  Roi,  zu  lesen:  Rai. 

„    487,  Zeile  15  von  unten,  statt:  gewesen,  zu  lesen:  gewesen  wäre. 

y,    496,  Zeile  I  von  unten,  statt:  oroltie,  zu  lesen:  or  oolite. 

„  498.  In  der  mir  nach  der  Drucklegung  der  letzten  Textbogen  zugegangenen 
Arbeit  K  v.  Fritsch's  über  fossile  Korallen  von  Bomeo  (Palaeontographica, 
Supplem.  III,  S.  97)  wird  den  Angaben,  dass  das  Sklerenchym  der  Korallen 
Aragonit  sei,  widersprochen.  Selbstverständlich  würde  dieser  Nachweis  die 
Thatsache,  dass  die  Korallen  in  die  Kategorie  der  rasch  obliterirenden 
organischen  Kalkgebilde  gehören,  nicht  alteriren  können.  Ob  aber  Aragonit 
oder  eine  leichter  lösliche  Modification  des  Calcits  die  Ursache  der  Löslichkeit 
ist,  bleibt  für  unsere  Folgerungen  gleichgiltig. 
Auf  Blatt  II  der  geologischen  Karte  erscheinen  die  glacialen  Schutthügel  bei 
Aquabona  im  Ampezzaner  Thal  irrthümlich  mit  der  Farbe  der  Wengener  Schichten. 


Inhalt*). 


Seite 
Vorrede HI 


I.  Allgemeine  Einleitung  in  die  geologische  Geschichte 

der   Alpen. 

I.  CAPITEL. 

Allgemeine   Betrachtungen    über   die  Chorologie   und  Chronologie    der 

Erdschichten. 

Der  Alpenkalk.  —  Eigenthümlicher  Charakter  der  alpinen  Formationen.  —  Geographische 
Verbreitung.  —  Provinzen,  Facies.  —  Chorologische  Gliederung  der  Erdschichten.  — 
Lückenhaftigkeit  der  geologischen  Urkunde.  —  Eigenthümlicher  Parallelismus  der 
ßildungsgeschichte  der  alten  und  neuen  Welt.  —  Die  Bedeutung  der  chorologischen 
Interpretation  tür  die  Chronologie  der  Erdschichten.  —  Kriterien  der  Altersverschieden- 
heit. —  Phylogenetische  Untersuchung  der  Fossilien.  —  Die  geologischen  Documente 
sprechen  zu  Gunsten  der  Descendenzlehrc.  —  Grundsätze  zur  naturgemässen  Classifi- 
cation der  sedimentären  Gesteinsbildungcn. —Zonen-Gliederung      I 

II.  CAPITEL. 

Die  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

Jugendliches  Alter  des  Kettengebirges,  —  Ausdehnung  der  Meere  in  den  verschiedenen 
geologischen  Perioden.  ->  Wichtigkeit  der  Rheinlinie.  —  Bedeutung  der  ostaipinen 
Flyscnzone.  —  Genetische  Verschiedenheit  der  Ost-  und  Westalpen 20 

III.  CAPITEL. 

Uebersicht   der  permischen   und  mesozoischen  Formationen   der   Ostalpen, 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  SUdtirol. 

Permische  Bildungen:  Quarzporphyr.  Verrucano.  Grodener  Sandstein.  Bellerophon- 
kalk.  —  Triadische  Bildungen:  Allgemeines.  Verhältniss  zur  mitteleuropäischen 
Trias.  Werfener  Schichten.  Der  untere  Muschelkalk.  Beginn  der  heteropischen 
Spaltung.  Der  obere  Muschelkalk.  Die  norische  Stufe.  Juvavische  und  mediterrane 
Provinz.  Buchensteiner  Schichten.  Wengener  Schichten.  Die  karnische  Stufe.  Cassianer 
Schichten.  Raibler  Schichten.  Dachstein-Schichten.  Die  rhätische  Stufe.  Kössener 
Schichten.  Tabellen  der  juvavischen  und  mediterranen  Triasprovinzen,  sowie  des 
germanischen  Trias-See*s.  —  Jurassische  Bildungen:  Mediterrane  und  mittel- 
europäische Provinz.  Lückenhaftigkeit  des  mediterranen  Jura.  Der  Lias.  Der  Dogger. 
Der  Malm.  —  Cretaceische  Bildungen:  Allgemeines  über  die  mediterrane 
Kreide.    Die  chorologischen  Verhältnisse  der  ostalpinen  Kreide 32 


1  Die  Ausgabe  dieses  Werkes  erfolgte  in  sechs  Lieferungen  (die  ersten  fünf  je  5  Bogen 
starkK  von  denen  die  erste  im  April  1878,  die  zweite  im  Juni,  die  dritte  im  September,  die  vierte 
im  October,  die  fünfte  im  November  und  die  letzte  Ende  Deccmber  desselben  Jahres   erschien. 


Seite 
IV.  CAPITEL. 

Orotektonische  Gliederung  von  SQdtirol. 

Die  Jadicarien-Spalte.  —  Die  Valsugana-Spalte.  —  Das  aüdtirolische  Hochland.  —  Die 
Drau-Spaite.  —  Individualisirung  der  GebirgsstScke.  —  Plateauform.  —  Den  land- 
schaftlichen Charakter  beeinflussende  Factoren.  —  Der  Dolomit  als  solcher  besitzt 
keine  ihm  ausschliesslich  zukommenden  physiognomischen  Eigenschaften.  —  Die  land- 
schaftlichen Eigenthümlichkeiten  des  südtiroluchen  Hochlandes  sind  Torzugsweise 
durch  den  Gegensatz  von  localisirt  auftretenden  contrastirenden  Gesteinsarten  bedingt.      io6 


IL  Detailschilderungen. 

V.  CAPITEL. 

Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

Das  Schiefergebirge.  —  Das  Eruptivgebiet  von  Klausen.  —  Das  Bozener  Quarzporphyr- 
plateau. —  Der  alte  Eisackglctscher 117 

VI.  CAPITEL. 

Das  Grebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Die  Fassa-Grödener  Tafelmasse.  —  Uebersicht  derselben.  —  Das  Nordgehänge  derselben 
zwischen  Ratzes  und  St.  Christina.  —  Die  Seisser-Aipe.  —  Das  Dofornitritf  des 
Schiern.  —  Das  Dolomitritf  des  Rosengarten.  —  Das  Süagehänge  der  Fassa-Grödener 
Tafelmasse.  —  Das  Dolomitriff  des  Langkofels.  —  Die  Masse  des  Gänsalpeis   ....      140 

VII.  CAPITEL. 

Das  Gebirge  zwischen^Gröden  und  Abtey. 

Sotschiada  und  Aschkler  Alpe.  —  Das  Dolomitritf  der  Geissler-Spitzen.  —  Die  Gardcnazza- 

Tafelmassc.  —  Das  Dolomitritf  des  Peitlerkofel.  —  Campil-Thal 206 

VIII.  CAPITEL. 

Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Die  Tafelmasse  der  Sella-Gruppe.  —  Der  «Grüne  Fleck"  bei  Plön  und  das  Grödener 
Joch.  —  Pian  de  Sass  bei  Corvara.  —  Das  Bovai-Gehängc  bei  Araba.  —  Sasso  Pitschi. 

—  Ursprünglicher  Zusammenhang  des  Langkotel-   und    Sella-Riffes    —  Das  Badioten- 
Hochplateau.  —  Schlammströme.  —  Stuores,   die  Fundstätte   der  Cassianer  Fossilien. 

—  Valparola.  —  Das  Richthofcn-Riff.  —  Buchenstein.  —  Die  NuvoIau->Gruppe  ....      227 

IX.  CAPITEL. 

Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 

Das  Süd-  und  Südwestcehänge  zwischen  Ampezzo  und  St.  Cassian.  —  Bergbrüche  der 
Tofana  bei  Ampezzo.  —  Das  Lagatschoi-Kiff.  —  Die  badiotische  Mergelbucht.  —  Das 
Westgehänge  zwischen  St.  Cassian  und  St.  Vigil.  —  Das  Nordgenänge  zwischen 
St.  Vigil  und  Brags.  —  Profile  des  unteren  Muschelkalks.  —  Das  Nordostgehänge 
zwischen  Bra^s  und  Schluderbach.  —  Die  heteropischen  Verhältnisse  an  der  Nordseite 
des  Dürrenstem.  —  Die  Hochfläche  des  Dachsteinkalks 255 


XI 


Seite 

X.  CAPITEL. 

Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 

Der  Gebirgsstock  des  Monte  Cristallo.  —  Das  Sextener  Dolomitriff.  —  Mesurina.  —  Drei 

Zinnen.  —  Sorapiss,  Anteiao,  Marmarole 294 

XI.  CAPITEL. 

Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Die  Rocchetta-Gruppe  und  das  Camera-Riff.  —  Die  Hochfläche  von  Zoldo  und  der  Pelmo. 

—  Das  linke  Cordevole-Uter  zwischen  Caorilc  und  A(;ordo:  Civetta-Gruppe  und  Monte 
S.  Sebastiano.  —  Die  Gruppe  des  Cimon  aella  Pala,  Pnmiero-Riff  und  Cima  di  Pape.  — 
Moränen  von  Val  di  Canali.  —  Melaphyrgänge  im  Phyllit  bei  Mis.  —  Erratische 
Dolomitblöcke  auf  dem  Phyllitgebirge  bei  Agordo 3ii 

XII.  CAPITEL. 

Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Die  Gruppe  des  Sasso  Bianco.  —  Der  Marmol  ata -Stock  mit  dem  vorgelagerten  Augit- 
porphyr-Gcbirge.  —  Fossilien  im  Marmolata-Kalk.  —  Hcteropische  Grenze  des 
Marmolata-Rincs.  —  Die  Gruppe  des  Sasso  di  Dam  (Buffaure-Gebirgcj.  —  Der  Monzoni- 
Stock  mit  dem  Gebirge  zwisclicn  der  Forca  Rossa  und  dem  Fassa-Thal.  —  Contact- 
Ersch einungen.  — Parallele  zwischen  dem  Vesuv  und  dem  Monzoni.  —  Eißenthümliche 
Einsenkungen  an  der  Peripherie  des  Eruptivstockes.  —  Der  FIcimscr  Cruptivstock  mit 
dem  umgebenden  Kalkgebirge.  —  Fossilien  des  unteren  Wengener  Dolomits.  —  Die 
«Fleimser  Eruptionsspalte*.  —  Der  Granic  von  Predazzo.  —  vorherrschende  Gang- 
richtun^en.  —  Contact-Erscheinungen.  —  Alter  der  Eruptivstöcke.  —  Eine  dritte, 
ältere  hruptionsstelle  im  oberen  Fassa.  —  Die  Gegend  am  rechten  Avisio-Ufer  zwischen 
Tesero  und  Castello 344 

XIII.  CAPITEL. 

Der  Cima  d'Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette. 

Die  Quanporphyr-Tatcl  der  Lagorai.  —  Das  Phyllitgebirge  mit  dem  Granitstocke  der  Cima 
d^Asta.  —  Quarzporphyrgänge  in  Valsugana.  —  Der  Bergsturz   des  Monte  Calmandro. 

—  Das  Alter  des  Cima  d*Asta-Granits 395 

XIV.  CAPITEL. 

Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Charakteristik  des  Gebirges.  —  Hcteropische  Verhältnisse.  —  Das  Gebirge  im  Süden  der 
Brenta  bei  Borgo  di  Valsugana.  —  Val  di  Seila.  —  Die  Bruchlinie  von  Belluno.  — 
Das  Nordgehänge  der  Tatelmasse  der  Sette  Communi.  —  Val  Cualba.  —  Miocäne 
Bildungen.  —  Das  Gebirgsland  zwischen  der  Brenta  und  dem  Cismone.  —  Die  Ueber- 
schiebung  im  Torrentc  Maso.  —  Val  Tesino.  -  Das  Gebirge  zwischen  dem  Cismone 
und  dem  Cordevole.  —  Das  Quecksilber-Vorkommen  von  Vallalta.  —  Der  Kiesstock 
von  Vai  Imperina  bei  Agordo.  —  Das  Gebirge  im  Osten  de^  Cordevole.  —  Uebcr- 
set/ung  der  valsugana-Spalte.  —  Sudliche  Nebenspalte.  —  Verwerfungen  bei  Longaronc     409 

XV.  CAPITEL. 

Die  Umgebungen  von  Belluno. 

Zur  allgemeinen  Orientirung.  •»  Der  Scheiderücken  zwischen  der  Mulde  von  Belluno  und 
der  oberitalienischcn  Ebene.  —  Das  Thal  von  Belluno.  —  Die  Tertiär-Ablagerungen 
der  Umgebung  von  Serravalle.  —  Die  jüngeren  Schuttablagerungen.  —  Die  Moränen 
von  ColTe  Umberto,  Santa  Croce  und  Vedana 449 


XII 


Seite 


III.  Rückblicke. 

XVI.  CAPITEL. 

Die  Riffe. 

Verticale  und  horizontale  Ausdehnung  der  Dolomitriffe«  —  Kärtchen  zur  Ueber&icht  der 
Riffgebieie  während  der  Zeit  der  unteren  Wengener  und  der  Cassianer  Schichten.  — 
Tendenz  der  Zusammenschliessung  der  Riffe.  —  Mächtiskeit  des  Dolomtts.  —  Die 
Hauptmasse  der  isopischen  Riffe  gehört  den  Wengener  Schichten  an.  —  Grosse  Mächtig- 
keit des  Cassianer  Dolomlts  in  den  heteropischen  Districten.  —  Begrenzung  der  Dolomit- 
riffe. —  Riffböschung.  —  Verhäitnii^s  der  Ritfe  zu  den  gleichzeitigen  heteropischen 
Bildungen.  —  Erhöhte  I.age  der  Riffe.  —  Peripherische  verthcilung  der  isopischen 
Riäe.  —  Structurverhältni»»e  der  Riffe.  —  Die  Gestcinsbe«chaffenheit  der  Ritfe.  —  Die 
marine  Fauna  und  Flora  der  Riffe.  —  Die  Korallenriff-Theorie  im  vollsten  Einklänge  mit  den 
beobachteten  Thatsachen.  -  Kurze  Geschichte  der  südtirolischen  Korallenriffe.  —  Ver- 
hältnisse der  Riffe  zu  den  Eruptionsstellen  —  Peripherische  L4ige  der  letzteren  am 
Rande  des  Gebietes  stärkerer  Senkung.  —  Blick  auf  die  übrigen  Riffe  der  Ostalpcn.  — 
Die  sinkende  ostalpine  Insel  der  Triaszeit,  umrandet  von  Strand-  und  Wallrtffen    .    .      481 

• 

XVII.  CAPITEL. 

Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

Das  Gebiet  der  Verwerfungsbrüche.  —  Karte  der  tektonischen  Störungslinien.  —  Siidver- 
werfungen  die  Regel.  —  Locali»irte  Nord  Verwerfungen.  —  Beschränkung  der  Erzlager- 
stätten auf  die  Bruchlinien.  —  Das  Gebiet  der  Faltungen  und  FaltungsOrüche.  —  Fällt 
mit  dem  Depressionsgebiete  zusammen.  —  Der  einspringende  Winkel  der  venetianischen 
Ebene  bei  Schio.  —  Die  Etsch  Bucht.  —  Vuicantektonik.  —  Passives  Verhalten  der 
Eruptivgesteine  zur  Schichtenaufrichtung.  —  Häufige  Verwechslung  von  Gängen  und 
Effusivd ecken.  —  Altersbestimmung  von  Gänsen.  —  Weitere  vuTcantektoniscne  Er- 
gebnisse. —  Die  Entstehung  der  Alpen.  —  Beziehungen  zwischen  der  Gebirgsfaltung 
und  dem  Auttreten  der  Vulcane.  —  Die  permischen  und  triadischen  Alpenfaltungen 
bestimmend  für  den  Bau  der  Ostalpen.  —  Coiistanz  der  Bewegung.  —  Die  Amplitude 
der  Faltung  wird  immer  breiter.  —  Die  successWe  An.t!liederung  der  Nebenketten 
dadurch  bedinst.  —  Die  Brüche  der  Südalpen  sind  Zerreissungen  in  Folge  von 
Schleppung.  —  Der  concave  Innenrand  des  o^talpinen  Bogens.  —  Die  miocäne  Faltungs- 
Phase.  —  Seitenblick  auf  die  Central  massive  der  We»talpen.  —  Das  untergetauchte 
Adria-Land.  —  Postmiocäne  Störungen.  —  Die  Suess^sche  Theorie  der  Gebirgs- 
bildung.  —  Die  Einseitigkeit  des  Gebirgsschubes.  —  Schluss 5i5 

Alphabetischer  Index 535 


Verzelchniss  der  Lichtbilder. 


I. 


3 

4 

5 

6 

7- 
8. 


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:) 


lO. 

1 1. 

12. 

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18. 

IQ.j 
20.j 

21. 
22. 
23. 
24. 
25. 

26. 

27. 
28. 

29. 

3o. 


Oestliches  Ende  des  Kammes  der  Rosszähne,  vom  Mahlknecht,  zu  Seite  172 

Die  Rosszähne,  vom  Mahlknecht „  „  173 

Die  Schiernklamm,  vom  Jungen  Schiern „  „  173 

Das  südliche  Schlernplateau  mit  dem  Rosengarten „  ,,  180 

Sattel  zwischen  dem  Duron-  und  dem  Udai-Thal „  „  184 

Die  Rothe  Wand,  Südspitze  des  Rosengarten,  von  W.      ...  „  „  i83 
Die  Langkofel-Gruppe  und   die  Seisser   Alpe,  vom   Mahlknecht 

(Titelbild) „  „  199 

Die  Langkofel-Gruppe,  von  der  Cima  di  Rossi „  „  202 

Das  Pordoi-Gebirge  (Sella-Gruppe)  von  der  Cima  di  Rossi    .     .  „  „  227 

Die  Sella-Gebirgsgruppe,  von  der  Caldenaz-Alpe  bei  Plön     .     .  „  „  229 

Die  Mesulcs,  von  der  Westseite  des  Grödener  Joches   ....  „  „  23o 

Die  Mesules,  von  der  Ostseite  des  Grödener  Joches      ....  „  „  23o 

Der  Ostabfall  des  Sella-Gebirges,  vom  Campolungo-Joch      .     .  „  „  234 

Das  Bovai-Gehänge  bei  Araba „  „  235 

Der  Sasso-Pitschi  am  Pordoi-Joch „  „  238 

Der  Sett  Sass,  von  der  Montagna  di  Castellu „  „  248 

Die  Fanis-Tofana-Gruppe,  vom  Monte  Nuvolau „  „  259 

Die  Tofana,  von  der  Nuvolau-Abdachung „  „  260 

Das  südöstliche  Ende  des  Camera-Riffes „  „  3 12 

I 

Blick  von  der  Nuvolau-Platte  gegen  SOd-Süd-Ost „  „  3i2 

Das  Ostgehänge  des  Monte-P'ramont  bei  Agordo „  „  326 

Die  Palle  di  San  Lucano,  von  Agordo „  „  33 1 

Blick  von  der  Forcella-Gesuretta  gegen  ONO „  „  333 

Blick  vom  Fedaja-Pass  gegen  Osten „  „  358 

Der  Ostrand  des  Kessels  von  Le  Seile  im  Monzoni-Gebirge      .  „  „  370 

Canzacoli  bei  Predazzo,  von  der  Malgola „  „  388 

Das  Latemar-Gebirge,  vom  Monte  Mulat  bei  Predazzo  .     .     .     .  „  „  38f) 


XIV 


Text-Holzschnitte. 


Das  Verzeichniss  derselben  wurde  in  den  Index  am  Schlüsse  des  Buches 
aufgenommen,  wo  man  unter  den  Schlagworten  Profil,  Ansicht  oder  Kärtchen 
nachsehen  wolle. 

Die  kleinen  Uebersichtskarten. 


1.  Die  Ausdehnung  der  Riffe  zur  Zeit  der  unteren  Wengener  Schichten,  zu  Seite  482 

2.  Die  Ausdehnung  der  Riffe  zur  Zeit  der  Cassianer  Schichten      .     .    „      n      4^? 

3.  Uebersicht  der  wichtigsten  tektonischen  Störungslinien      .     .     .     .    „      ^       5 16 


l'V         -w        ^ 


Skelett 

der  grossen,  dem  Buche  beigelegten  geologischen  Karte  des 

tirolisch-venetianischen  Hochlandes. 


Titel 


IE 
Zeic}upn. 


Farl>enL 


Scbenlii. 


Wvavalle 


I. 


Allgemeine  Einleitung 

in  die 

geologische  Geschichte  der  Alpen. 


I.  CAPITEL. 

Allgemeine  Betrachtungen  über  die  Chorologie  und 

Chronologie  der  Erdschichten. 

Der  Alpenkalk.  —  Eif^enthümlicher  Charakter  der  alpinen  Formationen.  -  Geo^^raphische  Ver- 
breitung. -  Provinzen,  Facies.  -  Chorolo^ische  Gliederung  der  Lidschichten.  -Lückenhaftigkeit 
der  geologischen  Urkunde.  -  Eigenthümlicher  Parallelismus  der  Bildungsgeschichte  der  alten 
und  neuen  Welt.  -  Die  Bedeutung  der  chorologischen  Interpretation  für  die  Chronologie  der 
Erdschichten.  -  Kriterien  der  Altersverschiedenheit.  -  Phylogenetische  Untersuchung  der 
Fossilien.  -  Die  geologischen  Documente  sprechen  zu  Gunsten  der  Descendenzlehre.  -  urund- 
sätze  zur  naturgemässen  Classification  der  sedimentären  Gesteinsbildungen.  -  Zonen-Gliederung. 

Vor  einigen  Jahrzehnten  bezeichnete  man  den  gewaltigen 
Complex  von  Kalkformationen,  welcher  die  nördlichen  und  süd- 
lichen Kalkalpen  bildet,  als  , Alpenkalk*.  Diese  Bezeichnung 
entsprang  zunächst  der  Rathlosigkeit,  welche  die  Einreihung  der 
alpinen  Kalkmassen  in  die  geologische  Reihenfolge  verursachte.  Sie 
besagte  aber  auch,  dass  sich  die  Kalkformationen  der  Alpen  derart 
von  den  bis  dahin  bekannten  ausseralpinen  Bildungen  unterscheiden, 
dass   eine   besondere   Benennung  nothwendig  sei. 

Seither  ist  es  mit  Hilfe  der  im  , Alpenkalk*  enthaltenen  Ver- 
steinerungen gelungen,  denselben  zu  zergliedern  und  dem  allgemeinen 
Formationsschema  anzupassen.  Aber  trotzdem  halten  die  Alpen- 
geologen liir  die  meisten  der  zahlreichen  Glieder  des  ehemaligen 
Alpenkalks  an  besonderen  alpinen  Localnamen  fest  und  wollen  von 
ausseralpinen  Bezeichnungen  nur  die  Benennungen  der  umfassenderen 
Abschnitte  auf  die  Alpen  übertragen  wissen.  Dadurch  ist  auch 
heute  noch  ein  gewisser  Gegensatz  ausgedrückt  und  zugleich 
angedeutet,  dass  sich  die  alpinen  Bildungen,  oder  wenigstens  ein 
grosser  Theil  derselben,  durch  besondere  Eigenthümlichkeiten  aus- 
zeichnen. 

Diese  Eigenthümlichkeiten  beruhen  nicht  allein  auf  dem  ab- 
weichenden lithologischen  Charakter  der  gleichzeitigen  Bildungen, 
sondern  auch,  worauf  das  meiste  Gewicht  zu  legen  ist,  auf  der 
grösseren  oder  geringeren  Verschiedenheit  der  eingeschlossenen 
Marinfaunen.    Es    zeichnen    sich    besonders    die    mesozoischen   und 

Mojftisovics,  Dolomitriäe.  i 


2  Allgemeine  Betrachtungen 

alttertiären  Bildungen  durch  die  abweichende  Zusammensetzung 
ihrer  Faunen  aus,  mithin  die  am  Aufbau  der  nördlichen  und  süd- 
lichen Kalkalpen  in  hervorragendster  Weise  betheiligten  Ablage- 
rungen. Unter  ihnen  wieder  entfernen  sich  die  Sedimente  der  Trias- 
periode in  den  Ostalpen  in  auffälligster  Weise  von  den  aequivalenten 
Bildungen  Mitteleuropa's.  Die  noch  wenig  studierten  palaeozoischen 
Formationen,  welche  in  den  Ostalpen  beschränkte  Räume  einnehmen 
und  in  den  Westalpen  nur  in  lückenhafter  Weise  vertreten  sind, 
scheinen  sich  den  gleichaltrigen  ausseralpinen  Bildungen  ziemlich 
enge  anzuschliessen. 

Der  abweichende  Charakter  der  mesozoischen  und  alttertiären 
Formationen  ist,  wie  die  neueren  Erfahrungen  erwiesen  haben, 
keineswegs  ein  auf  die  Alpen  beschränkter  Ausnahmsfall.  Der  alpine 
Typus  dieser  Bildungen  wiederholt  sich  in  allen  Mittelmeerländem, 
er  tritt  in  weiter  Ausdehnung  in  den  Hochgebirgen  Asiens  auf,  er 
zeigt  sich  auf  Neuseeland  und  auf  Neucaledonien,  in  Califomien  und 
in  Spitzbergen.  Diese  weite  Verbreitung  lehrt,  dass  die  erwähnten 
alpinen  Bildungen  pelagischen  Ursprungs  sind.  Von  den  dem  Alter 
nach  gleichstehenden  ausseralpinen  europäischen  Ablagerungen  er- 
weisen sich  einige  als  Litoralgebilde  —  was  bereits  hinreichend 
die  Verschiedenheit  erklärt  —  andere  dagegen  sind,  eben  so  wie  die 
alpinen,  pelagischer  Entstehung  und  theilen  mit  denselben  eine  Anzahl 
gemeinsamer  Charaktere,  wie  dies  bei  benachbarten  zoogeographischen 
Provinzen  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

Die  nach  langjährigen,  mühevollen  Untersuchungen  zahlreicher 
Forscher  gelungene  Altersbestimmung  der  alpinen  Bildungen,  ins- 
besondere der  in  den  Alpen  so  mächtigen  und  reichgegliederten 
Reihe  der  triadischen  Ablagerungen  bezeichnet  einen  grossen  Fort- 
schritt der  historischen  Geologie.  Der  Aberglaube  an  die  universelle 
Bedeutung  der  nach  beschränkten,  in  einem  kleinen  Theile  Europa's 
gewonnenen  Erfahrungen  aufgestellten  Schichtenreihe  wurde  dadurch 
nicht  minder  erschüttert,  als  das  Ansehen  der  sogenannten  , Leit- 
fossilien* erheblich  geschmälert  wurde.  Am  weittragendsten  aber 
sind  in  theoretischer  Beziehung  die  Folgerungen,  welche  sich  an 
das  Vorkommen  neuer,  vorher  ganz  unbekannter  Faunen  in  den 
alpinen  Triasschichten  knüpfen,  da  durch  dieselben  die  vordem  weit 
klaffende  Kluft  zwischen  der  Thierwelt  der  palaeozoischen  und  der 
mesozoischen  Epoche  wenigstens  theilweise  ausgefüllt  wurde.  An  der 
Hand  dieser  Erfahrungen  erscheinen  die  vielen  noch  vorhandenen 
Lücken,  sowie  die  schroffen  Uebergänge  sich  überlagernder  For- 
mationen in  ganz  anderem,  der  Theorie  der  allmählichen  Entwicklung 
viel  günstigerem  Lichte. 


ober  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  ^ 

Diese  allgemeinsten  Umrisse  über  das  Verhältniss  der  alpinen 
zu  den  ausseralpinen  Schichten  vorausgeschickt,  wenden  wir  uns  nun- 
mehr den  Alpen  zu.  Hier  treffen  wir  viel  complicirtere  Verhältnisse, 
als  man  zu  erwarten  geneigt  sein  möchte.  Wir  sehen  zunächst 
gänzlich  ab  von  den  durch  die  oft  gewaltigen  Schichtstörungen  er- 
zeugten Verwicklungen.  Schon  die  räumliche  Vertheilung  der  For- 
mationen zeigt  eigenthümliche  Verhältnisse.  In  den  nördlichen  Kalk- 
alpen reichen  die  Triasbildungen  von  Osten  bis  an  den  Rhein, 
jenseits  des  Rheins  fehlen  sie  auf  längere  Erstreckung  gänzlich  und 
die  weiter  westlich  auftretenden  weichen  von  der  Entwicklung  der 
ost rheinischen  Trias,  welche  man  vorzugsweise  als  die  , alpine* 
bezeichnet,  ab  und  stehen  der  ausseralpinen  Ausbildungsweise  sehr 
nahe.  Auch  die  Jura-  und  Kreidebildungen  ändern  mit  dem  Rhein 
ihren  Charakter.  Die  Südkalkalpen  schliessen  sich  vollkommen  den 
ostrheinischen  Nordkalkalpen  an.  Auf  diesen  Unterschieden  beruht 
die  Scheidung  des  weiten  Alpengürtels  in  zwei  grosse  Abschnitte, 
die  , Ostalpen*  und  die  , Westalpen*.  Wir  werden  in  einem  der 
folgenden  Capitel  ausführlicher  auf  dieses  Thema  zurückkommen.  * 

Ein  zweiter  Fall  einer  bedeutungsvollen  räumlichen  Scheidung 
tritt  in  den  östlichen  Nordkalkalpen  ein.  Während  eines  Zeitabschnittes 
der  Trias-Periode,  der  Zeit  der  norischen  Stufe  nämlich,  bildet  das 
Territorium  im  Osten  von  Berchtesgaden  ein  besonderes  Faunert- 
gebiet,  die  ,juvavische  Provinz*,  mit  ganz  eigenartiger  Entwicklung 
der  Faunen. 

Neben  diesen  Individualisirungen  höherer  Ordnung  treffen  wir 
aber  noch  auf  sehr  häufige  ziemlich  unvermittelte  Aenderungen 
des  physikalischen  und  morphologischen  Charakters  einer  und 
derselben  Schicht  oder  ganzer  Schichtgruppen,  was  dann  auch 
einen  Wechsel  der  Fossil-Einschlüsse  im  Gefolge  hat.  Die  Er- 
scheinungen der  letzteren  Art  (Wechsel  der  , Facies*)  sind  noch 
wenig  studiert,  obwol  sie  für  das  Verständniss  einer  ganzen  Reihe 
der  wichtigsten  Fragen  der  Wissenschaft  von  eminenter  Wichtig- 
keit sind.  Die  vorliegende  Schrift  betrachtet  es  als  eine  ihrer  Haupt- 
aufgaben, durch  die  Schilderung  der  Verhältnisse  in  den  südost- 
tirolischen  und  venetianischen  Alpen,  der  Lehre  vom  Facieswechsel 
für  die  alpinen  Triasbildungen  den  Charakter  einer  blos  theoretisch 
begründeten  Wahrscheinlichkeit  zu  benehmen. 

Um  die  theoretische  Bedeutung  derartiger  Untersuchungen  zu 
beleuchten,  mögen  hier  einige  allgemeine  Gesichtspunkte  über  Ziel 
und  Methode  stratigraphischer  Forschungen  einer  cursorischen 
Erörterung  unterzogen  werden.  Es  herrschen  selbst  unter  Fach- 
gelehrten   in    dieser    Beziehung    unklare,    veraltete    Anschauungen, 

X* 


A  Allgemeine  Betrachtungen 

welche  dem  Fortschritte  hinderlich  sind.  Man  begegnet  häufig  einem 
unlösbaren  Widerspruche  zwischen  den  zugegebenen  und  vertheidigten 
Grundlagen  der  Wissenschaft  und  der  praktischen  Bethätigung  in 
der  Behandlung  stratigraphischer  Fragen,  bei  welcher  die  längst 
überwunden  vermeinte  Kataklysmen-Hypothese  noch  vernehmbar 
nachklingt.  Selbst  die  principiellen  Anhän;^er  der  Lehre  von  der 
allmählichen  ruhigen  Entwicklung  und  Umbildung  kommen  selten 
über  eine  platonische  Parteinahme  zu  Gunsten  der  von  Lyell, 
Prevost,  V.  Hoff,  Lamarck,  Darwin  u.  A.  inaugurirten  Richtung 
hinaus.  Es  ist  namentlich  im  hohen  Grade  auffallend,  dass  die 
Descendenzlehre  auf  so  vielfachen  Widerspruch  von  geologischer 
Seite  stösst.  Man  scheint  zu  übersehen,  dass  die  Lyel Ischen  Grund- 
sätze der  Geologie  nothwendig  auch  zur  Annahme  der  innigen 
Verkettung  und  langsamen  Umänderung  der  organischen  Welt 
führen.  Die  Descendenzlehre  ist  nur  eine  logische  Consequenz  der 
Lvell'schen  Geologie.  Der  Macht  der  Gewohnheit  traditioneller 
Anschauungen  gesellen  sich  eigenthümliche,  aber  tief  in  der  Natur 
der  Sache  begründete  Schwierigkeiten  hinzu,  zu  deren  Ueberwindung 
noch  kaum  der  erste  Schritt  gethan  worden  ist. 

Es  wird  allgemein  anerkannt,  dass,  um  zu  einer  naturgemässen 
Auffassung  der  Beschaffenheit  und  der  organischen  Einschlüsse  der 
so  verschiedenartigen  Erdschichten  (der  sogenannten  ,  geologischen 
Ueberlieferung*  oder  , geologischen  Urkunde*)  zu  gelangen,  man 
von  den  Verhältnissen  der  Gegenwart  ausgehen  müsse.  Die  Gegen- 
wart, das  heisst  geologisch,  die  jüngste  Bildungs-  und  Entwicklungs- 
phase unseres  Planeten,  von  deren  Wirken  und  Schaffen  wir  Augen- 
zeugen sind.  Wir  besitzen  zwar  noch  keine  zusammenhängende  und 
durchgearbeitete  Darstellung  der  heutigen  Niederschläge  und  ihrer 
Einschlüsse  und  ebensowenig  verfugen  wir  über  eine  eingehende 
und  zusammenfassende  Schilderung  der  Wohnsitze  und  äusseren 
Lebensbedingungen  der  zahlreichen,  einander  häufig  ausschliessenden 
Thier-  und  Pflanzen-Gesellschaften  (Chorologie,  biologische  Topo- 
graphie), obwol  in  beiden  Richtungen  schon  ziemlich  weitgehende 
Vorarbeiten  vorhanden  sind. 

Aber  demungeachtet  ist  die  geologisch  ausserordentlich  wichtige 
Thatsache  über  allen  Zweifel  erwiesen,  dass  innerhalb  eines  und  des- 
selben Faunen-  oder  Florengebietes  örtlich,  bedingt  durch  physikalische 
Ursachen,  sehr  verschiedenartige  Gruppen  oder  Bestände  (, Forma- 
tionen*) vorkommen,  welche  entweder  die  gleichen  äusseren  Ver- 
hältnisse beanspruchen  oder  in  irgend  einem  Abhängigkeitsverhältniss 
zu  einander  stehen.  In  keiner  zoo-  oder  phytogeographischen  Provinz 
sind   die  dieselben  constituirenden  Elemente  gleichmässig   über  das 


ober  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  t 

ganze  Territorium  verbreitet,  sondern  gruppenweise  zum  grössten 
Theile  nach  bestimmten  Wohnsitzen  oder  Standorten  vertheilt.  Die 
Gesteinsniederschläge  stehen  nun  ebenfalls  unter  dem  Einfluss  der 
physikalischen  Bedingungen  und  sind  demzufolge  sehr  verschiedenartig. 
Es  entsprechen  daher  bestimmten  physikalischen  Ursachen  bestimmte 
Lebensverhältnisse  und  bestimmte  Gesteinsbildungen.  Man  hat  sich 
nach  dem  Vorgange  Gressly's  und  Oppel's  gewöhnt,  die  unter 
der  Herrschaft  abweichender  äusserer  Bedingungen  gebildeten 
Ablagerungen  , Facies*  zu  nennen.  Es  wird  diese  Bezeichnung  aber 
nur  dann  angewendet,  wenn  der  Gegensatz  verschiedenartiger  Bil- 
dungen betont  werden  soll.*) 

Es  ist  von  Wichtigkeit,  daran  festzuhalten,  dass  der  Begrift 
Facies  die  generellen  Wechselbeziehungen  zwischen  den  äu.sseren 
Bedingungen  einerseits  und  dem  Gesteinsmaterial  und  den  Wohnsitzen 
von  Organismen  andererseits  ausdrückt.  Die  gleichen  Facies  können 
sich  in  benachbarten  biologischen  Provinzen  finden,  das  Gesteins- 
material wird  dann  nahezu  oder  völlig  identisch  sein,  dieselben 
Gattungen  oder  Gruppen  von  Lebewesen  werden  erscheinen  und  der 
Unterschied  wird  lediglich  in  der  Verschiedenheit  der  Formenreihen 
und  Arten  liegen.  Es  muss  deshalb  die  Anwendung  der  Bezeichnung 
Facies  in  allen  Fällen  vermieden  werden,  wo  lediglich  von  geogra- 
phischen Gegensätzen  gehandelt  wird.  Auch  scheint  es  nicht 
angemessen,  marine  und  terrestrische  Bildungen  als  Facies  unterein- 
ander in  Gegensatz  zu  bringen. 

Bezeichnen  wir  mit  Häckel**)  die  Lehre  von  der  räumlichen 
Verbreitung  der  Organismen  über  die  Erdoberfläche  als  ,  C  h  o  r  o  l  o  g  i  e  * 
und  halten  wir  uns  gegenwärtig,  dass  die  chorologische  Erforschung 
der  zahlreichen  geologischen  Bildungsphasen  eines  der  vornehmsten 
Ziele  der  historischen  Geologie  bildet. 

Eine  Ueberschau  über  die  mannigfaltigen  chorologischen  Er- 
scheinungsformen zeigt,  dass  eine  dreifache  Gliederung  derselben 
wahrzunehmen  ist. 


*)  Die  grösste  Mannigfaltigkeit  der  Facies  findet  dort  statt,  wo  die  äusseren 
Verhältnisse  sehr  wechselnd  sind,  mithin,  um  uns  blos  auf  marine  Bildungen  zu 
beschränken,  in  den  litoralen  und  sublitoralen  Regionen.  Die  Beschaffenheit  des 
Ufers,  die  Neigung  des  Meeresbodens,  die  Wasserhöhe,  die  Art  des  von  den 
Flossen  herbeigetragenen  mechanischen  Sedimentes,  Temperatur,  Strömungen  u.  s.  f. 
sind  hier  die  hauptsächlichsten  Factoren.  Viel  constanter,  d.  h.  Ober  weit  grössere 
Räume  verbreitet,  sind  die  pelagischen  und  oceanischen  Facies.  Die  neuesten 
Tiefsee -Untersuchungen,  insbesondere  die  Resultate  der  Epoche  machenden 
Challenger-Expedition  haben  aber  gelehrt,  dass  auch  mitten  in  den  grossen  Wasser- 
becken in  Folge  der  Tiefen-Unterschiede  ein  Wechsel  der  Facies  eintritt. 
**)  Schöpfungsgeschichte,  a.  Aufl.  p.  3 12. 


6  Allgemeine  Betrachtungen 

In  erster  Linie  kommt  das  Bildungsmedium  in  Betracht. 
Daraus  ergibt  sich  die  fundamentale  Eintheilung  in  marine  und 
terrestrische  (lacustrische)  Bildungen.  Es  ist  selbstverständlich  von 
grosser  Wichtigkeit,  Ablagerungen  verschiedenen  Bildungsmediums 
oder  ,heteromesische*  Formationen  scharf  von  einander  getrennt 
zu  halten.  Die  P2ntwicklung  des  organischen  Lebens  in  heteromesischen 
Gebieten  muss  eine  sehr  verschiedene  sein  und  es  ist  a  priori  sehr 
unwahrscheinlich,  dass  die  Aenderungen  der  marinen  Bevölkerung 
mit  Aenderungen  der  terrestrischen  Bewohner  zeitlich  zusammenfallen 
oder  umgekehrt.  Die  geologische  Chronologie  muss  dahin  streben, 
die  continuirlichen  Reihenfolgen  der  ,isomesischen*  Formationen 
aufzufinden. 

Innerhalb  der  Bildungsmedien  erfolgen  weitere  Scheidungen 
durch  die  territoriale  Spaltung  nach  Schöpfungscentren  oder  Bildungs- 
räumen. In  diese  chorologische  Kategorie  fallen  demnach  die  zoo- 
und  phytogeographischen  Provinzen,  bei  welchen  die  Wanderungen  und 
die  durch  bedeutendere  Aenderungen  der  physikalischen  Verhältnisse 
veranla.ssten  Verschiebungen  und  Verdrängungen  sehr  complicirte 
Erscheinungen  hervorrufen.  Die  Unterscheidung  von  ,is otopischen* 
und  ,heterotopischen*  Bildungen  ist  für  die  historische  Geologie  von 
eminenter  Bedeutung.  Gar  viele  der  angenommenen  Formationsgrenzen 
sind  auf  die  Ueberlagerung  von  heterotopischen  Formationen  basirt. 
Aufgabe  der  geologischen  Forschung  muss  es  daher  sein,  die  isoto- 
pischen Bildungen  durch  alle  ihre  Entwicklungsphasen  und  Ortsver- 
änderungen bis  zum  Zeitpunkte  ihrer  Abzweigung  von  einem, 
mindestens  zweien  von  ihnen  gemeinsamen  Schöpfungsraume  zu 
verfolgen. 

Die  dritte  Abstufung  der  chorologi.schen  Erscheinungen  bilden 
sodann  die  Faciesverhältnisse.  Hier  .spielen,  wie  bereits  an- 
gedeutet wurde,  die  localen  physikalischen  Bedingungen  die  Haupt- 
rolle. Wo  über  grosse  Flächenräume  die  äusseren  Verhältnisse  sich 
gleich  bleiben,  da  werden  weitausgedehnte  einförmige  Bildungen  mit 
Constanten  Charakteren  zur  Ablagerung  gelangen.  So  in  den  Tiefen 
der  Oceane  und  auf  dem  Boden  grosser  Landseen.  Wo  dagegen,  wie 
in  der  Nähe  von  Küsten  (Inseln,  Atoll's)  und  im  Bereiche  sich  kreu- 
zender Strömungen,  der  häufige  und  rasche  Wechsel  der  äusseren 
Verhältnisse  eine  Mannigfaltigkeit  von  Existenzbedingungen  schafft, 
da  werden  auf  engem  Räume  nebeneinander  die  grös.sten  Gegen- 
sätze in  lithologischer  und  biologischer  Beziehung  entstehen. 

Ebenso  wie  .sich  zu  gleicher  Zeit  und  neben  einander  im 
selben  Räume  verschiedenartige  Facies  bilden,  erscheinen  in  ver- 
schiedenen Räumen  (Provinzen)  und  zu  verschiedenen  Zeiten  gleich- 


ober  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten. 


artige  Facies.  Die  ersten  nennen  wir  heteropische,  die  letzteren 
isopische  Bildungen.  Obwohl  die  lithologische  Beschaffenheit  der 
sedimentären  Ablagerungen  in  bestimmten  Beziehungen  zu  dem  bio- 
logischen Charakter  der  Facies  steht,  so  ist  doch,  wie  die  Erfahrung 
lehrt,  die  lithologische  Uebereinstimmung  für  sich  allein  noch  kein 
genügendes  Kriterium  isopischer  Bildungen.  Die  verschiedenen  Kalk- 
formationen z.  B.  entsprechen  einer  ansehnlichen  Anzahl  heteropischer 
Bildungen.  In  vielen  Fällen  ist  man  zwar  im  Stande,  an  gewissen, 
dem  geübten  Auge  erkennbaren  Merkmalen  aus  dem  Gestein  auf  die 
Art  der  Facies  zu  schliessen,  in  anderen  Fällen  jedoch  ist  eine  ge- 
nauere Bestimmung  nicht  möglich,  sei  es  wegen  späterer  Verände- 
rung des  Gesteins  (Dolomite,  krystallinischer  Kalk),  sei  es  wegen  der 
Unzulänglichkeit  unserer  Wahrnehmung,  sei  es  wegen  thatsächlicher 
UnUnterscheidbarkeit.  Es  bedarf  kaum  einer  Erinnerung,  dass  zu- 
fällige Beimengungen,  wie  z.  B.  vulcanischer  Tuff  und  Asche,  als 
solche  von  keinem  bestimmenden  Einfluss  auf  den  Charakter  der 
Facies  sind.  Wo  dauernd  grössere  Massen  von  vulcanischem  Detritus 
zur  Ablagerung  gelangen,  da  werden  sie  sich  ungefähr  wie  anderes 
mechani.sches  Sediment  verhalten. 

Tabelle  der  chorologischen  Abstufungen. 


B  i  I  d  u  n  g  s  m  e  d  i  u  ni 


Bil  dun gs räum 


I  Physikalische 

Verhältnisse    des 
Bildu  ngsortes 


Marin,  terrestrisch 


Provinzen 


Isomesisch 


[  Isotopisch 
I  Heterotopisch 


Facies 

j  Isopisch 
'  Heteropisch 

f  Isopisch 
1  Heteropisch 


Heteromesisch 


[  Isotopisch 
I  Heterotopisch 


f  Isopisch 
l  Heteropisch 

{Isopisch 
Heteropisch 


Wer  nun  die  in  den  Felslagem  niedergelegten  Schriftzüge  der 
Erdgeschichte  richtig  lesen  und  zu  einem  geordneten  Gesammtbild 
vereinigen  will,  der  muss  sich  über  die  Bedeutung  und  den  Zu- 
sammenhang der  chorologischen  Erscheinungen  eine  klare  Vor- 
.stellung  zu  machen  im  Stande  sein.  Man  hört  so  oft  über  die  Lücken- 
haftigkeit der  geologischen  Urkunde  klagen  und  gar  seltsame  Con- 
sequenzen  für  und  gegen  die  Descendenzlehre  hat  mangelhaftes 
Verständniss  den  geologischen  Thatsachen  bereits  abzugewinnen  ver- 


8  •  Allgemeine  Betrachtungen 

sucht.    Lücken  sind  allerdings,  und  in  überraschend  grosser  Zahl,  in 
dem  geologischen  Geschichtsbuche,  so  weit  uns  dasselbe  bisher  auf- 
gedeckt wurde,  vorhanden  —  aber  nur  in  wenigen,  localen  Fällen  sind 
diese  Lücken  gleichbedeutend  mit  wirklicher  Unterbrechung  der  erd- 
geschichtlichen Chronik.  Das  Wesen  der  Lückenhaftigkeit  beruht 
vielmehr  auf  dem  fortwährenden  Wechsel  heteromesischer. 
heterotopischer    und    heteropischer     Formationen,    wie  die 
chorologische  Vergleichung    unserer    langen    Formationsreihen    un- 
zwieifelhaft  beweist.     Die  zahlreichen  grösseren  und  kleineren  Unter- 
brechungen bestehen  mithin  in  der  verticalen  Discontinuität  isopischer, 
isotopischer  und  isomesischer  Bildungen.  Würde  uns  in  irgend  einem 
Erdtheile     eine     ununterbrochene    Reihenfolge    isopischer    und    iso- 
topischer Ablagerungen  vorliegen,  so  würde  uns  auch  die  continuir- 
liche    phylogenetische    Reihe    der    die.se    Facies    charakterisirenden 
Organismen  erhalten  .sein.     Da  sich  die  räumliche  Verdrängung  und 
Verschiebung  des  Festen  und  Flüssigen,   der  Faunen-  und  Floren- 
gebiete und  der  Facies  nach  Massgabe  der  stets,  aber  allmählich  und 
ungleich  sich  ändernden  physikali.schen  Verhältnisse  vollzieht,  so  er- 
gibt   sich    die    Lückenhaftigkeit    der    geologischen    Urkunde 
als  eine   nothwendige  Folge   derselben  Kräfte,  welche  die 
ausserordentliche  Mannigfaltigkeit   und  Abwechslung   der 
Lebenserscheinungen  ermöglichen  und  begünstigen. 

Mögen  nun  auch  Faunen-  und  Florengebiete  im  Laufe  der  Zeit 
ihren  Charakter  ändern  oder  selbst  untergehen,  mögen  gewisse  Facies 
in  Folge  des  allmählichen  Erlöschens  ihres  biologi.schen  Bestandes 
verschwinden,  .so  drängen  doch  nicht  nur  unsere  heutigen  Anschau- 
ungen von  der  allmählichen  Veränderung  der  physikalischen  Ver- 
hältnisse und  von  der  stetigen  Fortbildung  und  Entwicklung  der 
organischen  Welt,  .sondern  auch  bereits  zahlreiche  Erfahrungen  zu 
der  Annahme  einer  bestandenen  Continuität  zunächst  der 
isomesischen,  sodann  der  isotopischen  und  endlich  inner- 
halb der  einzelnen  Bildungsräume  der  isopischen  Bil- 
dungen. 

Es  kann,  nach  den  bereits  gewonnenen  Erfolgen  mit  Zuver- 
sicht, von  der  Vertiefung  der  geologischen  Forschung  einerseits 
und  von  dem  Fortschreiten  der  Erfahrungen  über  bisher  geologisch 
noch  nicht  bekannte  Erdräume  andererseits  die  Auffindung  zahlreicher 
Bindeglieder  isomesi.scher,  isotopischer  und  isopischer  Bildungen 
erwartet  werden. 

Aber  —  darüber  gebe  man  sich  keiner  Täuschung  hin  —  selbst 
wenn  unsere  Kenntnisse  in  intensiver  und  extensiver  Beziehung 
die   grösstmögliche  Ausdehnung   erreicht    haben   werden,   sind    der 


ober  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  q 

Auffindung  der  continuirlichen  Reihenfolge  durch  die  eigenthümliche 
geologische  Entwicklung  der  Erdoberfläche  gewisse  Schranken  gesetzt. 
Zur  cambrischen,  silurischen  und  devonischen  Zeit  herrschen  in  den 
heutigen  Ländercomplexen  der  alten  und  neuen  Welt  pelagische 
Bedingungen.  Zur  devonischen  Zeit  tritt  jedoch  der  Einfluss  naher 
Küstenlinien  stellenweise  bereits  sehr  entschieden  hervor.  Zur  Carbon- 
zeit rücken  die  Küstenlinien  ausgedehnter  Festlandpartien  sehr  nahe 
heran,  und  es  bilden  sich  so  ziemlich  gleichzeitig  in  beiden  Hemi- 
sphären die  grössten  und  werthvollsten  Kohlenbecken  der  Erde.  Zur 
Perm-  und  Triaszeit  folgt  sodann  im  Grossen  und  Ganzen  eine  Con- 
tinentalperiode.  Hierauf  bedeckt  im  Jura  allmählich  das  Meer  wieder 
Theile  des  Triascontinentes;  die  Ueberfluthung  hält  zur  Kreidezeit 
an  und  erreicht,  wie  es  scheint,  in  der  oberen  Kreide*)  das  Maxi- 
mum ihrer  Ausdehnung.  Während  der  Tertiärzeit  endlich  tritt  das 
Meer  wieder  zurück  und  bereitet  sich  die  gegenwärtige  Continental- 
periode  vor. 

Diese  der  Hauptsache  nach  ganz  parallel  schreitende  Entwick- 
lung der  beiden  grossen  Festlandmassen  der  Nord -Hemisphäre  ist 
einer  der  merkwürdigsten  geologischen  Charakterzüge,  welcher  aber 
seltsamer  Weise  bisher  ganz  übersehen  worden  zu  sein  scheint.  Das 
einmalige  gleichzeitige  Eintreten  identischer  physikalischer  Bedin- 
gungen wäre  an  sich  nichts  Ueberraschendes  —  aber  dass  sich  der 
gleiche  Cyclus  dynamischer  Umgestaltungen  übereinstimmend  diesseits 
und  jenseits  des  Oceans  wiederholt,  das  deutet  denn  doch  auf  eine 
eigenthümliche  Gesetzmässigkeit  in  der  Bildung  der  grossen  Relief- 
verhältnisse hin,  deren  Ursache  uns  vorläufig  noch  völlig  dunkel* i.st. 

Ueber  die  genetischen  Verhältnisse  der  vorcambrischen  kr>'- 
stallinischen  Formationen  lässt  sich  nichts  Positives  sagen.  Die 
Hypothese  des  Massen -Metamorphismus  kommt  von  Jahr  zu  Jahr 
mehr  in  Misscredit.  Das  Vorkommen  jüngerer,  fossilfiihrenden  Schicht- 
complexen  zwischengelagerter  krystallinischer  Schiefer  ist  weder 
durch  die  gangbaren  Anschauungen  über  den  Metamorphismus  noch 
durch  die  neuere  hydatopyrogene  Hypothese  erklärt.  Vielleicht 
wird  man  aber  einstens  in  der  Lage  sein,  aus  dem  eigenthümlichen 
Charakter  der  cambrischen  Bildungen  (Primordialfauna)  auf  die 
petrogenetischen  Verhältnisse  der  durch  die  Phyllite  enge  mit  den 
cambrischen  Ablagerungen  verknüpften  krystallinischen  Schiefer- 
gesteine zu  schliessen.  Die  cambrischen  Bildungen  sind  ausgezeichnet 
durch  das  Vorherrschen  hornschaliger  Thierreste,  durch  das  Vor- 
kommen   blinder  Thiere   und    endlich    durch  die  Armuth    an    kalk- 


*)  Vgl.  a.  Suess,  Entstehung  der  Alpen,  p.  117. 


lO  Allgemeine  Betrachtungen 

schaKgen  Thieren.  In  Folge  dessen  sind  Thonschiefer  die  herrschende 
Gesteinsart.  Kalkige  Bildungen  sind  sehr  untergeordnet  und  nur  in 
den  höheren  Niveaux  gegen  die  Grenze  des  Silur  bekannt. 

Wie  die  wichtigen  Resultate  der  Challenger-Expedition  lehren, 
finden  sich  in  den  abyssischen  Regionen  der  Oceane  unterhalb  des 
allmählich'  sich  verlierenden  Globigerinen -  Schlammes  (Kreide)  in 
Tiefen  von  über  2200 — 26CO  Faden  Thonablagerungen  (red  clay), 
denen  kalkige  Thierreste  ganz  fehlen.  Man  erklärt  sich  deren  Bildung 
durch  eine  in  den  grossen  Tiefen  vor  .sich  gehende  allmähliche  Auf- 
lösung der  Kalkgehäuse  der  Foraminiferen  und  der  Kalknadeln  der 
Coccosphären  (Coccolithen)  und  der  Rhabdosphären  (Rhabdolithen), 
in  Folge  welcher  blos  die  unKksliche  Asche  zurückbleibt.  Unter 
30CX)  Faden  Tiefe  stellen  sich  im  rothen  Schlamm  die  kieseligen 
Körper  von  Radiolarien  ein,  welche  bei  zunehmender  Tiefe  so  überhand 
nehmen,  dass  die  Naturforscher  des  Challenger  den  Schlamm  der 
grössten  Meerestiefen  geradezu  Radiolarien-Schlamm  nennen. 

Wyville  Thomson  betonte  bereits  die  grosse  Aehnlichkeit 
zwischen  dem  feinen  rothen  Thonschlamm  der  heutigen  Tiefsee  und 
gewissen  cambrischen  Thonschiefem.  *)  In  der  That  würde  das  sonst 
so  räthselhafte  Dominiren  der  hornschaligen  Thierreste  sich  auf  die 
ungezwungenste  Weise  durch  die  Annahme  erklären,  dass  die 
cambrischen  Bildungen  unter  analogen  physikalischen  Bedingungen 
abge.setzt  wurden,  wie  der  aus  der  Auflösung  des  weissen  Kalk- 
schlammes entstehende  rothe  Tiefseeschlamm.  Die  Häufigkeit  blinder 
Trilobitenreste  in  den  cambrischen  Schichten  könnte  vielleicht  sogar 
als  ein  positives  Argument  für  die  Wahrscheinlichkeit  einer  derar- 
tigen Anschauung  angeführt  werden,  da  sich  in  den  grossen  Tiefen 
der  Oceane  (ähnlich  wie  in  den  Höhlen)  blinde  Thierformen  nicht 
selten  vorfinden.  Auch  die  weite  horizontale  Verbreitung  der 
Primordialfauna  spricht  nach  den  neuesten  Erfahrungen  für  die  Bil- 
dung in  tiefer  See. 

Von  den  mikrokrystallinischen,  cambrischen  Thonschiefem  zu 
den  krystallinischen  Schiefern  führen  bekanntlich  vollständige  Ueber- 
gänge.  Liegt  es  da  nicht  nahe  für  beide,  dieselbe  oder  wenigstens 
nahezu  dieselbe  Entstehungs weise**)  vorauszusetzen  und  die  krystal- 

*)  The  Atlantic,  Vol.  11.  pag.  299. 
**)  Manche  Analogien  mit  jüngeren  Bildungen  scheinen  dafür  zu  sprechen, 
dass  gewisse  krystallinische  Schiefer  sedimentäre  Beimengungen  von  vulcanischem 
Material  in  grösseren  oder  geringeren  Quantitäten  enthalten.  —  Die  ältere  Anschau- 
ung, dass  die  krystallinischen  Schiefor  metamorphosirte  mechanische  Sedimente 
seien,  wird  durch  die  universelle  Verbreitung  der  krystallinischen 
Schiefer  schlagend  widerlegt. 


über  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  j  i 

Hnischen   Schiefer   für  veränderten  Radiolarien-  und  rothen  Tiefsee- 
Schlamm  zu  halten? 

Wie  immer  übrigens  die  Bildungsverhältnisse  der  cambrischen 
Thonschiefer  gewesen  sein  mögen,  bleibt  es  eine  auffallende  Erschei- 
nung, dass  die  ältesten  Ablagerungen,  welche  unzweifelhafte,  gut 
bestimmbare  Fossilien  enthalten,  isopische  Bildungen  sind.  Der 
etwaige  Einwand,  dass  zur  cambrischen  Zeit  verschiedenartige  Facies 
überhaupt  noch  nicht  vorhanden  waren,  ist  nicht  stichhältig,  da 
bereits  aus  den  laurentinischen  Gneisformationen  Kalkflötze  bekannt 
sind.  Man  wird  sofort  erkennen,  von  welcher  Tragweite  die  choro- 
logische  Auffassung  der  Primordialfauna  für  die  Descendenztheorie 
ist.  Haben  wir  in  den  cambrischen  Paradoxides-Schiefem  nichts 
weiter  als  nur  Eine  bestimmte  Facies  (vielleicht  die  Tiefsee -Facies) 
der  cambrischen  Zeit  vor  uns,  während  uns  die  gleichzeitigen  hetero- 
pischen  Bildungen  unbekannt  sind,  so  verschwinden  alle  die  Ein- 
würfe gegen  die  Descendenztheorie,  welche  aus  dem  plötzlichen 
Auftreten  bereits  hoch  organisirter  Lebewesen  gezogen  worden  sind. 

Angesichts  der  parallelen  chorologischen  Entwicklung  der  nörd- 
lichen Hemisphäre  wird  es  verständlich,  dass  die  principiell  längst 
abgethane  Kataklysmen-Hypothese  noch  immer,  mehr  oder  weniger 
verschämt  das  Urtheil  der  Geologen  beeinflusst.  So  sehr  hat  man 
sich  in  Folge  der  erwähnten  Verhältnisse  in  die  Idee  der  horizontalen 
Constanz  gewisser  Bildungen  eingelebt,  dass  man  stets  geneigt  ist, 
dieselben  als  geradezu  bezeichnend  für  einen  bestimmten  Zeitabschnitt 
zu  halten.  Viele  der  gebräuchlichen  Formationsbezeichnungen  tragen 
dazu  bei,  solche  irrige,  veraltete  Anschauungen  zu  erhalten  und 
fortzupflanzen. 

Die  chorologische  Betrachtung  lehrt,  dass  jede  einzelne  sedi- 
mentäre Ablagerung  als  eine  Facies  irgend  einer  marinen  oder  terres- 
trischen Provinz  aufzufassen  ist.  Es  taucht  nun  die  wichtige  Frage 
auf,  ob  und  inwieferne  die  relative  Altersbestimmung  der  ver- 
schiedenen Formationen  durch  die  Berücksichtigung  der  choro- 
logischen Verhältnisse  beeinflusst  wird.'^ 

Bisher  begnügte  man  sich  in  der  Regel,  aus  der  einfachen  That- 
sache  der  Ueberlagerung  die  Altersverschiedenheit  und  die  relative 
Altersfolge  zu  bestimmen.  Heteropische  Bildungen  wurden  nur  selten, 
unter  zwingenden  Umständen,  als  solche  anerkannt  und,  wenn  dies 
geschehen,  gewissermassen  als  abnorme  Fälle,  als  Ausnahmen  von 
der  Regel  hingestellt.  Solange  der  Umfang  der  unterschiedenen 
Gruppen  noch  sehr  weit  war,  erwuchs  der  im  Entstehen  begriffenen 
Wi-ssenschaft  daraus  kein  nennenswerther  Nachtheil.  Gegenwärtig 
aber,  wo  das  lobenswerthe  Streben  nach  feinster  Gliederung  allseitig 


12  Allgemeine  Betrachtungen 

zur  Aufstellung  zahlreicher  enggefasster  Unterabtheilungen  fuhrt,  ge- 
nügt die  Ueberlagerung  nicht  mehr,  um  aus  ihr  allein  die  Alters- 
verschiedenheit zu  folgern.  Die  chorologische  Interpretation  ist 
berufen,  hier  berichtigend  und  beschränkend  einzugreifen,  wenn  der 
wissenschaftliche  Werth  solcher  Arbeiten  nicht  in  Frage  gestellt 
werden  soll. 

Es  wurde  bereits  oben  darauf  hingewiesen,  dass  die  meisten 
Formationsgrenzen  streng  genommen  nur  die  Grenzen  zwischen  hetero- 
pischen,  heterotopischen  und  heteromesischen  Bildungen  sind.  Bei 
heteromesischen  Ablagerungen  ist  die  gegenseitige  Unabhängigkeit 
so  sehr  einleuchtend,  dass  es  kaum  der  Erinnerung  bedarf,  dass  die 
blosse  Thatsache  der  Ueberlagerung  noch  kein  Beweis  fiir  die  Alters- 
verschiedenheit ist.  Ein  Streifen  mag  über  oder  unter  den  Spiegel 
der  See  getaucht  werden,  während  die  Nachbarschaft  stabil  verharrt 
und  nicht  die  geringste  Aenderung  ihres  biologischen  Bestandes  er- 
fährt. Auch  die  Ueberlagerung  heterotopischer  Bildungen  beweist 
an  und  für  sich  noch  keine  Altersverschiedenheit,  denn  sie  zeigt  nur 
die  Verschiebung  von  Verbreitungsbezirken  an.  In  den  meisten  Fällen 
wird  jedoch  das  Auftreten  von  heterotopischen  Ablagerungen  für 
eine  bestimmte  Region  den  Beginn  einer  neuartigen  selbstständigen 
Entwickelung  bezeichnen.  Dadurch  wird  es  fiir  diese  Region 
allerdings  historische  Bedeutung  erlangen.  In  einer  benachbarten 
Region,  welche  von  den  störenden  Ereignissen  unberührt  geblieben 
ist,  kann  jedoch  die  daselbst  nicht  verdrängte  Fauna  und  Flora  noch 
längere  Zeit  unverändert  fortbestehen. 

Der  weitaus  häufigste  Fall  ist  der,  dass  sich  heteropische  Bil- 
dungen überlagern.  Einem  brachiopodenreichen  Crinoidenkalke  mögen 
Mergel  mit  Fucoiden  und  Cephalopoden,  diesen  thonigkalkige  Sand- 
steine mit  Bivalven,  diesen  wieder  Korallenkalke  mit  Gasteropoden 
und  Echinodermen  u.  s.  f.  folgen.  Diese  Bildungen  sind  petrographisch 
und  palaeontologisch  von  einander  verschieden,  sie  überlagern  sich 
zudem  in  bestimmter  Ordnung,  sie  besitzen  daher  nach  den  herr- 
schenden Anschauungen  alle  erforderlichen  Requisiten,  um  als  selbst- 
ständige altersverschiedene  Glieder  unter  besonderen  Benennungen 
in  die  Formationstafel  eingereiht  werden  zu  können.  In  einem  etliche 
Meilen  entfernten  Profil  fehlt  nun  eines  der  erwähnten  Glieder  und  in 
der  entgegengesetzten  Richtung  gelangt  man  nach  längerer  Unter- 
brechung in  den  Aufschlüssen  zu  einer  Entblössung,  in  welcher 
zwischen  den  gleichmässig  fortsetzenden  Hangend-  und  Liegend- 
schichten der  oben  angeführten  vier  Glieder  nur  mehr  eines  der- 
selben, aber  vielleicht  in  etwas  stärkerer  Mächtigkeit,  vorhanden  ist. 
Die   zahlreichen   bewussten   und    unbewussten   Uniformisten  werden 


über  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  I  ^ 

aus  diesen  Thatsachen  sofort  folgern,  dass  die  beobachteten  Lücken 
ebenso  vielen  Unterbrechungen  (Trockenlegungen)  der  Sediment- 
bildung entsprechen.  In  manchen  Fällen  wird  ihre  Ansicht  die 
richtige  sein.  Die  Beweisführung  wird  aber  auf  andere,  schwerer 
wiegende  Gründe  gestützt  sein  müssen.  In  vielen  anderen  Fällen 
wird  sich  aber  durch  die  Ausdehnung  des  Untersuchungsfeldes 
ergeben,  dass  die  vier  Glieder  häufig  durch  Wechsellagerung  mit  ein- 
ander verbunden  sind,  dass  stellenweise  ein  gegenseitiges  Auskeilen 
und  Ineinandergreifen  stattfindet  und  dass  an  manchen  Punkten  viel- 
leicht sogar  die  Reihenfolge  eine  abweichende  ist.  Die  palaeonto- 
logische  Erforschung,  welche  gleichzeitig  eingehend  fortgesetzt  wird, 
wird  ausserdem  noch  lehren,  dass  zwar  im  Allgemeinen  ein  ziemlich 
scharfer  Unterschied  zwischen  den  Gruppen  besteht,  von  denen  jede 
in  eigenthümlicher  Weise  durch  das  Vorwalten  bestimmter  Typen 
charakterisirt  ist,  dass  sich  aber  von  gewissen  kosmopolitischen 
Thieren,  wie  z.  B.  Cephalopoden,  Reste  derselben  Arten  in  allen 
vier  Gruppen  finden,  wenn  auch  in  den  anderen  drei  Gruppen  viel 
seltener  als  in  den  Cephalopocjenmergeln.  Auf  solche  Weise  wird 
festgestellt  werden  können,  dass  heteropische  Bildungen,  trotzdem 
sie  sich  überlagern,  geologisch  gleichzeitig  sind,  d.  h.  zu  einer  Zeit 
abgelagert  wurden,  innerhalb  welcher  die  marine  Bevölkerung  einer 
bestimmten  Provinz  unverändert  die  gleiche  geblieben  ist.  Wenn 
man  sich  gegenw^ärtig  hält,  dass  die  Facies-Unterschiede  von  physi- 
kalischen Verhältnissen  abhängen,  so  wird  man  sich  leicht  vorstellen, 
wie  die  steten  Veränderungen  der  Contouren,  der  Höhen  und  Tiefen 
und  aller  übrigen  davon  abhängigen  äusseren  Agentien  einen  Wechsel 
der  Facies  ,und  damit  eine  Ueberlagerung  heteropischer  Bildungen 
nothwendig  herbeiführen  müssen.  Da  nun  aber  diese  Veränderungen 
in  ungleichem  Masse  und  in  ungleicher  Erstreckung  vor  sich  gehen, 
so  wird  auch  die  horizontale  Verbreitung  der  über  einander  abge- 
lagerten heteropischen  Bildungen  eine  ungleichmässige  sein. 

Aus  den  bisherigen  Betrachtungen  geht  zur  Genüge  hervor, 
dass  dieThatsache  der  Ueberlagerung  fiir  sich  allein  zur  geologischen 
Altersbestimmung  nicht  ausreicht.  Um  zum  Ziele  zu  gelangen,  müssen 
wir  uns  noch  eines  anderen,  bisher  erst  von  W^enigen  benützten  Krite- 
riums bedienen.  So  lückenhaft  unsere  Kenntnisse  der  Vorwelt  auch 
sind,  so  reichen  sie  dennoch  hin,  verwandtschaftliche  Beziehungen 
zwischen  den  successiven  Faunen  und  Floren  erkennen  zu  lassen. 
Je  näher  der  Zeit  nach  sich  zwei  Formationen  stehen,  desto  grösser 
ist  die  Zahl  der  übereinstimmenden  oder  verwandten  Typen,  Gat- 
tungen und  Arten.  Auch  die  Gegner  der  Descendenzlehre  müssen 
deshalb    eine    gewisse    verticale    Continuität    des    Lebens    zugeben. 


14  Allgemeine  Betrachtungen 

ebenso  wie  sie  die  Einheit  der  Schöpfungscentren  anerkennen.  Die 
Anhänger  der  Descendenzlehre  bleiben  aber  nicht  auf  halbein 
Wege  stehen,  sondern  ziehen  aus  den  vorhandenen  Thatsachen 
den  einzig  möglichen  Schluss,  dass  die  successiven  Faunen  und 
Floren  sich  allmählich  aus  einander  entwickelt  haben.  Ihnen  ist  die 
geologische  Formationsreihe  die  Aufeinanderfolge  der  verschiedenen 
Entwicklungsstadien  der  organischen  Welt.  Dies  ist  aber  zugleich 
eine  chronologische  Reihe;  jede  einzelne  Entwicklungsphase  i.st  eine 
chronologische  Einheit.  Die  Organismen  zweier  unmittelbar  folgenden 
Horizonte  werden  im  directen  Descendenz-Verhältniss  stehen.  "VVo 
man  daher  in  sich  überlagernden  Bildungen  Fossilien  trifft,  welche 
sich  wie  direct  von  einander  abstammend  verhalten,  wird  man  auf 
Altersverschiedenheit  schliessen  dürfen. 

Es  ist  einleuchtend,   dass  man  nur  in  isopischen  Bildung^en 
phylogenetisch   direct   zusammenhängende   Faunen    und   Floren    er- 
warten darf.  Wenn  eine  oder  mehrere  heteropische  Bildungen  zwischen 
zwei   altersverschiedenen    isopischen    Bildungen    eingeschaltet    sind, 
wird   die   Trennung   leichter   ausgeführt   werden   können,    als    dort, 
wo   sich   isopische   Ablagerungen   ununterbrochen   durch  zwei   oder 
mehrere  Horizonte  fortsetzen.    Die  Formen  der  einzelnen  Horizonte 
werden  in  der  Regel  keineswegs  durch  sehr  auffallende  Differenzen 
ausgezeichnet  sein,  so  dass  ein  geübtes  Auge  fiir  die  Untersuchung 
erforderlich  sein  wird.  Es  wird  daher  häufig  vorkommen,  dass  mehr- 
gliederige  isopische  Schichtcomplexe  für  eine  untheilbare  zusammen- 
gehörige Masse  gehalten  und  an  chronologischem  Werth  einer  hete- 
ropischen  Bildung,  welche  vielleicht  einem  der  vertretenen  Horizonte 
angehört,   gleichgestellt    werden.   —   Es  kann  der  Fall  vorkommen, 
dass  die  Verschiedenheit  der  Faunen  in  sich  überlagernden  isopischen 
Bildungen  eine  so  bedeutende  ist,  dass  sie  sofort  auch  weniger  ver- 
sirten  Beobachtern  auflallt.    Dann  liegt  entweder  ein  grösserer  Zeit- 
abschnitt  zwischen   dem   Absatz   der   beiden  Ablagerungen   —  ein 
oder  mehrere  Zwischenglieder  fehlen  —  oder  wir  haben  heterotopische 
Bildungen  vor  uns. 

Die  Altersverschiedenheit  zweier  sich  überlagernden  heteropischen 
Bildungen  wird  häufig  durch  Fossilien  bestimmt  werden  können, 
welche  der  einen  eigenthümlich  sind,  in  der  andern  aber  nur  als 
Fremdlinge,  gewissermassen  als  erratische  Erscheinungen,  vorkom- 
men. Da  in  solchen  Fällen  das  Gewicht  der  Entscheidung  auf 
diesen  Fremdlingen  liegen  wird,  so  sind  durch  sie  die  heteropischen 
Bildungen  theoretisch  in  isopische  ver\vandelt. 

So  sind  wir  schliesslich  dahin  gelangt  zu  erkennen,  dass  die 
wechselnde  chorologische  Physiognomie  die  \\'ahren  Altersbeziehungen 


ober  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  i  j 

maskirt,  sowie,  dass  die  phylogenetische  Vergleichung  der  Fossilien 
das  sicherste  Kriterium  für  die  richtige  Beurtheilung  der  chrono- 
logischen Verhältnisse  gewährt. 

Umgekehrt  ist  es  aber  auch  einleuchtend,  dass  die  Geologie 
keineswegs,  wie  so  häufig  behauptet  wird,  der  Descendenzlehre 
widerspricht  Alle  die  scheinbaren  Widersprüche  und  die  zahlreichen 
Lücken  finden  in  dem  sprungweisen  Wechsel  der  chorologischen 
Verhältnisse  und  in  der  parallelen  geologischen  Geschichte  der 
unserer  Beobachtung  zugänglichen  Theile  der  Erdveste  ihre  aus- 
reichende natürliche  Erklärung. 

Die  Ergebnisse  der  vorangegangenen  Untersuchungen  enthüllen 
uns  die  Principien  einer  naturgemässen,  historischen  Classification 
der  sedimentären  Gesteinsbildungen.  Die  hergebrachten  conven- 
tionellen  Gruppirungen  genügen  in  keiner  Weise.  Man  fühlt  dies 
allgemein  und  sucht  theils  durch  Aufstellung  neuer  Gruppen, 
welche  dem  in  den  Kinderjahren  der  historischen  Geologie  nach 
mitteleuropäischem  Zuschnitt  angefertigten  Schema  eingezwängt 
werden,  theils  durch  weitgehende  ZerSpaltungen  der  alten  Abschnitte 
eine  Abhilfe  zu  verschaffen.  Aber  die  meisten  dieser  Auskunfts- 
mittel leiden  an  dem  gleichen  Gebrechen  wie  die  alten  Gruppen. 
Sie  tragen  das  Gepräge  nackter  Empirie;  ihre  Begrenzung  ist  eine 
willkürliche,  zufällige.  Ich  anerkenne  gern,  dass  die  Wissenschaft 
der  mit  grosser  Sorgfalt  gepflegten  Detailforschung  viele  werthvolle 
Ergebnisse,  Entdeckungen  und  Richtigstellungen  zu  verdanken  hat. 
Aber  ich  kann  darüber  nicht  hinweggehen,  dass  man  vergebens 
nach  einem  wissenschaftlich  berechtigten  oder  doch  wenigstens 
consequent  durchgeführten  Eintheilungsgrunde  suchen  würde.  Es 
ist  daher  nicht  anders  möglich,  als  dass  stets  chronologisch  ungleich- 
werthige  Einheiten  und  Mehrheiten  geschaffen  wurden,  welche  zu 
historischen  Vergleichen  nicht  brauchbar  sind.  Am  drastischsten 
machen  sich  diese  Uebelstände  bei  der  Zusammenstellung  von  all- 
gemeinen vergleichenden  Formationstabellen  geltend.  Es  zeigt  sich 
dabei  sehr  deutlich,  dass  die  Inconvenienzen  der  grossen  alten 
Gruppen  nicht  eliminirt,  sondern  nur  auf  die  engeren  neuen  Gruppen 
übertragen,   mithin  vervielfältigt  sind. 

Den  ersten  Anstoss  zu  einer  naturgemässeren  und  consequenten 
Classification  gegeben  zu  haben,  ist  das  unbestreitbare  Verdienst  des 
vorzeitig  der  Wis.senschaft  entrissenen  A.  Oppel,  welcher  den  mittel- 
europäischen Jura  in  palaeontologische  Zonen  zerlegte  und  die  von 
Gressly  gegebenen  Andeutungen  über  Faciesyerschiedenheiten  bei 
seinen    classificatorischen   Arbeiten    praktisch    verwerthete.     In    der 


l5  Allgemeine  Betrachtungen 

Verfolgung  der  von  Oppel  eingeschlagenen  Richtung  sahen  sich. 
sodann  seine  Schüler  und  Anhänger  veranlasst,  das  phylogenetische 
Moment  als  classificatorisches  Kriterium  aufzunehmen.  Gleichzeitig 
wurde  die  chorologische  Interpretation  weiter  ausgebildet.*) 

Die  palaeontologischen  Zonen,  welche  wir  als  die  einzelnen 
Entwicklungsphasen  isotopischer  und  isopischer  Faunen  oder  Floren 
bezeichnen  können,  entsprechen  allein  den  Erfordernissen  chrono- 
logischer Einheiten.  Sie  sind  gleichwerthige  unter  einander  vergleich- 
bare Grössen.  Durch  die  chorologische  Interpretation  und  durch 
die  Berücksichtigung  des  phylogenetischen  Momentes  wird  das  sub- 
jective  Ermessen  des  einzelnen  Forschers  beträchtlich  beschränkt 
und  eine  Discussion  auf  fester  Basis  ermöglicht. 

Das  Zeitmass  der  palaeontologischen  Zonen  ist  übrigens  selbst- 
verständlich nur  ein  relatives.  Die  einzelnen  Zonen  entsprechen 
keineswegs  bestimmten,  in  Ziffern  ausdrückbaren  Zeitabschnitten  von 


*)  Die  neue  Methode  hat  in  den  Augen  Einiger  den  Nachtheil,  dass  sie  zu 
sehr  sorgfaltigen  Untersuchungen  und  zu  möglichst  enger  Fassung  der  Arten  (Formen) 
zwingt.  Für  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  kann  es  nur  ein  Gewinn  sein,  wenn 
Oberflftchlichkeit  und  Dilettantismus  eingedämmt  werden.  Was  die  enge  Fassung 
der  Arten  und  die  dadurch  herbeigeführte  Vermehrung  derselben  betrilfc,  so  möge 
zunächst  daran  erinnert  werden,  wie  verschwindend  gering  die  Zahl  der  aus  den 
einzelnen  geologischen  Horizonten  bekannten  Formen  ist  im  Vergleich  mit  der 
Gegenwart,  welche  ja  doch  ebenfalls  nur  Einen  geologischen  Horizont  repräsentirt. 
Aber  abgesehen  davon  liegt  die  enge  Fassung  der  P'ormen  im  Interesse  der  Geo- 
logie. Für  den  Zoologen  und  Botaniker  mag  es  gleichgiltig  sein,  ob  die  Reihen- 
folge der  Bindeglieder  zwischen  zwei  geologisch  verschiedenaltrigen  Typen  durch 
Artnamen  ausgezeichnet  wird  oder  nicht,  obwohl  es  auch  diesen  conveniren  wird, 
die  einzelnen  Stadien  bestimmt  bezeichnen  zu  können.  Beim  Geologen  kommt  aber 
wesentlich  auch  der  chronologische  Standpunkt  in  Betracht.  Für  ihn  haben  die 
einzelnen  Entwicklungsstadien  eine  chronologische  Bedeutung  und  er  würde  sich 
freiwillig  der  kostbarsten  Documente  begeben,  wenn  die  in  bestimmter  geologischer 
Altersfolge  auftretenden  Zwischenformen  in  eine  sogenannte  gute  Art  zusammen- 
gezogen würden.  Solche  Arten  wären  überdies  eine  thatsächliche  Fälschung,  da 
die  angeblichen  Varietäten  nicht  gleichzeitig,  sondern  nach  einander  existirten. 
Es  kann  an  dieser  Stelle  eine  Erörterung  der  sogenannten  Speciesfrage  nicht  er- 
wartet werden.  Auch  würden  die  diesen  einleitenden  Bemerkungen  gesteckten 
Grenzen  über  die  Gebühr  überschritten  werden,  wenn  ich  es  unternehmen  wollte, 
die  vielen  der  Descendenzlehre  günstigen  palaeontologischen  Ergebnisse  anzuführen 
und  die  aus  der  unrichtigen  Auslegung  der  geologischen  Urkunde  gegen  die  Des- 
cendenzlehre gefolgerten  Einwände  zu  widerlegen.  Hier  handelt  es  sich  ja  wesent- 
lich nur  um  die  Aufstellung  der  allgemeinen,  für  die  Interpretation  des  geologischen 
Materials  entscheidenden  Gesichtspunkte.  Es  freut  mich  übrigens,  hier  die  Auf- 
merksamkeit auf  ein  demnächst  erscheinendes  Werk  meines  Freundes  Prof. 
M.  Neumayr  lenken  zu  können,  in  welchem  dieser  hochwichtige  Gegenstand  ein- 
gehend behandelt  werden  wird. 


aber  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  jjr 

gleicher  Dauer.     Auch  darf  ihnen  keine  allgemeine  Bedeutung  zu- 
geschrieben werden;  sie  haben  nur  fiir  das  isotopische  Gebiet  Geltung. 

Eine  in  der  Natur  der  Sache  gelegene  Schwierigkeit  besteht 
darin,  dass  die  Variabilität  der  verschiedenen  Classen,  Ordnungen,  Fa- 
milien, Gattungen,  Formenreihen  eine  sehr  verschiedene  ist  und  dass 
die  Mutationen  bei  denselben  nicht  gleichzeitig  eintreten.  Man  kann 
dieser  Verlegenheit  nur  durch  zweckmässige  Wahl  von  Normal -Ver- 
gleichungstypen entgehen,  welche  man  unter  den  am  häufigsten 
mutirenden  Organismen  wählt.  Wünschenswerth  wäre  es,  für  die  ganze 
Formationsreihe  sich  constant  eines  und  desselben  Vergleichungs- 
typus bedienen  zu  können.  Ein  solcher,  der  brauchbar  wäre,  existirt 
aber  nicht.  Man  wird  deshalb  für  die  palaeozoischen  Formationen 
wahrscheinlich  die  Trilobiten  und  die  Ammonitiden  (subsidiär  auch 
die  Brachiopoden) ,  für  die  mesozoischen  Formationen  die  Ammo- 
nitiden (nach  Umständen  subsidiär  andere  Ordnungen),  für  die  käno- 
zoischen  Formationen  die  Gastropoden  wählen. 

Eine  vollständige  Erneuerung  der  Fauna  oder  Flora  in  un- 
mittelbar folgenden  Zonen  wird  kaum  jemals  vorkommen.  In  der 
Regel  wird  eine  Anzahl  von  Formen  denselben  gemeinsam  sein  und 
nur  ein  Theil  des  Bestandes  wird  sich  geändert  haben.  In  eng 
geschlossenen  Binnenbecken  hat  man,  wie  die  Erfahrungen*)  lehren, 
Aussicht,  ziemlich  vollständige  Entwicklungsreihen  zu  finden.  Bei 
marinen  Bildungen  wird  in  Folge  der  weiten  Ausdehnung  des  Bildungs- 
raumes häufig  der  eine  oder  andere  Typus  im  nächsten  Horizont 
scheinbar  fehlen,  und  fast  in  jeder  Zone  werden  mehr  oder  weniger 
Typen  auftreten,  welche  wie  Fremdlinge  auftauchen  und  in  derselben 
oder  nach  kurzem  Bestände  in  den  nächstfolgenden  Zonen  wieder 
verschwinden  (exogene  Typen).  Dies  sind  wol  aus  entlegenen 
Meerestheilen  oder  aus  benachbarten  Provinzen  stammende  Colo- 
nisten,  welche  nach  längerer  Intermittenz  vielleicht  nochmals  wieder- 
kehren. Die  Beispiele  für  diese  Erscheinung  sind  sehr  zahlreich. 
Das  Auftreten  exogener  Typen  verleiht  den  einzelnen  Zonen  häufig 
eine  besondere  Charakteristik,  welche  die  rasche  Orientirung  des 
reisenden  Beobachters  sehr  erleichtert.  Die  Mutationen  der  endogenen 
Formen  sind  selbstverständlich  viel  weniger  augenfällig. 

Die  Zonengliederung  ist  für  jedes  heterotopische  Gebiet  selbst- 
ständig durchzufuhren.  Heterotopische  Gebiete  werden  daher  ver- 
schiedene Chronologien  besitzen.  Ein  Mittel,  diese  getrennten  Chrono- 
logien unter  einander  in  Zusammenhang  zu  bringen,  wird  uns  dann 


*)  Vgl.    Neumayr   und    Paul,     Die    Congerien-    und    Paludinen-Schichten 
Slavoniens.  Abh.  Geol.  R.-A.   VII.  Bd. 

Alojsisovics,  OolomitrifTe.  2 


lg  Allgemeine  Betrachtungen 

zu  Gebote  stehen,  wenn  durch  die  Verschiebung  der  Territorien  eine 
Ueberlagerung  heterotopischer  Bildungen  zu  Stande  kommt.  Bruch- 
theile  der  verdrängten  Fauna  (Flora)  werden  fast  immer  zurück- 
bleiben. Durch  sie  wird  der  Zeitpunkt  der  Verdrängung  festgestellt 
werden  können.  Besitzen  die  beiden  heterotopischen  Bildungen  in 
ihren  ursprünglichen  Verbreitungsbezirken  eine  bekannte  gemeinsame 
Unterlage,  welche  selbst  wieder  mit  jeder  von  ihnen  in  irgend  einer, 
eine  Lücke  ausschliessenden  Verbindung  steht,  so  können  wir  die 
Gesammtheit  der  Zonen  des  einen  Gebietes  der  Gesammtheit  der 
Zonen  des  anderen  Gebietes  gleichstellen.  Eine  Gleichstellung  der 
einzelnen  Zonen  wäre  aber  unstatthaft  und  meistens  wol  schon 
deshalb  unausführbar,  weil  die  Anzahl  der  Zonen  eine  ungleiche  sein 
wird.  Wo  heterotopische  Gebiete  nicht  scharf  getrennt  sind,  werden 
übrigens  hin  und  her  fluctuirende  Formen  Anhaltspunkte  zur  chrono- 
logischen Parallelisirung  gewähren: 

Für    heteromesische    Bildungen    gelten    selbstverständlich     im 
Wesentlichen  die  gleichen  Grundsätze. 

Indem  wir  die  palaeontologische  Zonengliederung  für  die  Grund- 
lage einer  systematischen  chronologischen  Classification  halten,   ver- 
kennen wir  die  Zweckmässigkeit  von  weiteren,  eine  Anzahl  von  Zonen 
zusammenfassenden    Gruppen   durchaus   nicht.     Eine   dreifache  Ab- 
stufung in  Stufen,  Perioden  und  Epochen,    entsprechend  der  gegen- 
wärtigen Uebung,  scheint  praktisch  zu  sein.     Nur  sehe  man  zu,  dass 
die  unterschiedenen  Gruppen  nicht  zu  ungleichwerthig  werden;  man 
lasse  sich  daher  nicht  verleiten,  der  (doch  nur  localen)  Mächtigkeit 
einzelner  Zonen   einen   bestimmenden   Einfluss   zuzuerkennen.      Das 
ungleichmässige  Anwachsen  der  heutigen  Meere.sbildungen  beweist, 
dass  die  Mächtigkeit  ein  völlig  untergeordneter  Factor  ist.    Es  würde 
unnöthige  Verwirrung  hervorrufen,    wenn  man  gegenwärtig  bereits 
an  der  Begrenzung  und  Benennung  der  Hauptgruppen  (Epochen  und 
Perioden)  rütteln  wollte.   Wichtige  Transgressionen  und  heterotopische 
Verschiebungen  werden  zweckmässig  als  Grenzlinien  benützt  werden 
können,  trotzdem  auch  sie  eigentlich  nur  locale  Bedeutung  besitzen. 
Wünschenswerth  wäre  eine  Einigung  über  die  Bedeutung  der  termino- 
logischen   Bezeichnungen.     Die    Ausdrücke    Formation,    Etage,    Pe- 
riode,  Epoche   werden   gegenwärtig   sehr   verschieden    angewendet, 
für  den  Theil  wie   für  das  Ganze  gebraucht.     Jede  andere  Wissen- 
.schaft  beflei.ssigt  sich  einer  festen,  consequenten  Terminologie.     Die 
Bezeichnung    Formation   möchte    ich    am    lieb.sten    aus   der   Reihe 
der    chronologischen  Termini   streichen,   da  sie   mit   Vortheil   auch 
in   rein   petrographischem   und    montanistischem  Sinne    verwendbar 
ist.     Die    Benennung  der   unterschiedenen   Gruppen    ist   zwar    dem 


über  die  Chorologie  und  Chronologie  der  Erdschichten.  ig 

Belieben  der  Autoren  anheimgegeben  und  geniessen  die  erst  ge- 
gebenen Namen  den  Schutz  des  Prioritätsrechtes;  aber  wünschens- 
werth  wäre  es  doch,  wenn  nur  abstracte,  nichtssagende  Bezeichnungen 
für  rein  chronologische  Gruppen  gewählt  würden.  Localnamen  und 
Faciesnamen  sind  als  chorologische  Bezeichnungen  bei  geologischen 
Schilderungen  unentbehrlich. 

Man  hört  so  oft  die  Behauptung,  dass  die  stratigraphische 
Erforschung  Europa's  im  Wesentlichen  abgeschlossen  sei,  dass  auf  pa- 
laeontologischem  Felde  nur  mehr  eine  dürftige  Nachlese  zu  holen 
sei  und  dass  blos  noch  entlegene  Landstriche  einen  dankbaren  Stoff 
für  geologische  Arbeiten  böten.  Wir  unterschätzen  nicht  den  wissen- 
schaftlichen Gewinn,  welchen  die  geologische  Erschliessung  unculti- 
virter  Gegenden  mit  sich  bringt  und  wir  bewundern  die  Ausdauer 
der  muthigen  Pionniere,  welche  für  solche  Aufgaben  Gesundheit 
und  Leben  in  die  Schanze  schlagen.  Aber  wir  sind  der  Ansicht, 
dass  die  Wissenschaft  gegenwärtig  aus  der  Vertiefung  der  Forschung 
im  Bereiche  der  Culturländer  und  in  den  palaeontologischen  Museen 
ebenso  reichen  Gewinn  ziehen  wird,  denn  die  wichtigste  und  schwie- 
rigste Arbeit  ist  auch  hier  noch  ungethan.  Auf  dem  Boden  der 
chorologischen  Forschung  und  des  phylogenetischen  Studiums  er- 
öffnet sich  ein  neues,  fast  jungfräuliches  Arbeitsfeld,  welches  reich- 
lichen Lohn  verspricht.  Ueber  das  Stadium  der  ersten  Vorarbeiten 
hinaus  sind,  Dank  den  Bemühungen  der  OppePschen  Schule,  unsere 
Kenntnisse  des  mitteleuropäischen  und  theilweise  auch  des  medi- 
terranen Jura.  Für  die  Trias  der  Alpen  besitzen  wir  bescheidene 
Anfange.     Alles  Uebrige  liegt  noch  brach. 


IL  CAPITEL. 
Die  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

Jugendliches  Alter  des  Kettenf^ebirges.   -  Aasdehnang  der  Meere  in  den  verschiedenen  geo- 
logischen Perioden.  -  Wichtigkeit  der  Rheinlinie  —  Bedeutung  der  ostaipinen  Flyschzone.   - 

Genetische  Verschiedenheit  der  Ost-  und  Westalpen. 

Jede  Gesteinsformation  besitzt,  wie  gezeigt  wurde,  bestimmte 
Beziehungen  zu  Raum  und  Zeit.  Die  geologische  Forschung  verfolgt 
daher  historisch-geographische  Ziele.  Wie  eine  politische  Geschichte 
nicht  möglich  ist  ohne  bestimmte  geographische  Localisirung,  so 
kann  auch  die  Geschichte  der  Erde,  welche,  wie  Zittel  treffend 
sagte,  in  eine  Reihe  von  Specialgeschichten  zerfällt,  der  geogra- 
phischen Orientirung  nicht  entbehren.  Der  historischen  Geographie 
entspricht  die  geologische  Geographie  oder  die  Geographie  der  ver- 
schiedenen Entwicklungsstadien  der  Erdoberfläche  (Palaeogeographie). 
Verschieden  von  diesem,  noch  sehr  wenig  ausgebildeten  Wissens- 
zweige ist  die  geographische  Geologie  (Geognosie)  oder  die  Kenntniss 
von  der  geologischen  Zusammensetzung  geographisch  abgegrenzter 
Räume. 

Die  vorliegende  Schrift  fällt  in  die  Kategorie  der  geognosti- 
schen  Arbeiten  und  liefert  nur  einzelne  Bausteine  zur  Palaeogeographie 
der  mesozoischen  Bildungen.  Ehe  wir  jedoch  zur  Schilderung  unseres 
Gebietes  schreiten,  wollen  wir  versuchen,  die  palaeogeographische 
Situation  desselben  durch  einen  kurzen  Ueberblick  der  geologischen 
Geschichte  der  Alpen  zu  fixiren. 

Das  Alpengebirge  in  seiner  Gesammtheit  betrachtet,  erscheint 
als  ein  grosser,  fest  zusammengefügter  Bau,  dessen  Theile  nur  als 
Glieder  Eines  Körpers  aufzufassen  sind.  Diesen  einheitlichen  Stempel 
haben  ihm  die  gebirgsbildenden  Kräfte  in  einer  von  der  Gegenwart 
nicht  sehr  entfernten  Periode  aufgedrückt,  und   Suess  hat  in  seiner 


Die  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen.  21 

Schrift  über  die  Entstehung  der  Alpen  die  grossen  tektonischen  Züge 
meisterhaft  dargestellt.  Dem  einheitlichen  tektonischen  Charakter 
entspricht  aber  keineswegs  eine  einheitliche  geologische  Vergangen- 
heit. Kin  gemeinsames  Dach  wölbt  sich  zwar  über  dem  grossen,  mit 
uniformen  Schnörkeln  ausgestatteten  Bau,  aber  die  einzelnen  Theile 
sind  zu  verschiedenen  Zeiten,  von  verschiedenen  Baumeistern  und 
nach  abweichenden  Baustylen  ausgeführt  worden. 

In  ähnlicher  Weise  zerfallen  die  Alpen  an  der  Hand  der 
geologischen  Analyse  in  ursprünglich  individualisirte  Gebiete  von 
eigenartiger  geologischer  Entwicklungsgeschichte,  welche  erst  in 
jüngster  Zeit  von  im  gleichen  Sinne  wirkenden  dynamischen 
Bewegungen  erfasst  und  zu  Einem  Kettengebirge  umgemodelt 
worden  sind. 

Ueber  die  palaeozoischen  Bildungen  der  Alpen  besitzen  wir 
erst  sehr  fragmentarische  Kenntnisse,  welche  für  palaeogeographische 
Reconstructionen  noch  keine  genügende  Basis  bilden.  Bei  dem  heutigen 
Stande  unseres  Wissens  fallen  folgende  Thatsachen  auf.  Das  Silur 
ist  bisher  blos  in  den  Ostalpen  nachgewiesen.  Fossilfuhrende  Punkte 
sind  Dienten  im  Salzbijrgischen,  Eisenerz  in  Steiermark,  das  Gail- 
thaler  Gebirge  und  die  Karavanken.  Das  alpine  Silurmeer  verband 
wahrscheinlich  das  sardinische  mit  dem   böhmischen   Silur. 

Höchst  eigenthümlich  ist  das  Vorkommen  des  Devon.  Obwol 
bei  weiteren  Forschungen  noch  immer  devonische  Bildungen  in  den 
Verbreitungsbezirken  der  silurischen  und  carbonischen  Formationen 
aufgefunden  werden  könnten,  so  erscheint  es  dennoch  auffallend,  dass 
dies  bisher  nicht  gelungen  i.st  und  dass  sichere  devonische  Ab- 
lagerungen blos  in  der  dem  Ostrande  der  krystallinischen  Mittelzone 
eingeschnittenen  Bucht  von  Graz  nachgewiesen  werden  konnten. 

Aus  der  geographischen  Situation  des  Grazer  Devons  scheint 
sich  mir  nun  eine  merkwürdige  Parallele  zwischen  den  Ostalpen 
und  dem  böhmischen  Massiv  zu  ergeben,  welche  vielleicht  einiger 
Beachtung  werth  ist.  Im  Innern  von  Böhmen  fehlt  bekanntlich  das 
Devon,  zwischen  Silur  und  productivem  Carbon  besteht  eine  grosse 
Lücke.  Dagegen  umspannt  das  Devon  im  Westen,  Norden  und  Osten 
den  Aussenrand  der  böhmischen  Massengebirgsgruppe;  es  fehlt  aber 
wieder  längs  dem  der  Donau-Hochebene  und  den  Alpen  zugekehrten 
Bruchrande.  Das  Grazer  Devon  entspricht  nun  seiner  Lage  nach 
dem  sudetischen  Devon.  Es  kann  als  die  directe  Fortsetzung  des- 
selben  betrachtet  werden.  Bestätigt  sich  das  Vorkommen  devonischer 
Bildungen  in  den  cetischen  Alpen,  so  ist  damit  ein  Bindeglied 
nachgewiesen.     Der    Ostrand    des   böhmischen    Massivs   würde   sich 


22  Die  palacogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

sonach  zur  Devonzeit  bis  tief  in  die  Alpen  hineinerstreckt  haben. 
Gelänge  einstens  der  Nachweis  devonischer  Ablagerungen  in  den 
Südalpen  und  in  den  palaeozoischen  Strichen  der  Centralalpen,  so 
könnte  man  auch  die  südlichen  und  südöstlithen  Grenzen  an- 
nähernd bestimmen.  Sollte  sich  aber  in  diesen  Gebieten  die  wirkliche 
Abwesenheit  devonischer  Aequivalente  nachweisen  lassen,  so  würde 
daraus  wol  eine  bedeutendere  Ausdehnung  des  devonischen  Massivs 
hervorgehen.  Das  Vorhandensein  von  Praecarbon-Bildungen  würde 
jedoch  eine  zur  Praecarbonzeit  eingetretene  Umfangs-Verminderung 
des  Massivs  nachweisen. 

Aus  der  Praecarbon-  und  Carbonzeit  finden  sich  in  den 
Ostalpen  marine  Ablagerungen  mit  Einschaltungen  von  Schiefern, 
welche  terrestrische  Floren  enthalten  und  die  Nähe  der  Küste  an- 
deuten. In  den  Südalpen  reichen  diese  Gebilde  westlich  bis  in  die 
Gegend  des  Sextener  Thaies;  auch  ein  Streifen  am  Nordrande  der 
lombardischen  Alpen  wird  ihnen  zugezählt.  Die  etwas  isolirten 
Vorkommnisse  der  Stangalpe  und  der  Innsbrucker  Bucht  (Steinacher 
Joch)  sind  ausgezeichnet  durch  die  Einschaltung  von  Conglomeraten 
und  Pflanzenschiefern  (Flussdelta's).  Die  noch  etwas  räthselhaften 
sogenannten  , Radstädter  Tauem- Gebilde*,  welche  die  Zillerthaler 
Alpen  und  die  Hohen  Tauem  am  nördlichen  Gehänge  begleiten, 
stellen  eine  Verbindung  zwischen  den  genannten  Vorkommnissen 
her  und  .sind  ihnen  wahrscheinlich  zuzuzählen.  Es  würde  so- 
nach in  der  Gegend  von  Klagenfurt  ein  bis  in  die  Innsbrucker 
Gegend  reichender  Streifen  von  den  Südalpen  abzweigen.  Nach 
Stäche  sind  wahrscheinlich  auch  silurische  Aequivalente  in  diesem 
Zuge  vorhanden.  Dem  nördlichen  Silurzuge  zwischen  Schwatz  und 
Payerbach  fehlen  die  Praecarbon-  und  Carbonbildungen,  Das  Meer 
reichte  also  von  Südosten  her  in  das  Alpengebiet,  begrenzte  einer- 
seits das  weit  nach  Süden  vorgeschobene  böhmische  Festland, 
andererseits  die  Gebiete  der  Hohen  Tauem  und  der  Oetzthaler  Alpen, 
von  welchen  es  unentschieden  ist,  ob  sie  Inseln  oder  Festland- 
partien Ayaren.  Die  Westalpen  scheinen  während  derselben  Zeit 
dauernd  Festland  gewesen  zu  sein,  welches  mit  dem  Centralplateau 
von  Frankreich,  dem  Schwarzwalde  und  den  Vogesen  zusammenhing, 
ja  vielleicht  sogar  mit  unserem  böhmischen  Massiv  verbunden  war. 
Zur  Carbonzeit  war  ein  grosser  Süsswasser-See  vorhanden,  welcher 
nach  Heer  West-  und  Süd- Wallis  bedeckte,  nach  Westen  bis  in  die 
Dauphinee  und  nach  Osten  bis  gegen  den  Titlis  und  den  Tödi  sich 
erstreckte. 

Der  Permzeit  angehörige  Conglomerate  und  Sandsteine  finden 
sich    in    grösserer   Verbreitung    so  wol    in    den    Ost-    wie    in    den 


Die  palaeogeographischen  Verhaltnisse  der  Alpen.  23 

Westalpen.  Erschwert  auch  die  weite  horizontale  Verbreitung*)  die 
Erklärung  der  Bildungsverhältnisse  dieser  Gesteine,  so  kann  man  doch 
nur  an  Binnenseen  oder  an  Aestuarien]  als  Bildungsstätten  denken. 
Im  nordöstlichen  Tirol  und  auf  der  nördlichen  Abdachung  der  West- 
alpen treten  als  Einschaltung,  manchmal  auch  als  Stellvertretung,  die 
sogenannten  Schwatzerkalke  und  Röthidolomite  auf.  Ob  der  mit 
Rauchwacken  verbundene  Röthidolomit  der  Ostschweiz  dem  in  ähn- 
licher Lagerung  auftretenden  Bellerophonkalke  der  Südtiroler  Alpen 
entspricht,  ist  noch  zweifelhaft.  Da  in  vielen  Fällen  die  Herkunft 
der  Gerolle  des  Verrucano  aus  einer  bestimmten  benachbarten  Gegend 
nachgewiesen  werden  kann,  so  ist  man  im  Stande,  stellenweise  den 
beiläufigen  Verlauf  der  Küste  zu  bestimmen.  Mit  der  Entfernung  von 
der  Küste  nimmt  die  Grösse  der  Gerolle  ab.  Unter  diesen  Um- 
ständen ist  das  Eindringen  der  permischen  Conglomerate  und  Sand- 
steine in  die  Rheinbucht  zwischen  Ost-  und  Westalpen  sehr  bedeu- 
tungsvoll. 

Der  Beginn  der  mesozoischen  Epoche  ist  durch  ein  wichtiges 
Ereigniss  bezeichnet.  Das  Gebiet  der  Ostalpen,  welches  westlich  bis 
zum  Rhein  und  bis  zum  Lago  maggiore  reicht,  trennt  sich  durch 
Senkung  vom  böhmischen  Festlande  und  von  den  Westalpen.  Die 
Region  der  krystallinischen  Mittelzone  ragt  als  langgestreckte  Insel 
aus  dem  Triasmeer  empor.  Ob  dieselbe  in  Folge  der  andauernden 
Senkung  völlig  unter  den  Meeresspiegel  hinabtauchte,  lässt  sich  kaum 
bestimmen.  War  es  der  Fall,  so  bildete  sie  einen  submarinen  Höhen- 
rücken. Der  Annahme  einer  Tiefsee  widerspricht  der  häufig  wech- 
selnde chorologische  Charakter.  Die  ansehnliche  Mächtigkeit  der 
ostalpinen  triadischen  Bildungen  beweist  nur,  dass  der  Gesammt- 
betrag  der  allmählichen  Senkung  bedeutend  war.  Die  Westalpen  waren 
während  der  Triaszeit  wahrscheinlich  wieder  zum  grössten  Theile 
trocken  gelegt.  In  den  Gebieten  unmittelbar  westlich  vom  Rhein 
fehlen  triadische  Bildungen  gänzlich.  Es  spricht  Manches  dafür,  dass 
dieses  Gebiet  durch  eine  Landbrücke  mit  dem  böhmischen  Festlande 
verbunden  war.  Ob  die  in  den  französischen  Alpen  lediglich  auf 
Grund  der  Lagerung  und  der  lithologischen  Beschaffenheit  als  Trias- 
bildungen angesprochenen  fossilleeren  Ablagerungen  wirklich  der 
Trias  angehören,  ist  eine  offene  Frage.  Es  wäre  denkbar,  dass  das 
mitteleuropäische  Triasbecken  von  der   unteren  Rhone-Gegend  und 


*)  V.  Richthofen  weist  daraut  hin,  dass  das  Material  der  alten  rothen  Sand- 
steine abgeschwemmter  Latent  sein  könnte.  Bestätigt  sich  diese  Vermuthung,  so 
hätten  wir  eine  ebenso  einfache  als  befriedigende  Erklärung.  —  Vgl.  Neumayr 
Anl.  z.  wiss.  Beob.  auf  Reisen,  pag.  286. 


2Ä  Die  palaeogcographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

vom  Juragebirge  her  in  die  westlichen  Regionen  der  Westalpen 
hineingereicht  hätte.  Ost-  und  Westalpen  waren  daher  zur  Triaszeit 
jedenfalls  scharf  unterschiedene  Gebiete.  Erst  am  Schlüsse  der  Trias- 
periode, als  von  Süden  und  von  Südosten  her  die  mediterranen 
Fluthen  allmählich,  über  das  mittlere  Europa  übergreifend,  bis  nach 
England  und  bis  zur  Südspitze  Schwedens*)  vordrangen,  wurde  auch 
eine  Verbindung  mit  den  äusseren  Ketten  der  schweizerischen  Kalk- 
alpen und  mit  den  französischen  Alpen  hergestellt.  Bildungen  der 
rhätischen  Stufe  (Zone  der  Avimla  contorta)  sind  die  einzigen  Ab- 
lagerungen der  mediterranen  Trias,  welche  in  den  Westalpen  nach- 
gewiesen wird.  Indessen  gelangte  das  rhätische  Meer  nicht  in 
westlicher  Richtung  in  die  Westalpen,  sondern  entweder  von  Süden 
her  durch  den  westlichen  Theil  des  Mittelmeeres  oder  auf  einem 
Umwege  über  die  Bodensee-Gegend;  denn  in  den  der  Rheinlinie 
zunächst  gelegenen  Theilen  der  Schweizer  Alpen  fehlen  die  rhätischen 
Bildungen  vollständig  und  weiter  im  Westen,  wo  welche  auftreten, 
erscheinen  sie  nur  im  Norden  und  kommen  in  den  inneren,  dem  krystal- 
linischen  Schiefergebirge  aufgelagerten  Kalkketten  nicht  mehr  vor. 

So  hatte  die  physikalische  Geographie  des  Alpenlandes  und 
Mitteleuropas  an  der  Grenze  zwischen  Trias-  und  Jura-Periode  eine 
bedeutungsvolle  Aenderung  erfahren,  welche  für  die  Vertheilung  der 
jurassischen  Gewässer  bestimmend  wurde.  Der  Lias  hält  sich  in 
seiner  Verbreitung  ziemlich  strenge  an  die  rhätischen  Bildungen. 
In  den  Alpen  jedoch  nimmt  man  stellenweise  ein  Uebergreifen  des 
Lias  über  ältere  Bildungen  wahr,  so  insbesondere  in  der  westlich  an 
den  Rhein  stossenden  Region,  wo  der  untere  Lias  direct  auf  den 
permLschen  Bildungen  (Röthidolomit  und  Quartenschiefer)  auflagert. 

Man  unterscheidet  nach  dem  Vorgange  Neumayr's  im  west- 
europäischen Jura  zwei  Provinzen,  die  mediterrane  und  die  mittel- 
europäische. Die  Unterschiede  beruhen  hauptsächlich  auf  dem  re- 
gionalen Prävaliren  gewisser  Typen.  Eine  grosse  Anzahl  von  Formen 
ist  beiden  Provinzen  gemeinsam.  Der  Jura  der  Schweizer  Alpen  ge- 
hört zwar  im  grossen  Ganzen  der  mediterranen  Provinz  an,  wie  der 
Jura  der  Ostalpen,  aber  trotzdem  besteht  zwischen  der  Ausbildung 
der  jurassischen  Gebilde  in  den  durch  die  Rheinlinie  getrennten  Ge- 
bieten eine  durchgreifende  lithologische  Verschiedenheit,  welche 
nur  durch  die  Annahme  abweichender  physikalischer  Verhältnisse 
verständlich  wird.  Die  Geographie  der  Triaszeit  gibt  darüber 
einigen.  Aufschluss.  Der  o.stalpine  Jura,  welcher  sich  strenge  an  die 

*)  Hubert,  Rech,  sur  Tage  des  gres  ä  combustibles  d'Helsingborg  et  d'Höganäs. 
Ann.  des  sc.  g^ol.   1869. 


Die  palaeogcographischen  Verhaltnisse  der  Alpen.  2$ 

Verbreitung  der  triadischen  Ablagerungen  hält,  wurde  in  dem  alten, 
fortbestehenden  Meeresbecken  der  Trias  abgelagert,  während  das 
westalpine  Jurameer  in  neueroberte  oder  erst  kürzlich  sehr  ver- 
änderte Gebiete  übergriff.  Für  die  Westalpen  begann  gewisser- 
massen  erst  zu  dieser  Zeit  die  alpinische  Individualisirung.  Die 
jurassischen  Bildungen  der  Westalpen  unterscheiden  sich  von  den 
gleichzeitigen  Niederschlägen  des  Juragebirges  zunächst  durch  ab- 
weichenden lithologischen  Charakter  und  durch  grössere  Mächtig- 
keit. Der  mediterrane  Charakter  der  Faunen  tritt,  wie  es  scheint, 
erst  zur  Zeit  des  Dogger  und  Malm  bestimmter  hervor.  Aber  dem- 
ungeachtet  besteht,  wie  Mösch  hervorgehoben  hat,  ein  merkwürdiger 
chorologischer  Parallelisnius  zwischen  Westalpen  und  Juragebirge, 
welcher  erst  im  Tithon  verschwindet.  Die  Linie  Basel-Olten, 
welche  im  Juragebirge  die  Grenze  zwischen  zwei  wichtigen  hetero- 
pischen  Gebieten  bezeichnet,  findet  in  den  Schweizer  Alpen  ihre 
Fortsetzung  im  Brienzerseethal,  und  stimmen  die  im  Osten  und 
Westen  von  dieser  Trans versallinie  liegenden  jurassischen  Ablage- 
rungen der  Alpen  und  des  Juragebirges  in  einer  Reihe  von  Hori- 
zonten in  der  Facies  überein.  Es  entsprechen  also  den  Alpen  zwischen 
Brienzerseethal  und  Rheinthal  der  gegenüber  liegende  aargauisch- 
schwäbische  Jura  und  den  Alpen  westlich  vom  Brienzerseethal  der 
westschweizerisch -französische  Jura.  In  einigen  wenigen  Fällen  er- 
streckt sich  diese  Uebereinstimmung  sogar  auch  auf  die  petrographische 
Beschaffenheit.*)  Man  darf  daher  den  Grund  der  abweichenden  Au.s- 
bildung  des  alpinen  Schweizer  Jura  nicht  etwa  einer  constant  grö.sseren 
Meerestiefe  zuschreiben.  Die  bedeutende  Mächtigkeit  der  pelagischen 
Facies  erklärt  sich  ungezwungen  durch  periodisch  rascheres  Sinken 
des  alpinen  Meeresstriches.  —  In  der  nördlichen  Zone  der  Ostalpen 
und  in  den  sich  an  diese  anschliessenden  Karpathen  besitzen  wol 
nur  die  tiefsten  liasischen  Horizonte,  wenn  sie  in  der  litoralen  Facies 
der  Grestener  Schichten  auftreten  oder  sich  derselben  nähern,  eine 
bemerkenswerthe  Uebereinstimmung  mit  den  gleichaltrigen  isopischen 
Bildungen  der  mitteleuropäischen  Provinz.  Es  treten  diese  Ablage- 
rungen am  Nordrande  der  nordöstlichen  Alpen  und  der  Karpathen 
auf,  in  dessen  Nähe  die  Küste  des  Liasmeeres  sich  hinziehen  mus.ste. 
Bereits  bei  Pa.ssau**)  verschwindet  der  Lias  und  es  fehlt  derselbe  in 
den  der  mitteleuropäischen  Provinz  angehörigen  Juradistricten  Mäh- 
rens, Schlesiens  und  Polens  gänzlich. 


*)  Vgl.  Mösch,   der  Jura  in  den  Alpen  der  Ostschweiz. 
♦*)  Vgl.  V.  Ammon,  die  Jura- Ablagerungen  zwischen  Regensburg  und  Passau. 


26  ^ic  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

4 

Eine  Thatsache  möge  noch  angeführt  werden,  welche  vielleicht 
auf  die  eigenthümlichen  Verhältnisse  des  schweizerischen  Alpenjura 
ein  Licht  werfen  könnte.  Der  Lias  im  Westen  des  Rhein  zeigt  nach 
M ö sc h's  Schilderung  blos  mitteleuropäische  Formen.  Der  obere  Lias 
ist  durch  die  im  mitteleuropäischen  Jura  weit  verbreiteten  Posidonien- 
schiefer  vertreten.  Zittel*)  hat  nun  in  neuerer  Zeit  die  Aufmerksam- 
keit wieder  auf  die  grosse  Uebereinstimmung  des  provengalischen 
oberen  Lias  mit  dem  oberen  Lias  der  Lombardei  gelenkt.  Es  drängt 
sich  da  die  Frage  auf,  ob  die  im  Schweizer  Alpenjura  vorkommenden 
mediterranen  Formen  nicht  auf  dem  Wege  über  Südfrankreich  in  die 
westalpinen  Regionen  gelangten.^ 

Während  der  Kreidezeit  gehörte  zwar,  wie  zur  Zeit  des 
mittleren  und  oberen  Jura  das  gesammte  Alpengebiet  ebenfalls  der 
mediterranen  Provinz  an,  aber  es  spielt  sich  in  den  verschiedenen 
Alpentheilen  eine  sehr  wechselvolle  Geschichte  ab.  Für  die  Nordalpen 
erweist  sich  die  Rheinlinie  abermals  als  eine  bedeutungsvolle  Grenz- 
scheide. In  den  Westalpen  dauert  die  Senkung  der  Kalkalpenzone 
fort,  der  heteropische  Wechsel  scheint  zwar  sehr  bedeutend  zu  sein, 
aber  eine  Lücke  von  Bedeutung  .scheint  nirgends  vorhanden  zu  sein. 
Wol  charakterisirt  erreicht  das  westalpine  Kreidesystem,  den  Jura 
concordant  überlagernd,  am  Rhein  das  o.stalpine  Triasjura-Gebiet 
und  schneidet  an  demselben  ab.  In  den  nördlichen  Ostalpen  zeigt 
die  Kreide  eine  eigenthümliche  Beschränkung.  Das  Neocom  ist  nur 
in  der  Facies  von  Aptychenschiefern  und  von  Cephalopoden-Mergeln 
(Rossfelder  Schichten)  vertreten.  In  Nordtirol  lagert  dasselbe  noch 
concordant  auf  dem  Jura.  Weiter  ö.stlich  dagegen  besteht  häufig 
eine  auffallende  Discordanz  und  kommen  die  Neocombildungen, 
Niederungen  ausfüllend,  in  übergreifender  Lagerung  über  und  neben 
älteren  Ablagerungen  vor.  Die  mittlere  Kreide  fehlt  gänzlich.  Die 
obere  Kreide  ist  nur  unvollständig  durch  die  sogenannte  Gosau- 
bildung  vertreten,  welche  unabhängig  von  der  Verbreitung  des 
Neocom  im  ganzen  Gebiete  der  Nordostalpen  nur  als  Ausfüllung 
von  Buchten  vorkommt. 

Es  folgt  daraus,  dass  die  Nordostalpen  während  der  Kreidezeit 
bereits  allmählich  über  den  Meeresspiegel  auftauchten.  Die  Hebung 
begann  im  östlichen  Theil  und  schritt  von  da  gegen  Westen  fort. 

Eine  ähnliche  Transgression  der  oberen  Kreide  wie  in  den 
Nordostalpen  zeigt  sich  auch  in  der  Grazer  Devonbucht  (Kainach- 
thaler  Gosaubildung),    femer    am    Süd-    und    am    Westabhang   des 


♦)  Central-Apcnninen.  Geogn.  pal.  Beitr.  v.  Benecke,  II.,  p.  174. 


^ 


Die  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen.  27 

Bachergebirges,  im  unteren  Lavantthal  und  im  Gurkgebiet  bei 
Althofen  und  Guttaring.  Die  meisten  dieser  Ablagerungen  sind  noch 
sehr  wenig  bekannt  und  ist  es  noch  fraglich,  ob  die  im  Süden  der 
Centralkette  gelegenen  mit  dem  Gosau-Typus  oder  mit  der  süd- 
alpinen Kreide-Entwicklung  übereinstimmen. 

In  den  Südalpen  lagern  die  Kreidebildungen  concordant  auf 
dem  Jura.  Obwol  palaeontologisch  bis  jetzt  nur  wenige  Horizonte 
nachgewiesen  sind,  hat  die  Annahme  von  Lücken  wenig  Wahrschein- 
lichkeit fiir  sich.  Der  heteropische  Wechsel  ist  nicht  unbedeutend. 
Der  Eintritt  einer  Hebung,  wie  in  den  Nordostalpen,  ist  nicht 
nachweisbar. 

Indem  wir  zu  den  alttertiären  Bildungen  übergehen,  welche  in 
den  Westalpen  eine  bedeutende  Rolle  spielen  und  gebirgsbildend 
auftreten,  während  dieselben  nur  in  zwei  Buchten  (Unter-Innthal  und 
Reichenhall)  in  das  Innere  der  Nordostalpen  hineinreichen-,  erscheint 
es  am  Platze,  einer  bisher  unerwähnt  gebliebenen  Region  zu  ge- 
denken. Am  Nordrande  der  Nordostalpen  und  der  Karpathen  zieht 
sich  eine  landschaftlich  wol  charakterisirte,  meist  bewaldete  Hügel- 
kette mit  sanften,  abgerundeten  Formen  hin,  welche  den  Uebergang 
von  der  Ebene  zu  den  schroffen  Felsgestalten  der  Kalkalpen  und 
der  Karpathen  vermittelt,  die  sogenannte  Wiener  (resp.  Karpathen-) 
Sandsteinzone.  Den  Westalpen  sowol,  wie  den  Südalpen  fehlt 
diese  Zone  in  ihrer  orographisch  typischen  Gestalt.  Nachdem  längere 
Zeit  die  divergirendsten  Ansichten  über  das  Alter  des  Wiener  oder 
Karpathen-Sandsteines  (Flysch  *)  unvermittelt  einander  gegenüber- 
gestanden haben,  kann  man  die  heute  vorliegenden  Thatsachen  zu 
folgendem  Gesammtbilde  zusammenfassen.  In  den  Karpathen  umfasst 
die  Karpathen-Sandsteinfacies,  wie  die  Untersuchungen  von  Hohen- 
egger,  Paul  und  Tietze  gelehrt  haben,  die  gesammte  Kreide  und 
das  Alttertiär  einschliesslich  des  Oligocän.  Das  Gebiet  ist  mehrfach 
gefaltet  und  in  den  sogenannten  Klippenzügen  treten  aus  den  Sätteln 
der  tiefsten  Glieder  schollenförmig  zersprengte.  Theile  älterer  (juras- 
sischer) Kalke  hervor,  welche  mit  ihren  schroffen  Formen  klippen- 
artig aus  den  sanften  Gehängen  der  Sandsteine  emporragen.  An 
Breite  bedeutend   reducirt,    aber  noch  ganz   mit  den  karpathischen 


*)  Eine  interessante  Controverse  über  die  Genese  des  Flysches  hat  sich  in 
jüngster  Zeit  zwischen  Th.  Fuchs,  welcher  den  Flysch  fOr  das  Product  eruptiver 
Vorgänge  (Schlammvulcane)  erklärt,  und  K.  M.  Paul,  welcher  im  Einklänge  mit 
den  herrschenden  Ansichten  den  Flysch  fOr  eine  normale  Dctritusbildung  halt,  ent- 
sponnen. Vgl.  Fuchs,  Ueber  die  Natur  des  Flysches,  Sitz.  Ber.  Wien.  Akad.  1877, 
und  Paul,  Ueber  die  Natur  des  karpathischen  Flysches,  Jahrb.  Geolog.  R.-A.  1877. 


28  I^ic  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

Charaktem,  selbst  Klippenzüge  umschliessend,  tritt  die  Sandsteinzone 
bei  Wien  in  die  alpine  Region  ein.     Weiter   westlich,    etwa  in  der 
Gegend  von  Gmunden,    scheinen    die   Kreidebildungen   schon  ganz 
die  Sandsteinfacies  abgestreift  zu    haben,    während   die   alttertiären 
Theile  dieselbe  beibehalten   (Flysch).    Zwischen  den   Kalkalpen  und 
der  Sandsteinzone  läuft  eine  Bruchlinie  durch.    In  der  Gegend  von 
Füssen  nehmen  die  unter  dem  alttertiären  Sandstein  auftauchenden 
cretaceischen   Ablagerungen    den    Charakter     der     schweizerischen 
Alpenkreide   an.  Im  Bregenzerwalde   treten    dieselben  in  grösserem 
Umfange   und   selbst  mehrfach  gefaltet  zu  Tage  und  an  der  Canis- 
fluh  bei  Au  gestatten  sie  auch  schwarzem  Tithonkalke  der  schwei- 
zerischen    Elntwicklung     aus     der     Tiefe     emporzudringen.     Kleine 
klippenförmige     Juraschollen     mit     ostalpinem     Charakter    stecken 
mehrfach   bei   Sonthofen   und   Hindelang   im    eocänen  Flysch.    Das 
Kreidegebirge  des  Bregenzerwaldes   ist  nun   nichts   weiter,    als  die 
durch  den  Rhein  oberflächlich  unterbrochene  Fort.setzung  des  Sentis- 
Stockes.     Der  südliche  Flyschzug  des  Bregenzerwaldes  spaltet  sich 
in  zwei  Arme.  Einer  setzt  über  den  Rhein  in  das  Werdenbergische, 
der   andere   wendet   sich   südlich  und  begleitet  durch  Liechtenstein 
das  ostalpine  Triasgebirge. 

Jenseits  des  Rheins  zersplittert  sich  die  Flyschzone  über  die 
ganze  Breite  der  Kalkalpen.  Flysch-  und  Kalkzone  fallen  zasammen. 
Mächtige  Züge  von  Kreide-  und  Jurakalken  altemiren  in  dem  vielfach 
gefalteten  Gebirge  mit  stets  wieder  von  Neuem  ansetzenden  Flysch- 
zügen.  Man  könnte  die  Aufbrüche  der  ältereren  Kalke  mit  den 
Klippenzügen  der  Karpathen  vergleichen,  aber  es  fehlt  ihnen  eine 
bestimmt    eingehaltene,    continuirlich    fortlaufende    Streichungslinie. 

So  fallt  der  nördlichen  Kalkzone  der  Westalpen  die  gleiche 
orotektonische  Rolle  zu,  wie  der  Wiener  Sandsteinzone  der  Nordost- 
alpen. Die  nordöstlichen  Kalkalpen  verhalten  sich  wie  ein  Central- 
gebirge  zur  Wiener  Sandsteinzone,  welche  die  Fortsetzung  der 
schweizerischen  Kalkalpen  ist.  Man  könnte  sich  veranlasst  sehen, 
für  die  Wiener  Sandsteinzone  die  gleiche  oder  doch  annähernd 
gleiche  geologische  Entwicklungsgeschichte,  wie  für  die  westlichen 
Kalkalpen,  wegen  ihres  Zusammenhangs  mit  diesen  zu  supponiren. 
Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  einige  Thatsachen  für  den  Bestand 
einer  Landverbindung  zwischen  dem  böhmischen  Massiv  und  den 
Westalpen  zur  Triaszeit  sprechen.  Wir  werden  weiter  unten  bei  der 
Schilderung  der  triadischen  Bildungen  der  Ostalpen  'darauf  ein- 
gehender zurückkomrnen  und  wollen  hier  nur  erwähnen,  dass  that- 
sächlich  einige  Anhaltspunkte  für  die  Annahme  vorliegen,  dass  die 
Wiener    Sandsteinzone    zur    Triaszeit    grossentheils    Festlandssaum 


H 


Die  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen.  2Q 

gewesen  sei.  Alles  spricht  ferner  dafür,  dass  die  Wiener  Sandstein- 
zone zur  Kreide-  und  älteren  Tertiärzeit,  im  Gegensatze  zu  den  sich 
hebenden  Nordostalpen,  einen  sich  langsam  aber  fortdauernd  sen- 
kenden Meeresstrich  gebildet  hat.  Eine  Schwierigkeit  scheint  nur  die 
Erklärung  des  Vorkommens  jurassischer  Ablagerungen  mit  ostalpinem 
Typus  zu  bieten.  Doch  schwindet  bei  näherer  Ueberlegung  auch 
dieses  Bedenken.  Denn  zur  Liaszeit  war  nördlich  von  der  Sandstein- 
zone Festland  und  nur  von  Süden  her  drang  das  Meer  vor.  Auch 
das  Ineinandergreifen  der  helvetischen  und  ostalpinen  Entwicklung 
im  Bregenzerwalde,  dicht  an  der  Grenze  von  Ost-  und  Westalpen, 
bietet  nichts  Befremdendes  dar. 

In  das  Gebiet  der  heutigen  Mittelzone  der  Ostalpen  drang  das 
Eocänmeer  an  einer  Stelle  in  Unterkämten  ein,  welche  bereits 
zur  Zeit  der  oberen  Kreide  eine  Meeresbucht  gewesen  war.  Ein 
Relict  dieser  Buchtausfüllung  ist  das  räumlich  sehr  beschränkte 
Eocänvorkommen  bei  Guttaring. 

Auch  die  Eocänbildungen  des  steierischen  Sannthaies  und  des 
krainerischen  Savethales  dürften  in  tief  eingesenkten  Buchten  ein- 
gelagert worden  sein. 

In  den  übrigen  Theilen  der  Südalpen  scheinen  die  Eocän- 
bildungen concordant  über  den  Kreidebildungen  zu  lagern.  Sie 
erreichen  jedoch  hier  nicht,  wie  in  den  Westalpen  relativ  namhafte 
Höhen.  Es  muss  vorläufig  unentschieden  bleiben,  ob  sie  bedeutend 
grössere  Räume  bedeckten  und  durch  nachträgliche  Denudation 
entfernt  wurden  oder  ob  sie  blos  in  gewissen,  durch  Bruchlinien 
von  dem  übrigen  sich  erhebenden  Gebiete  losgelösten  Regionen  ab- 
gelagert wurden. 

Während  der  Miocänzeit  erhoben  sich  die  Westalpen  und 
die  Wiener  Sandsteinzone  über  das  Meeresniveau,  und  scheint  es, 
dass  die  Hebung  von  Westen  gegen  Osten  an  Intensität  abnahm. 
In  den  Südalpen  trat  die  Hebung  etwas  später  ein.  Am  Nordfusse 
der  Alpen  stritten  mit  wechselndem  Erfolge  Meer  und  Süsswasser 
um  die  Herrschaft,  ebenso  im  Osten,  aber  hier  gelang  es  dem 
Meere  stellenweise  noch  in  das  Innere  des  zerfurchten  Alpenrandes 
einzudringen.  Am  Südgehänge  der  Alpen  reichte  das  Miocänmeer 
ebenfalls  noch  in  einzelnen  Buchten  in  das  Innere  des  Gebirges. 

Während  der  Pliocänzeit  war  bereits  im  Norden  der  Alpen 
trockenes  Land,  das  Gebirge  erfuhr  noch  die  letzten,  in  ihrem 
Gesammtbetrage  gewaltigen  Aufrichtungen,  von  denen  insbesondere 
die  berühmte  Aufwölbung  und  Ueberschiebung  der  Molasse  längs 
dem  schweizeri.schen  Alpenrande  (Anticlinale  der  Molasse)  Zeug- 
niss  gibt. 


J 


-30  1^16  palaeogeographischen  Verhältnisse  der  Alpen. 

Diese  flüchtig  skizzirte  Entwicklungsgeschichte  des  Alpengebirges 
lässt  die  grosse  historisch-genetische  Verschiedenheit  der  Ost-  und 
Westalpen  in  ihren  Umrissen  klar  erkennen.*)  Es  würde  uns  zu 
weit    von    unserer   Aufgabe   abfuhren,    wenn    wir    auch    die   nicht 


*)  Die  bisherige  Dreitheilung  der  Alpen  in  Ost-,  Mittel-  und  Westalpen  ist 
in  den  natürlichen  Verhältnissen  nicht  begründet,  wie  ich  an  einer  anderen  Stelle 
bereits  gezeigt  habe  (Zeitschrift  d.  D.  Alpenvereins,  4.  Band).  Ein  ausgezeichneter 
Geograph  hat  sich  (A.  a.  O.  6.  Bd.)  umständlich  gegen  die  von  mir  vorgeschlagene 
Zweitheilung  ausgesprochen  und  die  Prätension  der  Geologen  „das  Gebirge  nach  ihren 
Ansichten  eingetheilt  zu  sehen"  getadelt.  Ich  kann  diesen  Vorwurf  ruhig  hinnehmen. 
Vom  blossen  Utilitäts-Standpunkte  aus  mag  es  recht  bequem  sein,  die  Thiere  und 
Pflanzen  lediglich  nach  ihren  äusseren  Merkmalen,  nach  Farbe,  Grösse,  Bekleidung 
und  etwa  auch  nach  dem  Nutzen,  den  sie  dem  Menschten  gewähren,  zu  classi6ciren.  Aber 
wer  vermöchte  ein  naturhistorisches  System  auf  solcher  Grundlage  ernst  zu  nehmen : 
Gewiss  haben  die  äusseren  Merkmale  auch  ihre  naturhistorische  Bedeutung,  aber 
sie  können  nur  zu  Unterscheidungen  letzter  Ordnung  vortheilhafi  verwendet  werden. 
Das  Kriterium  einer  wissenschaftlichen  Eintheilung  besteht  darin,  dass  sich  dieselbe 
mit  logischer  Nothwendigkeit  aus  dem  inneren  Wesen  des  einzutheilenden  Objectes 
ergibt.  Es  ist  eine  Selbsttäuschung,  die  physikalische  Geographie  als  eine  besondere 
Wissenschaft  der  Geologie  gegenüberzustellen.  Die  Geographie  von  heute  ist  nur 
die  Geologie  von  heute.  Zur  Wissenschaft  wird  das  trockene  Thatsachen-Register 
erst,  wenn  man  ihm  durch  die  Darlegung  des  inneren  Zusammenhanges  und  der 
gegenseitigen  Wechselbeziehungen  geistiges  Leben  einzuhauchen  vermag. 

Gegen  die  bisherige  Praxis  der  Alpengliederung  nach  den  plastischen  Verhält- 
nissen der  centralen  Zone  liess  sich  so  lange  kein  triftiger  Einwand  erheben,  als  nicht  ein 
Eintheilungsprincip  höherer  Ordnung  bekannt  war.  Seitdem  aber  nachgewiesen  ist,  dass 
die  Alpen  in  zwei  grosse,  unter  einander  verschiedene,  in  sich  selbst  aber  wesentlich 
einheitliche  Abschnitte  zerfallen,  wird  diese  Zweitheilung  in  der  wissenschaftlichen 
Nomenclatur  der  Alpen  auch  ihren  entsprechenden  Ausdruck  ünden  müssen.  Die 
Trennungslinie  selbst  wird,  aus  Rücksicht  auf  die  leichtere  Verwendbarkeit,  will- 
kürlich na:h  der  geeignetsten  Tiefenlinie  gezogen  werden  können,  auf  die  Gefahr 
hin,  dass  in  der  Natur  ein  wechselseitiges  Uebergreifen  über  die  Linie  stattfindet. 
Analoger  Deviationen  vom  starren  Princip  macht  sich  die  Wissenschaft  in  zahllosen 
Fällen  schuldig,  aber  sie  hält  strenge  darauf,  dass  dieselben  nur  subsidiarisch 
Platz  greifen. 

Bei  der  Zweitheilung  ergibt  sich  übrigens  noch  eine  merkwürdige  morpho- 
logische Homologie  zwischen  den  beiden  Abschnitten,  auf  welche  ich  hinweisen 
möchte,  ohne  jetzt  schon  theoretische  Folgerungen  daran  zu  knüpfen.  Die  Be- 
trachtung einer  guten  hypsometrischen  Karte  (z.  B.  der  Steinhauser*schen)  lehrt, 
dass  die  Massenerhebungen  der  krystallinischen  Zone  sich  im  westlichen  Theile  der 
Ostalpen  in  einem  breiten  Streifen  gegen  SSW.  wenden,  wodurch  erstens  eine 
ansehnliche  Abschnürung  an  der  Grenze  zwischen  Ost-  und  Westalpen  Hervorgebracht 
und  zweitens  ein  grosser,  gegen  SO.  offener  Bogen  gebildet  wird,  welchen  die 
mesozoischen  Bildungen  des  südlichen  Tirols  u.  s.  f.  ausfüllen.  Es  ist  dies  eine 
Wiederholung  derselben  Erscheinung,  welche  die  bogenförmig  die  piemontesische 
Ebene  umringenden  Westalpen  zeigen.  Wäre  die  südliche  Nebenzone  der  Ostalpen 
in  die  Tiefe  gesunken,  so  wäre  die  Homologie  noch  viel  auflfälliger.  Den  Westalpen 
fehlt  bekanntlich  auf  der  Innenseite  eine  jüngere  Nebenzone. 


Die  palaeogeographischen  Verhaltnisse  der  Alpen.  ^I 

unbedeutenden  structurellen  Verschiedenheiten  zwischen  diesen  beiden 
grossen  Abschnitten  des  Alpengebirges  besprechen  wollten.  Eines 
sei  aber  noch  bemerkt.  So  verschiedenartig  die  Geschichte  der 
Ost-  und  Westalpen  auch  ist,  so  tritt  doch,  wenn  auch  mit 
ungleicher  Intensität  und  zu  verschiedenen  Zeiten,  eine  bestimmte 
Tendenz  nach  homologer  Entwicklung  klar  hervor.  Wenn  der  eine 
Theil  in  dieser  Richtung  vorausgeeilt  ist,  so  holt  ihn  der  andere 
Theil  in  einer  folgenden  Periode  mit  verdoppelter  Energie,  gewisser- 
massen  im  Eilschritt  wieder  ein,  oder  überholt  ihn  sogar,  aber  am 
Ende  des  Wettlaufes  langen  beide  gleichzeitig  am  Ziele  an. 


IIL  CAPITEL. 

Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Forma- 
tionen der  Ostalpen,  mit  besonderer  Rücksicht  auf 

Südtirol. 

Permische  Bildungen:  Quarzporphyr.  Vcrrucano.  Grödener  Sandstein.  Bellerophonkalk.  - 
Triadische  Bildungen:  Allgemeines.  Verhaltniss  zur  mitteleuropäischen  Trias.  Werfener 
Schichten.  Der  untere  Muschelkalk.  Beginn  der  heteropischen  Spaltung.  Der  obere  Muschel- 
kalk. Die  norische  Stute.  Juvavische  und  mediterrane  Provinz.  Buchensteiner  Schichten. 
Wengener  Schichten.  Die  karnische  Stufe.  Cassianer  Schichten.  Raibler  Schichten.  Dachstein- 
Schichten.  Die  rhätis^che  Stute.  Kössener  Schichten.  Tabellen  der  juvavischen  und  medi- 
terranen Triasprovinzen,  sowie  des  germanischen  Trias-SeeV  -  Jurassische  Bildungen: 
Mediterrane  und  mitteleuropäische  Provinz.  Lückenhaftigkeit  des  mediterranen  Jura.  Der  Lias. 
Der  Dogger.  Der  Malm.  -  Cretaceische  Bildungen:  Allgemeines  über  die  mediterrane 
Kreide.   Die  choroiogischcn  Verhältnisse  der  ostalpinen  Kreide. 

An  dem  Aufbau  des  in  diesem  Buche  zu  schildernden  Ge- 
birgslandes  nehmen  archaeische,  palaeozoische,  mesozoische  und  käno- 
zoische  Felsbildungen  Theil.  Die  ältesten  geschichteten  Felslager 
sind  kry!=;tallinische  Schiefer,  die  jüngsten  Meeresbildungen  stehen  im 
Alter  den  älteren  Ablagerungen  des  Wiener  Tertiärbeckens  gleich. 
Die  steinernen  Schriftzüge  unserer  Felsberge  reichen  somit  aus  der 
grauen  Vorzeit  der  Erdgeschichte  bis  nahezu  in  die  Gegenwart  hinein, 
und  mächtige  Geröllbildungen  und  Wanderblöcke  erzählen  uns  von 
den  Zuständen  und  Vorgängen  hart  am  Beginne  der  heutigen 
Ordnung  der  Dinge. 

Diejenigen  Bildungen,  welche  vorzugsweise  an  der  Zusammen- 
setzung unserer  Gebirge  betheiligt  sind  und  zugleich  die  Hauptrolle 
in  den  beiden  Kalkalpen-Zonen  des  Ostens  spielen,  sind  permischen 
und  mesozoischen  Alters.  Es  ist  für  das  Verständniss  des  Zusammen- 
hangs unbedingt  nöthig,  den  Detailschilderungen  eine  gedrängte 
Uebersicht  der  Verhältnisse  und  der  Gliederung  dieser  Formationen 
vorausgehen  zu  lassen. 


Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen  etc.       ^^ 

Ueber  die  älteren  Ablagerungen  sowie  über  die  Tertiär-  und 
jüngeren  Schuttbildungen  werden  wir  die  nöthigen  Auskünfte  an 
passenden  Stellen  der  Detailschilderungen  einschalten. 

Permische  Bildungen. 

/.  Ueber  den  Phylliten  lagern  in  der  ganzen  Ausdehnung  unseres 
Gebietes  permische  Ablagerungen.  Hierher  gehört  vor  Allem  die 
mächtige  und  ausgedehnte  Quarzporphyr-Platte  von  Bozen, 
welche  westlich  bis  an  die  Bruchlinie  von  Judicarien  und  Nonsberg 
reicht  und  um  die  Südspitze  der  Adamello-Masse  herum  bis  nach 
Val  Trompia  vordringt.  Die  deckenformige  Lagerung  ist  allent- 
halben klar  ausgesprochen.  Gleich  einer  sedimentären  Schicht  nimmt 
der  Porphyr  an  allen  tektonischen  Störungen  Theil.  In  der  Bozener 
Gegend  unterscheidet  man  deutlich  mehrere  Lager  und  mächtige 
Systeme  von  Tuffsandsteinen  und  Conglomeraten.  Wahrscheinlich 
sind  auch  diese  Lager  nicht  als  einheitliche  Ströme,  sondern  als 
Complexe  von  Strömen  aufzufassen,  was  aber  erst  durch  sorgfältige, 
schrittweise  vorgehende  Untersuchungen  festgestellt  werden  könnte. 

Wo  der  Porphyr  fehlt,  tritt  an  seiner  Stelle  eine  Conglomerat- 
masse  mit  Gerollen  von  krystallinischen  Schiefergesteinen,  Porphyr 
und  selten  auch  von  älteren  Kalksteinen  auf  Quarzgerölle  sind  vor- 
herrschend. Die  Porphyrgerölle  finden  sich  nur  in  der  Nähe  der 
Porphyrgrenze  zahlreich.  Fusulinenkalk-Gerölle  kommen  im  Sexten- 
thale  in  der  Nachbarschaft  des  palaeozoischen  Gebirgszuges  der 
Kamischen  Alpen  vor.  Nicht  selten  begegnet  man  in  diesen  ^Ver- 
rucano*  genannten  Conglomeraten  und  Sandsteinen  isolirten  Strom- 
enden des  Porphyrs,  welche  häufig  für  Porphyrgänge  gehalten 
wurden.  In  der  Grenzregion  zwischen  Porphyr  und  Verrucano  findet 
ein  wechselseitiges  Ineinandergreifen  statt. 

^  Die  Färbung  des  Conglomerats  ist  in  der  Regel  in  unserem 
Gebiete  grau,  die  der  Sandsteine  gelblich-weiss  bis  roth.  Aehnliche, 
kaum  unterscheidbare  graue  Conglomerate  finden  .sich  übrigens  auch 
in  den  alpinen  Carbonbildungen. 

Für    die    Altersbestimmung    entscheidend    waren    die    Unter- 
suchungen von  Suess  in  Val  Trompia,    wo   eine   zwischen   einem 
unteren   Porphyrlager   und   einem  oberen  Verrucano  eingeschaltete 
Schiefermasse  zahlreiche  durch  Geinitz  bestimmte  Pflanzenreste  des 
^deutschen  Rothliegenden  enthält.     Die  wichtigsten  Formen  .sind: 
Walckia  piniformis  SchL  sp. 
„        filicifomtis  Schi.  sp. 
Schizopteris  fasciculata  var.  Zwickaviaisis  Gutb. 

Mo)  si  so  vi  CS,  Dolomitriffe.  3 


f1 
tf 


9A        Uebersicht  der  pennischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Splienopteris  tridactylites  Br. 

oxydata  Goep, 
Suesst   Gein. 

Eine  jüngere   Permflora   ist   kürzlich   von   Boeckh    bei   Fünf- 
kirchen in  Ungarn  entdeckt  und  von  O.  Heer*)  beschrieben  worden. 
Sie  stammt  aus  den  schiefrigen  Zwischenmitteln  eines  grauen  Sand- 
steines, welcher  unmittelbar  von  Verrucano-Conglomeraten  mit  Quarz- 
porphyr-Geröllen  überlagert  wird,  und  besteht  aus: 
Baieria  digitata  Brg.  sp. 
Ulltnannia  Geinitzi  Hr. 
Voltzia  hungarica  Hr. 
„        Böckhiana  Hr. 
Schizolepis  permensis  Hr. 
Carpolithes  Klockeamis  Gcin.  sp. 

hunnisus  Hr. 
foiwolaUts  Hr. 
Eiselianus  Gein.  sp. 
libocedroidcs  Hr. 
Geinitzi  Hr. 

Fast  die  Hälfte  der  Arten  stimmt  mit  solchen  des  deutschen 
Kupferschiefers  überein.  Voltzia  hungarica  ist  die  häufigste  Pflanze. 
Bereits  Heer  betonte  als  auffallende  Thatsache  das  Vorkommen 
der  vorher  nur  aus  rhätischen  Schichten  bekannten  Gattung  Schizo- 
lepis, und  E.  Weiss*)  lenkte,  durch  die  Fünfkirchner  Funde  ver- 
anlasst, die  Aufmerksamkeit  der  Palaeontologen  auf  den  auffallend 
triadischen  Charakter  der  permischen  Floren. 

2.  Ueber  dem  Porphyr  oder  über  dem  Verrucano  folgt  ein  rother 
Sandstein  in  massig  starken  Bänken,  der  sogenannte  Grödener 
Sandstein.  Wo  er  den  Porphyr  überlagert,  ist  die  Grenze  keine 
srharfe.  Der  Porphyr  wird  gegen  oben  dünnplattig,  löst  sich  in 
breiten  Schalen  ab  und  geht  allmählich  in  leicht  zu  Grus  zerfallende 
Conglomerate*über.  Dazwischen  schieben  sich  dünne  Sandsteinbänke 
ein.  Die  Schichtflächen  der  höher  liegenden  Bänke  sind  häufig  mit 
sogenannten  Wellenschlag-Eindrücken  bedeckt  und  zeigen  auch  wol 
undeutliche,  an  Reptil-Fährten  erinnernde  Zeichnungen  und  Trocknungs- 
Risse.  Man  hat  diese  Bänke  mit  dem  Cheirotherien-Sandstein  des 
deutschen   Buntsandsteins  verglichen   und   den   Grödener   Sandstein 


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*)  lieber  permische  Pflanzen  von  FOnfkirchen.  Mitth.  a.  d,  Jahrb.  d.  k.  ung. 
geol.  Anst.  Bd.  V. 

*•)  Ueber  die  Entw-ickelung  der  fossilen  Pflanzen  in  den  geologischen  Perioden. 
Zeitschr.  d.  geol.  Ges.  1877,  p.  253. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol. 


35 


überhaupt   wegen   seiner   Lagerung   mit   dem   isopischen   Buntsand- 
stein identificirt. 

Von  organischen  Einschlüssen  kannte  man  bis  auf  die  neueste 
Zeit  blos  verkohlte  schlecht  erhaltene  Pflanzenstengel  und  kleine, 
nicht  abbauwürdige  Kohlenflötzchen.  Erst  kürzlich  entdeckte  Gümbel 
in  dem  weissen  Sandstein  mit  den  Wellenschlägen  sowie  in  höher 
gelegenen  lettigen  Zwischenschichten  an  der  Strasse  von  Neu  markt 
nach  Mazzon  im  Etschthale  besser  erhaltene  Pflanzenreste,  unter 
welchen  er  die  charakteristischen  Formen  der  Permflora  von  Fünf- 
kirchen wiederfand  *)  Auch  Ullmannia  Bronni,  eine  von  Fünfkirchen 
noch  nicht  bekannte  Kupferschiefer-Pflanze,  soll  sich  gefunden  haben. 
Mit  Voltzia  hungarica  dürfte  nach  Gümbel's  Ansicht  die  schon  seit 
längerer  Zeit  aus  dem  untersten  Grödener  Sandstein  von  Recoaro 
bekannte  Palissya  Massalongi  Schaur,  übereinstimmen. 

Nach  diesen  Bestimmungen  scheint  die  oberpermische  Flora 
von  Füntkirchen  aufwärts  in  den  Grödener  Sandstein  fortzusetzen- 
Der  deutsche  Buntsandstein  ist  arm  an  Pflanzenresten  und  gewährt 
uns  keine  Anhaltspunkte  zur  Beurtheilung  seines  Verhältnisses  zu 
dem  Grödener  Sandstein.  Nur  aus  der  obersten  Abtheilung  des 
Buntsandsteines,  aus  dem  Roth,  kennt  man  die  von  Schimper  und 
Mougeot  beschriebene  Flora  des  elsässisch-lothringischen  Voltzien- 
Sandsteines.  Diese  ist  aber  verschieden  von  der  Flora  von  Fünf  kirchen. 

3.  In  unserem  Gebiete,  dann  im  angrenzenden  Friaul  ist  durch 
die  neueren  Untersuchungen  ein  sehr  interessantes  Glied,  das  wir 
kurzweg  ,Bellerophonkalk*  nennen,  bekannt  geworden.  Zu- 
unterst, unmittelbar  über  dem  Grödener  Sandstein,  liegen  gewöhnlich 
Gypse  und  Halbgypse  (stellenweise  auch  Alabaster)  in  Verbindung 
mit  Thon,  darüber  kleinmaschige  Rauch wacken,  Zellenkalke  und 
dunkle  Dolomite,  zuoberst  fossilreiche,  dunkle,  häufig  bituminöse 
Kalke  (eigentlicher  Bellerophonkalk).  Die  Mächtigkeit  dieser  Unter- 
abtheilungen ist  eine  sehr  wechselnde.  Die  weiteste  Verbreitung 
haben  die  Gypse,  welche  in  sonst  bei  Gypsen  seltener  Constanz  fast 
unser  ganzes  Gebiet  durchziehen  und  noch  weit  nach  Friaul  hinein- 
reichen. Nächst  den  Gypsen  zeigen  die  Rauchwacken  und  schwarzen 
Dolomite  eine  bedeutende  Ausdehnung.  Die  fossilreichen  Kalke  sind 
vorzugsweise  auf  den  Norden  unseres  Gebietes  beschränkt,  von  wo 
sie  dann  nach  Friaul  weiter  streichen.  In  Val  Sugana,  dann  bei 
Trient  treten  an  Stelle  der  geschilderten  Gesteine  lichte,  häufig 
polyedrisch  zerbröckelnde  Kalke  mit  rothen  Flasern   und  gelblicher 


♦)  Verh.  Geol.  R.-A.  1877,    p.  23.  —    Die   geogn.   Durchforschung   Bayerns. 
Festschrift  der  MOnchener  Akademie,  1877,  pag.  57. 

3» 


36        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Verwitterungsrinde.  Diese  Gesteine  besitzen  einige  Aehnlichkeit  mit 
dem  Röthidolomit  Vorarlbergs  und  der  Schweiz  und  mit  dem  Schwatzer 
Kalk  Nordtirols. 

Die  Schichtgruppe  des  Bellerophonkalkes  ist  bisher  mit  dem 
sie  überlagernden,  an  der  Grenze  sogar  durch  Wechsellagerung  mit 
ihr  verbundenen  Werfener  Schiefer  zusammengefasst  worden.  Die 
Veranlassung  zu  ihrer  Ausscheidung  boten  die  vorher  nicht  bekannt 
gewesenen  Fossilien,  welche  Stoff  zu  anregenden  Discussionen  geben. 

Stäche,  welcher  das  bei  unseren  Aufnahmen  gesammelte  Ma- 
terial untersuchte,*)  nennt  als  wichtigste  Formen: 

Nautilus  Hoemesi  St. 
„         crux  St. 
„         Sebcdinus  St. 
„        fugax  Mojs. 
Rellerophon   Ulrici  St. 

„  pcregrinus  Lbe. 

„  Jacobi  St. 

„  cadoriais  St. 

„  Sextaisis  St. 

„  Gümbcli  St. 

„  Janus  St. 

„  Coviclicanus  St. 

„  psetidohclix  St. 

„  Mojsväri  St. 

Hinnites  crinifcr  St. 
Pcctcn  (Entoliiofi)  tirolensis  St. 
yy       (Vota)  prac Cursor  St. 
„      pardulus  St. 
Aviculopecten   Trinkcri  St. 

„  comelicanus  St. 

„  Gümbcli  St. 

Avicula  cifigulata  St. 
yy         striatocostata  St. 
„        filicosta  St. 
Bakeivcllia  cf.  ccratophaga  Kifig. 
Schizodus  cf.  truncatus  Kiftg. 
Spirifer  vultur  St. 
„        ladinus  St. 
mcgalotis  St. 


n 


•)  Fauna  der  Bellerophonkalke  Südtirols.  Jahrb.  d.  Geol.  R.-A.   1877  u.  1878. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  37 

Spirifer  Haueri  St. 

^        cadoricus  St. 

^        dissectus  St. 

jy        Sextensis  St. 
Spirigera  Janiceps  St. 
Streptorhynchtis  tirolensis  St. 
„  Pichleri  St. 

Orthis  sp. 
Strophomena  sp. 
Leptaena  sp, 
Prodiictus  cadoriais  St. 

Diese    Mollusken-Fauna    besitzt    einen   ausgesprochen    palaeo 
zoischen    Charakter.     Zwei     Formen    (Schisodus    cf.    tmncatiis    und 
Bakewellia  cf.  ceratophaga)  erinnern  an  Zechsteinarten.    Die  übrigen, 
durchaus  neuen  Formen  schliessen  sich  carbonischen  Arten  zunächst  an. 

Gümbel,  welcher  die  Foraminiferen  und  Ostracoden  bearbeitet, 
betont  dagegen  den  mesozoischen  Charakter  der  Foraminiferen.  Doch 
beweist  Stäche's  Fund  einer  Fusiäina  (Fus.  [Orobias]  Gümbeli  St.), 
dass  auch  hier  noch  carbonische  Anklänge  vorhanden  sind. 

Da  der  Bellerophonkalk  über  Rothliegendem  liegt,  so  scheint 
bei  dem  rein  palaeozoischen  Charakter  der  Fauna  kaum  ein  anderer 
Schluss  möglich,  als  dass  er  Zechstein  mit  einer  stark  individuali- 
sirten  Localfauna  sei.  Nachdem  der  in  England  und  im  nördlichen 
Deutschland  auftretende  Zechstein  gegen  Süden  auskeilt,  so  könnte 
m^  zu  Gunsten  einer  solchen  Auffassung  sich  sogar  auf  eine  immer- 
hin bedeutende  geographische  Schranke  berufen. 

Indessen  lässt  sich  die  Frage  nach  dem  Alter  des  Bellerophon- 
kalkes  noch  von  anderen  Gesichtspunkten  betrachten.  Der  Zechstein 
ist  eine  zwischen  heteromesischen  Bildungen  eingeschaltete  Ablage- 
rung, sein  Alter  ist  das  des  Rothliegenden,  wie  die  Verhältnisse  in 
Russland  beweisen.  Zwischen  der  an  der  Basis  der  productiven 
Kohlenformation  eingeschalteten  marinen  Fauna  mit  Goniatites  Listen 
und  dem  Zechstein  besteht  eine  Lücke,  in  welche  wahrscheinlich  die 
sogenannten  Permocarbonbildungen  des  Nordens,  Nordamerika's  u.  s.  w, 
hineinfallen.  Das  Zechsteinmeer  rückte  aus  arktischen  Regionen  gegen 
Süden  vor.  Die  Verbindung  mit  dem  Meere  wurde  aber,  ehe  die 
Fauna  sich  weiter  entwickelte,  wieder  unterbrochen.  Es  bildeten 
sich,  wie  Ramsay  auf  anderem  Wege  nachzuweisen  suchte,  grosse 
Inlands-Salzwasserbecken,  die  nach  kurzem  Bestände  theils  ausgesüsst 
wurden,  theils  eintrockneten.  In  den  Alpen  sind  zwar,  wie  aus  den 
Untersuchungen  Stäche 's  hervorgeht,  Permocarbonbildungen  höchst 


^8        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

wahrscheinlich  vorhanden.  Mit  ihnen  ist  aber  die  Reihe  der  con- 
cordant  gelagerten  carbonischen  Formationen  geschlossen.  Es  folgt 
nun  auch  in  den  Alpen  die  Rothliegend-Episode.  Erst  mit  der  Rück- 
kehr mariner  Bedingungen  gelangte  die  Fauna  des  Bellerophonkalkes 
in  das  Alpengebiet. 

Beide  Faunen,  die  des  Zechsteins  und  des  Bellerophonkalkes, 
sind  demnach  immigrirt,  nicht  autochthon,  und  können  nicht  als 
individualisirte  Localfaunen  betrachtet  werden.  Dass  sie  aus  ver- 
schiedenen Meeresprovinzen  stammen,  ist  übrigens  nicht  nur  möglich, 
sondern  sogar  sehr  wahrscheinlich. 

Die  Annahme,  dass  die  beiden  Faunen  gleichzeitig  sind,  er- 
scheint nun  um  so  willkürlicher,  als  auch  keine  gemeinsamen  Formen 
bekannt  sind.  Besteht  aber  ein  Unterschied  des  Alters,  so  werden 
wir  die  Zechsteinfauna  wegen  ihres  Anschlusses  an  die  Permocarbon- 
Faunen  für  die  ältere  halten  dürfen. 

Es  wäre  nun  noch  das  Verhältniss  zu  den  nächstjüngeren  Bil- 
dungen zu  besprechen.  Ueber  dem  Zechstein  folgt  in  Deutschland 
und  England  der  Hauptbuntsandstein,  eine  jüngere  heteromesische 
Bildung.  Der  Beilerophonkalk  wird  von  den  Werfener  Schichten,  einer 
heteropischen  Bildung,  überlagert.  Eine  marine  Fauna  des  Hauptbunt- 
sandsteins ist  nicht  bekannt.  Die  Fauna  der  Werfener  Schichten  besitzt 
neben  vielen  eigenthümlichen  Formen  einige  mit  dem  deutschen  Roth 
und  Muschelkalk  gemeinsame  Arten,  und  erst  vor  kurzer  Zeit  wollte 
Gümbel  sie  dem  unteren  Muschelkalk  einreihen.  Ist  nun  der  Belle- 
rophonkalk  jünger  als  Zechstein,  so  dürfte  ihm  der  Hauptbuntsand- 
stein im  Alter  gleichstehen.  Sollten  aber  Beilerophonkalk  und  Zechstein 
zusammenfallen,  dann  wären  Hauptbuntsandstein  und  Roth  hetero- 
mesische Bildungen  vom  Alter  der  Werfener  Schichten. 

Wir  stehen  also  vor  einer  gegenwärtig  noch  schwer  definitiv  zu 
lösenden  Alternative,  halten  es  jedoch  fiir  zweckmässig,  den  Belle- 
rophonkalk  unbedingt  noch  den  Permbildungen  anzureihen.  Die  Rück- 
sicht auf  die  Conventionellen  Eintheilungen  darf  nicht  so  weit  gehen, 
Correcturen  auszuschliessen,  welche  einen  Fortschritt  des  Systems 
bezeichnen.  Auf  die  Ueberlagerung  heteromesischer  Formationen 
basirte  Grenzlinien  können  nur  eine  provisorische  Geltung  haben 
Die  Grenzlinie  zwischen  Perm  und  Trias  beruht  nun  auf  dem  Gegen- 
satz zwischen  der  palaeozoischen  Permfauna  und  der  mesozoischen 
Muschelkalk-(Röth-)Fauna.  Ergibt  sich ,  dass  der  heteromesische 
Hauptbuntsandstein  mit  einer  bisher  unbekannten  jüngeren  Fauna 
von  palaeozoischem  Charakter  gleichaltrig  ist,  so  fordert  der  dem 
Conventionellen  Trennungsprincip  zu  Grunde  liegende  Gedanke  eine 
entsprechende  Grenzberichtigung. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  3p 

Triadische  Bildungen. 

Die  Ostalpen  bilden  das  vollständigste  und  reichste  marine 
Triasterritorium,  welches  man  bisher  kennt.  Was  England  und 
Nordamerika  für  die  palaeozoischen  Formationen  im  Allgemeinen, 
Böhmen  für  das  Silur,  was  das  Juragebirge  für  den  Jura,  was  das 
anglo-gallische  Becken  für  die  Kreide  ist,  das  sind  die  Ostalpen 
fiir  die  Trias. 

Es  ist  in  der  geologischen  Entwicklungsgeschichte  der  grossen 
Continentalmassen  begründet,  dass  marine  Triasbildungen  nur  in 
schmalen  Randzonen  vorkommen.  Die  Triaszeit  war  für  unsere 
heutigen  Festlandsgebiete  eine  Continentalperiode,  welche  zur  Perm- 
zeit bereits  begann.  Die  grossen  marinen  Triasterritorien  liegen  heute 
unter  dem  Seespiegel.  Suess*)  hat  darauf  hingewiesen,  dass  die 
bekannten  marinen  Triasstriche  in  die  Regionen  der  kräftigsten  Gebirgs- 
bildungen  fallen. 

Die  uns  zugänglichen  Triasbildungen  werden  uns  nur  ein  sehr 
unvollständiges,  lückenhaftes  Bild  der  pelagischen  Triasfaunen  liefern. 
Den  Zusammenhang  des  Ganzen  werden  wir  aus  den  wenigen,  zu- 
fällig auf  uns  überkommenen  Fragmenten  nur  ahnen  können.  Darin 
liegt  aber  die  grosse  Bedeutung  unserer  ostalpinen  Trias,  dass  hier 
die  vollständigste  Sammlung  jener  alten  Urkunden  und  Regesten 
aufbewahrt  ist. 

Es  wird  zwar  bereits  ziemlich  allgemein  anerkannt,  dass  die 
deutsche  Trias  eine  locale,  nicht  normale  Formationsreihe  darstellt. 
Aber  man  ist  doch  noch  so  sehr  gewöhnt,  dieselbe  als  den  Typus 
schulgerechter  Entwicklung  zu  betrachten,  dass  man  bei  Vergleichungen 
stets  von  ihr  ausgeht,  in  Lehrbüchern  ihr  den  Ehrenplatz  einräumt 
und  mit  parteiischer  Ausführlichkeit  ihre  unwesentlichsten  Eigen- 
thümlichkeiten  behandelt. 

Die  ostalpinen  Triasbildungen  haben  ausser  durch  ihren  stellen- 
weisen Reichthum  an  echten  Ammoniten  besonders  noch  durch  das 
Auftreten  einer  Anzahl  palaeozoischer  Gattungen,  unter  welchen 
Orthoceras  eine  hervorragende  Stellung  einnimmt,  die  Aufmerksam- 
keit auf  sich  gelenkt.  Die  Zahl  dieser  alterthümlichen  Geschlechter 
ist  neuerdings  durch  einen  von  Herrn  Zugmayer  in  den  Wengener 
Schichten  von  Ampezzo  gefundenen  Producius  vermehrt  worden. 
Das  Auftreten  alter  Typen  in  den  heutigen  grossen  Meerestiefen 
würde,  wie  Suess  hervorgehoben  hat,  das  scheinbar  abnorme  Vor- 
kommen halbverstorbener  Gattungen  in  der  alpinen  Trias  ungezwungen 


•)  Entstehung  der  Alpen.  Pag.  102. 


2f.O       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

durch  die  Annahme  ähnlicher  Tiefenverhältnisse  erklären.  Der 
ausserordentliche  chorologische  Wechsel  in  den  Triasbildungen 
der  Ostalpen,  sowie  der  Charakter  vieler  alpiner  Ablagerungen, 
lässt  sich  jedoch  schwer  mit  der  Annahme  wirklich  bedeutender 
Meerestiefen  vereinbaren.  Es  handelt  sich  zunächst  darum,  die  wahre 
Natur  der  mitteleuropäischen  Trias  zu  ejkennen.  Die  marine  Thier- 
welt  des  Muschelkalks  zeichnet  sich  nicht  so  sehr  durch  eine  grosse 
Mannigfaltigkeit  an  Geschlechtern  und  Arten,  als  vielmehr  durch 
den  Reichthum  an  Individuen  weniger  Gattungen  und  Arten  aus. 
Eis  ist  eine  arme  reducirte  Fauna,  in  welcher  Pelecypoden  eine  her- 
vorragende Rolle  spielen.  Die  eigenartige  Entwicklung  der  sehr 
dürftigen  und  einseitigen  Cephalopodenfauna  weist  auf  eine  Isolirung 
des  Beckens  hin.  Da  wird  denn  die  Annahme  sehr  nahe  gelegt, 
dass  der  Muschelkalk  die  Bildung  eines  blos  durch  eine  schmale 
und  seichte  Meerenge  mit  dem  offenen  Meere  communicirenden 
Binnenmeeres  nach  Art  des  heutigen  Schwarzen  Meeres  sei.  *)  Als 
die  Verbindung  mit  der  See  ganz  aufgehoben  war,  verwandelte  sich 
dann  das  Binnenbecken  allmählich  in  den  Brackwasser-See  des 
Keuper,  welcher  erst  am  Schlüsse  der  Triasperiode  zur  rhätischen 
Zeit  wieder  von  echtem  Seewasser  benetzt  wurde. 

Bei  dieser  Anschauungsweise  wird  die  Annahme  einer  Tiefsee 
für  die  alpine  Trias  überflüssig.  Alles  erklärt  sich  in  ungezwungenster 
Weise.  Hier  in  den  Alpen  die  normale,  pelagische  Fauna  massig 
tiefer  Meeresgründe  bei  geringer  Entfernung  von  der  Küste,  dort 
in  Deutschland  anfangs  eine  pontische,  später  eine  caspische  Fauna.  **) 

Die  Bezeichnung  Trias  wurde  bekanntlich  im  Hinblick  auf  die 
Dreizahl  der  Formationen  (Buntsandstein,  Muschelkalk  und  Keuper), 
welche  die  Trias  in  Deutschland  umfasst,  gewählt.  Sie  ist  eine  der 
unglücklichsten,  welche  in  die  Stratigraphie  Eingang  gefunden  haben, 
und  passt  nur  auf  die  localen  deutschen  Verhältnisse.  Selbst  fiir  die 
Fortsetzungen  des  deutschen  Triasbeckens  in  England  und  Frankreich 
hat  der  Name  keine  Berechtigung  mehr,  die  heteromesische  Trias 
geht  in  eine  Dyas  und  Monas  über. 


*)  Es  gereicht  mir  zu  grosser  Befriedigung,  constatiren  zu  können,  dass 
Th.  Fuchs  (Ueber  die  Natur  der  sarmatischen  Stufe  und  deren  Analoga  in  der 
Jetztwelt  und  in  früheren  geologischen  Epochen.  Sitz.-Ber.  Wien.  Akad.  1877.  März- 
Heft)  unabhängig  von  mir  und  theilweise  von  anderen  Prämissen  ausgehend,  -zur 
gleichen  Anschauung  ober  die  Natur  des  deutschen  Muschelkalkes  gelangte. 

**)  Ein  interessantes  Bild  der  geographischen  Verhältnisse  des  germanischen 
Trias-See's  hat  soeben  Benecke  (Ueber  die  Trias  in  EIsass-Lolhringen  und  Luxem- 
burg. Abh.  z.  geolog.  Specialkarte  von  Elsass-Lothringen,  Bd.  I.,  p.  703 — 825) 
veröffentlicht. 


mit  besonderer  ROcksicht  auf  Südtirol«  ^I 

Die  Trias  der  Alpen  ist  eine  Monas,  denn  die  verhältnissmässig 
unbedeutenden  Einschaltungen  von  Pflanzenschiefem  und  Sandsteinen 
können  ebensowenig  ih  Betracht  kommen,  als  die  Bänkchen  mit 
marinen  Conchylien  im  Keuper.  Chronologisch  ist  die  Trias  der 
Alpen  in  der  mediterranen  Provinz  eine  Nonas,  in  der  juva vischen 
Provinz  eine  Dodekas.  Wir  werden  sehen,  dass  sich  zur  Noth  die 
Grenzen  der  drei  deutschen  Formationen  in  den  Alpen  erkennen 
lassen  und  dass  sich  dieselben  nach  ihren  chronologischen  Werthen 
in  der  mediterranen  Provinz  wie  1:2:6  verhalten. 

Von  den  deutschen  Bezeichnungen  der  drei  Triasformationen 
ist  nur  der  Name  j^ Muschelkalk*  in  den  Alpen  verwendbar.  Das  dem 
Buntsandstein  drohende  Geschick  wurde  bei  der  Besprechung  des 
Bellerophonkalks  berührt.  Gegen  die  Einschmuggelung  der  Bezeich- 
nung ^Keuper*  in  die  alpine  Nomenclatur  verwahren  wir  uns 
entschieden.  Als  chorologische  Bezeichnung  für  den  deutschen  Ent- 
wicklungstypus der  dritten  Abtheilung  ist  der  Name  sehr  zweckmässig. 
Da  deckt  er,  sowie  die  Bezeichnung  Culm,  einen  bestimmten  Begriff". 
In  der  Uebertragung  büsst  er  seine  deutsche  Bedeutung  ein.  Ist  es 
denn  wirklich  ein  Postulat  der  Wissenschaft,  gute  chorologische 
Namen  ihres  Sinnes  zu  entkleiden.^  Wenn  ich  von  Keuperkalk, 
Keuperdolomit  sprechen  höre,  denke  ich  an  Brackwasserbildungen, 
welche  zwischen  Gypsmergeln  und  Pflanzensandsteinen  eingeschlossen 
sind.  Mein  Sprachgefühl  sträubt  sich  dagegen,  an  echt  marine 
Korallenkalke  und  Cephalopodenbänke  zu  denken.  Man  missverstehe 
mich  nicht.  Nicht  weil  ich  in  den  Alpen  durchaus  etwas  Apartes 
haben  will,  wehre  ich  mich  gegen  die  gewaltsame  Einfuhrung  un- 
passender Benennungen,  sondern  weil  ich  die  mühsam  gewonnene 
Erkenntniss  auch  klar  und  unzweideutig  fixiren  will.  Warum 
versucht  man  nicht  umgekehrt,  die  alpine  Gliederung  der  deutschen 
Trias  anzupassen.^  Einfach,  weil  es  nicht  möglich  ist,  weil  es  der 
Natur  widerspricht  Warum  anerkennt  man  neben  dem  Old 
Red  Sandstone  noch  das  Devon  .^  Wenn  man  endlich  consequent 
schablonisiren  will,  warum  wendet  man  nicht  die  Bezeichnungen 
Purbeck  und  Wealden  auf  das  alpine  Obertithon  und  Unter- 
neocom  an.^ 

An  der  Zusammensetzung  der  ostalpinen  Kalkzonen  nehmen 
die  triadischen  Bildungen  den  hervorragendsten  Antheil.  Sie  bedingen 
den  eigenthümlichen  landschaftlichen  Charakter  unserer  Kalkalpen, 
welcher  so  lebhaft  von  der  Physiognomik  der  schweizerischen 
Kalkalpen  absticht.  Auch  die  prächtigen  Felsenberge  unseres 
engeren  Gebietes  bestehen  zum  grössten  Theile  aus  Trias- 
bildungen. 


42        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Der  bereits  erwähnte  bedeutende  chorologische  Wechsel  macht 
sich  nicht  nur  in  verticaler,  sondern  auch  in  horizontaler  Richtung 
geltend.  Erhöht  auch  diese  Mannigfaltigkeit  den  Reiz  des  Studiums, 
so  erschwert  sie  auch  in  vielen  Fällen,  namentlich  in  tektonisch 
sehr  verwickelten  Gegenden,  die  Erkennung  der  wahren  Verhält- 
nisse. Es  hat  jahrelanger  mühsamer  Forschungen  bedurft,  ehe  der 
gegenwärtige  Standpunkt  erreicht  wurde. 

I.  Nachdem  wir  uns  dafür  entschieden  haben,  den  Bellerophon- 
kalk  den  Permbildungen  zuzuzählen,  müssen  wir  die  , Werfener 
Schichten*  als  tiefstes  Triasglied  betrachten.  Die  Grenze  gegen 
den  Bellerophonkalk  ist  keine  scharfe,  der  Uebergang  vollzieht  sich 
durch  Wechsellagerung,  und  misslich  ist  es,  dass  Bellerophonkalk 
und  Werfener  Schichten  heteropische  Bildungen  sind.  Wenn  es 
gelänge,  im  Bellerophonkalk  Ammoniten  aufzufinden,  könnten  wir 
schärfer  sehen. 

Die  Werfener  Schichten  bilden  den  chorologisch  constantesten 
Triashorizont  der  Alpen  und  sind  deshalb  für  die  Orientirung  von 
grossem  Werthe.  Wo  der  Bellerophonkalk  fehlt,  liegen  sie  un- 
mittelbar auf  dem  rothen  Sandsteine,  ebenso  wie  in  Deutschland  der 
Roth  auf  dem  Hauptbuntsandstein.  Ihre  Fauna,  sowie  meistens  auch 
das  Gesteinsmaterial  deuten  auf  flach  abfallende  Küstenstriche  von 
geringer  Meerestiefe. 

Die  grösste  Verbreitung  hat  ein  rother  sandiger,  glimmer- 
reicher Schiefer,  welcher  zahlreiche  Pelecypoden-Steinkeme  (Myaciten) 
enthält.  Seltener  sind  Sandsteine  mit  Lin^a  -  Schalen.  Unreine 
Kalksteine  und  Kalkschiefer  stellen  sich  meistens  erst  in  den  obersten 
Theilen  ein.  Sie  führen  dann  auch  Gasteropoden  und  Ammoniten. 
Den  Schluss  des  Systems   bilden  häufig  Rauchwacken   und  Gypse. 

Im  südöstlichen  Tirol  und  im  Venetianischen  ist  die  Gesteins- 
beschaffenheit  etwas  abweichend.  Es  herrschen  hier  feste  graue 
und  braune  Mergel,  Mergelkalke,  plattige  Kalke  und  Dolomite  vor, 
rothe  sandige  Schiefer  erscheinen  meist  erst  in  der  oberen  Ab- 
theilung. Der  Erhaltungszustand  der  in  den  kalkreichen  Gesteinen 
enthaltenen  Fossilien  ist  ein  besserer.  Zahlreiche,  mit  deutschen 
Muschelkalkarten  übereinstimmende  Pelecypoden  wurden  durch 
Benecke  und  Gümbel  bekannt.  Man  wird  an  den  deutschen 
Wellenkalk  erinnert,  mit  welchem  auch  das  Gestein  grosse  Aehnlich- 
keit  hat.  Eine  charakteristische  Gesteinsart  der  südtiroler  Werfener 
Schichten  sind  rothe  Oolithe  mit  kleinen  Gasteropodenkemen.  Die- 
selben sind  zwar  an  kein  bestimmtes  Niveau  gebunden,  doch  er- 
scheinen  sie   im  Norden   des   tirolisch -venetianischen   Hochgebirges 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  43 

meistens  erst  in  der  oberen  Abtheilung.  Die  Gypse  und  Rauch- 
wacken  an  der  oberen  Grenze  fehlen  im  grossten  Theile  unseres 
Gebietes.  Nur  im  Südwesten,  in  Val  Sugana,  sind  sie  vorhanden; 
auch  bei  Recoaro  und  im  Westen  der  Etsch  findet  man  sie  wieder. 
Die  verticale  Vertheilung  der  Fossilien  läs.st  eine  gewisse 
Gesetzmässigkeit  nicht  verkennen.  Einige  Formen  sind,  wie  es 
scheint,  an  einander  gebunden.  Manche  treten  heerdenweise  auf  und 
erfüllen  ganze  Bänke.  Etliche  Gasteropoden  (Nat.  costata,  Turbo 
rictecostatus) ,  zwei  Pelecypoden  (Trigonia  costata  und  Monotis 
aurita) ,  sowie  die  Ammoniten  (Tirolites  Casstanus,  dalmatimis 
idrianus,  Mtichianus,  Trachyceras  Liccanum,  Norites  Caprilensis) 
wurden  bisher  nur  in  der  oberen  Abtheilung  gefunden,  während  die 
in  der  unteren  Abtheilung  sehr  häufige  Matiotis  Clarai  oben  zu 
fehlen  scheint.  Es  treten  aber  die  genannten  Formen  der  oberen 
Abtheilung  immer  zugleich  in  denselben  Bänken  auf,  so  dass  sie 
offenbar  nur  eine  bestimmte  Facies  charakterisiren.  Da  nun  gerade 
die  auf  die  obere  Abtheilung  beschränkten  Formen  für  die  Werfener 
Schichten  charakteristisch  sind,  erscheint  es  nicht  zweckmässig,  dem 
Vorgange  von  Rieht  ho  fen's  folgend,  eine  Zweitheilung  in  Seisser- 
(untere  Abtheilung)  und  Campiler-  (obere  Abtheilung)  Schichten  ein- 
treten zu  lassen.  Als  Faciesnamsn  können  aber  diese  Bezeichnungen 
immerhin  verwendet  werden. 

Eine  monographische  Bearbeitung  der  Fauna  der  Werfener 
Schichten,  welche  recht  verdienstlich  wäre,  liegt  noch  nicht  vor.*) 
Bemerkenswerth  ist  das  Fehlen  der  Korallen,  Echinodermen  und 
Brachiopoden  (mit  Ausnahme  von  Lingida). 

Für  die  schärfere  Altersbestimmung  der  Werfener  Schichten 
sind  vor  Allem  die  Cephalopoden  werthvoll,  welche  sich  wesentlich 
von  den  Cephalopoden  des  alpinen  Muschelkalkes  unterscheiden. 

Da  die  einzige  den  deutschen  Roth  charakterisirende  Form 
Trigonia  costata,  sich  auch  in  den  Werfener  Schichten  findet,  kann 
man  unter  gleichzeitiger  Berücksichtigung  der  in  Deutschland  und 
in  den  Alpen  folgenden  Faunen  die  Werfener  Schichten  dem  Roth 
gleichstellen. 

2.  Der  untere  Muschelkalk.  Wenn  man  die  F'auna  dieses 
Gliedes  im  Ganzen  betrachtet,  so  besteht  eine  grosse  Ueberein- 
stimmung  mit  der  deutschen  Wellenkalk-Fauna.  Die  überwiegende 
Mehrheit  der  Pelecypoden,  Brachiopoden  und  Crinoiden  ist  beiden 
gemeinsam.  Die  Ammoniten,  welche  gewöhnlich  eine  weite  horizontale 

*)  Fossilien-Lisren  siehe  bei  Benecke,  Muschelkalk  der  Alpen,  Geogn.  pal. 
Bciir.  Bd.  H. 


I 


y|y|        Ucbersicht  der  perniischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Verbreitung  besitzen,  stimmen  aber  sonderbarer  Weise  nicht  so  gut 
überein.  Es  lassen  sich  zwar  den  seltenen  Ammoniten  des  Wellen- 
kalks (Amalihais  dux,  Trachyceras  Ottonis,  Trachyc.  antecedens) 
sehr  nahe  verwandte  Formen  aus  den  Alpen  (Track,  cf,  Ottonis, 
Track,  balatonicum,  Track,  binodosum)  an  die  Seite  stellen,  aber 
man  kann  dieselben  doch  nur  als  geographische  Varietäten  betrachten. 
Die  Ammoniten  sind  bekanntlich  in  viel  höherem  Grade,  als  die 
meisten  übrigen  Mollusken  Formveränderungen  unterworfen  und 
wegen  dieser  rascheren  Mutabilität  und  ihrer  Fähigkeit,  weite  Strecken 
im  Ocean  zu  durchmessen,  zu  feineren  stratigraphischen  Distinctionen 
besonders  geeignet.  Wenn  man  nun  berücksichtigt,  dass  von  den  dem 
deutschen  Hauptmuschelkalk  eigenthümlichen  Thierformen  sich  keine 
einzige  in  den  Alpen  findet,  so  gewinnt  man  die  Vorstellung,  dass 
bereits  zur  Zeit  des  Wellenkalks  trennende  Schranken  zwischen  dem 
deutschen  Triasbecken  und  der  ostalpinen  Meeresregion  aufgerichtet 
wurden.  Die  Ammoniten,  welche  sich  nicht  mehr  vermischen  konnten, 
begannen  in  den  getrennten  Gebieten  eigenartig  abzuändern.  Es  ist 
schwer  zu  entscheiden,  ob  vorher  eine  directe  Verbindung  zwischen 
den  beiden  Meerestheilen  oder  blos  eine  offene  Communication  mit 
einer  beiden  gemeinsamen  Meeresprovinz  bestand.  Mit  Rücksicht 
auf  die  geographischen  Verhältnisse  Mittel-  und  Nord-Europa's 
möchte  ich  mich  der  ersten  Alternative  zuneigen.  Dann  würde  sich 
das  Triasmeer  aus  dem  alpino-karpathischen  Becken  im  Osten  des 
böhmischen  Massivs  durch  Schlesien  und  Polen  in  das  germano- 
gallo-brittische  Becken  verbreitet  haben.  Manche  Thatsachen  der 
geographischen  Verbreitung  der  Thiere  scheinen  für  diesen  Weg  zu 
sprechen:  das  Vorkommen  der  Diploporen  im  Himmelwitzer  Dolomit, 
die  grössere  Häufigkeit  der  sogenannten  alpinen  Brachiopoden  in 
Schlesien,  endlich  das  Auftreten  der  Ammoniten  in  den  östlichen 
Theilen  des  deutschen  Triasgebietes. 

Die  Trennung  des  unteren  von  dem  oberen  Muschelkalk  wurde 
in  den  Alpen  zuerst  von  Stur  auf  Grundlage  des  örtlich  stets  ge- 
trennten Vorkommens  der  Cephalopoden  des  oberen  Muschelkalks 
und  der  fiir  den  deutschen  Wellenkalk  charakteristischen  Brachiopoden 
—  Spiriferina  hirsuta,  RJiynckonella  decurtata,  Rliynck.  Mentseli  — 
angedeutet.  Später  gelang  es  mir,  nachzuweisen,  dass  in  den  Alpen 
zwei  altersverschiedene  Cephalopodenfaunen  im  Muschelkalk  vorhanden 
sind,  von  denen  die  ältere  mit  den  Wellenkalk-Brachiopoden  gleich- 
zeitig ist  Ich  habe  nun  eine  neuerliche  Bearbeitung  der  Muschel- 
kalk-Cephalopoden  begonnen,  um  über  das  Alter  einiger  zweifelhaften 
Localitäten  Aufschluss  zu  erhalten.  Einige  der  in  beiden  Zonen 
vorkommenden   Ammoniten    stehen   in    directem    phylogenetischen 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Südtirol. 


45 


Zusammenhang  und  wurden  bisher  in  Folge  zu  weiter  Fassung  der 
Arten  zusammengezogen,  was  die  richtige  Unterscheidung  der  beiden 
Muschelkalk-Horizonte  verhinderte.  Einer  Revision  bedürfen  nament- 
lich die  Formen  aus  der  Gruppe  des  Track,  binodosum  und  des 
Ptychites  Siuderi,  *) 

Mit  dem  unteren  Muschelkalk  beginnt  in  den  Alpen  die  Zer- 
splitterung der  gleichzeitigen  Ablagerungen  in  eine  Anzahl  hetero- 
pischer  Bildungen.  Für  das  richtige  Verständniss  ist  es  unerlässlich, 
die  verschiedenen  Faciesgebilde  in  zwei  Gruppen  zusammenzufassen. 
Eine,  in*  sich  selbst  wieder  sehr  mannigfache  Gruppe  bilden  die  ge- 
wöhnlichen Sedimente,  welche  häufig  durch  einen  grösseren  Thon- 
gehalt  ausgezeichnet  sind.  Die  zweite  Gruppe  bilden  lichte,  thonarme 
Kalke  und  Dolomite,  welche  sich  durch  ihr  stockförmiges  und 
riffartiges  Auftreten  von  den  Sedimenten  der  ersten  Gruppe  unter- 
scheiden. Es  ist  bezeichnend,  dass  diese  beiden  grossen  heteropischen 
Formationsreihen  eine  Strand-  oder  doch  Untiefen-Bildung  —  die 
Werfener  Schichten  —  als  gemeinsame  Unterlage  besitzen.  Wir 
werden  sehen,  dass  eine  andere  Untiefen-  und  Strandbildung,  die 
Raibler  Schichten,  die  Periode  der  heteropischen  Differenzirung  der 
Hauptsache  nach  abschliesst. 

In  der  Gruppe  der  gewöhnlichen  Sedimente  kennen  wir  aus 
dem  unteren  alpinen  Muschelkalk  eine  Cephalopoden-,  eine  Pelecy- 
poden-  und  eine  Brachiopoden-Facies.  Ueber  grosse  Strecken  jedoch 
sind  die  hier  einzureihenden  dunklen,  dünnschichtigen  Kalke  nahezu 
fossilleer.  Die  Pelecypoden  -  Facies  ist  bisher  nur  von  Recoaro 
bekannt,  wo  überhaupt  die  heteropische  Mannigfaltigkeit  des  unteren 
Muschelkalks  am  grössten  ist.  Die  Pelecypoden-Facies  liegt  zu- 
unterst, über  ihr  folgt  die  Brachiopoden-Facies  mit  Einschaltungen 
von  Landpflanzen-Schiefern  und  über  dieser  erscheinen  Gesteine, 
welche  mit  den  Cephalopoden  führenden  Schichten  von  Dont,  Val 
Infema  und  Brags  lithologisch  übereinstimmen.  Unter  allen  alpinen 
Muschelkalk- Vorkommnissen  besitzt  keines  eine  so  grosse  petro- 
graphische  und  palaeontologische  Aehnlichkeit  mit  deutschem 
Muschelkalk  (insbesondere  mit  dem  oberschlesischen  Wellenkalk), 
als  die  beiden  unteren  Faciesgebilde  von  Recoaro.  Der  Grund  liegt 
wahrscheinlich  darin,  dass  bei  Recoaro  die  Ablagerungen  eines 
schmalen  Küstenstriches  erhalten  sind. 


*)  Eine  Monographie  der  mediterranen  Trias-Cephalopoden ,  welche  den 
10.  Band  der  Abhandlungen  der  k.  k.  geologischen^  Reichsanstalt  bilden  wird, 
ist  in  Vorbereitung.  Dieselbe  wird  die  in  meiner  Hallstätter  Arbeit  nicht  behandelten 
Cephalopoden  der  alpinen  Trias  umfassen. 


j,6       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Im  Gebiete  unserer  Karte  tauchen  nur  in  der  südwestlichen  Ecke 
in  Val  Sugana  in  sehr  beschränkter  Ausdehnung  am  Fusse  der  Cima 
Dodici    Rhizocprallien    fuhrende    Gesteine    mit    dem    lithologischen 
Charakter   des   Wellenkalks   auf.    In   dem   ganzen   übrigen  Gebiete 
vertreten    vorwiegend   blos   die   über    den    Brachiopod^n-Schichten 
von  Recoaro  folgenden  Gesteine   den   unteren   Muschelkalk.    Unter 
diesen  besitzen  wieder  rothgefärbte  Sandsteine,  Conglomerate,  Mergel- 
letten  und  Dolomite   die  weiteste  Verbreitung.    Sie   wurden   früher 
von  den  unter  ihnen  lagernden  Werfener  Schichten   (resp.  Campiler- 
Schichten)  nicht  getrennt.     In   den   rothen   dolomitischen   Gesteinen 
kommen  in  Val  Inferna  im  Zoldianischen   und  an  anderen  Punkten 
Cephalopoden  vor.     Die  zweite  Gesteinsart  bilden  graue  thonreiche 
Kalke,  ausgezeichnet  durch  zartes  Flimmern  in  Folge  von  feinkörnig 
krystallinischer   Structur    und    durch   eine    braune   oder   braungelbe 
Verwitterungsrinde.     Mit    ihnen    wechsellagern    stellenweise    dünne 
sandige  Schiefer   mit  Pflanzenresten.    Auch   diese   Gesteine   wurden 
früher  zu  den  Werfener  Schichten  gerechnet.  In  den  grauen  flimmernden 
Kalken  kommen  in  Val  di  Zoldo  und  in  Brags  Cephalopoden  vor. 
In   weicheren   Bänken  finden   sich   in   Brags   Brachiopoden.     Auch 
Crinoidenkalke  mit  Brachiopoden   (Brags,    Buchenstein)    stellen  sich 
gelegentlich  ein. 

Diese  beiden  Gesteinsfacies  treten  theils  für  sich  allein,  theiLs 
in  Ueberlagerung  auf  Wo  letzteres  der  Fall  ist,  nehmen  in  unserem 
Gebiete  die  rothen  Gesteine  die  tiefere  Lage  ein.  Bei  Recoaro  tritt 
dagegen  das  umgekehrte  Verhältniss  ein. 

Die  Riff-Facies  findet  sich  nur  an  zwei  Punkten  von  sehr  be- 
schränkter Ausdehnung  im  Bereiche  unserer  Karte,  während  in 
anderen  Gegenden  der  Alpen  der  untere  Muschelkalk  häufig  nur 
durch  sie  repräsentirt  wird.  Einer  dieser  Punkte  befindet  sich  nahe 
bei  Neubrags  am  Kühwiesenkopf,  der  andere  in  Val  Codalonga  bei 
CoUe  di  St.  Lucia.  An  beiden  Orten  bildet  der  Dolomit  nur  einen 
Theil  des  unteren  Muschelkalks  und  nimmt  die  tiefste  Lage  ein. 
Die  wichtigsten  Fossilien  des  unteren  Muschelkalks  sind: 

Ptychiies  Dontiatms  Hau. 
„         domaUis  Hau. 
„  Studeri  Hau. 

Trachyceras  balatonicum  Mojs. 
„  cf.   Ottonis  Buch. 

„  binodosum  Hau. 

„  Cadoricum  Mojs. 

„  Bragsense  Lor. 

„  Zoldtanum  Mojs, 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtirol. 


47 


Track,   Taramellii  Mojs. 

„       Cuccense  Mojs, 
Lytoceras  sphaerophyllum  Hau. 
Retzia  trigottella  Schi. 
Spiriferifta  Mentzeli  Dnkr. 

„  hirsuta  Mb. 

Tercbratula  vulgaris  Schi. 

„  angusta  Ahistr. 

Rhyuchofwlla  deairtata  Gir. 
Encrinus  gracilis  Buch. 
Auch  Aegoceras  und  Arccstes  sind  bekannt.*) 
In  der  Riflf-Facies  findet  sich: 

Diplopora  pauciforata  Gümb. 

Die  vorkommenden  Pflanzenreste  eignen  sich  in  der  Regel  nicht 

zu  schärferen  Bestimmungen.  Nur  bei  Recoaro  finden  sich  zwischen 

den   oberen    Brachiopodenbänken    grössere    Ansammlungen    besser 

erhaltener   Pflanzen,     und    zwar    Taxodites  saxolympiae   Zigno   und 

Voltzia  Recubariensis  Mass.  sp. 

3.  Der  obere  Muschelkalk.  Neben  der  Riff-Facies  kennen  wir 
in  diesem  Niveau  in  den  Alpen  nur  die  Cephalopodenfacies,  in 
welcher  sich  jedoch  mit  Ausnahme  der  erwähnten,  auf  den  unteren 
Muschelkalk  beschränkten  Formen  auch  Brachiopoden  einzeln  finden. 
Das  Gestein  ist  in  der  Regel  ein  dunkelgrauer  bis  schwarzer 
plattiger  Kalk,    im  Salzkammergut  ein  rother,   marmorartiger  Kalk. 

Die  Cephalopodenfacies  ist  aus  unserem  Gebiete  bis  jetzt  nicht 
bekannt  und  fehlt  daher  der  sichere  palaeontologische  Nachweis 
über  das  Vorkommen  des  oberen  Muschelkalkes.  Es  liegt  aber 
deshalb  kein  triftiger  Grund  vor,  das  Fehlen  dieses  Horizontes 
anzunehmen,  denn  an  seiner  Stelle  tritt  eine  Platte  weissen  Dolomits 
(Mendola-Dolomit)  auf,  welche  daselbst  eine  grosse  Verbreitung 
besitzt.  Im  oberen  Buchenstein  geht  dieser  Dolomit  in  einen  grauen, 
crinoidenreichen  Kalk  über,  welcher  zahlreiche  grosse  Gasteropoden 
mit  Farbenzeichnungen,  insbesondere  riesige  Natica-Y ovaxtvi  enthält, 
die  den  grössten  Arten  von  Esino  und  Unterpetzen  in  den  Dimen- 
sionen nicht  nachstehen.  Seltener  finden  sich  in  demselben  auch 
Pelecypoden,  Brachiopoden  und  Ammoniten,  durchwegs  Muschel- 
kalktypen, aber  theils  neue  Arten,  theils  wegen  ungenügender 
Erhaltung  nicht  scharf  bestimmbar.  Diese  grauen  Kalke  setzen  südlich 


*)  Fossilien-Listen  siehe  bei  Benecke,  Muschelkalk.  — Geogn.pal.Beitr.il. 
pag.  28 — 43;  Böckh,  Bakony,  Mitth.  a.  d.  Jahrb.  der  ungar.  geolog.  Anst.  Bd.  H., 
p.  83;  Loretz  in  Zeitsch.  d,  geolog.  Ges.  1875,  p.  798. 


tf 


tt 


Pf 


j.g        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

fort  und  im  District  von  Zoldo  alterniren  mit  ihnen  flimmernde 
Kalke  von  derselben  Beschaffenheit,  wie  die  Kalke  des  unteren 
Muschelkalks.  Man  könnte  deshalb  vermuthen,  dass  der  ganze 
Complex  noch  dem  unterlagemden  unteren  Muschelkalk  angehört. 
Indessen  ziehen  wir  es  vor,  anzunehmen,  dass  die  Facies  der  flim- 
mernden Kalke  in  den  oberen  Muschelkalk  hinaufreiche.  Sollte  der 
obere  Muschelkalk  wirklich  in  unserem  Gebiete  fehlen,  so  brauchte  man 
hierin  keine  abnorme  Erscheinung  zu  erblicken,  denn  im  alpinen 
Jura  sind  solche  Lücken  nicht  selten. 

Bei  Recoaro  nimmt  der  mächtige  weisse  Kalk  des  Monte-Spitz 
die  Stelle  des  Mendoladolomits  ein. 

Die  wichtigsten  Cephalopoden  des  oberen  Muschelkalkes  sind: 
Nautilus  Pichlcri  Hau. 

quadrangulus  Beyr. 
Tintoretti  Mojs. 
Palladii  Mojs. 
Orthoccras  Campanile  Mojs. 
Ptychitis  gibbus  Ben,*) 
„         cusomus  Beyr. 
Arccstcs  Bramantci  Mojs, 
Eschcri  Mojs. 
extralabiatus  Mojs. 
Aegoccras  vKultum  Beyr. 
„  Pahuai  Mojs. 

Amalthais  megalodiscus  Beyr. 

„  Sansoinnii  Mojs. 

Trachyceras  trinodosum  Mojs.  **J 

Gosainetisc  Mojs. 
Reutteusc  Beyr. 
Riccardi  Mojs. 
euryomphalum  Ben. 
Norites  Gondola  Mojs. 
Megaphyllites  sandalinus  Mojs. 
Lytoceras  sphaerophylhan  Hau. 
Aulaeoeeras   Obeliscus  Mojs. 
„  secundum  Mojs. 

Von  den  mitvorkommenden  Pelecypoden  sind  als  wichtiger  zu 
erwähnen:   Daonclla  Sturi  Ben.   und  Daon.  parthanensis.   Schaf h.***) 


Pf 


p» 


pp 


pt 


pp 


p* 


*)  Diese  Form  wurde  bisher  mit  Ptychites  Studeri  des  unteren  Muschelkalks 
rerwechselt. 

**)  Bisher  mit  Trachyc.  binodosum  und  Tracliyc.  TTiuilleri  verwechselt. 
•**j  Im  unteren  Muschelkalk  kommt  Daon,  Gümbeli  Mojs,  vor. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Südtirol. 


49 


In  der  Riff- Facies  kommen  ausser  den  erwähnten  unbe- 
schriebenen Gasteropoden  Diplopora  pauciforata  Gümb.  und  Dipl. 
triasina  Schaur,  vor. 

Die  norische  Stufe.  Es  wurde  bereits  oben  darauf  hin- 
gewiesen, dass  das  deutsche  Binnenmeer  des  Muschelkalkes  allmäh- 
lich so  vollständig  von  jeder  Communication  mit  dem  äusseren 
Meere  abgeschlossen  wurde,  dass  die  isolirte  Fauna  sich  selbständig 
weiter  entwickelte.  Die  Parallele  des  oberen  alpinen  Muschelkalkes 
mit  dem  oberen  deutschen  Muschelkalk  ist  daher  nothwendig  eine 
blos  beiläufige.  Die  beiden  Bildungen  sind  annähernd  homotax.  Wäre, 
wie  dies  zur  rhätischen  Zeit  geschah,  nach  der  Muschelkalkzeit  eine 
Communication  mit  dem  äusseren  Meere  wiederhergestellt  worden, 
so  Hesse  sich  die  chronologische  Werthbestimmung  des  deutschen 
Hauptmuschelkalkes  auf  sicherer  Grundlage  ausführen.  Es  ist  aber 
das  Gegentheil  eingetreten,  und  so  sehen  wir  uns  jedes  wissen- 
schaftlich haltbaren  Mittels  beraubt,  in  den  Alpen  den  Beginn  der 
Keuperepisode  des  germanischen  Trias-See's  zu  bestimmen. 

Indem  wir  sonach  den  zwei  deutschen  Muschelkalkfaunen  zwei 
alpine  Faunen  gegenüberstellen,  verkennen  wir  keineswegs  die 
Schwächen  dieser  Parallelisirung.  Wer  vermag  zu  sagen,  ob  der 
Beginn  des  Keupers  nicht  etwa  noch  mitten  in  die  Zeit  der  zweiten 
alpinen  Muschelkalkfauna  hineinfalle  oder  ob  der  deutsche  Haupt- 
muschelkalk nicht  auch  die  norische  Stufe  ganz  oder  theilweise  re- 
präsentire?  Man  lasse  sich  von  oberflächlichen  chorologischen  Homo- 
logien nicht  irrefuhren.  \ 

Der  Beginn  der  norischen  Zeit  ist  in  den  Alpen  durch  zwei 
wichtige  Ereignisse  bezeichnet. 

In  dem  alpinen  Muschelkalkmeer  waren  bereits  ausgezeichnete 
Vertreter  der  Ammonitiden-Gattungen  Aegoceras  und  Amaltheiis  vor- 
handen. In  den  reichen  Cephalopodenfaunen  der  norischen  und 
kamischen  Stufe  sucht  man  aber  fast  vergeblich  nach  sicheren  Re- 
präsentanten derselben.  Es  ist  nur  ein  Exemplar  eines  Amaltheiis 
aus  norischen  Schichten  der  Südalpen  bekannt.  Die  beiden  Gat- 
tungen verschwinden  aus  den  europäischen  Gewässern  und  ziehen 
sich  in  entlegene  Meere,  aus  denen  sie  vielleicht  auch  stammen, 
zurück.  Nach  langer  Intermittenz  erscheinen  sie  vereinzelt  zur  Zeit 
der  rhätischen  Transgression ,  in  grösserer  Zahl  aber  erst  mit  dem 
Einbrüche  des  Liasmeeres  in  Begleitung  anderer  fremder  Formen 
als  heteropische  Trias-Fauna  wieder  in  den  europäischen  Gegenden. 
Während  man  vor  der  Erforschung  der  Alpen  die  liasischen  Am- 
moniten  fiir  die  ältesten  echten  Ammoniten  hielt,  tritt  nun  sogar 
der  Muschelkalk  in  nahe  zoologische  Beziehungen  zum  Lias.     Eine 

Mojsisiovics,  Dolomitrifte.  4 


CO        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

weite  Kluft  ist  überbrückt.  Die  jurassischen  Ammonitenfaunen  können 
bis  an  die  Grenze  zwischen  der  palaeozoischen  und  mesozoischen 
Epoche  zurück  verfolgt  werden.  Die  scharfe  chorologische  Grenze 
zwischen  Trias  und  Jura  wird  durch  die  zoologische  Continuität, 
welche  nun  in  klaren  Umrissen  hervortritt,  aufgehoben.  Wer  die 
Lagerstätte  der  alpinen  Muschelkalk-Aegoceraten  und  Amaltheen 
nicht  kennt  und  mit  den  ostalpinen  Verhältnissen  nicht  vertraut  ist, 
der  würde  die  Formation,  in  welcher  dieselben  vorkommen,  ohne 
Zweifel  in  den  unteren  Lias  versetzen. 

So  sind  durch  den  Rückzug  von  Aegoceras  und  Amaltfiens 
bereits  zwei  zoogeographische  Meeresprovinzen  der  Trias  angedeutet. 
Aber  wir  besitzen  in  den  Alpen  aus  der  norischen  Zeit  noch  fossil- 
reiche Ablagerungen  einer  dritten  Provinz. 

Die   nordöstlichen  Kalkalpen   östlich  von  der  Saale  bilden  zur 
norischen   Zeit    ein  merkwürdig  scharf  abgegrenztes,    geschlossenes 
Faunengebiet,  welches  wir  die  juvavische  Trias-Provinz  nennen. 
Die  übrigen  Theile  der  Ostalpen  bezeichnen  wir  als   mediterrane 
Trias-Provinz.   Nichts  zeigt  die  grosse  Verschiedenheit  der  Faunen 
dieser  beiden  Provinzen  deutlicher,  als  die  totale  Verschiedenheit  der 
beiderseitigen  Cephalopodenfaunen.    Denn  man  sollte  doch  erwarten, 
dass  Thiere,  welche  in  dem  Rufe  der  besten  Schwimmer  stehen,  so 
nahe  benachbarten  Provinzen  wenigstens  theilweise  gemeinsam  wären. 
Jeder   dieser  Provinzen    sind  einige  Ammonitiden- Gattungen   eigen- 
thümlich.     So  der  juva vischen  Provinz:  Phylloccras,  Didymites,  Ha- 
lorites,     Tropites,    Rhabdoceras   und    Cochloceras;    der    mediterranen 
Provinz:  Lytoceras,  Sageceras  und  l^ychites.    Die  gemeinsamen  Gat- 
tungen  sind    in  jeder   Provinz    durch    verschiedene    eigenthümliche 
Formengruppen   vertreten,    so   dass   man  bis  jetzt  keine  einzige  ge- 
meinsame Cephalopoden-Art  kennt.  Von  den  beiden  nahe  verwandten 
Pelecypoden-Gattungen  Daatiella  und  Halobia  ist  zur  norischen  Zeit 
Daonella   auf  die   mediterrane,   Halobia   auf  die  juvavische  Provinz 
beschränkt. 

In  phylogenetischer  Beziehung  schliessen  sich  die  norischen 
Faunen  der  mediterranen  Provinz  enge  an  die  Muschelkalkfaunen 
an.  Die  Faunen  der  juvavischen  Provinz  dagegen  lassen  sich  nicht 
direct  von  den  Muschelkalkfaunen  ableiten.  Die  zoologische  Ver- 
schiedenheit ist  zu  gross.  In  der  mediterranen  Provinz  liegt  bis 
in  die  karnische  Zeit  hinein  eine  fortlaufende  isotopische  Formations- 
reihe vor;  in  der  juvavischen  Provinz  aber  ist  die  Reihe  durch  die 
heterotopischen  eingewanderten  norischen  Faunen  unterbrochen. 

Sehr  bemerkenswerth  ist  die  geographische  Lage  der  juvavischen 
Provinz  zwischen    dem    Südrande    des    böhmischen   Festlandmassivs 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtirol. 


Si 


und  dem  Nordrande  der  krystallinischen  Mittelzone  der  Alpen.  Gegen 
die  westlich  angrenzende  mediterrane  Provinz  ist  eine  prägnante, 
auffällige  Scheidewand  nicht  vorhanden.  Eine  nähere  Untersuchung 
der  Grenzgegend  lehrt  aber  die  auffallende  Thatsache  kennen,  dass 
gerade  daselbst,  was  sonst  nirgends  in  der  ganzen  Erstreckung  der 
Nordkalkalpen  wieder  eintritt,  die  Dolomitfacies  die  ganze  Breite  der 
Kalkalpen-Zone  einnimmt.  Waren,  wie  ich  in  diesem  Buche  zu  be- 
weisen hoffe,  die  unter  den  Raibler  Schichten  liegenden  Dolomit- 
massen Korallenriffe,  so  sperrte  ein  die  ganze  Canalbreite  ein- 
nehmendes Korallenriff  die  Communication  zwischen  den  beiden  nach- 
barlichen Provinzen.  Weiter  im  Osten  sind  norische  Bildungen  der 
juvavischen  Provinz  im  äussersten  Osten  Siebenbürgens  bekannt.*) 
In  den  Karpathen  der  Bukowina  sind  die  norischen  Bildungen  medi- 
terran entwickelt.**)  Dasselbe  ist  wahrscheinlich  in  Siebenbürgen, 
vielleicht  auch  in  der  Dobrudscha  der  Fall.  In  den  übrigen  Kar- 
pathen kennt  man  den  Charakter  der  norischen  Bildungen  noch  nicht. 
Im  Bakonyer  Walde  ist  die  mediterrane  Entwicklung  vorhanden. 
So  mangelhaft  diese  geographischen  Daten  noch  sind,  ergibt  sich 
aus  ihnen  doch  die  Vorstellung,  dass  der  juvavische  Meeresarm  sich 
aus  der  Gegend  von  Wien  längs  der  Ostseite  des  böhmisch-mährischen 
Massivs  und  weiter  am  Südrande  des  schlesisch-polnischen  palaeo- 
zoischen  Gebietes  nach  Rumänien  erstreckte. 

Als  ich  Anfangs  1874  zuerst  die  juvavische  Provinz  von  der 
mediterranen  unterschied,  dachte  ich,  dass  dieselbe  auf  das  kleine 
engbegrenzte  Gebiet  unserer  Alpen  beschränkt  sei.  Es  sprechen 
jedoch  viele  Gründe  für  die  Anschauung,  dass  der  schmale  in  seinem 
Verlaufe  angedeutete  Meerescanal  mit  einem  grossen  Ocean  in  offener, 
ungehemmter  Verbindung  gestanden  habe.  Zunächst  ist  die  Fauna 
der  juvavischen  Provinz  im  Vergleiche  mit  der  Muschelkalkfauna 
heterotopisch.  Sodann  ist  der  Charakter  der  juvavischen  Faunen 
wegen  des  ausgesprochenen  Vorherrschens  der  Cephalopoden,  wegen 
der  grossen  Artenzahl  und  wegen  der  bedeutenden  Dimensionen 
vieler  Arten  rein  pelagisch.  Ein  isolirtes  und  räumlich  beschränktes 
Meeresgebiet  wird  den  pelagischen  Charakter  nach  und  nach  ab- 
streifen. In  der  juvavischen  Provinz  folgt  aber  Cephalopodenfauna 
auf  Cephalopodenfauna.  Die  Zahl  der  Horizonte  ist  grösser  als  in 
der  mediterranen  Provinz,  und  in  den  höheren  Horizonten  treten 
immer  wieder  neue  heterotopische  Typen  auf 


♦)  Mojsisovics,  Norische  Bildungen  in  Siebenbürgen.  Verh.  Geol.  R.-A.  1875. 
**)  Paul,  Geologie  d«r  Bukowina.  Jahrb.  Geol.  R.-A.   1876. 

4* 


j2        Uebersicht  der  perniischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  auch  die  norischen  Bildung^en 
der  mediterranen  Provinz  einen  echt  marinen  Charakter  an  sich  tragen. 
Aber  es  ist  auffallend,  dass  heterotopische  Typen  nicht  oder  wenig- 
stens nicht  in  auffallender  Zahl  erscheinen,,  dass  die  Cephalopoden- 
faunen  ärmer    an  Arten  und  Individuen  sind    und  dass  die  Fortent- 
wickelung und  Umänderung  der  Fauna  in  einem  langsameren  Tempo 
sich  vollzieht.     Sollte  die  mediterrane  Provinz  der  norischen  Zeit  ein 
Mittelmeer  gewesen  sein?  —  Da  der  juvavische  Meerbusen  wol  nur 
mit    einem   östlichen   Meer    communiciren   konnte,    hatte  die   medi- 
terrane Provinz  vielleicht  im  Südwesten  eine  Verbindung  mit  dem 
Ocean.     In    den   heutigen  Meeren    erweisen  sich  häufig  starke  Strö- 
mungen   von    abweichender  Temperatur    als    ebenso   grosse  Hinder- 
nisse für  die  Ausdehnung  der  verschiedenen  Faunengebiete,  wie  Land- 
Barrieren.    Es  hätte  daher  auch  die  Annahme,  dass  eine  bedeutende 
der  Richtung    des  juvavischen  Busens    parallel  ziehende  Meeresströ- 
mung die  mediterrane  Provinz  isoliren  half,  ihre  Berechtigung. 

In  die  Besprechung  der  norischen  Bildungen  der  juvavischen 
Provinz  können  wir  hier  nicht  näher  eingehen.  Wir  bemerken  nur, 
dass  neben  den  beiden  typischen  fossilreichen  Ablagerungen  der 
Zlambach-  und  Hallstätter  Schichten  noch  eine  Reihe  fossilärmerer 
Faciesgebilde  und  eine  Riff-Facies  vorkommt.*)  Es  ist  selbstverständ- 
lich unzulässig,  die  Schichtbezeichnungen  der  juvavischen  Provinz  auf 
mediterrane  Bildungen  zu  übertragen  und  umgekehrt,  da  dies  zu 
wissenschaftlich  falschen,  nun  überwundenen  Anschauungen  Anlass 
geben  könnte.  Eine  Detailparallelisirung  der  juvavischen  und  medi- 
terranen norischen  Ablagerungen  ist  wegen  der  gänzlichen  Ver- 
schiedenheit der  Faunen  nicht  möglich. 

In  der  mediterranen  Provinz  unterscheiden  wir  zwei  norische 
Phasen.  Die  ältere  derselben,  welche  unmittelbar  auf  den  oberen 
Muschelkalk  folgt,  ist  die  der 

4.  Buchensteiner  Schichten.  In  ihrer  typischen  Entwicke- 
lung,  wie  sie  im  Gebiete  unserer  Karte  vorkommen,  bestehen  die- 
selben aus  zwei,  mit  einander  durch  Wechsellagerung  verbundenen 
Faciesgebilden.  Das  eine  ist  ein  grauer,  dünnplattiger  Knollenkalk 
mit  Hornsteinausscheidungen,  das  andere  ist  ein  dunkler,  ebenfiächiger, 
thonreicher,  in  dünnen  Blättern  spaltbarer  Bänderkalk,  welcher  Hom- 
stein  meist  lagenweise,  seltener  linsenförmig  enthält.  Der  Knollenkalk 
umschliesst  zahlreiche,  meist  aber  bis  zur  Unkenntlichkeit  zerdrückte 
und  entstellte  Ammoniten.  Er  repräsentirt  daher  eine  Cephalopoden- 
facies.     Der   Bänderkalk    fuhrt    in    einzelnen    Lagen    heerdenweise 


*)  Mojsisovics,  Das  Gebirge  um  Hallstatt. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtirol.  ^^ 

Daonellen.  Seltener  finden  sich  in  ihm  Ammpniten,  Posidonomyen, 
Fischschuppen  und  Pflanzenreste.  Der  Knollenkalk  ist  meistens 
zwischen  einer  unteren  und  oberen  Partie  von  Bänderkalken  ein- 
gelagert. Stellenweise  kommen  aber  blös  Bänderkalke  oder  blos 
Knollenkalke  vor.  Eine  charakteristische  weit  verbreitete  Gesteins- 
art der  Buchensteiner  Schichten  bildet  die  sogenannte  „Pietra  verde", 
ein  grünes,  mehr  oder  weniger  mergelartiges  kieselsäurereiches, 
splitterndes  Gestein,  welches  meistens  den  Bänderkalken,  stellenweise 
aber  auch  den  KnoUenkallen  regelmässig  zwischengelagert  ist.  In 
unserem  Gebiete  erreicht  die  Pietra  verde  im  Flussgebiete  des  Cor- 
devole,  dann  im  Zoldianischen  und  im  Cadorischen  die  grösste  Mäch- 
tigkeit und  nimmt  gegen  Norden  und  Nordwesten  bedeutend  an 
Alächtigkeit  ab.  Dieses  charakteristische  Gestein,  welches  von  den 
älteren  Geologen  für  ein  intrusives  Eruptivgestein  gehalten  wurde, 
besitzt  eine  merkwürdig  grosse  Verbreitung^  da  es  sich  aus  der  Lom- 
bardei durch  die  Südalpen  bis  in  den  Bakonyer  Wald  und  wahr- 
scheinlich auch  bis  nach  Siebenbürgen  verfolgen  lässt.  Do  elter  hält 
es  für  einen  Sedimentärtuff"  eines  Porphyrs.  Ich  habe  an  einigen  Stellen 
erbsengrosse  Gerolle  eines  rothen  Porphyrs  darin  gefunden. 

In  den  Nordalpen  sind  die  Buchensteiner  Schichten  bisher  noch 
nicht  nachgewiesen. 

Nach  den  Funden  in  den  Südalpen  und  im  Bakonyer  Walde 
besteht  die  Fauna  der  Buchensteiner  Schichten  aus  folgenden 
Arten:*) 

Orthoceras  Röckhi  Stab. 
Arrestes  trompiamis  Mojs. 
„        Ctmmetisis  Mojs, 
„        Marehenamis  Mojs, 
„        batyoleiis  Böckh 
'  Ptyehites  angusto-umbilicattis  Böckh 
Sageceras  Zsigmondyi  Böckh 
Lytoceras  cf.    Wengetise  Klpst. 
Trachyceras  Curionii  Mojs. 
„  Reitst  Böckh 

„  Recubarictisc  Mojs. 

„  Zalaettse  Böckh 

Böckhi  Roth. 


*)  Böckh,  Geol.  Verh.  des  Bakony.  Mitth.  a.  d.  Jahrb.  der  k.  ung,  Geol. 
Anstalt.  2.  und  3.  Band.  —  StO  rzenbaum,  Beitr.  z.  Fauna  der  Schichten  mit 
Gerat.  Reitet  (in  ungar.  Sprache)  Köldtani  közlöny,  5.  Band.  —  Mojsisovics, 
Die  triad.  Pelecypodengattungen  Daoneila  und  Halohia,  Abhandl.  d.  k.  k.  Geol.  R.-A. 
7.  Bd.  —  (Unt.  d*  Presse)  Mojsisovics.  Die  Cephalopoden  d.  medit.  Triasprovinz. 


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tA        ücbersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Trachyceras  Liepoldti  Mojs. 

^  Felsö  Örsense  Stzb. 

„  Zezianum  Mojs. 

Spiriferina  Mentzeli  Dunk. 
Dixonella  Taramellii  Mojs. 
badiotica  Mojs. 
'  tyrolensis  Mojs. 
hungarica  Mojs. 
Böckhi  Mojs. 
obsoleta  Mojs. 
elongata  Mojs. 
Posidofiomya  sp. 
Aus   der   Riflf-Facies   sind   bis  jetzt  dieselbe   charakterisirende 
Fossilien  noch  nicht  bekannt  geworden. 

5.  Die  Wengener  Schichten.  Ursprünglich  wurden  unter  der 
Bezeichnung  ,  Wengener  Schichten*  nur  die  schwarzen  dünnblätterigen 
Daonellenschiefer  von  Wengen  verstanden.  Wir  fassen  aber  den 
ganzen  Complex  sehr  verschiedenartiger  Gesteine,  welcher  zwischen 
den  Buchensteiner  Schichten  und  den  St.  Cassianer  Schichten  liegt, 
als  eine,  vorläufig  wenigstens,  nicht  weiter  theilbare  Einheit  auf, 
welche  durch  eine  bestimmte  Fauna  charakterisirt  wird. 

Die  typischen  Daonellenschiefer  sind  nur  ein  untergeordneter, 
räumlich  beschränkter  Bestandtheil  dieser  in  Südtirol  sehr  mächtigen 
Gruppe. 

Die  verbreitetste  und  mächtigste  Gesteinsart  ist  ein  dunkler 
mit  thonigen  und  mergeligen  Schiefern  altemirender  Sandstein 
(doleritischer  Sandstein  der  älteren  Geologen),  dessen  Gesteins- 
material vorwiegend  aus  vulcanischem  Detritus  besteht.  So  ungünstig 
dieses  Gestein  der  Erhaltung  der  Fossilien  ist,  so  finden  sich  doch 
ausser  verkohlten  Pflanzenstengeln,  wenn  auch  vereinzelt,  bis  in  die 
höchsten  Lagen  hinauf  die  Daonellen  und  Ammoniten  des  schwarzen 
Schiefers  von  Wengen,  Welcher  an  der  Basis  des  Complexes  liegt. 
Im  frischen  Gestein  herrscht  blauschwarze  Farbe  vor.  Die  Zer- 
setzungs-  und  Verwitterungsfarbe  ist  gelbbraun  bis  graubraun. 
Rothe  Farbenschattirungen  herrschen  stellenweise  in  der  Lombardei 
Mit  der  Entfernung  von  den  Eruptionsstellen  tritt  das  makroskopisch 
wahrnehmbare  vulcanische  Material  allmählich  zurück.  Zunächst 
folgt  eine  Region,  in  welcher  Quarzkörner  dominiren.  Hierauf 
geht  das  Gestein  allmählich  in  dichte  aphanitische  Mergel,  Kalk- 
schiefer u.  s.  f  über. 

Die  submarinen  Laven  und  Tuffe  der  Wengener  Schichten 
liegen    in   Südtirol   stets    an   der   Basis    dieser   Schichtgruppe.     Ihr 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  jj 

Verbreitungsbezirk  ist  viel  beschrankter,  als  der  der  darüber  liegenden 
Sandstein-  und  Schiefergruppe,  in  welcher  sich  das  vulcanische  Ma- 
ttrial  bereits  auf  secundärer  Lagerstätte  befindet.  In  der  unmittel- 
baren Umgebung  der  Eruptionsstellen  breiten  sich  zunächst  Augit- 
porphyrdecken  und  Ströme  mit  eingeschalteten  Tuffen  und  Con- 
gloneraten  aus.  In  der  folgenden  Region  überwiegen  Tuffe  und 
Conorlomerate  über  die  zu  Ende  gehenden,  vereinzelten  Ströme.  Mit 
zunehmender  Entfernung  von  den  Eruptionscentren  tritt  dann  der 
sedinentäre  Charakter  der  Tuffe  immer  deutlicher  hervor,  bis  end- 
lich «ine  Unterscheidung  von  TufTen  und  regenerirten  Gesteinen 
(Sandsteinen,  Schiefem)  nicht  mehr  möglich  wird. 

Ausser  den  Cephalopoden  und  Daonellen  kommen  in  den 
typischen  Wengener  Schichten  nicht  selten  Pachycardien  (P.  rugosa 
ffatt.),  ganze  Bänke  erfüllend,  vor.  Das  Pachycardiengestein  ist 
entweder  €\xi  Conglomerat  aus  Augitporphyrgeschieben  oder  ein 
zäher  du-ch  tufTige  Einstreuungen  verunreinigter  Kalk. 

Eine  sehr  charakteri.stische  Facies  findet  sich  in  der  Umgebung 
der  grossen  Kalk-  und  Dolomitriffe.  Graue  und  graubraune  zähe 
Kalke,  ooithische  Kalke  und  Kalkschiefer  greifen  von  den  Riffen 
her  in  die  Sandsteine  und  Schiefer  ein  und  verlieren  sich  allmählich 
in  denselbea.  Biologisch  stimmt  diese  Facies  nahezu  mit  der  Facies 
der  typischen  St.  Cassianer  Schichten  überein.  Korallen  und  Echi- 
nodermen  herrschen  in  der  Nachbarschaft  der  Riffe  vor,  in  einiger 
Entfemung  änden  sich  .sodann  Echinodermen ,  Gasteropoden  und 
Pelecypoden.  Es  ist  beinahe  selbstverständlich,  da.ss  die  hier  vor- 
kommenden Formen  eine  grosse  Ueberein.stimmung  mit  den  Cassianer 
Typen  zeigen.  Indessen  wäre  doch  eine  genaue  vergleichende  Unter- 
suchung .sehr  wünschenswerth.  Manche  der  als  Cassianer  Typen 
beschriebenen  Formen  stammen  wol  ohne  Zweifel  aus  dieser  bisher 
mit  St.  Cassian  identificirten  Wengener  Facies. 

Der  RifT- Facies  der  Wengener  Schichten  gehört  die  Haupt- 
masse der  südtirolischen  Dolomitstöcke  (Schlemdolomit)  an.  Bio- 
logisch ist  diese  Facies  charakterisirt  durch  Korallen,  Diploporen, 
gros.se  Naticen  und  Chemnitzien.  Im  Innern  der  Riffe  findet  man 
selten  Korallen.  An  der  Aussenseite  der  Riffe  sind  sie  zwar  häufig, 
aber  stets  nur  mehr  im  Hohldruck  vorhanden.  Das  aus  Aragonit 
bestehende  Kalkgerüste  ist  obliterirt.  Ebenso  sind  die  aus  Aragonit 
aufgebauten  Gasteropodengehäuse  meistens  verschwunden,  doch  findet 
man  ihre  Hohldrücke  auch  noch  im  Innern  der  Riffe.  Die  aus  Calcit 
bestehenden  Diploporen  erfreuen  sich  meistens  einer  vortrefflichen 
Erhaltung.  Als  Repräsentant  der  Riff-Fauna  der  Wengener  Schichten 
kann   die  an    wolerhaltenen  Fossilien   reiche  Fauna  des  Kalks  von 


i 


JÖ        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpcn 

Esino  am  Comersee  genannt  werden,  welche  durch  die  Arbeiten  von 
M.  Hoernes,  Stoppani  und  Benecke  bekanntwurde.  Cephalopodei 
und  Daonellen  finden  sich,  wie  zu  erwarten  ist,  selten  in  der  Rif- 
Facies.  Doch  kennt  man  bereits  von  einigen  Punkten,  unter  den^n 
sich  auch  Esino  befindet,  charakteristische  Wengener  Ammonit^n, 
sowie  die  für  das  Wengener  Niveau  so  bezeichnende  DaottUii 
I^mmcli. 

Eigenthümliche,  durchaus  aus  neuen  Arten  bestehende  Cepha- 
lopodenfaunen  wurden  in  der  unteren,  mit  den  Augitporphyr-Laven 
gleichzeitigen  Abtheilung  der  Riffkalke  der  Fassaner  Alpen  (Latemar- 
Gebirge  und  Marmolata)  entdeckt.  Durch  einige  Ptychitcs  und 
TrachyccraS'Yoxvci^Vi  schliessen  sich  diese  Faunen  phylogeietisch 
der  Fauna  der  Buchensteiner  Schichten  zunächst  an.  Leider  ijt  keine 
der  aus  den  Wengener  Schichten  bekannten  Formengruppen  ver- 
treten, so  dass  es  vorläufig  unentschieden  bleibt,  ob  hier  eh  neuer, 
zwischen  Buchensteiner  und  Wengener  Schichten  einzuschaltender 
Horizont  angedeutet  ist  oder  ob,  wie  wir  einstweilen  noch  annehmen 
wollen,  die  Wengener  Fauna  um  eine  Anzahl  von  Arten  bereichert 
wird.  Mit  diesen  Cephalopoden  kommen  ziemlich  viele  Gasteropoden 
und  einige  wenige  Pelecypoden  und  Brachiopoden  vor.  De  Fossilien 
des  Latemar  -  Gebirges  sind  von  einer  dicken  Kalteinterkruste 
umhüllt. 

Im  Bakonyer  Walde  und  in  der  Bukowina  werden  de  Wengener 
Schichten  durch  rothe  Ammonitenkalke  mit  Daonella  Lommcli  ver- 
treten. Wahrscheinlich  gehören  auch  die  schwarzen  Kalke  von 
Varenna  mit  Daonella  Moussoni  und  die  Fisch-  und  Saurierschichten 
von  Perledo*)  dem  Wengener  Niveau  an. 

Zu  den  bezeichnensten  Fossilien  der  Wengener  Schichten  ge- 
hören von  bereits  benannten  Formen: 

Arccstcs  tridcntimts  Mojs. 
„         subtridcntinus  Mojs. 
„         Böckhi  Mojs. 
„        pamwniais  Mojs. 
Phiacoccras  daoniaim  Mojs. 
Sagcceras    Waltcri  Mojs. 
Lytoceras   Wengaisc  Klipst.  sp. 
Trachyceras  ladinum  Mojs. 

„  longobardicum  Mojs. 


♦)  Ein  Verzeichniss  der  Fauna  von  Perledo  gibt  Stoppani  im  Corso  di 
Geologia,  Vol.  II.  pag.  384.  In  den  gleichen  Schichten  kommt  nach  Sordelli  auch 
Volt^ia  Foetterlei  Stur  vor. 


mit  besonderer  RQcksicht  auf  SOdtiroK  57 

Trachyceras  Archdaus  IJ?i\ 

^  pscudo  Archelaus  Röckh. 

j,  lariaim  Mojs. 

j,  Gredlcri  Mojs. 

^  dokriticum  Mojs. 

„  Ncuinayri  Mojs. 

„  judicaricum  Mojs. 

„  Rcgolcdanum  Mojs.  . 

„  Cor-Mriensc  IJ)e.  sp. 

^  Arpadis  Mojs. 

„  Szaboi  Böckh. 

^  Epoknse  Mojs. 

Pachcyardia  rugosa  Hau. 
Daonella  Lommcli   Wissm.  sp.*) 
Posidonomya    Wengcnsis   Wissm. 

Die  Korallen,  Echinodermen,  Gasteropoden  u.  s.  f.,  welche  an 
der  Aussenseite  der  Riffe  vorkommen,  sind,  wie  bereits  erwähnt 
wurde,  noch  nicht  näher  untersucht.  Ein  grösserer  oder  kleinerer 
Theil  wird  wol  mit  Cassianer-Arten  übereinstimmen.  Erwähnenswerth 
ist  das  verspätete  Auftreten  der  Gattung  Productus. 

Bezüglich  der  durch  gigantische  Formen  von  Chemnitzia  und 
Natka  ausgezeichneten  'Riff-Fauna  verweise  ich  auf  die  Monographie 
A.  Stoppani's  über  die  Fauna  der  Schichten  von  Esino.  Von  Fora- 
miniferen  wird  hauptsächlich  Diphpora  anmdata  Schafh.  citirt. 

Die  Flora  der  Wengener  Schichten  (Fundorte:  Corvara  im 
Enneberg  [Südtirol]  und  Idria  in  Krain)  besteht  nach  den  Bestim- 
mungen Stur's  aus: 

Equisctitcs  arenacais  Bgt. 
Calatnitcs  areiiaccus 

Meriani  Bgt. 
Ncuroptcris  cf.  Rntimeyeri  Heer 

cf,   Gaillardoti  Bgt. 

cj.  ekgans 
Sagawpteris  Lipoldi  Stur 


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♦)  Die  Angabe  Sandberge r's  über  das  Vorkomn^en  der  D.  Lommeli  im 
Hauptmuschelkalk  von  Würzburg  (Neues  Jahrb.  etc.  1875,  pag.  5 18,  und  Tagblatt 
ier  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  zu  München  1877,  pag.  i53) 
IM  dahin  zu  berichtigen,  dass  die  Würzburger  Daonella  zwar  der  Gruppe  der 
Ü  Lommeli  angehört,  aber  sicher  davon  verschieden  und  mit  der  spitzbergischen 
D.Linäströmi  Mojs.  und  der  catifornischen  D.  dubia  Gabb  am  nächsten  verwandt 
»St.  Vgl.  Verh.  Geol.  R.-A.  1878,  p.  97. 


c3        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Pecopteris  triascia  Heer, 
„  gracilis  Heer, 

Chiropteris  Lipoldi  Stur, 
„  pintiata  Stur, 

TItinnfeldia  Richthof eni  Stur, 

Pterophylban  giganteum  Schenk. 

Jaegeri  Rr., 

Aspknites  cf.  Roeserti  Münst., 

Danaeopsis  Maratitacea  Pressl. 

Taeniopteris  sp., 

Voltzia  sp. 

Lycopodites  sp. 
Die  karnische  Stufe.  Die  heterotopische  Spaltung  des  karpa- 
thisch-ostalpinen  Territoriums  in  zwei  scharf  getrennte  Provinzen  wird 
zur    kamischen    Zeit    allmählich    aufgehoben.    Mediterrane    Typen 
(Formenreihe    des   Aulacoceras   retiadatum,     Gruppe    der     Arcestes 
coloni,   Lycoteras)   erscheinen   am  Beginn  der  kamischen  Zeit  in  der 
juvavischen   Provinz    und  ebenso   dringen   einige  juvavische  Typen 
(Arcestes  toruati,    Tropites,    Halobia)   in  beschränkter  Individuenzahl 
in    die    mediterrane    Provinz    ein.    Zugleich    wandern   einige   neue 
heterotopische  Typen  (Bactritcs,  Lobites,  Gruppe  der  Arcestes  cymbi- 
fonnesj  in   das  mediterrane  Gebiet  ein.     Aber   auch   die  juvavische 
Provinz  empfängt  noch  fremdländische  Colonisten  (I^bites,  von  den 
mediterranen    abweichende   Typen).    Dabei    bewahren    die    unteren 
kamischen  Ablagerungen  der  beiden  Provinzen  (Cassianer  Schichten 
der  mediterranen  Provinz,    Zone  des    Tropites  subbullatus   der  juva- 
vischen  Provinz)    noch    ihren    ausgeprägten  provinziellen  Charakter. 
Eine    directe   Verbindung    auf  alpinem   oder  karpathischem  Gebiete 
scheint  daher  noch  nicht  eingetreten  zu  sein.    Wahrscheinlich   fand 
in    weiterer    Entfernung    eine    Vereinigung     zwischen    den    beiden 
Meeresgebieten  durch  allmählichen  Wegfall  der  trennenden  Schranken 
statt.    Erst   die  zweite  karnische  Fauna  zeigt  eine  völlige  Mengung 
der  mediterranen  und  juvavischen  Typen.  Es  ist  aber  eigenthümlich, 
dass   trotzdem   in   der  mediterranen  Provinz  jetzt  hauptsächlich  nur 
Litoralbildungen   auftreten,    die   mediterranen   Typen   rasch   ein  be- 
deutendes  Uebergewicht    über   die  juvavischen   Formen    gewinnen. 
Fast  scheint  es,    als   ob   in   den    entfernteren  Oceanen   bedeutende 
chorologische    Veränderungen   vor   sich  gegangen   wären,    so   dass 
auf  dem  alten  Wege  anstatt  juvavischer  nur  mehr  mediterrane  Typen 
in  die  juvavische  Provinz  gelangen  konnten. 

Wir   unterscheiden   in  der  mediterranen  Provinz  drei  altersver- 
schiedene  karnische  Horizonte:    i.  Die  Cassianer  Schichten;    2.  die 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtiroI.  Jp 

Raibler  Schichten  (Zone  des  Trachyceras  Aonoides) ;  3.  Die  Schichten 
der  Aviada  exilis  und  des  Turbo  solitariiis  (Hauptdolomit,  Dach- 
steinkalk z.  Th.). 

6.  Die  Cassianer  Schichten.  Die  typischen  Cassianer 
Schichten  sind  bisher  nur  aus  dem  Abteythal  (Enneberg),  Ampezzo 
und  Buchenstein  bekannt.  Sie  bestehen  aus  grauen  und  graubraunen 
Kalkmergeln,  Kalken  und  oolithischen  Gesteinen.  Der  Fossilreichthum 
der  Cassianer  Schichten  ist,  wie  bekannt,  staunenswerth  gross.  Doch 
beschränkt  sich  die  grosse  Mannigfaltigkeit  des  thierischen  Lebens, 
welche  wir  in  den  Museen  und  in  den  palaeontologischen  Mono- 
graphien bewundem,  auf  eine  eng  begrenzte  Stelle,  die  Stuores 
Schneide  zwischen  St.  Cassian  und  Buchenstein.  In  der  Regel  über- 
wiegen durch  die  Massenhaftigkeit  ihres  Vorkommens  die  Echino- 
dermen.  Alles  andere  tritt  entschieden  zurück,  so  dass  ,Echino- 
dermen-Facies*  die  passendste  biologische  Bezeichnung  für  die  typisch 
entwickelten  Cassianer  Schichten  ist.  Einer  grösseren  horizontalen 
Verbreitung  erfreut  sich  auch  eine  Daonellenbank  (D.  Cassiaiia  und 
D.  Richthofmi),  Korallen  finden  sich  in  grösseren  Massen  nur  in 
der  nächsten  Nähe  der  Dolomitstöcke.  Wir  werden  sehen,  das.s 
sowol  die  Echinodermen-  wie  auch  die  Korallenbänke  theils  direct, 
theils  durch  Vermittlung  klotziger,  zäher  Kalke  in  den  Dolomit  (Riff- 
kalk) übergehen.  An  der  oben  erwähnten  reichen  Fundstelle  kommen 
neben  den  Echinodermen  in  grösseren  Mengen  zahlreiche  Arten  von 
Gasteropoden  und  weniger  häufig  Cephalopoden,  Pelecypoden  und 
Brachiopoden  vor. 

Die  Cassianer  Fauna  ist  in  eigenthümlicher  Weise  durch  die 
auffallend  geringe  Grösse  der  Individuen  ausgezeichnet  und  sind 
schon  von  verschiedenen  Seiten  Hypothesen  aufgestellt  worden,  um 
diese  Erscheinung  zu  erklären. 

Eine  nähere  Betrachtung  der  Fauna  lehrt  jedoch,  dass  man 
nicht  berechtigt  ist,  die  Fauna  in  toto  als  Pygmäenfauna  zu 
bezeichnen.  Zunächst  widerspricht  schon  die  herrschende  Thierclasse 
dieser  Charakteristik. 

Die  Echinodermen  der  Cassianer  Schichten  erfreuen  sich  mit 
wenigen  Ausnahmen  ganz  anständiger  normaler  Dimensionen.  Die 
Cephalopoden  sind  zwar  meistens  nur  in  kleinen  Exemplaren  ver- 
treten, aber  mit  wenigen  Ausnahmen  sind  es  stets  innere,  gekammerte 
Windungen,  welche  vorliegen.  Ein  Schluss  auf  die  ursprüngliche 
Grösse  der  lebenden  Thiere  ist  daher  nicht  gestattet  und  es  ist 
bezeichnend,  dass  auch  die  in  den  letzten  Jahren  häufiger  gefundenen 
grossen    Exemplare    von    Nmitiltis,    Arcestes   und    Trachyceras   blos 


6o        Uebcrsicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

aus  den  gekammerten  Theilen  bestanden.  Häufig  sind  dies6  ge- 
kammerten  Kerne  von  einer  dicken  Sinterkruste  umhüllt,  ein  Beweis, 
dass  die  Schalen  vor  ihrer  Einbettung  im  Gestein  bereits  die  äusseren 
Windungen  verloren  hatten.  Vergleicht  man  aber  diejenigen  Cassianer 
Cephalopoden,  welche  entweder  wirklich  klein  sind  oder  von  denen 
nur  kleine  Kerne  vorkommen,  mit  den  phylogenetisch  zunächst  stehen- 
Formen  der  obersten  Hallstätter  Kalke  (Zone  des  Trachyceras 
Aonoides),  so  ergibt  sich,  dass  die  Cassianer  Formen  in  ihren 
Dimensionen  keineswegs  zurückstehen.  Man  ist  daher  nicht  berechtigt, 
von  Cephalopodenbrut  oder  von  gehemmter  Entwicklung  zu  sprechen. 
Ein  Theil  der  Cassianer  Cephalopoden  gehört  Formenreihen  an, 
welche  überhaupt  nur  geringe  Grössen  (Lobitcs,  Trachyceras  Busiris, 
Choristoceras  Eryx,  glaucum)  erreichen,  ein  anderer  Theil  aber^ählt 
zu  grösseren  Typen  (Nautilus,  Arcestcs,  Pinacoccras ,  Trachyceras 
Aon,  aeqtiinodosum) ,^  ist  aber  stets  nur  durch  innere  Kerne  ver- 
schiedener Dimensionen  vertreten. 

Die  grosse  Schaar  der  Gasteropoden  ist  fast  durchgängig  durch 
kleine  Arten  repräsentirt,  doch  kommen  auch  grosse  Formen  (Natica 
maadosa,  bninea,  Chemnitzia  sp.)  vereinzelt  vor.  Die  Brachiopoden 
sind  meist  klein;  die  nicht  seltene  Rhynchotiella  scmiplecta  zeichnet 
sich  aber  durch  bedeutende  Dimensionen  aus.  Unter  den  Pelecypoden 
herrschen  kleine  Arten  vor,  die  Daonellen,  die  Cassianellen  und 
Cardita  crenata  machen  jedoch  eine  Ausnahme.  Cardita  crenata 
besitzt  sogar  im  Vergleich  mit  den  verwandten  jüngeren  Formen 
f Cardita  Giimbeli  Picht,  der  nordtiroler  Raibler  Schichten  [Cardita- 
Schichten]  und  Cardita  austriaca  der  Kössener  Schichten)  eine  auf- 
fallende Grösse. 

Theod.  Fuchs  hat  bereits  in  einer  interessanten  Mittheilung 
darauf  hingewiesen,  *)  dass  die  geringe  Gnisse  der  Cassianer  Fossilien 
nicht  auf  einer  durch  ungünstige  äussere  Verhältnisse  bewirkten  Ver- 
kümmerung der  Favma  beruhen  könne,  da  in  diesem  Falle  eine 
einförmige  artenarme  Fauna  vorhanden  sein  müsste.  Diese  An- 
schauung wird  durch  unsere  Betrachtung  völlig  bestätigt.  Wir  er- 
fahren aber  auch,  dass  die  kleinen  Cassianer  Thiere  nicht  die  Brut 
grösserer  Arten,  sondern  normale  ausgewachsene  Formen  sind.  Die 
Annahme  plötzlicher,  gewaltsamer  Todesursachen,  wie  Kohlensäure- 
Exhalationen,  ist  daher  nicht  gerechtfertigt.  Es  genügt,  günstige 
äussere  Verhältnisse  nachzuweisen.  Wir  werden  sehen,  dass  die 
Gegend  von  St.  Cassian  während  der  Bildungszeit  der  Cassianer 
Schichten  eine  von  Korallenriffen  umschlossene  Bucht   gewesen  ist. 


*)  Verh.  Geol.  R.-A.  1871,  pag.  204. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Südtirol.  6l 

Die  Fauna  von  St.  Cassian  selbst  trägt  vollständig,  wie  bereits 
V.  Richthofen  und  Laube  betont  haben,  den  Charakter  einer 
Korallenriff-Fauna,  die  Fundstelle  der  F'ossilien  selbst  liegt  am  Aus- 
|j^ehenden  eines  Riffes.  Hier  konnten  die  Bedingungen  der  An- 
.siedlung  kleiner  Formen  sehr  vortheilhaft  gewesen  sein. 

Man  hat  die  Cassianer  Schichten  wegen  der  räumlichen  Be- 
schränkung der  typischen  Facies  (ifters  als  eine  ganz  locale  Bildung 
bezeichnet.  Um  eine  derartige  Auffassung  wissenschaftlich  zu  be- 
j^ründen,  müsste  der  Nachweis  gefuhrt  werden,  dass  die  Cassianer 
Schichten  nur  eine  Facies  eines  anderen  bekannten  Trias-Horizontes 
sind.  Die  Cephalopoden  beweisen  aber  gerade  die  Selbständigkeit 
des  Cassianer  Horizontes.  Uebrigens  verbietet  auch  die  Reichhal- 
tigkeit der  Fauna,  von  einer  localen  Bildung  zu  sprechen.  Es  wäre 
denn  doch  mehr  als  sonderbar,  wenn  die  reichste  aller  bekannten 
Triasfaunen  eine  Localfauna  sein  sollte!  So  reiche  Faunen  deuten 
wol  auf  Meerestheile  hin,  welche  mit  weiten  Meeresbecken  in  offener 
Verbindung  stehen.  Unter  solchen  Voraussetzungen  dürfen  wir  nur 
von  dem  isolirten  (oder  localen)  Auftreten  der  typischen  Ca.ssianer 
Fauna  in  den  Alpen  sprechen.  Die  Ursache  der  Isolirung  liegt 
lediglich  in  den  chorologischen  Verhältni.ssen,  welche  theils  dem 
Vorkommen,  theils  der  Erhaltung  der  Fauna  mit  Ausnahme  der 
kleinen  Bucht  von  St,  Cassian  ungün.stig  waren.  —  In  theoreti.scher 
Beziehung  wirft  das  isolirte  Auftreten  der  Cassianer  Fauna  ein  höchst 
lehrreiches  Streiflicht  auf  die  zahlreichen  phylogenetischen  Lücken 
der  geologischen  Ueberlieferung. 

Die  Aequivalente  der  Cassianer  Schichten  in  den  Alpen  bilden 
meistens  die  fossilarmen  Kalke  und  Dolomite  der  Riff-Facies,  welche 
in  diesem  Niveau  ihre  grösste  horizontale  Verbreitung  erlangt.  Seltener 
treten  andere  Kalke  (Fürederkalk  des.Bakonyer  Waldes)  oder  mer- 
gelige Gesteinsarten  auf. 

Eine  mit  den  Cassianer  Schichten  zeitlich  naheverwandte,  wahr- 
scheinlich übereinstimmende  Bildung  ist  der  schwarze  fischfiihrende 
Schiefer  von  Raibl,  welchen  ich  bisher  mit  dem  sogenannten  Aon- 
schiefer  von  Niederösterreich  identificirt  hatte.*)  Einige  besser 
erhaltene,  in  letzterer  Zeit  mir  zu  Gesich^  gekommene  Cephalopoden 
belehren  mich  aber,  dass  die  Arten  der  beiden  Schiefer  verschieden 


*)  Die  Uebereinstimmung  der  Facies  in  petrographischer  und  biologischer 
Beziehung  ist  beim  Raibler  Fischschiefer  und  dem  Aonschiefer  eine  vollkommene. 
In  beiden  kommen  neben  Fisch-  und  Pflanzenresten,  welche  für  identisch  gelten, 
platt  gedrückte,  leider  meist  schlecht  erhaltene  und  daher  schwer  mit  grösserer 
Schärfe  zu  bestimmende  Ammoniten  aus  der  Gruppe  des  Trachjyceras  Aon  vor. 


ß2        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

sind.  Während  im  Aonschiefer  unzweideutige  Formen  der  Zone 
des  Trachyceras  Aanoides  auftreten,  stimmen  die  vollständigeren  und 
deutlicheren  Exemplare  unter  den  Vorkommnissen  des  Raibler 
Schiefers,  wie  schon  Laube  vermuthet  hatte,  mit  Cassianer  Arten 
am  besten  überein. 

Der  Raibler-Schiefer  ist  in  seiner  Verbreitung  eben  so  sehr 
beschränkt,  wie  die  Cassianer  Schichten.  Er  ist  die  Bildung  einer 
ruhigen  Inselbucht  und  ist  reich  an  Resten  von  Fischen,  Krebsen 
und  Landpflanzen. 

Die  Zahl  der  aus  den  echten  Schichten  von  St.  Cassian  be- 
kannten Arten  beträgt  mindestens  500.  Die  neueste  und  umfassendste 
Bearbeitung  der  Fauna  hat  Laube  geliefert,  mit  derselben  den 
ganzen  Reichthum  aber  noch  lange  nicht  erschöpft.  Fast  jedes  Jahr 
liefert  neue  Formen.  Aber  auch  die  älteren  Werke  von  Graf 
Münster  und  v,  Klipstein  enthalten  manche  in  der  Laube'schen 
Monographie  nicht  erwähnte  oder  übergangene  Arten,  welche  in 
den  von  Laube  bearbeiteten  Wiener  Sammlungen  nicht  vertreten 
waren. 

Für  stratigraphische  Zwecke  sind  die  Cephalopoden  am  wich- 
tigsten, da  ihre  verticale  Verbreitung  am  genauesten  bekannt  ist. 
Von  den  übrigen  Fossilien  scheint  eine  Anzahl  sowol  in  tieferen, 
wie  in  höheren  Schichten  vorzukommen,  doch  fehlt  es  heute  noch 
an  strengen  kritischen  Beobachtungen  in  dieser  Richtung. 

Von  den  Cephalopoden  erwähne  ich  hier  die  wichtigsten 
Formen: 

Aidacoceras  sp.  ind. 
Bactrites  tmdtdatus  Mstr. 
Nautilus  Acts  Mstr. 

linearis  Mstr. 
gramdosO'Striatus  Klpst. 
cf.  Schlöfibachi  Mojs. 
Klipsteini  Mojs. 
Orthoceras  elegans  Mstr. 
politum  Klpst. 
elliptiaim  Klpst. 
Arcestes  Johannis  Austriae  Klpst. 
Klipsteini  Mojs. 
Gaytani  Klpst. 
bicarinatus  Mstr. 
Barrandei  Lbc. 
Lobites  pisum  Mstr. 
monilis  IJ?e. 


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mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  63 

Lobites  ellipticoides  Lbc. 
Megaphyllites  Jarbas  Mstr. 
Pinacoceras  Philopater  Lbe. 
Trachyceras  Aon  Mstr, 

Brotheus  Mstr. 

bipunctatutn  Mstr. 

furcatum  Mstr. 

dichotonium  Mstr. 

infundibiliforme  Klpst. 

Saulus  Lbe. 

bmneostatum  K/p^t. 

Rüppeli  Klpst. 

Sesostris  Lbe. 

Busiris  Mstr. 

Hirschi  Lbe. 

Cfioristoceras  Buchi  Klpst. 

Eryx  Mstr. 

glaucum  Mstr. 
Von  Pelecypoden  sind  hervorzuheben: 

Daonella  Cassimui  Mojs. 

Richthofeni  Mojs. 

fluxa  Mojs. 

Cassianella  gryphaeata  Mstr. 

Gervillia  angusta  Mstr. 

Cardita  crenata  Goldf.; 

von  Brachiopoden: 

Konninckina  I^onhardi  IVissm. 

RJtynchanella  semiplecta  Mstr. 

Terebratiila  itidistincta  Beyr.; 

von  Echinodermen : 

Eftcrinus  Cassiamis  Lbe. 

„        granulosus  Mstr. 

Pcntacrinus  propinquus  Mstr. 

Cidaris  dorsata  Braun 

alata  Ag. 

Rötneri   IVissm. 

Braunii  Des. 

flexuosa  Mstr. 

Wisstnanfii  Des.*) 


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*)  Palaeont.    Literatur    der    Cassianer    Schichten:     Graf    Münster,    Beitr. 
z.  Petrcfactenkunde,  4.  Heft.  A.  v.  Klipstein,    Beitr.    z.    geol.   Kenntniss  der  östl. 


64       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  FormatioDen  der  Ostalpcn 

Aus  der  Riff-Facies  der  Cassianer  Schichten  kennen  wir  bis  heute 
noch  keine  dieses  Niveau  charakterisirende  Formen.  Doch  dürfen 
wir  wol  die  bereits  erwähnten  einzelnen  grossen  Gasteropoden, 
welche  sich  in  den  Cassianer  Schichten  der  Stuores- Schneide  ge- 
funden  haben  (Natica  maciäosa,  N.  brufica,  mehrere  Bruchstücke 
riesiger  Chemnitzien),  der  Riff-Facies  zurechnen.  Viele  Formen  werden 
noch  mit  Esino  gemeinsam  sein,   da  sich  Esino- Arten  noch    in  der 

Riff-Facies  der  Raibler  Schichten  (Petzen  in  Kärnten)  finden. 

In  dem,  wie  erwähnt,  wahrscheinlich  dem  Niveau  von  St.  Cassia'^ 
angehörigen  Fischschiefer  von  Raibl  finden  sich  ausser  einigen  Cas- 
sianer Cephalopoden,  Gasteropoden  und  Korallen  von  Fischen: 

Graphiurus  callopteni^  Kn. 
Ortimrus  Sturz  Kn. 
Ptycholcpis  raiblefisis  Br. 

„  avus  Kn. 

Thoracopterus  Niderristi  Br. 
Mcgaloptcms  raiblatms  Kn. 
Pterigopienis  apus  Kn. 
Pholidoplcunis   Typus  Kn. 
Peltopleiirus  splaidens  Kn. 
Pholidophorus  microlepidottis  Kn. 

„  Bronni  Kn. 

Lepidottis  omatus  Ag. 
BelanorhyfKhns  striolatus  Br.; 
von  Krebsen: 

Tetrackela  Raiblana  Br. 
Siawchebis  triasicns  Rss. 
Aeger  crassipes  Br. 
Bombur  Aonis  Br.; 
von  Insekten  eine  Blattina; 
von  Cephalopoden: 

Acanihotheuiis  bisinuata  Br,; 
von  Pflanzen: 

Equtsetites  arenaceus  Seh. 
„  strigatus  Br.  sp. 


Alpen.  G.  L.  Laube,  Die  Fauna  der  Schichten  von  St.  Cassian.  Denkschriften  d, 
kais.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien,  24 — 3o.  Bd.;  A.  E.  Reuss,  Foraniiniferen  u.  Ostra- 
coden  V.  St.  Cassian.  Sitz.-Ber.  k,  Akad.  Wien,  57.  Bd.;  C.  W.  Gümbel,  Foraraini- 
feren  etc.  in  den  St.  Cassianer  u.  Raibler  Sch.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1869.;  £.  v. 
Mojsisovics,  Das  Gebirge  um  Hallstatt;  .E.  v.  Mojsisovics.  Daonella  und 
Halobia,  Abhdl.  Geol.  R.-A.,  Bd.  VII.;  E.  v.  Mojsisovics.  Cephalopoden  d.  medit 
Triasprovinz,  u.  d.  Presse). 


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mit  besonderer  RQcksicht  auf  SOdtirol.  Qt 

Neuropteris  cf.  Rütimeyeri  Heer, 
Danaeopsii'  cf.  marantacea  Prsl. 
Cycadites  Sitessi  St. 
Dioonites  pachyrrhachis  Schenk 
Pterophyllum  Branni  Schenk 

gigantettm  Schenk 

cf.   Jaegeri  Br. 

Sandbergeri  Schenk 
Voltzia  raiblensis  St. 
Hatieri  St. 
Foetterlei  St.^) 

7.  Die  Raibler  Schichten.  Mit  den  Cassianerbildungen 
erreicht  die  heteropische  Spaltung  der  alpinen  Trias  ihren  Höhe- 
punkt. Ablagerungen  litoralen  Charakters  mit  einer  leicht  kenntlichen, 
artenarmen  aber  individuenreichen  Fauna,  häufig  unterbrochen  von 
Sandsteinen  mit  Landpflanzen,  erreichen  nun  eine  ausgedehnte  Ver- 
breitung, welche  nahezu  das  ganze  alpine  Triasgebiet  umfasst  Sie 
sind  deshalb  für  die  Orientirung  von  ebenso  unschätzbarem  Werthe, 
wie  die  an  der  Basis  der  Trias  liegenden  Werfener  Schichten  und 
wie  die  auf  ein  viel  engeres  Areal  beschränkten  Kössener  Schichten, 
welche  den  Schluss  der  Trias  bezeichnen.  Namentlich  in  den  Districten, 
wo  die  Riff-Facies  entwickelt  ist,  bilden  die  mergeligen  Raibler 
Schichten  einen  höchst  wolthuenden  Ruhepunkt  inmitten  der  gewal- 
tigen Kalk-  und  Dolomitmassen,  welche  durch  ihre  Eintönigkeit  und 
Fossilarmuth  ein  Bild   von  abschreckender  Grossartigkeit   darbieten. 

Die  Raibler  Schichten  sind  meistens  sehr  fossilreich  und  enthalten 
vorwiegend  Zweischaler,  welche  ganze  Bänke  erfüllen.  Charakteristisch 
ist  dabei,  dass  jeweils  eine  oder  nur  wenige  Arten  in  grosser  Indi- 
viduenzahl in  derselben  Bank  vorkommen.  Man  kann  in  Folge 
dessen  häufig  in  begrenzten  Districten  eine  bestimmte  Reihenfolge 
der  Arten  wahrnehmen.  Stellenweise  tritt  aber  diese  bankweise 
Vertheilung  zurück  und  finden  sich  mehr  Arten,  aber  weniger 
Individuen  in  den  einzelnen  Lagen.  Nicht  selten  ist  der  Complex 
der  mergeligen  Schichten  durch  eine  zwischengelagerte  grössere  oder 
geringere    Masse   lichten    pelagischen   Kalkes   (Riflf-Facies)    getheilt. 


"*)  Palaeont.  Literatur  des  Raibler  Fischschiefers:  Bronn,  Beitr.  z.  Fauna 
u.  Flora  d.  Schiefers  v.  Raibl.  Leonh.  u.  Br.  Jahrb.  i858  (Nachträge  1.  c.  iSSg); 
Kner,  Fische  etc.  Sitz.-Ber.  k.  Akad.  Wien,  53.  Bd.  (Nachträge  1.  c.  55.  Bd.); 
Reuss,  Krebse  etc.  Hauer*s  Beitr.  z.  Palaeont.  Oesterr.  I.;  Suess,  Acanthotheutis, 
Sitz.-Ber.  k.  Akad.  Wien,  5i.  Bd.;  Schenk,  Flora,  Würzburger  naturw.  Zeitsch.  VI.; 
Stur,  Raibl,  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1868. 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  5 


g5       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Auch  reicht  an  einigen  Punkten  die  Riflf-Facies  von  unten  in  die 
Raibler  Zone  hinauf.  Stellenweise  fehlen  aber  mergelige  und  sandig^e 
Bildungen  gänzlich.  In  solchen  Fällen,  wo  die  Kalkbildung  eine 
continuirliche  ist,  wird  die  scharfe  Abgrenzung  schwierig,'  oft  un- 
möglich. 

Sehr  häufig  sind  die  Raibler  Schichten  von  Gypsen  und  Rauch- 
wacken  begleitet 

Die  allerdings  seltenen  Cephalopoden  der  Raibler  Schichten  — 
man  kennt  aus  den  muschelfiihrenden  litoralen  Bänken  aber  doch 
bereits  i6  Arten  —  stimmen  in  überwiegender  Anzahl  (13  von  16) 
mit  Arten  aus  der  Zone  des  Trachyceras  Aotwides  der  Hallstätter 
Kalke  überein.  Es  liegt  daher  keine  palaeontolog^sche  Grenze 
zwischen  der  obersten  Hallstätter  Zone  und  den  Raibler  Schichten. 
Der  chorologische  Unterschied  ist  aber  allerdings  bedeutend.  In 
dem  einen  Falle  eine  reiche  pelagische  Fauna,  in  dem  anderen  Falle 
eine  artenarme  Litoralfauna. 

In  den  Raibler  Schichten,  insbesondere  in  den  lichten  zwischen- 
gelagerten pelagischeren  Kalken,  beginnt  die  Pelecypoden- Gattung 
Megalodtis  durch  geselliges  Auftreten  eine  Rolle  zu  spielen.  Im 
alpinen  Triasgebiete  erscheint  Megalodus  in  sicheren  Exemplaren  zum 
ersten  Male  in  den  Cassianer  Schichten. 

Eigenthümlich   ist   die    geographische   Verbreitung   einiger   für 
die  Raibler  Schichten  sehr  bezeichnender  Fossile,  in  Folge  welcher 
das   Alpengebiet    in    zwei   bestimmt   abgegrenzte   Räume,    in    eine 
nördliche  und  südliche   Region   zerfällt.     Die    nördliche  Region    ist 
nicht   auf  unsere   heutigen   Nordkalkalpen   beschränkt;    sie  umfasst 
von  den  heutigen  Südkalkalpen  noch  den  schmalen   im  Norden  des 
palaeozoischen  Zuges  der  Karavanken   und    der    karnischen    Alpen 
gelegenen     triadischen    Strich   der    Karavanken  und    des    Villach- 
Lienzer  Gebirges.     Eine  Reihe   von  Arten   ist  beiden  Regionen  ge- 
meinschaftlich,   einige    andere    dagegen    und    zwar    gerade   solche, 
welche  innerhalb  ihres  Verbreitungsgebietes  eine  dominirende  Rolle 
spielen,  sind  strenge  localisirt.    So  ist  die  berühmte   Trigonia  Kefcr- 
steint  strenge  auf  die  südliche  Region  beschränkt,  daselbst  aber  das 
verbreitetste  und  bezeichnendste  Fossil.     Ebenso  sind  gewisse  Myo- 
conchen,  Pachycardia  Haueri  und  andere  Conchylien  der  Region  der 
Trigonia   Kefersteini  eigenthümlich.     Umgekehrt    fehlt    die    in    der 
nördlichen    Region    sehr   gemeine    Cardita    Gümbeli    der    südlichen 
Region.     (Man    nennt   wegen    des  Vorherrschens  dieser  Cardita  die 
nördlichen  Raibler  Schichten  häufig  auch  , Cardita-Schichten*.)  Zwei 
andere  weit  verbreitete,  wichtige  Fossile  der  nördlichen  Region  sind 


mit  besonderer  RDcksichl  auf  Südtirol.  6/ 

femer  Lamites  floridus   und   Halobia   rugosa,    welche  beide  auch  in 
der  Zone  des  Trachyceras  Aotwides  der  Hailstätter  Kalke  vorkommen. 

Eine  entlang  dem  Nordrande  der  nördlichen  Kalkalpen  fort- 
ziehende Einlagerung  von  grauen  Sandsteinen  mit  Pflanzenresten 
(Lunzer  Sandstein),  welche  in  Nieder  Österreich  durch  den  Einschluss 
guter  Steinkohlen  auch  technische  Bedeutung  gewinnt,  enthält  eine 
Anzahl  von  Pflanzenarten  der  deutschen  Lettenkohle,  was  zur 
Parallelisirung  des  Lunzer  Sandsteines  mit  der  Lettenkohle  Anlass 
gab.  Man  kann  dieser  Parallele  immerhin  eine  gewisse  Berechtigung 
zugestehen,  da  eine  zusammenhängende  Landbriicke  von  den  Ufern 
des  deutschen  Trias-See's  bis  zur  Küste  des  nordalpinen  Triasmeeres 
reichte.  Indessen  wäre  es  doch  sehr  gewagt,  eine  schärfere  Parallele 
mit  einer  bestimmten  pflanzen  führenden  Bank  der  deutschen  Trias 
zu  ziehen.  Wir  dürfen,  ganz  abgesehen  von  der  Möglichkeit  des 
Bestandes  und  der  Verschiebung  von  Localfloren,  nicht  vergessen, 
dass  auch  in  der  deutschen  Trias  nur  eine  lückenhafte  Ueberlieferung 
von  der  allmählichen  Umbildung  und  Fortentwicklung  der  mittel- 
europäischen Flora  vorliegt. 

Lunzer  Sandstein  und  Lettenkohle  stehen  sich  phytopalaeon- 
tologisch  ziemlich  nahe  und  gehören  demselben  Florengebjete  an. 
Mehr  lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  sagen.  Eine  Flora  des  Schilf- 
sandsteines kennen  wir  in  den  Alpen  nicht;  müssen  sich  aber  die 
Schilfsandsteinpflanzen  südlich  bis  an  die  Küsten  des  alpinen  Meeres 
erstreckt  haben  i'  Könnte  der  Lunzer  Sandstein  nicht  zeitlich  dem 
Schilfsandstein  näher  stehen  als  der  Lettenkohle?  —  Die  aus  Muschel- 
kalk-Epigonen zusammengesetzten  Keuper-Faunen  geben  in  diesen 
Fragen  keinerlei  sicheren  Aufschluss.  *) 

Die  Gesteine  der  Raibler  Schichten  sind,  wie  bereits  erwähnt, 
in  der  Regel  mergeliger  Natur.  In  der  nördlichen  Region  der  Cardita 
Gümbeli  sind  oolithische  Mergelkalke  sehr  verbreitet  (Cardita-Oolithc). 
Im  südö.stlichen  Tirol  herrschen  rothe  oolithische  eisenschüssige  Kalke, 
rothe  und  violette  Thone,  weisse  und  rothe  Sandsteine  vor  (Schiern- 
plateauSckichten). 

Was  die  Fauna  der  Raibler  Schichten  anbelangt,  so  liegt  leider 
noch  keine  kritische  Bearbeitung  des  reichen  Materials  vor.  Eine 
Anzahl  von  Cassianer  Formen  wird  von  verschiedenen  Punkten  citirt, 
doch  erfreuen  sich  diese  Typen,  unter  denen  sich  auch  Korallen. 
Echinodermen  und  Gasteropoden  befinden,  keiner  grossen  Verbreitung, 

•)  üeber  die  Parallelisirung  der  deutschen  mit  der  alpinen  Trias  vergleiche 
meine  Bemerkungen  im  Ausätze  Ober  die  Faunengebicte  und  Fadcsgebllde  der 
Trias,  Jahrb.  Geol.  R.-A.   [874,  p.   raS— 134. 


68       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

da  die  herrschende  Facies  den  Charakter  einer  litoralen  Pelecypoden- 
Fauna  trägt.  Die  wichtigsten  Zweischaler  sind: 
Trigonia  Keferstetni  Goldf, 
Corbis  Mellingi  Hau. 
Cardita  Gümbeli  Pickl. 
Corbula  Rostkomi  BotU 
Nuculä  stdcellata    Wissm. 
Hömesia  Joliannis  Austriae  Klipst. 
Pema  aviculaeformis  Emmr.  /^=  P.  Boiiii  Hau.) 
Pecten  Hellii  Emmr.  /^==  P.  filosus  Hau.) 
Solen  caudatus  Hau. 
Pachycardia  Haueri  Mojs. 
Megalodus  carinthiacus  Bout^ 
Cardinia  problematica  Klipst. 
Trigonia  elongata  Hau. 
Ostrea  Montis  Caprilis  Klipst. 
Halobia  rugosa  Gümb. 
Myoconcha  lombardica  Hau. 
„  Curionii  Hau.*) 

Unter  den  Cephalopoden  erfreuen  sich  grösserer  Verbreitung: 
Nautilus   Widfeni  Mojs. 
Camites  floridus   Wulf,  und 
•      Arcestes  cymbiformis   Wulf. 
Der  Riff-Facies  gehören  an: 

Chemnitzia  eximia  Hörn, 
gradata  Hörn, 
formosa  Klipst. 
Rosthorni  Hörn, 
alpina  Eichw. 
Natica  plumbea  Hörn. 
Nerinea  prisca  Hörn. 
Turbo  Suessi  Hörn. 

„      sid)coronatus  Hörn., 
sowie  Megalodonten.  Reiche  Fundorte  dieser  Facies  sind:  Unterpetzen 
in  Kärnten  **),  wo  mit  den  Gasteropoden  noch  eine  grössere  Zahl 


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♦)  Vgl.  Fr.  V.  Hauer,  Ein  Beitr.  z.  K.  der  Fauna  der  Raibler  Schichten. 
Sitz.-Ber.  k.  k.  Akad.  d.  W.  Wien,  Bd.  XXIV.  —  Verzeichnisse  der  Raibler  Fauna 
liefern  auch  Gümbel,  Bayer.  Alpengebirge,  pag.  272,  und  Stur,  Geologie  der 
Steiermark,  pag.  282. 

**)  Die  weissen  Kalke  dieser  Fundstelle  liegen  unter  den  litoralen  Raibler 
Schichten  und  wurden  bisher  als  ein  Älteres  Glied  betrachtet.  Ich  habe  aber  bereits 
erwähnt,  dass  nach  den  Cephalopoden  kein  Unterschied  des  Alters  zwischen  den 
Raibler  Schichten  und  der  obersten  Hallstätter  Zone  besteht. 


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mit  besonderer  Rücksicht  auf  SCdtirol.  gg 

von  Cephalopoden  aus  der  Zone  des  Trachyc.  Aanoides*)  der  Hall- 
stätter  Kalke  vorkommt,  und  Eisengraben  bei  RaibI,  wo  sich  zahl- 
reiche Chemnitzien  und  Megalodonten  in  dem  den  Raibler  Schichten 
zwischengelagerten  Dolomite  finden.  Chemnitsia  alpina  ist  in  den 
Raibler  Schichten  des  Schiern  nicht  selten. 

Die  Pflanzen  des  Lunzer  Sandsteines  nach  den  Bestimmungen 
Stur's  sind: 

Equisetites  arenacais  Jaeg. 
brevivaginattis  St. 
nerzfasoz'aginatus  St. 
gamingiatius  E^t. 
Calamites  Meriani  Brg. 
Acrostichites  Lunzensis  St. 
NcMropteris  remota  Pressi. 
Clathropteris  retiadata  Kurr. 
Alethopteris  Lunzensis  St. 
„  Meriani  Brg. 

Danaeopsis  marantacea  Pr., 

„  Simplex  St. 

Ptcrophyllum  Haidingeri  Goepp., 

Gümbeli  St. 
Haiieri  St. 
Pichleri  St. 
lunzefise  St, 
Lipoldi  St. 
Meriani  Heer, 
breinpenne  Kurr. 
Jaegeri  Brg. 
Riegeri  St. 
Zaniites  lunzensis  St. 
8.  Die  Schichten  ä^v  Aviaäa  exilis  und  des  Turbo  solitarius. 
Die   bereits  in  den  Raibler  Schichten  beginnende  Facies  der  lichten 
Megalodontenkalke     und   Dolomite    (Dachsteinkalk     und     Dolomit, 
Hauptdolomit)    erreicht    über   denselben   eine   allenthalben  sehr   be- 
deutende Mächtigkeit  (6 — 1200  Meter).     Leider  ist  diese  so  ansehn- 
liche   und    (lir   den   Aufbau   des    Gebirges    so    massgebende   Kalk- 
formation  in   biologischer  Beziehung   ausserordentlich  einförmig,   so 
dass  wir  hier  eine  der  empfindlichsten  Lücken  in  der  Kenntniss  der 
Triasfaunen  zu  constatiren  haben. 


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*)  Bezüglich  der  reichen  Cephalopoden-Kauna  dieses  Horizontes  verweise  ich 
auf  mein  grösseres  Werk:  Das  Gebirge  um  Hallstatt. 


^O       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Die  vorzüglich  durch  verschiedene  Arten  der  Gattung  Megalodus 
charakterisirte  Facies  reicht  in  manchen  Gegenden,    wie  im  südöst- 
lichen  Tirol,    durch   die   rhätische   Stufe   hindurch   bis  in  den  Lias 
hinauf,  ohne  durch  die  Zwischenlagerung  abweichender  Faciesgebilde 
unterbrochen  zu  werden.  In  solchen  Districten  wird  die  Ausscheidung" 
des  rhätischen  und  liasischen  Antheils  sehr  schwierig,  meistens  sog'ar 
undurchführbar.  Vielleicht  wird  mit  der  Zeit  die  genauere  Kenntniss 
der  Megalodonten  und  der  Foraminiferen  Anhaltspunkte  zur  Unter- 
scheidung mehrerer  Horizonte  geben.  Vor  dem  Beginn  der  rhätischen 
Stufe   tritt   im   ganzen   Bereiche    der   Alpen    nirgends    eine    Unter- 
brechung  durch   eine   biologisch    und    petrographisch    abweichende 
Facies   ein,    abgesehen   von   der   Einschaltung    von    fischfiihrenden 
Asphaltschiefem   in   Nordtirol   und   in   Val   Trompia   und   von  den 
Korallenrißmassen  der  Salzburger  Hochalpen.    Aus   diesem   Grunde 
ist  es,  vorläufig  wenigstens,  nicht  möglich  den  genauen  historischen 
Werth  des  kamischen  Dachsteinkalkes  zu  ermitteln.    Dass  derselbe 
zum  mindesten  Einem  guten  palaeontologischen  Horizont  entspricht, 
geht   aus  den  Fossilien  der  Südalpen  (sowie  aus  den  wenigen  Ce- 
phalopoden  des  salzburgischen  Korallerikalks)  hervor.    Aber  es  darf 
nicht   übersehen   werden,   dass   anderwärts  ein  mehrfacher  Wechsel 
der   Fauna   eingetreten   sein   könnte,   ohne   bei   der  Fortdauer   der 
gleichen   physikalischen  Verhältnisse   in   den  Alpen   wahrnehmbare 
oder  mit  jenen  Aenderungen  correspondirende  Spuren  zurückgelassen 
zu  haben. 

Die  triadischen  Megaloduskalke  besitzen  eine  grosse  Analogie 
mit  den  oberjurassischen  Diceraskalken  und  es  scheinen  in  der  That 
beide  die  gleiche  chorologische  Rolle  gespielt  zu  haben.  Beide  stehen 
in  ganz  analogen  Beziehungen  zu  Korallriflfbildungen.  Im  Salzbur- 
gischen lehnen  sich  die  Megaloduskalke  unmittelbar  an  mächtige 
Korallenriffe  an  und  starke  Bänke  von  Korallenkalk  alterniren  häufig 
mit  Megalodusbänken.  Auch  in  den  Korallenkalken  selbst  sind  Me- 
galodonten nicht  selten.  Einige  Analogie  mit  den  Megaloduskalken 
zeigen  auch  die  in  der  südeuropäischen  Kreide  so  weit  verbreiteten 
Rudistenkalke.  In  den  heutigen  Korallenriffen  vertreten,  wie  es 
scheint,  die  grossen  Tridacna-Y oxva^xi  die  Megalodonten  der  Trias 
und  die  Diceraten  des  Jura. 

Ausser  Megalodonten  und  Korallen  kommen  im  kamischen 
Dachsteinkalk  noch  etliche  Pelecypoden  und  Gasteropoden  vor,  unter 
denen  Avicula  exilis  und  Turbo  solitariits  die  verbreitetsten  sind.  Einige 
reiche  Fundstellen  von  Gasteropoden  (wie  es  scheint,  meistens  neue 
Arten)  wurden  von  Prof  Hörn  es  innerhalb  unseres  Gebietes  entdeckt 
(Val  di  Rin  bei  Auronzo  und  Val  Oten  bei  Pieve  di  Cadore). 


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mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  ^I 

In  den  lombardischen  Alpen  spielen  Dactyloporiden  eine 
grosse  Rolle.  Die  in  den  tieferen  triadischen  Horizonten  herrschende 
Gattung  Diplopora  wird  nach  Benecke's  Untersuchungen  durch  die 
erst  in  diesem  Niveau  auftretende  Gattung  Gyroporella  ersetzt.  Durch 
Peters  wurden  aus  verschiedenen  Gegenden  der  Alpen  Einschlüsse 
anderer  Foraminiferen-Gattungen  bekannt.  Ein  Punkt,  welcher  in 
dieser  Beziehung  besonders  Interesse  erweckt,  ist  das  Echemthal 
bei  Hallstatt,  dessen  Kalke  zum  grössten  Theile  aus  Globigerinen 
bestehen.  *) 

Fossilien  des  kamischen  Dachsteinkalks:**) 
Megalodiis  Gütnbeli  Stopp, 

cotnplanatus  Gümb, 
MojsvdriHor. 
Damesi  Hör. 
Tofanae  Hör. 
Dicerocardium    Wtdfeni  Hau, 

Ragazzonii  Stopp. 
Jani  Stopp. 
Curionii  Stopp. 
Hemicardium  dolomiticiim  Lor. 
Avicula  exilis  Stopp. 
Area  rtidis  Stopp. 
Trigonia  Baisami  Stopp. 
Trigonodtis  sttperior  Lor. 
Mytilus  radians  Stopp. 

„         Corncdiae  Stopp. 
Myoconcha  Brunturi  Hau. 
Gervillia  salvata  Brunn,  sp. 
Pinna  reticularis  Ben. 
Turbo  solitarius  Ben. 

Taramellii  Stopp. 
Segtienzae  Stopp. 
Natica  longiuscula  Stopp. 
Chemnitzia  eximia  Hörn.     ' 
Turrite/la   Trompiana  Ben. 
„         lombardica  Ben. 
Pleurotomaria  bizini  Stopp. 


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*)  Peters  im  Jahrb.  Geol.  R.-A.  i863,  pag.  294. 

♦♦)  Stopp  an  i,  Paläontologie  lombarde.  Couches  )a,  Avicula  contorta.  Appendice. 
Benecke,  Trias  und  Jura  in  den  SOdalpen.  Gcogn.  pal.  Beitr.  1.;  Loretz 
in  Zeitsch.  D.  Geol.  Ges.  1875,  pag.  833;  Gümbel,  Nulliporen.  Abh. Münchener 
Akad.  II.  GL  XI.  Bd.  I.  Abth. 


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72        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Delphinida  Escheri  Stopp, 
diadema  Stopp, 
pygmaea  Stopp, 
Rissoa  alpifia  Gümb, 
Gyroporella  i^esiculifera  Gümb, 
Die   nordtirolischen   Asphaltschiefer   (Seefelder  Schichten)  ent- 
halten: 

Teiragonolepis  Bau^i  Ag, 
Semionotus  latus  Ag, 
„  striatus  Ag, 

„  macropicrus  Schafh, 

Lepidotus  panndus  Ag. 
ontatus  Ag, 
speciosus  Ag, 
Pholidophonis  latiiisculus  Ag, 

pusillus  Ag, 
dorsalis  Ag. 
fürcatus  Ag, 
Psephoderma  alpinum  H,  v.  M. 
Araiicarites  alpinus  Gümb,  sp. 
Die  rhätische  Stufe.   Diesem  obersten  Abschnitte  der  Trias 
entspricht  nur  eine  einzige  palaeontologische  Phase,    die   Zone  der 
Aincula  contorta,  welche  durch  ihre  gleichmässige  Verbreitung  über 
das  Süd-  und  mitteleuropäische  Triasgebiet  eine  besondere  Wichtig- 
keit erlangt.   Ueber  ihre  systematische  Stellung  gehen  die  Anschau- 
ungen noch  immer  auseinander.    Die  italienischen  und  französischen 
Gelehrten  verbinden  die  rhätischen  Bildungen  mit  den  beiden  untersten 
liasischen  Zonen  zu  einer  Formationsgruppe,   welche  sie  ^Infralias* 
nennen.  In  Oesterreich  hat  man  sich  daran  gewöhnt,  die  rhätischen 
Ablagerungen  (lir  sich  allein  als  eine  besondere,  zwischen  Trias  und 
Jura    eingeschaltete    Formation    zu    betrachten,    wodurch    man   am 
besten   die   Streitfrage   über   die  Zutheilung    der  rhätischen  Gebilde 
zu   lösen   dachte.     Die   deutschen   Geologen   stellen    die   Zone    der 
Avictda  contorta  als  oberstes  Glied  zur  Trias. 

Die  Aufstellung  einer  selbständigen  rhätischen  Formations- 
gruppe zwischen  Trias  und  Jura  würde  eine  allzu  ungleichwerthige 
Eintheilung  der  mesozoischen  Bildungen  bedingen  und  leicht  zu 
falschen  Vorstellungen  über  die  Bedeutung  der  rhätischen  Bildungen 
führen.  Denn  an  chronologischem  Werthe  kommt  die  rhätische  Stufe 
nur  je  einer  der  zahlreichen  Zonen  der  Trias  und  des  Jura  gleich. 
Eine  Einheit  einer  Vielheit  als  gleichberechtigten  Factor  zu  coordi- 
niren,  wäre  weder  zweckmässig  noch  consequent.     Auch  gegen  die 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtirol.  y^ 

befürwortete  Einbeziehung  der  kamischen  Dachsteinkalke  in  die 
rhätische  .Formation*,  um  dieser  eine  grössere  verticale  Ausdehnung 
zu  geben,  sprechen  sachliche  und  utilitäre  Gründe.  Das  Erscheinen 
liasischer  Vorläufer,  insbesondere  die  Rückkehr  der  Ammoniten- 
Gattung  Aegoccras  verleiht  den  echten  rhätischen  Ablagerungen 
einen  chorologisch  scharf  präcisirten  Charakter,  welcher  in  der  Be- 
schränkung der  Bezeichnung  ,Rhätisch*  auf  die  Zone  der  Avictda 
contorta  seinen  besten  Ausdruck  findet.  Auf  die  Identität  der  Facies  in 
den  kamischen  und  rhätischen  Dachsteinkalken  kann  kein  Gewicht 
gelegt  werden.  Wollte  man  das  Auftreten  von  Megaloduskalken  als 
bestimmend  ansehen,  so  müsste  man  die  Grenzen  nach  unten  und 
oben  ausdehnen,  da  in  den  Alpen  Megaloduskalke  ausser  in  den 
Raibler  Schichten  auch  noch  im  Lias  vorkommen.  Ein  weiteres  Ar- 
gument zu  Gunsten  der  engeren  Fassung  der  rhätischen  Stufe  bUdet 
die  geographische  Verbreitung  der  Zone  der  Aviada  contorta.  Es 
erleichtert  die  Verständigung,  wenn  die  alpinen  und  ausseralpinen 
Ablagerungen,  in  Fällen,  wo  eine  wirkliche  Uebereinstimmung  statt- 
findet, auch  gleich  massig  gruppirt  und  benannt  werdeft.  Dehnt  man 
aber  die  Bezeichnung  ,Rhätisch*  auf  die  kamischen  Dachsteinkalke 
aus,  so  muss  man  auf  diesen  VortheU  verzichten.  Der  Einbmch  des 
mediterranen  Triasmeeres  in  die  mitteleuropäischen  Triasgegenden 
ist  aber  doch  ein  Ereigniss  von  solcher  historisch-geographischer 
TragA\'eite,  dass  dasselbe  auch  in  der  stratigraphischen  Nomenclatur 
fixirt  zu  werden  verdient. 

Weit  mehr  Berechtigung,  als  der  Euibeziehung  des  kamischen 
Dachsteinkalks,  würde  der  Vereinigung  mit  den  unterliasischen  Zonen 
nach  dem  Vorgange  Stoppani's  und  der  Franzosen  zugestanden 
werden  müssen,  wenn  es  sich  um  eine  neue  Gmppirung  der  meso- 
zoischen Formationen  überhaupt  handelte.  Es  würde  dadurch  die 
Anomalie  beseitigt,  dass  die  rhätische  Stufe  nur  aus  einer  einzigen 
Zone  besteht.  Vom  chorologischen  und  historisch-geographischen 
Standpunkte  wäre  der  »Infralias*  eine  ziemlich  natürliche  europäische 
Gruppe,  welche  an  die  Basis  des  Jura-Systems  gestellt  werden 
müsste. 

Die  von  den  deutschen  Geologen  angenommene  Zutheilung 
der  rhätischen  Stufe  zur  Trias  findet  in  der  herkömmlichen  Abgren- 
zung zwischen  Trias  und  Jura  ihre  Rechtfertigung.  Es  kann  zu 
Gunsten  derselben  darauf  hingewiesen  werden,  dass  vor  der  durch 
die  alpinen  Forschungen  herbeigeführten  Auffindung  der  rhätischen 
Fauna  die  obere  Grenze  der  Trias  palaeontologisch  nicht  festgestellt 
war,  während  die  untere  Grenze  des  Jura  bereits  durch  die  Zone 
des  Aegoccras  planorbis  bestimmt  und  klar  fixirt  war. 


74       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

9.  Die  Kössener  Schichten.  Unter  dieser  Bezeichnung 
werden  die  verschiedenen  mergeligen,  fossilreichen  Facies  der  rhäti- 
schen  Stufe  in  den  Alpen  zusammengefasst.  Sie  bilden  den  Typus 
der  rhätischen  Stufe.  Wo  die  Facies  der  Megaloduskalke  (Dachstein- 
kalk)  durch  die  rhätische  Stufe  reicht,  da  ist  in  der  Regel  die  Grenze 
gegen  den  kamischen  Dachsteinkalk  schwer  oder  gar  nicht  zu  be- 
stimmen. Fast  zur  Unmöglichkeit  aber  wird  die  Ausscheidung  der 
rhätischen   Stufe   in   solchen  Gegenden,    wo   auch  der  Lias   durch  | 

lichte  fossilarme  Kalke  und  Dolomite  repräsentirt  wird,   wie  dies  in 
unserem  Gebiete  in  der  Regel  der  Fall  ist. 

Die  Fauna  der  Kössener  Schichten  besteht  vorzugsweise  aus 
Pelecypoden  und  Brachiopoden.  Gasteropoden  sind  selten  und  ver- 
einzelt. Noch  sparsamer  treten  Cephalopoden  auf  Charakteristisch 
ist  das  heerdenweise  Auftreten  der  häufigeren  Formen,  insbesondere 
der  Pelecypoden  und  gewisser  Brachiopoden  (Terebr,  gregariaj.  Je 
eine  oder  einige  wenige  Arten  erfüllen  mit  Ausschluss  aller  übrigen 
Formen  ganze  Bänke.  Die  gleiche  Erscheinung  bemerkten  wir  be- 
reits von  den  Raibler  Schichten.  Auch  die  Megalodusbänke  des 
Dachsteinkalks  fallen  in  eine  analoge  chorologische  Kategorie. 

Auf  Grundlage  des  von  Suess  und  mir  aufgenommenen  Profils 
in  der  Osterhomgruppe  im  Salzburgischen  hat  Suess*)  eine  Reihe 
von  Facies  unterschieden,  welche  in  einem  gewissen  mittleren  Striche 
der  Nordkalkalpen  stets  in  der  gleichen  Aufeinanderfolge  erscheinen. 

a.  Die  tiefste  Lage  nimmt  die  schwäbische  Facies  ein.  Es  ist 
dies  die  reine  Pelecypoden-Facies,  welcher  Brachiopoden  noch 
fehlen.  Mytilus  minutus,  Anomia  alpina,  Anatina  praecursor,  Anat 
Suessi,  Cardita  austriaca,  Gervillia  inflata,  Avicula  contorta  sind 
die  häufigsten  Formen. 

In  Wechsellagerung  mit  den  diese  Zweischaler  führenden 
Bänken  treten  stets  noch  Megaloduskalke  auf  Zugmayer**)  fand 
im  Piestingthale  in  Niederösterreich  in  solchen  Megaloduskalken 
breccienartige  Partien  erfüllt  von  zahlreichen  Zähnen,  Knochensplittern 
und  Koprolithen  von  Fischen^  welche  mit  rhätischen  Bonebed-Arten 
übereinstimmen. 

Bios  die  Vorkommnisse  dieser  Facies  (natürlich  mit  Ausnahme 
der  in  den  Alpen  zwischengelagerten  Megaloduskalke)  finden  sich 
in  den  ausseralpinen  rhätischen  Ablagerungen  Europa's  wieder. 


♦)  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1868,  pag.  167—200. 
**)  Jahrb.  Geolog.  R.-A.  1874,  pag.  79. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol. 


75 


b.  In  der  folgenden  karpathischen  Facies  treten  zu  den  noch 
immer  bankweise  eingeschalteten  schwäbischen  Zweischalem 
Terebrattäa  gregaria  und  Plicatula  intusstriata.  Zu  Tausenden 
erfüllt  Terebr.  gregaria  ganze  Bänke,  in  welchen  neben  ihr 
nur  Plic,  intusstriata  häufiger  erscheint 

Die    karpathische   Facies    unterscheidet    sich    daher    von   der 
schwäbischen  Facies  nur  durch  das  Hinzutreten  der  Terebratel-Bänke. 

c.  An  dieser  Stelle  ist  im  Osterhom-Profil  eine  grössere  Korallen- 
kalkmasse  eingeschaltet,  der  sogenannte  ,Hauptlithodendron- 
kalk*,  im  Piestingthale  erscheint  ein  lichter  Kalk  mit  Brachio- 
poden  (Starhemberger  Schichten).  Aehnliche  Gesteine,  welche 
der  Kategorie  des  Dachsteinkalks  zuzuzählen  sind,  treten  in 
den  tirolisch-bayerischen  Alpen  und  in  der  Lombardei  häufig 
in  den  oberen  Theilen  der  rhätischen  Bildungen  auf  und  ent- 
halten neben  Korallen  Megalodonten. 

d.  Die  Kössener  Facies  umfasst  die  dunklen,  mit  schiefrigen 
Lagen  wechselnden  Brachiopodenkalke.  Die  sogenannten  Star- 
hemberger Schichten,  welche  dieselben  Brachiopoden  enthalten, 
sind  lichte,  roth  oder  gelb  geflaserte  Kalke,  welche  in  den 
niederösterreichischen  Alpen  Einlagerungen  sowol  in  der  reinen 
Dachsteinkalk  -  Facies  als  auch  in  den  dunklen  mergeligen 
Kössener  Schichten  bilden. 

Die  Kössener  (Starhemberger)  Facies  lässt  sich  daher  auch 
als  die  rhätische  Brachiopoden-Facies  bezeichnen.  Sehr  verbreitet 
sind  insbesondere:  Terebr,  pyriformis,  Rftynchanella  ßssicostata,  Rli, 
subritnosa,  Spirigera  oxycoipos.  Dazu  noch  von  Zweischalem:  Pecten 
acuteauritus  und  Avicula  Kössenensis, 

e.  In  der  Salzburger  Facies  tritt  die  artenarme  Cephalopoden- 
Facies  der  rhätischen  Stufe  mit  Choristoceras  Marshi  und  Aego- 
ceras  planorboides  auf  Bänke  mit  den  Fossilien  der  Kössener 
Facies  begleiten  dieselbe. 

Wir  unterscheiden  daher  in  der  mergeligen  Serie  der  rhätischen 
Bildungen  eine  Zweischaler-,  zwei  Brachiopoden-  und  eine  Cephalo- 
poden  -  Facies.  Die  Reihenfolge  entspricht  offenbar  einer  regel- 
mässigen, allmählichen  Stufenfolge  verschiedener  Tiefenzonen,  die 
Bildungen  mit  litoralem  Typus  zu  unterst.  Die  in  Verbindung  mit 
der  schwäbischen  Pelecypoden  -  Facies  auftretenden  karpathischen 
Brachiopoden  mögen  einer  seichteren  Region  angehört  haben, 
als  die  später  folgenden  Brachiopoden  der  Kössener  Facies,  in 
deren  Gebiet  sich  die  feinkörnigen  thonreichen  Cephalopoden- 
Schichten  finden.     Indessen  dürften  die  Kössener  Brachiopoden  das 


76       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Vorrecht  einer  grösseren  verticalen  Verbreitung  durch  mehrere 
Tiefenzonen  besessen  haben^  da  sie  sich  ja  auch  in  den  sogenannten 
Starhemberger  Schichten  finden. 

Die  Facies  der  lichten  Dachsteinkalke  gilt  als  diejenige  Bildung, 
in  welcher  der  pelagische  Charakter  am  meisten  hervortritt.    Sofern 
man   den  Begriff   »pelagisch*   nicht    mit   Tiefseebildung    identificirt, 
lässt   sich   gegen   diesen   Gebrauch    nichts   einwenden.     Mechanisch 
herbeigetragenes  Sediment   ist  den  lichten  Megaloduskalken  ebenso 
fremd,  wie  den  lichten  Riffkalken  der  älteren  Triasstufen.  In  beiden 
Fällen  haben  wir  es  mit  rein  zoogenen  Gesteinen   zu  thun,   welche 
in  ungetrübten  Meeresregionen  gebildet  wurden.     In   diesem   Sinne 
ist  nun  die  Bezeichnung  ,pelagisch*  zutreffend,  und  es  ist  der  Ent- 
scheidung über  die  chorogenetischen  Verhältnisse  der  Dachsteinkalke 
in   keiner  Weise   vorgegriffen.     Gegen   die  Annahme  einer  Bildung* 
auf    tiefem    Meeresgrunde   sprechen    mancherlei    Gründe.    Zunächst 
ist   auf  das   heerdenweise   Vorkommen   der   Megalodonten,    welche 
ganze  Bänke  mit  Ausschluss  anderer  Mollusken  erfüllen^  hinzuweisen 
Sodann  ist  das  Fehlen  der  Cephalopoden  in  allen  Dachsteinkalken 
sehr  auffallend.    Das  regelmässige  Altemiren  von  Megalodusbänken 
mit  petrographisch  stets  abweichenden  Megalodus  leeren  Kalken  weist 
auf  Aenderungen  der  Lebensbedingungen  in  regelmässigen  Perioden 
hin.  In  wirklichen  Tiefseebildungen  ist  ein  derartig  rascher  Wechsel 
undenkbar.   Das  oben  erwähnte  Zusammenvorkommen  der  schwäbi- 
schen und  karpathischen  Facies  mit  Megaloduskalken    und  die  Ab- 
wesenheit derselben  in  den  Schichtencomplexen,  welche  die  Cephalo- 
poden-Facies  umschliessen,  sind  mit  der  Annahme  grösserer  Tiefen- 
zonen  als   Bildungsstätte   der  Dachsteinkalke   unvereinbar.     Ebenso 
sprechen,   wie  bereits  Zugmayer   treffend  bemerkte,   die  bonebed- 
artigen  Vorkommnisse  im  Megaloduskalk   gegen  eine  solche.   Auch 
die  Wechsellagerung  mit  Raibler  Schichten  und  die  Verbindung  mit 
Gypsen  und  Rauchwacken   an  der  Basis  des  kamischen  Dachstein- 
kalks können  als  Gegenargumente  angeführt  werden. 

Zu  Gunsten  der  gegentheiligen  Auffassung  könnte  nur  das  durch 
Peters'  Untersuchungen  constatirte  Vorkommen  von  Globigerinen 
im  Dachsteinkalke  des  Echemthales  bei  Hallstatt  in  das  Treffen 
gefuhrt  werden. 

Durch  die  wichtigen  Ergebnisse  der  englischen  Challenger- 
Expedition  wurde  indessen  nachgewiesen,  dass  die  Globigerinen, 
weit  entfernt  in  den  grossen  Tiefen,  in  denen  man  ihre  zu  Boden 
gesunkenen  Gehäuse  findet,  zu  leben,  im  Gegentheil  blos  die  ober- 
flächlichen Schichten  des  Oceans  bevölkern.  Daraus  dürfte  wol  zu 
folgern   sein,   dass  reine,  durch   mechanisches  Sediment   ungetrübte 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Sodtirol.  yj 

Meeresregionen  den  Lebensbedingungen  der  Globigerinen  besonders 
entsprechen.  Die  Tiefe  des  Meeres  erscheint  nebensächlich.  Es  ist  so- 
nach nicht  abzusehen,  warum  diese  in  ungeheurer  Individuenzahl  nahe 
der  Oberfläche  des  Meeres  flottirenden  Thierchen  nicht  auch  in  der 
nächsten  Nachbarschaft  von  lebenden  Riffen,  wo  die  äusseren  Ver- 
hältnisse ihrem  Gedeihen  häufig  günstig  sein  werden,  gedeihen  sollten  ? 

Die  geographische  Verbreitung  der  verschiedenen  rhätischen 
Facies  ist  in  den  Alpen  noch  nicht  mit  der  wünschenswerthen 
Genauigkeit  erforscht,  um  ein  zusammenhängendes  Bild  geben  zu 
können.  Nicht  ohne  Interesse  ist  jedoch  die  räumliche  Vertheilung 
der  mergeligen  Kössener  Schichten  und  des  Dachsteinkalkes.  In 
Vorarlberg  und  Nordtirol  mit  den  zugehörigen  bayerischen  Alpen 
nehmen  die  Kössener  Schichten  die  ganze  Breite  der  Kalkalpen 
ein,  Megaloduskalke  sind  zwar  eingeschaltet^  erreichen  jedoch  nur 
am  Nordsaume  in  den  bayerischen  Alpen  in  der  oberen  Hälfte  der 
rhätischen  Bildungen  einige  Bedeutung.  Vom  Salzburgischen  gegen 
Osten  zieht  am  Südrande  der  Kalkalpen  ein  reiner  (bereits  im 
Kamischen  beginnender)  Dachsteinkalkstreifen  hin,  welchem  im 
Osten  brachiopodenreiche  Bänke  eingelagert  sind.  Die  mergelige 
Kössener  Entwicklung  streicht  in  einer  nördlicheren  parallelen  Zone 
hin  und  es  scheint,  dass  dieselbe  ebenfalls  in  Parallelzonen  zerfällt. 
Am  nördlichen  Rande  verläuft,  wie  es  scheint,  eine  Zone  mit  den 
schwäbischen  und  karpathischen  Fossilien  und  zwischen  dieser  und 
der  südlichen  Dachsteinkalk-Zone  liegt  ein  Streifen  mit  der  reichen 
heteropischen  Reihenfolge  des  Osterhorn-Profils. 

In  den  Südalpen,  östlich  vom  Gardasee,  nimmt  die  ganze 
Breite  der  eigentlichen  Südkalkalpen  die  Dachsteinkalk-Facies  ein, 
welche  hier,  wie  bereits  erwähnt,  vom  isopischen  kamischen  Dach- 
steinkalke gar  nicht  und  vom  Lias  nur  sehr  uhsicher  getrennt  werden 
kann.  Nördlich  davon^  in  dem  merkwürdigen  schmalen  Gebirgs- 
streifen  mesozoischer  Bildungen,  welcher  zwischen  dem  palaeozoischen 
Gailthaler  Gebirge  und  der  Hauptkette  der  Karavanken  einerseits 
und  den  krystallinischen  Schiefern  der  centralen  Zone  andererseits 
liegt,  mithin  in  dem  Lienz-Villacher  Gebirge  und  in  den  nördlichen 
Karavanken,  findet  sich  die  mergelige  Kössener  Entwicklung  wieder. 
Hier  herrschen  also  die  umgekehrten  Verhältnisse.  In  der  Nachbar- 
schaft der  Centralalpen  eine  Zone  mit  der  mergeligen  Kössener 
Entwicklung  (schwäbische  und  karpathische  Facies)  und  im  Süden 
davon  ein  ausgedehntes  Revier  mit  ausschliesslicher  Dachsteinkalk- 
Entwicklung. 

In  den  lombardischen  Alpen  sind  rhätische  Ablagerungen 
nur  in  einer,  den  Südrand  begleitenden  Zone  bekannt.  Die  Kössener 


yS       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Entwicklung  (mit  schwäbischem  und  karpathischem  Charakter)  w-altet 
hier  in  der  unteren,  die  Dachsteinkalk-Entwicklung  in  der  oberen 
Hälfte  vor. 

Eine  sorgfältige  Zusammenstellung  der  reichen  rhätischen 
Fauna  hat  A.  v.  Ditmar  *)  geliefert,  auf  dessen  Arbeit  ich  hiermit 
verweise. 

Ich  schliesse  zur  leichteren  Uebersicht  der  gegenseitigen  Ver- 
hältnisse der  beiden  alpinen  Triasprovinzen  und  des  germanischen 
Trias-See's  tabellarische  Zusammenstellungen  an,  in  welchen  auch 
das  Auftreten  und  die  Ausdehnung  der  wichtigsten  heteropischen 
Formationen  ersichtlich  gemacht  ist. 

Jurassische  Bildungen. 

Wir  gelangen  nunmehr  zur  Besprechung  einer  Formationsreihe, 
deren  Parallelisirung  mit  den  gleichzeitigen  mitteleuropäischen  Bil- 
dungen keinen  Schwierigkeiten  unterliegt.  Nach  dem  zur  rhätischen 
Zeit  stattgehabten  Einbrüche  des  Meeres  in  das  vorher  isolirte  mittel- 
europäische  Triasbecken  erhielt  sich  die  hergestellte  Communication 
mit  dem  südeuropäischen  Meere  bis  zum  Schlüsse  der  Jura-Periode. 
Die  biologische  Uebereinstimmung  der  beiderseitigen  Ablagerungen 
ist  in  Folge  dessen  eine  sehr  grosse.  Unsere  Aufgabe  wird  sich 
darauf  beschränken,  die  Eigenthümlichkeiten  der  alpinen  (medi- 
terranen) Ablagerungen  zu  besprechen. 

Das  hervorstechendste  biologische  Merkmal  der  mediterranen 
Jura-Provinz  besteht  nach  Neumayr  in  dem  Vorherrschen  der 
Ammonitiden-Gattungen  Phylloceras  und  Lytoceras.  Diese  beiden  Ge- 
schlechter erscheinen  sowol  nach  der  Anzahl  der  Formen,  als  auch 
nach  den  numerischen  Verhältnissen  als  heimatsberechtigte  Bürger 
der  mediterranen  Gewässer,  während  sie  nur  in  wenigen  Formen 
und  in  beschränkter  Individuenzahl,  als  Fremdlinge,  in  einigen  Hori- 
zonten des  mitteleuropäischen  Jura  vorkommen. 

Im  Lias  gesellt  sich  zu  diesen  Gattungen  das  bereits  zur  Trias- 
zeit in  den  mediterranen  Gewässern  heimische  Belemnitidengeschlecht 
Au/acoceras  **)  und  in  den  obersten  Jura-Zonen  die  Ammonitiden- 
Gattung  Simoccras  und  die  Gruppe  der   Tcrebratula  diphya. 


♦)  Die  Contorta-Zone. 
**)  Die  zartschaligen,  innen  stets  von  Kalkspath   erfollten  Rostra  finden  sich 
wegen   ihrer   Gebrechlichkeit  weit  seltener   in   den  Sammlungen,    als    die    isolirten 
Alveolen,  welche  die  unrichtigen,  alteren  Angaben  Ober  das  Vorkommen  von  Oti^iO- 
ceras  im  alpinen  Jura  verschuldet  hatten. 


mit  besonderer  Rockslcht  auf  SQdtirot. 


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MojsiaoTics,  Dolomitriffe. 


82       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Osttlpen 

Diese  eigenthümliche  Beschränkung  bestimmter  Typen  auf  das 
südliche  Meer  lässt  sich  am  ungezwungensten  mit  Neumayr  durch 
die  Annahme  klimatischer  Verschiedenheiten  erklären. 

Es  wurde  bereits  bei  Besprechung  der  triadischen  Bildungen 
(s.  S.  49)  erwähnt,  dass  zwei  wichtige  Ammonitengattungen  des 
Lias,  Aegoceras  und  Amaltheus  (Gruppe  der  Oxynott)^  im  Muschel- 
kalk der  mediterranen  Provinz  durch  typische  Formen  vertreten 
sind,  den  norischen  und  kamischen  Ablagerungen  derselben  Provinz 
aber  fehlen.  Wir  haben  daraus  auf  ein  uns  noch  unbekanntes  fernes 
Meer  geschlossen,  in  welchem  sich  diese  Gattungen  fortentwickelten, 
bis  sie  in  Begleitung  einiger  neuen  Formen  zur  Zeit  der  rhätischen 
Stufe  und  des  unteren  Lias  in  Europa  wieder  erscheinen. 

Eine   heterotopische  Fauna  besiedelt   sonach   am   Beginn    der 
Jura-Periode  die  süd-  und  mitteleuropäischen  Meere.  In  einem  für  die 
palaeontologische  Begründung  der  Descendenzlehre  höchst  wichtigen 
Aufsatze  hat  Neumayr*)  soeben  nachgewiesen,   dass  die  Ammoni- 
tiden   und  Belemnitiden    des   mitteleuropäischen   Jura    sich   in    zwei 
heterotopische  Kategorien  einreihen  lassen.   Die  eine  Kategorie  um- 
fasst  die  grosse  Anzahl  von  Formen,   welche   aus  der  mediterranen 
Provinz  in  das  mitteleuropäische  Meer   theils  zu  dauernder  Besiede- 
lung  und  Fortentwickelung,   theils  als  temporäre  Colonisten  einwan- 
derten.     Unter    diesen    Formen    kann    man    wieder    unterscheiden 
zwischen   solchen,   welche,  wie  Lytoceras  und  Phylloceras   im  mittel- 
ländischen Meere  heimisch  geworden  waren,  und  solchen,  welche  aus 
ferneren  Meeren   kommend,   in   der  mediterranen   Provinz   um   eine 
oder  mehrere  Zonen  früher  erschienen,  als  in  Mitteleuropa.  Die  zweite 
Kategorie  umfasst  diejenigen  Formen,  deren  heterotopische  Abstam- 
mung zwar  sicher,   deren   indirecte  Einwanderung   aus  der  mediter- 
ranen Provinz  aber  zweifelhaft  ist.    Neumayr   nennt   diese  Formen 
kryptogen  und  unterscheidet  im  Ganzen  sieben  Perioden  der  Ein- 
wanderung kryptogener  Typen.    Die  Mehrzahl  derselben  findet  sich 
auch  in  der  mediterranen  Provinz.    Nach   der  Art  ihres  Auftretens 
ist  es  nach  Neumayr  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass  dieselben 
aus   uns   unbekannten  Gebieten   des  Jurameeres   in   der  Weise   ein- 
gewandert seien,  dass  jede  Periode  ihres  Auftauchens  einer  grossen 
geologischen  Veränderung  entspricht,  durch  welche  neue  Communi- 
cationen  zwischen  bis  dahin  mehr  oder  weniger  vollständig  isolirten 
Meeresbecken  hergestellt  wurden. 


*)  lieber  unvermittelt  auftretende  Cephalopodent^'pen  im  Jura  Mitteleuropa^s. 
Jahrb.  Geol.  R.-A.  1878,  p,  37—80. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtiroI. 


83 


Da  die  übrigen  Mollusken-Ordnungen  in  den  alpinen  Ablage- 
rungen gegenüber  den  Cephalopoden  sehr  zurücktreten,  so  lässt  sich 
über  den  vorherrschenden  Charakter  derselben  wenig  sagen. 

Nur  von  Brachiopoden  kennt  man  in  den  Alpen  einige  formen- 
reichere Faunen  mit  einer  Anzahl  eigenthümlicher  Formen.  Ausser- 
halb der  Alpen  kommen  aber  typische  Brachiopoden  -  Facies  im 
Jura  sehr  selten  vor  und  ist  ein  Vergleich  aus  diesem  Grunde 
ausgeschlossen. 

In  lithologischer  Beziehung  unterscheiden  sich  die  alpinen  Ab- 
lagerungen —  wir  haben  hier  immer  nur  das  ostalpine  Gebiet  im 
Auge  —  wesentlich  von  den  ausseralpinen  Geßteinen.  Gelbe  und 
rothe  marmorartige  Kalke,  helle,  reine  Crinoidenkalke,  graue  und 
weisse  dichte  Kalke,  Mergelkalke  mit  Fucoiden  (Fleckenmergel), 
bunte  Homsteinkalke,  endlich  hellweisse  Korallenkalke  treten  als 
heteropische  Bildungen  in  den  Alpen  auf.  Rein  thonige  und 
schiefrige  ^Ablagerungen  treten  ebenso  sehr  wie  Sandsteine  zurück. 
Die  erwähnten  Gesteine,  welche  im  ganzen  Gebiete  der  Ostalpen 
und  Karpathen  mit  stets  gleichen  Charakteren  wieder  erscheinen, 
besitzen  einen  eigenthümlichen,  unverkennbaren  Habitus.  Unter  den 
triadischen  Bildungen  der  Alpen,  insbesondere  der  juvavischen 
Provinz  wiederholen  sich  die  gleichen  Gesteinstypen,  und  es  bedarf 
grosser  Uebung  und  eines  geschärften  Blickes,  um  nach  den  gering- 
fugigen  habituellen  Unterschieden  das  genaue  Alter  oder  die  specielle 
Herkunft  eines  Gesteins  lediglich  nach  der  lithologischen  Beschaffen- 
heit bestimmen  zu  können. 

Es  war  vor  einiger  Zeit  die  Ansicht  sehr  verbreitet,  dass  die 
Vergesellschaftung  der  Arten  im  alpinen  Jura  eine  andere  sei,  als 
im  mitteleuropäischen  und  dass  sich  insbesondere  in  den  Alpen  die 
Fossilien  mehrerer  ausseralpinen  Zonen  in  einer  einzigen  Schicht 
vereinigt  fänden.  In  so  weiter  allgemeiner  Fassung  ist  dieser  Satz 
entschieden  unrichtig.  Die  Erfahrungen  des  letzten  Jahrzehents  haben 
vielmehr  gezeigt,  dass  nicht  nur  die  Aufeinanderfolge  der  Faunen 
im  Grossen  die  gleiche  innerhalb  und  ausserhalb  der  Alpen  ist, 
sondern  dass  auch  in  Bezug  auf  die  feineren,  scheinbar  gering- 
fugigen  Niveau -Unterschiede  eine  auffallende  Uebereinstimmung 
zwischen  den  beiden  Gebieten  besteht.  Aber  es  würde  ebensowol 
der  Erfahrung,  als  auch  einer  ruhigen  sachgemässen  Ueberlegung 
widersprechen,  wenn  man  umgekehrt  behaupten  wollte,  dass  alle  die 
im  mitteleuropäischen  Jura  aufgestellten  Zonen  in  gleicher  Schärfe 
auch  für  das  mediterrane  Gebiet  Geltung  haben  müssten.  Der  For- 
schung ist  in  dieser  Richtung  noch  ein  weites  Feld  offen,  und  es 
lässt  sich  der  Satz  rechtfertigen,  dass  erst  durch  vergleichende  Unter* 

6* 


Sa     Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

suchungen   der  Bildungen  der  beiden  Provinzen  der  wahre  chrono- 
logische Werth  der  einzelnen  Zonen  festgestellt  werden  kann. 

Es   ist   hier  der  Ort,   einer  eigenthümlichen  Schwierigkeit    zu 
gedenken,   welche   der  Erforschung   der   alpinen  Ablagerungen    der 
Trias   und   des  Jura  grosse  Hindernisse  in  den  Weg  legt.    Die  Kr- 
scheinung    ist    unter    der  Bezeichnung    ^^Lückenhaftigkeit*     der 
alpinen  Sedimente  bekannt  und  nur  aus  dem  Grunde  beim  Jura  weit 
auffallender,   als  bei   der  Trias,   weil   bei  jenem  die  stete  Beziehung 
auf  die  genau  bekannten  gleichzeitigen  Gebilde  der  mitteleuropäischen 
Provinz   eine  scharfe  Orientirung  gestattet    Wäre  man,   wie  für  die 
Trias,  so  auch  für  den  Jura  auf  das  alpine  Gebiet  allein  angewiesen, 
so  bestünden   nicht  nur  noch  viele  Controversen   über   das   relative 
Alter  einzelner  Ablagerungen,    sondern   es    würden   auch   manche 
altersverschiedene  Gebilde  aus  Mangel  an  hinreichenden  Daten  und 
wegen  der  Gemeinsamkeit  oder  nahen  Verwandtschaft  einiger  weniger 
Fossilien  in  das  gleiche  Niveau  gestellt  und  fiir  gleichzeitig  gehalten 
werden. 

Das  Wesen  dieser  fiir  die  Alpen  geradezu  charakteristischen 
Lückenhaftigkeit  besteht  nun  darin,  dass  die  meisten  der  fossil- 
führenden  Ablagerungen,  weit  entfernt  continuirliche,  über  grössere 
Strecken  verbreitete  Schichten  zu  bilden,  nur  sporadisch  auftretende 
linsenförmige  Einschaltungen  darstellen.  Die  Zahl  der  in  den  Ost- 
alpen und  Karpathen  aufgefundenen  altersverschiedenen  Glieder  ist 
eine  ziemlich  beträchtliche,  aber  vergebens  sucht  man  nach  Profilen, 
in  welchen  die  Aufeinanderfolge  aller  dieser  Glieder  nachweisbar 
wäre.  Nahe  gelegene  Durchschnittslinien  zeigen  häufig  grosse  Ver- 
schiedenheiten. An  die  Stelle  fehlender  Horizonte  treten  scheinbar 
andere  und  wegen  der  bereits  erwähnten  grossen  Constanz  des  Ge- 
steinsmaterials wäre  man  häufig  in  der  Lage,  grobe  Fehlschlüsse  zu 
ziehen,  wenn  nicht  die  vorkommenden  mitteleuropäischen  Fossilien 
einen  sicheren  Leitfaden  darbieten  würden.  Einige  Zonen  sind  bis 
jetzt  nur  von  ganz  vereinzelten  Localitäten  bekannt,  welche  wenig 
oder  gar  keinen  Aufschluss  über  deren  Alter  gewähren.  In  innigem 
Zusammenhang  mit  diesen  Erscheinungen  steht  die  ausserordentlich 
wechselnde  Mächtigkeit  der  jurassischen  Gesteine  selbst.  Nur  einige 
wenige  Horizonte  weichen  von  dieser  zur  Regel  gewordenen  Unregel- 
mässigkeit ab  und  besitzen  regional  einen  grösseren  zusammenhän- 
genden Verbreitungsbezirk.  Für  die  rasche  Orientirung  des  reisenden 
Geologen  sind  diese  Glieder  von  ebenso  grosser  Bedeutung,  wie  die 
Werfener,  Raibler  und  Kössener  Schichten  in  der  Trias. 

In  der  weitaus  grösseren  Mehrheit  der  Fälle  würde  man  die 
wahre   Natur   der   vorhandenen  Lücken   gewaltig   verkennen,   wenn 


mit  besonderer  ROcksicbt  auf  Südtirol.  g^ 

man  zur  Erklärung  derselben  eine  Unterbrechung  der  Sedimentirung 
durch  eingetretene  Trockenlegungen  des  Meeresbodens  annehmen 
wollte.  Die  neueren  Erfahrungen  weisen  mit  Entschiedenheit  darauf 
hin,  dass  im  ganzen  Gebiete  der  Ostalpen,  mit  Ausnahme  einiger 
Striche  in  den  salzburgischen  und  steirisch-österreichischen  Alpen, 
während  der  Trias-  und  Jura-Zeit  die  Continuität  der  Meeresbedeckung 
niemals  unterbrochen  wurde. 

Es  scheint  vielmehr,  dass  sich  die  Lücken  auf  zwei  Ursachen 
zurückführen  lassen:  Mangel  der  Fossilien  und  Mangel  an  Sediment. 
Mit  der  ersten  Erklärungsweise  wird  man  in  den  meisten  Fällen 
ausreichen.  Bei  mangelndem  Sediment  können  selbstverständlich  auch 
keine  Fossilien  vorhanden  sein. 

Der  Mangel  an  Fossilien  kann  durch  verschiedenartige  physi- 
kalische und  chorologische  Bedingungen  herbeigeführt  sein.  In  der 
Regel  lässt  sich  derselbe  auf  ungünstige  Facies- Verhältnisse  zurück- 
fuhren. Die  Fossilfuhrung  ist  an  gewisse  Gesteine  gebunden,  welche 
fossilarmen  Gesteinen  von  anderer  lithologischer  Beschaffenheit 
zwischen-  oder  nebengelagert  sind. 

Das  fossilfiihrende  Gestein  bildet  keine  wiederholten  Einschal- 
tungen, sondern  eine  geschlossene  Masse  und  häufig  ereignet  es 
sich,  dass  an  derselben  Stelle  zwei  oder  mehrere  Zonen  in  isopischer 
Ausbildung  übereinander  folgen.  In  solchen  Fällen  ist  man  wegen 
der  Uniformität  der  Ablagerung  nur  zu  leicht  geneigt,  als  ein  untrenn- 
bares Ganzes  zusammenzufassen,  was  bei  eingehenderer  Untersuchung 
sich  als  eine  Mehrheit  darstellt.  In  den  gleichen  Fehler  verfällt  man 
aber  auch  leicht  bei  den  fossilarmen  Facies^  welche,  da  dieselben 
eine  ganze  Reihe  von  Zonen  repräsentiren  können,  nicht  nach  ver- 
einzelten, darin  gefundenen  Fossilien  bestimmt  werden  dürfen. 

Was  die  zweite  der  oben  angegebenen  Ursachen  der  Lücken- 
haftigkeit, den  Mangel  an  Sediment,  betrifft,  so  müssen  wir  zugestehen, 
dass  dieselbe  noch  etwas  hypothetischer  Natur  ist.  In  Gegen- 
den, wo  eine  bedeutende  Reduction  der  Mächtigkeit  einer  grösseren 
oder  geringeren  Reihe  von  Gliedern  vorhanden  ist,  wo  durch  diese 
Thatsache  allein  die  Spärlichkeit  des  Sediments  nachgewiesen  ist, 
kann  man  sich  der  Vorstellung  schwer  entschlagen,  dass  zeitweise 
durch  Mangel  an  Sediment  die  Sedimentbildung  entweder  ganz 
unterbrochen  wurde  oder  doch  so  langsam  erfolgte,  dass  die  Ein- 
bettung von  Molluskenschalen  nicht  vor  sich  gehen  konnte.  Man 
kann,  wie  Neumayr  bemerkte,  an  stärkere  Strömungen  denken, 
welche  die  Sedimentbildung  verhindern,  oder  man  kann  sich  Un- 
tiefen vorstellen,    wo  der  stärkere  Wogenschwall   des  Meeres   allein 


86     Uebersicht  der  permischea  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

ausreichen  dürfte,  um  den  zu  Boden  sinkenden  oder  auf  dem  Boden 
sich  bildenden  Absatz  sofort  wieder  abzuspülen. 

Wir    übergehen    nunmehr    zur    cursorischen    Betrachtung     der 
ostalpinen  Jurabildungen. 

I.  Der  Lias.  In  einem  grossen  Theile  der  Ostalpen  gehört 
der  Lias  zu  den  fossilreichsten  Ablagerungen  und  zeichnet  sich 
namentlich  die  Cephalopoden-Facies  desselben  sehr  vortheilhaft  durch 
eine  weitere  horizontale  Verbreitung  aus.  Nach  den  in  den  Museen 
aufgehäuften  Fossilien  sind  sämmtliche  Zonen  des  mitteleuropäischen 
Lias,  häufig  in  glänzender  Weise  vertreten.  Ob  jedoch  die  Ver- 
gesellschaftung der  Formen  in  der  Natur  auch  wirklich  durchaus 
der  Vertheilung  im  mitteleuropäischen  Lias  entspricht,  ist  noch 
keineswegs  genügend  festgestellt.  Zu  diesem  Zwecke  müssten  an 
einer  Reihe  günstiger  Punkte  neue  systematische  und  sorgsam  über- 
wachte, bankweise  vorschreitende  Aufsammlungen  veranlasst  werden. 
Auf  diese  Weise  würde  auch  gleichzeitig  das  Niveau  der  zahlreichen, 
den  Alpen  eigenthümlichen  Formen  ermittelt  werden.  Was  bisher 
in  dieser  Richtung  geleistet  wurde,  sind  zwar  nur  Anfänge,  aber 
immerhin  Erfolg  versprechende  Recognoscirungen.  Für  die  drei 
untersten  Zonen  fAeg.  planorbis,  Aeg.  angulatum  und  Arieten-Xon^), 
dann  für  die  Zone  des  Amaltheus  fttargaritattis  ist  der  Nachweis  der 
gesonderten  Vertretung  erbracht,  fiir  mehrere  andere  Zonen  ist  das 
gleiche  Verhältniss  wahrscheinlich. 

Die  Cephalopoden-Facies  ist  durch  zweierlei  Gesteinstypen  ver- 
treten: a)  den  Plattenkalk  und  b)  den  Fleckenkalk  und  Mergel 
(gewöhnlich  als  Fleckenmergel  zusammengefasst).  Der  Plattenkalk 
ist  von  grauschwarzer,  gelber  oder  rother  Farbe.  Die  rothgefärbten 
bezeichnet  man  gewöhnlich  als  ,Adnether  Kalke*.  Das  Gestein  ist 
in  der  Regel  knollig  und  erfüllt  von  Ammoniten,  so  dass  es  Ammo- 
nitenkalk  genannt  werden  kann.  Die  Erhaltung  der  Fossilien  ist 
keineswegs  eine  glänzende.  In  der  Regel  ist  eine  Seite  etwas  oblite- 
rirt.  Manche  Stücke  sehen  wie  abgerollt  aus.  Die  Knollen  endlich, 
welche  die  Hauptmasse  des  Gesteins  bilden,  sind  wol  nichts  anderes, 
als  stark  angegriffene  und  unkenntlich  gemachte  Ammoniten.  Als 
untergeordnete  Zwischenlagen  des  Plattenkalkes  treten  marmorartige 
Bänke  und  Crinoidenkalke  auf  Auch  breccienartige  Bänke  sind 
häufig.  Wir  betrachten  die  Plattenkalke  als  eine  stellenweise  wieder- 
holt aufgewühlte  Bildung  seichten,  aber  stark  bewegten  Wassers. 
Die  Fleckenmergel  (Allgäu-Schichten)  sind  licht  bis  dunkel- 
graue, muschelig  brechende  Kalke  und  Mergel,  stellenweise  mit 
schiefrigen  Zwischenmitteln.  Selten  wird  das  Gestein  auch  röthlich. 
Von  den  zahlreich  darin  vorkommenden  Fucoiden,  welche  sich  durch 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtiroI. 


87 


dunklere  Schattirungen  auszeichnen,  rührt  die  Bezeichnung  ,>  Flecken- 
mergel* her.  Das  Gestein  enthält  zwar  strichweise  nicht  selten 
Ammoniten^  welche  dann  wqlerhalten  sind;  gegenüber  dem  massen- 
haften Vorkommen  in  den  Plattenkalken  erscheinen  jedoch  die 
Fleckenmergel  fossilarm.  Hier  liegt  wol  eine  Ablagerung  aus  tieferem 
Wasser  vor.  Die  zu  Boden  gesunkenen  Ammonitengehäuse  wurden 
in  dem  feinen  Kalkschlamm  eingebettet,  ohne  gerollt  und  zusammen- 
geschwemmt zu  werden,  wie  an  den  Bildungsstätten  der  Plattenkalke. 

Die  Plattenkalke  und  Fleckenmergel  gehören  in  den  Nordost- 
alpen zu  den  verbreitetsten  Liasgesteinen.  In  der  Regel  beginnen 
Plattenkalke  die  Reihe  der  Liasbildungen  und  über  ihnen  folgen 
dann  Fleckenmergel.  Der  Gesteinswechsel  tritt  aber  nicht  constant 
im  gleichen  Niveau  ein  und  die  Zahl  der  an  verschiedenen  Punkten 
in  einer  Gesteinsart  enthaltenen  Zonen  ist  eine  sehr  wechselnde, 
aber  selbstverständlich  abhängig  von  der  Zahl  der  in  der  andern 
Gesteinsart  am  gleichen  Punkte  vertretenen  Horizonte.  Selten  reicht 
die  Plattenkalk-Entwicklung  durch  den  ganzen  Lias,  häufiger  kommt 
es  vor,  dass  die  Fleckenmergel-Facies  bereits  in  den  unteren  Lias- 
zonen  beginnt. 

Die  Fleckenmergel-Facies  bietet  häufig  die  Erscheinung  dar, 
dass  ein  unverhältnissmässig  grosser  Theil  der  Mächtigkeit  blos  die 
Fossilien  einer  einzigen  Zone  umschliesst,  während  der  für  die  übrigen 
Zonen  verbleibende  Rest  nur  sehr  geringe  Mächtigkeit  zeigt  und 
nicht  selten  auch  sehr  fossilarm  ist. 

Die  Brachiopoden- Facies  tritt  in  Gestalt  lichtrother  Marmore 
und  weisser  oder  grauer  Crinoidenkalke  auf  und  erfreut  sich  nur 
einer  etwas  beschränkten  Verbreitung.  Am  Südrande  der  nördlichen 
Kalkalpen  von  Jenbach  am  Inn  bis  nach  Niederösterreich  zieht  sich 
ein  Streifen  von  isolirten  Vorkommnissen  hin,  welcher  der  oberen 
Abtheilung  der  unteren  Lias  angehört  und  stets  auf  rhätischem 
Megaloduskalk  lagert.  Die  berühmteste  Localität  dieses  Zuges  befindet 
sich  auf  dem  Hierlatzberge  im  Dachsteingebirgsstocke,  wo  neben 
den  an  Masse  prävalirenden  Brachiopoden  auch  Gasteropoden, 
Pelecypoden  und  Cephalopoden  vorkommen.  Gewissermassen  den 
nördlichen  Gegenflügel  dieses  Zuges  bildet  ein  am  Nordrande  der 
Kalkalpen  aus  der  Gegend  von  Vils  bei  Füssen  bis  nach  Nieder- 
österreich verfolgter  schmaler  Streifen  crinoiden-  und  brachiopoden- 
reicher  Marmore,  welcher  an  einzelnen  Punkten  nicht  nur  den  grössten 
Theil  des  Lias  umfasst,  sondern  auch  durch  den  Dogger  bis  in  den 
Malm  reicht,  in  anderen  Gegenden  aber  nur  eine  verschieden  grosse 
Anzahl   von   liasischen  Horizonten  repräsentirt     Den  Zwischenraum 


'88     Uebersicbt  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen   der  Ostalpen 

zwischen  diesen  beiden  Randzonen  nehmen  die  Fleckenmergel-  und 
Plattenkalk-Facies  ein. 

Nur  in  sehr  beschränkter  Verbreitung  tritt  in  Niederösterreich 
am  nördlichen  Aussenrande  der  nördlichen  Kalkalpen  eine  aus- 
gesprochene Strandfacies  im  unteren  Lias  auf.  Pelecypodenbänke  in 
Verbindung  mit  kohlenführenden  Pflanzenschichten  herrschen  in 
dieser,  als  Grestener  Schichten  bezeichneten  Entwicklung  vor.  Aber 
auch  Brachiopodenbänke  fehlen  nicht.  Gleich  dem  Lunzer  Sandstein 
der  Raibler  Schichten  bezeichnen  die  Grestener  Schichten  den  Süd- 
rand  des  hercynischen  Festlandsmassivs. 

Auch  in  den  Südalpen  lassen  sich  Regionen  heteropischer  Ent- 
wicklung unterscheiden.  Eine  wichtige  heteropische  Grenze  bildet  hier 
der  Gardasee.  Im  Westen  desselben,  in  den  lombardischen  Alpen,  scheint 
der  mittlere  und  obere  Lias  allenthalben  durch  cephalopodenfiihrende 
Ablagerungen  vertreten  zu  sein.  In  der  östlichen  Lombardei  konunen 
in  grauen  Kalken  die  Ammoniten  im  verkiesten  Zustande  vor.  Ein 
reicher  Fundort  dieser  unter  der  Localbezeichnung  ^^Medolo*  bekannten 
Kalke  befindet  sich  am  Berge  Domaro  bei  Gardone  in  Val  Trompia. 
Am  Lago  d'Iseo  herrscht  die  Fleckenmergel-Facies  und  im  Westen 
der  Lombardei  wiegen  rothe  Ammonitenkalke  vor,  welche  nament- 
lich im  Süden  des  Comersee's  in  den  Umgebungen  von  Erba  reiche 
Fundstätten  von  oberliasischen  Ammoniten  darbieten.  Die  ersten 
verlässlichen  Bestimmungen  der  lombardischen  Lias  -  Ammoniten 
rühren  von  Fr.  v.  Hauer  her,  dem  neuerer  Zeit  Meneghini  mit 
einer  umfassenden  Monographie  der  mittel-  und  oberliasischen  Ammo- 
niten gefolgt  ist.  Die  unterliasischen,  ebenfalls  cephalopodenführenden 
Ablagerungen  der  Lombardei  harren  noch  der  genaueren  Untersuchung. 

Oestlich  vom  Gardasee  sind  drei  heteropische  Gebiete  zu 
unterscheiden,  so  dass  die  Südalpen  im  Ganzen  in  vier  heteropische 
Districte  zerfallen. 

In  den  Gegenden  an  der  unteren  Etsch,  in  den  Sette  Communi, 
dann  im  Gebiete  unserer  Karte  erscheint  eine  den  Südalpen  eigen- 
thümliche  Seichtwasser-Facies,  welche  unter  der  nicht  sehr  zutreffen- 
den Bezeichnung  , Graue  Kalke  von  Südtirol*  bekannt  ist. 

Im  Grossen  betrachtet  stellen  sich  die  grauen  Kalke  als  eine 
etwas  modificirte  Fortsetzung  der  Facies  des  triadischen  Megalodus- 
kalkes  (Dachsteinkalk)  dar,  aus  welchem  sie  sich  allmählich  ent- 
wickeln. Megalodonten  (Meg,  pimiliis)  reichen  bis  an  ihre  obere 
Grenze.  Das  Gestein  weicht  in  der  Regel  nicht  wesentlich  ab  von 
den  herrschenden  Gesteinstypen  des  Dachsteinkalkes.  Das  wichtigste 
Unterscheidungsmerkmal  bilden  Einschaltungen  von  Muschelbänken, 
Oolithen  und  Crinoidenkalken. 


mit  besonderer  ROcksicht  auf  Südtirol.  89 

Die  Kenntniss  dieses  Complexes  ist  noch  sehr  weit  zurück. 
Mit  der  Zeit  werden  sich  wahrscheinlich  eine  grössere  Anzahl  von 
Horizonten  und  gewisse  regionale  Verschiedenheiten  feststellen  lassen, 
welche   heute  nur   in   groben  Umrissen  angedeutet  werden  können. 

In  den  südlichen  Regionen  unseres  Gebietes  fanden  Hoernes 
und  ich  an  der  Basis  der  grauen  Kalke  sehr  constant  einen  weissen 
zuckerkömigen  dolomitischen  Kalk,  welcher  ausserordentlich  an  die 
weissen  Cassianer  und  Wengener  Dolomite  erinnert  und  sowol  gegen 
die  tieferen  Dachsteinkalkmassen  als  auch  gegen  den  überlagernden 
,  grauen  Kalk*  lebhaft  absticht.  Das  Gestein  zerfallt  leicht  zu  fein- 
sandigem Grus  und  scheint  aus  zerbrochenen  und  zerriebenen  Entro- 
chiten  gebildet  zu  sein.  Im  Museum  zu  Vicenza  wird  ein  Exemplar 
von  Arietites  geometriciis  aus  den  venetianischen  Alpen  aufbewahrt, 
dessen  Gestein  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  diesem  hellweissen  dolo- 
mitischen Kalk  zeigt.*)  Darüber  folgen  dann  lichte  dolomitische 
Kalke,  weisse  Oolithe  und  graue  plattige,  fossilreiche  Kalke  durch 
Wechsellagerung  innig  verbunden,  doch  meist  derart,  dass  die 
plattigen  fossilfiihrenden  Bänke  erst  in  der  oberen  Abtheilung  des 
Complexes  ersciieinen.  In  dem  Gebirgszuge  zwischen  der  Mulde  von 
Belluno  und  der  Val  Sugana  Bruchlinie  wechsellagem  mit  Oolithen 
und  grauen,  muschelführenden  Kalken  w^eisse  Crinoidenkalke  mit 
einer  reichen  Brachiopoden-Fauna  (Schichten  von  Sospirolo),  welche 
noch  der  näheren  Untersuchung  harrt.  Nach  freundlichen  Mitthei- 
lungen von  Prof.  Neumayr  dürften  sich  diese  Brachiopoden  zu- 
nächst an  die  mittelliasische  Fauna,  welche  mit  Terebratiäa  Aspasia 
vorkömmt,  anschliessen.  Möglicher  Weise  gehören  die  wiederholten 
Einschaltungen  brachiopodenführender  Crinoidenkalke  mehreren  ver- 
schiedenen Niveaux  an. 

Auf  dem  Dachsteinkalkplateau  von  Fanis  bei  Ampezzo  kommen 
nach  den  Untersuchungen  Prof  Neumayr's  ausser  den  grauen, 
muschelfiihrenden  Kalken  Crinoidengesteine  mit  Brachiopoden  der  Zone 
der  Terebratula  Aspasia  und  rothe  Kalke  mit  Harpoceras  discoides  vor. 
Die  Lagerungsverhältnisse  der  Fundstellen  sind  zwar  nicht  unter- 
sucht, doch  ist  es  Regel  im  Gebirge  von  Fanis,  dass  die  Crinoiden- 
kalke und  rothen  Marmore  über  den  grauen  Kalken  liegen. 

In  den  Sette  und  Tredici  Communi,  sowie  im  Etschthal  stellen 
sich  über  den  lichten  dolomitischen  Kalken  und  Oolithen  mit  den 
grauen   knolligen   Kalken   wechselnde   Einschaltungen   von  Mergeln 

•)  VieUeicht  entspricht  auch  der  von  Curioni  aus  der  Lombardei  beschriebene 
unterliasische  Dolomit,  welcher  stellenweise  in  einen  oolithischen  Kalk  Obergeht  und 
das  tiefste,  unterhalb  der  Arietenkalke  liegende  Glied  des  lombardischen  Lias  bildet, 
diesem  Dolomite. 


pO     Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

und  Mergelschiefem  ein  und  sind  daselbst  die  Conchylien  sowol 
im  grauen  Kalk  als  auch  im  Mergel  leicht  zu  gewinnen.  Diese  oberen 
Bänke,  welche  nach  Zittel  dem  oberen  Lias  angehören,  erinnern 
ausserordentlich  an  die  schwäbische  und  karpathische  Facies  der 
rhätischen  Stufe.  Die  Fauna  ist  arm  an  Arten,  aber  reich  an  Indivi- 
duen und  kommen  in  den  einzelnen  Bänken  stets  nur  sehr  wenig 
Formen  vor,  von  denen  aber  stets  eine  massenhaft,  die  anderen  ver- 
drängend, auftritt    Die  wichtigsten  Formen  sind:*) 

Terebratula  Rotzoana  Schnur. 
„  Refüerii  Cat, 

Mcgalodus  puntilus  Ben. 

Gervillia  Buchii  Zigfto 

Cypricardia  incurvata  Ben, 

Chemnitsia  terebra  Ben. 

Orbitulites  praecursor  Gümb. 
„        cicumvidvata  Gümb. 
Zwischen   diesen   Muschelbänken   erscheinen    pflanzenfiihrende 
Lagen,   welche   die   bekannte,   durch   ihren  Reichthum   an  ZamiUs, 
Otozamites  und  Coniferen  ausgezeichnete,  von  Baron  A.  de  Zigno**) 
beschriebene  Flora  von  Rotzo  umschliessen. 

Es  ist  bemerkenswerth,  dass  die  pflanzenfuhrenden  Schichten 
namentlich  in  den  Tredici  Communi  sehr  verbreitet  sind,  während 
dieselben  gegen  Norden  auskeilen,  so  dass  sie,  wie  Vacek  gezeigt 
hat,  in  den  Sette  Communi  nur  mehr  an  vereinzelten  Punkten  nach- 
zuweisen sind.  Das  wiederholte  Auftreten  von  Ablagerungen  mit 
Landpflanzenresten  (Muschelkalk  von  Recoaro,  Oberer  Lias,  Eocän) 
am  Südrande  der  Alpen  erinnert  an  homologe  Erscheinungen  am 
Nordrande  der  Ostalpen  (Raibler  [Lunzer]  Schichten,  Unterer  Lias, 
[Gresten])  und  legt  die  Vorstellung  nahe,  dass  dort  wie  hier  ein 
altes  Festland  die  alpine  Zone  begrenzte. 

Die  oberen  grauen  Kalke  enthalten  sehr  häufig  stengelartige, 
inKalkspath  ven\^andelte  Pflanzenreste,  welchen  G  um  bei,***)  welcher 
dieselben  fiir  kalkabsondernde  Algen  hält,  die  Bezeichnung  Lithiotis 
problematica  beilegte.  Diese  eigenthümlichen,  weit  verbreiteten  Reste, 
welche  selbstverständlich  mit  der  Flora  von  Rotzo  nichts  zn  thun 
haben,  erfüllen  ganze  Bänke  und  verleihen  dem  Gestein  ein  gefälliges 


*)  C.  V.  Schauroth,  Verst.  d.  herzogl.  Naturalien cabinets  zu  Coburg,  p.  i23,  ff. 
—    ße necke,   Trias  und  Jura    in    den  Sodalpen.    Beitr.    Bd.  I.  —  Zittel,    Geol. 
Beob.  a.  d.  Central-Apenninen.    Benecke*s    Beitr.  Bd.  II.    —  G  um  bei,    Jurassische 
Vorläufer  von  KummuWna  und  Orbitulites.  Neues  Jahrb.  etc.  1872,  p.  241. 
**)  Flora  fossilis  oolithica. 
*♦*)  Abh.  d.  MOnchener  Akad.  XI.  Bd.,  I.  Abth.,  p.  48. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Südtirol. 


91 


Aussehen,   wesshalb   dasselbe  häufig  zu  omamentalen  Zwecken  ver- 
wendet wird. 

Das  Maximum  der  Mächtigkeit  erreichen  die  grauen  Kalke  im 
Etschthal,  wo  Benecke  450  M.  dafür  angibt.  Gegen  Osten,  nament- 
lich aber  gegen  den  Norden  unseres  Gebietes  nimmt  die  Mächtig- 
keit bedeutend  ab. 

Das  dritte  heteropische  Gebiet  beginnt  etwa  im  Meridian  von 
Longarone  und  umfasst  das  Lienzer  Gebirge  im  Norden  und  die 
Provinz  Udine  im  Süden.  Die  herrschende  Facies  bilden  cephalo- 
podenfiihrende  Gesteine.  Im  Lienzer  Gebirge  überwiegen  Flecken- 
mergel von  nordalpinem  Typus,  rothe  Marmore  sind  untergeordnet. 
In  den  udinesischen  Alpen  unterscheidet  Taramelli  eine  untere 
aus  grauen  Kieselkalken,  Mergelkalken  mit  Rhynchonellen  sowie  lich- 
ten Oolithen  und  eine  obere  aus  bunten  und  rothen  Marmoren  und 
Kalken  mit  oberliasischen  Ammoniten  bestehende  Abtheilung.  Das 
Westende  dieser  Region  reicht  bei  Longarone  in  das  Gebiet  unserer 
Karte. 

Die  vierte  heteropische  Region  bilden  die  östlichen  Südalpen, 
in  welchen  die  grauen  Kalke  von  Südtirol  wieder  auftreten.  Sie 
scheint  nicht  scharf  von  dem  vorhergehenden  Gebiete  abgegrenzt 
zu  sein,  denn  aus  den  Umgebungen  des  Triglav  kennt  man  sowol 
cephalopodenfiihrende  Schichten  als  auch  die  Südtiroler  Oolithe  mit 
denselben  untergeordneten  brachiopodenfiihrenden  Crinoidenkalken. 
Vom  Kreuzberge  bei  Wippach  dagegen  beschreibt  Stur*)  graue 
Kalke  und  Oolithe,  welche  vollständig  an  die  Südtiroler  Gesteine 
erinnern.  Dieselben  enthalten  Megalodiis  pumilus,  Rhynchonellen  und 
Spiriferinen.  In  der  Gegend  von  Laibach  werden  Lithiotiskalke  ge- 
brochen und  kehren  die  wichtigsten  Südtiroler  Mollusken  wieder, 
wie  unser  unvergesslicher  College  U.  Schloenbach  kurz  vor  seinem 
Tode  aus  den  Fossil-Suiten  im  Museum  der  Geologischen  Reichs- 
anstalt erkannt  hatte.  Hier,  sowie  in  den  östlich  angrenzenden  Karst- 
gegenden sind  allem  Anscheine  nach  die  grauen  Liaskalke  mit  älte- 
ren (triadischen)  Bildungen  verwechselt  worden.  Das  östlichste 
bekannte  Vorkommen  befindet  sich  im  kroatischen  Karst  am  Berge 
Vinica  bei  Karlstadt.**) 

Werfen  wir  einen  Blick  zurück  auf  die  geographische  Anord- 
nung der  heteropischen  Lias-Gebiete  der  Südalpen,  so  fällt  zunächst 
auf,  dass  Regionen  der  Cephalopoden-Facies  mit  Regionen  der  grauen 
Kalke  alterniren.     Es   ist   aber   in  hohem  Grade   merkwürdig,    dass 


•)  Jahrb.  Gcol.  R.-A.  i858,  p.  353. 
•♦)  Vgl.  Schloenbach  in  Verh.  Gcol.  R.-A.   1869,  p.  68. 


^2     Ucbersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

diese  Regionen  nicht  dem  Hauptstreichen  der  Alpen  parallel 
verlaufen,  sondern  vielmehr  rechtwinkelig  zur  Axe  der 
Alpen  stehen.  Dies  ist  von  grosser  theoretischer  Bedeutung.  Denn 
an  die  richtige  Beurtheilung  der  physikalischen  Verhältnisse  der 
alten  Meere  knüpfen  sich  zahlreiche  Folgerungen  palaeogeographischer 
und  tektonisch-genetischer  Natur. 

II.  Der  Dogger.  Die  Zeit  des  mittleren  Jura  ist  durch  bedeu- 
tende Transgressionen  des  Meeres  über  den  europäisch-asiatischen 
Continent  ausgezeichnet.  Weite  Gebiete  in  Schlesien  und  Polen,  im 
Balkangebiet,  in  Russland  und  in  Indien  wurden  überfluthet.  Ebenso 
gewann  das  Meer  in  den  schweizerischen  Nordkalkalpen  und  in 
den  salzburgisch-österreichischen  Alpen  an  Ausdehnung  gegen  Süden. 

Man  sollte  nun  erwarten,  dass  die  Ablagerungen  des  Dogger 
in  den  Alpen  eine  mächtige,  vollständige  Schichtenreihe  zeigen 
würden.  Im  Westen  des  Rheins  scheint  dies  wirklich  der  Fall  zu 
sein.  Die  wichtigen  Untersuchungen  von  Mösch  lehren,  dass  die  in 
der  mitteleuropäischen  Provinz  unterschiedenen  Zonen  in  den 
Schweizer  Alpen  ziemlich  vollständig  repräsentirt  und  regelmässig 
verbreitet  sind.  Oestlich  vom  Rhein  jedoch  herrschen  wesentlich 
andere  Verhältnisse.  Die  fossilführenden  Facies  sind  von  sehr  geringer 
räumlicher  Verbreitung  und  die  Schichtenfolge  ist  thatsächlich  häufig 
lückenhaft,  ohne  dass  man  berechtigt  wäre,  temporäre  partielle 
Trockenlegungen  anzunehmen,  wie  bereits  oben  bemerkt  wurde. 

In  den  ostrheinischen  Nordalpen  sind  Fleckenmergel  und  rothe 
Kieselkalkschiefer  die  am  weitesten  verbreiteten  Doggergesteine.  Die 
Fleckenmergel,  welche  sich  räumlich  den  liasischen  Ablagerungen 
anschliessen,  scheinen  auf  den  untersten  Dogger  beschränkt  zu  sein  und 
blos  die  den  beiden  mitteleuropäischen  Zonen  des  Harpoceras  opalinum 
und  Harp.  Murchisonae  entsprechende  Zone  des  Simoccras  scissum 
zu  umschliessen. 

Die  Facies  der  rothen  Kieselkalkschiefer  entwickelt  sich  aus 
der  Facies  der  Fleckenmergel  und  ist  ein  nahezu  azoisches  Gebilde. 
^vt  dürfte  kaum  andere  organische  Reste,  als  spärliche  Aptychen- 
reste  enthalten.  Nach  der,  wie  es  scheint,  wol  begründeten  Ansicht 
von  Th.  Fuchs*)  hätte  man  diese  Armuth  an  organischen  Resten 
der  chemischen  Auflösung  der  Aragonitschalen  der  Ammoniten  zu- 
zuschreiben, eine  Anschauung,  welche  sich  mit  der  herrschenden 
Vorstellung  über  die  chorologische  Genese  der  Aptychen-Schichten 
in  grösseren  Tiefen  vereinen  lässt. 


*)   Ueber   die  Entstehung    der  Aptjchenkalke.    Sitz.-Ber.  Wien.  Akad.    1877, 
Octoberheft. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtiroI.  n? 

Diese  rothen  Kieselkalkschiefer  enthalten  stellenweise  Einlage- 
rungen von  rothen  fossilfiihrenden  Crinoidenkalken,  welche  an  einigen 
Punkten  der  Zone  des  Stephanoceras  Sauset,  häufiger  aber  der  Zone 
(}er  Oppelia  fusca  (Klaus-Schichten)  angehören. 

In  den  salzburgisch  -  österreichischen  Alpen  treten  die  Klaus- 
Schichten  nicht  selten,  aber  stets  nur  in  sehr  beschränkten  Fetzen 
transgredirend  über  Dachsteinkalk  auf,  wie  Suess  schon  Vorjahren 
erkannt  hatte. 

In  dem  bereits  erwähnten  Zuge  von  Jura-Marmoren  am  Nord- 
rande der  Tiroler  und  Salzburger  Alpen  deuten  vorherrschend  Fossilien 
der  Klaus-Schichten  das  Vorhandensein  von  Dogger- Aequivalenten  an. 

Sehr  eigenthümliche  Verhältnisse  herrschen  in  den  Verbreitungs- 
gebieten der  grauen  Liaskalke  in  den  Südalpen. 

An  der  unteren  Etsch  folgen  über  den  Liaskalken  in  ansehn- 
licher Mächtigkeit  gelbe  Kalke  und  Oolithe,  welche  sich  lithologisch 
nur  wenig  von  den  lichten  Liasgesteinen  unterscheiden.  Benecke, 
welcher  sie  zuerst  unterscheiden  lehrte,  nannte  sie  nach  dem  häufig- 
sten Fossil  , Schichten  der  Kkynchonella  bilobata^.  Am  Cap  San 
Vigüio  am  Gardasee  finden  sich  in  diesen  Schichten  Cephalopoden- 
kaike  mit  Harpoceras  Murchisanae^  welche  der  Zone  des  Simoceras 
scissum  entsprechen.  Wahrscheinlich  repräsentiren  die  ,Bilobata- 
Schichten*,  welche  nach  Bittner's  Untersuchungen  in  den  verone- 
sischen  Voralpen  häufig  mit  mergeligen  Schichten  wechseln  und  an 
Echinodermen- Resten  und  Rhynchonellen  reich  sind,'  auch  noch 
höhere  Dogger-Zonen,  worauf  bereits  die  Angabe  Schloenbach*s 
über  das  Vorkommen  von  Stephanoceras  Bayleanum  und  Steph,  Brocchii 
am  Cap  San  Vigilio  hinweist*)  Gegen  oben  bilden  den  Klaus- 
Schichten  entsprechende  rothe  Marmore  mit  Manganputzen  und 
linsenförmigen  Einschaltungen  von  Posidonomyen-  und  Crinoidenkalken 
die  Grenze. 

Bereits  in  den  Sette  Communi  fehlen  nach  den  übereinstimmen- 
den Berichten  von  Neumayr  und  Vacek  die  Bilobata-Schichten 
gänzlich.  Ueber  dem  grauen  Liaskalk  liegen  unmittelbar  die  nur 
sporadisch  auftretenden  Klaus-Schichten  oder,  wo  diese  fehlen,  die 
Cephalopodenbänke  des  Malm.  Ganz  ähnliche  Verhältnisse  herrschen 
in  dem  Gebiete  unserer  Karte.  Die  Bilobata-Schichten  wurden  nirgends 
beobachtet.  Auf  dem  Campo  torondo  und  auf  dem  Monte  Agnel- 
lazzo  liegt  nach  den  Beobachtungen  von  Hoernes  zwischen  dem 
liasischen  Crinoidenkalk  und  dem  oberjurassischen  Ammonitenkalk 
eine   weisse    Kalkbank    von    i    M.   Mächtigkeit^    welche   zahlreiche 


*)  Verh.  Geol.  R.-A.  1867,  p.  i58. 


QA        Uebersicht  der  pennischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Exemplare  von  Stephanocera$  Humphriesianum  Sow.,  Steph.  Vindobo- 
nense  Griesb,  u.  s.  w.  umschliesst  und  daher  der  Zone  des  Stepk. 
Humphriesianum  angehört.  Im  Ampezzaner  Jura  kommen  Klaus- 
Schichten,  wahrscheinlich  ebenfalls  nur  in  isolirten  Linsen,  vor. 
Wegen  der  Schwierigkeit,  so  wenig  mächtige  und  sporadische  Ab- 
lagerungen aufzufinden  und  zu  verfolgen,  wurden  in  unserer  Karte 
die  Ablagerungen  des  Dogger  und  des  Malm  zusammengefasst. 

III.  Der  Malm.  Das  vorherrschende  Faciesgebilde  des  Malm 
in  den  ostrheinischen  Nordkalkalpen  sind  Aptychenkalke  (Ammer- 
gauer  Schichten,  Oberalm-Schichten),  welche  sich  ebenso  sehr  durch 
grosse  Mächtigkeit,  wie  durch  beklagenswerthe  Fossilarmuth  aus- 
zeichnen. Man  hat  an  einigen  Stellen  Ammoniten  gefunden,  und 
zwar  solche,  welche  der  Zone  des  Aspidoceras  acanthicum  und  solche, 
welche  dem  Tithon  entsprechen.  Die  Aptychenkalke  schliessen  sich 
in  der  Regel  innig  den  rothen  Kieselkalkschiefern  des  Dogger  an 
und  es  ist  vorläufig  ebenso  wenig  möglich,  den  Dogger  vom  Malm 
richtig  abzugrenzen,  als  die  Antheile  zu  bezeichnen,  welche  den 
verschiedenen  Zonen  des  Malm  zukommen. 

Nur  in  solchen  Fällen,  wo,  wie  im  Salzkammergut,  Cephalo- 
podenkalke  oder  weisse  tithonische  Nerineenkalke  in  die  Aptychen- 
Schichten  eingreifen,  ist  eine  annähernde  Altersgliederung  derselben 
durchfuhrbar. 

Eine  dem  Callovien  entsprechende  Brachiopodenfacies  kommt 
an  zahlreichen  Stellen  des  Nordrandes  der  Nordkalkalpen  zwischen 
Vils  in  Tirol  und  der  Gegend  von  Wien  vor.  Dies  sind  die  so- 
genannten Vilser  Schichten  im  engsten  Sinne  mit  Terebratula  pala 
und   Terebratula  antiplecta. 

Nicht  selten  treten  im  Bereiche  der  salzburgisch-österreichischen 
Kalkalpen  cephalopodenfiihrende  rothe  Marmore  auf,  welche  haupt- 
sächlich den  Zonen  des  Stephanoceras  macrocephalum  und  des  Aspido- 
ceras acanthicum,  seltener  dem  Tithon  angehören.  Die  grösste  Ver- 
breitung besitzen  die  Kalke  mit  Aspidoceras  acanthicum. 

Im  Tithon  des  Salzkammergutes  kommen  endlich  weisse  Ne- 
rineenkalke (,Plassenkalk*)  in  mächtigen,  riffartigen  Massen  vor. 

Was  die  Südalpen  betrifft,  so  können  wir  wegen  der  Unzu- 
länglichkeit der  Nachrichten,  ebenso  wie  es  beim  Dogger  der  Fall 
war,  nur  das  Gebiet  unserer  Karte  und  die  benachbarten  Gegenden 
zwischen  der  Brenta  und  der  Etsch  berühren.*) 


•)  In  der  Lombardei  scheint  wie  in  Nordtirol  der  ganze  Dogger  und  Malm 
durch  Aptychenkalke  vertreten  zu  sein.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  in  der  Lom- 
bardei von  den  rhälischen  Schichten  bis  zum  Neocom  im  Wesentlichen  eine  mit 
Nordtirol  übereinstimmende  Entwicklung  herrscht. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SQdtirol.  gc 

Mit  grosser  Regelmässigkeit  sind  über  diese  Gebiete  rothe 
knoUigplattige  Ammonitenkalke,  der  sogenannte  ,  Ammonitico  rosso*, 
verbreitet,  welche  stets  die  Zone  der  Aspidoceras  acanthicum  und 
das  untere  Tithon  (Zone  der  Oppelia  lithographica,  Schichten  mit 
TerebraUda  diphya)  enthalten.  An  einigen  wenigen  Punkten  beher- 
bergen die  tiefsten  Bänke  die  Fossilien  der  Zone  des  Peltoceras 
transversarium.  Die  Acanthicum-Schichten  lassen  stellenweise  eine 
Sonderung  in  die  beiden  Zonen  der  Oppelia  tenuilobata  und  des 
Aspidoc,  Beckeri  zu,  von  denen  die  letztere  sich  durch  das  erste.  Er- 
scheinen einer  Anzahl  von  tithonischen  Formen  auszeichnet.  Das 
obere  Tithon  oder  die  Zone  des  Perisphinctes  transitoritis  ist  in  Süd- 
tirol nicht  nachweisbar.  Doch  fuhrt  der  südtirolische  Diphyakalk 
einige  Formen,  welche  anderwärts  erst  in  dem  oberen  Tithon  auf- 
treten. 

Die  weite  und  regelmässige  horizontale  Verbreitung,  die  auf- 
fallende Färbung  und  der  Reichthum  an,  allerdings  meist  schlecht 
erhaltenen  Ammoniten  stempeln  die  oberjurassischen  Ammoniten- 
kalke  der   Südalpen   zu   einem   vorzüglichen  Orientirungs-Horizonte. 

Die  eingehende  heutige  Kenntniss  der  oberjurassischen  Zonen 
ist  bekanntlich  erst  die  Frucht  der  letzten  Jahre  und  das  Resultat 
sehr  sorgfaltiger  Untersuchungen  einer  grossen  Anzahl  bedeutender 
Forscher  deutscher  und  französischer  Nationalität.  Eine  kurze  Be- 
sprechung der  einschlägigen  Thatsachen  scheint  mir  an  diesem,  der 
Charakteristik  der  alpinen  Ablagerungen  gewidmeten  Orte  unerläss- 
lich  zu  sein. 

Die  hergebrachte  Grenze  zwischen  der  Jura-  und  Kreide-Periode 
beruht  auf  der  Einschaltung  heteromesischer  Ablagerungen  im  nörd- 
lichen Theile  Mitteleuropa's.  Eine  ziemlich  bedeutende  Lücke  in 
der  Reihenfolge  der  marinen  Bildungen  ist  hier  vorhanden  und  aus 
diesem  Grunde  besteht  ein  scharfer  Schnitt,  ein  unvermittelter  Hiatus 
zwischen  den  oberjurassischen  und  untercretaceischen  Marinfaunen 
des  nördlichen  Mitteleuropa. 

Durch  die  Acquisition  der  Hohen  egge  r'schen  Sammlung  kar- 
pathischer  Fossilien  fiir  das  Münchener  palaeontologische  Museum 
gelangte  Oppel,  der  gründliche  Kenner  des  Jura,  um  die  Mitte  der 
1860  er  Jahre  in  den  Besitz  eines  ausserordentlich  reichhaltigen 
Untersuchungs-Materials  aus  den  oberjurassischen  Ablagerungen  der 
mediterranen  Provinz.  Seinem  Scharfblicke  konnte  es  nicht  entgehen, 
dass  hier  neue,  der  fhitteleuropäischen  Juraprovinz  fehlende  Marin- 
faunen vorliegen,  welche  sich  ebenso  sehr  durch  Anklänge  an  juras- 
sische Typen,  wie  durch  unverkennbare  Beziehungen  zu  dem  medi- 
terranen Neocom   auszeichnen.     In   seiner  epochemachenden  kleinen 


dS       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Fornnationen  der  Ostalpen 

Schrift  über  die  , Tithonische  Etage*,  welche  Bezeichnung  er  fiir 
die  in  Rede  stehenden  Bildungen  vorschlug,  lenkte  Oppel*)  die 
allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  diese  vorher  nur  wenig  beachtete**) 
wichtige  Thatsache  und  betonte  nachdrücklich  den  bestehenden 
Gegensatz  zwischen  der  continuirlichen  isomesischen  Formationsreihe 
in  den  Alpen-  und  Karpathenländem  und  der  durch  das  Dazwischen- 
treten heteromesischer  Bildungen  lückenhaften  Schichtfolge  in  der 
mitteleuropäischen  Juraprovinz.  Durch  eingehende  Specialstudien 
sollten  zunächst  die  Altersbeziehungen  der  sehr  verschiedenartigen 
tithonischen  Ablagerungen  festgestellt  werden,  um  sodann  entscheiden 
zu  können,  an  welcher  Stelle  die  theoretische  Grenzlinie  zwischen 
Jura  und  Kreide  zu  ziehen  sei. 

Leider  setzte  der  Tod  dem  schöpferischen  Wirken  OppeTs 
unerwartet  früh  ein  Ziel.  Seine  Anregungen  waren  aber  auf  frucht- 
baren Boden  gefallen  und  es  entspann  sich  nach  seinem  Tode  eine 
für  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  ausserordentlich  nutzbringende 
Discussion,  an  welcher  sich  Hubert,  Neumayr,  Pictet  und  Zittel 
in  hervorragender  Weise  betheiligten.  Nachdem  durch  ZitteTs  ***)  vor- 
treffliche Monographien  die  Cephalopodenfaunen  des  Tithon  bekannt 
gemacht  worden  waren,  herrschte  über  die  Continuität  der  tithonischen 
und  neocomen  Marinfaunen  der  mediterranen  Provinz  auf  keiner  Seite 
mehr  ein  Zweifel.  Dagegen  bestritten  einige  französische  Geologen, 
Hubert  an  der  Spitze,  die  Continuität  gegen  unten  und  behaupteten, 
dass  zwischen  der  Oxfordstufe  und  dem  Tithon  in  den  Mediterran- 
ländern eine  grosse  Lücke  vorhanden  sei.  Der  Grund  dieser  Mei- 
nungsverschiedenheit lag  hauptsächlich  darin,  dass  Hebert  an  der 
Ansicht  festhielt,  dass  das  sogenannte  ,Corallien*  eine  selbständige 
Etage  sei,  während  doch  durch  die  Untersuchungen  von  Mösch, 
Oppel  und  Waagen  nachgewiesen  worden  war,  dass  die  verschie- 
denen Coralliens  des  Juragebirges  und  des  französischen  Jura  sehr 
verschiedenen  Horizonten  angehören,  f ) 

Gegenwärtig   darf  man   wol   auch    diese   Frage  als   im  Sinne 
der   deutschen  Geologen   endgiltig   gelöst   betrachten.     Neumayr's 


*)  Zeitschr.  d.  Geol.  Ges.  i865,  p.  535. 
**)  Der   verdienstvolle    österreichische  Geologe  Hohen  egger  hatte   übrigens 
schon    im   Jahre    i852   (Jahrb.   Geol.  R.-A.   p.   137)   den    Schwerpunkt    der   Frage 
richtig  aufgefasst. 

♦*♦)  Palaeont.  Mitth.  a.  d.  Museum  des  k.  bayer.  Staates.  Bd.  II. 

t)  Es  ist  hier  genau  dasselbe  Verhältniss  und  derselbe  Gang  der  Erkenntniss, 
wie  bei  den  norischen  und  unterkam ischen  Dolomiten  und  hellen  Kalken  unserer  Alpen, 
welche  man  bisher  allgemein  für  eine  bestimmte  selbständige  Etage  (unter  den 
Bezeichnungen  Hallstätter-,  Wetterstein-,    Esino-Kalk,  Schiern dolomit)  gehalten  hatte. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Südtirol. 


97 


wichtige  Arbeit  über  die  mediterranen  Schichten  mit  Aspidoceras 
acanthicum*)  enthält  eine  erschöpfende  Darstellung  der  ziemlich 
complicirten  Verhältnisse. 

So  kann  man  es  jetzt  als  einen  wissenschaftlich  erwiesenen  Satz 
hinstellen,  dass  im  Mediterran-Gebiete  uns  die  im  mittleren  Europa 
fehlende  Verbindung  zwischen  den  jurassischen  und  den  neocomen 
Marin-Faunen  vorliegt.  Die  übereinanderfolgenden  Faunen  sind  durch 
gemeinsame,  sowie  durch  derivirte  Formen  innig  verkettet.  Nirgends 
ist  in  der  geschlossenen  Reihe  eine  Lücke  wahrnehmbar. 

Die  auf  der  nächsten  Seite  folgende  Tabelle  soll  das  Verhältniss 
der  mediterranen  zu  den  mitteleuropäischen  Bildungen  veranschaulichen. 


Cretaceische  Bildungen. 

Ohne  Lücke  schliessen  sich  die  Kreidebildungen  der  Alpen- 
länder, wie  soeben  angedeutet  wurde,  an  die  Jurabildungen  desselben 
Gebietes.  Die  Entwicklung  der  Faunen  ist  eine  continuirliche.  Die 
Kreide  erscheint  in  dieser  isotopischen  Region  als  eine  fortgesetzte 
Jurabildung.    Die  Grenzlinie  ist  demnach  vollständig  künstlich. 

Während  die  beiden  tiefsten  Glieder  der  Kreide  im  Mediterran- 
Gebiete  abgelagert  wurden,  dauerte  in  Mitteleuropa  die  gegen  das 
Ende  der  Jurazeit  eingetretene  Festlancjsperiode  fort.  Als  dann 
später  das  Meer  wieder  in  die  mitteleuropäischen  Länder  einbrach, 
bevölkerten,  wie  Neumayr**)  angibt,  die  mediterranen  Typen,  soweit 
die  nördlichere  Lage  ihr  Fortkommen  erlaubte,  die  dem  Meere  wieder 
gewonnenen  Gegenden  und  mischten  sich  mit  von  Norden,  aus  der 
borealen  Provinz  eingewanderten  fremdartigen  Elementen,  welche 
sich  im  Laufe  der  Zeit  auch  allmählich  bis  in  die  mediterrane  Pro- 
vinz verbreiteten. 

Der  wahrscheinlich  durch  klimatische  Einflüsse  bedingte  Gegen- 
satz der  mediterran/sn  und  der  mitteleuropäischen  Provinz  lässt  sich 
in  ganz  analoger  Weise,  wie  im  Jura,  so  auch  durch  die  ganze  Kreide 
verfolgen.  Bereits  d'Orbigny  hatte  den  eigenthümlichen  Charakter 
der  südfranzösischen,  dem  Mediterran-Gebiete  angehörenden  Kreide 
erkannt.    Es  darf  aber  nicht  übersehen  werden,  dass  sehr  viele  Ab- 


•)  Abhandl.  Geol.  R.-A.,  Bd.  V.  —  Die  seither  erschienenen  Arbeiten  von 
Choffat,  Ernest  Favre,  Fontannes  und  Gemellaro  bestätigen,  zum  Theil 
auf  Grundlage  neuer  Thatsachen,  völlig  die  Auffassung  ZitteTs  und  Neumayr's. 
.**)  Ueber  Charakter  und  Verbreitung  einiger  Neocomcephalopoden.  Verh. 
Geol.  R.-A.  1873,  p.  388.  —  Die  Ammoniten  der  Kreide  u.  s.  w.  Zeitsch.  d.  Geol. 
Ges.  1875,  p.  854. 

Mojftitovics,  Dolomitriffe.  n 


q8       Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Qstalpen 


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mit  besonderer  Rücksicht  auf  Sodtirol.  gg 

weichungen  zwischen  der  mediterranen  und  der  mitteleuropäischen 
Kreide  lediglich  eine  Folge  der  stark  heteropischen  Entwicklung  in 
den  beiden  Gebieten  sind. 

Zu  den  Ammoniten-Gattungen  PhyUocercis  und  Lytoceras,  welche 
bereits  im  Jura  bezeichnend  fiir  die  mediterrane  Provinz  waren, 
treten  in  der  Kreide  noch  die  Gattungen  Haploceras,  Crioceras  und 
Hamites.  Geradezu  charakteristisch  für  die  mediterrane  Kreide  ist 
femer  die  Pelecypoden-Sippe  der  Rudisten,  welche  stets  gesellig  in 
grossen  Massen  auftretend,  eine  eigenthümliche,  weite  Strecken 
bedeckende  und  zu  mächtigen  Felslagem  anschwellende  Kalkfacies 
bildet.  In  der  mitteleuropäischen  Kreide  finden  sich  nur  wenige 
Colonien  und  einzelne  sporadische  Vorkommnisse  der  mediterranen 
Typen,  und  zwar  um  so  seltener,  je  mehr  man  sich  von  der  medi- 
terranen Provinz  gegen  Norden  entfernt.  Man  ist  daher  berechtigt, 
hier  wie  im  Jura,  zu  sagen,  dass  die  mediterranen  Typen  in  der' 
mitteleuropäischen  Provinz  die  Polargrenze  ihrer  Verbreitung  er- 
reichen. Die  Annahme,  dass  klimatische  Verschiedenheiten  der  Aus- 
dehnung der  mediterranen  Formen  gegen  Norden  Schranken  setzten, 
wird  wesentlich  unterstützt  durch  die  parallelen  Erscheinungen  auf 
dem  nordamerikanischen  Continente,  wo  gleichfalls,  wie  F.  Römer 
und  H.  Credner  hervorgehoben  haben,  die  Rudisten  auf  den  Süden 
(Texas)  beschränkt  sind  und  dem  Norden  (New-Jersey  u.  s.  f )  fehlen. 

Nach  den  Lagerungsverhältnissen  und  nach  der  heteropischen 
Ausbildung  der  cretaceischen  Ablagerungen  zerfallen  die  Alpen  in 
eine  Anzahl  sehr  abweichender  Districte.  Es  würde  mich  von  den 
in  diesem  Buche  vorgesteckten  Zielen  zu  weit  abfuhren,  wenn  ich  in 
nähere  Details  eingehen  würde.  Ich  verweise  in  dieser  Beziehung 
auf  Fr.  V.  Hauer's  treffliches  Handbuch  der  Geologie  der  öster- 
reichisch-ungarischen Monarchie,  in  welchem  man  auch  die  Dar- 
stellung der  für  das  richtige  Verständniss  des  Zusammenhangs  so 
instructiven  Kreidegebiete  der  Karpathen  und  des  Bakonyer  Waldes 
finden  wird,  und  beschränke  mich  auf  die  nothwendigsten  Angaben 
über  die  Ostalpen. 

Die  Nordalpen  östlich  des  Rheins  umfassen  zwei  dem  Streichen 
der  Alpenkette  parallel  verlaufende,  wesentlich  abweichende  Regionen, 
das  Gebiet  der  eigentlichen  Kalkalpen  und  die  Flysch-  oder  Wiener 
Sandstein-Zone. 

Die  Kreidebildungen  der  nördlichen  Kalkalpen  trennen  sich 
scharf  in  zwei  dem  Alter  und  der  Verbreitung  nach  verschiedene 
Ablagerungen,  die  sogenannten  Rossfelder  Schichten  und  die  Gosau- 
Schichten. 

7* 


lOO        Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Jene  entsprechen  nach  ihrer  Fauna  blos  den  beiden  tiefsten, 
in  Mitteleuropa  fehlenden  oder  durch  Wealdenbildungen  repräsen^ 
tirten  Zonen  des  Neocoms,  den  Schichten  von  Berrias  und  der  im 
südlichen  Frankreich  weit  verbreiteten  und  cephalopodenreichen  Zone 
des  Belemmtes  latus.  Das  vorherrschende  Gestein  sind  Mergel  mit 
Fucoiden,  den  liasischen  Fleckenmergeln  häufig  ähnlich.  G^en  unten 
gehen  dieselben  stellenweise  durch  Wechsellagerung  mit  härteren, 
kalkigen  Bänken  in  homsteinreiche  Aptychenkalke  (Schrambach- 
Schichten)  über,  welche  im  Falle  der  Unterlagerung  durch  jurassische 
Aptychenkalke  von  diesen  nur  künstlich  zu  trennen  sind.  Gegen 
oben  schalten  sich  meistens  flyschähnliche  Sandsteine  und  bunte 
Kalkconglomerate  ein.  Nach  den  Fossileinschlüssen  repräsentiren 
die  Rossfelder  Schichten    ausschliesslich    die    Cephalopoden-Facies. 

In  Nordtirol  folgen  die  Rossfelder  Schichten  der  Verbreitung 
der  jurassischen  Aptychenkalke,  denen  sie  concordant  aufgelagert 
sind.  In  den  salzburgischen  und  österreichischen  Alpen  dagegen 
besteht  meistens  eine  bedeutende  Discordanz  zwischen  den  jurassischen  . 
und  neocomen  Bildungen,  in  Folge  welcher  die  neocomen  Schichten 
häufig  eine  selbständige  Verbreitung  zeigen  und  mulden-  oder  canal- 
förmige  Einschnitte  des  älteren  (Trias-  oder  Jura-)  Gebirges  erfüllen. 
Der  Ablagerung  der  Neocom-Schichten  muss  daher  in  diesen  Ge- 
genden eine  Hebung  und  Contourirung  des  Landes  vorausgegangen 
sein.  Bei  der  ausserordentlichen  Zeitdauer  der  einzelnen  geologischen 
Zonen  wäre  ein  solches  Ereig^s  denkbar,  ohne  dass  eine  auffallende 
Lücke  in  der  Schichtenreihe  bemerkbar  wäre.  Unter  solchen  Um- 
ständen ist  es  nun  jedenfalls  beachtenswerth,  dass  obertithonische 
Ablagerungen  hier  noch  nirgends  nachgewiesen  werden  konnten. 
Bestätigt  sich  nach  näherer  Untersuchung  der  Tithonkalke  das 
Fehlen  des  oberen  Tithon,  so  wäre  man  berechtigt  anzunehmen, 
dass  dieser  Theil  der  Alpen  zur  selben  Zeit  gehoben  wurde,  als  der 
mitteleuropäische  Juradistrict  Festland  wurde. 

Nach  der  Ablagerung  der  Rossfelder  Schichten  wurde  das  ganze 
Gebiet  der  ostrheinischen  Nordkalkalpen  gehoben.  Es  folgte  eine 
lange  Festlandsperiode,  in  welcher  das  Land  contourirt  wurde.  Das 
Gebiet  vor  den  Alpen,  die  Flyschzone,  blieb  aber  Meer.  Ein  schmaler 
Canal  —  die  Meerenge  von  Wien  —  verband  das  gallo-helvetische 
Meer  mit  dem  karpathisch-pannonischen  Becken. 

Erst  gegen  das  Ende  der  turonischen  Zeit  drang  wieder  Meer- 
wasser in  schmalen  Canälen  und  Buchten,  wahrscheinlich  aus  Süd- 
osten, in  das  Innere  der  ostrheinischen  Nordkalkalpen.  Es  begann 
die  Bildung  der  durch  den  ausserordentlichen  Reichthum  an  Fossilien 
bekannten  Gosau-Schichten,   deren  richtige    und   scharfe   Alters- 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtirol.  lOI 

bestimmung  die  grosse  Mannigfaltigkeit  heteropischer  Glieder,  sowie 
das  Vorherrschen  eigenthümlicher,  auf  die  Gosaubildung  beschränkter 
Thierreste  erschwert.  Die  Gosau-Schichten  bilden  wol  ohne  Zweifel 
eine  geschlossene  continuirliche  Schichtenreihe,  aber  es  ist  vorläufig 
schwer  zu  entscheiden,  ob  diese  Reihenfolge  heteropischer  Glieder 
einer  oder  mehreren  palaeontologischen  Zonen  entspricht.  Die  an  der 
Basis  des  Complexes  liegenden  und  mit  Strandconglomeraten, 
Kohlenflötzen  und  Süsswasser-Schichten  wechsellagemden  Hippuriten-, 
Actaeonellen-  und  Nerineen-Kalke  haben  eine  Anzahl  von  Formen 
mit  den  isopischen  oberturonischen  Hippuriten-Kalken  des  südlichen 
Frankreich  (Schichten  mit  Hippurites  cornuvaccinum)  gemeinsam  und 
stehen  denselben  im  Alter  jedenfalls  nahe.  Die  Untersuchung  der  in 
den  oberen  Gliedern  der  Gosau-Schichten,  namentlich  in  den  Inoce- 
ramen-Mergeln  vorkommenden  Cephalopoden  durch  A.  Redten- 
bacher  hat  neben  einer  überwiegenden  Anzahl  von  eigenthümlichen 
Formen  sieben  für  die  senonische  Kreide  der  mitteleuropäischen 
Provinz  charakteristische  Arten  kennen  gelehrt. 

Schlüter,  die  Schlussfolgerungen  Redtenbacher's  bestä- 
tigend und  schärfer  präcisirend,  hat  neuerdings  wiederholt  die  Ansicht 
ausgesprochen,  dass  die  cephalopodenfiihrende  Abtheilung  der  Gosau- 
Schichten  dem  in  der  mitteleuropäischen  Kreide  weitverbreiteten  und 
mächtigen  Emscher  Mergel  entspreche,  welcher  nach  Barrois  mit  der 
der  senonischen  Stufe  angehörigen  Zone  des  Micraster  coranguinunt 
zusammenfällt. 

Noch,  jüngere  Kreideschichten  reichen  nur  an  einer  dem  nörd- 
lichen Aussenrande  sehr  nahen  Stelle  in  das  Innere  der  Kalkalpen. 
Es  ist  dies  der  Mauslochgraben  am  Westabhange  des  Untersberges 
bei  Reichenhall,  wo  Gümbel  Schichten  mit  Belemnitella  tnucronata 
und  Ananchytes  ovata  (Nierenthal-Schichten)  fand.  Dieses  Vorkommen 
bildet  offenbar  nur  einen  im  Süden  übergreifenden  Ausläufer  der 
obersten  Kreideschichten  der  Flyschzone. 

Nach  den  Aufschlüssen  im  Westen  und  im  Osten  der  den 
ostrheinischen  Nordkalkalpen  vorgelagerten  Flyschzone  kann  es 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  hier  eine  continuirliche  Ablagerung 
während  der  ganzen  Kreidezeit  stattgefunden  hat.  Zu  bedauern  ist 
nur,  dass  in  dem  mittleren  Striche  die  Aufschlüsse  an  der  Basis 
des  Eocänen  blos  die  oberste  Kreide  biosiegen,  da  irgendwo  in 
dieser  Gegend  der  heteropische  Wechsel  zwischen  der  im  Osten 
herrschenden  Flyschfacies  und  der  westlichen,  schweizerischen  Kreide- 
Entwickelung  eintreten  muss. 

Nach  den  Angaben  der  Gümbel'schen  Karte  der  bayerischen 
Alpen  reicht   die  schweizerische  Kreide-Entwickelung  östlich  bis  an 


102     Uebersicht  der  permischen  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

den  Inn.  Im  Bregenzer  Walde  und  im  Allgäu  tritt  die  Kreide  in 
mächtigen  Zügen,  gebirgsbildend  mitten  aus  dem  eocänen  Flysch^ 
Die  Aufschlüsse  umfassen  hier  die  ganze  Reihe  der  ostschweizerischen 
Kreidebildungen:  Rossfelder  Schichten,  Spatangenkalk,  Schratten- 
kalk, Gault- Sandsteine,  Seewen  -  Schichten.  Weiter  gegen  Osten 
kommen  in  den  vereinzelten  und  räumlich  beschränkten  Aufbrüchen 
nur  mehr  die  höheren  Kreideglieder  zum  Vorschein. 

Oestlich   vom  Inn   bis   Komeuburg    an   der   Donau   bei   Wien 
kennt  man  eine  vielfach  unterbrochene  aber  doch  sichtlich  fortlaufende 
Reihe  von  Vorkommnissen  obersenonischen  Alters  —  Schichten  mit 
Beletnnitella  ntucronata  —  (Kressenberg,  Mattsee,  Gmunden,  Leitzers- 
dorf  bei  Komeuburg),   welche   durch   ihre   organischen   Einschlüsse 
und  ihre  GesteinsbeschafTenheit  sehr  an  mitteleuropäische  Bildungen 
gleichen  Alters  erinnern.  An  einigen  Punkten,  wie  im  Gschliefgraben 
bei  Gmunden,  auf  der  Nordseite  des  Traunstein,  scheinen  auch  unter- 
senonische,  vielleicht  sogar  auch  turonische  Ablagerungen  mit  gleich- 
falls   vorherrschend     mitteleuropäischem    Charakter    vorhanden    zu 
sein.*)     Die   tieferen   Kreideschichten    sind    im    Osten,    in   Nieder- 
Oesterreich,    durch  die  Flyschsandstein-Facies  repräsentirt ,    welche 
hier  bis   zu   den   an  der  Basis  liegenden  untemeocomen  Aptychen- 
Schichten  (Rossfelder  Schichten)  die  ganze  Reihe  der  zwischenliegen- 
den Kreide-Horizonte  umfassen  dürfte. 

Während  sonach  die  untere  und  mittlere  Kreide  in  der  Flysch- 
zone  entschieden  mediterran  entwickelt  ist,  nähern  sich  die  höheren 
Glieder  der  oberen  Kreide  in  auffallender  Weise  dem  mitteleuropäi- 
schen Kreidetypus.  Stehen  bereits  die  Seewen-Schichten  mit  ihren 
Echinodermen  und  Inoceramen  der  mitteleuropäischen  Oberkreide 
näher  als  den  mediterranen  Gosau-Schichten,  so  tritt  der  mittel- 
europäische Charakter  noch  viel  auffallender  in  den  obersten  Kreide- 
schichten der  Flyschzone  östlich  vom  Inn  hervor.  Die  Grenze  der  mittel- 
europäischen Provinz  hatte  sich  sonach  zur  Zeit  der  obersten  Kreide 
gegen  Süden  verschoben. 

Für  das  richtige  Verständniss  unserer  Gosau-Bildungen  ist 
dieses  Uebergreifen  der  mitteleuropäischen  Oberkreide  hart  bis  an 
den  Rand  der  Kalkalpen  von  grosser  Wichtigkeit.  Die  Gosau-Buchten 
unserer  nördlichen  Kalkalpen  konnten  mit  dem  mediterranen  Meere 
unmöglich  im  Norden  und  Westen,  wie  man  a  priori  gerne  annehmen 
möchte,  communiciren,  da  diese  Gegenden  von  der  mitteleuropäischen 


♦)  Die  senonischen  Kreideschichten  von  Siegsdorf  in  Bayern,  welche  auch 
einige  Gosau-Formen  enthalten,  nahern  sich  nach  den  Mittheilungen  GümbeTs 
wol  ebenfalls  der  mitteleuropäischen  Entwicklung. 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  Südtirol.  I03 

Fauna  bevölkert  waren.  Es  bleibt  daher  nur  die  Annahme  offen,  dass 
das  Gosau-Meer  von  Südosten  her  in  das  Gebiet  der  nördlichen 
Kaikaipen  eindrang.  In  dieser  Richtung  finden  sich  auch  thatsächlich 
typische  Gosau-Bildungen  sowol  am  Ostrande  der  krystallinischen 
Mittelzone  der  Alpen  (Kainachthal,  Gonobitz,  Sotzka),  als  auch  im 
Bakonyer  Walde,  in  Siebenbürgen,  in  der  Fruska  Gora  und,  nach. 
Tietze,  in  Serbien. 

Auf  der  andern  Seite  erhebt  sich  nun  auch  die  Frage  über 
den  Anschluss  der  obersten  Kreideschichten  der  Flyschzone  an  die 
mitteleuropäischen  Ablagerungen.  Die  räumlich  zunächst  liegenden 
Ablagerungen  bei  Passau  und  Regensburg  können  hier  nicht  weiter  in 
Betracht  kommen,  da  ihnen,  ebenso  wie  dem  sächsisch-böhmischen 
Kreidegebiete  (der  hercynischen  Kreidebucht)  die  obersten  Kreide- 
schichten mit  Belemnitella  tnucronata  gänzlich  fehlen.  Dagegen  sind 
in  Polen  diese  Schichten  vorhanden  und  scheint  der  Annahme  einer 
bestandenen  Verbindung  in  dieser  Richtung  nichts  im  Wege  zu 
stehen.  Vielleicht  bilden  die  von  F.  v.  Hochstetter  bei  Friedeck 
in  den  schlesiächen  Karpathen  entdeckten  Baculiten-Schichten,  in 
welchen  sich  ja  Baculites  vertebralis  und  B.  ancep$  finden  sollen, 
ein  Verbindungsglied. 

Die  Südalpen  lassen  zwei  grosse  heteropische  Regionen 
unterscheiden,  deren  Grenzen  vertical  auf  das  Streichen  der  Alpen 
verlaufen  —  eine  Wiederholung  der  bereits  beim  südalpinen  Lias 
besprochenen  auffallenden  Erscheinung. 

In  Südtirol  und  den  anschliessenden  Gegenden  Venetiens  ist 
die  Kreide  durch  eine  contüiuirliche  Folge  von  dünngeschichteten 
Mergelkalken  und  I^lkmergeln  vertreten,  deren  untere  lichtgefärbte 
Abtheilung  als  Biancone  und  deren  oberer  vorherrschend  rother  Theil 
als  Scaglia  bezeichnet  wird.  Eine  scharfe  Grenze  zwischen  diesen  beiden 
Abtheilungen  ist  nicht  vorhanden,  und  die  bisher  von  den  meisten 
Autoren  gemachte  Annahme  einer  Lücke  zwischen  denselben  scheint 
mir  ganz  ausser  dem  Bereich  der  Möglichkeit  zu  liegen.  Wahrschein- 
lich repräsentirt  der  sehr  mächtige  Biancone  die  ganze  untere  und 
mittlere  Kreide  und  entspricht  die  Scaglia  vorzugsweise  den  höheren 
Horizonten  der  oberen  Kreide.  Es  ist  richtig,  dass  die  Fossilien, 
welche  man  hauptsächlich  in  den  tieferen  Abtheilungen  des  Biancone 
findet,  in  der  Regel  blos  den  beiden,  auch  in  den  Rossfelder  Schich- 
ten der  Nordalpen  vorhandenen  untemeocomen  Zonen  von  Berrias 
und  Barreme  entsprechen,  aber  die  Angabe  Zigno's  über  das  Vor- 
kommen von 

Hamites  altertiatus  P/tili. 
Schloenbachia  Roissvatta  Orb. 


104     Ucbcrsicht  der  permiscben  und  mesozoischen  Formationen  der  Ostalpen 

Schhenbachia  inflata  Sow. 
Acantkoceras  mammülare  Schloth. 
beweist,  dass  auch  höhere  Kreidezonen  an  der  Zusammensetzung 
des  Biancone  betheiligt  sind.  Selbst  wenn,  was  ausserordentlich 
schwierig  wäre,  nachgewiesen  werden  könnte,  dass  einzelne  Horizonte 
durch  keinerlei  Gesteinsabsätze  vertreten  sind,  so  würde  dies  noch 
nicht  zu  dem  Schlüsse  berechtigen,  dass  dieser  Lücke  eine  Hebung 
und  Trockenlegung  des  Gebietes  entspreche.  Es  gilt  hier  dasselbe, 
was  wir  oben  von  der  Lückenhaftigkeit  des  mediterranen  Jura 
bemerkt  haben. 

Trotz  der  Constanz  der  Hauptgesteinstypen  des  Biancone  machen 
sich  schichtenweise  an  einzelnen  Localitäten  einige  Abweichungen 
geltend.  An  der  Basis  der  Biancone  treten  z.  B.  nicht  selten  rothe, 
vielen  Scaglia-Gesteinen  ähnliche  Mergel  auf.  Stellenweise  schieben  sich 
homsteiniiihrende  feste  Kalkplatten  ein.  Die  herrschende  Farbe  in 
dem  Gebiete  unserer  Karte  ist  lichtg^u.  Im  Süden  überwiegen  aber 
schmutzigweisse,  muscheligbrechende  Gesteine. 

Die  typische  Scaglia  verdankt  ihren  Namen  der  Eigenschaft, 
an  der  Luft  in  kleine  keil-  oder  scheibenförmige  Stücke  zu  zerfallen. 
Die  rothe  Färbung  herrscht  zwar  im  Allgemeinen  vor,  tritt  aber 
doch  in  manchen  Gegenden  sehr  zurück.  Plattenförmige  rothe  Kalke, 
ähnlich  dem  oberjurassischen  rothen  Ammonitenkalk  sind  in  den 
südlichen  Regionen  unseres  Gebietes  und  an  der  unteren  Etsch 
nicht  selten  den  Mergeln  eingeschaltet  und  bei  Belluno,  dann  bei 
Domegliara  an  der  Etsch  in  grossen  Steinbrüchen  aufgeschlossen. 
Diese  Platten  sind  als  Bau-  und  Pflastersteine  sehr  geschätzt  und 
werden  dem  oberjurassischen  Plattenkalk  wegen  ihrer  Ebenflächig- 
keit  in  der  Regel  vorgezogen. 

Die  Fauna  der  Scaglia  besteht  vorzugsweise  aus  Inoceramen 
und  Echinodermen.  In  den  Plattenkalken  von  Domegliara  kommen 
nach  Bittner*s  Beobachtungen  Cephalopoden  nicht  selten  vor,  doch 
sind  dieselben  so  schlecht  erhalten,  dass  Artbestimmungen  nicht 
möglich  sind.  Die  wichtigsten  Fossilien  der  venetianischen  Scaglia 
sind  nach  v.  Zigno: 

Inoceramus  Lamarcki  Orb^ 

„  Cuvieri  Orb. 

Ananchytes  avata  Lam. 
Stemmia  tuberculata  Defr.  sp. 
Cardiaster  italicus  Orb, 
„         Zignoanus  Orb. 

Die  Kreide  der  lombardischen  Kalkalpen  schliesst  sich  zwar 
im  Wesentlichen   an   die   südtirolisch-venetianische   Entwicklung   an, 


mit  besonderer  Rücksicht  auf  SOdtirol.  I05 

doch  bestehen,  wie  aus  den  Darstellungen  Curioni's*)  hervorgeht, 
einige  nicht  unwesentliche  Abweichungen.  Ueber  der  dem  Biancone 
entsprechenden  ,Majolica*  treten  fucoidenreiche  Flyschmergel  und 
Sandsteine '  auf,  in  deren  Mitte  Conglomerate  und  Sandsteine  mit 
Hippuriten  und  Actaeonellen  turonischen  Alters  eingelagert  sind. 
Erst  mit  den  oberen  Flyschgesteinen  stehen  dann  röthliche  und 
weissliche  Scagliamergel  mit  zahlreichen  Inoceramen  und  mit  Belem- 
nitella  mucronata  in  Verbindung. 

Im  Osten  unseres  Kartengebietes  folgt  die  zweite  heteropische 
Region^  welcher  die  östlichen  Südalpen  und  die  Karstländer  ange- 
hören. Rudistenkalke  bilden  hier  durch  die  ganze  Kreide  die  domi- 
nirende  Facies. 

Die  heteropische  Grenze  gegen  die  Tiefsee-Facies  Biancone- 
Scaglia  verläuft,  wie  bereits  erwähnt,  in  meridionaler  Richtung,  doch 
blieb  diese  Grenze  keineswegs  während  der  ganzen  Kreidezeit 
stationär.  Wir  finden  z.  B.  an  der  Ostgrenze  unseres  Kartengebietes 
auf  dem  Monte  St.  Pascolet  bei  Santa  Croce  über  dem  Biancone 
einen  westlichen,  riffTormig  endenden  Ausläufer  der  Rudisten-Facies, 
welcher  nach  den  von  v.  Zigno  bestimmten  Fossilien: 

Radiolites  comu  pastaris  Desm,  sp. 
Sphaertdites  Ponsiana  Orb.  sp. 
Hippurites  arganisans  Montf,  sp. 
Actaeanella  laevis  Orb. 
n  gigantea  Orb. 

der  Turonstufe  angehört.  Zwischen  dieser  Gegend  und  dem  Isonzo 
dehnt  sich  die  Rudisten-Facies  allmählich  abwärts  bis  zu  den  wahr- 
scheinlich untemeocomen  Woltschacher  Kalken  aus,  während  die 
Scaglia-Mergel  sich  über  den  obersten,  turonischen  Bänken  der  Rudi- 
stenkalke bis  in  die  vom  Isonzo  durchströmten  Landschaften  er- 
strecken. Erst  östlich  vom  Isonzo  sind  dann  auch  die  tiefsten  und 
die  höchsten  Glieder  der  Kreide  vorherrschend  von  Rudisten-Kalken 
gebildet. 


*)  Geologia,  applicata  delle  provincie  Lombarde.  I. 


IV.  CAPITEL. 
Orotektonische  Gliederung  von  Südtirol. 

Die  Judicarieo-Spalte.  -  Die  Val  Sugana-Spatte.  -  Daa  t&dtirolische  Hochland.  >  Die  Drau- 
Spalte.  -  Individualisirung  der  Gcbirgsstöcke.  -  Plateauform.  -  Den  landschaftlichen  Charakter 
beeinflustende  Factoren.  -  Der  Dolomit  als  solcher  besitat  keine  ihm  ausschliesslich  zukommen- 
den physiognomischen  Eigenschaften.  -  Die  landschaftlichen  Eigenthumlichkeiten  des  siidtiroii- 
schen  Hochlandes  sind  vorzugsweise  durch  den  Gegensatz  von  localisirt  auftretenden  contrasti- 

renden  Gesteinsarten  bedingt. 

Die  orographische  und  landschaftliche  Gestaltung  des  südlichen 
Tirol  ist  so  eigenartig,  so  sehr  von  den  herrschenden  physiog^omi- 
schen  und  plastischen  Verhältnissen  der  alpinen  Nebenzonen  ab- 
weichend, dass  die  Aufmerksamkeit  tiefer  blickender  Beobachter 
schon  längst  auf  diesen  Gegenstand  gelenkt  wurde.  Es  dürfte  daher 
nicht  überflüssig  sein,  der  Detailschilderung  unseres  Gebietes  einige 
Bemerkungen  über  die  orotektonische  Anordnung  vorangehen  und 
dieselbe  die  Stelle  der  üblichen  oro-  und  hydrographischen  Einleitung 
vertreten  zu  lassen. 

Zwei  gross«  Gebirgsbrüche  sind  vor  Allem  bestimmend  für 
den  Bau  des  südlichen  Tirol.  Der  eifte  verläuft  vom  Idro-See  über 
Val  Bona,  Val  Rendena  nahezu  geradlinig  bis  in  die  Gegend  von 
Meran.  Dies  ist  dieJudicarien-Spalte,  längs  welcher  das  von 
Osten  herantretende  jüngere  Gebirge  plötzlich  abgeschnitten  wird. 
Am  westlichen  emporgehobenen  Spaltenrande  sind  bis  auf  wenige 
Reste  in  Judicarien  die  mesozoischen  Bildungen  durch  Denudation 
entfernt.  An  allgemeiner  Bedeutung  für  die  räumliche  Anordnung 
der  südalpinen  Nebenzonen  wird  die  Judicarien-Spalte  durch  keine 
andere  tektonische  Linie  übertroffen.  Ihr  Alter  ist  kaum  mit  Sicher- 
heit zu  bestimmen.  Es  mag  sein,  dass  der  berühmte,  durch  sie  im 
Westen  begrenzte  einspringende  Winkel  des  Kalkgebirges  in  seiner 
ersten  Anlage  bis  in  die  Zeit  der  permischen  Quarzporphyr-Ergüsse 
zurückreicht  und  dass  die  triadische  Strandlinie  nahezu  mit  ihr  zu- 
sammenfällt.    Zu  Gunsten   einer   solchen  Auffassung   spricht   ausser 


Orotektonische  Gliederung  von  SQdtiroI.  I07 

einigen,  nicht  allzu  hoch  anzuschlagenden  Analogien,  das  Verhalten 
der  Triasdolomite,  welche  in  der  Richtung  gegen  die  Judicarien- 
Spalte  an  Mächtigkeit  bedeutend  abnehmen.  Es  ist  übrigens  sehr 
bemerkenswerth,  dass*  wenn  man  die  Judicarien-Linie  in  gleicher 
Richtung  über  das  krystallinische  Schiefergebirge  der  Mittelzone  fort- 
setzt, die  Verlängerung  mit  der  Westgrenze  des  Kalkgebirges  des 
Sill-Gebietes  (Stubay,  Gschnitz,  Pflersch)  zusammenfällt.  Vielleicht 
hat  man  hier  die  Andeutung  einer  uralten  transversalen  Uferlinie 
und  so  reicht  vielleicht  das  bedeutungsvolle  Vorrecht  der  Brenner- 
Depression,  den  Norden  mit  dem  Süden  zu  verbinden,  in  geologisch 
sehr  ehrwürdige  Zeiten  zurück. 

Der  zweite  grosse  Gebirgsbruch  verläuft  aus  Val  Sugana  in 
ostnordöstlicher  Richtung  am  Südabfall  des  Cima  d'Asta-Stockes 
nach  Primiero,  von  da  mit  Beibehaltung  der  Richtung  über  Vallalta 
nach  Val  Imperina  bei  Agordo  und  sodann  über  das  mittlere  Zoldo, 
Forcella  Cibiana  nach  Cadore,  von  wo  derselbe  sich  höchst  wahr- 
scheinlich längs  des  Südabfalles  des  palaeozoischen  Gebirgszuges  der 
kamxschen  Alpen  in  östlicher  und  ostsüdöstlicher  Richtung  in  die 
Karavanken  und  in  östlichere  Gegenden  fortsetzt.  Eine  Reihe  von 
Erzvorkommnissen,  sowie  einige  Mineralquellen  bezeichnen  den  Lauf 
dieser  Bruchlinie,  welche  wir  als  die  Val  Sugana-Spalte  bezeichnen 
wollen.  Das  im  Süden  gelegene  Gebiet  ist  das  gesunkene;  stets  ist 
der  nördliche  Bruchrand  durch  das  Vorkommen  älterer  Bildungen 
ausgezeichnet.  Nirgends  überschreiten  die  tertiären  Meeresablage- 
rungen den  Nordrand  der  Spalte,  und  nirgends  trifft  man  im  Norden 
auf  Basaltgänge,  während  die  mesozoischen  Dolomite  und  Kalke 
des  abgesunkenen  Gebirgstheiles  nicht  selten  von  Basalt  durch- 
setzt sind. 

Diese  beiden  grossen  Gebirgsbrüche  beherrschen  nun  den  Bau 
des  südlichen  Tirol  und  des  angrenzenden  venetianischen  Gebirges 
in  der  Weise,  dass  sie  das  Hauptstreichen  der  tektonischen  Linien 
und  dadurch  mittelbar  auch  die  orographische  Gliederung  in  den  an 
den*  Spaltlinien  niedergesunkenen  Gebirgsstreifen  bestimmen.  Das 
Depressionsgebiet  der  Judicarien-Spalte  reicht  bis  in  das  sogenannte 
Bozener  Porphyrplateau^  dessen  westliche  Hälfte  sich  theils  allmäh- 
lich, theils  mittelst  der  Intervention  einiger  Verwerfungen  sprungweise 
gegen  Westen  niedersenkt.  Im  Süden  von  Val  Sugana  verbinden 
sich  die  Depressionsgebiete  von  Judicarien  und  Val  Sugana,  das 
Thal  des  Astico  bezeichnet  beiläufig  die  Grenze  zwischen  den  ab- 
weichenden Streichungs-Richtungen. 

So  stellt  sich  das  in  dieser  Schrift  zu  schildernde  Gebiet  als 
das    eigentliche    Hochland    der    südtirolischen    Kalkalpen    dar, 


Io8  Orotektonische  Gliederung  von  SDdtirol. 

welches  im  Süden,  Südosten  und  Westen  an  ausgedehnte,  durch 
Parallelgliederung  in  tektonischer  und  orographischer  Beziehung  aus- 
gezeichnete Depressionsdistricte  grenzt.  Da  im  Norden  die  krystalli- 
nischen  Schiefer  der  Mittelzone  unser  Hochgebirge  regelmässig  unter- 
teufen, so  erscheint  dasselbe  im  grossen  Ganzen  als  eine  in  den 
tektonischen  Bereich  der  Mittelzone  gehörige  Scholle  von  flach 
muldenförmiger  Lagerung.  Eine  andere,  vorläufig  noch  nicht  gelöste 
Frage  ist  es  aber,  ob  nicht  am  Südgehänge  der  Mittelzone  eine  der 
Fortsetzung  der  scheinbar  bei  Abfaltersbach  endenden  Drau- 
Spalte  entsprechende  Bruchlinie  etwa  über  Brunneck  und  Mühlbach 
nach  Meran  verläuft  und  am  letzteren  Orte  mit  der  Judicarien-Spalte 
zusammentrifft. 

Ein  Blick  auf  die  Karte  genügt,  um  sich  zu  überzeugen,  dass 
das  Südtirolische  Hochland  in  eine  Anzahl  unregelmässig  vertheilter 
plateauförmiger  Gebirgsmassen  zerfällt  Tiefe  Einsattlungen,  welche 
häufig  eine  ansehnliche  Breite  erlangen,  sondern  die  mit  steilwandigen 
kahlen  Rändern  abstürzenden  Gebirgsmassive ;  die  Gewässer  eilen  in 
tiefeingeschnittenen  Erosionsrinnen,  häufig  senkrecht  auf  das  Streichen 
der  Schichten,  den  Längsthälem  der  benachbarten  Districte  zu. 
Die  Individualisirung  der  Massen  erscheint  deshalb  als  das  hervor- 
stechende orographische  Merkmal.  Jeder  Stock  bildet  ein  Gebirge 
für  sich  und  erst  die  geologische  Synthese  lehrt  den  Zusammenhang 
des  Ganzen  und  die  Bedeutung  des  Einzelnen  kennen. 

Die  flache  Lagerung  der  Gebirgsschichten  und  das  Vorherrschen 
fester,  zu  senkrechter  Zerklüftung  disponirter  Gesteine  bedingen  die 
Bildung  der  für  das  südtirolische  Hochland  so  charakteristischen 
Plateaux.  Die  Wiederholung  von  der  Plateaubildung  günstigen  Schich- 
ten in  verschiedener  Höhe  bewirkt  den  terrassenförmigen  Aufbau  des 
Gebirges,  welcher  stellenweise  in  prägnanter  Weise  hervortritt  und 
der  Landschaft  ein  eigenthümliches  Gepräge  verleiht.  Das  jüngste 
plateaubildende  Gestein  ist  der  Dachsteinkalk,  diesem  folgt  das 
ältere  Dolomit-Riffplateau.  Die  höchsten  Gebirgsmassen  gehören 
einem  von  diesen  beiden  an;  wo  das  Dolomitplateau  noch  von 
einem  Dachsteinkalkplateau  überhöht  wird,  wie  z.  B.  im  Sellagebirge, 
springt  ersteres  terrassenförmig  vor.  Einem  tieferen  geologischen 
Niveau  und  zugleich  einer  geringeren  Höhenlage  gehört  das  vom 
schwarzen  Porphyr  umrandete  Plateau  an,  welches  von  einer  Reihe 
weicherer,  klastischer  Gesteine  überlagert  in  der  Seisser-Alpe  seinen 
vorzüglichsten  Repräsentanten  besitzt.  Wo  die  Denudation  bis  auf 
den  permischen  Quarzporphyr  hinabgegriffen  hat,  wie  in  den  Um- 
gebungen von  Bozen,  da  entsteht  das  landschaftlich  so  merkwürdige 
Quarzporphyrplateau,    welches   in  tiefen   engen   Erosionsschluchten 


Orotektonische  Gliederung  von  Sfidtirol.  lOQ 

seine  Gewässer  dem  weiten  Abzugs-  und  Sammelcanal   der  Etsch 
zufuhrt. 

Unbeschadet  der  flachen  Lagerung  wird  das  südtirolische 
Hochland  von  einer  Anzahl  von  Verwerfungslinien  durchsetzt,  welche 
bedeutende  Niveauveränderungen  herbeiführen  und  zur  Individuali- 
sirung  der  Gebirgsstöcke  beitragen.  Doch  gibt  es  auch  einige  Ver- 
werfungen von  bedeutender  Sprunghöhe,  welche  auf  die  Plastik  des 
Gebirges  ohne  Einfluss  sind.  Den  interessantesten  hieher  gehörenden 
Fall  werden  wir  im  Gardenazza-Gebirge  kennen  lernen. 

Wo  der  Einfallswinkel  der  Schichten  in  stärkerem  Grade  von 
der  söhligen  Lagerung  abweicht,  da  entstehen  Kämme  mit  einseitigem 
SteilabfalL  Beispiele  bilden  der  Cristallo-Stock  fiir  den  Dachsteinkalk, 
die  Marmolata  fiir  das  DolomitrifT,  die  an  wolgeformten  Gipfelbildun- 
gen reiche  Kette  der  Cima  di  Lagorai  fiir  den  Quarzporphyr. 

Es  ist  oben  bereits  erwähnt  worden,  dass  von  den  untergeord- 
neten Störungen  abgesehen,  das  südtirolische  Hochland  eine  grosse 
flache  Mulde  oder  Synclinale  bildet,  indem  die  Schichten  am  Süd- 
rande von  der  Val  Sugana-Spalte  weg  nach  Norden  einfallen, 
während  am  Nordrande  Südfallen  herrscht.  Eine  nähere  Betrachtung 
lehrt  jedoch^  dass  das  Südfallen  am  Nordrande  nur  auf  eine  sehr 
schmale  Zone  beschränkt  ist  tmd  dass  in  allen  den  folgenden,  durch 
Ver^^erfungen  abgegrenzten  Schollen  entweder  söhlige  Lagerung 
oder  Nordfallen  die  Regel  ist.  Deshalb  befindet  sich  der  Steilabfall 
mit  Ausnahme  der  erwähnten  nördlichen  Zone  und  der  horizontal 
gelagerten  allseitig  schroff  niedersetzenden  Plateaumassen  stets  auf 
der  Südseite  der  Gebirgsstöcke. 

Die  Culminationspunkte  des  Gebirges  häufen  sich  in  der  süd- 
lichen Hälfte  und  auch  hier  wiederholt  sich  die  interessante,  bisher 
ganz  unbeachtet  gebliebene  Erscheinung,  dass  dicht  benachbarte 
Gipfel  von  annähernd  gleicher  Höhe  aus  sehr  ungleichaltrigen  For- 
mationen bestehen;  als  ob  zur  Aufrechterhaltung  des  Gleichgewichtes 
des  Gebirgsganzen  ein  gewisses  Mass  der  Erhebung  in  den  einzelnen 
Gebirgstheilen  erfordert  würde,  in  Folge  dessen  der  abtragenden  und 
nivellirenden  Thätigkeit  der  Denudation  ein  stetes  Nachrücken  und 
Emporpressen  älterer  Formationen  entgegenwirken  musste. 

Es  ist  hier  noch  eines  Factors  zu  gedenken,  welcher  neben 
den  tektonischen  Verhältnissen  die  Individualisirung  der  Gebirgsstöcke 
im   südtirolischen   Hochlande    in   hervorragender  Weise  begünstigt. 

Bereits  in  der  stratigraphischen  Uebersicht  ist  darauf  hin- 
gewiesen worden,  dass  die  Formationsreihe  zwischen  den  Werfener 
und  Raibler  Schichten  in  den  Alpen  in  zweifacher,  heteropischer 
Entwicklung  auftritt,   in  der  Dolomit-Facies  (Riff'-Facies)   und  in  der 


IJO  Orotektonische  Gliederung  von  Südtirol. 

Mergel-Facies.  In  unserem  Gebiete  ist  diese  doppelte  Entwicklung 
auf  die  Bildungen  zwischen  Muschelkalk  und  Raibler  Schichten  be- 
schränkt, aber  innerhalb  dieses  Rahmens  tritt  die  Erscheinung  in 
sehr  ausgezeichneter  Weise  auf.  Stockförmige  DolomitrifTe  tauchen 
inselfbrmig  aus  dem  Gebiete  der  Mergel-Facies  empor  und  schmale 
Canäle  der  Mergel-Facies  winden  sich  zwischen  grossen  DolomitstQcken 
durch.  Ich  erwähne  hier,  um  Missdeutungen  von  vornherein  zu 
begegnen,  dass  eine  gleichförmige  Decke  jüngerer  Bildui^en  über 
das  ganze  Gebiet  sich  hinzog  und  dass  erst  in  verhältnissmässig 
neuer  Zeit  die  Denudation  die  theilweise  Entblössung  der  Dolomit- 
riffe und  ihrer  Umgebungen  vollzog. 

Est  ist  einleuchtend,  dass  bei  der  ruhigen  Lagerung  des  Ge- 
birges die  blosgelegten  alten  Riffe  scharf  abgegrenzte,  individualisirte 
Gebirgsstöcke  bilden. 

Die  eigenthümlichen  landschaftlichen  Reize,  welche  dem  süd- 
tirolischen  Hochlande  seinen  so  wolverdienten  Ruf  verschafft  haben, 
beruhen  keineswegs  ausschliesslich,  wie  fast  allgemein  angenommen 
wird,  auf  dem  Vorkommen  oder  dem  Vorherrschen  des  Dolomits. 
Die  Verbreitung  des  echten  Dolomits  ist  eine  verhältnissmässig  sehr 
beschränkte,  und  es  besteht  in  physiognomischer  Beziehung  kein 
Unterschied  zwischen  dem  dolomitisirten  und  dem  nicht  dolomitisirten 
Riffkalk.  Der  Schiern  und  der  Rosengarten,  der  Lang-  und  Platt- 
kofel bestehen  zum  grössten  Theile  aus  Dolomit;  in  den  übrigen 
Riffen  waltet  der  Kalk  vor,  welcher  ohne  scharfe  Grenze  in  den 
Dolomit  übergeht  Es  herrscht  eine  solche  Unregelmässigkeit  und 
Unbeständigkeit  des  Vorkommens  der  dolomitisirten  Partien,  dass 
die  kartographische  Scheidung  von  Kalk  und  Dolomit  zu  den  schwie- 
rigsten und  mühsamsten  Unternehmungen  gehören  würde.  Der 
wissenschaftliche  Gewinn  einer  solchen  Aufnahme  wäre  im  Verhält- 
niss  zum  erforderlichen  Zeitaufwande  von  so  geringem  Belange,  dass 
sich  kaum  Jemand  dieser  Aufgabe  unterziehen  wird.  Wenn  die 
Geologen  die  Bezeichnung  Dolomit  auch  auf  wenig  dolomitisirte  Kalke 
anwenden,  so  geschieht  dies  wegen  der  Kürze  und  Handlichkeit  des 
Ausdruckes,  aber  stets  nur  mit  der  Beschränkung  auf  mit  dem  echten 
Dolomit  gleichaltrige  und  gleichgebildete  Kalke.  Man  ersieht  daraus, 
dass  sich  mit  dem  Worte  , Dolomit*  allerdings  ein  geologischer,  aber 
durchaus  kein  physiognomischer  Begriff  verbinden  lässt.  Das  reisende 
Laienpublikum  hat  deshalb  instinctiv  das  Richtige  getroffen,  indem 
es  die  Begriffe  »Dolomit*  und  , Kalkberg*  identificirte  und  die  Be- 
zeichnung , Dolomiten*  nach  und  nach  auf  alle  Kalkberge  der  Süd- 
alpen ausdehnte.  Mit  dem  gleichen  Rechte  müssten  aber  auch  die 
Nordkalkalpen  Dolomite   genannt    und    müssten    schliesslich    Kalk 


Orotektonische  Gliederung  von  SOdtirol.  1 1  X 

und  Dolomit  als  synonyme  Bezeichnungen  für  die  Felsenkalke 
überhaupt  angesehen  werden.  In  einer  solchen  Ausdehnung  und 
Verallgemeinerung  liegt  aber  die  Anerkennung,  dass  die  Bezeichnung 
schlecht  gewählt  und  weder  zur  morphologischen,  noch  zur  geogra- 
phischen Charakterisirung  des  südtirolischen  Hochlandes  geeignet  ist.*) 

Versuchen  wir  es  aber  nun,  uns  klar  zu  machen,  welche  Fac- 
toren  den  landschaftlichen  Charakter  unseres  Gebirges  bedingen.^ 
Ganz  allgemein  lasst  sich  sagen,  dass  die  Physiognomie  einer  Gebirgs- 
landschaft abhängt:  i.  vom  Gesteinsmaterial,  2.  von  der  Lagerungs- 
form desselben  und  3.  von  den  hypsometrischen  Verhältnissen.  Der 
Etnfluss  des  dritten  Factors  ist  so  selbstverständlich,  dass  es  überflüssig 
wäre,  darauf  näher  einzugehen.  Die  beiden  ersten  Factoren  stehen 
in  inniger  Wechselbeziehung.  Eine  oft  nur  unscheinbare  und  graduelle 
Abänderung  des  einen  Factors  genügt,  um  den  Gesammteffect 
wesentlich  zu  alteriren.  Dasselbe  Gestein  präsentirt  sich  bei  flacher 
Lagerung  anders,  als  bei  steiler  Aufrichtung  der  Schichten.  Unter 
gleichen  Lagerungsverhältnissen  bewirkt  häufig  eine  geringfügige, 
dem  Laien  kaum  wahrnehmbare  Aenderung  des  Gesteins,  Ab- 
weichungen  in  der  Tracht  des  Gebirges.  Das  Auge  des  gebirgs- 
gewohnten  Geologen  ist  für  diese  feinsten  Nuancirungen  in  Farbe 
und  Form  der  Felslandschaft  sehr  empfindlich ;  es  ist  gar  häufig  im 
Stande  nach  dem  landschaftlichen  Eindrucke  ein  verlässliches  Urtheil 
über  die  geologische  Zusammensetzung  eines  Berges  abzugeben.  Es 
soll  hiermit  durchaus  nicht  die  Unfehlbarkeit  solcher  ä  la  vue  Be- 
stimmungen behauptet  werden,  schon  aus  dem  Grunde  nicht,  weil 
richtiges  Sehen  keine  so  leichte  Sache  ist.  Ausser  Erfahrung  ist 
hiezu  auch  ein  gewisser  Grad  individueller  Begabung  erforderlich. 
Es  gibt  tüchtige  Geologen,  welche  für  diese  Art  landschaftlicher 
Diagnose  unempfänglich  sind,  und  nicht  selten  sind  leider  auch  die 
Maler,  welche'  unrichtige  oder  unmögliche,  das  Auge  des  Gebirgs- 
kundigen geradezu  beleidigende  Landschaftsbilder  produciren. 

In  unserem  Gebiete  vereinigen  sich  die  günstigsten  Verhält- 
nisse, um  eine  grossartige  und  wechselreiche  landschaftliche  Scenerie 
hervorzubringen:  bedeutende  Höhenunterschiede,  grosse  Mannigfaltig- 
keit des  Gesteinsmaterials,  vortheilhafte  Beschaffenheit  desselben 
und  vorherrschend  flache  Lagerung. 

Kaum  kann  sich  ein  anderes  Gebiet  der  Alpen  mit  Südtirol  in 
Bezug  auf  die  reichliche  und  glückliche  Abwechslung  contrastirender 
Gesteinsarten   messen.     Der   geheimnissvolle  Zauber,    welcher   über 


♦)  Vgl.  a.  R.  Hoernes:  Aus  den  Sodtiroler  Kalkalpen.  Zeitsch.  D.  u.  Oest. 
A.  V.  1875,  p.  127, 


112  Orotektonische  Gliederung  von  SOdtirol. 

diesen  im  grossen  Style  angelegten  Landschaften  ausgebreitet  ist, 
beruht  auf  den  Gegensätzen  zwischen  den  dunkelgeiarbten  und  der 
Vegetation  günstigen  verschiedenartigen  Eruptivgesteinen,  Mergeln 
und  Sandsteinen  auf  der  einen  und  den  hellen,  nackten,  bis  hoch  in 
die  Schneeregion  hinanragenden  Kalken  auf  der  anderen  Seite. 
Dieser  Contrast  bestimmt  den  Grundton  des  Gemäldes,  welcher 
durch  die  zahlreichen  Nuancirungen  an  Farbe  und  Form,  welche 
den  verschiedenen  Gesteinen  der  beiden  Kategorien  eigenthümlich 
sind,  vielfaltig  modiücirt  wird.  Trotz  der  Höhe  und  Kühnheit  der 
Gipfelbildungen  würde  das  südtirolische  Hochland  einen  sehr  mono- 
tonen, wilden  und  todesstarren  Anblick  gewähren^  wenn  dem  Kalk 
und  Dolomit  die  Alleinherrschaft  zukäme.  Es  wäre  eine  unwirth- 
liehe,  kaum  bewohnbare  Felsenwildniss  mit  schmalen,  schluchten- 
artigen, wasserarmen  Thaleinschnitten. 

Vorzüglich  dem  in  dieser  Schrift  zu  schildernden  Heteropismus 
der  unter  den  Raibler  Schichten  gelegenen  Triashorizonte,  aber 
auch  dem  Auftreten  altvulcanischer  Gesteine  ist  es  zuzuschreiben, 
dass  ansehnliche  becken-  und  canalförmige  Thalweitungen  das  starre 
Kalkhochgebirge  unterbrechen  und  mit  ihren  ausgedehnten  Wiesen, 
Wäldern  und  Weiden  die  Landschaft  in  der  angenehmsten  und 
nützlichsten  Weise  beleben.  Wir  nennen  hier  nur  die  Hochfläche 
der  Seisser  Alpe,  das  badiotische  Hochplateau  mit  Buchenstein,  die 
Ampezzaner  Thalweitung,  die  vom  Pelmo  überragte  Hochfläche  von 
Zoldo,  die  halbkreisförmige  Thallandschaft  östlich  bei  Agordo.  In 
welch*  hohem  Grade  diese  mitten  zwischen  den  Culminationspunkten 
des  Kalkgebirges  gelegenen  Becken  und  Hochflächenthäler  den  Reiz 
der  Scenerie  erhöhen,  wird  jeder  der  Gegend  Kundige  bestätigen. 
Wasserrisse  und  Gehänge  sind  von  prächtigem  dunklen  Nadelholz 
beschattet,  über  die  ausgedehnten,  welligen  Hochflächen  zieht  ein 
üppiger  Grasteppich,  und  schroff"  und  unvermittelt  erheben  sich  über 
und  neben  ihnen  die  schöngeformten,  aber  vegetationsarmen  bleichen 
Kalkmassive  oder  die  in  phantastische  Zacken  und  Zinnen  auf- 
gelösten Dolomitriffe.  Grössere  Gegensätze  sind  kaum  denkbar. 

Eine  analoge  Rolle  in  landschaftlicher  Beziehung  spielt  das 
Tafelland  des  permischen  Quarzporphyrs  bei  Bozen ;  aber  abgesehen 
von  der  die  Tracht  beeinflussenden  Verschiedenheit  der  Gesteinsart, 
bewirken  die  tiefere  Lage,  die  davon  abhängige  südlichere  Vege- 
tation und  die  ansehnlicheren  Dimensionen  des  Plateaubeckens  eine 
Reihe  von  Abweichungen. 

Einen  wesentlich  verschiedenen  Einfluss  auf  die  Physiognomie 
des  Gebirges  nimmt  das  südliche  Quarzporphyrgebirge  und  der 
Granitstock    der   Cima   d'Asta.     Dies    sind   Gebirge    für    sich    mit 


Orotektonische  Gliederung  von  SOdtirol.  II3 

ansehnlicher  Massenentwicklung,  selbständigen  Gipfelbildungen  und 
eigenthümlicher  Tracht.  Der  landschaftliche  Gegensatz  gegenüber 
dem  Kalkhochgebirge  kommt  nur  an  den  Grenzen  durch  die  Ver- 
schiedenheit der  Thalwände,  wie  in  Längenthälem  zwischen  ab- 
weichenden Gebirgsketten,  zur  Geltung. 

Die  Einwirkungen  der  tektonischen  Verhältnisse  auf  den  land- 
schaftlichen Charakter  äussern  sich  in  unserem  Gebirge  vorzüglich 
durch  die  bereits  erwähnte  Individualisirung  der  Massen,  sowie 
durch  das  Vorherrschen  der  Terrassen-  und  Plateauform. 

Bei  der  Detailschilderung  wird  sich  vielfach  die  Gelegenheit 
ergeben,  die  physiognomischen  Charaktere  der  verschiedenen  Gesteins- 
arten sowie  den  Einfluss  der  Lagerungsform  auf  die  plastischen 
Verhältnisse  des  Gebirges  im  Einzelnen  zu  besprechen. 


MojsisOTici,  Dolomitriffe.  8 


II. 


Detailschilderungen. 


8» 


V.  CAPITEL. 

Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hoch- 
gebirges. 

Das  Schiefergebirge.  -  Das  EruptiTgebiet  von  Klausen.  -  Das  Bozener  Qnarzporphyr-Plateau.  - 

Der  alte  Eisackgletscher. 

Die  Unterlage,  über  welcher  sich  unser  Kalkhochgebirge  auf- 
baut, ist  im  Norden  eine  wesentlich  andere,  als  im  Westen.  Dort 
sind  es  phylladische  Schiefer,  auf  welche  unter  Intervention  einer 
wenig  mächtigen  Conglomeratbildung  ( Verrucano)  der  rothe  Grödener 
Sandstein  folgt,  hier  schaltet  sich  im  Niveau  des  Verrucano  der 
mächtige  Complex  der  Quarzporphyr-Gesteine  zwischen  dem  Phyllit 
und  dem  Grödener  Sandstein  ein  und  verleiht  der  Landschaft  wesent- 
lich verschiedene  Charakterzüge.  Der  Quarzporphyr  erscheint  sonach 
als  ein  im  Norden  fehlendes  Deckgestein  der  krystallinischen 
Schiefer.  Wäre  er  nicht  vorhanden,  oder  denkt  man  sich  denselben 
entfernt,  so  würden  die  gegenwärtig  isolirten  Schiefer  des  Cima 
d'Asta-Stockes  auch  oberflächlich  mit  der  Schieferzone  der  Central- 
alpen  verbunden  sein. 

I.  Das  Gebiet  der  krystallinischen  Schiefer. 

Ich  habe  keine  Gelegenheit  gefunden,  das  auf  der  Karte  mit 
der  Farbe  des  Thonglimmerschiefers  bezeichnete  nördliche  Gebiet  zu 
Studiren  und  bin  bei  der  Colorirung  desselben  den  Angaben  der 
älteren  Karten  gefolgt.  Die  Umgebungen  von  Klausen  und  Theiss 
sind  der  Hauptsache  nach  der  v.  Richthofen'schen  Karte  ent- 
nommen. 

Stäche  hat  kürzlich  die  Angaben  und  Ansichten  der  älteren 
Forscher  in   übersichtlicher  Weise   zusammengestellt   und   kann  für 


Ilg  Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

weitere  Informationen  auf  dessen  Arbeit  verwiesen  werden.  *)  Hier 
sollen  nur  einige  Thatsachen,  welche  fiir  das  allgemeine  Verständniss 
von  Interesse  erscheinen,  hervorgehoben  werden. 

Die  wichtigste  Frage  ist  die,  ob  in  dem  einstweilen  unter  dem 
Gattungsnamen  Phyllit  begriffenen  Gebiete  palaeozoische  Schichten- 
reihen  inbegriffen  sind?  Daran  würde  sich  sodann  die  Aufgabe  an- 
schliessend den  Umfang  und  die  Art  der  Betheiligung  der  palaeozoi- 
schen  Bestandmassen  näher  zu  bestimmen. 

Es  wäre  vor  Allem  zu  untersuchen,  in  welchem  Verhältniss 
die  als  Unterlage  des  Verrucano  durch  das  Sextenthal  ziehende 
Schieferzone  zu  den  sicher  palaeozoischen  Bildungen  der  Kamischen 
Alpen  steht?  Damit  wäre  für  die  Beurtheilung  der  westlicheren  Ge- 
genden, in  welche  die  Sextener  Schiefer  fortzustreichen  scheinen, 
viel  gewonnen.  Manche  Sextener  Gesteine  erinnern  sehr  an  palaeo- 
zoische Schiefer.  Indessen  dürfen  petrographische  Analogien  nicht 
zu  hoch  angeschlagen  werden. 

Eine  noch  grössere  Aehnlichkeit  mit  palaeozoischen  Schichten 
besitzen  die  schwarzen  Graphitkieselschiefer  in  dem  Scheiderücken 
zwischen  dem  Villnöss-  und  dem  Afers-Thal.  Die  Verbreitung  dieser 
Gesteine  ist  eine  sehr  beschränkte.  Die  Lagerung  gibt  wenig  Auf- 
schluss  über  ihr  Alter,  obwol  über  oder  nicht  weit  über  ihnen  der 
Verrucano  mit  Porphyrtuff  und  Porphyrstromenden  liegt.  Denn  sowol 
weiter  östlich,  als  auch  am  Südgehänge  des  Villnöss -Thaies  bilden 
wieder  echte  Quarzphyllite  die  Unterlage  der  permischen  Bildungen. 

Da  an  vielen  Punkten,  wie  z.  B.  im  unteren  Gröden,  die  Discordanz 
der  Lagerung  zwischen  den  Phylliten  und  den  permischen  Porphyr- 
decken unzweifelhaft  ist,  wie  bereits  v.  Richthofe n  und  nach  ihm 
Stäche  betonten,  so  sind  dreierlei  Annahmen  möglich.  Die  Kiesel- 
schiefer von  Villnöss  können  Denudations-Relicte  einer  einst  weiter 
verbreiteten  Grauwacken-Ablagerung  sein.  Oder  sie  sind  nur  eine 
locale  Abänderung  des  Quarzphyllits ,  welcher  wieder  entweder 
archaeischen  oder  palaeozoischen  Alters  sein  kann.  Vorläufig  bleibt 
es  dem  subjectiven  Ermessen  überlassen,  unter  diesen  Annahmen 
zu  wählen.  Ob  eingehende  Untersuchungen  zu  bestimmteren  Resultaten 
fuhren  werden,  ist  noch  fraglich. 

Das  Einfallen  der  Schieferzone  ist  im  Allgemeinen  gegen  Süden 
gerichtet.  Der  scheinbar  durchaus  concordante  Complex  unterteufl 
das  am  Nordrande  ebenfalls  stets  südfallende  Kalkgebirge.  Doch 
ist  der  Fallwinkel  der  Schiefer  meistens  viel  steiler.  Diese  Discordanz 
der  Lagerung,   sowie  auch   der  Beginn   der  jüngeren  concordanten 


*)  Die  palaeozoischen  Gebiete  der  Ostalpen.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1874. 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  ng 

Schichtenreihe  mit  auf  terrestrischen  Ursprung  hinweisenden  Conglo- 
meraten  (Vemicano)  machen  es  wahrscheinlich,  dass  die  Schieferzone 
bereits  vor  der  Ablagerung  der  jüngeren  concordanten  Schichten- 
reihe Aenderungen  der  ursprünglichen  Lagerung  erfuhr.  Welcher 
Art  diese  älteren  Störungen  waren,  ist  heute  kaum  mehr  zu  be- 
stimmen. Man  darf  aber  annehmen,  dass  die  später  erfolgten  tektoni- 
schen  Einwirkungen  im  Grossen  von  derselben  Art  waren,  wie  die- 
jenigen, welche  das  aufgesetzte,  mit  einem  Denudations-Steilrand 
gegen  Norden  abbrechende  Kalkgebirge  betroffen  haben.  Dies  zu- 
gegeben dürfen  wir  voraussetzen,  dass  das  Schiefergebirge  von  einer 
Anzahl  Verwerfungen  durchzogen  ist,  an  welchen  die  einzelnen 
Schollen  treppenfbrmig  auf-  und  niedersteigen.  Ob  es  je  gelingen 
wird,  diese  Verwerfungen  in  der  Natur  nachzuweisen,  muss  für  die 
reinen  Schieferdistricte  dahingestellt  bleiben.  Wo  sich  Schollen  jün- 
gerer Bildungen  erhalten  haben,  wie  in  Villnöss,  unterliegt  dies  keiner 
Schwierigkeit. 

Es  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung,  um  einzusehen,  dass 
diese  gewissermassen  unsichtbaren  Verwerfungen  der  Gliederung  und 
der  richtigen  Einreihung  und  Abschätzimg  der  Schiefercomplexe 
kaum  überwindbare  Schwierigkeiten  in  den  Weg  stellen.  Hypothe- 
tische tektonische  Constructionen,  zu  denen  man  sich  leicht  verleiten 
lässt,  können  dann  zur  Aufstellung  sehr  verschiedener  ganz  falscher 
Gliederungs-Schemata  fuhren,  ohne  dass  man  im  Stande  wäre,  mit 
Bestimmtheit  das  Wahre  vom  Fakchen  oder  das  Falsche  vom  minder 
Falschen  zu  unterscheiden.  Insbesondere  möchte  ich  davor  warnen, 
den  so  beliebt  gewordenen  Annahmen  von  Faltungen  in  unserer 
centralen  Schieferzone  einen  zu  grossen  Spielraum  zu  gestatten.  Man 
darf  die  Erfahrungen,  welche  wir  in  den  gestauten  jüngeren  Aussen- 
zonen  (insbesondere  in  der  Flyschzone)  gewonnen  haben,  nicht  ohne 
zwingende  Gründe  auf  die  meist  steil  aufgerichteten  alten  Schieferzonen 
der  Centralalpen  übertragen.  Stauungen  haben  zwar  hier  jedenfalls 
auch  stattgefunden,  aber  es  ist  bekannt,  dass  die  Faltungen,  wenn 
die*  Spannungsgrenze  überschritten  ist  —  und  dieser  Fall  muss  bei 
langandauemder  Einwirkung  im  gleichen  Sinne  auch  bei  den  bieg- 
samsten Gesteinscomplexen  eintreten  —  in  Zerreissungen  und  Ueber- 
schiebungen  übergehen.  Für  die  Alpen  möchte  der  Satz  gelten,  dass 
je  älter  ein  Schichtencomplex  ist,  desto  unwahrscheinlicher  das  Vor- 
kommen von  Faltungen*)  ist.  Ich  bin  durch  die  nähere  Bekannt- 
schaft mit  der  nördlichen  und  südlichen  Kalkalpenzone  der  Ostalpen 


*)   Wol   zu   unterscheiden    von    den  häufig  gekröseförmigen  F&ltelungen  der 
einzelnen  Bftnke,    welchen    man  namentlich  in  den  Quarzphylliten  häufig  begegnet. 


I20  I^ic  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

ZU  der  Anschauung  gelangt,  dass  unsere  Centralzone  die  tektonischen 
^igenthümlichkeiten  der  Nebenzonen  in  verschärftem  Maasse  besitzt. 
Am  Nordabhange  dürften  Zerreissungen  und  Ueberschiebungen,  am 
Südgehänge  Brüche  und  Einstürze  vorherrschen. 


2.    Das  Eruptivgebiet  von  Klausen« 

An  zwei  Stellen  im  Gebiete  imserer  Karte  wird  die  nördliche 
Phyllitzone  von  Eruptivgesteinen  durchbrochen,  bei  Klausen,  am 
Ausgange  des  Villnöss-Thales  und  in  Lüsen.  Der  Granit  von  Brixen 
fällt  bereits  ausser  den  Bereich  unserer  Karte.  Bei  Klausen  kommen 
zweierlei  Gesteine  vor:  Diorit  und  Melaphyr.  Der  Diorit,  längst 
bekannt  unter  der  Bezeichnung  , Diorit  von  Klausen*,  ist  nach  der 
Untersuchung  v.  Rieht hofen*s  Strahlsteindiorit*).  Uebereinstinunend 
damit  ist  nach  Pichler's  Angabe  das  von  diesem  zuerst  anstehend 
beobachtete  Gestein  von  Lüsen.  Nach  v.  Richthofen's  Darstellung 
zeigt  die  grössere  Masse  zwischen  Sulferbruck  und  Klausen  im 
Centrum  eine  grosskrystallinische  Structur,  wie  grosskömige  Gabbro's 
und  erst  an  den  Rändern  tritt  die  kleinkörnige  Structur  auf,  welche 
an  den  übrigen  kleineren  Vorkommnissen  die  herrschende  ist. 
Pich  1er**)  bestreitet  die  eruptive  Natur  des  grosskömigen  Gesteins 
und  stellt  dasselbe  zum  Phyllit,  da  mehrfache  Wechsellagerungen  mit 
Gneisslagen  des  Phyllits  vorkämen.  Da  die  ganze  Umgebung  von 
Klausen  von  Dioritgängen  durchschwärmt  ist,  erscheint  es  wol 
naturgemässer  mit  v.  Richthofe n  das  grosskömige  Gestein  beim 
Diorit  zu  belassen  und  die  von  Pich  1  er  beobachteten  Wechsellage- 
rungen als  Lagergänge  aufzufassen. 

Reibungsconglomerate  begleiten  häufig  das  an  den  Wänden 
des  Thonglimmerschiefers  aufsteigende  Eruptivgestein.  Sowol  die 
Einschlüsse  der  Reibungsconglomerate,  als  auch  der  angrenzende 
Phyllit  zeigen  nach  v.  Richthofe n  intensive Contact-Metamorphosen. 
Die  ersteren  sind  perlgrau  und  Kieselschiefer  ähnlich  geworden,  der 
letztere  hat  seine  schiefrige  Structur  fast  ganz  verloren  und  eine 
feste  krystallinisch-kömige  Beschaffenheit  angenommen. 

Die  Lagerungsverhältnisse  geben  über  das  Alter  des  Klausener 
Diorit  keinen  Aufschluss.  Der  Diorit  ist,  da  er  den  Thonglimmer- 
schiefer  durchbricht,  jünger*  als   dieser.    Er  ist  aber  älter  als   der 


*)  Gümbel  theilt  eine  von  Schwager  ausgeführte  Analyse  dieses  Gesteins 

mit  und  nennt  es,  ohne  der  Untersuchungen  v.  Richthofen^s,  Pichler's,  Reuss*, 

V.   Buch*s  und    Trinker's    zu    erwähnen,    Aktinolithdiorit,    wodurch    v.    Richt- 

hofen's  Bestimmung  bestätigt  wird.  Sitz.-Ber.  Münchener  Akad.  Bd.  VI,  1876,  pag.  56. 

**)  Neues  Jahrb.  von  Leonhard  und  Geinitz.  1871,  pag.  272. 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  12 1 

Melaphyr,  weil  dieser  auch  ihn  durchsetzt.  Wir  werden  später  die 
Ansicht  zu  begründen  suchen,  dass  er,  ebenso  wie  die  Granite  der 
Cima  d'Asta  und  von  Brixen,  der  Periode  der  Quarzporphyr-Ergüsse 
angehört  v.  Richthofe n  vermuthete  bereits,  auf  Grund  einer 
anderen  Ideenverbindung,  dass  der  Klausener  Diorit  als  ein  basisches 
Glied  der  Graniteruption  von  Brixen  und  der  Cima  d'Asta  anzusehen 
ist  Auch  Tschermak*)  bemerkt,  dass  der  Diorit  vielleicht  zum 
Porphyr  in  einer  Altersbeziehung  steht. 

Ehe  wir  das  zweite  in  der  Klausenergegend  injicirend  auf- 
tretende Eruptivgestein  besprechen,  müssen  wir  einen  Blick  auf  die 
unteren  Thalstufen  von  Villnöss  werfen.  Ich  habe  dieselben  bei  einer 
in  Gesellschaft  von  Dr.  Hoernes  ausgeführten  Excursion  flüchtig 
kennen  gelernt  Die  Veranlassung  zu  dieser  Excursion  war  die  An- 
gabe eines  befreundeten  Forschers,  dass  bei  Theiss  deckenformige 
Ausbreitungen  des  Melaphyrs  über  dem  Quarzporphyr  vorkämen. 
Um  den  Gegenstand  abzuthun,  bemerke  ich  gleich  hier,  dass  von 
einer  solchen  Erscheinung ,  welche  schwerwiegende  Folgerungen 
über  die  physikalischen  Verhältnisse  Südtirols  zur  Zeit  der  norischen 
Stufe  involvirt  hätte,  nicht  die  geringste  Spur  vorhanden  ist. 

Das  untere  Villnöss -Thal  fällt  mit  einer  Bruchlinie  zusammen, 
längs  welcher  die  nördliche  Thalwand  in  die  Tiefe  gesunken  ist. 
Dieselbe  Bruchlinie  lässt  sich  weit  gegen  Osten  hin  mitten  durch 
die  grossen  Kalkmassive  bis  an  das  Ostende  unserer  Karte  bei 
Auronzo  verfolgen.  Sie  bildet  die  längste  und  bedeutendste  Störungs- 
linie in  unseren  nördlichen  Gebieten  und  werden  wir  ihr  noch  wieder- 
holt begegnen.  Wir  wollen  ihr  daher  eine  besondere  Bezeichnung 
beilegen  und  nennen  sie  die  Bruchlinie  von  Villnöss. 

Im  unteren  Villnöss  entspricht  bis  nahe  zum  schluchtartigen 
Thalausgange  die  Thalsohle  annähernd  dem  Verlaufe  der  Bruchlinie. 
Bei  dem  Orte  Villnöss  verlässt  jedoch  die  Bruchlinie  die  Thaltiefe, 
indem  sie  auf  dem  linken  Thalgehänge  unterhalb  des  Raschötz  öst- 
lich nach  St.  Johann  weiterläuft,  von  wo  sie,  den  norischen  Dolomit 
des  Ruefenberges  von  dem  Phyllit  und  Quarzporphyr  des  Schwarz- 
waldes trennend,  bis  zum  Jochübergange  zwischen  Villnöss  und 
Campil  verfolgt  werden  kann.  Der  Betrag  der  Verwerfung  vermin- 
dert sich  in  der  letzten  Strecke  unter  der  Jochhöhe  zusehends  und 
im  Osten  des  wasserscheidenden  Rückens  tritt  für  kurze  Zeit  eine 
in  der  Mitte  gesprungene  und  etwas  verschobene  Anticlinalwölbung 
an  die  Stelle  der  Bruchlinie.  Bald  aber  lebt  die  Bruchlinie  in  ihrer 
reinen  Form  wieder  auf  und  setzt  sich  noch  weit  gegen  Osten  fort, 
wohin  wir  sie  jetzt  nicht  verfolgen  wollen. 

♦)  Porphyrgesteine  Oesterreichs,  pag.  99. 


122  ^i^  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

Es  ist  wegen  der  grossen  Sprunghöhe  nicht  wahrscheinlich, 
dass  die  Bruchlinie  vor  dem  Ausgange  des  Villnöss -Thaies  thatsäch- 
lich  ihr  westliches  Ende  erreicht.  Da  aber  weiter  westlich  keine 
Denudations-Relicte  permischer  Schichten  mehr  vorkommen,  so  ist 
die  Verfolgung  des  Sprunges  in  den  phylladischen  Schiefem  sehr 
erschwert.  Doch  verdient  es  Beachtung,  dass  das  Erzvorkommen 
auf  dem  Pfundererberge  bei  Klausen  genau  mit  der  westlichen  Ver- 
längerung der  Villnösser  Bruchlinie  zusammenfallt. 

Die  isolirten  Vorkommnisse  von  Quarzporphyr  auf  der  nörd- 
lichen Thalwand  von  Villnöss  und  im  Quellgebiete  des  Afers -Thaies 
sind  nichts  weiter  als  die  nördlichen  Stromenden  der  Bozener 
Quarzporphyrdecke.  Von  einer  stock-  oder  gangförmigen  Lagerung 
ist  nirgends  etwas  zu  bemerken.  Der  Porphyr  erscheint  stets  im 
Hangenden  des  Quarzphyllits  oder  der  erwähnten  Kieselschiefer  von 
palaeozoischem  Habitus  und  auf  das  Innigste  verknüpft  mit  Porphyr- 
sandsteinen oder  mit  Verrucano-Conglomeraten.  Wo  die  jüngeren 
Bildungen  nicht  durch  Denudation  entfernt  sind,  da  folgen  regel- 
mässig die  Grödener  Sandsteine.  Es  kann  daher  nicht  zweifelhaft 
sein,  dass  diese  vereinzelten  Porphyrmassen  dem  Schichtenverbande 
regelmässig  eingefugt  sind. 

Betritt  man,  vom  Eisack-Thale  her  aufsteigend,  das  Villnöss -Thal, 
so  begegnet  man  nach  Passirung  der  in  quarzreichem  Phyllit  ein- 
gesägten untersten  Thalenge  einer  vom  rechten  Thalgehänge  bis  in 
die  Thalsohle  herabreichenden,  ziemlich  steil  südfallenden  Partie 
von  PorphyrtuflTen.  Die  linke,  südliche  Thalwand  besteht  aus 
Phyllit.*)  Am  Fusse  derselben  liegen  auch  zahlreiche  Blöcke  eines 
feinen  schwarzen  Thonschiefers  mit  gelben  Schuppen.  Es  wäre  zu 
untersuchen,  ob  dieses  Gestein,  welches  einen  palaeozoischen  Habitus 
zeigt,  höher  oben  ansteht.  Die  Porphyrtuffe  reichen  in  der  Thalsohle 
bis  kurz  vor  das  Zollhaus,  sie  bekleiden  das  mit  Weingärten  besetzte 


*)  Die  Karte  des  Tiroler  montanistischen  Vereins  verzeichnet  als  Gipfelmasse 
des  Tschanberges  zwischen  Villnöss  und  Gröden  Porphyrconglomerate  und  Porphyre. 
V.  Richthofe n  bezweifelt  die  Richtigkeit  dieser  Angabe.  Wir  haben  diesen  sehr 
bewaldeten  Höhenzug  nicht  betreten  und  sind  bei  der  Colorirung  unserer  Karte  der 
V.  Rieh thofe naschen  Darstellung  gefolgt,  welche  den  ganzen  Tschanberg  aus 
Quarzphyllit  bestehen  lässt.  Indessen  trägt  die  Angabe  der  Tiroler  Karte  durchaus 
nicht  den  Stempel  der  Unwahrscheinlichkeit.  Es  ist  recht  wol  einzusehen,  dass 
sich  auf  dem  Tschanberg  noch  die  tieferen,  vorherrschend  aus  Sandsteinen  und 
Conglomeraten  bestehenden  Abtheilungen  des  Porphyrsystems  erhalten  haben, 
wahrend  das  tiefere  Gehänge  gegen  den  Unterlauf  des  Grödener  Baches  bis  auf 
den  Quarzphyllit  entblösst  ist.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  liegen  auf  der  bewal- 
deten Höhe  viele  Porphyrblöcke  und  ist  es  nicht  leicht  zu  entscheiden,  ob  dieselben 
als  erratischer  Schutt   oder  als  Trümmer   anstehenden  Gesteins  zu  betrachten  sind. 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 


123 


Thalgehänge  aufwärts  bis  Theiss  und  bis  zum  Fusse  der  Theisser 
Kögel  und  sind  dann  durch  eine  der  Bruchlinie  parallel  laufende  Ver- 
werfung von  den  nördlich  einfallenden  Porphyrtuffen  der  Theisser 
Kögel  geschieden: 


Theisser  Kogcl  ^i{!Sj,"" 


Tscbsnberg 


N. 


S. 


Quenchnitt  durch  das  untere  VillnSss-Thal  bei  Theise. 
a  =  Quarzphyilit ;     b  =  Porpbyrtuffe;      e  =  Melsphyrginge. 

Diese  letzteren  werden  nach  v.  Richthofen's  Angabe  von 
Grödener  Sandstein  überlagert,  ,  welcher  sich  an  die  höheren  Hügel 
des  Thonglimmerschiefers  horizontal  anlehnt*.  Es  läuft  sonach  noch 
eine  zweite  nördlichere  zur  grossen  Bruchlinie  parallele  Verwerfung 
hier  durch. 

In  der  Gegend  von  St.  Peter  reichen  theilweise  von  terrassirtem 
praeglacialem  Schutt  verdeckte  Grödener  Sandsteine  vom  rechten 
Thalgehänge  in  die  Thalsohle  herab  und  stossen  hier  an  den  Phyl- 
liten  der  linken  Thalwand  ab,  wie  das  untenstehende,  von  Professor 
Hoernes  entworfene  Profil  zeigt. 


Afers-Thal 


St.  Peter  ip  Villnöss 


Rascbötz 


N. 


S. 


Querschnitt  durch  das  mittlere  VilhiSea  -Thal  bei  St.  Peter. 

a  =  Quarzphyilit;  6  =  Verrucano;  e  =  Qoarzporpbyr;  d  =  Grödener  Sandstein; 

e  =  Praeglacisles  Conglomerat. 

Die  Höhendifferenz  zwischen  der  unteren  Verrucano-  und 
Porphyrgrenze  diesseits  und  jenseits  der  Bruchlinie  beträgt  im  mitt- 
leren Villnöss  mindestens  800  Meter. 

Was  nun  das  zweite  in  der  Gegend  von  Klausen  in  durch- 
greifender Lagerung  auftretende  Eruptivgestein,  den  Melaphyr,  be- 
trifft, so  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  sich  die  Melaphyrgänge 
hauptsächlich  nordöstlich  von  Klausen  in  den  Umgebungen  von 
Theiss  finden,  während  der  Diorit  vorzugsweise  auf  die  nähere  Um- 
gebung  von  Klausen  beschränkt  ist.    Die  Verbreitungsgebiete  sind 


J 


124  ^'^  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

sonach  getrennt  und  berühren  sich  nur  an  der  Peripherie.  Der  Me- 
laphyr  (mit  Augitporphyr)  durchsetzt  alle  im  unteren  Villnöss-  vor- 
kommenden Schichtenreihen,  nach  v.  Richthofen  an  der  peri- 
pherischen Grenze  seiner  Verbreitung  auch  den  Diorit.  Er  gehört 
höchst  wahrscheinlich  der  Eruptionszeit  der  Fassaner  Melaphyre  an ; 
es  deutet  aber  nichts  auf  einen  ehemals  bestandenen  oberflächlichen 
Zusammenhang  mit  den  norischen  Laven  und  Tuffen  des  benach- 
barten Gröden  und  Enneberg,  welche  ausschliesslich  vom  oberen 
Fassa  herzurühren  scheinen. 

Die  meisten  Gänge  concentriren  sich  in  den  Porphyrsandsteinen 
der  Theisser  Kögel,  welche  die  Fundstätte  der  bekannten  ^Theisser 
Mugehi*  oder  Theisser  Achatmandeln  sind.  v.  Richthofen  hat  ge- 
zeigt, dass  die  Beschaffenheit  der  durchsetzten  und  durchsetzenden 
Gesteine  jene  eigenthümlichen  paragenetischen  Verhältnisse  ver- 
anlasst hat,  welche  den  Achatmandeln  von  Theiss  so  viel  Interesse 
geben.  Das  Vorkommen  von  schalenfonDigen  Absätzen  von  krystal- 
linischem  Quarz  ist  nicht  auf  Theiss  beschränkt,  sondern  scheint  in 
den  unteren,  breccien-  und  conglomeratartigen  Porphyrsandsteinen 
Südtirols  ziemlich  verbreitet  zu  sein.  Bereits  Trinker*)  erwähnt 
die  Ausscheidungen  von  Jaspis,  Calcedon,  Achat  in  den  Porphyr- 
breccien  des  Samthals,  der  Naifschlucht  bei  Meran,  von  Civezzano 
und  anderen  Orten.  Diese  Kieselabscheidungen  rühren  von  den  Zer- 
setzungsproducten  der  Porphyrsandsteine  her.  Die  eigentlichen 
Mandelsteine  sind  nach  v.  Richthofen  auf  die  den  Porphyrsand- 
stein durchsetzenden  Augitporphyrgänge  beschränkt.  Gewöhnlich 
sind  die  Wandungen  der  Mandeln  zunächst  von  den  infiltrirten 
Quarzabsätzen  der  Porphyrtuffe  ausgekleidet  und  erst  im  Inneren 
der  Mandeln  folgen  dann  die  Auslaugungsproducte  des  Augitporphyrs, 
(Zeolithe,  Datolith),  doch  gibt  es  bei  Theiss  auch  Mandeln,  welche 
ausschliesslich   von   den   Derivaten   des  Augitporphyrs   erfüllt   sind. 


3.  Das  Bozener  Quarzporphyr-Plateau. 

Die  folgenden  Bemerkungen  bezwecken  keineswegs  eine  nur 
halbwegs  erschöpfende  Darstellung  dieses  interessanten  Gebietes. 
Da  mir  eine  eingehende  Untersuchung  und  Kartirung  des  auf  meiner 
Karte  enthaltenen  Theiles  des  Bozener  Quarzporphyr-Plateau's  ferne 
lag,  so  versuchte  ich  durch  einige  Excursionen  mir  ein  Gesammtbild 
zu  verschaffen,  und  dabei  insbesondere  die  tektonischen  Verhält- 
nisse kennen  zu  lernen.  Für  einen  geologisch  gebildeten  Petrographen 


*)  Erläuterungen  zur  geognostischen  Karte  Tirols,  p.  63. 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  125 

liegt  hier  die  dankbare,  aber  zeitraubende  Aufgabe  vor,  die  ver- 
schiedenen klastischen  Bildungen  von  den  massigen  Gesteinen  zu 
trennen  und  die  verschiedenen  Ströme  des  massigen  Porphyrs  zu 
unterscheiden  und  zu  verfolgen.  Um  zu  wirklich  lohnenden  Ergeb- 
nissen zu  gelangen,  müsste  jedoch  die  Untersuchung  auch  über  das 
südliche  Quarzporphyr-Gebii^e  von  Fleims  und  Cembra  und  über 
die  Quarzporphyr-Schollen  von  Judicarien  und  Val  Trompia  aus- 
gedehnt werden.  Einige  der  wichtigsten  Abänderungen  des  Südtiroler 
Quarzporphyrs  sind  bereits  durch  v.  Richthofen,  Tschermak,^) 
C.  W.  C.  Fuchs**)  und  Gümbel***)  beschrieben  worden. 

Wie  bereits  die  Verfasser  der  vom  Tiroler  Verein  heraus- 
gegebenen Karte  richtig  erkannt  hatten,  f)  bildet,  im  Grossen  be- 
trachtet, der  Porphyr  ein  fortlaufendes  regelmässiges  Lager  zwischen 
dem  Thonglimmerschiefer  und  dem  rothen  Sandstein,  welches  sich 
in  tektonischer  Beziehung  genau  wie  ein  gewöhnliches  Sedimentär- 
gestein verhält.  Diese  Auffassung  ist  in  neuerer  Zeit,  hauptsächlich 
in  Folge  der  lichtvollen  Darstellungen  von  Suess,ff)  bei  unseren 
Geologen  die  herrschende  geworden.  Aber  gleichwol  erachtete  ich 
es  für  meine  Aufgabe,  die  verschiedenen,  theils  publicirten,  theils 
mir  durch  persönlichen  Verkehr  bekannt  gewordenen  Angaben  über 
das  gegenseitige  Durchsetzen  verschiedener  Porphyre  an  Ort  und 
Stelle  zu  prüfen. 

Ich  lernte  durch  diese  Untersuchung,  welche  mit  Bezug  auf 
das  behauptete  Durchsetzen  ein  völlig  negatives  Resultat  ergeben 
hatte,  sehr  interessante  tektonische  Verhältnisse  kennen,  welche  mir 
sonst  wol  unbekannt  geblieben  wären. 

Nach  den  bisherigen  Nachrichten  musste  man  sich  das  Quarz- 
porphyr-Plateau als  eine,  durch  keinerlei  tektonische  Störungen  be- 
unruhigte, ungebrochene  Platte  vorstellen,  welche  zwar  allerdings 
die  grossen  Biegungen  der  Unterläge  mitmache,  gegen  das  jüngere 
aufgesetzte  Gebirge  aber  sich  wie  eine  unebene,  hügelreiche  Grund- 
lage verhalte.  Dies  ist  nicht  richtig.  Das  Porphyrland  von  Bozen 
zeigt  den  tektonischen  Grundcharakter  aller  alpinen  Plateauland- 
schaften, es  ist  von  Verwerfungen  höherer  und  niederer  Ordnung 
durchzogen  und  besitzt  in  Folge  dessen  häufig  einen  treppenförmigen 
Aufbau.     Die  Oberfläche   des  Porphyrsystems   erscheint   mit  Bezug 


*)  Porph}Tgesteine  Oesterreichs. 
*♦)  Die  Umgebung  von  Meran.  N.  Jahrb.  v.  Leonhtrd  und  Geinitz,   1875. 
♦**)  Der  Pechsteinporphyr  in  Sodtirol.  Sitz.-Ber.  Manch.  Akad.  1876,  pag.  271. 
t)  Vgl.  Trinker,  Erläuterungen,  pag.  62. 

tt)  In  verschiedenen  neueren  Schriften,  insbesondere  in  „Aequivalente  des  Roth- 
liegenden in  den  SOdalpen",  Sitz.-Ber.  Wien.  Akad.,  1868,  und  „Entstehung  der  Alpen''. 


126  I^i^  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

auf  die  aufgelagerten  jüngeren  Bildungen  völlig  eben;  die  Annahme 
einer  bereits  zur  Bildungszeit  des  Grödener  Sandsteines  und  der 
Werfener  Schichten  contourirten  Oberfläche  entbehrt  der  Bestätigung 
durch  concludente  Thatsachen.  Die  heutige  Configuration  ist  das 
Prodiict  der  erst  viel  später  eingetretenen  tektonischen  Bewegungen, 
denen  Südtirol  seine  i^edenreiche  Anordnung  verdankt,  und  der  im 
grossen  Masstabe  wirksam  gewesenen  Denudation. 

Was  die  verticale  Gliederung  des  Porphyr^rslems  bei  Bozen 
betrifft,  so  ist  zunächst  zwischen  einem  unteren,  stellenweise  zu 
grosser  Mächtigkeit  anschwellenden  Complex  von  Conglomeraten, 
Sandsteinen,  Schiefem  und  dickschichtigen  Tuffen  und  einer  oberen 
aus   massigem  Porphyr  bestehenden  Abtheilung  zu   unterscheiden. 

An  der  Basis  der  unteren  Abtheilung  liegen  Conglomerate 
und  Breccien  mit  Einschlüssen  von  Porphyr,  Phyllit,  dioritischen  und 
aphanitischen  Gesteinen.  Aus  diesem  häufig  als  »Reibungsconglomerat* 
betrachteten  Gestein  entwickelt  sich  in  Villnöss  der  Verrucano, 
welcher  jedoch  auch  als  Zeitäquivalent  der  höheren  porphyrischen 
Glieder  angesehen  werden  muss.  Die  darüber  folgenden  massigen 
Gesteine  werden  in  der  Regel  als  Porphyr  angesprochen.  Sie  stehen 
mit  unzweifelhaften  Sandsteinen,  Schiefem  und  Porphyrconglomeraten 
in  Verbindung  und  machen  häufig  den  Eindruck  von  dickschichtigen 
Tuffen.  Sie  sind  leicht  kenntlich  an  den  grünen  Pinitoid-Einschlüssen. 
v.  Richthofen*s  Bozener  und  Blumauer  Porphyr  gehört  hierher. 
Man  trifft  häufig  abgerundete  Einschlüsse  von  Porphyren  in  diesen 
wie  zersetzt  aussehenden  Gesteinen.  Wo  die  Einschlüsse  sich 
häufen,  entwickeln  sich  förmliche  Conglomeratbänke.  In  zwischen- 
gelagerten Schieferlinsen  kommen  die  von  Gümbel  und  Pichler 
aus  der  Umgebung  von  Bozen  angeführten  Pflanzenreste  vor.  Die 
Schichtung  tritt  besonders  dort  deutlich  hervor,  wo,  wie  z.  B.  im 
Sam -Thal  Conglomerate  vorherrschen.  ImEisack-Thale  zwischen  Atz- 
wang  und  Waidbruck  bilden  rothe,  deutlich  klastische  wol  geschich- 
tete Sandsteine  den  oberen  Abschluss. 

lieber  diesem  System  breiten  sich  deckenartig  die  Ströme  des 
massigen  Porphyrs  aus.  Physiognomisch  charakterisiren  sich  die 
oberen  Porphyre  durch  die  tafelförmige  Abklüftung,  welche  häufig 
in  grossartigem  Massstabe  zu  beobachten  ist.  Wo  die  Tafeln  dünn 
genug  sind,  benützt  man  sie  als  BedachungsmateriaL 

Nördlich  von  Bozen  besitzen  die  oberen  Porphyre  keine  grosse 
Mächtigkeit.  Der  sogenannte  Castelruther  Porphyr,  welcher  hierher 
gehört,  scheint  in  der  Richtung  gegen  den  Raschötz  an  Mächtigkeit 
zuzunehmen.  Es  wäre  dies  ein  ganz  analoger  Fall,  wie  beim  Augit- 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  127 

porphyr  der  Seisser  Alpe,  welcher  ebenfalls  mit  seinem  dicken  Ende 
gegen  Norden  sieht 

Im  Süden  von  Bozen  wächst  die  Mächtigkeit  der  massigen 
Porphyre,  ob  auf  eigene  Rechnung  oder  auf  Kosten  des  unteren 
Tuifsystems  ist  noch  zu  ermitteln.  Wenn  man  die  Vesliältiiisse  xn 
den  südlichen  Porphyrgebirgen  mit  zu  Ratbe  zieht,  so  drängt  sich 
allerdings  die  Vermuthung  aii(  dass  die  unteren  Tuffe  gegen  Süden 
in  demselben  Masie  abnehmen^  wie  die  massigen  Gesteine  an- 
schwellen. Es  wäre  nun  von  Wichtigkeit  zu  wissen»  ob  sich  nicht 
von  Norden  gegen  Süden  eine  zonenförmige  Vertheilung  wenigstens 
einiger  Porphyrvarietäten  feststellen  lässt,  um  auf  diesem  Wege  Bei- 
träge zur  Entscheidung  der  Frage  zu  sammeln,  ob  die  Porphyrströme 
von  Süden  gegen  Norden  flössen? 

Gegen  den  auflagernden  Grödener  Sandstein  zu  finden  sich 
über  den  massigen  Porphyrdecken  dünnplattige  aus  Porphyrgrus 
gebildete  Sandsteine^  bezüglich  derer  man  häufig  im  Zweifel  ist,  ob 
man  sie  noch  dem  Porphyrsystem  zurechnen  oder  bereits  zum  Grö- 
dener Sandstein  stellen  soll.  Auf  den  Terrassen  des  Ritten  sind 
solche  Porphyrsandsteine  sehr  verbreitet.  Ich  habe  dieselben  auf 
meiner  Karte  vom  Porphyr  nicht  getrennt,  da  die  echten  Grödener 
Sandsteine  hier  nirgends  mehr  erhalten  sind.  Bei  Oberbozen  jedoch 
fand  Prof.  Suess,  wie  er  mir  freundlichst  mittheilte,  in  einem  kleinen 
Steinbruche  lichte  Sandsteine  mit  Malachitspuren  und  Coniferenzapfen. 
Diese  mögen  bereits  dem  Grödener  Sandsteine  zufallen.*) 

Eine  aus  dem  östlichen  Dolomitgebirge  des  Rosengarten  in 
das  Porphyrgebiet  herübersetzende  Störungslinie  verläuft  aus  dem 
Hintergfrunde  von  Tiers  bis  zum  Virgl  (Kalvarienberg^)  bei  Bozen 
und  trennt  das  Porphyrplateau,  soweit  dasselbe  hier  zur  Darstellung 
gelanget,  in  zwei  tektonisch  abweichend  angelegte  Gebiete. 

Im  Norden  von  dieser  Linie  laufen  mehrere,  untereinander  und 
mit  der  Eisackrinne  parallele  Verwerfungen  durch,  was  zur  Folge 
hat,  dass  die  Gebiete  im  Osten  und  Westen  des  Eisack  stufenförmig 
gegen  den  Fluss  zu  absinken.  In  dem  tiefst  gesunkenen  Terrain- 
streifen hat  der  Eisack  seine  Durchlassrinne  eingegraben.  Die  Fall- 
höhe ist  im  Westen  bedeutender  als  im  Osten.  Während  auf  dem 
östlichen  Plateau,  über  welchem  sich  die  Schlemmasse  erhebt,  die 
Auflagerung  des  Grödener  Sandsteines  auf  den  Porphyr  bei  ungefähr 

*)  Auf  dem  Pltteau  des  Saiten  zwischen  dem  Sarn-  und  dem  Etschthal  kommt 
Grödener  Sandstein  in  grösserer  Verbreitung  vor.  Nach  einer  gefftUigen  Mittheilung 
des  Herrn  Directors  P.  Vinc.  Gredler  in  Bozen  wftre  auf  dem  Rittener  Plateau  die 
Umgebung  von  Pemmern  auf  das  Vorkommen  von  Grödener  Sandstein  und  Wer^ 
fener  Schichten  zu  unteruschen. 


128  I^ic  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  de^  Hochgebirges, 

looo  Meter  Seehöhe  erfolget,  besitzt  der  gegen  Süden  abdachende 
Hauptrücken  des  Ritten  an  seinem  südlichen  Ende  im  Ortlerwalde 
noch  die  Höhe  von  1252  Meter,  ohne  von  Grödener  Sandstein 
überlagert  zu  sein. 

Obgleich  an  manchen  Stellen  die  terrassenförmigen  Vorsprünge 
des  Porphyrgebirges  mit  dem  Wechsel  der  Widerstandsfähigkeit  der 
Gesteinslagen  zusammenhängen,  sind  die  schönen,  reichbevölkerten 
Terrassen  am  Eisackgehänge  des  Ritten  durch  das  Absitzen  schmaler 
Terrainstreifen  an  Verwerfungslinien  entstanden.  Die  Ortschaften 
Unterinn,  Siiian,  Klobenstein,  Mittelberg,  Lengstein  stehen  auf  den 
oberen  dünnplattigen  Porphyrsandsteinen.  Eine  fortlaufende  Terrasse 
existirt  aber  gleichwol  nicht.  Es  treten  zu  den  Längsverwerfungen 
noch  zahlreiche  kleine  Quersprünge^  in  Folge  deren  das  ganze  Ge* 
biet  in  Schollen  verschiedener  Grösse  zerfällt  Man  kann  fast  mit 
Sicherheit  darauf  rechnen;  dass  die  zahlreichen,  im  Niveau  etwas 
verschiedenen  terrassenförmigen  Einbiegungen  von  den  oberen,  dünn- 
plattigen Porphyrsandsteinen  gebildet  werden,  während  die  Absätze 
zwischen  diesen  Terrassen  und  die  kleinen,  dazwischen  liegenden, 
bewaldeten  Kuppen  aus  dem  oberen  Porphyr  bestehen.  Auch  die 
Terrasse  bei  St  Verena,  welche  sich  etwa  400  Meter  über  dem 
Eisack  erhebt,  wird  von  den  oberen  Sandsteinen  gebildet,  das  west- 
lich von  ihr  bis  zu  1460  Meter  Seehöhe  (1000  Meter  über  dem 
Eisack)   aufsteigende  Grindleck  dagegen  besteht  blos   aus  Porphyr. 

Das  Porphyi^ehänge  am  linken  Eisackufer  zeigt  den  gleichen 
Bau.  Das  Vorhandensein  von  Störungen  wurde  hier  bereits  von  den 
älteren  Beobachtern  bemerkt,  aber  in  anderem  Sinne  aufgefasst 
V.  Richthofen,  welcher  zwar  häufig  von  dem  gegenseitigen  Durch- 
setzen der  verschiedenen  Porphyre  spricht,  fuhrt  ausser  den  als 
Reibungsconglomeraten  gedeuteten  Conglomeratbänken  blos  eine 
Eruptionsstelle  zur  Begründung  seiner  Anschauung  an.  Diese  Stelle 
ist  der  nächst  der  Tergoler  Brücke  (Torkele)  in  das  Eisack -Thal 
mündende  Puntscher  Graben  (oder  Puntscher  Kofel),  in  welchem  die 
Erscheinungen  an  der  Verwerfungslinie  allerdings  sehr  zur  Annahme 
eines  gangförmigen  Massendurchbruchs  einladen. 

Um  zu  einer  klaren  Vorstellung  zu  gelangen,  müssen  wir  etwas 
weiter  ausholen.  Wenn  man  das  linksseitige  Gehänge  zwischen 
Waidbruck  und  der  Tergoler  Brücke  betrachtet,  so  fallt  eine  fort- 
laufende von  Tagusens  über  Planitz  nach  Tiesens  ziehende  Terrasse 
auf  Dieser  Terrasse  entlang  läuft  eine  Verwerfung,  an  welcher  die 
ganze  äussere  Bergmasse  sammt  ihrer  Unterlage  abgesunken  ist 
An  der  Basis  der  äusseren  Scholle  ist  die  PhyUitunterlage  bis  zum 
Ausgange  des  Puntscher  Grabens  in  einem  schmalen  Streifen  entblösst 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  120 

Ueber  dem  Phyllit  folgen  die  Porphyrconglomerate  def  Trostburg, 
die  massigen  Tuff  bänke  mit  den  Pinitoid  -  Einschlüssen,  dann  ein 
grellrother  weithin  leuchtender  Streifen  von  Sandsteinen,  über 
welchem  sich  der  obere  Porphyr,  v.  Richthofen's  Castelruther 
Porphyr  erhebt.  Letzterer  bildet  zwischen  Planitz  und  dem  Puntscher 
Kofel  den  Rand  der  Terrasse,  weiter  nordöstlich  scheint  er  ab- 
getragen zu  sein.  Die  höhere  über  der  Terrasse  aufsteigende  Por- 
phyrmasse beginnt  mit  den  grellrothen  Porphyrsandsteinen,  auf 
welche  in  regelmässiger  Ueberlagerung  der  hier  stellenweise  als 
Pechsteinporphyr*)  ausgebildete  Castelruther  Porphyr  folgt.  Ein  süd- 
lich von  Planitz  gezogenes  Profil  zeigt  daher  eine  Wiederholung 
der  beiden  oberen  Glieder  des  Porphyrsystems. 


W.  /.:7>i^5;Ö:i>LL»U  O. 


Querschnitt  durch  das  linke  EisackgehXnffe,  nSrdlich  von  der  If Ondung  des  Puntscher  Kofels, 

unterhalb  Waidbruck. 

a  =  Quarzphyllit;  6=  Porphyrtuffe;  e  =  Porphyrsandsteine;  d  =  Castelruther  Porphyr. 


Im  Puntscher  Kofel  bricht  nun  der  Castelruther  Porphyr  der 
äusseren  Scholle  in  Folge  von  Abtragung  plözlich  ab  und  liegt 
weiterhin  im  Süden  die  untere  Schichtfolge  der  oberen  Scholle, 
allerdings  vielfach  durch  Schutt  überdeckt,  bis  zum  Phyllit  abwärts 
blos.  Wenn  man  daher  von  der  Tergoler  Brücke  aus  den  gewöhn- 
lichen, am  südlichen  Ufer  des  Puntscher  Grabens  führenden  Weg 
nach  Castelruth  einschlägt,  so  hat  man  zunächst  die  an  Breite  und 
Höhe  reducirte  untere  Scholle  zu  passiren,  welcher  auch  die  rothen 
Sandsteine  an  der  Mündung  des  Schwarz-Griesbaches  angehören. 
Hierauf  gelangt  man  in  den  Phyllit,  welcher  einen  schmalen  Streifen 
bildet.  Dann  fo^  bis  zur  Gabelung  des  Grabens  Schutt  und 
Vegetation.  Der  Hauptbach  fliesst  in  der  nördlicheren  Rinne,  der 
Castelruther  Porphyr  aber  setzt  in  dem  südlichen  kürzeren  Aste  fort. 
Der  Weg  fuhrt   anfangs   in    letzterem    steil   aufwärts   und   gelangt 


*)  Gümbers  Angabe    Ober    das   „gangartige  Durchsetzen*'    des  Pechstein- 
porphyrs  bedarf  weiterer  Erläuterung   und  Bestätigung.    Will  mit  dem  Ausdrucke 
„gangartig''   blos   gesagt   sein,    dass    das  Vorkommen    einem  Gange    ähnelt,   ohne 
wirklich  ein  Gang  zu  sein? 
MojsisovicB,  Dolomitriffe.  (^ 


IjO  ^'"  nördlichen  und  WMtlichen  Vorligen  des  Hochgebirges. 

bald  auf  den  Rücken  zwischen  den  beiden  Aesten.  Der  vordere, 
westliche  Theil  des  Rückens  besteht  aus  dem  Castelruther  Porphyr 
der  unteren  Scholle,  an  welchem  Im  Graben  die  grellrothen  Tuff- 
sandsteine der  oberen  Scholle  mit  etwas  nach  aufwärts  geschleppten 
Schichten  abstossen.  Wenn  man  nicht  die  Tektonik  der  ganzen 
Umgegend  kennt  und  sieht,  wie  hier  geschichtete  Bildungen  durch 
ein  massiges  Gestein  unterbrochen  werden,  liegt  die  Annahme  einer 
durchsetzenden  Lagerung  nahe,  obwol  die  Schleppung  der  Schichten 
sich  mit  einer  solchen  Annahme  nicht  gut  vereinen  lässt.  v.  Richt- 
hofen  dachte  sich  nun  consequent  einen  directen  Zusammenhang 
des  hier  abbrechenden  mit  dem  oben  deckenformig  ausgebreiteten 
Castelruther  Porphyr.  Es  wird  aber  nur  die  untere  Hälfte  der  rothen 
Tuffsandsteine  durch  den  vorgelagerten  Castelruther  Porphyr  ver- 
deckt und  die  obere  Hälfte  zieht  oberhalb  des  Castelruther  Porphyrs 
ungestört  durch.  Die  supponirte  Verbindung  zwischen  dem  unteren 
und  oberen  Porphyr  besteht  daher  nicht.  Die  Tuffsandsteine  streichen 
von  hier  als  Unterlage  des  oberen  Castelruther  Porphyrs  einerseits 
ungestört  nach  Tiesens,  andererseits  über  St.  Oswald  und  Droth 
gegen  Tursch  bei  Seiss,  wo  sie  auf  das  linke  Gehänge  des  Schwarz- 
Griesbaches  übersetzen. 


XuteDakIm  dir  Qcsand  iwiKban  dar  TarpilBr  BrUcka  und  dam  Caitdnithtt  Flatus. 

•  =  Qinnphyllil;      4=   Porpliyrluffe ;      c   =   Porphyrsindslein;      d  =    Casicirulher    Porphyr. 

Zur  Besprechung  der  südlichen  Hälfte  des  Bozen  er 
Quarzporphyr-Plateau  übergehend,  ist  es  zunächst  unsere  Auf- 
gabe, die  oben  erwähnte  durch  das  Tierserthal  bis  zum  Virgl  bei 
Bozen  verlaufende  Stürungslinie  zu  erurtem.  Eine  Eigenthümlichkeit 
des  Tierserthales,  welche  jedem  aufmerksamen  Beobachter  auffallen 
dürfte,    besteht   darin,    dass   die   beiden   aus   Porphyr   bestehenden 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  |-9x 

Thalwände  des  unteren  Thaies  eine  bedeutende  Höhendifferenz 
zeigen  und  dass  im  oberen  Theile  des  Thaies  die  jüngeren  Bildungen 
längs  der  nördlichen  Thalwand  allmählich  in  das  Niveau  der  Thal- 
sohle herabrücken,  während  das  Porphyrplateau  im  Süden  des  Thaies 
noch  stets  an  Höhe  zunimmt.  Da  im  Norden  wie  im  Süden  eine 
sehr  ruhige,  fast  flache  Lagerung  herrscht,  ist  die  Vermuthung 
naheliegend,  dass  hier  eine  grössere  Verwerfung  vorhanden  sei. 
Die  Betrachtung  der  jüngeren,  dem  Porphyr  aufgesetzten  Bildungen 
des  Rosengarten  lehrt  aber  sofort,  dass  die  oben  fast  horizontal 
lagernden  Schichten  plötzlich  unter  ziemlich  steilem  Winkel  um- 
biegen, gegen  Norden  in  die  Tiefe  setzen  und  sodann  auf  der  Nord- 
seite des  Tierserthaies  wieder  horizontal  weitersetzen.  Dies  ist  keine 
Verwerfung,  sondern  ein  Schichtenfall.  Im  Tierserthale  sind  es  wol 
hauptsächlich  die  oberen  Porphyre,  welche  die  Abdachung  gegen 
Norden  bilden.  Zwischen  Blumau  und  Bozen  jedoch  zieht  unter  den 
hohen  Abstürzen  des  südlichen  Porphyrplateaus  eine  stellenweise 
terrassirte  Lehne  hin,  welche  aus  den  ziemlich  steil  gegen  Norden 
einfallenden  Bänken  der  unteren  Abtheilung  des  Porphyrsystems 
besteht.  An  dieser  Lehne  hatte  in  Folge  der  steilen  Schichtstellung 
der  Wechsel  der  verschiedenen  Porphyrvarietäten  die  Veranlassung 
2ur  Annahme  von  Gängen  gegeben.  Bei  einer  mit  Herrn  Director 
Vinc.  G red  1er  ausgeführten  Excursion  gelang  es  uns,  auf  dem 
Wege  zum  Ebenhof  den  Parallelismus  zwischen  den  Trennungs- 
flächen der  verschiedenen  Porphyre  und  den  unzweideutigen  Schich- 
tungsflächen der  Conglomerate  nachzuweisen,  woraus  erhellt,  dass 
hier  ebenfalls  keine  Gänge  vorhanden  sind,  sondern  einfach  blos 
übereinander  gelagerte  dünne  Ströme.  In  gleicher  Schichtstellung 
kommen  auf  dem  Virgl  bei  Bozen  Zwischenlagerungen  von  schiefrigen 
.Sandsteinen  mit  Pflanzenresten  vor,,  welche  Gümbel  für  eingeklemmte 
Schollen  eines  bei  der  Porphyr-Eruption  durchbrochenen  Gebirges 
erklärt  hatte. 

Das  ausgedehnte  herrliche  Porphyrplateau  im  Südosten  von 
Bozen  scheint  bis  zu  der  von  der  Grimmalpe  nach  dem  Truden- 
thaie streichenden  Verwerfungslinie  eine  geschlossene,  von  irgendwie 
bemerkenswerthen  Störungen  verschont  gebliebene  Platte  zu  bilden, 
welcher  im  Osten  der  Rosengarten  und  im  Südosten  das  Latemar- 
gebirge  regelmässig  aufgesetzt  ist.  Zwei  grössere  Thalfurchen,  das 
von  Nachkommen  hessischer  Colonisten  bewohnte  Eggen-  (oder 
Kameider-)  Thal  und  das  Brandenthai  eröffnen  den  Zugang  zu  den 
ausgedehnten  Forsten,  welche  der  Pörphyrboden  trägt. 

Reconstruirt  man  sich  an  der  Hand  der  vorliegenden  Höhen- 
«coten  und  mit  Berücksichtigung  der  aufgelagerten  Denudationsrelicte 

9* 


132 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges* 


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FIeim»er-Thal  bei  Ctstello 


Veronza 


Solomba 

Sasso  roiso  bei  S.  Lugano 

M.  Tolargo 
Schwarzhorn 


Joch  Grimm 


Petersberg 


Brandenthai 


Breitenberg 

Süssengraben 

Rothenstein 


Titschen 

Kollern 
Virgl 

Eisack 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  15  j 

jüngerer  Bildungen  das  Bild  der  Porphyroberfläche,  wie  sich  das- 
selbe nach  Ausfüllung  der  durch  Erosion  entfernten  Massen  dar- 
stellen würde,  so  ergibt  sieh  für  das  Gebiet  des  Eggen-  und  Branden- 
thaies eine  flache  trogformige  Einbiegung,  deren  Tiefenlinie  von 
Ober-Eggenthal  nach  Deutschenofen  gerichtet  ist.  Im  Südwesten, 
vom  Weissenstein-Radeiner  Plateau  an,  taucht  die  Porphyrplatte 
allmählich  in  die  Tiefe,  so  dass  bei  Neumarkt,  dessen  Seehöhe  blos 
213  Meter  beträgt,  der  Porphyr  bereits  unter  der  Thalsohle  liegt. 
Nimmt  man  die  Höhe  der  Ueberlagerung  des  Porphyrs  durch  den 
Grödener  Sandstein  unter  dem  Joch  Grimm  mit  1800  Meter  an,  so 
ergibt  sich  eine  Fallhöhe  von  1600  Meter.  Dieser  Abfall  ist  die 
Fortsetzung  der  bedeutenden  Schichtsenkung  auf  dem  rechten  Etschufer 
zwischen  Neumarkt  und  Meran,  in  Folge  welcher  die  Hauptmasse 
des  Mendelgebirges  bereits  aus  Trias-Schichten  besteht.  Ohne  im 
Stande  zu  sein,  eine  bestimmte,  begründete  Ansicht  über  die  Natur 
dieser  Schichtsenkung,  welche  mit  der  Westgrenze  des  südtirolischen 
Hochlandes  zusammenfallt,  auszusprechen,  möchte  ich  doch  die  Ver- 
muthung  wagen,  dass  an  der  Stelle  des  heutigen  Etschthales  und 
der  Terrasse  von  Kaltem  ein  allmählicher  Schichtenfall  ähnlich  wie 
auf  der  Strecke  zwischen  dem  Weissensteiner  Plateau  und  Neumarkt 
existirte  und   durch    die  Ausfeilung  des  Etschthales  entfernt  wurde. 

Unsere  Karte  verzeichnet  auf  dem  Porphyrplateau  drei  grössere 
Reste  der  ehemaligen  allgemeinen  Sedimentbedeckung.  Eine  genauere 
Untersuchung  der  meist  waldbedeckten  Höhen  mag  vielleicht  zur 
Entdeckung  weiterer  Reste  von  geringer  Ausdehnung,  insbesondere 
zur  Auffindung  von  zerstreuten  Partien  von  Grödener  Sandstein  in 
dem  Grenzzuge  gegen  das  Tierserthal  und  in  den  Waldungen 
zwischen  dem  Joch  Grimm  und  dem  Reiterjoch  fuhren. 

Der  Grödener  Sandstein  dieser  Hochebenen  enthält  stellen- 
weise kleine  Kohlenlager  von  der  Stärke  einiger  Centimeter.  Die 
Bellerophon-Schichten  sind  durch  einige  dünne  Lagen  von  Gyps- 
mergeln  vertreten,  welche  östlich  von  Radein,  wo  die  Regierung  zu 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  ohne  Erfolg  auf  Steinsalz  schürfen 
Hess,  zu  etwas  grösserer  Mächtigkeit  anschwellen  dürften.  Ueber 
Werfener  Schichten  und  unterem  Muschelkalk  erhebt  sich  als  Gipfel- 
masse des  Joch  Grimm  oder  Weisshom  (2312  Meter)  weisser, 
diploporenfiihrender  Dolomit,  welchen  wir,  ebenso  wie  den  Dolomit 
des  Cislon,  für  den  Vertreter  des  oberen  Muschelkalks  und  der 
Buchensteiner  Schichten  halten. 

Der  Cislon,  dessen  östlichen  Theil  unsere  Karte  noch  dar- 
stellt, vermittelt  die  Verbindung  mit  dem  im  Westen  der  Etsch 
liegenden  Mendola-Zuge.     Er   liegt   auf  der   oben   erwähnten   nach 


Iß^  Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

Westen  gerichteten  Porphyr-Abdachung  und  zeigt  nach  seiner  geolo- 
gischen Zusammensetzung   eine   grosse  Uebereinstimmung   mit  dem 
Joch  Grimm.    Mit  Mühe  unterscheidet  man  zwischen  dem  pflanzen- 
führenden Grödener  Sandstein   und   den  Werfener  Schichten   einige 
schmale  Bänkchen   festen   grauen  Gypsmergels   und  gelben  dolomi- 
tischen Gesteins  mit  Resten  von  Zweischalem.    Wir  betrachten  die- 
selben als  die  auskeilende  Fortsetzung  der  gypsführenden  Schichten- 
reihe der  Bellerophon-Schichten.   Im  Westen  der  Etsch  sollen  diese 
Schichten  gänzlich   fehlen.    In   den  Werfener  Schichten  zeigen  sich 
auffallend  viele  rothe  Schiefer,   sodann  Oolithe   und  gelbe  dolomiti- 
sche Bänke,   in  Folge  dessen   der  Gesammthabitus  dieser  Schichten 
sich  etwas  von  dem  im  Osten   herrschenden  Aussehen  entfernt  und 
der  südlichen   (Recoaro)    und   westlichen   Ausbildung   nähert.     Der 
untere  Muschelkalk   ist   durch    die   in   diesem  Niveau   herrschenden 
Conglomerate   und   einige    diesen   folgende   Mergelbänke   vertreten. 
Die  in  steilen  Wänden  ansteigende,  das  Plateau  des  Cislon  bildende 
Dolomitmasse  zeigt  eine  Theilung  in  zwei  petrographisch  etwas  ab- 
weichende  Stufen.     Der   untere   Absatz   besteht   aus   dünnbankigen 
polyedrisch  bröckelnden   grauen  und   gelben   Dolomiten.     Auf  der 
Höhe  herrscht   sodann   weisser,   diploporenreicher  Dolomit,   welcher 
zahlreiche,  aber  meist  schlecht  erhaltene  Fossilien  umschliesst.    Am- 
moniten   sind   häufig,   aber  selten  in  bestimmbarem  Zustande.     Das 
Beste   was   ich   kenne,   sind   einige,   mir    theils   von   Prof.  Pichler, 
theils  von  Herrn  v.  Suttner   in  München   mitgetheilte  Formen  von 
Trachyceraten,   welche   bekannten  Muschelkalkformen   nahe   stehen, 
ohne   aber   mit   denselben   übereinzustimmen.     Da   die   bisher  noch 
ziemlich  artenarme  Cephalopoden-Fauna  der  Buchensteiner  Schichten 
eine  Anzahl  von  Formen  besitzt,  welche  sich  enge  an  Muschelkalk- 
arten anschliessen,  so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  cepha- 
lopodenfiihrenden   weissen  Dolomite   des  Cislon  dem  Horizonte  der 
Buchensteiner  Schichten  angehören.  An  höhere  Horizonte  wäre  kaum 
zu  denken,  eher  noch  auf  oberen  Muschelkalk.    Die  vorkommenden 
Arcesten  gehören   in   die  Gruppe  der   Extralabiati,   welche   in   den 
Buchensteiner  Schichten   sehr   häufig   sind.     Die  Gasteropoden   und 
Pelecypoden  geben  keinen  näheren  Aufschluss  zur  Orientirung  über 
das   Niveau.    Ein    von   Prof.   Pich  1er   gefundenes   Exemplar   einer 
Daonella  ist  zu  klein  und  unvollständig,  um  scharf  bestimmt  werden 
zu  können.     Es  gehört  der  Gruppe  der  D.  Lommeli  an.     Aehnliche 
nicht   näher  bestimmbare  Vorkommnisse  sind  mir  aus  den  Buchen- 
steiner Schichten   von  Sotchiada   in  Gröden   bekannt     Die  mit  den 
Ammoniten    des    Cislon     vorkommenden    Diplopora    ist    D.    multu 
serialis. 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  13 J 

Wenn  der  obere  Dolomit  des  Cislon  zu  den  Buchensteiner 
Schichten  gehört,  so  ist  es  das  Natürlichste,  den  unteren  Dolomit 
als  oberen  Muschelkalk  aufzufassen. 

Berdts  in  Truden  fallen  unter  den  zahlreichen,  theils  erratischen, 
theils  localen  Gerollen  Melaphyrstöcke  auf,  welche  sonst  dem  erra- 
tischen Schutte  der  Umgebung  fremd  sind.  In  den  Geröllhalden  des 
Cislon  gegen  das  Trudenthai  sind  Melaphyrblöcke  ebenfalls  nicht 
selten,  so  dass  man  sich  die  Frage  vorlegt,  ob  denn  nicht  in  der 
Nähe  Melaphyr  anstehen  könnte?  Diese  Vermuthung  erhebt  sich 
fast  zur  Gewissheit,  wenn  man  auf  dem  Plateau  des  Cislon,  süd- 
westlich vom  Gipfel  einen  Streifen  ganz  mit  Melaphyrblöcken  be- 
deckt sieht.  Das  kann  wol  nur  der  Kopf  eines  steil  aufsteigenden 
Melaphyrganges  sein. 

Das  Trudenthai  entspricht  einer  Verwerfung,  welche  über 
Kaltenbrunn  (Fontana  fredda)  auf  die  Einsattlung  der  Grimm-Alpe 
fortsetzt.  Wahrscheinlich  reicht  diese  Verwerfung  bis  an  die  nord- 
westliche Ecke  des  Latemargebirges,  denn  die  auffallend  tiefe  Lage 
der  Werfener  Schichten  u.  s.  f.  des  Rubelberges  lässt  mit  ziemlicher 
Sicherheit  auf  das  Vorhandensein  einer  plötzlichen  Niveau- Ver- 
schiebung am  Fusse  des  Latemar  schliessen.  In  entgegengesetzter 
Richtung  scheint  die  Fortsetzung  derselben  Verwerfung  in  südwest- 
licher, dann  südlicher  Richtung  die  Rolle  einer  Bruchlinie  zu  über- 
nehmen, welche  das  südtirolische  Hochland  im  Südwesten  begrenzt. 
Im  Trudenthai  und  auf  der  Einsattlung  der  Grimm- Alpe  schneiden 
die  tieferen  Glieder,  der  Grödener  Sandstein  und  die  untersten  Wer- 
fener Schichten  von  der  Nordseite  her  an  der  Verwerfung  ab*). 
Am  Südrande  steigt  der  Porphyr  rasch  an  und  bildet  zwischen  dem 
Passe  von  San  Lugano  und  dem  Sattel  Jöchel  einen  scharfgeschnittenen 
hohen  Bergrücken,  dessen  Culminationspunkte  das  Schwarzhom 
(2457  Meter)  und  der  Zangenberg  (Palla  di  Santa,  2488  Meter)  sind. 

Am  Südfusse  dieses  wasser-  und  sprachenscheidenden  Kammes 
laufen  ebenfalls  Verwerfungen  von  bedeutender  Sprunghöhe  durch. 
Eine  derselben  setzt  südlich  von  Stalla  della  Cugola  an  und  läuft, 
durch  einen  die  südliche  abgesunkene  Scholle  überlagernden  Streifen 
von  Grödener  Sandstein  und  Gypsen  bezeichnet,  über  den  Pass  von 
San  Lugano  und  die  Hemet-Alpe  nach  Truden,  wo  sie  mit  der  erst- 
genannten Verwerfungslinie  zusammentrifft.  Bereits  im  Gebiete  des 
oberen  Truden  erscheint,  dicht  an  den  Porphyr  der  vorderen  Scholle  an- 
gelehnt, eine  räumlich  sehr  beschränkte  Partie  von  Werfener  Schichten. 


*)  Auf  der  Karte  des  westlichen  SQdtiroI  von  R.  Lepsius  ist  die  Verwerfung 
im  Trudenthai  bereits  angedeutet. 


I^Ö  Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  de$  Hochgebirges. 


4.  Der  alte  Eisackgletscher. 

Wir  dürfen  dieses  Capitel  nicht  schliessen,  ohne  einige  Bemer- 
kungen über  die  allgemein  verbreiteten  älteren  Schuttmassen  bei- 
zufügen. In  den  hochgelegenen  Seitenthälem,  mit  welchen  wir  uns 
in  den  folgenden  Gapitehi  zumeist  zu  beschäftigen  haben  werden, 
sind  ältere  Schuttablagerungen  im  Allgemeinen  selten  und  in  hoch- 
gelegenen Gebieten  von  einförmiger  lithologischer  Beschaffenheit  ist 
es  schwierig,  in  vielen  Fällen  sogar  unmöglich,  den  älteren  Schutt 
vom  neueren  zu  unterscheiden.  Anders  verhält  es  sich  in 
den  grossen  Abzugsrinnen  der  Alpen,  welche  von  breiten  Streifen 
erratischer  Geschiebe  begleitet  sind.  Die  Thatsache  der  einstigen 
allgemeinen  Vergletscherung  der  Alpen  ist  bereits  so  fest  begründet, 
dass  die  Existenz  von  verschiedenartigen  Glacialspuren  im  Mittel- 
und  Unterlaufe  jedes  grossen  Alpenthales  als  eine  selbstverständ- 
liche Sache  angesehen  werden  kann.  Die  Aufgabe  der  nächsten 
Zeit  wird  es  sein,  dem  rühmlichen  Vorgehen  der  Schweizer  Geologen 
folgend,  schärfere  Unterscheidungen  innerhalb  der  erratischen  Bezirke 
der  Ostalpen  durchzuführen  und  insbesondere  die  verschiedenen 
Richtungen  der  Gletscherströme  in  der  Zeit  ihrer  grössten  Mächtig- 
keit und  in  der  Periode  ihres  allmählichen  Schwindens  zu  ermitteln. 
So  lässt  sich,  um  Beispiele  anzuführen,  leicht  nachweisen,  dass  die 
Gletscher  des  Pitzthales,  des  Oetzthales,  des  Zillerthales,  des  Enns- 
thales  zur  Zeit  der  grössten  Vergletscherung  des  Landes  selbständig 
über  niedrige  Quersättel  der  nördlichen  Kalkalpen  hinweg  setzten, 
und  nicht  den  Linien  der  grössten  Thaltiefen  folgten.  Erst  später, 
als  die  verschiedenen  localen  Zuflüsse  unabhängige  kleinere  Gletscher- 
ströme von  beschränkterer  Ausdehnung  geworden  waren,  lagerten 
sich  die  Schuttwälle  dieser  Localgletscher  innerhalb  der  orographi- 
schen  Grenzen  der  einzelnen  Thalsysteme  ab. 

Die  gleichen  Betrachtungen  und  Unterscheidungen  liessen  sich 
für  die  alten  Gletscherbette  unserer  Südalpen  durchfuhren.  Für  die 
Umgebungen  von  Bozen  liegen  in  dieser  Beziehung  bereits  sehr 
anerkennenswerthe  Vorstudien  von  Vinc.  Gredler*)  vor,  aufweiche 
wir  sofort  zurückkommen  werden. 

Wir  übergehen  die  zahllosen  Beispiele  von  Felsglättungen  und 
Felsrundungen  im  Bereiche  der  Ausdehnung  des  alten  Eisackgletschers. 
Jeder  Kundige  wird  diese  Art  der  Gletscherwirkung  an  den  Por- 
phyrfelsen der  Bozener  Gegend  sofort  wahrnehmen.    Wir  begnügen 

*)  Die  Urgletscher-Moränen  aus  dem  Eggenthaie.  Programm  des  Gymnasiums 
zu  Bozen.  1868. 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  137 

uns,  zunächst  die  Ostgrenze  der  Verbreitung  des  alten  Eisack- 
gletschers  zur  Zeit  seiner  grössten  Mächtigkeit  anzugeben.  In  Gröden 
fand  ich  Blöcke  des  Brixener  Granits  und  krystallinischen  Schiefer 
im  Kuetschenerthale  aufwärts  bis  zu  dem  20c»  Meter  hohen  Joche 
zwischen  Raschötz  und  Sotchiada  und  im  Hauptthale  oberhalb 
St.  Ulrich.  In  der  Pufelser  Schlucht  sah  ich  Granit-  und  Porphyr- 
blöcke im  Gebiete  des  Werfener  Schiefer.  Im  nordwestlichen  Theile 
der  Seisser  Alpe  begegneten  mir  Granitblöcke  auf  dem  Wege  von 
Seiss  zum  Frombach  in  der  Höhe  von  1800  Meter.  Zahlreiche 
Blöcke  von  Gesteinen  der  Central-Alpen  begleiten  sodann  den  West- 
fuss  des  Schiern  und  des  Rosengarten,  wo  ich  dieselben  bis  zum 
Caressa-Passe  in  Höhen  von  1700 — 1800  Meter  verfolgen  konnte. 
Die  Fortsetzung  dieser  Grenzlinie  umzieht  hierauf  den  Latemar- 
stock  und  läuft  über  den  Sattel  (2000  Meter)  zwischen  Joch  Grimm 
und  Schwarzhom  in  das  Trudenthai. 

Die  zahlreichen,  in  tieferen  Niveaux  und  innerhalb  der  an- 
gegebenen Umfassungslinie  des  grossen  alten  Eisackgletschers  vor- 
kommenden Moränen-Ablagerungen  bieten  der  Deutung  ungleich 
grössere  Schwierigkeiten  dar.  Man  muss  annehmen,  dass  eine 
Gletschermasse,  welche  zur  Zeit  ihrer  grössten  Mächtigkeit  in  der 
Dicke  von  1600 — 1700  Meter  über  dem  Boden  von  Bozen  hinweg- 
zog und  bis  in  die  oberitalienische  Ebene  hinausreichte,  nicht  plötz- 
lich verschwand,  sondern  nur  allmählich  in  verticaler  und  horizon- 
taler Richtung  verringert  wurde.  Diese  Erwägung  lehrt,  dass  dem 
allmählichen  Niedergange  der  Gletschermasse  Moränen- Ablagerungen 
in  stets  tieferen  Niveaux  entsprechen  müssen.  Je  tiefer  nun  die 
Hauptmasse  sank,  desto  grössere  Selbständigkeit  konnten, die  localen 
Zuflussgletscher  erlangen.  Endlich  musste  ein  Zeitpunkt  eintreten, 
wo  kein  Nachschub  von  Eis  mehr  aus  dem  nördlich  gelegenen 
Sammelbecken  des  Hauptgletschers  erfolgte  und  die  früheren  Zu- 
flüsse, sofern  dieselben  nicht  ebenfalls  versiegten  oder  auf  ein  Mini- 
mum reducirt  waren,  zu  selbständigen  Localgletschem  wurden. 

Welche  erratischen  Ablagerungen  des  Quarzporphyr-Plateau's 
entsprechen  nun  der  Rückzugsperiode  des  grossen  Eisackgletschers 
und  welche  sind  späteren  Localgletschem  zuzuschreiben.^  —  Die 
Beschaffenheit  des  Schuttes  müsste,  wie  man  denken  sollte,  darüber 
den  sichersten  Aufschluss  geben. 

Nun  fuhren,  wie  bereits  V.  Gredler  nachgewiesen  hat,  die 
stellenweise  ausgedehnten  und  mächtigen  Glacialbildungen  des 
Eggenthaies,  von  Steinegg,  Völs,  Unterinn,  Wolfsgruben,  Leng- 
moos u.  s.  f  neben  zahlreichen  Graniten,  Glimmerschiefem  und  Por- 
phyren,   auch  Triasdolomite   und   Augitporphyre.     Gredler  betont 


1^8  ^ic  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges. 

ausdrücklich,  dass  die  Augitporphyre  verschieden  seien  von  denen 
der  Seisser  Alpe  und  mehr  den  Ganggesteinen  des  Latemar-Gebirges 
ähnlich  sähen.  Für  einige  andere  seltenere  Einschlüsse  beansprucht 
er  ebenfalls  südlich  gelegene  Ursprungsstätten,  für  einige  sogar  die 
Provenienz  aus  dem  Avisiothal.  Dem  entsprechend  nimmt  Gr edler, 
welcher  in  einer  zweiten  Abhandlung  j^Ueber  den  Seisseralp-Gletscher* 
(Corresp.-Bl.  d.  zool.-min.  Ver.  in  Regensburg,  1873)  einige  Ausfuhrungen 
seiner  ersten  Arbeit  etwas  modificirt,  an,  dass  alle  die  genannten  Ab- 
lagerungen von  einem  nordwärts  wandernden  Eggenthaler  Gletscher,, 
mit  dem  sich  möglicherweise  Gletscherarme  des  Avisiogletschers  ver- 
einigt hätten,  abstammten.  Die  Granite  und  Glimmerschiefer  in  diesen 
Moränen  rührten  aus  der  Zeit  der  grössten  Vergletscherung  her  und 
befänden  sich  daher  auf  tertiärer  Lagerstätte. 

Gegen  diese  Hypothese  erheben  sich  einige  Bedenken,  welche 
kurz  angedeutet  werden  sollen.  Das  Avisiogebiet  wollen  wir  hierbei 
ganz  ausser  Betrachtung  lassen.  Der  wichtigste  Einwand  scheint 
mir  in  der  geringen  Höhendifferenz  zwischen  den  höchst  gelegenen 
Eggenthal-Moränen  und  der  oberen  Höhengrenze  des  Eisackgletschers 
zu  liegen.  Die  Moränen  von  Gummer  und  die  Ablagerungen  zwischen 
Oberbozen  und  Lengmoos  überschreiten  die  Höhe  von  i2CO  Meter 
und  liegen  daher  noch  immer  900  Meter  über  Bozen.  Bei  einer  so 
starken  Vergletscherung  ist  es  denn  doch  sehr  unwahrscheinlich, 
dass  der  Eisackgletscher  bereits  an  einer  nördlicher  gelegenen  Stelle 
geendet  habe.  Das  Sammelbecken  des  Eggenthal-Gletschers  erscheint 
auch  zu  beschränkt,  um  einen  Gletscher  von  solcher  Mächtigkeit 
erzeugen  zu  können.  Zu  weiteren  Bedenken  gibt  die  Beschaffenheit 
der  Moränen  Anlass.  Zugegeben,  dass  das  Moränenmaterial  der 
alten  Eisackmoränen  zum  Theile  in  die  Moränen  eines  Localgletschers 
übergehen  konnte,  würde  dies  doch  nur  local  und  in  beschränktem 
Masse  in  den  Seitenmoränen  der  Fall  gewesen  sein,  und  müssten 
die  Moränen  auch  vorwiegend  den  Charakter  von  Localmoränen 
tragen,  was  aber  nicht  der  Fall  ist.  Als  ich  zum  ersten  Male  auf 
dem  Plateau  nächst  Klobenstein  die  Dolomitgeschiebe  sah,  dachte 
ich  mir,  dass  dieselben  von  gegenwärtig  gänzlich  denudirten,  zur 
Eiszeit  aber  noch  vorhandenen  Resten  der  einstigen  Sediment- 
bedeckung des  Ritten  oder  der  benachbarten  nördlicheren  Gegenden 
herrühren.  Eben  daher  könnten  auch  die  übrigen  von  Gr  edler  an- 
geführten fremdartigen  Gesteine,  insbesondere  auch  die  Melaphyre 
stammen,  welche  vielleicht  in  den  Gebirgen  westlich  von  Klausen 
in  einigen  Gängen  auftreten. 

Nach  diesen  Bemerkungen  wären  die  auf  den  höheren  Plateaux 
gelegenen    Moränenreste     insgesammt     dem    alten    Eisackgletscher 


Die  nördlichen  und  westlichen  Vorlagen  des  Hochgebirges.  j^g 

zuzuschreiben.  Vermöge  des  zähen  bindigen  Cementes,  welcher  diesen 
Moränen  eigenthümlich  ist,  zeigt  sich  allenthalben,  wo  Entblössungen 
vorhanden  sind,  die  wolbekannte  Erscheinung  der  sogenannten  »Erd- 
pyramiden*, welche  in  den  Handbüchern  der  Geologie  von  St u der, 
Lyell  und  Fr.  v.  Hauer  beschrieben  ist.  Ausser  den  Erdpyramiden 
im  Finsterbache  nächst  Lengmoos  sind  noch  diejenigen  der  ^Wolfs- 
gruben* nächst  Oberbozen  und  von  Steinegg  bei  Blumau  hervor- 
zuheben.*) Meist  stehen  diese  Lehmthürme  in  parallelen  Reihen  auf 
den  Gehängen.  Die  Bildung  der  einzelnen  Pyramiden  erfolgt  be- 
kanntlich durch  die  Wirkung  der  senkrecht  auffallenden  Regen- 
tropfen; die  reihenweise  Anordnung  jedoch  ist  dem  erodirenden 
Einflüsse  des  abfliessenden  Regenwassers  zuzuschreiben. 

Auch  die  im  Grunde  der  Thäler,  theils  auf  älteren,  geschich- 
teten und  häufig  fest  conglomerirten  Anschwemmungen,  theis  direct 
auf  dem  Felsboden  lagernden  Moränenreste  scheinen  aus  der  Rück- 
zugsperiode des  alten  Eisackgletschers  herzurühren.  Jüngere  Local- 
gletscher  sind  daher  kaum  bis  in  diese  tief  gelegenen  Regionen 
vorgedrungen.  In  den  höheren  und  längeren  Seitenthälem  dagegen 
findet  man  (wie  z.  B.  in  Gröden)  localen  Gletscherschutt.  Die  grossen 
Steinmeere  am  Nordfusse  des  Latemar,  femer  am  Nordfusse  des 
Schiern  bei  Ratzes  und  am  Westfusse  des  Raschötz  bei  Pontifes  in 
Gröden  halte  ich  für  Bergstürze. 

Ueber  die  verschiedenen  Schuttablagerungen  im  Eisackthale  von 
Klausen  aufwärts  kann  ich  Näheres  nicht  berichten.  Die  grossen 
Schotterterrassen  nördlich  von  Brixen  sind  nach  dem  aus  ihrer 
topographischen  Lage  sich  ergebenden  Eindruck  als  praeglacialer 
Schuttkegel  der  Rienz,  welche  hier  in  ein  altes  Seebecken  einmün- 
dete, aufgefasst  worden.  Zwischen  Vahm  und  Franzensfeste  liegen, 
wie  es  scheint,  jüngere  Moränenwälle  auf  der  Schotterterrasse. 

Noch  wäre  hier  zu  constatiren,  dass,  wie  die  Lagerung  der 
praeglacialen  Anschwemmung  und  der  Moränen  lehrt,  die  Relief- 
formen der  Thäler  und  des  Mittelgebirges  keine  nennenswerthe  Ver- 
änderung seit  der  Glacialperiode  erfahren  haben.  Nur  wenige  Thal- 
strecken, wie  z.  B.  die  Ausgangsschluchten  der  Seitenthäler  (Villnöss, 
Gröden,  Tiers,  Eggen,  Branden)  und  der  Kuntersweg  zwischen 
Blumau  und  Klausen  sind  seither  tiefer  gelegt  worden  und  befinden 
sich  grossentheils  gegenwärtig  noch  im  Stadium  der  Vertiefung. 


'*')  In  einem  späteren  Capitel  werden  wir  Gelegenheit  haben,  aus  der  Gegend 
von  Agordo  schwarze,  aus  Augitporphyr-Detritus  gebildete  Erdpyramiden  zu  erwähnen. 


VI.  CAPITEL. 
Das  Gebirge  zwischen  Passa  und  Gröden. 

DieFassa-GrödenerTafelmasse.  -  Ucbersicht  derselben.  >  Das  Nordfiehinge  derselben  zwischen 
Ratzes  und  St.  Christina.  —  Die  ScisserAlpe.  -  Das  Dolomitriff  der  Schiern.  --  Das  Dolomitriff 
des  Rosengarten.    •»    Das  Südgehänge  der  Fassa-Grödener  Tafelmassc.    -    Das  Dolomitriff  des 

Langkofels.  -  Die  Masse  des  Gänsalpeis. 

Zwischen  den  Thälern  von  Fassa  und  Gröden  und  dem  Por- 
phyrplateau von  Bozen  erhebt  sich  eine  flachgelagerte  Gebirgsmasse, 
welche  im  Osten  durch  die  plateauförmige  Kalkgebirgsgruppe  der 
Boe  (Sella-Gruppe)  begrenzt  werden  kann.  Diese  Gebirgsmasse  zer- 
fallt in  Folge  der  heteropischen  Ausbildung  der  Sedimente  norischen 
Alters  in  zwei  grosse  nach  Gesteinsbeschaffenheit  und  Physiognomie 
wesentlich  abweichende  Theile.  Es  genügt,  die  jedem  Besucher  des 
südlichen  Tirols  geläufigen  Namen  Seisser  Alpe  und  Rosengarten 
zu  nennen,  um  die  Vorstellung  sehr  contrastirender  Gebirge  wach- 
zurufen. 

Den  westlichen  Theil  bildet  das  Schlem-Rosengarten-Dolomit- 
gebirge,  welches  vom  Caressa-Passe  im  Süden  bis  Ratzes  im  Norden 
das  Porphyrplateau  begleitet.  Dasselbe  ist  ein  Rest  der  grossen,  das 
Bozener  Porphyrplateau  einst  überspannenden  mächtigen  Dolomit- 
platte. Im  Norden,  auf  dem  Schiern  ist  die  plateauförmige  Anlage 
noch  deutlich  erkennbar  und  haben  sich  daselbst  auch  Reste  jüngerer 
Bildungen  erhalten.  Das  südlichere  Rosengarten-Gebirge  bietet  uns 
ein  grossartiges  Bild  der  zerstörenden  Arbeit  der  Denudation.  Die 
schützende  Decke  ist  längst  entfernt,  von  der  ehemaligen  Plateau- 
fläche ist  nichts  mehr  zu  erblicken.  Das  Werk  des  Zerfalls  schreitet 
vorzüglich  von  oben  nach  unten,  die  den  Dolomit  durchsetzenden 
Klüfle  unterstützen  die  Thätigkeit  des  Wassers  und  weisen  dem- 
selben seine  Wege.  So  erhebt  sich  über  einer  fast  söhlig  gelagerten 
Basis,  welche  einen  sicheren  Schluss  auf  die  ursprüngliche  Gestalt 
der  aufgesetzten  Masse  gestattet,  statt  einer  mit  senkrechten  Wänden 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  X4I 

abfallenden  Plateaumasse  ein  Wald  von  phantastisch  geformten  Pyra- 
miden und  Zacken,  welchen  die  Sage  als  den  ^^  Rosengarten  des 
Königs  Laurin*  bezeichnet 

Die  ausgedehnte  Plateaumasse  im  Osten  des  Schlem-Rosen- 
garten-Gebirges  gehört  zum  weitaus  grösseren  Theile  dem  Fassa- 
Grödener  Tuff-  und  Mergelbecken  an,  dessen  wichtigsten  Bestand- 
theil  sie  bildet.  Der  blendend  weisse  Dolomit  ist  durch  schwarze 
Eruptivgesteine,  dunkle  Mergel  und  Sandsteine  ersetzt  Ein  ununter- 
brochener Rasenteppich  überzieht  die  mit  unzähligen  Heustadeln 
übersäete,  wellige  Hochfläche,  deren  Höhenpunkte  das  Niveau  von 
2000  Meter  überschreiten,  in  den  Schluchten  und  auf  den  Gehängen 
dunkelt,  wo  die  Neigung  nicht  zu  stark  ist,  prächtiges  Nadelholz 
und  schroff  erheben  sich  mitten  auf  den  grünen  Matten  die  frei 
aufragenden  bleichen  Dolomitzacken  und  Pyramiden  des  Lang-  und 
Plattkofels  bis  zu  3179  Meter,  einem  versteinerten  Geisterspuke 
vergleichbar. 

Eine  orographische  CoUectivbezeichnung  für  diese  im  Osten 
durch  das  terrassenförmige  Sellagebirge  abgegrenzte  Tafelmasse 
existirt  nicht.  Man  könnte  sich  zwar  versucht  fühlen,  die  für  einen 
Theil  der  Plateaufläche  geltende  Bezeichnung  ^^Seisser  Alpe*  in 
ihrer  Bedeutung  zu  erweitem,  doch  würde  der  daraus  resultirende 
Doppelsinn  die  Präcision  der  Ausdrucksweise  beeinträchtigen,  da 
der  Volksmund  unter  ,Seisser  Alpe*  lediglich  die  grasbedeckte 
Oberfläche  des  nordwestlichen  Theiles  des  Massivs,  keineswegs  aber 
auch  die  Abstürze  und  Fussgestelle  desselben  versteht.  Wir  wählen 
daher  die  unverfängliche  und  Jedermann  leicht  verständliche  Be- 
zeichnung jFassa-Grödener  Tafelmasse*. 

Wer  vom  Süden  kommend  von  einem  erhöhten  Standpunkte 
aus  zum  ersten  Male  die  Fassa-Grödener  Tafelmasse  erblickt,  möchte 
vielleicht  ihre  orographische  Selbständigkeit  bezweifeln  und  es  vor- 
ziehen, die  Masse  zu  zerlegen  und  die  einzelnen  TheUe  als  unter- 
geordnete Glieder  der  benachbarten  höheren  Dolomitgebirge  zu 
betrachten.  Der  Eindruck  der  die  grüne  Tafelmasse  umfassenden  und 
unterbrechenden  kahlen  Dolomitriffe  ist  von  Süden  aus  ein  so 
mächtiger,  dass  die  weiten  Zwischenräume  nur  reicher  gegliederten 
Thalgründen  gleichen.  Die  wasserscheidende  Höhe  zwischen  dem 
Langkofel  und  der  Sellagruppe  bietet  vollständig  den  Anblick  eines 
Joches  und  wird  thatsächlich  auch  als  solches  (Sellajoch)  bezeichnet. 
Ebenso  könnte  man  den  Höhenzug  des  M.  Pallaccia  (»Auf  der 
Schneid*)  einem  weiten,  flachen  Passe  zwischen  dem  Plattkofel  und 
dem  Molignon  vergleichen.  Anders  im  Norden,  Dort  correspondirt 
mit    der    geologischen    Selbständigkeit    auch    eine   ausgesprochene 


IA2  ^^s  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

orographische  Individualisirung.  Der  westliche  Dolomitzug  findet  am 
Schiern  sein  Ende  und  die  Tafelmasse  springt  nun  als  ein  unab- 
hängiges Gebirge  frei  und  weit  nach  Norden  vor.  Von  Ratzes  bis 
St.  Michael  zieht  sich  ununterbrochen  der  Steilabfall  der  Plateau- 
masse hin,  welche  im  Puflatsch  mit  2174  Meter  Höhe  ihren  nord- 
westlichen Eckpfeiler  besitzt.  Die  Plateaufläche  dieses  frei  vorragen- 
den Theiles  gehört  zur  Seisser  Alpe,  welche  dieser  glücklichen  Lage 
den  ungehinderten  Ausblick  auf  die  hohe  gletscherbedeckte  Central- 
kette  von  der  Duxer-  bis  zur  Ortlergruppe  verdankt.  Vom  Puflatsch 
an  streicht  der  überhöhte,  durch  Erosionsrinnen  ausgezackte  Rand 
in  östlicher  Richtung  über  den  Pitzberg  zu  den  Christiner  Weiden 
und  der  Sorafrena- Ober -Alp  im  oberen  Gröden.  Die  Langkofel- 
masse,  welche  beiläufig  in  derselben  Breite,  wie  der  Schiern  im 
Norden  abbricht,  verhält  sich  auf  diese  Weise  zu  der  ihr  vor- 
gelagerten Terrasse  der  Christiner  Weiden  und  der  Sorafrena -Wie- 
sen ebenso  wie  der  Schiern  zum  Puflatsch.  Es  ist  daher  vollständig 
richtig  und  consequent,  dass  der  Volksmund  die  Bezeichnung  Seisser 
Alpe  auch  auf  die  eben  erwähnten  Terrassen  im  Norden  des  Lang- 
kofel ausdehnt,  trotzdem  der  tiefe  Einschnitt  des  Saltariabaches  sie 
von  der  Hauptfläche  der  Seisser  Alpe  scheidet. 

Der  Bau  und  die  Zusammensetzung  der  Fassa-Grödener  Tafel- 
masse sind  im  grossen  Ganzen  sehr  einfach  und  in  Folge  der  zahl- 
reichen leicht  zugänglichen  Aufschlüsse  auch  für  den  minder  Geübten 
leicht  erkennbar.  Die  kleinen  Störungen  am  Nord-  und  Südgehänge 
vermögen  die  Auffassung  des  Bauplanes  nicht  zu  erschweren.  Da- 
gegen bietet  die  Erkennung  der  wahren  Beziehungen  der  theils 
wirklich,  theils  nur  scheinbar  aufgesetzten  Langkofelmasse  nicht 
unerhebliche  Schwierigkeiten.  Tektonische  Störungen  und  Heteropis- 
mus  haben  hier  durch  vereinte  Wirkung  sehr  verwickelte  Verhältnisse 
erzeugt,  welche  erst  besprochen  werden  sollen,  nachdem  wir  die 
Beziehungen  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  zum  Schiern -Rosen- 
gartengebirge kennen  gelernt  haben  werden. 

Am  Aufbau  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  nehmen  folgende 
Schichtsysteme  und  Gesteine  Antheil: 

1.  Der  dunkle  Bellerophon -Kalk,  an  dessen  Basis  sich  sehr 
constant  Gyps  in  Linsen  und  in  dünnen  Schichten  findet; 

2.  der  aus  vorherrschend  kalkigen  und  mergeligen  Gesteins- 
platten bestehende  Werfener  Schiefer; 

3.  der  wenig  mächtige,  unten  aus  rothen  Schiefem,  Sandsteinen 
und  Kalkconglomeraten,  oben  aus  dünnplattigen  rauchgrauen  Kalken 
bestehende  untere  Muschelkalk. 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  j^^ 

Wo  diese  drei  Glieder  regelmässig  übereinander  folgen,  liegen 
sie  stets  in  demselben  Gehänge.  Die  Terrain- Configuration  ist  bei 
allen  dreien  im  wesentlichen  die  gleiche.  Da  sie  wegen  ihres  Thon- 
gehaltes  das  Wasser  ziemlich  fest  halten,  sind  sie  der  Vegetation 
günstig  und  meist  bewaldet.  Kleine  vorspringende  Terrassen  und 
felsige  Wandpartien  von  gelblicher  und  röthlicher  Farbe  unterbrechen 
stellenweise  nicht  selten  die  aus  Werfener  Schichten  gebildeten 
Gehänge. 

4.  Der  aus  lichtgrauem  splittrigem  Kalk  oder  weissem,  krystalli- 
nischem  Dolomit  bestehende  obere  Muschelkalk  (Mendola-Dolomit). 

Dieses  Glied  widersteht  in  Folge  des  geringen  Thongehaltes 
ausserordentlich  der  Verwitterung.  Deshalb  sieht  man  schon  aus 
grösserer  Ferne  die  felsige  massige  Bank  einem  lichten  Bande  gleich 
am  dunklen  Gehänge,   die  Vegetation  unterbrechend,   dahin  ziehen. 

5.  Die  Buchensteiner  Schichten  —  dunkle  ebenflächige  Kalk- 
platten von  sehr  geringer  Dicke,  sogenannte  Bänderkalke  unter  und 
über  einem  Complex  dickplattiger,  knolliger,  homsteinreicher  grauer 
Kalke.  Kieselmasse  durchdringt  häufig  auch  die  Bänderkalke.  Die 
in  anderen  Gegenden  mächtig  entwickelte  Pietra  verde  tritt  in  diesem 
Gebiete  sehr  zurück  und  bildet  nur  dünne,  sandsteinartige  Lagen 
von  lauchgrüner  Farbe  zwischen  den  Knollenkalken. 

Physiognomisch  verhalten  sich  die  Buchensteiner  Schichten  den 
Werfener  Schichten  sehr  ähnlich.  Da  sie  über  der  felsigen  weithin 
sichtbaren  Bank  des  Mendola  Dolomits  liegen,  so  sind  sie  jedoch 
leicht  auch  aus  grösserer  Entfernung  von  den  Werfener  Schichten 
zu  unterscheiden. 

6.  Die  Lavaströme  und  TuflTdecken  des  Augitporphyrs.  Einem 
sedimentären  Schichtensysteme  gleich  folgt  in  der  Fassa -Grödener 
Tafelmasse  über  den  Buchensteiner  Schichten  der  mächtige  Complex 
der  Augitporphyr-Gesteine.  Die  in  steilen  schwarzen  Wänden  an- 
steigenden Massen  bilden  im  Norden  wie  im  Süden,  wo  die  Tafel- 
masse frei  in  die  Tiefe  der  sie  begrenzenden  Thalfurchen  abfällt, 
mit  grosser  Regelmässigkeit  den  widerstandsfähigen  Rand  des  Pla- 
teau's.  Eine  Ausnahme  macht  in  Folge  tektonischer  Störungen  die 
Gegend  im  Süden  der  Langkofelmasse,  welcher  aus  diesem  Grunde 
auch  der  charakteristische  Steilabfall  der  Masse  und  die  scharfe 
Begrenzung  der  Hochebene  fehlt. 

7.  Die  Wengener  Schichten,  ein  mannigfacher  Complex  vor- 
herrschend sandsteinartiger,  aus  dem  Grus  des  Augitporphyrs 
gebildeter  Gesteine.  Die  dominirende  Felsart  ist  ein  wolgeschichteter 
mittelkörniger  dunkler  Sandstein,  welchen  die  älteren  Geologen  als 
,doleritischen  Sandstein*  bezeichneten.    Stellenweise  wird  das  Korn 


IAA  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

gröber,  so  dass  förmliche  Conglomerate  entstehen.  Diese  Modifica- 
tion  findet  sich  auf  der  Seisser  Alpe  nicht  selten,  kömmt  aber  in 
den  übrigen  Verbreitungsbezirken  der  Wengener  Schichten  nicht 
oder  höchstens  nur  in  sehr  beschränkter  Ausdehnung  vor.  Eine 
nicht  unwichtige  Bestandmasse  der  Wengener  Schichten  bilden 
dunkle,  zarte  Mergel,  welche  unter  dem  Einflüsse  der  Atmosphä- 
rilien ein  erdiges  Aussehen  annehmen.  Ein  durch  seine  Fossilfiihrung 
wichtiges,  aber  weder  mächtiges  noch  allgemein  verbreitetes  Gestein 
ist  ein  ebenfalls  dunkler,  ebenflächiger  Schiefer,  auf  welchen  ursprüng- 
lich die  Bezeichnung  , Wengener*  Schiefer  beschränkt  war. 

Diese  zum  Zerfall  geneigten  und  rasch  verbitternden  Schichten 
bilden  die  mattenbedeckte  Hochfläche  der  Seisser  Alpe.  Jüngere 
Sedimente  sind  nicht  vorhanden.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
waren  die  den  Wengener  Schichten  im  Alter  folgenden  Cassianer 
Schichten  im  Bereiche  der  Seisser  Alpe  in  derselben  Mergelfacies 
entwickelt,  wie  sie  in  der  Umgebung  von  St.  Cassian  vorkommen. 
Die  Denudation  hat  aber  alle  jüngeren  Formationen  bis  zum  Niveau 
der  Wengener  Schichten  gänzlich  entfernt. 

Seiner  tektonischen  Grundanlage  nach  stellt  sich  der  ganze 
westliche,  zwischen  Plattkofel  und  Schiern  gelegene  Theil  der  Fassa- 
Grödener  Tafelmasse  als  eine  flachbeckenförmige  Mulde  dar,  deren 
innerste  Beckenausfiillung  die  Wengener  Schichten  der  Seisser  Alpe 
bilden.  Die  plastischen  Verhältnisse  der  Tafelmasse  entsprechen 
genau  dieser  tektonischen  Anordnung  und  wären  ohne  dieselbe 
unverständlich.  Der  aus  dem  widerstandsfähigen  Augitporphyr  ge- 
bildete Rand  überhöht  nämlich,  wie  dies  besonders  in  der  frei  vor- 
ragenden nördlichen  Hälfte  sich  scharf  ausprägt,  die  aus  weicheren 
Gesteinsarten  (Wengener  Schichten)  zusammengesetzte  Plateaufläche^ 
so  dass  die  centralen  Theile  der  Tafelmasse  (die  eigentliche  Seisser 
Alpe)  tiefer  liegen  als  die  peripherischen.  Ohne  das  Vorhandensein 
tief  einschneidender  Erosionsrinnen  wäre  eine  solche  Ordnung  der 
Dinge  nicht  möglich.  Einzelne  Partien  der  Plateaux  sind  noch 
sumpfig  und  moorig  und  erst  bei  noch  weiterem  Fortschreiten  der 
Erosionsarbeit  wird  die  ganze  Hochfläche  trocken  gelegt  sein. 

Eine  nothwendige  Folge  der  zergliedernden  Thätigkeit  der 
Erosion  ist  die  bedeutende  und  ungleichmässige  Ausfranzung  des 
überhöhten  Randes  in  der  nördlichen  Hälfte  der  Plateaumasse. 
Darum  sehen  von  den  umliegenden  Thalpunkten  aus  die  Abfälle 
des  Massivs  wie  selbständige  Bergformen  aus  und  deshalb  bezeichnet 
der  Volksmund  dieselben  auch  mit  eigenen  Bergnamen  (Puflatsch, 
Pitzberg). 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  j^q 


X.  Nordgehänge  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  zwischen  Ratzes 

und  St.  Christina. 

Wir  haben  oben  bemerkt,  dass  der  Augitporphyr  den  über- 
höhten Rand  d^r  Tafelmasse  bildet.  Von  diesem  Rande  weg  fällt 
das  Gebirge  mit  steilgeneigten  Wänden  zu  Thal.  Die  Neigung  der 
Schichten  selbst  ist  sehr  sanft  und  im  Allgemeinen  gegen  Süden 
gerichtet.  Die  massig  gegen  Süden  abdachende  Augitporphyr-Tafel 
des  Puflatsch  kann  als  Mass  der  mittleren  Schichten -Neigung  be- 
trachtet werden.  Der  nördliche  Steilabfall  zeigt  daher  die  am 
Gehänge  fortlaufenden  und  trotz  der  Vegetation  leicht  mit  dem 
Auge  zu  verfolgenden  Schichtenköpfe.  Der  westliche  Abfall  zwischen 
der  Gegend  von  Castelruth  und  Ratzes  durchschneidet  die  gegen 
Süden  sich  allmählich  senkenden  Schichten.  An  dem  Aufbau  dieser 
Gehängwände  nehmen  alle  oben  erwähnten  Schichtenglieder  mit 
Ausnahme  der  Wengener  Schichten  (Nr.  7)  Theil. 

Zwischen  dem  westlichen  und  nördlichen  Abfall  zeigt  sich  ein 
bemerkenswerther  tektonischer  Unterschied.  Wenn  man  von  einem 
geeigneten  westlich  gelegenen  Standpunkte  das  Ansteigen  der  Mu- 
schelkalk- und  Buchensteiner  Schichten  in  der  Richtung  von  Ratzes 
gegen  den  Puflatsch  betrachtet,  so  gewinnt  man  den  Eindruck,  als 
ob  entsprechend  der  gewonnenen  Höhendifferenz  auch  tiefere  Schicht- 
glieder, als  die  genannten,  an  dem  Aufbau  des  nördlichen  Abfalls 
der  Tafelmasse  Theil  nehmen  müssten.  Dies  ist  nun  keineswegs 
der  Fall^  trotzdem  sich  in  den  Höhenverhältnissen  der  die  Unterlage 
bildenden  thalförmigen  Depression  zwischen  Seiss  und  St.  Ulrich 
keine  nennenswerthen  Unterschiede  zeigen.  Auf  dieser  ganzen 
Strecke  erfüllt  stets  der  Grödener  Sandstein  die,  einem  alten  er* 
loschenen  Thale  ähnelnde  rinnenförmige  Einsenkung  zwischen  dem 
überhöhten  Rande  des  Quarzporphyr  -  Plateau's  und  der  Fassa- 
Grödener  Tafelmasse.  Eine  nähere  Bekanntschaft  mit  dem  Nord- 
gehänge lehrt  nun,  dass  in  Folge  eines  dem  Streichen  der  Schichten 
parallel  verlaufenden  Bruches  auf  der  Strecke  zwischen  dem  Prem- 
bach  bei  Tinoseis  und  dem  Pitzbach  zwischen  St.  Ulrich  und  St. 
Christina  die  Reihenfolge  der  Schichten  eine  doppelte  ist.  Da  das 
Einfallen  der  Schichten  in  der  unteren  Scholle  kaum  von  dem  Nei- 
gungswinkel der  Schichten  der  höheren  Scholle  abweicht^  so  gewinnt 
es  für  die  oberflächliche  Betrachtung  den  Anschein,  als  ob  das 
ganze  Gehänge  aus  einer  ununterbrochenen,  concordanten  Schicht- 
folge zusammengesetzt  wäre.  Ist  man  aber  einmal  auf  das  Vorhan- 
densein der  Störung  aufmerksam  geworden,  so  fällt  es  nicht  schwer, 

Mojsisovics,  Dolomitriffc.  lo 


1^(5  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

die  Grenzlinie  zwischen  den  beiden  Schollen  von  den  benachbarten 
Thalpunkten  aus  mit  den  Augen  zu  verfolgen,  da  ein  terrassenartiges 
schmales  Gesimse  in  der  Regel  das  obere  Ende  der  unteren  Scholle 
andeutet.  Die  Natur  dieses  Bruches  wird  am  besten  durch  die 
Thatsache  illustrirt,  dass  die  obere  Scholle  als  die  Fortsetzung  des 
von  Ratzes  gegen  den  Puflatsch  sich  ziehenden  Hauptkörpers 
erscheint,  während  die  untere  Scholle  in  normalem  Schichten  ver- 
bände mit  dem  nördlich  anstossenden  aus  älteren  Gebirgsformationen 
gebildeten  Gebiete  steht.  Von  einem  blossen  Gehängbruche  kann 
daher  keine  Rede  sein,  sondern  es  muss  die  Verwerfung  auch  die 
unter  dem  Bellerophonkalke  liegenden  Bildungen  durchsetzen. 

Denkt  man  sich  die  untere,  gewissermassen  vorgelagerte  Scholle 
entfernt,  so  würden  wir  entsprechend  der  oben  ausgesprochenen 
Vorstellung  im  unteren  Theile  der  Pufelser  Schlucht  den  Bellerophon- 
kalk  vom  Grödener  Sandstein,  diesen  wieder  vom  Quarzporphyr 
unterteuft  sehen.  Wir  sind  daher  hier,  wie  in  so  vielen  anderen 
Fällen  im  Stande,  aus  dem  Verhalten  an  der  Oberfläche  auf  die 
Beschaffenheit  der  unzugänglichen  Tiefe  zu  schliessen  und  sehen 
die  in  dem  vorhergehenden  Capitel  mitgetheilten  Beobachtungen 
über  das  stufenförmige  Auf»  und  Absteigen  der  Porphyr-Terrassen 
unzweideutig  bestätigt. 

Betrachten  wir  zunächst  die  untere  Scholle.  Der  Lauf  des 
Prembaches  bei  Tinoseis  bezeichnet  ungefähr  ihr  deutlich  sichtbares 
westliches  Ende.  Es  ist  aber  nicht  wahrscheinlich,  dass  die  gerade 
hier  sehr  breite  Scholle  so  plötzlich,  gewissermassen  unter  einem 
rechten  Winkel  abbrechen  sollte.  Wir  dürfen  daher  wol  annehmen, 
dass  der  die  beiden  Schollen  trennende  Bruch  in  die  Werfener 
Schichten  des  Oberriedler  Waldes  fortsetzt  und  erst  in  denselben 
erlischt. 

Das  Heraustreten  der  unteren  Scholle  aus  dem  Gehänge  des 
Puflatsch  ist  vom  Castelruther  Plateau  aus  sehr  scharf  markirt. 
Deutlich  sieht  man  hoch  oben  unter  der  schwarzen  Platte  des  von 
Süden  her  auf  den  Puflatsch  ansteigenden  Augitporphyrs  die  Bu- 
chensteiner Schichten  und  die  dicke  Bank  des  oberen  Muschelkalks 
im  Oberlauf  des  Prembaches  plötzlich  hinter  der  Augitporphyrkuppe 
der  vorderen  Scholle  verschwinden  und  gewahrt  man  in  dieser  tief 
unter  dem  Niveau  der  südlichen  Schichten  und  weit  vor  dieselben 
gegen  Norden  vorspringend  wieder  den  oberen  Muschelkalk  und  die 
Buchensteiner  Schichten  als  normale  Unterlage  des  Augitporphyrs. 
Die  auf  der  Karte  mit  der  Höhencote  1851  versehene  Kuppe,  nord- 
westlich von  der  Spitze  des  Puflatsch  bezeichnet  den  höchsten  Punkt 
eines  grösseren,  der  unteren  Scholle  angehörigen  Fetzens  von  Augit- 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  \^ 

porphyr.  Sei  es,  dass  die  Buchensteiner  Schichten  der  eigentlichen 
Puflatsch- Masse  hier  vom  Augitporphyrschutt  des  Puflatsch  über- 
rollt sind,  oder  dass  der  Augitporphyr  der  unteren  Scholle  wirklich 
über  das  Niveau  der  Buchensteiner  Schichten  des  Puflatsch  hinaus- 
reicht, sieht  man  hier  den  Augitporphyr  der  unteren  Scholle  sich 
scheinbar  mit  dem  Augitporphyr  des  Puflatsch  zu  einer  Masse  ver- 
einigen. Jede  Möglichkeit  einer  falschen  Deutung  dieses  Vorkom- 
mens, etwa  als  eines  stockförmigen  Durchbruchs  des  Augitporphyrs, 
wird  durch  die  Verfolgung  der  unteren  Scholle  in  ihrem  Verlaufe 
gegen  Osten  ausgeschlossen.  Bereits  im  Norden  des  östlichsten  der 
drei  Puflatsch-Gipfel  sind  Augitporphyr  sowie  Buchensteiner  Schichten 
der  unteren  Scholle  durch  Denudation  entfernt  und  unter  der  unge- 
stört fortziehenden  Augitporphyr  Platte  des  Puflatsch  kommen  zu- 
nächst wieder  die  Buchensteiner  Schichten  und  der  Muschelkalk, 
später  aber  auch  die  Werfener  Schichten  und  gegen  Pufels  hin 
sogar  die  Bellerophon-Schichten  zum  Vorschein.  Darunter,  als  Hän- 
gendstes der  unteren  Scholle  sieht  man  nun  fast  stets  den  oberen 
Muschelkalk.  Die  Ortschaft  Pufels  steht  auf  einer  Abdachung  der 
unteren  Scholle. 

Wenn  man  von  Gröden  über  Runggaditsch  sich  in  die  Pufelser 
Schlucht  begibt,  durch  welche  der  Hauptweg  auf  die  Westhälfte 
der  Seisser  Alpe  fuhrt,  so  bleibt  man  fast  so  lange,  als  der  Weg 
in  der  Bachsohle  geht,  in  der  unteren  Scholle  und  erst  dort,  wo 
sich  der  Weg  nach  der  linken  Thalseite  in  die  Höhe  zieht,  um  sich 
mit  dem  von  Pufels  kommenden  Wege  zu  vereinigen,  betritt  man 
das  feste  Gebirge  der  Tafelmasse.  Am  Eingange  der  Pufelser 
Schlucht  sind  auf  der  linken  Thalseite  durch  eine  Abrutschung  die 
unteren  gypsfiihrenden  Bänke  der  Bellerophon- Schichten  entblösst, 
die  darüber  folgenden  fossilfiihrenden  Bänke  sind  grossentheils  durch 
Vegetation  verdeckt,  lassen  sich  aber  bis  zur  ersten  Mühle  thalauf- 
wärts  verfolgen.  Man  durchschreitet  hierauf  die  stets  sehr  fossil- 
reichen Werfener  Schichten  und  begegnet  sodann  der  felsigen  Kalk- 
bank des  oberen  Muschelkalks,  welche  oberhalb  dem  Dorfe 
Pufels  weiter  durchstreicht.  An  dieser  Stelle  sind  die  Schichten 
ausserordentlich  gestört.  Vorher  herrscht  sanftes  Südfallen,  das 
sich  auch  oberhalb  in  der  Hauptmasse  wieder  einstellt.  Hier  aber 
sieht  man  senkrecht  aufgerichtete,  überstürzte  und  geschleppte 
Schichten,  eine  schmale,  an  der  Bruchlinie  hinziehende  Zerplitterungs- 
zone,  gewissermassen  eine  klaffende  Spalte  mit  nachgestürzten  kleinen 
Schollen. 

Oestlich  von   der  Pufelser  Schlucht,   auf  dem   vom   Pitzberge 
herabziehenden  Rücken  findet   sich  auf  der  unteren  Scholle  noch  in 

10* 


hs 


Das  Gebirge  iwischen  Fasia  und  Grdden. 


iTI    I 


Grfidcner  Thal 


Gegend  von  Pufcli 


Wtslechänee  des  Piliberget 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  j^g 

geringer  Ausdehnung  Buchensteiner  Kalk  und  Augitporphyr.  Am 
Eingang  des  Pitzbachgrabens  bildet  steil  aufgerichteter  unterer 
•Muschelkalk  die  Grenze  gegen  die  viel  flacher  gelagerten  Belle- 
rophon-Schichten der  Hauptmasse.  Kurz  zuvor  auf  der  in  der  grossen 
Originalkarte  des  Generalstabes  mit  1517  Meter  bezeichneten  Höhe 
steht  noch  der  Dolomit  des  oberen  Muschelkalkes  an.  Die  Bruch- 
linie trifft  sodann  oberhalb  der  Mündung  des  Pitzbaches  das  Gröde- 
ner  Hauptthal  und  setzt  hierauf  im  Gebiete  der  am  rechten  Ufer 
des  Grödener  Baches  befindlichen  Werfener  Schichten  noch  eine 
Strecke  weit  fort,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  soll. 

Den  Fuss  der  Steilwand  der  unteren  Scholle  bilden  fast  durch- 
gängig die  dem  Grödener  Sandstein  aufgelagerten  Bellerophon- 
Schichten.  Nur  bei  den  zerstreuten  Gehöften  von  Runggaditsch  auf 
dem  Gehänge,  welches  zum  Sattel  gegen  St.  Michael  fuhrt,  greifen  die 
Bellerophon-Schichten   etwas  über  den  Steilrand  gegen  Norden  vor. 

Wir  gehen  zur  Betrachtung  der  oberen  Masse  über.  Der  be- 
kannteste Aufschluss  in  derselben  ist  die  bereits  genannte  Pufelser 
Schlucht,  welche,  nicht  mit  Unrecht,  als  das  Normalprofil  für  di^ 
Umgebung  gilt.  Es  liegen  denn  auch  bereits  mehrere  treffliche 
Schilderungen  derselben  von  Emmrich,  v.  Richthofen,  Stur  und 
G  um  bei  vor.  Wir  heben  deshalb  nur  die  wichtigsten  Thatsachen  hervor. 

Die  tiefste,  oberhalb  der  Bruchlinie  sichtbare  Schichtgruppe 
bilden  die  Bellerophon-Schichten,  deren  obere  aus  grauen  Foramini- 
feren-Kalken  und  dunklen  bituminösen  Bellerophon-Kalken  bestehende 
Abtheilung  hier  noch  eine  ziemlich  bedeutende  Mächtigkeit  besitzt. 
Charakteristisch  für  gewisse  Bänke  dieses  Complexes  sind  stylolithen- 
artige  Bildungen  auf  den  Schichtflächen.  Auch  findet  sich  ziemlich 
häufig  in  den  grauen  Kalken  Bleiglanz  in  dünnen  Adern.  Bellero- 
phonten  sind  hier  nicht  selten. 

Die  darüber  folgenden,  in  einer  steilen  Lehne  am  rechten  Bach- 
ufer prächtig  entblössten  Werfener  Schichten  enthalten,  wie  es  bei 
den  Werfener  Schichten  unseres  Gebietes  die  Regel  ist,  einen 
grossen  Reichthum  an  Versteinerungen,  insbesondere  Zweischalem, 
von  denen  die  einzelnen  Arten  für  sich  allein  oder  zu  zweien,  höch- 
stens dreien,  ganze  Bänke  erfüllen.  Die  schöne  Moftotis  Clarai  findet 
sich  hier  häufig  und  in  guter  Erhaltung.  Eine  rothe,  oolithische 
Kalkbank  mit  zahlreichen  zierlichen  Gasteropoden  trennt  die  tieferen 
C/rtra/'-Schichten  von  den  wenig  mächtigen  oberen  Schichten  mit 
Naticella  costata  und  Monotis  aurita.  Noch  an  der  Unterseite  jener 
rothen  Oolithbank  findet  sich  die  für  die  tieferen  Schichten  bezeich- 
nende Monotis  Clarai.  In  den  oberen  Schichten  herrscht  die  rothe 
Farbe  vor. 


ICQ  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Es  folgt  nun  rothes  Kalkconglomerat  und  über  diesem  dünn- 
bankiger ,  knolliger  y  grauer  Kalk  (vom  Aussehen  des  deutschen 
Wellenkalks),  welche  beide  wir  als  3^ unteren  Muschelkalk*  betrachten. 
Als  , oberer  Muschelkalk*  (Mendola-Dolomit)  sind  die  folgenden 
Bänke,  zu  unterst  dickbankige,  braune  Kalke,  sodann  dünnplattige, 
graue,  dolomitische  Kalke  und  zu  oberst  eine  massige  Bank  bräun- 
lichen Dolomits  aufzufassen. 

Die  den  Muschelkalk  überlagernden  Buchensteiner  Schichten 
sind  im  oberen  Theile  der  durch  die  harten  Kalkbänke  veranlassten 
Katarakte  gut  aufgeschlossen.  Sie  bestehen  hier  aus  dem  unteren 
Bänderkalk  mit  Daonella  elangata,  Posidonomyen,  Lingulen  und  Fisch- 
schuppen, aus  dem  grauen,  homsteinreichen  Knollenkalk  mit  zahl- 
reichen, aber  schlecht  erhaltenen  Ammoniten  (vielen  Arcesten,  beson- 
ders aus  der  Gruppe  der  Extralabiati ,  Trachyceras  Curionii  (?J, 
Trachyceras  cf.  Reitst)  und  dem  oberen  Bänderkalk.*)  Den  Knollen- 
kalken sind  zwei  Bänke  von  grünem  Tuff,  der  sogenannten  ,Pietra 
verde*,  welche  hier  in  der  Form  einer  grünen,  sandsteinartigen 
Masse  auftritt,  zwischengelagert.  Auch  zeigen  die  Kalke  auf  den 
Schichtflächen  nicht  selten  einen  grünen,  tufiahnlichen  Beschlag.  Die 
oberen  Bänderkalke  wechsellagem  mit  den  obersten  Knollenkalken. 
Die  unter  der  obersten  Knollenkalkbank  befindliche  Bank  ist  erfüllt 
von  den  Schalen  der  schönen  Daonella  Taramelliu  Seltener  finden 
sich  in  ihr  Ammoniten  (Arcesten,  Ptychites  sp,,  Megaphyllites  sp,,  Ly- 
toceras  cf,   Wengense)^ 

An  der  Basis  des  dem  oberen  Bänderkalk  auflagernden  Augit- 
porphyrs  kommt  hier  eine  eigenthümliche  Breccie,  etwa  einen  Meter 
stark,  vor,  welche  aus  Bruchstücken  verschiedener  Kalke  in  einer 
Grundmasse  von  dichtem  Augitporphyrtuff  besteht.  Derartige  Ge- 
steine finden  sich  im  Bereiche  der  Augitporphyrlaven  und  Tuffe 
nicht  selten  und  zwar  stets  in  nächster  Nachbarschaft  der  letzteren, 
entweder,  der  häufigere  Fall,  an  der  Basis  oder,  was  seltener  vor- 
kommt, in  Wechsellagerung.  Die  Analogie  mit  den,  an  den  Wan- 
dungen von  Gängen  vorkonunenden  Reibungsbreccien  ist  so  gross, 
dass  man  dieselben  geradezu  auch  als  Reibungsbreccien  be- 
zeichnete. Dieser  Sprachgebrauch  kann  indessen  nicht  gebilligt  werden. 
Die  in  Rede  stehenden  Breccien  erscheinen  nie  neben  solchen  Ge- 
steinen, deren  Trümmer  sie  enthalten,  was  doch  bei  wahren  Reibungs- 
bildungen der  Fall  sein  müsste.  Mit  unserer  Auffassung  der  vulcani- 
schen   Erscheinungen  im  südlichen  Tirol   Hesse   sich   ungezwungen 

*)  Bänderkaik  genannt,  weil  das  in  dQnne,  schiefrige  Platten  zerspaltende 
Gestein  im  Querschnitt  ein  gebftndertes  Aussehen  zeigt.  Kieselmasse  durchdringt 
sehr  häufig  diese  Gesteine. 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden«  j^I 

die  Annahme  vereinbaren,  dass  die  Bestandtheile  dieser  Breccien 
Auswürflinge  seien.  Die  Lagerung  an  der  Basis  der  mächtigen 
Lavadecken,  welche,  wie  erwähnt,  die  Regel  ist,  würde  vortrefflich 
zu  dieser  Annahme  passen,  da  es  unschwer  einzusehen  ist,  dass  der 
Beginn  der  vulcanischen  Thätigkeit  mit  der  Zersprengung  und 
Emportreibung  der  die  Eruptionsstellen  vorher  verschliessenden  Fels- 
massen eingeleitet  werden  musste.  Wie  die  nachfolgenden  Ergüsse 
der  flüssigen  Lava,  wäre  auch  der  Auswurf  des  zu  kleinen  Trümmern 
zersplitterten  Felspfropfen  untermeerisch  erfolgt  und  Meeresströmun- 
gen hätten  den  Transport  der  Auswürflinge  übernommen.  So  viel 
Bestechendes  diese  Anschauung  für  sich  hat,  scheint  mir  dieselbe 
doch  den  thatsächlichen  Verhältnissen  nicht  zu  entsprechen.  Wie 
namentlich  die  Aufschlüsse  an  der  Aussenfläche  des  im  elften  Capitel 
zu  schildernden  Camera-Riff*s  lehren,  stammen  die  Kalkeinschlüsse 
dieser  Breccien  von  den  Aussenseiten  der  Riffe  her,  wo  dieselben 
eine  Schuttzone  gebildet  haben  dürften,  welche  von  der  zähflüssigen 
Lava  aufgenommen  und  weiter  transportirt  wurde. 

Abweichend  von  dem  gewöhnlichen  Verhalten  der  Augit- 
porphyrlaven  in  Südtirol  tritt  uns  längs  des  Nordrandes  der  Fassa- 
Grödener  Tafelmasse  der  Augitporphyr  als  ein  mächtiges  Lager 
massigen,  compakten  Gesteins  entgegen.  Trotz  dieser  Ausnahms- 
stellung vermögen  wir  aber  nicht,  der  Ansicht  v.  Rieht  ho  fen's 
beizupflichten,  dass  hier  ein  Lagergang  vorhanden  sei.  Abgesehen 
von  allen  anderen  Bedenken  gegen  eine  solche  Auffassung,  müsste 
man  annehmen,  dass  die  Gegend  am  Nordrande  der  Fassa-Grödener 
Tafelmasse  nie  von  den  schichtenförmig  ausgebreiteten  Augitporphyi> 
laven  bedeckt  wurde,  dass  vielmehr  die  Wengener  Schichten  daselbst 
directe  über  den  Buchensteiner  Schichten  abgelagert  wurden.  Dies 
ist  aber,  wenn  man  iiie  Verbreitung  der  Augitporphyrlaven  betrachtet 
und  insbesondere  bei  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  zu  den  mäch- 
tigsten Anhäufungen  der  Augitporphyrlaven  im  hohen  Grade  un- 
wahrscheinlich. V.  Richthofe n  machte  hauptsächlich  zwei  Argumente 
für  seine  Auffassung  geltend:  Contacterscheinungen  und  ungleich- 
förmige Auflagerung  auf  der  Unterlage.  Die  Contacterscheinungen 
sollten  in  der  Verkieselung  nnd  Frittung  der  durchbrochenen  Schich- 
ten bestehen.  Die  Bänderkalke  der  Buchensteiner  Schichten  im 
Liegenden  zeigen  aber  stets  im  ganzen  Bereiche  ihrer  Erstreckung 
in  unserem  Gebiete  einen  hohen  Gehalt  an  Kieselmasse,  und  die- 
jenigen im  Liegenden  des  Augitporphyrlagers  der  Seisser  Alpe 
unterscheiden  sich  in  nichts  von  den  allgemein  verbreiteten  Vor- 
kommnissen. Im  Hangenden  des  Augitporphyrs  sieht  man,  insbe- 
sondere  nächst   dem  Ausgange   der  Pufelser  Schlucht  an  dem  zum 


iq2  ^^^  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Frombache    führenden    Hohlwege ,     feinblättrige    Daonellenschiefer 
in  Berührung  mit  dem  Eruptivgestein,  scheinbar  von  demselben  um- 
schlossen und  gehärtet.    Bei   näherer  Untersuchung  wird  man  aber 
bald  gewahr,   dass  der  Daonellenschiefer   einfach  den  Unebenheiten 
der  Oberfläche  des  Augitporphyrs   folgt  und  sich  denselben   genau 
anschmiegt.  In  solchen  ursprünglichen  Vertiefungen  sind  stellenweise 
schmale   Streifen   und   Schmitzen    des   Daonellenschiefers    von    der 
Denudation    verschont    geblieben    und     erscheinen    nun    wie    ein- 
geschlossene  Fragmente.     Schlägt   man   davon   Stücke  heraus,    so 
sieht  man  an  denselben,   wie  die  dünnen  Schieferlagen  sich  parallel 
den  welligen  Biegungen   der  Unterlage  verhalten.    Was  die  schein- 
bare  Härtung   dieser   Schieferfetzen    betrifft,    so   überschreitet    die 
Härte  durchaus  nicht  den  bei  vielen  feinkörnigen,   aus  vulcanischem 
Detritus  gebildeten  Gesteinen  vorkommenden  Härtegrad.   Von  wirk- 
lichen Umwandlungserscheinungen,   wie   etwa  an  den  Contactstellen 
von  Fassa   und  Fleims   ist   aber   nirgends   etwas   zu   bemerken.   — 
Die    ungleichförmige    Auflagerung    des   Augitporphyrs    auf  seiner 
Unterlage   kann,   wie   bereits   Emmrich   betonte,   in   keiner  Weise 
befremden,     abgesehen    davon,     dass    die    vorhandenen    Unregel- 
mässigkeiten  sich   innerhalb   sehr    bescheidener   Grenzen   bewegen. 
Bemerken   wir   noch,   dass   sich   das  Augitporphyrlager   nur  bis  an 
die  Dolomitwand  des  Schiern,   mithin,   wie  wir  sehen  werden,   con- 
form   den   liegenden   und   hangenden  Schichten   bis   an   die  Grenze 
abweichender  Entwicklung  der  Schichtgesteine  erstreckt,  keineswegs 
aber  in  die  Dolomitmasse  eindringt,   so  haben  wir  die  wesentlichen 
Einwände   gegen   die  Gangnatur   des  Augitporphyrlagers  erschöpft. 
Dieses  Augitporphyrlager*),  dessen  Abbruche  durch  die  scharfen, 
eckigen  Contouren  und  die  pfeilerartige  Abklüflung  physiognomisch 
sehr   an   den   tiefer   liegenden  Quarzporphyr  erinnern,   erscheint  an 
vielen  Stellen  durch  eine  den  Schichtungsflächen  der  liegenden  Ge- 
steine  parallele   Trennungsfläche   in   zwei,    beiläufig    gleich    starke 
Bänke   getheilt.     Die   untere   dieser   Bänke   zeigt   an   vielen  Stellen 
ausgezeichnete  Contractionsformen.     In  der  Pufelser  Schlucht,  bevor 
der  Weg  vom  linken  auf  das  rechte  Bachufer  übersetzt,  findet  sich 
eine   Stelle   mit   prachtvoll  ausgebildeter  strahlenförmiger   Absonde- 
rung, einem  riesigen  Fächer  vergleichbar.  Femer  zieht  sich  aus  der 
Pufelser  Schlucht  eine  mächtige    Zone    prismatischer    Säulen  unter 
den  Wänden  des  Puflatsch  durch.     Man    fühlt    sich    in    ein    Basalt- 


♦)  Nach  P.  Vinc.  Gredler  (Corr.-BI.  des  zool.-min.  Ver.  in  Regensburg, 
XXVIl.  Bd.,  pag,  i3)  betrögt  die  durch  den  eisenhaltigen,  polarisch-magnetischen 
Augitporphyr  bewirkte  Ablenkung  der  Magnetnadel  auf  dem  Scheitel  des  Puflatsch 
13**  gegen  Osten. 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  IC3 

Territorium  versetzt.  Ebenso  schöne  Säulen  sieht  man  in  der  Schlucht 
bei  Ratzes.  Zahlreich  liegen  solche  Augitporphyrsäulen  unten  in 
dem  Bergsturze  bei  Ratzes  und  Seiss ,  man  kann  sie  auf  dem  von 
Seiss  nach  Völs  führenden  Wege,  in  der  Gegend  unterhalb  der 
Ruinen  Salegg  und  Hauenstein  kaum  übersehen.  Sie  stammen  wol 
von  dem  Gehänge  südöstlich  von  Ratzes. 

Von  der  Pufelser  Schlucht  gegen  Osten  bis  St.  Christina  herr- 
schen im  wesentlichen  die  gleichen  Verhältnisse,  wie  in  der  oberen 
Hälfte  der  Pufelser  Schlucht.  Im  Fitzbache  gesellen  sich  zu  den 
rothen  Conglomeraten  des  unteren  Muschelkalks  noch  rothe  dolo- 
mitische Mergel,  in  denen  man  nach  den  Cephalopoden  von  Val 
Infema  (Zoldo)  sucht.  Der  obere  Muschelkalk  ist  mächtiger,  als  in 
der  Pufelser  Schlucht.  Er  erscheint  als  weisser,  zuckerkömiger  Do- 
lomit. Mit  den  gleichen  Charakteren,  aber  stets  zunehmender  Mäch- 
tigkeit zieht  der  obere  Muschelkalk  in  die  Saltaria- Schlucht,  wo  er 
mindestens  die  dreifache  Stärke  gegenüber  der  Pufelser  Schlucht 
zeigt.  Die  tuffige  Kalkbreccie  wurde  hier  nirgends  beobachtet.  Der 
Augitporphyr  ist  allenthalben  reich  an  Mandelsteinen  und  schönen 
Heulanditen.  In  der  Saltaria -Schlucht  beginnen  über  dem  massigen 
Augitporphyr  bereits  Augitporphyr-Conglomerate  und  concentrisch 
schalig  sich  ablösende  Tuffe  (Kugeltuffe)  zu  erscheinen.  Näxrhst  der 
vom  linken  auf  das  rechte  Ufer  führenden  Brücke  läuft  am  linken 
Gehänge  eine  Verwerfung  durch,  in  Folge  welcher  sich  über  dem 
Augitporphyr  neuerdings  eine  Zone  von  Buchensteiner  Schichten 
und  Augitporphyr  erhebt. 

In  Folge  einer  geringen  allgemeinen  Neigung  der  Schichten  gegen 
Osten  und  in  Folge  der  starken  Erhebung  des  Grödener  Thaies 
erreichen  die  Bellerophon-Schichten  oberhalb  der  Mündung  des  Pitz- 
baches  die  Thalsohle  und  von  da  an  aufwärts  gelangen  fortwährend 
jüngere  Schichten  zur  Thalsohle.  Bei  St.  Christina  setzt  bereits  der 
Dolomit  des  oberen  Muschelkalks  über  das  Thal,  und  demselben 
folgen    alsbald  die  Buchensteiner  Schichten  und  der  Augitporphyr. 

Auch  im  Westen  der  Pufelser  Schlucht  bis  zur  Schlucht  bei 
Ratzes  bleiben  die  Verhältnisse  im  wesentlichen  die  gleichen,  wie 
in  der  Pufelser  Schlucht.  Indessen  stellt  sich  doch  eine  fiir  das  Ver- 
ständniss  der  heteropischen  Bildungen  höchst  wichtige  Aenderung 
im  Complexe  der  Buchensteiner  Schichten  ein.  Bereits  an  dem  von 
Seiss  längs  des  Frombaches  auf  die  Seisser  Alpe  führenden  Wege 
sieht  man  den  Buchensteiner  Schichten  zwei  starke  Bänke  weissen 
Dolomits  regelmässig  eingelagert,  welche  gegen  Norden  unter  dem 
Puflatsch  hin  weiterstreichen  und  daselbst  auskeilen.  Dieselben 
beiden  Dolomitbänke  sind  in  der  Fretschbach- Schlucht  bei  Ratzes 


ic^  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

in  verstärkter  Mächtigkeit  wieder  zu  sehen.  Das  in  dieser  Schlucht 
entblösste  Profil  zeigt  zunächst  am  Eingange  oberhalb  Ratzes  über 
den  Werfener  Schichten  das  bunte  Conglomerat  des  unteren  Muschel- 
kalkes, 6  Meter  mächtig,  dacüber  rothen  Dolomit  des  unteren  Muschel- 
kalkes, 15  Meter  mächtig,  etliche  Bänk^  grauen  bituminösen 
Kalkes,  welchen  die  sogenannte  , Schwefelquelle*  von  Ratzes  ent- 
quillt, sodann  am  Beginne  der  Steilwand  weissen  und  grauen  Dolo- 
mit des  oberen  Muschelkalkes  (Mendola-Dolomit),  hierauf  die  ihrer 
Hauptmasse  nach  bereits  aus  Dolomit  bestehenden  Buchensteiner 
Schichten.  Die  untere  Dolomitbank  ist  blos  durch  i  Meter  mächtigen 
Bänderkalk  mit  Pietra  verde  vom  Dolomit  des  oberen  Muschel- 
kalkes gesondert;  etwas  grössere  Mächtigkeit  zeigen  die  zwischen 
den  Dolomitbänken  eingelagerten  Knollenkalke,  die  obersten  Bänder- 
kalke dagegen,  welche  durch  den  unmittelbar  darauf  folgenden 
Aug^tporphyr  stellenweise  vergypst  sind,  besitzen  höchstens  die 
Stärke  von  35  Centimeter. 

Verfolgt  man  dem  Laufe  des  Fretsch-  (oder  Cipit-)  Baches 
aufwärts  dieses  Profil  bis  zur  Kante  des  Hochthaies  von  Cipit,  so 
bleibt  man  stets  im  Gebiete  des  Augitporphyrs.  Die  untere  Masse 
zeigt,  wie  schon  erwähnt  wurde,  ausgezeichnete  säulenförmige  Ab- 
sonderung. Am  linken  Ufer  des  Baches  kommt  an  der  Grenze  des 
Augitporphyrs  gegen  den  Buchensteiner  Kalk  eine  stark  zersetzte 
gelbe  Masse  vor,  aus  welcher  die  j^Eisenquelle*  von  Ratzes  (mit 
Eisenvitriol  und  Alaun)  entspringt.  Ueber  den  massigen  Augit- 
porphyren  folgen  grobe  Augitporphyr  -  Conglomerate ,  Kugeltuffe 
und  dünnbankige  Ströme,  wie  im  Süden  der  Fassa- Grödener  Tafel- 
masse. Der  Compiex  ist  zu  viel  grösserer  Mächtigkeit  angewachsen 
und  reicht  wahrscheinlich  viel  höher  in  die  Bildungszeit  der  Wengener 
Schichten  hinauf,  als  die  Augitporphyr-Tafel  des  Puflatsch  und  des 
Pitzberges.  Dafür  scheint  auch  eine  Einschaltung  von  dünngeschich- 
teten sedimentären  Bänken  zu  sprechen,  we]che  ich  von  einem 
Standpunkte  auf  dem  rechten  Bachufer  aus  auf  der  linken  Thalseite 
zu  erkennen  meinte. 


2.  Die  Seisser  Alpe. 

Ein  tief  in  die  Hochfläche  eingeschnittenes  Thal  —  Saltaria  — , 
welches  die  Abflussrinne  für  den  ganzen  Süden  und  Osten  (excl. 
Christiner  Weiden)  bildet,  zerlegt  die  Seisser  Alpe  diagonal  in  zwei 
ihrer  Bodenbeschafl*enheit  nach  wesentlich  verschiedene  Theile.  Am 
rechten  Saltaria-Gehänge  herrschen  vorwiegend  die  Augitporphyr- 
laven,    welche   gegen   Süden   allmählich   ansteigend   den   südlichen 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  ler 

Gegenflügel  der  Mulde  der  Seisser  Alpe  bilden,  deren  nördlichen 
Flügel  wir  soeben  kennen  gelernt  haben.  Die  Ausfüllung  dieses 
tellerförmigen  Beckens  bilden  die  Wengener  Schichten,  welche  den 
grössten  Theil  der  Oberfläche  der  Seisser  Alpe  im  Westen  und 
Nordwesten  des  Saltaria  -  Thaies  bedecken  und  auch  den  wasser- 
scheidenden Höhenrücken  zwischen  Saltaria  einerseits,  Pitzbach, 
Puflerbach,  Frombach  und  Fretschbach  andererseits  zusammensetzen. 

Entsprechend  diesem  einfachen  Bauplane  sieht  man  allerorts 
die  Wengener  Schichten  vom  Rande  gegen  das  Innere  der  Mulde 
einfallend,  in  der  Mitte  derselben  aber  schwebend.  Die  tiefsten 
Schiebten  längs  dem  Nordrande  bilden  die  feinblättrigen  Daonellen- 
schiefer,  welche  unmittelbar  dem  Augitporphyr  auflagern.  Man 
findet  dieselben  in  guten  Aufschlüssen  am  Pitzbache,  südlich  von 
Sgagul,  nächst  dem  oberen  Ausgange  der  Pufelser  Schlucht  und  am 
Frombach.  Fossilien  sind  nicht  selten,  doch, zeichnen  sich  einige, 
petrographisch  nicht  unterscheidbare  Bänke  durch  ihre  Fossilarmuth 
sehr  unvortheilhafl  vor  anderen  Bänken  aus,  welche  mit  Daonellen 
ganz  erfüllt  sind.  Die  häufigsten  Formen  sind  Daonella  Lommeli, 
welche  ich  wol  in  höheren,  nie  aber  in  tieferen  Bänken  gefunden 
habe^   Posidotunnya   Wengensis,  Lytoceras   Wengense. 

Ueber  den  Daonellenschiefern  und  mit  diesen  theilweise  noch 
wechsellagemd  erscheinen  TufTsandsteine  mit  Einlagerungen  von 
kalkigen,  zu  Schollen  zerfallenden  Bänken,  deren  organische  Ein- 
schlüsse (Cidariten,  Crinoiden,  Brachiopoden,  selten  Korallen)  Anlass 
zur  Verwechslung  mit  den  Cassianer  Schichten  gaben.  Am  Pitzbache 
erscheinen  in  Begleitung  dieser  Kalkbänke  häufig  Schiefer  mit  Posi- 
donomya    Wengensis  und   Daonella   Lommeli'*^),     Die   TufTsandsteine 

*)  An  dieser  Stelle,  sowie  noch  an  einigen  anderen  Punkten  SQdtirols  im 
Bereiche  der  Wengener  und  Cassianer  Schichten,  kommen  örtlich  beschränkt 
zwischen  den  Schichtflachen  bis  3o  Mm.  starke  Platten  von  faserigem,  schmutzig- 
weissem  Aragonitsinter  vor.  Die  Bildungsverhaltnisse  desselben  müssen  ausserordent- 
lich regelmässig  und  ruhig  gewesen  sein,  denn  die  Unterseite  der  Aragonitplatten 
coplrt  in  getreuer  Weise  die  Rauhigkeiten  und  Zufälligkeiten  der  unteren  Fläche 
der  Hangendschicht.  So  trifft  man  nicht  selten  von  Daonellen  förmliche  AbgQsse 
und  Modelle  im  Aragonit.  Ich  besitze  vom  Pitzbach  eine  D,  Lommeli  und  von 
Stuores  bei  St.  Cassian  eine  D,  fluxa  als  AragonitabgQsse.  Da  bekanntlich  bei  den 
Daonellen  die  streifenförmigen  Radialfurchen  gleichmässig  die  ganze  Schalendicke 
durchdringen,  so  wird  es  begreiflich,  dass  man  Aragonitmodelle  von  Daonellen  mit 
Ober-  und  Unterseite  findet,  welche  leicht  zur  irrigen  Anschauung  von  in  Aragonit 
umgewandelten  Daonellen-Exemplaren  führen  könnten.  Meine  D.fluxa  von  St.  Cassian 
zeigt  ausgezeichnet,  wie  das  beste  isolirte  Original-Exemplar,  Ober-  und  Unterseite 
der  Schale  und  besitzt  eine  Dicke  von  lo  Mm.  Sie  entstand  offenbar  dadurch,  dass 
auf  der  Liegendtläche  der  Hangendbank  die  Innenseite  einer  Daonella  vorhanden 
war,  von  welcher  aus  die  Sinterbildung  vor  sich  ging. 


|Cg  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

enthalten  auf  ihren  Schichtflächen  nicht  selten  kohlige  Pflanzen- 
trümmer. Fundstellen  für  die  Cidariten-Kalke  sind  ausser  dem  eben 
genannten  Punkte  am  Pitzbache,  die  westlichen  und  südlichen 
Abhänge  des  Pitz  und  die  Pflegerleiten  am  Südgehänge  des 
Puflatsch. 

Erst  über  diesen  Schichten  folgt  die  Hauptmasse  der  Tuff*- 
sandsteine  und  Meißel  der  Wengener  Schichten,  in  denen  Fossilien 
in  der  Regel  nur  vereinzelt  vorkommen.  Doch  zeichnen  sich  auch 
in  diesem  Complexe  einige  der  unteren  Hälfte  derselben  angehörige 
conglomeratische  Bänke  durch  reichere  Fossilfuhrung  aus.  Es  sind 
dies  die  Pachycardien-Bänke  mit  Pachycardia  rugosa.  Ander«  Fossi- 
lien sind  selten.  Ein  Bruchstück  von  Trachyceras  verdient  Erwäh- 
nung*). Der  bekannteste  Fundpunkt  dieser  Pachycardien-Tuffe  ist 
das  Gebiet  des  oberen  Frombach,  aus  dessen  südlichen  Zuflüssen 
die  zahlreichen  Blöcke  stammen,  welche  man  an  der  Strasse  findet. 
Noch  kennt  man  dieselben  aus  dem  unteren  Cipit,  vom  Pitzbach 
und  von  Saltrie. 

In  den  Tuflsandsteinen  kommen  vereinzelte  Ammoniten  vor. 
Trachyceras  Gredleri,  die  grösste  bekannte  Trachyceras-Art,  stammt 
aus  solchen  Gesteinen,  • 

In  den  südlichen  Gehängen  des  Frombaches  erscheinen  zwischen 
den  Tuflsandsteinen  Einlagerungen  von  grauem  Korallenkalk  mit 
zahlreichen  Korallen  und  wenigen  Gasteropoden  und  Pelecypoden. 
Diese  Bänke  sind  nur  die  letzten  Ausläufer  einer  im  Cipit  sehr 
mächtigen  Kalkbildung,  welche  wir  im  nächsten  Abschnitt  bei  der 
Betrachtung  des  westlichen  Randes  besprechen  wollen.  Das  centrale 
Gebiet  der  Seisser  Alpe  zeichnet  sich  ebenso  sehr  durch  den  Mangel 
an  allen  fremdartigen,  insbesondere  kalkigen  Einlagerungen,  als 
durch  die  grosse  Monotonie  seiner  Tuflsandsteine  aus. 

Im  Süden  und  am  rechtseitigen  Gehänge  des  Saltaria-Thales 
herrscht,  wie  schon  bemerkt  wurde,  der  ,  schwarze  Porphyr*  fast 
unumschränkt.  Im  oberen  Laufe  des  Saltaria  Baches  greift  er  auch 
auf  das  linke  Ufer  herüber.  Am  rechten  Ufer  zieht  er  sich  nördlich 
fort  durch  die  ganze  Breite  der  Seisser  Alpe,  um  sich  mit  dem 
Augitporphyr  des  Nordabfalles  der  Tafelmasse  zu  verbinden.  Auf 
diese  Weise  sind  drei  Viertheile  der  tellerförmigen  vom  Augitpor- 
phyr gebildeten  Mulde  entblösst,  in  welcher  die  Wengener  Schichten 
der  nordwestlichen  Seisser  Alpe  lagern. 


*)  Die  irrthümliche  Bestimmung  desselben  als  Ammonites  floridus  war  einige 
Zeit  ein  Hemmschuh  für  die  richtige  Glicderang  und  Parallelisirung  der  sQdalpinen 
Trias. 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  IC7 

Wie  sich  bereits  aus  den  Höhenverhältnissen  ergibt,  steigt  der 
Augitporphyr  gegen  Süden  auf,  ob  ganz  regelmässig  öder  Staffel- 
förmig  unter  Intervention  von  Verwerfungen  lässt  sich  mit  Sicher- 
heit schwer  entscheiden.  An  einer  Stelle,  nächst  der  Mündung  des 
Perdiabaches  in  das  Saltaria-Thal  taucht  unter  ihm  auch  seine 
Unterlage  auf:  die  Tuffkalkbreccie  und  die  Buchensteiner  Schichten 
mit  der  Pietra  verde. 

Je  weiter  man  südwärts  vorschreitet,  desto  augenfälliger  wird 
das  fortwährende  Anwachsen  der  Augitporphyrmassen.  Es  rührt 
dies  von  der  Annäherung  zu  den  Ausbruchsstellen  her.  Im  Gegen- 
satze zu  dem  massigen  tafelförmigen  Auftreten  am  Nordrande  der 
Tafelmasse,  erscheint  hier  der  Augitporphyr  als  ein  wolgeschichtetes 
System  von  Augitporphyrlaven  und  Tuffen.  Letztere  sind  entschieden 
sehr  untergeordnet.  Wenn  trotzdem  v.  Richthofen  die  Bezeich- 
nung , Eruptivtuff*,  Tschermak  die  Bezeichnung  ^^ Primärtuff*  an- 
wendete, so  geschah  dies  nur  wegen  der  ausgezeichneten  Schichtung, 
welche  sich  die  beiden  Forscher  nur  ^  durch  die  Mitwirkung  des 
Wassers  erklären  konnten.  An  der  submarinen  Verbreitung  der 
Augitporphyrlaven  kann  ebenso  wenig  gezweifelt  werden,  wie  an 
der  submarinen  Lage  der  Ausbruchsstellen  selbst.  Dafür  spricht 
unzweideutig  die  geologische  Geschichte  des  ganzen  Gebietes,  ins- 
besondere die  strenge  örtliche  Beschränkung  der  Eruptionsproducte 
und  die  Reinheit  der  benachbarten  Dolomitriffe.  Erfolgten  nun 
periodische  Ausbrüche  nach  Intervallen  der  Ruhe,  so  ist  es  leicht 
begreiflich,  dass  die  Lava-Ergüsse  der  successiven  Eruptionen  wie 
sedimentäre  Gesteine  durch  Trennungsfugen  (Absatzflächen)  von 
einander  geschieden  sind.  Die  Annahme  wiederholter  Ausbrüche 
hat  aber  viel  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  als  die  Annahme 
eines  blos  einmaligen  Massen-Ergusses.  Aus  diesem  Grunde  scheint 
es  angemessener,  die  petrographisch  ohnehin  nicht  ganz  zutreffende 
Bezeichnung  »Tuff*  für  die  geschichteten  Augitporphyrmassen  zu 
vermeiden.  Der  vom  tektonischen  Standpunkte  ganz  berechtigten 
Forderung  einer  scharfen  Unterscheidung  der  schichtförmig  aus- 
gebreiteten Eruptivmassen  von  den  gang-  und  stockförmig  auf- 
tretenden trägt  man  durch  die  Bezeichnung  der  ersteren  als  , Laven* 
wol  hinlänglich  Rechnung. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Doelter*)  bilden  die  schwarzen 
Porphyre  der  südtirolischen  Trias  eine  durch  zahlreiche  Uebergänge 
verbundene,   nur   in   ihren  Endgliedern   zu   unterscheidende  Reihen- 


*)  Jahrb.  d.  Geol.  R.-A.  1875. 


jcg  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

folge,  welche  am  besten  unter  der  Bezeichnung  Melaphyr  zusammen- 
gefasst  wird.    Doelter  unterscheidet  sodann: 

1.  Augit-Melaphyre : 

a)  Aupitporphyr  (augitreicher  Melaphyr), 

b)  Augitarme  Melaphyre  und  Augit-Homblende-Melaphyre 

2.  Homblende-Melaphyre. 

3.  Augit-  und  Hornblende  freie  Melaphyre. 

Wie  aus  den  Fundorts-Angaben  der  näher  untersuchten  Ge- 
steine hervorgeht,  finden  sich  an  und  nächst  den  Eruptionspunkten 
die  sämmtlichen  unterschiedenen  Gesteins-Modificationen  und  wäre 
in  der  Natur  die  Trennung  und  kartographische  Ausscheidung  mit 
Mühe  und  grossem  Zeitaufwande  verbunden,  aber  es  zeigt  sich 
doch,  wie  wir  noch  sehen  werden,  regional  das  Vorherrscheii  des 
einen  oder  anderen  Typus. 

In  dem  weiten  Gebiete  der  schwarzen  Laven  herrscht  der 
Augitporphyr  so  entschieden  vor,  dass  man  den  Augitporphyrtypus 
als  ein  charakteristisches  Merkmal  der  Laven  bezeichnen  kann.  Nur 
von  wenigen  Punkten  nennt  Doelter  Melaphyre  aus  dem  Laven 
Gebiete  und  alle  diese  Punkte  liegen  innerhalb  des  Verbreitungs- 
bezirkes der  auf  die  nähere  Umgebung  der  Eruptionsstellen  be- 
schränkten Gänge.  Es  ist  daher  möglich,  ich  möchte  sagen  wahr- 
scheinlich, dass  in  diesen  Fällen  Gänge  vorhanden  sind,  wie  Doelter 
bei  einigen  angibt 

Es  ergäbe  sich  nach  dem  eben  Gesagten  ein  in  tektonischer 
Beziehung  wichtiger  Gegensatz  zwischen  den  Gangausfiillungen  und 
den  Lavadecken.  Dort  grosse  Mannigfaltigkeit,  Vorkommen  aller 
Melaphyrtypen,  hier  Einförmigkeit,  Beschränkung  auf  den  Augit- 
porphyrtypus mit  Ausschluss  der  übrigen  an  den  Ausbruchstellen 
auftretenden  Modiiicationen. 

Nächst  dem  homogenen  Augitporphyr  spielen  in  den  Laven 
die  Lavatrümmer  -  Ströme  oder,  um  uns  eines  handsameren  Aus- 
druckes zu  bedienen,  die  Trümmerlaven  die  Hauptrolle.  Die  ursprüng- 
lich scharfeckigen  Trümmer  sind  an  den  Kanten  häufig  etwas  abge- 
stumpft, was  auf  eine  gleitende  und  rollende  Fortbewegung  der 
Trümmer  innerhalb  noch  dünnflüssiger  Lava  hindeutet.  Stellenweise 
nimmt  die  Abstumpfung  in  so  hohem  Grade  zu,  dass  man  nicht 
mehr  von  Breccien  sprechen  kann,  sondern  das  Gestein  als  Con- 
glomerat  bezeichnen  muss.  Solche  Gesteine  werden  häufig  auch 
»Reibungsconglomerate*  genannt.  Will  man  mit  diesem  Ausdruck 
blos  den  morphologischen  Charakter  hervorheben,  so  wäre  dagegen 
nichts  einzuwenden.  In  genetischer  Beziehung  unterscheiden  sich 
aber  diese  Augitporphyr-Breccien  und  Conglomerate  auf  das  schärfste 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  iJq 

von  den  typischen  Reibungsgesteinen,  welche  man  zwischen  den 
durchsetzten  Felsmassen  und  den  durchsetzenden  Gangausfiillungen 
findet.  Von  gewöhnlichen  sedimentären  Conglomeraten  unterscheiden 
sich  die  hier  gemeinten  Conglomerate  durch  die  rauhe  rissige  Ober- 
fläche der  Einschlüsse  und  durch  das  meistens  aus  gleicher  Lava 
gebildete  Bindemittel.  Echter  Tuff  kommt  nur  selten  als  kittende 
Grundmasse  vor.  Unzweifelhaft  sedimentären  Augitporphyr-Conglo- 
meraten  begegnet  man  innerhalb  des  Systems  der  Wengener  Tuff- 
sandsteine der  Seisser  Alpe.  Bei  diesen  zeigen  die  Rollstücke  eine 
glänzend  polirte  Oberfläche.     Das  Bindemittel  ist  locker  und  porös. 

Der  gezackte  schwarze  Grat,  welcher  den  Plattkofel  mit  den 
Rosszähnen  verbindet  und  die  volksthümliche  Bezeichnung  »Auf  der 
Schneid*  fuhrt,  besteht  ganz  und  gar  aus  dem  System  der  Augit- 
porphyrlaven.  Deutlich  erkennt  man  auch  an  den  von  Rasen  über- 
zogenen Stellen  die  fortlaufende  Schichtung,  welche  nirgends  eine 
nennenswerthe  Unterbrechung  erkennen  lässt.  Der  Angabe,  dass 
Aupitporphyr-Gänge  dieses  System  hier  durchsetzen,  will  ich  nicbt 
mit  Bestimmtheit  widersprechen.  Es  ist  möglich,  dass  die  Gang- 
Region  des  Fassathales  sich  bis  hierher  erstreckt;  sichere  Gänge 
kommen  einzeln  nördlich  von  Campitello  und  nördlich  von  Fontanaz 
und  Mazzin  vor.  Aber  es  ist  erfahrungsgemäss  ausserordentlich 
schwer  auf  den  steilen  schwarzen  Gehängen  der  Augitporphyrlaven 
bei  der  steten  Unterbrechung  der  Aufschlüsse  durch  Schutt  und 
Vegetation  und  bei  der  petrographischen  Uebereinstimmung  des 
durchsetzten  und  durchsetzenden  Gesteins  das  Vorhandensein  von 
Gängen  wirklich  über  jeden  Zweifel  nachzuweisen.  Wo  Gänge  in 
grösserer  Zahl  vorkommen,  wie  dies  vom  Bergzuge  »Auf  der 
Schneid*  behauptet  wird,  da  beschränken  sich  dieselben  nicht  auf 
ein  bestimmtes  Schichtensystem,  sondern  durchsetzen  in  gleicher 
Weise  die  verschiedenartigsten  Formationen.  Nun  zeigt  sich  weder 
in  den  Dolomitmassen  des  Plattkofel  noch  in  jenen  des  Moligfnon 
und  des  Schiern  die  geringste  Spur  von  dem  Vorhandensein  von 
Gängen.  Auch  haben  wiederholte  Besichtigungen  des  Südrandes 
der  Seisser  Alpe  in  mir  stets  den  Eindruck  hinterlassen,  dass  in 
dieser  Gegend  überhaupt  noch  keine  Gänge  vorhanden  sind,  dass 
vielmehr  die  vermutheten  Gänge  festeren,  der  Verwitterung  besser 
widerstehenden  Gesteinspartien  entsprechen.  Das  Eine  scheint  mir 
sicher  zu  sein,  dass  wenn  Gänge  vorkommen,  dies  nicht  in  dem 
Umfange  der  Fall  sein  wird,  wie  bisher  angenommen  wurde. 

Es  wurde  bereits  der  viel  stärkeren  Mächtigkeit  der  Augit- 
porphyr  -  Massen  im  Süden  der  Seisser  Alpe  im  Vergleiche  zur 
Stärke  der  Augitporphyrlager  am  Nordrande  der  Tafelmasse  gedacht. 


l6o  ^^s  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Eine  nähere  vergleichende  Untersuchung  fuhrt  uns  zu  der  Folgerung, 
dass  die  oberen  Massen  der  Augitporphyrlaven  im  Süden  den  tieferen 
Wengener  Schichten  in  der  Nordhälfte  der  Seisser  Alpe  entsprechen. 
Im  Süden,  in  der  Nähe  der  Fassaner  Eruptionsstelle  lagerten  sich 
noch  Lavaströme  ab,  während  nördlich  davon  die  vorherrschend 
aus  Abschwemmungs  -  Producten  des  Augitporphyrs  und  fein  zer- 
stäubten Lavapartikeln  zusammengesetzten  Wengener  TufTsandsteine 
und  Mergel  sich  bildeten.  Deshalb  greifen  auf  dem  Gehänge  unter- 
halb der  Mahlknecht  -  Hütte  die  Wengener  TufTsandsteine  in  das 
Massiv  der  Lavaströme  ein  und  stellt  sich  das  Verhältniss  der  süd- 
lichen Laven  zu  den  Wengener  Schichten  mehr  als  eine  Anlagerung 
oder  Nebeneinanderlagerung,  denn  als  eine  Ueberlagerung  dar.  Die 
tiefsten  Bänke  der  Wengener  Schichten  sind  daher  nur  längs  des 
Nordrandes  der  Seisser  Alpe  entblösst,  im  Süden  erscheinen  nächst 
dem  Augitporphyr  nur  die  oberen  und  obersten  Partien  der  Wen- 
gener Schichten.  Die  Vei^leichung  der  Profile  des  Schiern  und  der 
RosszähHe  wird  diese  Verhältnisse  versinnlichen  helfen. 

Es  wird  nun  auch  die  Natur  des  massigen  Augitporphyrlagers 
am  Nordrande  der  Tafelmasse  klar.  Dasselbe  erscheint  als  das 
breite,  dick  angeschwollene  Ende  von  mindestens  zwei  Lavaströ- 
men, deren  Ergu3S  in  den  Beginn  der  vulcanischen  Thätigkeit  fällt. 
Aus  dem  Verlaufe  der  weiteren  Darstellung  wird  sich,  wie  wir  jetzt 
schon  der  späteren  Erörterung  vorgreifend  bemerken  wollen,  er- 
geben, dass  überhaupt  nur  den  ersten  Lava  -  Ergüssen  eine  weitere 
horizontale  Verbreitung  zukommt.  Deshalb  liegen  in  den  äusseren 
Districten  die  Laven  oder  die  deren  Stelle  einnehmenden  dick- 
schichtigen Tuffe  stets  unter  den  Wengener  Schichten.  Die  Fort- 
dauer der  eruptiven  Thätigkeit  in  den  vulcanischen  Herden  zeigen 
dann  nur  die  Gesteinsbestandtheile  der  Wengener  Schichten  an. 

Die  dem  Massiv  des  Platt-  und  Langkofels  zunächst  gelegene 
Stufe  der  Seisser  Alpe,  östlich  vom  Saltaria-Thal,  wird  bei  der  Dar- 
stellung der  Verhältnisse  des  genannten  Dolomitriffes  zur  Sprache 
gelangen. 

3.  Das  DolomitrifF  des  Schiern. 

Wer  von  Norden  kommend  zum  ersten  Male,  etwa  von  Castel- 
ruth  aus,  den  mächtigen  weissen  Stock  des  Schiern,  obenauf  von 
horizontal  liegenden  Bänken  gekrönt,  und  nebenan  die  wolgeschichtete 
Fassa-Grödener  Tafelmasse  mit  ihrer  schwarzen  Contourlinie  erblickt, 
der  wird  sich  des  Gedankens  nicht  erwehren  können,  dass  eine 
grosse  Verwerfungslinie  hier  Bildungen  verschiedenen  Alters  trennt 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  i6i 

Wer  dagegen  von  einem  höher  gelegenen  Standpunkte  aus,  etwa 
von  Puflatsch  oder  Raschötz  oder  vom  Sasso  di  Dam  die  durch 
die  Tafelfläche  der  Seisser  Alpe  getrennten  Dolomitriffe  des  Schlem- 
Rosengarten  und  des  Lang-  und  Plattkofels  betrachtet,  wird  den 
Eindruck  gewinnen,  dass  die  Dolomitmassen  ein  jüngeres,  den  Bil- 
dungen der  Seisser  Alpe  regelmässig  aufgesetztes  Sediment  seien, 
welches  sich  einst  gleichförmig  über  die  ganze  Tafelmasse  ausspannte. 

Keine  von  diesen  Anschauungen  kann  einer  eingehenden  Kritik 
gegenüber  Stand  behalten. 

Wie  unbegründet  die  erstere  Annahme  wäre,  das  ergibt  sich 
bereits  nach  ziemlich  oberflächlicher  Kenntniss  des  Gebirges.  Die 
Dolomitmasse  des  Schiern  und  die  Fassa-Grödener  Tafelmasse  ruhen 
auf  einer  gemeinsamen,  ganz  übereinstimmenden  Unterlage.  Vom 
Muschelkalk  abwärts  bis  zum  Quarzporphyr  bleiben  sich  alle 
Schichten  im  Wesentlichen  gleich  und  wenn  auch  gerade  der  Nord- 
fuss  des  Schiern  durch  die  Trümmer  eines  Bergsturzes  theilweise 
verdeckt  ist,  so  erkennt  man  doch  bei  weiterer  Verfolgung  der 
Unterlage  leicht,  dass  die  Niveaulinien  der  Schichten  correspondirend 
regelmässig  verlaufen,  von  einer  Störung  daher  keine  Rede  sein 
könne. 

Die  zweite  Annahme  müsste  logisch  zu  der  Voraussetzung 
fuhren,  dass  die  oberen  Schichtsysteme  der  Fassa-Grödener  Tafel- 
masse vom  Buchensteiner  Kalk  angefangen,  sich  vor  den  Dolomit- 
massen auskeilen,  da  doch  der  untrennbare  obere  Dolomit  (Schlem- 
dolomit]  unmittelbar  dem  Mendola-Dolomit  auflagert.  Sie  fuhrt  daher 
zur  Supposition  einer  Unterbrechung  des  Absatzes.  Diese  Schluss- 
folgenmg  ist  unausweichlich^  sobald  man  annimmt,  dass  der  Schiern- 
dolomit jünger  als  die  Tuffsandsteine  der  Seisser  Alpe  ist,  und 
selbst  V.  Richthofe n,  welcher  doch  zuerst  die  ursprüngliche  Isoli- 
rung  der  Dolomitriffe  erkannt  hatte,  musste  zu  derselben  seine 
Zuflucht  nehmen,  da  auch  er  den  Schlemdolomit  als  eine  jüngere 
Etage  betrachtete.  Die  Annahme  einer  solchen  Lücke  ist  aber  in 
den  natürlichen  Verhältnissen  nicht  gerechtfertigt  und  steht  mit 
zahlreichen  Thatsachen  im  Widerspruch. 

Untersuchen  wir  zunächst  die  Grenze  zwischen  dem  Schiern 
und  der  Seisser  Alpe. 

Es  ist  oben  bei  der  Besprechung  der  Verhältnisse  am  Nord- 
gehänge der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  erwähnt  worden,  dass  sich 
bei  der  Annäherung  zum  Dolomitriff  des  Schiern  in  die  Buchen- 
steiner Schichten  zwei  Dolomitmassen  einschalten.  Bereits  im  Profile 
des  Frombaches,  anderthalb  Kilometer  Luftlinie  vom  Schiern  entfernt, 
begegnet  man  diesen  Bänken  und  im  Profile  des  Fretschbaches  bei 

M  o j  s  i  8  o  V  i  c  s,  Do]omitriffe.  1 1 


l62  ^^s  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Ratzes  nimmt  man  deutlich  wahr,  dass  die  mit  dem  Dolomit  wechsel- 
lagernden normalen  Buchensteiner  Schichten  an  Mächtigkeit  in  auf- 
fallendem Maasse  reducirt  sind.  Es  wird  daraus  klar,  dass  der  Dolo- 
mit stellvertretend  für  die  normalen  Schichten  eintritt.  Untersucht 
man  weiter  westlich*),  von  den  Werfener  Schichten  ausgehend,  die 
Gesteinsfolge  der  Schlemmasse,  so  trifft  man  über  dem  unteren 
Muschelkalk  eine  mächtige  Dolomitbank,  welche  sich  constant  durch 
eine  auffallende  Schichtfuge  von  dem  höher  folgenden  ungeschich- 
teten Dolomit  abtrennt  Dies  ist  der  Mendola-Dolomit  v.  Rieht- 
hofen's.  Aus  Aufschlüssen  an  anderen  Punkten  ergabt  sich,  dass  die 
untere  Dolomitbank  der  grossen  Dolomitriffe  aus  dem  zu  Einer 
Masse  vereinigten  Dolomit  des  oberen  Muschelkalks  (Mendola-Dolo- 
mit im  engeren  Sinne)  und  dem  Dolomit  der  Buchensteiner  Schichten 
besteht.  Stellenweise  findet  sich  zwischen  der  den  oberen  von  dem 
ynteren  Dolomit  scheidenden  Schichtfuge  noch  eine  Lage  normalen 
Buchensteiner  Kalks  oder  es  zieht  sich  in  diesem  Niveau  eine  Zone 
von  Homstein- Ausscheidungen  durch;  häufig  berühren  sich  aber 
unterer  und  oberer  Dolomit  ohne  die  Intervention  irgend  eines 
fremdartigen  Gesteins.  So  ist  es  auch  auf  dem  Westabfall  des 
Schiern.  Jede  Erinnerung  an  die  normale  Ausbildung  der  Buchen- 
steiner Schichten  ist  hier  verwischt.  Der  Dolomit  ist  Alleinherrscher 
geworden. 

Das  geschilderte  Verhältniss  des  Dolomits  zu  den  Buchen- 
steiner Schichten  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  lässt  sich  kurz  in 
folgender  Weise  ausdrücken:  Der  untere  Dolomit  des  Schiern 
greift  mit  zwei  spitzen  Zungen  wechsellagernd  und  stell- 
vertretend in  den  Schichtenverband  der  normalen  Buchen- 
steiner Schichten  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  ein.  Seine 
obere  Hälfte  repräsentirt  die  Buchensteiner  Schichten. 

Oberhalb  der  Buchensteiner  Schichten  steigt  vom  linken  Ge- 
hänge des  Fretschbaches  aus  die  Dolomit-Steilwand  des  Schiern  auf 
Der  Bach  hat  sich  sein  Rinnsal  noch  ganz  in  den  Augitporphyr- 
laven  und  in  den  Wengener  Schichten  ausgefeilt.  Die  Grenze  zwischen 
dem  Dolomit  und  dem  Augitporphyr  bildet  eine  schräg  ansteigende 
Fläche  des  Dolomites,  auf  welcher  der  Augitporphyr,  nach  oben 
rasch  an  Mächtigkeit  abnehmend,  aufsteigt.  Der  Dolomit  greift 
unter  den  Augitporphyr  hinab.  Man  erkennt  deutlich,  dass  die 
Augitporphyrlava  an  der  Dolomitwand  ein  Hindemiss  ihrer  weiteren 
Ausbreitung  gefunden  hat. 


*)   Leider   ist   an    dem  Nordfusse    des  Schiern  die  Untersuchung  wegen  des 
gewaltigen,  fast  Alles  verdeckenden  TrOmmerhaufwerkes  unmöglich. 


Das  Gebirge  zwiaehen  Faisa  und  Gröden.  1Q9 


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l^A  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Hat  man,  aufwärts  steigend,  die  Region  des  Augitporphyres 
passirt,  so  sieht  man  die  Dolomitwand  in  gleichem  Sinne,  wie  weiter 
unten,  auch  gegen  oben  zurückweichen.  Die  Wengener  Schichten 
lagern  sich  regelmässig  mit  nach  aussen  gekehrten  Schichtflächen 
an  die  nach  aussen  abfallende  Dolomitwand  an.  Ueber  den  Wen- 
gener Schichten  erhebt  sich  sodann  der  Dolomit  in  nahezu  senkrecht 
abgeschnittenen  Wänden,  bis  zur  Höhe  des  östlichen  Schlemplateau. 
Diese  Steilwand  ist  nicht  als  die  ursprüngliche  Begrenzungslinie  der 
oberen  Schlemmasse  zu  betrachten,  wie  die  weitere  Untersuchung 
des  Schlemgehänges  lehrt. 

Die  der  Dolomitwand  angelagerten  Wengener  Schichten  unter- 
scheiden   sich    durch    die    Aufnahme    zahlreicher    kalkiger    Bänke 
wesentlich  von   den   normalen  Wengener  Schichten.    Ausser   dünn- 
plattigen  Kalken,  welche   aus   einem  Haufwerk  von  Cidariten   und 
Crinoiden  gebildet  sind,   kommen  dicke,   klotzige,   zähe  Kalkbänke 
häufig  vor,  die  von  v.  Richthofen  sogenannten  ^Cipitkalke*.  Die 
Färbung    dieser   Gesteine   ist  auf  frischem  Bruche  grau  und  grau- 
braun.  Die  Verwitterungsrinde  ist  braungelb.   Die  Cipitkalke  lösen 
sich   zu   grossen,  unförmlichen  Blöcken   auf;   sie   bezeichnen   keinen 
bestimmten  Horizont  der  Wengener  Schichten  und  beschränken  sich 
stets  auf  die  Nachbarschaft  der  DolomitrifTe.  Auch  in  den  Cassianer 
Schichten    kommen   an    den   Riffgrenzen    die    gleichen   Kalke    vor, 
welche  man  desshalb  auch  als  ^Riffsteine*  ansprechen  kann.  Die  den 
Wengener  Schichten  angehörigen  enthalten  nicht  selten  tuffige  Ein- 
schlüsse. Fossilien  sind  im  Allgemeinen  häufig  in  den  RiiTsteinen,  aber 
durchaus  nicht  allgemein  und  gleichmässig  verbreitet.    Korallen  in 
grossen  Stöcken  herrschen  vor  und  erfüllen  oft  die  g^zen  Blöcke. 
Doch  ist  ihr  Erhaltungszustand  selten  ein  guter.  An  den  angewitterten 
Flächen  erkennt  man  sie  leicht.  Im  Inneren  des  Gesteines  sind  die 
Verästelungen   deutlich,  aber   die   feineren  Structurverhältnisse   sind 
meistens   obliterirt.    Die   entstandenen  Hohlräume   sind   häufig  von 
Mineral-Ausscheidungen  erfüllt.  Ausser  Korallen  kommen  Crinoiden- 
und  Cidaritenreste  noch  häufig  vor,  aber  stets  nur  in   verstreuten, 
isolirten  Bestandtheilen,  nicht  selten  auch  zerbrochen  und  in  Hauf- 
werken zu   förmlichen  Breccien   verkittet.  Selten  sind  Bracbiopoden, 
noch     seltener     Gasteropoden ,    Pelecypoden     und     Cephalopoden. 
Wo   das   Gestein   keine  Fossilien    erkennen   lässt,   ist   es   meistens 
breccienartig. 

Folgt  man  dem  bereits  betretenen  Steige,  welcher  am  Schlem- 
gehänge  selbst,  also  am  linken  Ufer  des  Fretschbaches,  von  Ratzes 
über  den  Cipiter  Ochsenwald  auf  den  Schiern  führt,  so  beobachtet 
man,   wie  von   der  Dolomitwand   des   Schiern  aus. eine    mächtige 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  iQc 

Dolomitbank  über  die  erst  erwähnten  Wengener  Schichten  über- 
greift. Im  unteren  Theile  von  Cipit  steht  derselbe  Zug  von  Wengener 
Schichten,  als  normales  Hangendes  der  Augitporphyr-Laven  an.  In 
den  tiefsten  Lagen  bei  der  Proslinhütte  bereits  finden  sich  in 
Wechsellagerung  mit  dem  dünnblätterigen  Schiefer  (Daonellen- 
Schiefer)  Kalkbänke*)  mit  Crinoiden,  Cidariten  und  Korallen.  Von 
dem  Pachycardien-Conglomerat  liegen  Blöcke  umher,  welche  aber 
wahrscheinlich  aus  höherer  Lage  vom  rechten  Abhänge  herstammen. 
Die  Dolomitbank,  deren  Abzweigung  von  der  Hauptmasse  des 
Schlemdolomits  eben  betont  wurde,  zieht  als  eine  massig  nach 
aussen  abgedachte  Terrasse  am  linken  Ufer  des  Ochsenwaldbaches  **) 
über  den  Wengener  Schichten  hin.  Beim  Uebergange  des  von  Cipit 
auf  den  Schiern  führenden  Steiges  setzt  sie,  mit  reducirter  Mächtig- 
keit und  in  geringer  Ausdehnung,  auf  das  rechte  Bachufer  herüber. 

Wie  im  Allgemeinen  die  südtirolischen  Dolomite  zu  senkrechter 
Zerklüftung  Neigung  haben,  so  zeigt  auch  die  kleine  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Ochsenwaldbaches  vorkommende  Dolomitpartie  eine  aus- 
gezeichnete Abklüftung  zu  vertical  stehenden  Platten.  Bei  ober- 
flächlicher Beobachtung  liegt  die  Gefahr  einer  Verwechslung  mit 
Schichtung  nahe.  Der  Dolomit  wird  aber  von  schwachgeneigten 
Wengener  MergeltufTen  über-  und  unterlagert,  wie  die  unzwei- 
deutigen Aufschlüsse  in  der  Nähe  der  erwähnten  Uebergangsstelle 
beweisen.  Trotzdem  ist  in  neuerer  Zeit  die  Behauptung  aufgestellt 
worden,  dass  hier  eine  ^^grossartige  Schichtenstörung*  vorliege, 
welche  sich  in  den  gleichfalls  seiger  aufgerichteten  Dolomitschichten 
auf  der  westlichen  Thahsohle  am  Fusse  des  Schierngehänges  fort- 
setze und  —  3^  übrigens  schon  von  dem  Eisackthale  über  Seiss  her 
und  über  den  Ostrand  der  Rosszähne  hinüber  sich  verfolgen*  lasse. 

Der  durch  den  Ochsenwald  auf  den  Schiern  führende  Pfad 
ersteigt  zunächst  die  an  Mächtigkeit  zunehmende  Dolomitplatte  und 
fiihrt  sodann  durch  längere  Zeit  auf  derselben  weiter.  Hier  zeigen 
sich  nicht  nur  Einschlüsse  von  Tuffmasse  im  Dolomit,  sondern  auch 
an  vielen  Stellen,  namentlich  in  den  Wassergräben  deutlich  entblösste 
Wengener  Schichten  als  regelmässige,  ungestörte  Ueberlagerung  des 
Dolomites.  Die  Neigung  dieser  oberen  Wengener  Schichten  ent- 
spricht vollkommen  der  Abdachung  der  Dolomitplatte  und  dem 
Einfallswinkel  der  unter  dem  Dolomit  liegenden  Wengener  Schichten. 

*)  Aus  einem  dichten  grauen  Kalke  erhielt  ich  die  wol  erhaltene  Wohn- 
kamroer  einer  Orthoceras. 

**)  Der  Fretschbach  setzt  sich  am  unteren  Ende  von  Cipit  aus  zwei  Zuflüssen 
zusammen,  dem  Ochsenwaldbache  und  dem  Cipitbache.  Der  Ochsenwaldbach  liegt 
westlich  am  Fusse  des  Schiern. 


Das  Gebirge  zwiKben  F«»»»  und  Gröden. 

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Och»n«ild-Bich 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 


167 


Ueber  den  oberen  Wengener  Schichten,  deren  Mächtigkeit  etwa 
zehn  Meter  beträgt,  folgt  eine  zweite  Dolomitplatte  und  eine  dritte 
oberste  Einlagerung  von  Wengener  Schichten,  Alles  conform  den 
tieferen  Massen  mit  schwachem  Ostfallen. 

Die  Erscheinungen,  welche  sich  hier  der  Beobachtung  darbieten, 
sind  im  Wesentlichen  dieselben,  wie  in  den  tiefer  liegenden  Buchen- 
steiner Schichten.  Vom  Dolomitstocke  weg  dringen  Dolomitkeile 
schichtenfbrmig  in  den  Schichtenverband  der  Wengener  Schichten 
ein.  Aber  es  tritt  hier  noch  ein  sehr  bedeutsames  Moment  hinzu. 
Das  Dolomitriff  steigt  ziemlich  rasch,  gegen  oben  zurücktretend,  in 
die  Höhe  und  Augitporphyrlaven  wie  Wengener  Schichten  lagern 
sich  an  die  geböschte  Dolomitwand  an. 

Ich  habe  hier  vergeblich  nach  den  Stellen  gesucht,  an  welchen 
die  j^deutliche*  Auflagerung  des  Schlemdolomites  auf  den  Tuff- 
schichten sichtbar  sein  soll.  Wenn  das  Gegentheil  behauptet  worden 
wäre,  so  fände  ich  dies  eher  begreiflich.  Aber  der  Blick  der  meisten 
Beobachter  war  hier  durch  vorgefasste  Meinungen  umflort.  Weithin 
sichtbar  ist  der  grossartige  Aufschluss  an  den  Quellen  des  Ochsen- 
waldbaches, welcher  die  einer  regelmässigen  Auflagerung  ähnelnde 
Anlagerung  der  Wengener  Schichten  an  die  auf  grössere  Er- 
streckung  hin    darunter   eingreifende    Dolomitböschung   entblösst. 

Ochsenwatd-Bach 


W. 


o. 


Durchschnitt  durch  das  Clpiter  Schlemgehinge  und  das  QueUsebiet  des  Ochsenwald-Baches. 

(Anlagerung  von  Wengener  Schichten  an  die  BSschnngsflIche  des  Riffes.) 

t  =  Wengener  Schichten  mit  Blöcken  von  Riffsteinen  ;/>  =  Wengener  Dolomit. 


Ehe  wir  in  der  Schilderung  der  Verhältnisse  am  unteren 
Schlemgehänge  fortfahren,  müssen  wir  der  Uebersichtlichkeit  der 
Darstellung  wegen  einen  Blick  auf  die  oberen  Wände  und  Gehäng- 
stufen des  bisher  besprochenen  Abschnittes  werfen.  Im  Norden  endet 
die  Schlemmasse  mit  der  abenteuerlichen  Doppelpyramide  der 
^Schlemzacken*,  welche  sich  sofort  als  ein  Erzeugniss  des  sub- 
aerischen  Zerfalls  verrathen.  Hier  hat  die  Denudation  bereits  ein  gutes 


l6g  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Stück  Arbeit  vollbracht.  Das  obere  Plateau  ist  gänzlich  abgetragen. 
Die  im  Süden  der  Schlemzacken  folgende  Wand,  welche  den  Abfall 
des  von  den  Raibler  Schichten  und  einigen  kleinen  Resten  von 
Dachsteinkalk  gekrönten  Plateau  bildet,  fällt  mit  wenigen  unbe- 
deutenden Unterbrechungen  glatt  und  steil,  scheinbar  senkrecht  in 
die  Tiefe.  Die  Denudation,  welcher  die  verticale  Zerklüftung  des 
Gesteins  vorarbeitet,  hat  auch  hier  ihre  Wirksamkeit  begonnen. 
Gegenüber  den  Schlemzacken  war  jedoch  ihre  Thätigkeit  eine  noch 
beschränkte.  Es  folgt  dann  eine  Region  noch  weniger  fortge- 
schrittener Abtragung,  in  welcher  die  Wand  treppenförmig  abfällt. 
Der  von  der  Seisser  Alpe  auf  den  Schiern  führende  Weg  gewinnt 
auf  diesen  Stufen  die  Plateauhöhe.  Bis  zu  dieser  Region  erscheint 
die  ganze  Dolomitwand  aufwärts  bis  zu  den  Raibler  Schichten  als 
eine  schichtungslose,  wie  aus  Einem  Guss  geformte  Masse.  Nur  bei 
günstiger  Beleuchtung  gewahrt  man  wellig  auf-  und  niedersteigende 
zackige  Fugen,  welche  beiläufig  im  grossen  Massstabe  die  Erscheinung 
der  Stylolithen-Nähte  wiederholt.  Sieht  man  schärfer  zu,  so  beobachtet 
man  an  vielen  Stellen,  dass  die  Flächen  dieser  Fugen  nicht  so 
vollkommen  horizontal  liegen,  wie  die  Raibler  und  Dachstein- 
Schichten  auf  der  Höhe  des  Schiern  und  die  Werfener  Schichten 
an  dessen  Basis,  sondern  sich  schwach  östlich,  also  gegen  die 
Aussenseite  des  Berges,  neigen.  ' 

Ein  wesentlich  verschiedenes  Aussehen  bietet  derjenige  Theil 
der  Schlemwand  dar,  welcher  oberhalb  der  Zwischenlagerungen  von 
Wengener  Schichten  und  Dolomit  des  Ochsenwaldes  beginnt  und 
bis  zu  den  Rosszähnen  reicht.  Erstlich  hat  die  Steilwand  des  nörd- 
lichen Schiern  einer  bis  nahezu  auf  die  Plateaufläche  reichenden 
Böschung  Platz  gemacht  Sodann  tritt  an  die  Stelle  des  massigen 
Dolomites  geschichteter  Dolomit,  dessen  nach  Osten  verflächende 
Lagen  die  abgebrochenen  Schichtköpfe  in  einer  Reihenfolge  zahl- 
reicher niederer  Terrassen  zeigen.  Es  herrscht  in  diesen  geschichteten 
Dolomiten  kein  vollkommener  Parallelismus  der  Flächen,  wie  bei 
gewöhnlichen  Schichten  und,  was  besonders  auffallend  ist,  keine 
grosse  Constanz  der  Schichten  dem  Streichen  nach.  Die  Schichten 
schwellen  bald  %n,  bald  verdünnen  sie  sich.  Die  Schichtflächen  hören 
häufig  auf,  fortzulaufen,  zwei  Bänke  vereinigen  sich  zu  Einer,  und 
umgekehrt.  Es  wechseln  steilere  Neigungen  mit  flacheren.  Wir 
gebrauchen  fiir  diese  lediglich  auf  die  noch  erhaltenen  Aussen- 
seiten  der  Riffe  beschränkte  Form  der  Schichtung  die  Bezeichnung 
,  Ueberguss-Schichtung  * . 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 


169 


Schemfltische  Darstellung  der  Ueberguss-Schichtung  an  der  BSschungaflXche  eines  Riffes. 

(Unten  normale  Schichtung  in  horizontaler  Lagerung.) 


Bei  der  Beobachtung  des  Cipiter  Schierngehänges  fallt  noch 
Eines  auf.  Man  sieht  häufig  förmlich  unterhöhlte  Schichtenabbrüche. 
Untersucht  man  dieselben,  so  findet  man  in  einigen  Reste  von 
Wengener  Schichten.  Andere  sind  leer.  Die  oben  erwähnten  An- 
und  Zwischenlagerungen  von  Dolomit  und  Wengener  Schichten 
geben  den  Schlüssel  zur  Erklärung  dieser  Erscheinung.  Die  Denu- 
dation ist  von  Seite  der  Seisser  Alpe  her,  von  den  Wengener 
Schichten  gegen  das  DolomitrifT  vorgedrungen  und  hat  an  der 
Aussenseite  des  RiflTes  die  höher  gelegenen  (die  jüngeren)  Wechsel- 
lagerungen von  Dolomit  und  Wengener  Schichten  bis  zu  den  ver- 
jüngten letzten  Spitzen  der  Wengener  Schichten  abgetragen.  Aus 
den  leeren  Höhlungen   sind  die  Wengener  Schichten  ausgewaschen. 

So  erscheinen  einige  der  Ueberguss-Schichten  des  Schlem- 
gehänges  als  die  Fortsetzungen  von,  heute  grossentheils  entfernten, 
in  die  Wengener  Schichten  eingreifenden  Dolomitzungen. 

Von  den  Schiernzacken  bis  zum  Cipiter  Schlemgehänge  haben 
wir  nun  sehr  verschiedene  Denudations-Stadien  in  continuirlicher 
Reihenfolge  unterschieden.  Die  Bedeutung  der  treppenformigen 
Absätze  in  der  Gegend  des  Schlempfades  wird  nun  klar;  ebenso 
die  eigenthümlichen  zackigen  Fugen  in  der  senkrechten  vorderen 
Schlemwand.  Das  Cipiter  Schlemgehänge  mit  der  noch  wolerhaltenen 
Ueberguss-Schichtung  wird  bei  weiterem  Fortschreiten  der  Denu- 
dation allmählich  in  das  Stadium  der  treppenformigen  Absätze  und 
durch  dieses  in  das  Stadium  der  glatten  Steilwand  mit  wenigen, 
fast  unmerkbaren  Spuren  der  nach  auswärts  gerichteten  Ueberguss- 
Schichtimg  übergehen.  Endlich  wird  auch  die  Region  der  zackigen 
Fugen  entfernt  sein  und  dann  wird  die  Steilwand  völlig  schichtungslos 


lyQ  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

sein,  wie  es   heute  in  der  Schlemklamm   und  am  Westgehänge  des 
Schiern  der  Fall  ist 

Daraus  lässt  sich  aber  weiter  schliessen,  dass  entlang 
des  ganzen  Schlemgehänges  bis  zu  den  Schlemzacken ,  das  ist 
allenthalben  auf  der  dem  Gebiete  der  Wengener  Schichten  zuge- 
wendeten Aussenseite  des  Schlemriffes,  die  gleichen  oder  doch 
wenigstens  sehr  analoge  Verhältnisse  geherrscht  haben  müssen,  wie 
an  der  Cipiter  Dolomitböschung. 

Wir  kehren  zur  Besprechung  der  unteren  Regionen  wieder 
zurück. 

Durch  den  ganzen  Kessel  von  Cipit,  insbesondere  aber  in 
dessen  oberen  Theilen  sind  Einlagerungen  von  Riffsteinen  in  den 
schwarzen  tuffigen  Wengener  Mergeln  häufig.  Das  Gestein  ist  in 
der  Nähe  der  Dolomitböschung  reich  an  Korallen.  Interessant  sind 
Conglomerate  aus  Augitporphyr  -  Gerollen  mit  grossen  Korallen- 
stöcken. Sie  finden  sich  im  oberen  Cipitkessel.  Auch  am  nördlichen 
Cipitgehänge  kommen  Riffsteine  noch  häufig  vor.  Es  ist  bereits 
bemerkt  worden,  dass  sich  die  letzten  Ausläufer  bis  in  das  From- 
bachgebiet  erstrecken.  Die  isolirten  Blöcke  von  Cipitkalk  auf  den 
weichen  berasten  Plateauflächen  der  Seisser  Alpe  haben  schon 
längst  die  Aufmerksamkeit  der  Geologen  erregt.  Die  häufig  wieder- 
kehrende Angabe  von  der  allgemeinen  Verbreitung  dieser  Blöcke 
über  das  ganze  Plateau  ist  aber  unrichtig.  Ausser  dem  Bereiche 
von  Cipit  und  Frombach  kommen  sie  nicht  vor.  Es  wäre  denn  in 
der  Eigenschaft  als  erratische  Blöcke*).  Wo  sie  frei  auf  der  Rasen- 
fläche liegen,  hat  man  sie  seit  jeher  als  Reste  fester  Kalkbänke 
betrachtet,  welche  der  Denudation  einen  grösseren  Widerstand 
entgegensetzten,  als  die  weichen  normalen  Wengener  Schichten. 
Gegen  eine  solche  Anschauung  lässt  sich  fiir  einen  Theil  der  Vor- 
komnmisse  nichts  einwenden.  Viele,  wahrscheinlich  die  meisten 
Blöcke  sind  aber  nicht  Ueberbleibsel  fortlaufender  Kalkbänke,  son- 
dern sie  sind  bereits  in  Blockform  in  weichen  tuffigen  und  merge- 
ligen Schichten  vorhanden  gewesen  und  durch  die  Abschwemmung 
ihrer  Umhüllung  biosgelegt  worden.  Dies  zeigen  zahlreiche  Auf- 
schlüsse, in  welchen  Blöcke  von  Cipitkalk  in  tuffigen  Gesteinen  ein- 
gebettet sind. 


*)  Da  die  filteren  Angaben  über  das  Vorkommen  grosser  Dolomitblöcke  auf 
Widerspruch  gestossen  sind,  so  möge  hier  die  Bemerkung  Platz  finden,  dass  sich 
thatsAchlich  grosse  Blöcke  echten  weissen  Dolomits  auf  der  SeisseralpflAche  finden, 
so  insbesondere  am  nördlichen  Rande,  in  der  Nfihe  des  Beginns  der  Pufelser 
Schlucht.    Der  aufPallendste  dieser  Blöcke  führt  den  Namen  „Sonnenstein'^ 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  i^i 

Besonders  zahlreich  sind  die  Blöcke  der  Cipitkalke  in  der 
Umgebung  des  Grunserbühels ,  einer  kleinen  gegenwärtig  isolirten 
Kalkkuppe,  welche  sich  nördlich  von  den  Rosszähnen  den  Wengener 
Tuffen  frei  aufgelagert  befindet  Ein  in  die  Wengener  Mergeltuffe 
eingreifender  Sattel  trennt  den  Grunserbühel  von  einem  an  den 
Rosszähnen  abzweigenden  Dolomitgrat,  welcher  den  obersten  Cipit- 
kessel  von  dem  Quellgebiet  des  Satzerbaches  trennt.  Dieser  Dolomit- 
grat greift  über  die  Wengener  Schichten  des  obersten  Cipitkessels 
über.  Er  ist  daher,  ganz  analog  den  bereits  erwähnten,  vom  Schlem- 
massiv  abzweigenden  Dolomitzungen,  ebenfalls  als  eine  in  das  Gebiet 
der  Wengener  Schichten  eingreifende  Dolomitbank  aufzufassen.  Ver- 
glichen mit  den  Dolomitzungen  des  Ochsenwaldes  ist  dies  die 
oberste,  jüngste  und  zugleich  die  am  weitesten  in  das  Tuffgebiet 
eingreifende  Masse,  als  deren  nördlichste  Spitze  der  Grunserbühel 
zu  betrachten  ist.  Man  kann  sich  leicht  vorstellen,  dass  bei  weiterem 
Fortschreiten  der  Denudation  dieser  Dolomitgrat  gänzlich  entfernt 
wird.  Dann  würde  das  Gehänge  der  Rosszähne  denselben  Anblick 
gewähren,  wie  das  Schlemgehänge  auf  der  linken  Seite  des  obersten 
Cipitkessels.  Eine  mächtige  Ablagerung  von  Wengener  Tuffen  würde 
sich  der  Dolomitböschung  anschmiegen  und  nur  die  abgebrochenen 
starken  Köpfe  der  Ueberguss-Schichtung  würden  dem  Blicke  des 
Forschers  den  früheren  Zustand  der  Dinge  an  dieser  Stelle  ver- 
rathen.  Wendet  man  die  umgekehrte  Betrachtung  auf  das  von  der 
Denudation  bereits  stark  mitgenommene  Gebiet  von  Cipit  an,  so 
ergibt  sich  die  Vorstellung,  dass  möglicherweise  die  Dolomitmasse 
des  Grunserbühels  einst  als  eine  ausgedehnte  Dolomitplatte  von  der 
Erstreckung  des  Schlemgehänges  über  das  ganze  Gebiet  von  Cipit 
imd  vielleicht  in  nördlicher  Richtung  noch  etwas  über  dasselbe 
hinaus  verbreitet  war.  Die  im  Frombach-Gebiet  vorhandenen  Riff- 
steine fordern  geradezu  eine  derartige  Annahme. 

An  der  Basis  des  Grunserbühels  findet  sich  eine  Zone  von 
typischen  Riffsteinen  mit  zahlreichen  Korallen,  Cidariten  und  Crinoi- 
den.  Darüber  folgt  eine  Zone  gelbgefarbten  Dolomits,  welche  sich 
aus  dem  Riffstein  heraus  entwickelt  und  deutlich  als  dolomitisirter 
Riffstein  erkannt  wird.  Zuoberst  herrscht  weisser  Dolomit,  welcher 
aber  auch  noch  häufig  durch  verschiedene  habituelle  Merkmale  an 
den  Riffstein  erinnert. 

Oestlich  vom  Grunserbühel  bemerkt  man  in  den  Wengener 
Schichten  reihenförmig  geordnete  anstehende  Blockmassen  von  Riff- 
stein mit  Korallen. 

In  dem  südlich  zu  den  Rosszähnen  ansteigenden  Dolomi^^te 
findet  man  häufig  Uebergänge  vom  Riffstein  in  den  Dolomit,  sowie 


172 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 


halb  dolomitisirte  Riffsteine.  Korallen  sind  hier  auch  im  Dolomite 
häufig  und  wol  erkennbar,  aber  stets  ist  die  innere  Structur  der- 
selben obliterirt.  Einzelne  Gesteine  bestehen  ganz  aus  zusammen- 
gesintertem Korallengrus.  Höher  aufwärts  gegen  die  Rosszähne 
kommen  rothe  und  rothgefleckte  Dolomite  vor,  welche  durch  ihre 
Färbung   an   die  Raibler  Schichten   der  hiesigen   Gegend   erinnern. 

Durch  das  Thal  des  Satzerbaches  getrennt,  erhebt  sich  im 
Osten  ein  zweiter  parallel  verlaufender  Dolomitrücken,  welcher 
gleichfalls  von  dem  Hauptkamme  der  Rosszähne  abzweigt. 

Rosszähne 


8W. 


LXngaschnitt  vom  Schlerntnassiv  bis  in  die  Gebend  nördlich  von  der  Mahlknechthaue. 

(Inneres  des  Riffes;  Uebergang  des  Dolomites  in  die  Wengener  Schichten  durch  Vermittlung 
von  Rifl'stein-BlScken ;  Bildung  des  Dolomites  aus  Riffstein-Blöclcen.) 

a  =  Augitporphyriaven ;  b  =  Wengener  Schichten  mit  Riffstein-Blöckcn :  6'  =  Wengener  Dolomit ; 

c  —  Geschichteter  Dolomit  im  Innern  des  Riffes. 


Die  Bedeutung  der  Riffsteine  wird  durch  die  prachtvollen 
Aufschlüsse  am  südöstlichen  Abhänge  der  Rosszähne  in  lehrreichster 
Weise  demonstrirt.  Bis  über  das  Niveau  der  Mahlknechthütte  herauf 
reichen  die  Augitporphyriaven.  Ueber  ihnen  steigen  dunkle  Tuff- 
sandsteine und  Conglomerate  rasch  zu  der  langgezogenen,  viel- 
gezackten Mauer  der  Rosszähne  an.  Die  Schichtung  des  Gesteins 
ist  ausserordentlich  klar.  Das  Fallen  ist  gegen  Norden  gerichtet. 
Linsenförmige  und  blockförmige  Massen  von  grauem  und  braunem 
Riffstein  sind  zwischen  den  Tuffschichten  regelmässig  eingebettet 
und  ihrer  contrastirenden  Farbe  wegen  weithin  sichtbar.  Man  be- 
merkt deutlich,  wie  die  Tuffschichten  an  den  unregelmässig  geform- 
ten Riffsteinen  an-  und  absteigen.*)  Der  Riffstein  ist  hier  meistens 
sehr  dicht  und  arm  an  Fossilresten.  Cidariten-  und  Crinoidenreste 
sind  noch  das  häufigste.  Verfolgt  man  die  Wand  gegen  das  Tierser 
Alpel  zu,  so  behält  man  unter  seinen  Füssen  stets  die  Augitporphyr- 


*J    Unser  Lichtbild    mit   der   Unterschrift  „Oestliches  Ende  des  Kammes  der 
Rosszähne,  vom  Mahlknecht"  illustrirt  diese  Verhältnisse. 


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172 

halb   dolomitis' 
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I^^  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

jenseits  der  Schlemklamm  auffallen.  Er  wird  bemerken,  dass  östlich 
von  der  Schlemklamm  der  ungeschichtete  Dolomit  bis  auf  das 
Plateau  des  Schiern  reicht,  während  im  Westen  von  der  genannten 
Rinne  der  ungeschichtete  Dolomit  nicht  so  hoch  ansteigt  und  der 
Zwischenraum  zwischen  der  Tafelfläche  des  Schiern  und  dem  un- 
geschichteten Dolomit  durch  ein  System  geschichteter  Bildungen 
in  horizontaler  Lagerung  eingenommen  wird.  Man  wird  sofort  mit 
der  Bemerkung  bei  der  Hand  sein,  dass  die  Schlemklamm  mit  einer 
Verwerfungslinie  zusammenfalle  und  dass  die  geschichteten  Massen 
der  westlichen  Schlempartie  jünger  sein  müssten,  als  die  das  Plateau 
des  östlichen  Schiern  bildenden  ungeschichteten  Dolomite.  Dies  ist 
jedoch  keineswegs  richtig.  Die  Unterlage  der  Schlemmasse  zeigt 
nirgends  die  Spur  einer  nennenswerthen  Störung,  was  doch  der 
Fall  sein  müsste,  wenn  ein  so  namhafter  Sprung  die  Bergmasse 
durchsetzen  würde.  Aber  noch  klarer  wird  die  Annahme  einer  Ver- 
werfung widerlegt  durch  die  Untersuchung  der  Gipfelflächen  des 
Schiern  selbst. 

Durch  die  ganze  Schlemmasse  bis  zu  den  Rosszähnen  hin 
zeigt  sich  das  gleiche  Verhältniss  wie  am  oberen  Ende  der  Schlem- 
klamm. Auf  der  Seite  gegen  die  Seisser  Alpe  ragt  stets  der  unge- 
schichtete Dolomit  bis  auf  das  Plateau  des  Berges,  während  auf 
der  entgegengesetzten  Seite  geschichteter  Dolomit,  welcher  kappen- 
förmig  der  ungeschichteten  Hauptmasse  aufgesetzt  ist,  bis  auf  die 
Schlemfläche  hinanragt  Beide  Bildungen,  der  randliche  Dolomit- 
wall, welcher  auf  der  gegen  die  Seisser  Alpe  gerichteten  Aussen- 
seite  des  Dolomitriffes  steht,  und  die  geschichteten  Dolomite  der 
Innenseite  werden  gleichförmig  von  söhlig  gelagerten  Raibler  Schich- 
ten und  geringen  Resten  von  Dachsteinkalk  bedeckt.  Daraus  geht 
zunächst  klar  hervor,  dass  wir  es  mit  gleichzeitig  gebildeten  Ge- 
steinen zu  thun  haben. 

Die  geschichteten  Dolomite  werden  durch  eine  dünne  Lage 
von  Augitporphyr  constant  von  dem  damnter  liegenden  ungeschich- 
teten Dolomit  getrennt.  Bisher  kannte  man  nur  die  Vorkommen 
von  Augitporphyr  in  der  Schlemklamm  und  nächst  der  St.  Cassians- 
kapelle.  Seit  L.  v.  Buch,  welcher  seine  kühne  Dolomitisimngs- 
Hypothese  auf  die  Augitporphyre  der  Schlemklamm  gründete, 
galten  diese  Vorkomnmisse  als  den  Dolomit  durchsetzende  Gänge. 
In  Wirklichkeit  ist  aber  das  Auftreten  des  Augitporphyrs  auf  dem 
Schlem  ein  unzweideutig  schichtförmiges  und  seine  Verbreitung  eine 
allgemeine  im  Gebiete  der  geschichteten  Dolomite.  Wo  die  Grenze 
gegen  den  randlichen  Dolomitwall  entblösst  ist,  wie  in  der  Schlem- 


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174 


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Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 


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klamm*)  und  in  einem  Erosionsrisse  am  südöstlichen  Zweige  des 
Schlem,  da  sieht  man  den  Augitporphyr  in  gleicher  Weise  am 
Dolomitwalle  abstossen,  wie  die  geschichteten  Dolomite.  Auf  dem 
Tschafatsch  und  auf  dem  Mittagskofel  sind  die  geschichteten  Dolo- 
mite denudirt  und  bildet  der  Augitporphyr  das  Gipfelgestein. 

Sattel  rwitchea  Schiern  und  Rosengarten 


8W. 


LXngsachnitt,  Bildlich  vom  vorigen»  vom  Schlemmassiv  zur  SeiMer  Alpe. 
(Ueberfliesten  der  Augitporphyrlaven  in  das  Innere  des  Schiernriffes.) 

a  =  Augitporphyrlaven;  6*  =  Wengener  Dolomit. 


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Die  Augitporphyrdecke  des  Schiern  bildet  die  directe  Fort- 
setzung der  obersten  Augitporphyrlaven  der  südlichen  Hälfte  der 
Seisser  Alpe.  Sie  steht  mit  denselben  über  den  Sattel  des  Tierser 
Aipeis,  welcher  das  Schlem-  von  dem  Rosengarten-Gebirge  scheidet, 
in  ununterbrochenem  Zusammenhange.  Nur  an  einer  Stelle  ist  gegen- 
wärtig diese  Verbindung  unterbrochen.  Es  ist  dies  der  vorerwähnte 
Erosionsriss  im  südöstlichen  Zweige  des  Schlem  an  der  Abdachung 
gegen  das  Tschamin-Thal.  An  dieser  sehr  instructiven  Localität 
sind  die  geschichteten  Dolomite  sammt  dem  darunter  liegenden 
Augitporphyr  durch  Auswaschung  entfernt  und  der  dahinter  liegende 
ungeschichtete  Dolomit  ist  entblösst.  Links  und  rechts  reichen  der 
Augitporphyr  und  der  geschichtete  Dolomit  bis  an  den  Rand  der 
Schlucht  heran  und  entsprechen  sich  vollständig. 

Für  die  Altersbestimmung  des  ungeschichteten  Schlemdolomits, 
d.  i.  der  weitaus  bedeutendsten  Masse  des  den  Schlem  bildenden 
Dolomits,  ist  der  Zusammenhang  des  Augitporphyrs  des  Schiern 
mit  dem  Augitporphyr  der  Seisser  Alpe  von  grösster  Bedeutung. 
Denn  es  folgt  aus  dem  Mitgetheilten  mit  Nothwendigkeit,  dass  die 
Hauptmasse  des  Schlemdolomits  gleichzeitig  mit  dem  System  der 
Augitporphyrlaven  der  Seisser  Alpe  gebildet  wurde.    Ich  bezeichne 


*)  Die  beiden  zusammenhängenden  Lichtbilder  „Die  Schlernklamm  vom 
Jungen  Schiern''  zeigen  deutlich  das  Abstossen  der  geschichteten  Dolomite  vom 
ungeschichteten   randlichen  Wall.    An    der  Basis   des  geschichteten  Dolomits   zieht 


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176 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden, 


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Schlerntpitze 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  jy^ 

detngemäss  auch  diesen  Dolomit  als  Dolomit  der  Wengener  Schieb* 
.ten  o4er  kurz  Wengener  Dolomit,  wobei  ich  von  der  durch  eine 
Reihe  von  Thatsachen  unterstützten  Anschauung  ausgehe,  dass  die 
Kruptionen  des  Augitporphyrs  auf  den  Bildungszeitraum  der  Wen- 
gener Schichten  beschränkt  waren. 

Was  die  geschichteten  Dolomite  des  Schiern  betrifft,  so  wird 
ein  aliquoter  unterer  Theil  derselben  mit  den  Tuffsandsteinen  und 
TufTconglomeraten  der  Rosszähne  gleichaltrig  sein,  mithin  noch  den 
Wengener  Schichten  angehören.  Die  verbleibende  obere  Abtheilung 
ist  alsdann  als  Vertreter  der  Cassianer  Schichten  zu  betrachten. 

Die  gleiche  Betrachtungsweise  g^ilt  für  die  Altersbestimmung 
des  randlichen  Dolomitwalles,  mit  der  Modification,  dass  man  die 
ideale  Grenzlinie  zwischen  den  Wengener  und  Cassianer  Schichten 
in  einem  etwas  höheren  Niveau  anzunehmen  hat  Denn  der  Dolomit- 
wall nimmt  im  Verhältniss  zu  den  geschichteten  Dolomiten  .  eine 
überhöhte  Stellung  ein. 

Auf  der  Schiern- Abdachung  gegen  die  Seisser  Alpe  dagegen 
hat  man  mit  dieser  Grenzlinie  wegen  des  Abdachungswinkels  der 
Ueberguss-Schichten  etwas  tiefer  hinabzurücken. 

Die  obere  Fläche  des  Dolomitwalles  bildet  keine  tischebene 
Fläche  wie  gewöhnliche  Schichten.  Sie  erscheint  zwar  als  Ganzes 
genommen  durch  eine  bestimmte  Niveaulinie  gegen  oben  begrenzt, 
aber  sie  besitzt  vielfache  kleine  Vertiefungen  und  Erhebungen,  welche 
um  die  mittlere  Niveaulinie  oscilliren. 

Deshalb  schwankt  auch  die  untere  Begrenzung  der  Raibler 
Schichten  auf  dem  Dolomitwalle  innerhalb  geringer  Höhenunter- 
schiede, während  die  Auflagerung  derselben  auf  den  geschichteten 
Dolomiten  eine  vollkommen  ebenflächige  und  parallele  ist. 

Erkennbare  Fossilien  sind  im  Allgemeinen  Gelten  im  Dolomite 
des  Schiern.  Korallen  walten  noch  am  meisten  vor.  Auf  dem  Wege 
von  der  Seisser  Alpe  über  die  äussere  Schlemabdachung  sieht  man 
häufig  verzweigte  und  gekammerte  Hohlräume,  welche  Herr  Dr. 
A.  Bittner  auf  das  bestimmteste  für  Reste  von  Korallen  erklärt. 
Das  Gestein  hat  hier  überall  entschieden  den  Typus  eines  korallo- 
genen  Kalkes.  Die  Behauptung,  dass  die  Dolomite  des  Schlem- 
gehänges  von  Diploporen  erfüllt  sind,  ist  demgemäss  zu  modificiren. 
Das  Vorkommen  vereinzelter  Diploporen  kann  immerhin  als 
möglich  eingeräumt  werden.  Aber  der  Typus  der  Diploporenkalke 
weicht  erheblich  vom  Gesteinscharakter  des  Schlemgehänges  ab. 
Auf  dem  südöstlichen  Schlemkamme,  auf  welchem  der  Dolomitwall 
auf  grosse  Strecken  hin  bloss  liegt,  sind  grosse  Stöcke  verästelter 
Korallen  in  aufrechter  Stellung  nicht  selten.  Ausser  Korallen  finden 

Mojsisovics.  Dolomitriffe.  12 


178  ^^^  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.' 

Sich  im  ungeschichteten  Schlemdolomite  hoch  vereinzelte,  von  grossen 
Gasteropoden  (Chemnitzien)  herrührende  Hohlräume. 

Die  geschichteten  Dolomite  weichen  in  ihrem  Habitus  bereits 
etwas  ab  von  dem  Typus  der  korallogenen  Kalke  und  nähern  sich 
dem  Aussehen  der  Diploporenkalke ,  welche  im  Latemar-Gebirge, 
auf  dem  Joch  Grimm,  auf  dem  Cislon  und  im  Mendelgebirge  zu 
den  herrschenden  Gesteinsarten  zählen.  In  der  That  sind  auch 
Diploporen  aus  der  Gruppe  der  Annulatae  Ben  ecke's  in  diesen 
Schlemgesteinen  keine  Seltenheiten, 

Die  Raibler  Schichten  nehmen,  wie  ein  Blick  auf  die  Karte 
zeigt,  einen  grossen  Theil  der  Tafelfläche  des  Schiern  ein.  Man  hat 
sie  deshalb  auch  in  neuerer  Zeit  als  ^Schlemplateau-Schichten* 
bezeichnet  Die  von  dem  Gesteinscharakter  der  Raibler  Schichten 
von  Raibl  abweichende  petrographische  Beschaffenheit  der  Raibler 
Schichten  des  Schiern  rechtfertigt  aber  noch  nicht  die  Anwendung 
einer  besonderen  Bezeichnung.  In  den  Raibler  Schichten  unseres 
Gebietes  herrscht  einige  Manigfaltigkeit  der  Gesteinsarten  ^  aber 
nur  wenige  von  diesen  besitzen  eine  grössere  Constanz  in  horizontaler 
Richtung.  Auf  dem  Schiern  kommen  insbesondere  zwei  Gesteins- 
arten vor,  welche  zu  den  relativ  verbreitetsten  gehören.  Dies  sind 
die  rothen  oder  weissen  sandigen  Dolomite  und  die  rothen  thon- 
reichen  Oolithe  mit  den  sogenannten  Bohnerzen.  Das  letztere  Gestein 
zersetzt  sich  an  der  Luft  sehr  leicht  zu  violettrothem  Lehm,  in  wel- 
chem Rotheisensteine  von  Bohnen-  bis  Eigrösse  enthalten  sind.  Die 
sandigen  Dolomite  umschliessen  meines  Wissens  keine  erkennbaren 
Fossilien.  Sie  scheinen  aus  cementirtem  Dolomitsand  (Kalksand) 
gebildet  zu  sein  und  rühren  vielleicht  von  Korallengrus  her.  Die 
Oolithe  fuhren  stellenweise  Fossilien  und  gehen  dann  auch  in  förm- 
liche Lumachellen  über.  Die  Kalkschalen  der  Conchylien  sind 
erhalten.  Bezeichnend  für  den  Charakter  der  Ablagerung  ist  die 
Häufigkeit  zerbrochener  Molluskenschalen.  Die  bekannteste  und 
reichste  Fundstelle  von  Fossilien  ist  das  westliche  Schlemplateau, 
wo  man  am  Rande  der  Schlemklamm  die  ausgewitterten  Schalen 
sammelt.     Zu  den  häufigsten  Vorkommnissen  gehören  hier: 

Pachycardia  Haueri  nav.  sp.*) 
Trigonia  Kefersieini 
Chetnnitzia  alpina. 

Weniger  häufig  sind: 

Hoemesia  Johannis  Austriae 


*)  Diese   Muschel   wurde  bisher    mit   dem  Namen  der  ihr   nahe   stehenden 
VorUuferin  aus  den  Wengener  Schichten  Pachycardia  rugosa  Hau,  bezeichnet. 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  iprg 

Corbis  Mellingi  ... 

Corbula  Richthof eni 
Cypricardia  rablensis. 

Von  Cephalopoden  kenne  ich: 

Aulacoceras  Ausseeanum 
„  retictäatum 

Arcestes  cymbifortnis 

„        Klipsteifii  .      ^ 

„  Ausseeanus  f 
die  beiden  letzteren  Formen  durch  die  Güte  des  Herrn  Prof.  Dr. 
Benecke,  welcher  sie  selbst  an  Ort  und  Stelle  gesammelt  hatta 
Diese  Cephalopoden^  welche  sämmtlich  der  Zone  des  Trachyceras 
Aonoides  der  Hall  stätter  Kalke  angehören,  lassen  keinen  Zweifel 
darüber,  dass  die  Raibler  Schichten  des  Schiern  auch  echte  Raibler 
Schichten  sind.  In  der  Einleitung  ist  gezeigt  worden,  dass  die  Halt 
stätter  Kalke  der  Zone  des  Trachyc.  Aonoides  und  die  Raibler 
Schichten  heteropische,  gleichzeitige  Bildungen  sind. 

Auf  dem  östlichen  Schlemplateau  sind  die  Oolithe  grossen- 
theils  durch  Denudation  entfernt;  doch  finden  sich  die  charakteristischen 
Bohaerze  noch  häufig  in  Vertiefungen  des  Bodens  zusammenge- 
schwemmt. Weisse  und  gelbe  sandige  Dolomite  sind  hier  sehr  ver- 
breitet Auch  Gesteine '  mit  Homstein-Einschlüssen  kommen  vor. 
Die  Unterlage  dieser  Raibler  Schichten  bildet  der  Wall  aus  un- 
geschichtetem Dolomit. 

Ein  interessantes,  aber  sehr  beschränktes  Vorkommen  von 
Raibler  Schichten  findet  sich  an  der  ^Rothen  Erde*  im  südöstlichen 
Schlemzuge.  Die  Höhe  des  Rückens  bildet  der  randliche  Dolomit- 
wall. An  dessen  Südseite  angelagert  erscheint  unterhalb  des 
weissen  Dolomitrückens  der  rothe  Oolith  der  Raibler  Schichten,  aus 
wallnussgrossen  concentrisch-schaligen  Kugeln  zusammengesetzt  Die 
Unterlage  dieser  Raibler  Schichten  bilden  die  geschichteten  Dolomite. 

Rothe  Erde  Abfall  zur  Seisser  Alpe 


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DttKhichnitt  durch  den  Schlcr&rOcken  sn  der  Rothen  Erde. 

y»  Ä  Wengentr  Dolomit;  e  =  Augitporphyrlavcn ;  g  -  Geschichteter  Wengener-  uad  Cassianer 
Dolomit;^  3  Dem  letzteren  entsprechender  ungeschichteter  Dolomit;  A  =  Raibler  Schichten. 


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{go  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  GrOdeo. 

Vom  Dachsteinkalk  finden  sich  auf  ier  Höhe  des  Schiern  vier 
isolirte  Reste.  Der  nördlichste  bildet  den  Burgstall,  eine  kleine  auf  der 
Nordspitze  des  östlichen  Plateau  aufragende  Kuppe.  Die  grösste 
Masse  liegt  im  Süden  der  Schlemldamm.  Ein  riesiges  Steingewürfel 
baut  sich  zu  einer  stumpfen,  breitbasigen  Pyramide  auf^  Dies  ist 
die  Schlemspitze  im  engsten  Sinne.  ^  Das  Gestein  ist  stark  zerfallen 
und  geht  baldiger  gänzlicher  Zerstörung  en^egen.  Auf  der  Südseite 
hat  man  ein  grosses  Steinmeer  zu  durchklettern,  ehe  man  auf 
grössere,  zusammenhängende,  aber  auch  wieder  stark  verstürzte 
Felsmassen  kommt  Zwei  weitere  Reste  liegen  südöstlich  auf  der 
Höhe  des  Schlemrückens.  Von  Versteinerungen  sind  Steinkeme  von 
Megalodonten  und  Hohldrücke  von  Schnecken  (Turbo  solitarius)  zu 
erwähnen  *). 

Ueber  die  steilwandigen,  westlichen  und  südlichen  Abstürze 
der  Schlemmasse  lässt  sich  wenig  Belangreiches  berichten.  Der 
Steilrand  ist  ein  Werk  der  Denudation.  Er  deutet  auf  einstige,  weitere 
Ausdehnung  des  Dolonüts  hin.  Der  obere  ungeschichtete  Dolomit 
entspricht,  wie  die  Untersuchung  der  Nordostseite  ergeben  hat,  den 
Wengener  Schichten.  Die  untere  Dolomitbank  vertritt  die  Buchen- 
steiner Schichten  und  den  oberen  Muschelkalk.  Unterer  Muschelkalk 
und  Werfener  Schichten  behalten  die  gleichen  Charaktere,  wie  im 
Grödener  Thale. 

Ein  prachtvoller,  weithin  (bis  Bozen)  sichtbarer  Aufscbluss  in 
den  Werfener  Schichten  findet  sich  in  der  Nähe  des  Felseckhofes 
im  Tierser  Thal. 

Nicht  unbedeutenden  Modificationen  unterliegen  an  def*  West- 
seite des  Schiern  die  Bellerophon  -  Schichten.  Die  Mächtigkeit 
derselben    nimmt    bedeutend    ab,    indem     einzelne    Gesteinsarten, 

*)  Die  beiden  zusammengehörigen  Lichtbilder  „Das  südliche  Schlernplateau 
mit  dem  Rosengarten"  zeigen  zun&chst  auf  der  Ostseite  den  Abfall  der  Schiern- 
masse gegen  die  Seisser  Alpe,  in  welchem  man  deutlich  die  steile  Ueberguss- 
Schichtung  wahrnimmt.  In  der  Tiefe  vor  den  Rossz&hnen  ist  die  Anlagerung  der 
weichen  Wengener  Schichten,  resp.  das  Untergreifen  der  Dolomitböschung  unter 
die  Mergel  bemerkbar.  Der  zur  „Rothen  Erde"  hinziehende  wellige  Schiernrücken 
bildet  den  randlichen  Aussenwall  des  Riffes.  Der  grosse  Schutthaufen  im  Vorder- 
grunde stellt  eine  zerfallene  Dachsteinkalk-Kuppe  vor.  Raibler  Schichten  nehmen 
die  vordersten  grasbewachsenen  Partien  der  Ansicht  ein.  In  der  sanften  Böschung 
unterhalb  der  Dachsteinkalk -Kuppe  liegen  unter  den  Raibler  Schichten  die 
geschichteten  Dolomite  und  die  Augitporphyrdecke.  Den  Steilabfall  bildet  sodann 
ungeschichteter  Dolomit.  —  Im  Hintergrunde  erscheint  in  gleichfalls  söhliger  Lagerung 
das  Dolomitriff  des  Rosengarten,  dessen  Basis  um  800  Meter  höher  liegt,  als  die 
Basis  di^  Schiern.  Man  erkennt  deutlich  die  vorspringende  Bank  des  unteren 
Dolomits  (Mendola-Dolomit),  unterhalb  welcher  die  Werfener  Schichten  u.  s.  f> 
folgen. 


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Dolomits  (Mendola-Dolomit),    unterhalb   welcher   die   Werfener  Scdicuicu 

folgen. 


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Das  Gebirge  zwischen  Fasse  und  Gröden.  i8i 

namentlich  die  dunklen  fossUfiihrenden  Kalke  nach  und  nach  aus- 
keilen. Die  gypsfiihrende  Zone  setzt  allein  mit  grosser  Constanz 
fort,  aber  auch  ihre  Mächtigkeit  ist  etwas  reducirt.  Gelbliche 
dolomitische  Gesteine  und  graue  Gypsmergel  begleiten  die  Gypse. 
Sie  fuhren  eine  aus  kleinen  Zweischalem  bestehende  Fauna. 


4.  Das  Dolomitriff  des  Rosengarten. 

Schiern  und  Rosengarten  bilden  zwar  in  genetischer  Beziehung 
ein  zusammengehöriges  Ganzes,  tektonisch  und  orographisch  sind 
sie  aber  geschieden,,  so  dass  es  nicht  unzweckmässig  ist,  jede  dieser 
Gebirgsmassen  für  sich  zu  betrachten.  Die  orographische  Grenzlinie, 
welche  durch  das  Tschamin-Thal  über  den  Sattel  des  Tierser  Aipeis 
in  das  oberste  Duronthal  läuft,  fallt  mit  der  tektoiyschen  Scheidung 
nicht  genau  zusammen.  Diese  liegt  etwas  südlicher. 

Wie  bereits  bei  der  Besprechung  des  Bozener  Porphyrplateau 
hervorgehoben  wurde,  bezeichnet  das  Tierser  Thal  den  Verlauf  eines 
merkwürdigen  Schichtenfalles,  in  Folge  dessen  die  nördlich  von  dem- 
selben befindlichen  Schichtensysteme  eine  allgemeine  Senkung 
erfahren.  Während  der  Regel  nach  dicht  benachbarte  Tafelmassen 
von  horizontaler  Lagerung  und  identischer  Zusammensetzung,  aber 
abweichender  Höhe  durch  Verwerfungen  getrennt  sind,  tritt  hier  in 
bestimmter  linearer  Richtung  ein  regelmässiges  Nordfallen,  mit- 
hin eine  allgemeine  Abwärtsbeugung  der  Schichten  ein,  welche 
das  höhere  südliche  Plateau  in  das  niedrige  nördlichere  Plateau 
überfuhrt.  Es  entsteht  eine  Uebergangszone  mit  geneigten  Schichten 
zwischen  zwei  horizontalen  Massen  von  verschiedener  Höhe. 

Der  Rosengarten  ist  die  höhere  südliche  Tafelmasse;  die 
Uebergangszone  verläuft  auf  der  Nordseite  des  Purgametschthales, 
in  dessen  oberstem  Quellgebiete  bereits  der  ziemlich  steile  Schichten- 
fall beginnt.  Da  die  Hauptmasse  des  Rosengarten  aus  ungeschichtetem 
Dolomit  besteht,  so  lässt  sich  nur  aus  der  Lagerung  der  tieferen 
Schichten  die  Neigungsänderung  erkennen.  Die  schmale  untere 
Dolomitbank  (Mendola^-Dolomit),  welche  sich  im  Rosengartengebirge 
besonders  scharf  von  dem  oberen  mächtigeren  Dolomit  abhebt, 
gestattet  selbst  aus  grösserer  Entfernung  den  Eintritt  des  plötzlichen 
Schichtenfalles  zu  erkennen.  Von  allen  westlich  gelegenen  Aussichts- 
punkten aus  sieht  man  deutlich  die  von  Süden  nach  Norden  laufende 
söhlige  Bank  des  unteren  Dolomits.  Liegt  Schnee  auf  dem  Gebirge, 
so  zieht  sich  auf  der  vorspringenden  Schichtfläche  ein  continuirliches 
Schneeband  hin,   durch   welches   das  Bild  an  Deutlichkeit  gewinnt. 


Dil  Gebirge  iwUcIien  Ftiu  und  Grdden. 


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Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  iga 

Plötzlich  erscheint  im  Norden  die  Dolomitbank  abgeschnitten  und 
der  ungeschichtete  Dolomit,  welcher  bisher  blos  die  Höhen  krönte, 
sinkt  bis  in  die  Tiefe  des  Einschnittes  von  Tschamin,  von  wo  aus 
er  wieder  in  söhliger  Lagerung  im  Schlemgebirge  fortsetzt.  Da  die 
obere  Gebirgscontour  trotzdem  keine  Erniedrigung' .  zeigte  so  folgt 
daraus  die  viel  bedeutendere  Mächtigkeit  des  ungeschichteten  Dolo- 
mits  in  und  nächst  der  Region  des  Schichtenfalles  im  Vergleiche 
zu  den  über  der  söhligen  Mendola-Dolomitbank  sich  erhebenden 
Dolomitresten-  Wir  werden  bald  erfahren,  dass  diese  Folgerung 
durch  andere  Thatsachen  bestätigt  wird. 

Die  Grösse  und  Bedeutung  dieser  Niveauverschiebung  lässt 
sich  am  besten  aus  der  Niveaudifferenz  ermessen,  welche  zwischen 
den  horizontal  gelagerten  Partien  des  Rosengarten-  und  Schlem- 
gebirges  besteht  Wir  wählen  zur  Vergleichung  die  Niveaulinie  der 
Auflagerung  des  unteren  Muschelkalkes  auf  den  Werfener  Schichten. 
Im  westlichen  Rosengartengebirge  liegt  dieselbe  zwischen  den 
Isohypsen  von  2200 — 2300  Meter,  im  Schlemgebirge  zwischen 
1460 — 1500  Meter.   Die  Fallhöhe  beträgt  daher  800  Meter. 

In  östlicher  Richtung  erfährt  indessen  auch  das  Rosengarten- 
Gebirge  eine  allmähliche  Senkung,  deren  Gesammtbetrag  nahezu  der 
Fallhöhe  des  Schierngebirges  gleichkommt.  An  der  Südspitze  des 
Rosengarten  beträgt  die  Höhe,  in  welcher  der  untere  Muschelkalk 
den  Werfener  Schichten  auflagert,  noch  zwischen  2200 — 2300  Meter, 
am  Monte  di  Campedie  bei  Vigo  di  Fassa  nur  mehr  1800  Meter, 
am  Ostrande  des  Campedie-Rückens  1600  Meter.  Weiter  nördlich 
ist  die  Senkung  eine  massigere.  Unmittelbar  nördlich  vom  Ostende 
des  Muschelkalkes  auf  dem  Campedie-Rücken,  auf  der  linken  Thal- 
seite des  Vajolett-Thals,  beginnt  der  untere  Muschelkalk  bei  1700 
Meter  imd  erst  oberhalb  Mazzin  am  östlichen  Ausläufer  des  Rosen- 
gartenriffs bei  1600  Meter. 

Im  Gegensatze  zu  dem  rapiden,  sturzförmigen  Absinken  des 
Schlemgebirges,  ist  die  allmähliche  Neigung  des  Rosengartengebirges 
gegen  Osten  kaum  merkbar,  da  sich .  dieselbe  auf  eine  grössere 
Strecke  vertheilt. 

Gegen  Westen  und  Süden  bricht  das  Rosengartengebirge  mit 
steilen  Denudationswänden  ab,  im  Norden  hängt  es  mit  der  Schlem- 
masse zusammen.  Im  Osten  ist  die  geneigte  Aussenfläche  des  Riffs 
grossehtheils  noch  erhalten;  nur  im  oberen  Durori-Thale,  soweit  dieses 
Thal  der  Grenze  zwischen  dem  Dolomit  und  den  Augitporphyrlaven 
folgt,  ist  die  ursprüngliche  Böschung  der  duh:h  die  Denudation  gebildeten 
Steilwand  gewichen.  Sehr  schön  ist  die  unter  etwa  45  Grad  geböschte 
Aussenfläche  des  Riffes  längs  der  Anlagerung  der  Augitporphyrlaven 


i84 


Das  Gebirge  zwischen  Fsssa  und  Gröden. 


des  Monte  Donna-Massivs  zu  sehen.  Die  Ueberguss-Schichtung  zeigt 
sich  auch  hier  in  prächtiger  Entwicklung.  Die  beigefugte,  vom  Gehänge 
des  Dolomitriffes  aus  aufgenommene  Ansicht  (,  Sattel  zwischen  dem 
Duron*  und  demUdai-Thal*)  lässt  sowol  die  Böschungsfläche  desRiffs» 
als  auch  die  Anlagerung  der  deutlich  geschichteten  Augitporphyr- 
laven  erkennen.  Das  bei  Mazzin  in  das  Fassa-Thal  mündende  Udai- 
Thälchen  entspringt  im  Gebiete  der  Augitporphyrlaven  und  durch- 
bricht sodann  den  östUchen  Ausläufer  des  RosengartenrifTs,  welches 
noch  vor  der  Mündung  des  Donna-Thales  zu  Ende  geht.  Da  die  an- 
gelagerten schwarzen  Augitporphyriaven  lebhaft  von  dem  weissen 
Dolomite  abstechen,  so  hat  man  eine  sehr  günstige  Gd^enheit,  die 
untere  Grenze  eines  grossen  Dolomitriffes  zu  beobachten. 

Das  Riffende,  sowie  überhaupt  die  Hauptmasse  des  Rosen- 
gartenriffes gehört  den  Wengener  Schichten  an.  Die  Buchenstcäner 
Schichten  sind  durch  die  Knollenkalke  vertreten.  Der  untere 
Dolomit  repräsentirt  daher  blos  den  oberen  Muschelkalk.  Die 
nahezu  söhlige  obere  Schichtfläche  desselben,  welche  auf  der  linken 
und  rechten  Thalseite  von  Udai  sehr  scharf  hervortritt  und  sich 
dann  weiter  gegen  Osten  hin  als  Unterlage  der  Augitporphyrlaven 
verfolgen  lässt,  gestattet  den  Unterschied  zwischen  normaler  Schicht- 
fläche und  Böschung  des  Riffs,  welche  durch  die  Contactlinie  der 
oberen  Dolomitpartie  östlich  von  Udai  dargestellt  wird,  zu  über- 
blicken. 


Gehänge  des 
Rosengarten 


Udti-Thal 


w. 


Durdwchnitt  durch  das  Udai-Th«I  bd  Massin. 

(Anlagerung  der  Augitporphyrlaven  an  die  Bötchungtflichen  des  Riffes.) 

a  =  Werfener  Schichten;  b  zz  Unterer  Muschelkalk;  e  =  Oberer  Muschelkalk;  g  =  Buchensteiner 

Schichten ;  e  =  Augitporphyrlaven ;  p  =  Wengener  Dolomit. 


Die  Buchensteiner  Schichten  sind  nur  an  der  Westseite  des 
Rosengartens  durch  Dolc»nit  vertreten.  Längs  der  dem  Fassa-Thale 
zugewendeten  Abstürze  sind  allenthalben  die  Knollenkalke  zwischen 
dem  unteren  und  oberen  Dolomit  vorhanden.  An  der  scharfen  Süd- 
westecke nächst  dem  Caressa-Passe  (P.  Costalunga  der  Karte)  sieht 


i84 


Das  Gebirge  zwischen  Fasse  und  Gröden. 


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Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 


i8s 


man  sie  noch  deutlich  über  der  unteren  Dolomitbank.  Sie  ziehen 
sodann  auf  der  Westseite  noch  gegen  die  Rothe  Wand  in  unver« 
minderter  Stärke  fort.  Unterhalb  der  Rothen  Wand  liegen  sie  unter 
Schuttbedeckung.  Nördlich  von  dem  die  Rothe  Wand  im  Norden 
begrenzenden  tiefen  Einschnitt  nimmt,  wie  die  beiliegende  Ansicht 
(,Die  Rothe  Wand,  Südspitze  des  Rosengarten,  von  W.*)  zeigt,  der 
untere  Dolomit  an  Mächtigkeit  bedeutend  zu,  indem  er  in  die  fort- 
gesetzt  gedachte   Zone   der   Buchensteiner  Schichten    hinaufreicht. 


Rothe  Wand 


Caressa-PaM 


N. 


2 


^\  -J-^'  A 


S. 


a  ^ 


Llngaachnitt   durch    das   BOdliche  Roicngartcagebirge. 
(Uebergang  der  Bachensteiner  Schichten  in  Do!omit.) 

Werfener  Schichten;  &<=  Unterer  Muschelkalk;  c  =  Oberer  Muschelkalk;  d  =  Buchensteiner 
Schichten;  d^  =  Buchensteiner  Dolomit;  e  =  Wengener  Dolomit. 


Die  Buchensteiner  Schichten  sind  auf  ein  schmales  Band  reducirt, 
welches  oberhalb  der  verstärkten  unteren  Dolomitbank  noch  eine 
Strecke  weit  gegen  Norden  fortzieht,  bis  es  gänzlich  auskeilt.  Der 
obere  Zuwachs  der  unteren  Dolomitbank  lässt  sich  anfangs  noch 
leicht  von  der  älteren,  dem  oberen  Muschelkalk  angehörenden  Zone 
unterscheiden.  Es  zeigt  sich  Ueberguss-Schichtung  und  blockförmige 
Zusammensetzung  mit  eingreifenden,  wol  von  ausgewitterten  Zungen 
der  Buchensteiner  Schichten  herrührenden  Höhlungen. 

Im  Norden  der  Rothen  Wand  sind  sonach  Buchensteiner 
Schichten  und  oberer  Muschelkalk  in  eine  einzige,  ungetheilte  Do- 
lomitbank verschmolzen. 

Die  tieferen  Schichten  ziehen  in  einförmiger .  Gleichförmigkeit 
fort  Die  Bellerophon-Schichten  werden  gegen  Süden  wieder  mäch- 
tiger. Auf  dem  Caressa-Passe ,  dessen  Jochhöhe  Von  Bellerophon- 
Schichten  gebildet  wird,  und  an  dem  nach  Vigo  führenden  Wege, 
zeigen  sich  gute  Entblössungen.  Ausser  den  reichlich  vertretenen 
Gypsen  erscheinen  auch  dunkle  Kalke  und  Polomite,  sowie  Rauch-, 
wacken. 

Von  jüngeren  Bildungen,  als  Wengener  Dolomiten,  haben  sich 
blos  im  Nordosten  des  Rosengartenmassivs  geringe  Reste  erhalten. 


l86  ^^9  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Im  Molignon-Rücken,  welcher  die  Zuflüsse  des  Tschamih-Bach'es  vom 
Duron-Gebiete  scheidet,  ist  ein  Relict  des  ehemaligen  Dolomitplateau 
mit  einem  sehr  geringen,   der  Aufmerksamkeit  leicht  entgehenden 
Aufsatze   von  Raibler  Schichten  und   Dachsteinkalk   sichtbar.    Der 
Punkt   ist   durch   die  Höhencote  2720   auf  der  Karte  markirt.     Die 
Plateaufläche  ist  gegen  Norden  leicht  geneigt.  Es  befindet  sich  der 
Molignon    bereits   im   Norden   des    grossen,    vorhin    besprochenen 
Schichtenfalls.  Der  Dolomit  erreicht  daher  hier  die  grösste  Mächtig- 
keit  im  Rosengartengebirge.    Würde   die  Unterlage   des   Molignon 
sich   in   gleicher  Höhenlinie   mit   dem   südlicheren  Hauptstocke   be- 
finden,  so   würde  er  mit  dem  Marmolata-Hom  an  Höhe  wetteifern. 
Erwähnenswerth  ist  vom  Molignon  noch,   dass   man  an  seiner 
Ostseite,   trotzdem   dieselbe  bereits  in   das   Steilwand-Stadium   ein- 
getreten ist,  die  Spuren  und  die  Richtung  der  Uebergfuss-Schichtung 
noch  deutlich  wahrnimmt.  Die  Neigung  der  Uebergfuss-Schichten  ist 
gegen  Nordosten  gerichtet  und   bedeutend  steiler,   als   die  Neigung 
der   oberen   Plateaufläche.    Da   der   Molignon   die   Einsattlung  des 
Tierser  Alpeis  begrenzt,    durch   welche  Augitporphyrlaven   in   das 
Innere  des  Schlemriffes  eingedrungen  sind,   so  gewinnt  die  nordöst- 
liche Neigung  der  Uebergfuss-Schichten  ein  besonderes  Interesse  für 
die  Bildimgsgeschichte  des  Schlem-Ros^igartenrifTs.  Wenn  ein  Canal 
das  alte  Riff  an  dieser  Stelle  durchbrach,  um  den  Zugang  zur  Lagune 
herzustellen,    so  verhielten  sich  die  Canalwanduhgen,  insbesondere 
wenn  die  eindringende  starke  Strömung  sich  an  ihnen   heftig  brach 
und   eine  Rückstauung  herbeiführte,   wie    die  Windseiten  der  Riffe. 
Für  das  Verständniss  des  Zusammenhangs  der  Südtiroler  Riffe 
ist   noch   das   localisirte  Vorkommen   geschichteter  Dolomite  inner- 
halb  des  Rosengartenstockes  von  Bedeutung.    Nördlich  vom  Monte 
altö  di  Cantenazzi   findet   sich   in   dem   schmalen  Rücken  zwischen 
dem   Vajolett-Thal   und  dem   Welschenofener   Poiphyrplateau   eine 
Gruppe  auffallender  Felszacken.    Sie  ist  von  sehr  geringer  Ausdeh- 
nung und  dadurch  ausgezeichnet,  dass  ihre  oberen  Partien  horizontal 
geschichtet  sind.   Ich  halte  sie  für  älter  als  die  geschichteten  Dolo- 
mite  des   Schiern,    aber   ebenso   wie   diese   für   Lagunenbildungen. 
Bereits    das    benachbarte   Latemar-Gebirge    besteht    durchaus    aus 
solchen   geschichteten  Kalken   und  Dolomiten   und   ebenso  alle  die 
Dolomitberge  gleichen  Alters  im  Westen  der  Etsch.    Die  geschich- 
teten Felszacken   nördlich  vom   Monte   alto  di  Caiitenazzi   können 
als   der   östliche  Rand   der  allmählich   gegen   Osten   vorrückenden 
Lag^nenbUdung  betrachtet  werden. 

'  Die  ilbrigen  Dolomitmassen  des  Rosengarten  sind  ungeschichtet. 
BlockstFuctür  tritt  an  vielen  Orten  auf 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  j^y 

Die  Fassaner  Abdachung  des  Rosengarten  fallt  bereits  in  die 
Region  der  Melaphyr-  und  Augitporphyr-Gänge.  Von  Udai  durch 
das  Vajolett-Thal  und  über  die  Berge  von  Vigo  zieht  sich  diese 
äusserste  Zone  von  Gärigen  bis  über  den  Caressa-Pass.  Im  Norden 
der  Breite  der  Rothen  Wand  habe  ich  keine  Gänge  mehr  wahr- 
genommen. 

5.  Das  Südgehänge  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse. 

Den.  einfachen  regelmässigen  Bau,  welchen  wir  am  Nord- 
gehänge der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  kennen  gelernt  haben, 
suchen  wir  viergebens  im  Süden  wieder.  Das  Gebirge  ist  in  Schollen 
verschiedener  Grösse  zerspalten,  die  Schichtneigung  und  die  Fall- 
richtung wechseln  häufig  und  Eruptivmassen  dringen,  allerdings 
noch  in  bescheidenem  Maasse,  gang-  und  stockförmig  zwischen  die 
Sedimentbildungen  ein. 

Orographisch,  physiognomisch  und  geologisch  sind  die  süd- 
lichen Districte  der  Fässa-Grödener  Tafelmasse  die  Fortsetzung  der 
Seisser  Alpe.  Das  mächtige  System  der  Augitporphyrlaven,  welches 
wir  als  den  Südrand  der  Seisser  Alpe  im  Bergzuge  »Auf  der 
Schneid*  (Monte  Palaccio)  kennen  gelernt  haben,  setzt  in  voller 
Breite  auf  die  Südseite  über,  erfüllt  den  ganzen  Raum  des  oberen 
Duron-Thales  und  bildet  die  Hauptmasse  des  Donna-Gebirges 
^wischen  dem  Duron-Thal  und  dem  Fassa-Thal.  Im  Westen  lagert 
es  übergreifend  der  Dolomitböschuhg  des  Rosengartenriffes  an.  Im 
Nordosten,  gegen  die  Langkofel-Gnippe  zu,  wird  es  von  Wehgener 
Schichten  bedeckt,  welche  wir  im,  Zusammenhange  mit  dem  Dolo- 
mitriff des  Langkbfels  besprechen  werden.  Gegen  Osten  wird  .das 
Gebiet  der  Augitporphyrlaven  zu  einem  schmalen  Streifen  eingeengt,' 
indem  Schollen  älterer  Bildungen  auf  der  Südseite  einen  grösseren 
Raum  beanspruchen.  In  derselben  Gegend  theilt  eine  grössere  Ver- 
werfung das  System  der  Laven  in  zwei  Züge. 

Wenn  man  von  der  Seisser  Alpe  über  das  Joch  am  Plattkofel 
kommend  dem  Duron-Thale  zueilt,  fuhrt  der  Weg  zunächst  über 
Wengener  Schichten,  an  Ausläufern  des  Langkofel-Dolomitriffs  vor- 
bei, in  die  hier  vorherrschend  conglomeratischen  Augitporphyrlaven. 
Bei  der  Isohypse  von  2100  Meter  erreicht  man  ini  Liegenden  der 
Laven  etwas  Dolomit  mit  Tuffschmitz^n  und  sodann  Buchensteiner 
Schichten  mit  Pietra*  verde.  Es  ist  nicht  unmöglich,  dass  dies  der 
gegen  Süden  aufsteigende  Schichtenkopf  jener  Buchensteiner  Schieb« 
ten  ist,  welche  am  Ausgange  des  Perdia-Baches  in  das  Saltaria- 
Thal  als   die  Unterlage  der  Augitporphyrlaven  des  Monte  Palaccio 


l88  ^^  Gcbtrg«  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

bei  der  1800  Meter  Curve  entblösst  sind.  Im  Süden  sind  die  Buchen- 
Steiner  Schichten  plötzlich  durch  eine  westöstliche  Verwerfung  ab- 
geschnitten. Es  erscheinen  zunächst  senkrecht  aufgerichtete  oder 
überkippte  feste  Tuffschiefer,  in  denen  der  W^  eine  Strecke  weit 
fortsetzt  Der  Bach  zur  Linken  folgt  der  Verwerfung.  Man  gelangt 
sodann  in  den  unteren  Zug  der  Laven.  Dieselben  sind  bald  conglo- 
meratisch,  bald  zeigen  sie  kugelförmige  Absonderung.  Bei  der  Ka- 
pelle der  Duron-Alpe  betritt  man  endlich  dien  Thalboden  von  Duron. 

Diese  Verwerfung  lässt  sich  gegen  Osten,  am  Nordabhange 
des  Col  Rodella  vorüber  bis  in  das  nächst  Canazei  in  das  Fassa- 
Thal  mündende  Mortitsch-Thal  verfolgen.  Die  auf  der  nördlichen 
Lippe  der  Verwerfung  anstehenden  Buchensteiner  Schichten  jedoch 
erreichen  nordwestlich  vom  Col  Rodella  ihr  Ende,  da  östlicher  zu« 
nächst  die  Laven,  sodann  aber  die  Wengener  Schichten  an  der 
Verwerfungslinie  abschneiden. 

Im  Westen  verliert  man  bald  deutliche  Anzeichen  des  Fort* 
Setzens  der  Verwerfung,  indem  die  Buchensteiner  Schichten  unweit 
der  oben  erwähnten  Stelle  wieder  verschwinden.  Wahrscheinlich 
setzt  aber  die  Verwerfung  auf  der  linken  Seite  von  Duron  und 
zwar  in  geringer  Höhe  über  dem  Thalboden  mit  stets  abnehmender 
Sprunghöhe  noch  etwas  westlicher  fort. 

Kurz  bevor  die  Buchensteiner  Schichten  nächst  Col  Rodella 
abschneiden,  erscheint  unter  ihnen  in  geringerer  Ausdehnung  Dolo» 
mit  des  oberen  Muschelkalks,  welcher  von  einem  Melaphyrgang 
durchsetzt  ist,  und  Werfener  Schiefer,  welcher  scheinbar  mit  der 
ausgedehnteren  Masse  des  Col  Rodella  in  ungebrochener  Verbindung 
steht.  Der  untere  Zug  der  Augitporphyrlaven  erreicht  in  derselben 
Gegend  sein  östliches  Ende.  Was  nun  bis  in  das  Mortitsch-Thal 
hinein  die  Verwerfung  im  Süden  begrenzt,  lässt  sich  als  Rodella« 
Scholle  bezeichnen.  Eine  andere,  etwas  grössere  Scholle  nimmt  west- 
licher, noch  unterhalb  des  unteren  Augitporphyrzuges  im  Duron- 
Thal  ihren  Anfang  und  erstreckt  sich  parallel  der  Rodella-SchoUe 
bis  Mortitsch.  Sie  besteht  gleich  der  Rodella-SchoUe  aus  Werfener 
Schichten  und  Muschelkalk.  Dies  ist  die  Scholle  von  Gries.  Eine 
dritte  Scholle,  welche  nach  Campitello  genannt  werden  kann,  dehnt 
sich   zu  beiden  Seiten   des   untersten   Thabtückes   von  Duron  aus. 

Die  Rodella-SchoUe  nimmt  in  ihrem  westlichen  Theile  die 
gleiche  Höhe  ein,  wie  die  Westflanke  des  Rosengartengebirges.  Der 
untere  Muschelkalk  fällt  mit  der  2300  Meter  Curve  zusammen. 
Ueber  ihm  erhebt  sich,  nur  sanft  gegen  Norden  geneigt,  die  wrisse 
Dolomitbank  des  oberen  Muschelkalks  als  Gipfelmasse  des  Cot  Ro^ 
della   (2482  Meter  Höhe),    welcher  einen   überaus   lehrreichen   und 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Oröden.  igg 

gtossartigen  Ueberblick  des  Fassaner  Gebietes  gewährt.  Der  Dolo- 
mit zeigt  Ueberguss^hichtung.  Gegen  das  Mortitsch-Thal  zu  senkt 
sich  die  Scholle  ein  wenig.  Die  Verwerfungslinie,  welche  die  Ro- 
della-Scholle gegen  Norden  begrenzt,  schneidet  scharf  an  den  Wer- 
fener Schichten,  beziehungsweise  am  Muschelkalk  des  Col  Rodella 
ab.  Bis  zur  Ostspitze  des  Monte  di  Gries  bilden  die  Laven,  öst- 
licher die  Wengener  Schichten,  den  Südrand  der  Verwerfung.  Die 
Scholle  von  Gries  ist  durch  eine  Verwerfungslinie  von  der  Rodella- 
Scholle  abgegrenzt  Das  Einfallen  ist  vorherrschend  südwestlich  und 
südlich.  Eine  Zone  von  Muschelkalk-Dolomit  läuft  an  der  Grenze 
gegen  die  Rodella-Scholle.  Zwischen  Gries  und  Pian  zieht  sich  die- 
selbe weit  am  Gehänge  abwärts.  Bei  Gries  erreicht  ihre  Südspitze 
sogar  die  ThalsoHle.  Unterhalb  des  Muschelkalks  nehmen  die  Wer- 
fener Schichten  den  grössten  Theil  des  Gehänges  ein.  Sie  fallen, 
conform  der  Hauptneigung  der  Scholle,  steil  gegen  Südwesten  ein, 
und  nur  an  der  Grenze  gegen  die  Campitello-SchoUe  tritt  flaches 
Nordostfallen  ein.  Auf  dem  Gehänge  gegen  das  Duron-Thal  scheint 
eine  theilweise  Ueberldppung  oder  vielleicht  richtiger  eine  Ueber- 
schiebung  des  Werfener  Schiefers  über  den  Muschelkalk-Dolomit 
vorhanden  zu  sein.  Die  Aufschlüsse  längs  des  vom  Duron-Thal  auf 
Col  Rodella  führenden  Weges  lassen  kaum  eine  andere  Erklärungs- 
weise zu. 

An  der  Grenze  gegen  die  Rodella-Scholle  kommen  südwestlich 
vom  Col  Rodella  Melaphyrgänge  vor. 

Am  Ostende  der  Scholle  von  Gries  tritt  in  grösserer  Aus- 
dehnung Augitporphyrgestein  auf,  dessen  richtige  Deutung  -einigen 
Schwierigkeiten  unterliegt.  Ein  Theil  des  Gesteins  gleicht  den  con- 
glomeratischen  Laven,  und  man  ist  um  so  eher  geneigt,  sich  von 
dieser  Aehnlichkeit  beeinflussen  zu  lassen,  als  am  linken  Ufer  des 
Mortitsch-Baches  Augitporphyrgesteine  vorkommen,  welche  mit  dem 
Lavensystem  des  Greppa-Gebirges  und  des  Sasso  di  Capello-Zuges 
^zusammenhängen.  Es  kommen  aber  in  diesen  Gebirgen  neben  dem 
geflossenen,  bankförmig  abgesetzten  Eruptivgestein  auch  stock-  und 
gangförmige  Massen  nicht  selten  vor;  doch  war  es  nicht  möglich, 
dieselben  auf  der  Karte  gegenseitig  abzugrenzen.  In  Gegenden,  wo 
die  Eruptivmassen  mit  sedimentären  Bildungen  in  Berührung  treten, 
ergibt  sich  aus  der  Art  des  tektonischen  Verbandes,  ob  man  es 
mit  Laven  oder  mit  durchsetzenden  Ausfiillungsmassen  zu  thun 
hat.  Die  Augitporphyrmasse  von  Canazei  nun  erscheint,  nach  den 
tektonischen  Beziehungen  zu  den  nachbarlichen  Sedimentgesteinen 
beurtheilt,  wie  eine  durchsetzende  Masse,  und  als  solche  wurde  sie 
auch  in   der  Karte  ausgeschieden.    Wollte   man   dieselbe  als  Lava 


IQO  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

betrachten,  so  müssten  ganz  eigenartige  und '  complicirte  Verwer- 
fungen'angenommen  werden.  Die  petrographische  Aehnlichkeit  liiit 
den  Laven  ist  nicht  entscheidend,  da  noch  an  mehreren  Punkten 
des  Fassaner  Eruptivgebietes  unzweifelhafte  Gang^assen  mit  Lava* 
structur  vorkommen. 

Am  Gehänge  bei  Canazei  ragt  mitten  aus  der  Augitporphyr- 
masse  eine  scharfzackig  zugespitzte  Dolomitklippe  empor,  welche 
nach  der  hier  angenommenen  tektonischen  Deutung  als  eine  um- 
schlossene Scholle  von  Muschelkalk-Dolomit  angesehen  werden 
muss.  Der  Dolomit  ist  stellenweise  von  fein  verzweigten  Adern  vori 
Melaphyrmasse  durchzogen.    Dies  wären  Miniaturgänge. 

■ 

Der  Werfener  Schiefer,  welcher  den  Augitporphyr  im  Süden 
und  Südwesten  begrenzt,  zeigt  bergeinwärts  gerichtetes  Fallen. 

Die  Scholle  von  Campitello  bildet  ein  flaches  Gewölbe,  dessen 
Schenkel  vom  Duron-Bache  hinwegfallen.  Die  Kuppel  ist  zerstört 
und  der  Duron-Bach  fliesst  in  der  Achse  des  Gewölbes  durch  sehr 
fossilreiche  Werfener  Schichten.  Der  Fahrweg  fuhrt  über  Platten, 
voll  von  Manotis  aurita.  Das  oberste  Glied  der  Scholle  bildet  weisser 
Muschelkalk-Dolomit,  welcher  auf  beiden  Gewölbschenkeln  ansteht. 
Bei  Fontanazzo  di  sopra  wird  der  Muschelkalk-Dolomit  des  west- 
lichen Schenkels  durch  einen  kleinen  Melaphyrstock  abgeschnitten, 
welcher  auch  in  die  westlich  anstehenden  Werfener  Schichten  der 
Donna-Masse  hinübergreift. 

Die  Donna-Masse  bildet  tektonisch  die  Fortsetzung  des  Rosen- 
gartengebirges. Der  untere  Muschelkalk  hält  sich  bis  in  das  Duron; 
thal  ungefähr  in  der  gleichen  Höhe,  wie  am  Ausgehenden  des 
RosengartenrifTs  (1600  Meter).  An  der  östlichen  Rippe  des  Monte 
Donna  berührt  der  obere  Muschelkalk  der  Donna-Masse  den  tiefer 
gelegenen  oberen  Muschelkalk  der  Campitello-SchoUe,  welche  sich 
hier  ablöst.  Die  Scholle  von  Gries  erscheint  als  die  Fortsetzung 
der  tieferen  Schichten  der  Donna-Masse. 

Am  Gehänge  zwischen  Campestrin  und  Fontanazzo  di  sotto 
zeigen  sich  mehrfach  untergeordnete  Störungen.  So  ist  an  einer 
Stelle,  wo  ein  Melaphyrgang  durchbricht,  der  Muschelkalk  gänzlich 
verworfen.  Femer  fallen  die  Werfener  Schichten  in  den  unteren 
Gehängestufen  vom  Gebirge  ab,  gegen  Süden.  Ein  kleiner  Fetzen 
von  gleichfalls  Süd  fallendem  Muschelkalk  hat  sich  in  dieser  Region 
erhalten. 

Die  Buchensteiner  Schichten  erscheinen  vorherrschend  in  der 
Ausbildung  der  Knollenkalke.  Am  Wege  von  Fontanazzo  di  sotto 
in  das  Donna-Thal  gelangt  man  an   eine   sehr  instructive  Stelle,  an 


)  c 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  igi 

welcher    der   Uebergang    von    Knollenkalken    in    weissen    Dolomit 
beobachtet  werden  kann. 

Die  obere  Masse  des  Donnagebirges  wird  von  den  mächtigen 
Augitporphyrlaven  gebildet  Höchst  wahrscheinlich  setzen  an  einigen 
Stdlen  Gänge  durch  dieselben.  Eis  weist  darauf  ausser  Doelter's*) 
Angabe  über  das  Vorkommen  von  Melaphyr  im  Donnagebirge 
auch  die  Lage  an  der  Peripherie  der  Fassaner  Gangzone  hin. 


6.  Das  Dolomitriff  des  Langkofels. 

Es  ist  bereits  am  Eingange  dieses  Kapitels  auf  complicirte 
Verhältnisse  angespielt  worden,  welche  die  wahren  Beziehungen  des 
durch  seine  isolirte  Lage,  seine  bedeutende  absolute  Höhe  (3179 
Meter)  und  die  Kühnheit  seiner  Formen  berühmten  Dolomitfelsen 
zu  seiner  Umgebung  scheinbar  verschleiern. 

Um  vom  Norden  her  an  den  Fuss  des  Langkofels  zu  gelangen, 
verlässt  man  das  Gröden -Thal  in  der  Gegend  von  St.  Christina. 
Kurz   unterhalb  St.  Christina   hat  man   den  Muschelkalk   des  Nord- 

« 

randes  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  in  der  Höhenzone  zwischen 
13CX) — 1400  Meter  die  Thalsohle  erreichen  sehen,  während  am 
Gehänge  des  Puflatsch  und  des  Pitzberges  die  Auflagerung  des 
Muschelkalkes  auf  die  Werfener  Schichten  in  der  Höhe  von  1600  bis 
1700  Meter  erfolgt. 

Wählt  man  den  im  Osten  der  Saltaria-Schlucht  auf  die  Seisser 
Alpe  führenden  Weg,  so  durchschreitet  man  die  wolbekannte, 
regelmässige  Gesteinsfolge  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse,  die 
Buchensteiner  Schichten,  die  Augitporphyrlaven,  die  Wengener 
Schichten.  Letztere  bilden  die  westliche  Hochfläche  der  Christiner 
Ochsenweiden  und  setzen  in  einem  ununterbrochenen  Streifen  im 
Westen  der  Langkofelmasse  fort.  In  der  Gegend  von  Montesora 
herrscht  grosse  Schuttbedeckung  und  erst  nachdem  die  Schuttzone 
durchklettert  ist,  gelangt  man  in  der  2100  Meter  Curve  an  den  nord- 
westlichen Fuss  des  Langkofels.  Man  ist  erstaunt,  anstatt  eines 
jüngeren  Schichtengliedes,  wie  man  wol  erwartet  haben  mochte, 
in  dieser  Höhe  wieder  die  Werfener  Schichten  zu  finden,  welche 
man  eben  erst  800  Meter  tiefer  im  Grödener  Thal  zurückgelassen  zu 
haben  wähnte.  Den  Werfener  Schichten  folgt  die  schmale  Zone  des 
unteren  Muschelkalkes  und  über  dieser  erhebt  sich  in  schroffen, 
glatten  Wänden  der  weisse  Dolomit  bis  zu  den  geschichteten  Gipfel- 
massen in  einer  Mächtigkeit  von  1000  Meter. 


•)  Jahrb.  d.  Geolog.  R.-A.  1875.  Min.-Mitth.  p,  307. 


I02  Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Der  vorhin  constatirten  Senkung  der  Fassa-Grödener  Tafel- 
masse im  Nordosten  steht  die  bedeutende  Höhenlage  der  Werfener 
Schichten  an  der  Basis  des  Langkofels  schroff  gegenüber.  Die 
heteröpische  Ausbildung  der  höheren  Schichtenglieder  verschärft  den 
Contrast  in  ausserordentlicher  Weise.  Es  ist  ein  besonders  glücklicher 
Umstand,  dass  die  Werfener  Schichten  und  der  untere  Muschelkalk 
am  Nordfusse  des  Langkofels  der  Beobachtung  zugänglich  sind.  Ein 
geringes  Fortschreiten  der  Schuttbedeckung  in  aufsteigender  Richtung 
würde  hinreichen,  dieselben  unseren  Blicken  zu  entziehen.  Würde  man 
uns  sonst  auch  dann  noch  Glauben  schenken,  wenn  wir  den  Dolomit 

r 

des  Langkofels  als  ein  heteropisches  Aequivalent  derjenigen  Bildungen 
erklären  würden,  welche  denselben  scheinbar  regelmässig  unterteufen  .^ 

Der  beste  Aufschluss  der  Werfener  Schichten  befindet  sich  an 
der  Nordwestseite  des  Langkofels,  rechts  vom  Langkofel-Thal.  Die 
Schichten  fallen  flach  gegen  Süden.  Fossilien  sind  häufig  und  von 
guter  Erhaltung.  In  den  tieferen  Partien  der  Entblössung  herrscht 
Monotis  Ciarat,  sodann  folgen  die  rothen  Schneckenlumachellen  imd 
über  diesen  Monotis  aurita  und  Naticella  costata.  Der  untere  Muschel- 
kalk besteht  zuunterst  aus  den  rothen  Conglomeraten  und  darüber 
aus  wellenkaUcähnlichen  dünnen  Bänken  mit  zahlreichen  Gastero- 
poden  und  Diploporen  (nach  freundlichen  Bestimmungen  des  Herrn 
F.  Karr  er:  Diplopora  debilis  Gümb.  sp.,  D,  pauciforata  Gümb.  sp,, 
und  vielleicht  auch  D.  triasina  Schaur.  i^.)  und  aus  sandigen  Kalken 
mit  Pflanzenresten  und  Kohlenbrocken.  Diese  Schichten  setzen  öst- 
lich am  Fusse  der  Steilwand  fort  in  den  Kessel  des  Lampicaner 
Baches.  Nächst  der  Stelle,  wo  sie  unter  dem  Schutte  verschwinden, 
bemerkt  man  eine  knieformige  Beugung,  indem  die  aus  der  Wand 
hervortretenden  Schichten  steil  gegen  Norden  einfallen,  während  die 
unter  den  Dolomit  hineinsetzenden  das  flache  Südfallen  beibehalten. 

Wie  am  Westabhange  des  Schiern  und  des  Rosengarten, 
sondert  sich  auch  am  Nordabfall  des  Langkofels  eine  untere  Dolomit- 
bank scharf  von  der  höheren,  ungeschichteten  Dolomitmasse.  Und 
wie  der  untere  Dolomit  im  Schlem-Rosengartenriff  den  oberen 
Muschelkalk  und  die  Buchensteiner  Schichten  vertritt,  so  auch  hier, 
wie  die  Aufschlüsse  in  der  nordöstlich  vom  Langkofel  vorspringenden 
Terrasse  beweisen.  Die  untere  Hälfte  der  Dolomitbank  ist  hier 
durch  Schutt  verdeckt ;  in  der  oberen  Hälfte,  über  die  man  aus  dem 
Lampicaner  Kessel  zur  Ciavazes  -  Alpe  aufsteigt,  kommen  unter- 
geordnete Einlagerungen  von  Knollen-  und  Bänderkalk  vor. 

Diese  Thatsachen  bilden  einen  geeigneten,  sicheren  Ausgangs- 
punkt für  die  weitere  Untersuchung  der  gegenseitigen  Beziehungen 
zwischen  dem  Tuffplateau  und  dem  DoIomitrifT. 


Das  Gebirge  zwischen  Fässa  und  Gröden.  igj 

Wir  übersetzen  das  schutterfiillte  Hochthal^  welches  den  Lang- 
kofel von  dem  Plattkofel  trennt  und  untersuchen  den  nördlichen 
Fuss  des  Plattkofels.  Die  fortstreichende  untere  Dolomitbank  lässt  die 
allmähliche  Senkung  des  Dolomitmassivs  gegen  Südwesten  erkennen. 
Noch  ehe  aber  der  vom  Plattkofel  gegen  Norden  ausstrahlende 
grüne  Rücken  mit  der  Höhencote  von  2099  Meter  erreicht  ist, 
entzieht  sich  der  untere  Dolomit  der  weiteren  Beobachtung.  Vor 
diesem  in  der  Steilwand  des  Plattkofels  selbst  befindlichen  Streifen 
des  unteren  Dolomits  erscheint  im  tieferen  Niveau  abermals  Dolomit, 
der  im  Norden  von  steil  nördlich  einschiessenden  Buchensteiner 
Schichten  überlagert  wird.  lieber  den  letzteren  folgt  Augitporphyr 
in  der  Mächtigkeit  von  blos  zwei  Metern  und  sodann  sehr  kalk- 
reiche feste  Schiefer,  welche  bereits  den  Wengener  Schichten 
zuzuzählen  sind.  Diese  Schiefer  ziehen  sich  im  Westen  halbkreis- 
förmig um  die  untere  Dolomitpartie  herum,  setzen  den  erwähnten 
grünen  Rücken  zusammen  und  enden  unter  der,  die  Steilwand  des 
oberen  ungeschichteten  Dolomits  umsäumenden  Schuttzone. 

Der  vor  der  Steilwand  in  tieferem  Niveau  befindliche  Dolomit 
kann  daher  nur  der  Dolomit  des  oberen  Muschelkalks  sein,  der 
sich  knieförmig  gegen  Norden  umstülpt  und  rasch  in  die  Tiefe  sinkt. 

Wir  stehen  am  westsüdwestlichen  Ende  einer  in  der  hete- 
ropischen  Grenze  verlaufenden  jähen  Schichtenbeugung.  Für  die 
Beurtheilung  der  tektonischen  Beziehungen  ist  die$  von  Wichtigkeit. 
Es  ist  keine  Verwerfung,  welche  die  Langkofel -Masse  von  dem 
vorgelagerten  TufTplateau  trennt,  sondern  ein  plötzlich  eintretender 
Schichtenfall,  wie  wir  einen  solchen  bereits  im  nördlichen  Rosen- 
gartengebirge kennen  gelernt  haben. 

Am  nordwestlichen  Fusse  des  Langkofels  ist  der  gegen  Norden 
hinabtauchende  Schenkel  unter  den  Schuttmassen  der  Montesora- 
Weiden  verborgen.  Am  linken  und  rechten  Ufer  des  Lampicaner 
Baches  kommt  er  jedoch  in  etwas  weiterem  horizontalem  Abstände 
von  der  Dolomitsteilwand  wieder  zum  Vorschein.  Die  Augitporphyr- 
laven  der  Christiner  und  Sorafrena -Terrasse  unterteufend  stehen 
hart  an  der  Schuttgrenze  Buchensteiner  Schichten  und  Dolomit  des 
oberen  Muschelkalkes  zu  Tage.  Die  knieförmige  Beugung  der  Schichten 
erfolgt  an  derselben  Stelle.  Auf  der  dem  Langkofel  zugewendeten 
Seite  zeigen  die  Schichten  eine  sanfte  Neigung  gegen  Norden.  Da 
aber  immerhin  gegenüber  dem  in  der  Steilwand  des  Langkofels  sanft 
südfallenden  Schenkel  eine  Höhendifferenz  von  150  Meter  bestehen 
dürfte^  so  folgt  daraus,  dass  hier  eine  Zone  mit  flachem  Nordfallen 
zwischen  die  Steilwand  und  dem  rapiden  Schichtenfall  vermittelnd 
sich  einschiebt.   Weiter  östlich  ist  aber  der  Zusammenhang  factisch 

MojsisoTics«  Dolomitritfe.  i3 


Dai  Gebirge  znitchen  Faul  und  Grödea. 


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Da3  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  igc 

unterbrochen.   Die  Masse  des  Gans- Alpeis   ist   an  einer  Verwerfung 
abgesunken. 

Eine  auffallende  Erscheinung  in  der  Trümmerzone  am  Fusse 
des  Langkofels  ist  das  häufige  Vorkommen  von  Augitporphyrblöcken. 
An  erratische  Erscheinungen  ist  nach  der  OertHchkeit  und  nach  der 
Beschaffenheit  des  übrigen  Schuttes  nicht  zu  denken.  Scharfkantige 
Blöcke  von  Dolomit  und  von  Gesteinen  der  Werfener  Schichten 
liegen  durcheinander  und  rühren  offenbar  von  dem  stets  noch  fort- 
schreitenden Zerfall  des  anstehenden  Gebirges  her.  Die  Augitpor- 
phyrblöcke  müssen  denmach  ebenfalls  von  einst  hier,  d.  i.  vor  der 
gegenwärtigen  Steilwand  anstehenden  Augitporphyrlagen  abstammen. 
Die  Annahme  einer  mächtigeren  Ablagerung  ist  indessen  bei  dem 
Vorwiegen  der  Dolomit-  und  Schiefer-Blöcke  ausgeschlossen.  Das 
Wahrscheinlichste  ist,  dass  die  Augitporphyrlaven  hier  am  Dolomit- 
riff in  einer  dünnen  auskeilenden  Lage  endeten.  Die  Beobachtung 
am  Nordschenkel  der  Schichtenbeugung  vor  dem  Plattkofel,  wo  die 
Mächtigkeit  der  Augitporphyrlaven  bereits  auf  2  Meter  reducirt  ist, 
spricht  sehr  zu  Gunsten  dieser  Auffassung. 

Die  oben  erwähnten  kalkreichen  Wengener  Schiefer  von  der 
Grenze  gegen  den  Dolomit  des  Plattkofels  enthalten  in  der  gewöhn- 
lichen tuffigen  Grundmasse  der  Wengener  Sandsteine  reichlichen 
Grus  von  zerbrochenen  Conchylien,  Crinoiden  und  Cidariten.  Das 
Gestein  erinnert  sehr  an  die  fossilreichen  kalkigen  Einlagerungen 
am  Nordrande  der  Seisser  Alpe  (Pflegerleiten,  Pitz  u.  s.  f.).  Korallen- 
kalke kommen  an  dieser  Stelle  nicht  vor  und  spielen  offenbar  die 
in  grösserer  Mächtigkeit  auftretenden  Kalkschiefer  die  sonst  den 
Cipitkalken  zukommende  Rolle.  Weiter  abwärts  herrschen  die  gewöhn- 
lichen Wengener  Sandsteine  und  Schiefer,  in  denen  sich  nicht  selten 
•  Daanella  Lommeli  und  Posidonomya  Wengensis  finden.  Sie  bilden  den 
Ostflügel  der  Wengener  Schichten  der  Seisser  Alpe  und  sind  von 
dieser  durch  die  in  Folge  der  Erosionsthätigkeit  biosgelegten 
Augitporphyrlaven  am  rechten  Gehänge  des  Saltaria-Baches  geschieden. 
Im  Norden  reichen  sie,  vielfach  durch  die  abwärts  wandernden 
Schuttmassen  des  Langkofels  verdeckt,  bis  auf  das  Plateau  der 
Christiner  Weiden  gegenüber  St.  Christina. 

Gegen  die  Höhe  des  Fassa-Joches  zu  verschmälert  sich  der 
Zug  der  Wengener  Schichten  zwischen  dem  Dolomit  des  Platt- 
kofels und  den  liegenden  Augitporphyrlaven  zusehends  und  auf  der 
Jochhöhe  ist  er  zu  seinem  schmalen  Bande  reducirt.  Eine  in  Folge 
eintretenden  Uebergreifens  herbeigeführte  Ueberlagerung  der  Wengener 
Schichten  durch  den  Dolomit  ist  auf  der  ganzen  Strecke  vom  Kessel 
des   Lampicaner  Baches    an    bis   auf   das  Fassa-Joch    nirgends    zu 

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Dos  Gebirge  zwischen  Futa  und  Graden. 


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Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  jgy 

beobachten.  An  die  Möglichkeit  einer  solchen  wäre  etwa  in  der 
Gegend  zwischen  dem  Westende  der  Anticlinale  und  dem  Fassa- 
Joch  zu  denken.  Die  Grenze  zwischen  dem  Riff  und  den  Wengener 
Schichten  ist  jedoch  hier  überall  durch  Schutt  verdeckt.  Erst  unter- 
halb des  Fassa-Joches,  wo  der  südliche  Scheiderücken  der  Seisser 
Alpe  (»Auf  der  Schneid*)  mit  dem  Plattkofel  zusammentrifft,  ist  die 
heteropische  Grenze  blosgelegt.  Der  Dolomit  fallt  mit  sehr  steiler 
Böschung  gegen  aussen  ab  und  entspricht  der  bisherige  Verlauf 
der  Steilwand  so  ziemUch  der  hier  sichtbaren  wirklichen  Grenze. 
Die  Dolomitwand  zeigt  in  dieser  unteren  Region  eine  gelbliche 
Färbung,  welche  scharf  von  den  hellweissen  oberen,  die  Gipfelmassen 
des  Plattkofel  bildenden  Partien  absticht.  Am  Fusse  der  Wand 
liegen  vereinzelte  Blöcke  von  gelbem  Riffkalk  mit  Tuffschmitzen. 

Die  Wengener  Schichten  lagern  nun  unten  söhlig  der  Dolomit- 
wand an,  höher  oben,  wo  die  Böschung  des  Dolomits  weniger 
steil  ist,  greifen  sie  über  den  Dolomit  über  und  fallen  im  Sinne  der 
Dolomitböschung  gegen  Südwesten.  Diese  obere  Partie  der  Wengener 
Schichten  wird  dann  durch  eine  von  der  höheren  Dolomitböschung 
herabsetzende  Ueberguss-Schicht  des  Dolomits  überlagert,  wodurch 
sie  völlig  mit  den  bereits  beschriebenen  Zungen  und  Spitzen  zwischen 
den  Ueberguss-Schichten  des  Cipiter  Schlemgehänges  übereinstimmt. 

Die  tiefsten,  den  Augitporphyrlaven  aufgelagerten  Wengener 
Schichten  sind  Bänke  fössilreichen  Riffkalkes,  welche  Tuffschmitzen 
und  selbst  grössere  Brocken  von  Augitporphyr  einscbliessen.  Die 
herrschenden  organischen  Reste  sind  Korallen,  Cidariten  und  Crinoiden. 
lieber  diesen  Bänken  folgt  sodann  ein  Wechsel  von  Sandsteinen, 
Schiefem  und  Kalkbänken. 

Etwas  verschieden  sind  die  Verhältnisse  auf  der  Südseite  des 
Fassa-Joches.  Anstatt  so  schroff  an  den  söhlig  gelagerten  Wengener 
Schichten  abzubrechen,  reicht  hier  der  untere  gelbe  Dolomit  mit 
flacher  Böschung  unter  die  ihm  hier  aufliegenden  Wengener  Schichten 
hinein,  so  dass  das  von  dieser  Seite  sichtbare  Uebergreifen  der 
weichen  klastischen  Gesteine  auf  die  Dolomitböschung  über  eine 
längere  Strecke  anhält.  Es  dürfte  daraus  zu  schliessen  sein,  dass 
diese  am  weitesten  gegen  Südwesten  vorgeschobene  Dolomitpartie 
eine  gegen  Nordwesten  abdachende  Fläche  besitzt,  an  welche  sich 
von  dieser  Seite  her  die  söhlig  gelagerten  Wengener  Schichten 
gegen  oben  übergreifend  anlagern. 

Auf  diesen  geringen,  der  Denudation  bis  heute  entgangenen 
Rest  beschränkt  sich  die  Anlagerung  der  Wengener  Schichten  an 
die  prachtvolle  Aussenfläche  des  Riffs,  welcher  der  Plattkofel  seinen 
Namen   verdankt.    Es   gibt   kaum   einen   Dolomitberg    in    unserem 


198 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 


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Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  jqq 

Gebiete,  welcher  eine  gleich  charakteristische  Gestalt  besässe.  Ich 
meine,  dass  sich  der  eigenthümliche,  dachförmige^  regelmässige 
Abfall  des  Plattkofels,  welcher  sich  halbkegelförmig  von  der  Süd- 
bis  auf  die  Westseite  des  Berges  fortzieht*),  den  Besuchern  der 
Seisser  Alpe  lebhafter  in  das  Gedächtniss  einprägt,  als  die  kühnen 
Zacken  des  Langkofels  und  selbst  als  die  merkwürdige  Plateauform 
des  Schiern. 

Während  die  Hauptmasse  des  Lang-  und  Plattkofels  schichtungs- 
los erscheint,  zeigt  sich  am  Plattkofel  auf  und  unmittelbar  unter  der 
weiten  blendend  weissen  glatten  Aussenfläche  des  Riffs,  die  Ueber- 
guss-Schichtimg  in  ausgezeichneter  Weise.  Die  Schichten  neigen  sich 
parallel  der  Fläche. 

Wenn  man  sich  die  geschilderten  Verhältnisse  am  Cipiter 
Schierngehänge  vergegenwärtigt,  erkennt  man  leicht,  dass  die  Ent- 
blössung  dieser  grossen^  in  der  Terrainzeichnung  der  Karte  gut 
erkennbaren  Fläche  erst  in  neuerer  Zeit  vor  sich  gegangen  sein 
konnte.  Die  Reste  von  Wengener  Schichten  'auf  dem  untersten 
Saume  der  Dolomitböschung  am  Fassa-Joch  sind  nur  die  letzten 
Relicte  einer  durch  Denudation  entfernten  mächtigen  Anlagerung 
von  Wengener  und  Cassianer  Gesteinen. 

Die  Ausdehnung  des  Plattkofel-Gehänges  war  wol  auch  einst  eine 
viel  grössere,  ehe  die  Denudation  die  allmähliche  Abtragung  und 
die  Bildung  der  Steilwände  begonnen  hat.  Von  der  Seisser  Alpe 
aus  lässt  sich  deutlich  das  Fortschreiten  der  Steilwandbildung  unter- 
halb und  auf  Kosten  der  RifFböschung  beobachten.  Die  noch 
erhaltenen  Randpartien  zeigen  eine  steilere  Neigung,  als  die  mittlere 
zum  Fassa-Joch  abdachende  Fläche.  Dies  gestattet  den,  mit  den 
übrigen  beobachteten  Thatsachen  gut  übereinstimmenden  Schluss, 
dass  die  bereits  denudirten  Fortsetzungen  der  Riffböschung  einen 
ziemlich  steilen  Abfall  besassen. 

Obwol  ich  nicht  erwarte,  dass  Jemand  die  Plattkofel-Böschung 
ernstlich  für  ein  geneigtes  Schlemplateau  halten  könnte,  will  ich 
doch  darauf  aufmerksam  machen,  dass  die  in  der  nördlichen  Steil- 
wand des  Plattkofels  tief  unterhalb  der  Böschung  sichtbare  Bank  des 
Mendola-Dolomits  eine  solche  Annahme  in  den  Bereich  der  Un- 
möglichkeiten verweist.  Die  Schichtungsfläche  des  Mendola-Dolomits 
bildet  mit  der  Böschungsfläche  des  Plattkofels  einen  Winkel  von 
circa  45  Grad. 


*)  Vgl.  das  Lichtbild    „Die   Langkofel-Gruppc   und    die   Seisser   Alpe,   vom 
Mahlknecht". 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gi-0dea. 


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Grohminn-Spltze 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  30 1 

Auf  der  Südseite  des  Plattkofels  springt  ein  niedriges  schutt- 
bedecktes Dolomitplateau  gegen  Süden  vor.  Es  ist  dies  wol  die 
Fortsetzung  derselben  Dolomitmasse,  welche  die  Wengener  Schichten 
des  Fassa-Joches  unterlagert.  Auf  der  Ostseite  dieses  Plateau*s  beob- 
achtete Prof.  Hoernes  Riflfkalke,  welche  noch  weiter  östlich  "in  der 
Form  einer  mächtigen  Bank  concordant  in  die  Wengenef  Tuffe 
eingreifen. 

Nach  den  bisherigen  Ergebnissen  stellt  sich  die  Langkofel- 
Gruppe  als  ein  isopisches,  dem  Schiern  und  dem  Rosengarten  voll: 
kommen  entsprechendes  Dolomitriff  dar.  Im  Südosten  erleidest,  die 
einheitliche  Zusammensetzung  durch  das  Eingreifen  mächtiger  hetero- 
pischer  Bildungen  eine  wesentliche  Aenderung.  Ehe  wir  jedoch  die- 
selbe besprechen,  kehren  wir  aus  sachlichen  Griinden  nochmals  auf 
die  Nordseite  zurück,  um  im  Anschlüsse  an  das  bereits  untersuchte 
Gebiet  die  Ostgrenze  des  Larigkofelriffs  kennen  zu  lernen. 

Wir  begeben  uns  auf  die  von  der  Nordseite  des  Langkofels 
gegen  Osten  heraustretende  Dolomit-Terrasse,  über  welche  ein  Weg 
aus  dem  Lampicaner  Kessel  in  die  oberste  Thalstufe  von  Gröden 
fuhrt.  Der  Dolomit  bildet  die  Fortsetzung  der  unteren  Dolomitbank 
des  Langkofel  und  erweist  sich,  wie  oben  erwähnt  wurde,  durch 
einzelne  schwache  Einlagerungen  von  Bänderkalk  und  Knollen- 
kalk als  Buchensteiner  Dolomit.  Westlich,  den  steilen  Wänden  des 
Langkofel  zu,  folgt  darüber  wieder  Dolomit  und  finden  sich  bis  zur 
Steilwand  selbst  vereinzelte  Blöcke  von  Augitporphyr,  sowie  Blöcke 
von  grauem  Korallenkalk.  In  der  Dolomitsteilwand  ist  Ueberguss- 
Schichtung  erkennbar  mit  ausserordentlich  steil  nach  aussen  ab- 
fallenden Lagen.  Oestlich,  gegen  das  Thal  zu,  dient  der  Buchen- 
steiner Dolomit  Augitporphyrlaven ,  welche  östlich  fortstreichend 
sich  in  die  Thalsohle  hinabsenken  und  sodann  unterhalb  der  Sella- 
Gruppe  wieder  ansteigen,  zur  Unterlage. 

Das  Langkofelriff  fallt  sonach  mit  ungewöhnlich  steiler  Bö- 
schung gegen  Osten  ab  und  Augitporphyrlaven  lagern  neben  dem 
Riff.  Wie  die  vereinzelten  höher  liegenden  Blöcke  beweisen,  fand 
«in  Uebergreifen  der  Augitporphyrlaven  über  das  unterste  Gehänge 
der  Dolomitböschung  statt,  ehe  die  Denudationsarbeit  den  heutigen 
Stand  erreicht  hatte. 

Ueber  den  Augitporphyrlaven  folgen  Wengener  Schichten  von 
typischer  Zusammensetzung  und  erfüllen  die  ganze  Thalbreite 
zwischen  dem  Langkofel  und  der  Sella-Gruppe.  Das  Langkofelriff 
scheint  bis  zur  südöstlichen  Ecke  des  Langkofelkammes  im  engeren 
Sinne  noch  in  isopischer  Zysammensetzung  fortzustreichen.  Die 
Grenze  gegen  die  Wengener  Schichten  der  Ciavazes- Alpe,  ist  durch 


202  ^^^  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Gehängeschutt  verdeckt.  Blöcke  von  Riffsteinen  sind  im  Gebiete  der 
Wengener  Schichten  häufig. 

Der  Langkofel-Kamm  ist  durch  eine  tiefe,  passirbare  Scharte, 
über  welche  man  in  das  nächst  Montesora  zur  Seisser  Alpe  nieder- 
setzende Langkofel -Thal  gelangt,  von  der  mittleren  Hauptspitze 
(3174  Meter)  der  Langkofel-Gruppe,  welcher  Hoernes  die  Bezeich- 
nung »Grohmannspitze*  beilegte,  getrennt. 

Die  obere  Masse  dieser  Spitze  besteht  aus  der  Fortsetzung 
der  oberen  Dolomitmassen  des  Langkofels  und  ist  durch  Reste  von 
geschichteten  Bildungen  gleich  dem  Langkofel  gegen  oben  plateau- 
förmig  abgeschnitten.  Den  Platz  der  tieferen  Wengener  Dolomit- 
massen des  Langkofel  aber  nehmen  Wengener  Schichten  ein,  welche 
von  dem  Rücken  des  Sella-Joches  aus  in  bedeutender  Mächtigkeit 
und  in  ruhiger  Lagerung  in  die  Steilwand  hinaufreichen. 

Während  im  Allgemeinen  die  heutige  Begrenzung  der  Lang- 
kofel-Gruppe mit  den  Grenzen  der  heteropischen  Ausbildung  zu- 
sammenfällt, greift  an  dieser  Stelle  der  obere  Dolomit  des  Lang- 
kofel-Riffes, über  die  Grenzen  des  ursprünglichen  Riffes  hinaus  und 
überlagert  die  heteropischen  Wengener  Tuffe.*)  Die  heteropische 
Grenze  des  Wengener  Dolomits  läuft  wahrscheinlich  in  grosser 
Nähe  zwischen  dem  Plattkofel  und  Langkofel  durch,  so  dass  nur 
die  Grohmannspitze ,  ja  vielleicht  selbst  diese  nur  theilweise,  eine 
heteropische  Zusammensetzung  besitzt.  Die  theils  durch  Schutt, 
theils  durch  die  überlagernde  Bergmasse  verdeckte  Aussenböschung 
des  älteren  Riffs  muss  daher  wol  eine  sehr  steile  sein. 

Organische  Reste  sind  im  Dolomite  der  Langkofel-Gruppe  im 
Ganzen  selten.  Korallenstöcke  wurden  noch  am  häufigsten  gefunden, 
auch  im  Inneren  des  Massivs,  wo  Hoernes  solchen  bei  der  Erstei- 
gung der  Langkofelspitze  wiederholt  begegnete.  Am  Ostabfalle  des 
Langkofels  enthielt  ein  Block  unbestimmbare  Steinkeme  von 
Brachiopoden. 

Die  jüngste  Bildung  der  Langkofel-Gruppe  sind  geschichtete 
dolomitische  Kalke,  welche  die  geringen  Reste  des  einst  ausgedehn- 
teren Gipfelplateau*s  auf  dem  Langkofelkamme  und  auf  der  Groh- 
mannspitze krönen.  Man  erkennt  diese  schwach  südlich  geneigten 
Bänke  deutlich  vom  Col  Rodella  oder  von  der  Cima  di  Rossi 
{nächst  dem  Pordoi-Joch)  aus**).  Prof  Hoernes,  welcher  sich  im 
rühmenswerthen  Eifer  der  sehr  beschwerlichen  Aufgabe,  den  Gipfel 
des  Langkofel  zu  untersuchen,   unterzog,   fand  daselbst   gebänderte 


*)  Vgl.  das  Lichtbild  „Die  Langkofel-Gnippe  von  der  Cima  di  Rossi''. 
**)  Vgl.  das  Lichtbild  „Die  Langkofel-Gruppe  von  der  Cima  di  Rossi". 


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SchleriL  Auf  der  Schneid.  Col  Rodella.  Plattkofel. 


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Die  Langkofel-Gruppe, 


(Uebergreiftn  des  Dolomits  über  die   Wengener  Schichten;    Andeutung  der 

in  der  Gr 


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ursprättglich  plau." 
ohmannspitje.) 


Das  Gebirge  zwischen  Fasaa  und  Graden. 


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204  ^^^  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden. 

Dolomite  und  cephalopodenreiche  dolomitische  Kalke  *).  Leider 
lassen  die  mitgebrachten  Fragmente  eine  schärfere  Bestimmung 
nicht  zu.  Ein  häufiges  Orihoceras  kann  mit  O.  triadicunt  verglichen 
werden.  Ein  Nautilus  erinnert  an  N,  Breunneri,  Bruchstücke  von 
Arcestes  und  Trachyceras  sind  unbestimmbar.  Die  beiden  genannten 
Formen  würden  auf  die  Zone  des  Trachyc,  Austriacunt  (Raibler 
Schichten)  verweisen.  Da  nun  auch  die  gestreiften  Dolomite  eine 
unseren  Raibler  Schichten  eigenthümliche  Gesteinsart  darstellen, 
haben  wir  die  Gipfelschichten  des  Langkofel  als  Raibler  Schichten 
in  unserer  Karte  ausgeschieden.  Wir  denken  dabei  an  die,  an  vielen 
Orten  unter  den  rothen  Gesteinen  vorkommenden  hellen  Dolomit- 
schichten, wie  z.  B.  auf  dem  östlichen  Schlernplateau. 

Die  Ergebnisse  unserer  Untersuchungen  über  das  Langkofelriff 
lassen  sich  in  den  folgenden  Sätzen  zusammenfassen:  Die  Haupt- 
masse der  Langkofel-Gruppe  ist  eine  isopische,  an  der 
Basis  durch  den  unteren  Muschelkalk,  in  »der  Höhe  durch 
die  Raibler  Schichten  begrenzte  Dolomitmasse,  deren 
heutige  Ausdehnung  nahezu  dem  Umfange  des  alten 
Riffes  zur  Bildungszeit  der  Buchensteiner  und  Wengener 
Schichten  entspricht.  Im  Südosten  greift  die  obere  Dolo- 
mitmasse vom  beiläufigen  Alter  der  Cassianer  Schichten 
in  die  heteropische  Region  der  Wengener  Schichten  über. 
Entlangt  der  Nordwest-  und  Nordseite  des  Riffes  verläuft 
in  der  heteropischen  Grenze  eine  Antrclihalwölbung,  an 
deren  äusserem  Schenkel  die  heteropischen  Bildungen 
der  Seisser  Alpe  steil  in  die  Tiefe  sinken. 


7.  Die  nordöstliche  Ecke  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse. 

(Stock  des  Qlns-Alpcls.) 

Die  an  der'  heteropischen  Grenze  im  Nordwesten  und  Norden 
des  Langkofels  verlaufende  Anticlinalwölbung  geht,  wie  oben  er- 
wähnt wurde,  auf  dem  Ostgehänge  des  Lampicaner-Baches  in  eine 
Verwerfung  über.  Eine  zweite  nahezu  parallel  verlaufende  Verwer- 
fung setzt  etwas  südlich  unter  der  schon  mehrmals  genannten  Do- 
lomit-Terrasse nordöstlich  vom  Langkofel  an  und  reicht,  ebenso  wie 
die  erste  Verwerfung  östlich  bis  zum  Grödener  Bache  abwärts.  Die 
kniefbrmige  Beugung  des  upteren  Muschelkalks  am  Fusse  des 
Langkofels  im  Kessel   des  Lampicaner  Baches   bezeichnet   beiläufig 


*)  Ueber   die  Ersteigung   des   Langkofel   berichtete    Hoernes    in    der  Zeit- 
schrift des  D.  u.  Oest.  Alpenvereines,  Jahrgang  iSyS. 


Das  Gebirge  zwischen  Fassa  und  Gröden.  20$ 

den  westlichen  Beginn  der  südlichen  Verwerfung.  Zwischen  diesen 
beiden  Verwerfungen  zieht  eine  tief  eingesunkene,  schmale  Scholle 
hin,  in  welcher  im  Sattel  zwischen  der  Ober- Alp  (Gäns-Alpel)  und 
der  Terrasse  des  Buchensteiner  Dolomits  südfallende  Wengener 
Schichten  anstehen,  die  sich  bis  zum  Grödener  Bache  verfolgen 
lassen.  Im  Lampicaner  Kessel  verdeckt  Schutt  das  anstehende  Ge- 
stein. Nicht  weit  südöstlich  von  dem  eben  genannten  Sattel  ver- 
schwindet an  der  südlichen  Verwerfung  der  Buchensteiner  Dolomit 
und  treten  sodann  die  Augitporphyrlaven  an  den  Rand  der  Ver- 
werfung. 

Die  nördliche  Verwerfung  begrenzt  im  Süden  die  hauptsächlich 
aus  Laven  bestehende  Masse  des  Gans- Aipeis,  welche  durch  die 
Christiner  Ochsenweiden  orographisch  und  geologisch  mit  der 
Fassa-Grödener  Tafelmasse  zusammenhängt  und  im  weiteren  Sinne 
noch  zur  Seisser  Alpe  gerechnet  wird. 

Zwischen  den  Augitporphyrlaven  und  Tuffen  finden  sich  hier 
gegen  das  Liegende  zu  concordante  Einlagerungen  von  grauen 
knorrigen  Kalken  mit  Tuffschmitzen  und  von  dolomitischen  Bänken, 
welche  ich  als  ursprünglich  vom  benachbarten  Dolomitriff  aus- 
laufende Zungen  betrachte.  Wir  werden  ähnlichen  Einlagerungen 
noch  mehrmals  begegnen.  Die  knorrigen  Kalke  können  zu  Ver- 
wechslungen mit  Buchensteiner  Knollenkalken  fuhren. 

Am  Nord-  und  Nordostfuss  des  Gänsalpel-Stockes  erscheinen 
in  der  Strecke  zwischen  den  glacialen  Schuttmassen  der  Fischburg, 
welche  einen  von  Süden  her  in  das  Grödener  Thal  vorgeschobenen 
Riegel  bilden,  und  den  letzten  Häusern  von  Plan  die  tieferen  Bil- 
dungen mit  Werfener  Schichten  an  der  Basis.  Sie  fallen  regelmässig 
unter  die  Augitporphyrlaven  ein  und  stellen  sonach  den  nördlichen 
Flügel  der  Gänsalpelmasse  dar.  Gegen  Süden  sowol  wie  gegen 
Westen  sind  sie  durch  Querbrüche  abgeschnitten,  jenseits  welcher 
in  ihrem  Niveau  wieder  Augitporphyrlaven  erscheinen. 


VII.  CAPITEL. 
Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 

Sotschiada  und  Aschkler  Alpe.  -  Das  Dolomitriff  der  Geissler  Spitien.  -  Die  Gardenaiza-Tafel- 

masse.  -  Das  Dolomitriff  des  Peitlerkofel.  -  Campil-Thal. 

Das  Kalkgebirge  zwischen  dem  Grödener  Bache  und  der 
Gader  zerfällt  in  orographischer  Beziehung  in  zwei  Gebirgsgruppen, 
welche  durch  eine  ostwestliche  Tiefenlinie  getrennt  sind.  Die  süd- 
liche Gruppe  umfasst  •  das  Tafelgebirge  Gardenazza ,  die  Geissler 
Spitzen  (falschlich  Geister-Spitzen)  und  die  Aschkler  Alpe  mit  dem 
Grödener  Pitschberg.  Zwei  Thäler  dringen  von  Süden,  von  Gröden, 
her  in  das  Innere  derselben,  das  bei  der  Felsenruine  Wolkenstein 
mündende  Lange  Thal  und  das  nächst  St.  Christina  sich  öffnende 
Tschisler  Thal.  Ein  einheitlicher  Name  für  diese  Gruppe  fehlt.  Die 
nördliche  Gruppe,  welche  ihren  Culminationspunkt  im  Peitlerkofel 
(2874  Meter)  hat,  bildet  einen  die  Villnösser  Bruchlinie  nördlich 
begleitenden  Gebirgsrücken.  Der  Ruefenberg  und  die  Kofel-Alpe 
sind  die  hervorragendsten  Punkte  auf  der  Westseite,  Col  Verein 
zwischen  Untermoy  und  Campil  beherrscht,  als  nordöstliches  Gap, 
die  Ostseite. 

Diese  beiden  Gebirgsgruppen  entsprechen  nicht,  wie  Schiern, 
Rosengarten  und  Langkofel,  individualisirten  Dolomitriffen.  Die  Vill- 
nösser Bruchlinie  hat  ein  hier  bestandenes  Dolomitriff  mitten  entzwei 
geschnitten.  Die  Geissler  Spitzen  und  der  Peitlerkofel  bildeten  vor 
dem  Eintritte  des  Bruches  eine  zusammenhängende  isopische  Dolomit- 
masse, welcher  im  Osten  und  im  Süden  heteropische  Wengener 
Schichten  angelagert  waren. 

Durch  eigene  Untersuchung  kenne  ich  blos  die  südliche  Ab- 
dachung der  erstgenannten  Gruppe  (Aschkler  Alpe,  Puez-Alpe  u.  s.  f ). 
Die  geologische  Kartirung  des  nördlichen  Gebietes  führte  Dr.  Hoernes 
durch,  dessen  Aufnahmsbericht  der  Darstellung  der  Verhältnisse  an 
der  Villnösser  Bruchlinie,  im  Peitlerkofel-Kamme  und  zwischen  Cam- 
pil und  Abtey  (St.  Leonhard)  zur  Grundlage  dient. 


Das  Gebirge  zwischen  GrAden  und  Abtey.  207 


I.  Sotschiada,  Aschkler  Alpe  und  die  Geissler  Spitzen. 

Das  Grödener  Thal  ist  eine  Erosionsnnne.  Die  beiden  Thal- 
.gehänge  entsprechen  einander  vollkommen.  Bei  St.  Anton  nächst 
St.  Ulrich  übersetzen  die  Gypse  und  die  Bellerophonkalke  die  Thal- 
sohle und  ziehen  westlich  von  St.  Jakob,  wo  die  ersten  fossilen 
Mollusken  des  Beilerophonkalkes  von  Dr.  Hoernes  und  mir  im 
August  1874  gefunden  wurden*),  am  linken  Gehänge  des  Kuetschena- 
Thales  aufwärts  zum  Sattel  zwischen  Sotschiada  und  Raschötz.  Ob- 
wol  die  Verwerfungslinie,  welche  am  Nordgehänge  der  Fassa-Grö- 
dener  Tafelmasse  eine  Wiederholung  der  tieferen  Schichtenreihen 
bewirkt,  am  linken  Grödener  Thalabhange  bei  Sebedin  scheinbar 
endigt,  muss  doch  deren  Fortsetzung  auf  das  rechte  Thalgehänge  an- 
genommen werden,  da  die  höheren  Schichten  erst  bei  St.  Christina 
als  Fortsetzung  des  Tafelrandes  der  Seisser  Alpe  die  Thalsohle 
übersetzen  und  weil  ferners  nördlich  von  St.  Jakob  in  halber  Höhe 
des  aus  Werfener  Schichten  bestehenden  Gehänges  eine  Partie 
Muschelkalk  und  Buchensteiner  Schichten  erscheint,  welche  den 
liegenden  Werfener  Schichten  regelmässig  aufgelagert  ist.  Dass  hier 
eine  den  Abbruch  der  vorderen  Massen  bedingende  Verwerfung 
vorhanden  ist,  steht  wol  ausser  Zweifel.  Das  Streichen  der  Schichten 
entspricht  in  der  unteren  Scholle  so  ziemlich  dem  Verlaufe  des 
Gehänges.  In  der  oberen  Masse  dagegen  herrscht,  besonders  gegen 
St.  Christina  hin,  ausgesprochenes  Südfallen.  Es  ist  der  gegen  Nor- 
den rasch  aufsteigende  Schichtenkopf  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse. 

Bei  St.  Christina  findet  sich  auch  eine  Partie  der  Augitpor- 
phyrlaven  auf  der  rechten  Thalseite.  Höher  aufwärts  ist  nur  eine 
schmale    Zone    des    Muschelkalk-Dolomits    erhalten,    welche    sich 


*)  Von  dieser  Localit&t  bestimmte  Stäche  die  folgenden  Formen: 
Bellerophon  peregrinus  Laube 
„         Jacobi  St, 
f  „  Ulrici  St, 

„         fallax  St, 
Hinnites  crinifer  St, 
Aviculopecten  cf,  Coxanus  Meek  et  W. 
Backevellia  cf,  ceratophaga  Schloth,  sp. 
Nucula  cf.  Beyrichi  Schaur, 
Pleurophorus  Jacobi  St. 
Von  dem  Gehänge  zwischen  Pitschberg  und  Sotschiada: 
I  Nautilus  fugax  Mojs, 

Spirifer  vultur  St, 


2o8  Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 

unterhalb  der  Sorasass-Alpe,  wo  flachere  Lagerung  eintritt,  erweitert 
Auf  der  Sorasass-Alpe  in  einer  Höhe  über  2000  Meter  stehen  Wer- 
fener Schichten  an,  welche  hier  eine  Sattelwölbung  erleiden.  Unter 
dem  Gipfel  des  Pitscbberges  überlagert  der  aus  rothem  Dolomit 
und  rothem  Conglomerat  bestehende  untere  Muschelkalk  in  der  Höhe 
von  2200  Meter  die  Werfener  Schichten  und  es  tritt  nun  auf  der 
Westseite  flaches  Nordfallen  ein,  während  auf  der  Ostseite  die 
gleichfalls  nordfallenden  Schichten  steil  einschiessen ,  so  dass  sie 
östlich  vom  Pitschberg  den  Aschkler  und  Tschisler  Bach  über- 
setzen können.  Der  Gipfel  des  Pitschberges  (2361  Meter)  wird  von 
Buchensteiner  Schichten  gebildet,  in  welchen  Dr.  Reyer  einen 
extralabiaten  Arcesten  und  Lytoceras  cf.  Wengense  fand.  Wie  es 
scheint,  kommen  in  der  Anticlinalwölbung  der  Werfener  Schichten  süd- 
östlich von  Sorasass  auch  stellenweise  noch  die  Bellerophonkalke  zum 
Vorschein,  da  Stäche  fossilfiihrende  Gesteine  der  Bellerophon-Schich- 
ten von  ^St.  Christina,  nordwärts  gegen  den  Pitschberg*  erwähnt*). 

Auf  die  Anticlinale  von  Sorasass  folgt  nördlich  die  Synclinale 
der  Aschkler  Alpe.  Die  Synclinale  ist  indessen  gebrochen.  Eine 
Verwerfung  schneidet  die  vom  Pitschberg  nördlich  herabziehenden 
Schichten  ab,  worauf  ein  Absinken  und  flaches  Südostfallen  eintritt. 
Eine  zweite,  nördlicher  gelegene  Verwerfung  begrenzt  die  ein- 
gesunkene Scholle  und  im  höheren  Niveau  setzen  die  südostfallenden 
Schichten  bis  zum  Nordrande  des  Gebirges  fort.  Ueber  das  ein- 
gesunkene Mittelstück  fuhrt  der  Weg  von  Oberwinkel  auf  die 
Aschkler  Alpe.  Auf  dem  Gipfel  des  Sotschiada  (2552  Meter)  stehen 
Buchensteiner  Schichten  an,  aus  welchen  Stur  extralabiate  Arcesten, 
ein  Trachyceras**)  und  Daonellen  mitbrachte.  Ich  selbst  fand  in  den 
die  Knollenkalke  überlagernden  Bänderkalken  am  Wege  von  Ober- 
winkel auf  die  Aschkler  Alpe  in  zahlreichen  Exemplaren  eine  fein- 
rippige  Varietät  der  Daonella  Taramellii. 

Der  obere  Muschelkalk  besteht  hier  überall  aus  einer  mäch- 
tigen Bank  weissen  Dolomits ,  welcher  sich  von  ferne  bereits  sehr 
scharf  von  den  ihn  bedeckenden  dünnschichtigen  Buchensteiner 
Schichten  abzeichnet.  Im  unteren  Muschelkalk  spielen  am  Nordrande 
des  Gebirges  und  am  Fusse  der  Geissler  Spitzen  die  rothen  Conglo- 
merate  die  Hauptrolle.  Im  Kuetschena-Thale  auf  dem  Wege  zur 
Aschkler  Alpe  bemerkte  ich  indessen  keine  Conglomerate,  sondern 
nur  rothe  Dolomite  und  dunkle,  wellenkalkähnliche  Kalke. 


*)  Jahrb.  Geol.  R.-A,  1877,  pag.  279. 
*♦)  Abgebildet    in    meiner  Arbeit   „Ueber  Triasversteinerungen  aus   den  Süd- 
alpen**, Jahrb.  Geol.  R.-A.  1873,  Taf.  XIV,  Fig.  7. und  8. 


Das  Gebirge  zwiscben  Gröden  und  Abtey. 


Fl 
u 

In 


I" 


II 


I 


2IO  ^^'  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 

In  Folge  der  eigenthümlichen  synclinalen  Lagerung  und  ins- 
besondere des  südöstlichen  Einfallens  des  nördlichen  Muldenflügels 
erscheinen  die  Augitporphyrlaven  *)  und  die  Wengener  Schichten 
nur  im  Inneren  der  Mulde  und  wird  der  überhöhte  westliche  und 
nordwestliche  Rand  der  Aschkler  Alpe  ausschliesslich  von  den 
Schichtenköpfen  der  Buchensteiner  Schichten  gebildet  An  der  Basis 
der  Augitporphyrlaven  treten  hier,  sowie  in  den  östlicheren  und 
nordöstlichen  Gebieten  ziemlich  constant  Kalkbreccien  mit  tufHgem 
Bindemittel  auf,  welche  bei  zurücktretendem  Tuffgehalt  häufig  in 
feste  graue  Kalke  übergehen. 

Die  Geissler  Spitzen  sind  eine  isopische  Dolomitmasse  der 
Wengener  und  Cassianer  Schichten  und  erheben  sich  über  derselben 
Unterlage  wie  die  heteropischen  Wengener  Sandsteine  und  Schiefer 
der  Aschkler  und  Tschisler  Alpe.  Eine  dünne  Masse  homstein- 
fiihrender  Kalke  läuft  als  Fortsetzung  der  Buchensteiner  Schichten 
des  Sotschiada  zwischen  der  unteren  *Dolomitbank  und  der  oberen 
schichtungslosen  Dolomitmasse  durch.  Sie  vertritt  jedenfalls  nur 
einen  aliquoten  Theil  der  Buchensteiner  Schichten.  Der  andere 
Theil  ist  durch  Dolomit  repräsentirt.  Ich  fand  auf  dem  Kamme 
zwischen  Sotschiada  und  der  Steilwand  der  Geissler  Spitzen  im 
Niveau  der  Buchensteiner  Schichten  Dolomit,  welcher  deutliche 
Conglomeratstructur  zeigte,  ausser  den  grossen,  blockförmigen  Do- 
lomitmassen aber  auch  Scherben  von  Bänderkalken  und  Pietra  verde 
enthielt  Dieser  Dolomit  liegt  wol  unter  den  Homsteinkalken  der 
Geissler  Spitzen  und  verschmilzt  mit  dem  Dolomit  des  oberen 
Muschelkalks  zu  Einer  Masse. 

Der  obere  Dolomit  ist  bereits  in  phantastische  Zacken  auf- 
gelöst und  kühn  ragen  die  noch  unbezwungenen  höchsten  Zinnen 
(3182  Meter)  als  ebenbürtige  Nebenbuhler  des  Langkofel  in  die 
Lüfte.  Die  Bezeichnung  »Geister-Spitzen*,  welche  sich  in  Karten 
und  Büchern  findet,  wäre  viel  verständlicher  als  ihr  legitinier  Name. 
Die  Steilwand  ist  dem  Villnöss-Thal  zugewendet.  Die  übrigens  von 
der  Denudation  auch  schon  stark  mitgenommene  Südabdachung 
lässt  an  vielen  Stellen,  namentlich  in  den  tieferen  Partien,  die  Ueber- 
guss  Schichtung  und  die  alte  Riftböschung  erkennen.  Leider  ist  die 
kolossale   Schuttbedeckung    der  Tschisler  Alpe   der  Untersuchung 


*)  V.  Richthofen  gibt  auf  der  Tschisler  Alpe  Melaphyr  an*  Dies  ist  ein 
Irrthum.  An  der  Stelle  des  angeblichen  Melaphyrs  kommen  unter  starker  Schutt- 
bedeckung Wengener  TufFsandsteine  vor,  in  derem  Liegenden  dann  weiter  im  Süden 
echte  Augitporphyre  vorkommen.  Vgl.  a.  Doelter's  Untersuchung  dieses  Gesteins. 
Jahrb.  Geol.  R.-A.  1875,  Min.  Mitth.  pag.  296. 


Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 


211 


der  heteropischen  Grenze  sehr  hinderlich,  doch  kann  man  am  Rande 
der  Aschlder  Alpe  deutlich  eine  fortlaufende  Zone  von  typischen 
Riffkalken  und  wiederholtes  Ineinandergreifen  von  Wengener 
Schichten,  Riffkalken  und  Dolomit  beobachten.  Die  Augitporphyr- 
laven  enden  bereits  südlich  vom  Gipfel  des  Sotschiada;  nirgends 
greifen  sie  in  das  Riff  ein.  Die  Ursache  liegt  nicht  etwa  in  der  zu 
peripherischen  Lage  der  Geissler  Spitzen,  denn  es  finden  sich  Augit* 
porphyrtuffe  noch  am  Ostende  des  Peitlerkofels,  sondern  in  der 
erhöhten  Lage  der  Riffs.  Bei  fast  söhliger,  wenig  gegen  Süden 
geneigter  Lagerung  befindet  sich  der  untere  Muschelkalk  am  Nord- 
abhange  der  Geissler  Spitzen  in  der  Höhe  von  2200  Meter  und  ver- 
harrt constant  in  dieser  Höhe,  soweit  das  Riff  der  Wengener 
Schichten  reicht  Erst  unter  dem  Schoatsch,  wo  wieder  die  Mergel- 
facies  der  Wengener  Schichten  beginnt,  sinkt  der  untere  Muschel- 
kalk allmählich  in  tiefere  Isohypsen.  Aehnlichen .  Verhältnissen 
begegneten  wir  bereits  im  Rosengarten -Riff  und  im  Langkofel -Riff 
und  es  ist  bemerkenswerth,  dass  in  der  Regel  die  Basis  der 
Riffe  um  vieles  höher  liegt,  als  die  Basis  ihrer  hetero- 
pischen  Umgebung.  Die  häufige  Wiederkehr  derselben  Höhen- 
linie (2200  Meter)  an  der  Basis  der  am  wenigsten  gestörten  Riffe 
deutet  auf  ein  bestimmtes  gesetzmässiges  Verhalten. 

Die  obersten  Dolomitmassen  der  Geissler  Spitzen  greifen  in  der 
Form  einer  mächtigen  Bank  in  das  südliche  und  südöstliche  Gebiet 
(Gardenazza  -  Tafelmasse)  über.  Wir  werden  später  Anhaltspunkte 
finden,  um  sie  den  Cassianer  Schichten  im  Alter  gleichstellen 
zu  können. 


Gehänge  ffegen 
Villnös» 


Geissler  Spiuen  Col  delle 

Tschisler  Alpe       Pieres       Lange  Thal 


NW 


SO. 


Das  Verhiltniaa  der  Qeistler  Spitsen  sum  Oardenassa-Ocbirge. 

(Uebergreifen  des  Cassianer  Dolomits.) 

a  =  Quarzporphyr;  b  =s  GrOdener  Sandstein;  e  n  Bellerophon-Schichten;  d  =  Werfener 
Schichten;   e  =  Unterer  Muschelkalk:  /  =  Oberer  Muschelkalk:   g  =  Buchensteiner  Schichten; 
Jk  =   Wengener  Schiebten ;  h^   =  Wengener  Dolomit ;  f  =  Cassianer  Dolomit ;  k  =  Raibler 

Schichten ;  l  =  Dachsteinkalk ;  »  =  Gehftng  e-Schutt 


14* 


212  ^^^  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abcey. 


2.  Die  Gardenazza-Tafelmasse. 

Der  eben  erwähnte  Cassianer  Dolomit  bildet  mit  steilen  glatten 
Denudations-Wänden  ringsum  eine  mächtige  Stufe,  über  welcher 
dann  mehr  oder  weniger  gegen  das  Innere  zurücktretend,  Raibler 
Schichten  und  Dachsteinkalk  folgen.  Nur  auf  der  Nordseite  erscheint 
als  Unterlage  des  Cassianer  Dolomits  eine  mächtige,  gegen  Osten 
auskeilende  Bank  Wengener  Dolomits^  welcher  als  ein  schmaler, 
östlicher  Ausläufer  des  Riffs  der  Geissler  Spitzen  zu  betrachten  ist. 
Im  Osten,  Süden  und  Westen  dagegen  lagert  der  Cassianer  Dolomit 
frei  über  den  Wengener  Tuffmergeln  und  Sandsteinen. 

Eigenthümliche  tektonische  Verhältnisse  verleihen  diesem  Ge- 
birge ein  ganz  besonderes  Interesse.  Der  mittlere  Theil  der  Tafel- 
masse ist  unter  Beibehaltung  fast  söhliger  Lagerung  tief  eingesunken, 
die  Ränder  aber  sind  unversehrt  bei  gleichfalls  sehr  flacher  Lagerung 
stehen  geblieben.  So  kommt  es,  dass  die  Jura-  und  Kreidebildungen, 
welche  sich  auf  einigen  Stellen  des  versunkenen  Mittelstückes  er- 
halten haben,  dem  überhöhten,  aus  den  tieferen  Abtheilungen  des 
Dachsteüikalkes  gebildeten  Rande  flach  angelagert  sind.  Von  Süden 
durch  den  in  das  Herz  der  Gruppe  fuhrenden  Einschnitt  des  Langen 
Thaies  kommend,  meint  man  ein  ungestörtes  Profil  vor  sich  zu 
sehen  und  denkt  bei  dem  Anblick  der  weichen  Kreidegesteins  -  Zone 
der  nördlichen  Puez-Alpe  und  der  über  dieselbe  hinausragenden 
Spitzen  des  Dachsteinkalks  wol  zunächst  an  Raibler  Schichten, 
welche  in  nahezu  gleicher  Höhe  auf  den  gegenüberliegenden  süd- 
lichen Plateaux  der  Gardenazza- Gruppe  (Col  delle  Pieres  und  süd- 
liche Puez-Alpe)  vorkommen. 

Der  nördliche  und  östliche  Rand  dieses  Einsturzes  ist  aus  dem 
Verlaufe  der  Contactlinie  der  Kreidebildungen  und  des  Dachstein- 
kalkes in  der  Karte  deutlich  zu  ersehen.  Der  Südrand  läuft  in  einer 
tiefen  klaffenden  Spalte  im  Dachsteinkalke  nächst  der  Höhencote 
2388  in  den  obersten  Thalgrund  des  Langen  Thaies  und  ist  dann 
weiterhin  durch  den  Contact  des  Cassianer  Dolomits  und  des  Dach- 
steinkalkes markirt.  Der  Westrand  liegt  ganz  im  Dachsteinkalke. 
Eine  vom  Westende  der  Jura-  und  Kreidebildungen  der  Puez-Alpe 
südsüdwestlich  in  das  Schuttkar  des  Col  delle  Pieres  gezogene 
Linie  dürfte  ziemlich  genau  mit  dem  westlichen  Bruchrande  zu- 
sammenfallen Die  Höhe  des  Einsturzes  kann  mindestens  auf  1000 
Meter  geschätzt  werden.  So  viel  beträgt  die  Höhendifferenz  zwischen 
dem  Fusse  der  eingesunkenen  Dachsteinkalkmasse  im  Langen  Thal 


Das  Gebirge  zwischen  Cröden  und  Abte}'- 


GrOdeaer  Joch 


111 


1 1! 


S    1i 


Fontinalich  bei  Dlinpi] 


21 A  Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abter. 

und  den  oberen  Kreide-Schichten  der  Puez-Alpe,  wobei  zu  berück- 
sichtigen ist,  dass  der  tiefere  Thdl  des  Dachsteinkalkes  bis  zu  den 
Raibler-Schichten  abwärts  jedenfalls  noch  unterhalb  der  Sohle  des 
Langen  Thaies  liegt. 

Der  nördliche  Bruchrand  schneidet  die  Kreide-Schichten  nicht, 
wie  man  erwarten  möchte,  vertical  ab,  sondern  fallt  steil  gegen 
Norden  ein,  so  dass  die  stellenweise  gewundenen  und  geschleppten 
Schichten  des  Dachsteinkalkes  die  rothen  Mergel  der  oberen  Kreide 
zu  überlagern  scheinen. 

Die  jurassischen  Ablagerungen  besitzen  eine  sehr  geringe 
Mächtigkeit  und  sind,  wie  gewöhnlich  in  unserem  Gebiete,  sehr 
schwer  vom  Dachsteinkalke  abzugrenzen.  Bei  einer  mit  Dr.  Hoernes 
auf  die  Puez-Alpe  unternommenen  Excursion  fanden  wir  in  lichten 
Kalken  defi  Megalodus  pumilus  und  die  fiir  unseren  Jura  charak- 
teristischen oolithischen  Gesteine  in  der  unteren  Abtheilung  und  weisse 
und  rothe  homsteinfiihrende  Kalke  als  Vertreter  des  oberen  Jura*). 
Es  gelang  uns  zwar  nicht,  Versteinerungen  der  oberen  Jura  zu 
finden,  was  daher  rühren  kann,  dass  wir  die  obersten  Bänke  wegen 
der  starken  UeberroUung  mit  Neocom-Schutt  nur  in  sehr  schlechten 
Aufschlüssen  sahen.  Was  wir  sahen,  trägt  jedoch  entschieden  ober- 
jurassischen Typus  und  erinnert  zunächst  an  die  Ausbildung  der 
Aptychen-Schichten.  Die  darüber  lagernden  Kreide- Schichten  er- 
reichen eine  sehr  ansehnliche  Mächtigkeit  (circa  200  Meter),  welche 
mit  der  auffallend  geringen  Stärke  des  Jura  lebhaft  contrastirt  Zu- 
nächst erscheinen  rothe  Mergel  in  Verbindung  mit  grauen  Mergel- 
kalken, welche  stab-  und  kürbisformige,  concentrisch  schalige  Con- 
cretionen,  welche  nicht  selten  an  Imatrasteine  erinnern,  und  Hom- 
steinfiaden  enthalten.  Versteinerungen  sind  namentlich  in  den  Con- 
cretionen  nicht  selten.  Seitdem  durch  uns  die  Aufmerksamkeit  der 
Cassianer  Fossil-Sammler  auf  die  Localität  gerichtet  wurde,  gelangen 
diese  Neocom-Fossilien  unter  der  ungenauen  Localitäts-Bezeichnung 
yZwischenkofel*  in  den  Handel.  So  erhielt  auch  durch  Vermittlung 
des  Herrn  Prof.  v.  Klipstein  das  palaeontologische  Museum  in 
München  eine  reiche  Suite  und  verdanke  ich  meinem  Freunde  Prof, 
Dr.  Zittel  die  folgende  Liste  nach  Bestimmungen  des  Herrn 
V.  Sutner: 

Lytoceras  stibfimbriatum  dOrb,  sp. 

„        cfr,  Honaratianum  etOrb,  sp. 


*)  Die  Angabe  Hoernes*  Ober  die  discordante  Auflagerung  des  Neocom  auf 
Dachsteinkalk   (Verb.  Geol.  R.-A.  1876,   pag.  140)  ist  hiernach   richtig  zu  stellen. 


•* 


»9 


>• 


r» 


Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey.  2\^ 

Phylloceras  TheHs  etOrb,  sp. 

Rouyanum  dOrb,  sp, 
cf,  Guettardi  dOrb.  sp, 
Haploceras    Grasianunt  dOrb.  sp, 

cf,  ligatum  dOrb,  sp, 
cf,  Enurici  Rasp.  sp. 
cf.  McUherani  dOrb.  sp. 
Acanthoceras  angulicostatum  dOrb.  sp, 

„  äff.  consobrinum  dOrb.  sp, 

Crioceras  Duvalianum  dOrb,     . 
Pecten  cf,  Euthymi  Pict, 
Terebratida  diphyoides  dOrb, 
Prof.   Zittel  hat   diesem  Verzeichnisse  die  Bemerkung  beige- 
fügt:   yDie  Fauna    scheint    mir    vollständig    mit    der   von    Berrias 
übereinzustimmen.* 

Bei  der  grossen  Mächtigkeit  des  Complexes  dürften  in  den 
höheren  Schichten  wol  auch  die  in  unseren  Alpen  so  weit  verbrei- 
teten Rossfelder  Schichten  (Biancone)  vertreten  sein. 

Den  Schluss  der  Kreidebildungen  der  Puez-Alpe  bilden 
wieder  rothe  Mergel,  welche  wir  als  ^Scaglia*  angenommen  haben, 
ohne  fiir  diese  Vermuthung  weitere  Anhaltspunkte  zu  besitzen,  als 
die  Analogie  mit  unseren  südlichen  Kreidedistricten,  in  welchen  im 
Allgemeinen  die  über  dem  Biancone  folgenden  rothen  Gesteine  als 
Scaglia  bezeichnet  werden.  Es  wäre  aber  hier  immerhin  denkbar, 
dass  in  Folge  einer  am  Bruchrande  eintretenden,  schleppenden  Zur 
sammenfaltung  der  Kreideschichten  die  oberen  rothen  Meißel  nur 
die  aufgebogene  und  überschlagene  Fortsetzung  der  unteren  rothen 
Mergel  darstellen. 

Am  Südfusse  der  Gardenazza-Tafelmasse  treten  an 
mehreren  Stellen  unter  den  Wengener  Schichten  tiefere  Schicht^ 
glieder  zu  Tage,  welche  eine  kurze  Besprechung  erheischen. 

Zwischen  St  Christina  und  Wolkenstein  trennt  eine  mit 
dem  Unterlaufe  des  Tschisler  Baches  zusammenfallende  Verwerfung 
die  mit  dem  Nordschenkel  des  Pitschberges  zusammenhängende, 
ostfallende,  untere  Schichtfolge  der  Lardschen-Alpe  von  dem  süd- 
lichen Flügel  des  Pitschberges.  Im  Westen  des  Tschisler  Baches 
stehen  Augitporphyrlaven  u.  s.  f.  an,  während  im  Osten  an  der 
Basis  der  zur  Lardschen-Alpe  aufsteigenden  Wand  Werfener  Schich» 
ten  als  tiefstes  Glied  entblösst  sind.  Der  südlichen  Fortsetzung  dieser 
Verwerfung  sind  wir  bereits  im  vorhergehenden  Capitel  bei  der  Be- 
sprechung des  nördlichen  Abhanges  der  Gänsalpel-Masse  begegnet. 
Auch   dort  ist   das  Terrain   im  Westen   der  Verwerfung  gesunken. 


2i6  Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 

Deutlich  Stellen  sich  die  tieferen  Trias-Schichten  an  den  beiden 
Thalgehängen  des  oberen  Gröden  (Wolkenstein)  als  die  Fortsetzung 
des  gewölbfbrmigen  Aufbruches  zwischen  Plön  und  dem  Grödener 
Joche  dar.  Steiler,  als  man  nach  der  ruhigeren  Lagerung  der  höheren 
Gebirgsmassen  schliessen  sollte,  sind  die  unteren  Trias-Schichten  in 
dem  Aufbruche  von  Plön  aufgerichtet  Auch  bewirken  etliche 
kleinere  Sprünge  eine  Unregelmässigkeit  der  Lagerung,  wie  sie  in 
unserem  Gebiete  nur  selten  zu  beobachten  ist.  Eine  Anzahl  von 
kleineren  Schollen  hat  sich  von  der  Hauptmasse  losgetrennt*)  und 
ist  gleichsam  in  die  .gesprengte  Wölbung  zurückgesunken.  Deshalb 
begegnet  man  auf  dem  Wege  von  Plön  zum  Grödener  Joche  im 
ersten  Theile  des  Anstieges  so  wechselnden  Fallrichtungen  und 
wirr  durcheinander  liegenden  Schichten.  Durchsetzungen  von  Erup- 
tivgesteinen haben  aber  in  dieser  Gegend  nicht  stattgefunden  und 
hat  wol  nur  die  schoUenfÖrmige  Zerstückelung  des  Gewölbes  bei 
V.  Richthofe n  die  Vorstellung  von  gangförmigen  Durchbrüchen 
des  Augitporphyrs  hervorgerufen.  Uebrigens  tritt  hier  noch  ein 
weiteres  Moment  hinzu,  welches  scheinbar  zu  Gunsten  der  Annahme 
von  Gängen  spricht  Die  festen  Augitporphyrlaven  weichen  mit  der 
zunehmenden  Entfernung  von  den  Eruptionsstellen  des  Fassa-Thales 
immer  mehr  und  mehr  den  dickschichtigen  Tuffen,  mit  denen  sie 
wechsellagem. 

Oestlich  von  dem  ganz  aus  Wengener  Tuffmergeln  und  Sand- 
steinen bestehenden  Grödener  Joche  streicht  die  Fortsetzung  des 
Aufbruchs  von  Plön  am  Südfusse  des  Sass  da  Tschampatsch  und 
des  Sass  Songer  fort.  An  die  Stelle  der  steilen  Aufwölbung  ist  aber 
ein  Riss  getreten,  an  dem  die  südliche  Masse  abgesunken  ist.  Auf 
der  Cogolara-Alpe  erscheinen  zunächst  unter  den  Wengener  Schich- 
ten Augitporphyrtuffe  mit  eingelagerten  Laven  und  tuffige  Kalk- 
breccien,  sodann  steil  aufgerichtete  Buchensteiner  Schichten  und 
Muschelkalk.  Vor  dem  letzteren  sieht  man  eine  südwärts  einfallende 
Partie  von  Augitporphyrtuffen.  Die  Stelle  ist  in  der  Literatur  als 
ein  Eruptionspunkt  des  Augitporphyrs  oft  genannt.  Dass  ein  solcher 
hier  nicht  vorhanden  ist,  bedarf  keiner  weiteren  Erörterung.  Bei 
Kolfuschg  werden  unter  dem  Muschelkalk  flach  nördlich  einfallende 
Werfener  Schichten  sichtbar.  Die  Fortsetzung  des  südlichen  Bruch- 
randes liegt  unter  der  mächtigen  Schuttbedeckung.  Oestlich  von 
Kolfuschg  am  Südfusse  des  Pradat  tauchen  aber  die  südlich,  gegen 
das  Sellagebirge  zu  einfallenden  Augitporphyrtuffe  wieder  auf    Ein 


*)  Beim  Entwürfe  der  Karte  konnten  selbstverständlich  diese  untergeordneten 
das  Gesammtbild  kaum  beeinträchtigenden  Störungen   nicht   berücksichtigt   werden. 


Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey.  217 

Blick  auf  die  Karte  lässt  nun  klar  den  Zusammenhang  dieser  aus 
den  Schuttmassen  des  Kolfuschger  Thaies  isolirt  aufragenden  Par- 
tien von  Augitporphyrlaven  mit  den  östlich  folgenden  Massen  des 
Colatschberges  und  des  Lendelfu  erkennen.  Die  östlich  fortsetzende 
Verwerfung  folgt  zwischen  Pescosta  und  Verda  der  Thalrinne  und 
setzt  bei  Verda  auf  das  rechte  Thalgehänge  über. 

Vorher  aber  bereits  verschwinden  die  tieferen  Schichtglieder 
am  Fusse  des  Gardenazza-Gebirges  und  das  ganze  östliche  Fuss- 
gestelle  wird  ausschliesslich  von  Wengener  Schichten  gebildet. 

Die  am  Nordfusse  des  Gebirges  sich  ausdehnende  Terrasse 
von  Wengener  Schichten  wird  durch  einen  ostwestlich  streichenden 
Zug  der  tieferen  Schichten,  welcher  nächst  der  Abteyer  Mur  das 
Gaderthal  verquert  und  westlich  zum  Schoatsch  (Sobatsch)  unter 
den  Geissler  Spitzen  fortsetzt ,  normal  unterlagert.  Aus  der  tiefen 
Lage  im  Ostai,  an  der  Gader,  1300  Meter,  erheben  sich  die  Schich- 
ten, gegen  Westen  vorschreitend,  in  stets  höhere  Niveaucurven, 
namentlich  im  Schoatsch  bei  der  Amiäherung  an  das  Riff  der 
Geissler  Spitzen.  Den  AugitporphyrtufTen  ist  an  der  Gader  ein  Strom- 
ende festen  Augitporphyrs  eingelagert,  welches  ebenfalls  zur  An- 
nahme einer  Eruptionsstelle  Anlass  gegeben  hat.  Die  in  der  Literatur 
vielgenannte  Costa-Mühle,  welche  hier  gestanden  hat,  ist  durch  einen 
Murgang  der  hier  mündenden  berüchtigten  Abteyer  Mur  zerstört 
worden.  *) 

Aus  den  Buchensteiner  Schichten  dieses  Zuges  liegen  aus  der 
Campiler  Gegend  Exemplare  der  Daanella  Taratnellii  vor. 

Vor  dem  DolomitrifT  der  Geissler  Spitzen  brechen  sowol  die  Augit- 
porphyrtufTe  als  auch  die  Wengener  Schichten  ab.  Eine  kleine,  unmittel- 
bar über  den  Buchensteiner  Schichten  auf  dem  Schoatsch  auftretende 
Dolomitpartie,  ein  vorgeschobener  Ausläufer  des  nahen  Riffs,  isolirt 
das  westlichste  Vorkommen  des  Tuffs.  Da  der  Dolomit  wol  im  Süd- 
westen mit  dem  grossen  Riff  zusammenhängt,  so  muss  man  an- 
nehmen, dass  die  gegenwärtig  in  Folge  der  vorgeschrittenen  Denu- 
dation unterbrochene  Verbindung  des  isolirten  Augitporphyr-Vor- 
kommens  mit  dem  östlichen  Hauptzuge  im  Norden  des  Dolomit- 
ausläufers gelegen  war.  In  der  Nachbarschaft  des  Dolomitriffs  ver- 
drängen gelbliche  Kalkbänke  mit  Cidaritenresten  und  Cipitkalke 
allmählich  die  mergeligen  und  tuffigen  Bänke  der  Wengener  Schichten. 
In  den  Wengener  Schichten  von  Mundevilla  entdeckte  Hoernes 
eine  ziemlich   reiche  Fundstelle  von  Fossilien.    Das  Gestein  ist  der 


♦)   Wir  werden  auf  die  fortdauernden  gleitenden  Erdbewegungen  im  Gebiete 
der  Wengener  und  Cassianer  Schichten  noch  zurQckkommen. 


2l8 


Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 


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Campil-Thal 


Du  Gebirge  xiiitehen  Grdden  uod  Abtey.  219 

typische  Daonellenschiefer  von  Wengen.    Die  vorliegenden  Formen 
sind: 

Trackyceras  Utdimtm  Mojs. 
„         Mtmdevülae  Mojs. 
a  Corvarmse  Lbe.  sp. 

Lytoceras  Wengense  Klipst.  sp. 
ArctsUs  sp. 

Daonella  tommeli   Wissm.  sp. 
Posidonomya   Wet^ensis   Wissm. 

Dass  sich  unter  dem  Cassianer  Dolomit  eine  gegen  Osten  aus- 
kdlende  Masse  von  Wengener  Dolomit  auf  der  Nordseite  des  Ge- 
bti^s  fortzieht,  wurde  bereits  erwähnt  Die  beiliegende  von 
Hoernes    mitgetheilte    Skizze    der    Zwischenkofelwand    zögt    auf 


Anilcht  dv  ZwUdwnkeMwIiHl«,   vom  SchutKh. 

<>  =  Wengeaer  Dolomit;  e  =  Rate  tod  h  d 
ener  Sdiichten;  d  =  Ciuiiner INriomil ;  •::  Gc 
lii;/  =  Ralbler  Schichtea;  g  =  Dichitciiikatt. 


d  ^  Wengnier  Schjchtgn;  b  =  Wengeaer  Dolomit;  c  =  Rate  tod  h  der  Dolomitmiid  (u>- 
keiknden  Zangen  der  Wengener  Sdiichten;  d  =  Ciuiiner  INriomil ;  •  b  Ge*cbtcbteter  Cuiltner 


dem  an  zwei  Stellen  gesimseartig  vortretenden  Wengener  Dolomit 
wdchere  Schichten,  welche  an  der  oberen  Steilwand  abschnaden. 
Die  Verhältnisse  sind  hier  offenbar  völlig  identisch  mit  den  im 
nächsten  Capitel  zu  schildernden  Voricommnissen  auf  den  Vorsprün- 
gen der  Sella-Gnippe,  weshalb  hier  von  weiteren  Erklärungen  ab- 
gesehen wird. 


3.  Die  Gebiigsmasse  des  Peitlerkofels. 

Den  Verlauf  der  Villnösser  Bruchlinie,  welche  die  Peitlerkofel- 
Masse  von  den  südlichen  Districten  abschnddet,  schildert  Hoernes 
in  folgender  Weise: 


220  ^^  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abte}*. 

,Auf  dem  Sattel  zwischen  dem  ViUnöss-Thal  und  dem  Cam- 
piler  Seitenthal  ist  der  Betrag  der  Verwerfung  sehr  gering  und 
wird  durch  eine  Aufbiegung  (Schleppung)  der  gesunkenen  Nordseite 
fast  verschwinden  gemacht.  Der  Uebergang  liegt  nicht  auf  dem 
eigentlichen  Sattel,  in  den  Werfener  Schichten,  sondern  höher  nörd- 
lich auf  dem  mergeligen  Complex  der  Wengener  Schichten. 

Ueber  den  Werfener  Schichten  folgt  sowol  auf  der  Nord-  als 
Südseite  das  rothe  Conglomerat  und  der  weisse  Dolomit  des 
Muschelkalks,  über  diesem  homsteinfuhrender  Dolomit  {Buchen- 
steiner Kalk),  sodann  wenig  mächtige  Tuffe,  die  vorwiegend  aus 
den  tuffigen  Kalkbreccien  bestehen. 

Etwas  weiter  gegen  Westen  verändert  sich  das  Profil  quer 
über  den  Casaril-Bach  in  folgender  Weise.  Die  Tiefenlinie  entspricht 
der  Bruchlinie;  die  nördlich  von  derselben  auf  dem  Joch  durch  die 
Aufbiegung  sichtbar  gewordene  untere  Trias  ist  unmittelbar  imter 
dem  Joch  verschwunden  und  es  liegt  nördlich  vom  Bruche  die  Do- 
lomitmasse des  Ruefenberges, .  während  südlich  von  derselben  zu- 
nächst Bellerophon-Schichtenr  uild  Grödener  Sandstein,  sodann  das 
Ende  der  Quarzporphyrdecke,  welche  von  der  Raschötz-Alpe  in  die 
dichtbewaldete,  hügelige  Niederung  zwischen  Ruefenberg  und  Geissler 
Spitzen  fortsetzt,  sichtbar  wird.  Der  Quarzporphyr  ist  wenig  mäch- 
tig, er  lagert  auf  Thonglimmerschiefer,  getrennt  durch  das  aus  Por- 
phyr- und  Schieferbrocken  bestehende  Verrucano-Conglomerat 

Am  Westende  des  Ruefenberges,  bei  den  Pittschösshäusem 
tritt  die  Tiefenlinie  des  Casaril-Baches  in  den  Thonglimmerschiefer, 
der  demnach  auch  auf  der  Nordseite  des  Thaies  sich  findet  und 
dort  nach  einander  mit  sämmüichen  Schichten  der  unteren  Trias 
bis  zum  Grödener  Sandstein  herab,  auf  welchen  'St.  Johann  liegt, 
zusammentrifft. 

Ostwärts  von  def  Scharte  zwischen  Schoatsch  und  Peitlerkofel 
legen  sich  die  Schichten  wieder  mehr  horizontal  und  das  Mass  der 
Niveaudifferenz  zwischen  dem  nördlichen  abgesunkenen  Thdl  und 
der  südlich  von  der  Spalte  liegenden  Masse  ist  kaum  bemerkbar.*) 
In  der  Gegend  von  Frena  und  Campil  ist  jedoch  diese  Differenz 
schon  wieder  ziemlich  gross  und  wird  sehr  bemerkbar  auf  dem 
Höhenrücken  des  Predizberges,  welcher  das  Gader  Thal  bei 
Pederova  von  dem  Campil-Thal  trennt  Es  tritt  daselbst  eine  ähnliche 

*)  Nach  der  Angabe  Prof.  v.  Klipstein's  (Beitr.  z.  Kenntn.  d.  östl.  Alpen, 
II.  a,  pag.  33)  Ober  das  Vorkommen  gypsfQhrender  Schichten  an  der  Basis  der 
Seisser  Schichten  in  der  Pronzara-Schlucht  habe  ich  in  der  Karte  Bellerophon- 
Schichten  angemerkt,  welche  wol  als  Unterlage  der  sQdlichen  Masse  zu  betrachten 
sind. 


Du  Gebirge  iwiichen  GrSden  und  Abtey. 


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Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey.  223 

Schleppung  wie  auf  dem  Joch  zwischen  Campil  und  Villnöss  ein. 
Die  Schichten  stehen  jedoch  fast  senkrecht  und  fallen  nach  Nord- 
nordwest/ 

Das  Nordgehänge  der  Peitlerkofel-Masse  entblösst  die  ganze 
Schichtfolge  vom  Thonglimmerschiefer  aufwärts  bis  hoch  in  die 
Triasbildungen  hinauf.  Der  westliche  Theil  ist  dabei  eine  nahezu 
vollständige  Wiederholung  des  gleichfalls  bis  in  den  Thonglimmer- 
schiefer abwärts  reichenden  Profils  der  Geissler  Spitzen.  Nur  das  hier 
an  der  Nordseite  erfolgende  vollständige  Auskeilen  des  Quarzporphyrs 
veranlasst  eine  Abweichung  und  entzieht  der  Landschaft  eines  der 
stimmungsvollsten  Elemente.  Es  sind  niu*  mehr  vereinzelte  linsen- 
förmige, dem  Vemicano-Conglomerate  eingelagerte  Quarzporphyr- 
Massen,  welche  uns  auf  der  Nordseite  des  Ruefenberges  noch  begegnen. 
Das  nordöstlichste  Vorkommen  traf  Hoernes  im  Rodelwalde.  Weiter 
östlich  verrathen  nur  mehr  die  Porphyrblöcke  des  Verrucano,' 
welche  sich  namentlich  in  den  oberen  Lagen  unterhalb  der  Grödener 
Sandsteine  finden,  die  Gleichzeitigkeit  der  Bildung  mit  der  mäch- 
tigen Porphyrtafel  des  Südwestens.  Es  ist  genau  eine  Wiederholung 
der  Erscheinung,  welche  die  Augitporphyrlaven  der  norischeii  Stufe 
darbieten,  mit  der  einzigen  Abweichung,  dass  das  Verbreitungs- 
gebiet  des   permischen  Quarzporphyrs   um   vieles  ausgedehnter  ist. 

Die  Bellerophon-Schichten  sind  in  dieser  nördlichen  Zone  an 
vielen  Stellen  vortrefflich  entblösst  und  allenthalben  reich  an 
Fossilien.  Ueber  den  wolgeschichteten  gypsfuhrenden  Mergeln 
liegen  die  fossilreichen  dunklen  bituminösen  Kalke  in  einer  Mächtig- 
keit von  circa  30  Meter.  Am  Nordfusse  des  Ruefenberges  ist 
namentlich  ein  brachiopodenreiches  Gestein  bemerkenswerth,  aus 
welchem  die  folgenden  von  Hoeriles  gesammelten  und  von  Stäche 
bestimmten  Formen  stammen: 

Spirifer  ladinus  St, 
Streptorhynchus  tirolensis  St. 
„  Pichleri  St. 

Productus  cadaricus  St. 

cf.  Cora  ctOrb. 

Stottert  St. 

Weiter  gegen  Osten,  wo  die  Bellerophon-Schichten  nament- 
lich bei  St.  Martin  gut  aufgeschlossen  sind,  wächst  ihre  Mächtigkeit. 
Man  kennt  aus  der  Gegend  von  St.  Martin: 

Bellerophon  Janus  St. 
Catinella  depressa  Gümb.  sp. 
Natica  cadorica  St. 


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224  Oas  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abley. 

Natica  pusiunctäa  St. 

Bakevellia  ladina  cf,  bicarinata  King. 

Gervillia  peracuta  St. 

Anthracosia  ladina  St. 

Edmondia  cf.  rudis  M'Coy. 
Der  untere  Muschelkalk  ist  durch  rothe  Dolomite  und  Con- 
glomerate  vertreten.  An  der  Bruchlinie  bei  den  Pittschösshäusem 
liegt  er  in  Folge  der  Senkung  bei  1600  Meter;  er  hebt  sich  aber 
auf  der  Nordseite  rasch  zu  2200—2300  Meter  und  sinkt  erst  wieder 
Östlich  vom  Riffe.  Ueber  ihm  erhebt  sich  die  isopische  Masse  des 
weissen  schichtungslosen  Dolomits,  welche  auch  hier  wieder,  wie  im 
Rosengarten,  Schiern,  Langkofel  und  Geissler  Spitzen,  durch  eine 
scharfe  Trennungsfläche  im  Niveau  den  Buchensteiner  Schichten  in 
zwei  ungleiche  Bänke  getheilt  ist.  Nur  am  Ruefenberge  tritt  diese 
■Scheidung  sehr  zurück-  Die  Hauptmasse  des  oberen  Dolomits  ent- 
spricht, wie  die  eingreifenden  Mergelzungen  der  Südostabdachung 
beweisen,  den  Wei^ener  Schichten,  und  nur  die  Gipfelmasse  des 
reitlerkofel  mag  den  Cassianer  Schichten  angehören. 


Die  heteropische  Grenze  gegen  das  badiotische  Mergelbassin 
fallt  mit  dem  raschen  Abfall  des  Peitlerkofels  gegen  Osten  und  Süden 
zusammen  und  läuft  im  Westen  der  Petzes-Alpe  in  südsüdwestlicher 
Richtung  dem  Ostabfall  des  Riffes  der  Geissler  Spitzen  entgegen. 
Die  südliche  Abdachung  des  Peitlerkofels  entspricht  nach  den 
Schilderungen    von    Hoernes     der    alten    Riffböschung    und   zeigt 


Das  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 


225 


Untcrmoy-Thal 


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226  ^'^  Gebirge  zwischen  Gröden  und  Abtey. 

deutlich  die  Ueberguss-Schichtung.  Zungenformiges  Ineinandergreifen 
von  Dolomit  und  Wengener  Mergeln  und  Mergelkalken  ist  entlang 
des  Peitlerkofel-Gehänges  allenthalben  wahrzunehmen. 

Zwischen  dem  Col  Vertschin  und  dem  Ostgehänge  des  Peitler- 
kofels  läuft  ein  Querbruch  durch,  an  welchem  die  Werfener  Schichten 
der  Peitlerkofel-Masse  mit  den  Wengener  Mergeln  der  gegen  Campil 
um  circÄ  700  Meter  absinkenden  Vertschin-SchoUe  zusammentreffen. 
Diese  Werfener  Schichten  sind  wegen  des  Reichthums  wolerhaltener 
Fossilien  der  obersten  Kalkbänke  mit  NaticeUa  costata  (Campiler 
Schichten  von  Richthofen)  in  der  Literatur  unter  der  Localitäts- 
bezeichnung  ,Lagoschellhäuser*  *)  häufig  genannt.  Eine  ostwest- 
liche Verwerfung  schneidet  sie  im  Süden  ab  und  es  folgt  eine 
kleine,  von  Verwerfungen  rings  begrenzte  Scholle  von  Buchensteiner 
Schichten,  Tuffkalkbreccie  und  Augitporphyrtuff. 

Man  entnimmt  leicht  der  Karte,  dass  die  Tuffe  hier  an  der 
Nordgrenze  ihrer  Verbreitung  angelangt  sind.  Daher  die  häufig 
isolirten  linsenförmigen  Massen  und  die  häufige  directe  Ueber- 
lagerung  der  Buchensteiner  Schichten  durch  die  Wengener  Tuffmergel. 

Indem  ich  zum  Schlüsse  dieses  Capitels  auf  Professor  v.  Klip- 
stein's  Monographie  des  Campil-Gebietes  **)  verweise,  welche  zahl- 
reiche Detailbeobachtungen  enthält,  die  sich  ohne  Schwierigkeit  in 
den  Rahmen  unserer  etwas  veränderten  Auffassung  einfügen  lassen, 
bemerke  ich  noch,  dass  in  den  Werfener  Schichten  des  Scheide- 
rückens zwischen  Campil  und  Gader  (vgl.  Seite  222)  auf  Sass  da 
Tjamigoi  bei  Grones  sich  viele  Ammoniten  (Tirolites  Cassianus  u.  s.  f ) 
in  den  oberen  Kalkbänken  finden. 


*)  Diese  Hftuser  befinden  sich  jedoch  viel  tiefer  östlich  im  Gebiete  der  Wen- 
gener Mergel. 

**)  Beitr.  z.  Kenntn.  d.  östl.  Alpen,  II,  2. 


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VIII.  CAPITEL. 
Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Die  Tafelnaasse  der  Sella-Groppe.  -  Der  ..Grüne  Fleck"  bei  Plön  und  das  Grödencr  Joch.  - 
Plan  de  Saas  bei  Corvara.  -  Das  Bovai-Gehinge  bei  Araba.  -  Sas»o  Pitschi.  -  Ursprünglicher 
Zusammenhang  des  Langkofel- und  Sella-Rilfes.  -  Das  Badioten-Hochplateau.  -  Schlammströme. 
-  Stuores,  die  Fundstätte  der  Cassianer  Fonsilien.  ~  Valparola.  -  Das  Richthofen-Riff.  -  Buchen- 
stein.  "   Die  Nuvolau-Gruppc. 

I.  Die  Tafelmasse  der  Sella-Gruppe. 

Mit  allseits  schroff  abfallenden  glatten  Felswänden  erhebt  sich 
zwischen  den  Quellgebieten  des  Grödener  Baches,  des  Avisio,  des 
Cordevole  und  der  Gader  als  orographischer  Knotenpunkt  unseres 
westlichen  Hochgebirges  ein  weiss  schimmerndes  hohes  Plateau- 
gebirge auf  nahezu  rechteckiger  Basis.  Seine  scharfen,  schönen 
Contourlinien  prägen  sich  tief  in  die  Erinnenmg  des  reisenden  Natur- 
freundes ein.  Eine  mächtige  ungeschichtete,  pfeilerförmig  abklüftende 
Dolomitbank  bildet  eine  ringsum  vortretende  Terrasse,  auf  welcher 
gegen  das  Innere  zurückgreifend  eine  schmale  Zone  weicher, 
meist  röthlicher  Gesteinsarten,  einem  fortlaufenden  Bande  vergleich- 
bar, ruht.  (Man  sehe  das  Lichtbild  »Das  Pordoi-Gebirge*  (Sella- 
Gruppe)  von  der  Cima  di  Rossi.  *)  Darüber  baut  sich  eine  zweite 
höhere  Steilwand  auf,  über  welcher  sich  einige  ausgezeichnete  pyra- 
midenförmige Felsgipfel  erheben.  Sie  besteht  gleich  dem  unteren 
Sockel  aus  blendend  weissem  Kalkgestein,  aber  sie  ist  durchaus 
wolgeschichtet  und  von  rothen  Tinten  zart  überschleiert.  Der  Con- 
trast  zwischen  der  massigen  unteren  Stufe  und  dem  tausendfach 
gebänderten  Aufsatz  ist  von  unvergleichlicher  Wirkung. 

Wie  unter  den  Menschen,  so  giebt  es  auch  unter  den  Bergen 
Charaktere.    Die  Sella-Gebirgsgruppe  ist  ein  solcher. 

In  geologischer  Beziehung  concentrirt  sich  das  Hauptinteresse 
auf  die   unteren   Dolomitpartien,   welche  mehrere  höchst  werthvoUe 


*)  Dieses  Bild  schliesst   im  Osten    an  das  im  gleichen  Formate  beigegebene 
Lichtbild  „Die  Langkofel-Gruppe,  von  der  Cima  di  Rossi". 


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228 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 


Aufschlüsse  über  die  heteropischen  Verhältnisse  unseres  Trias- 
gebietes gewähren.  Wir  beginnen  die  Darstellung  im  Westen,  im 
Anschlüsse  an  die  bereits  geschilderten  Gegenden. 

Der  Aufbruch  der  unteren  Triasschichten  bei  Plön  entblösst 
im  Nordwesten  die  Unterlage  unseres  Gebirges.  Ueber  den  Augit- 
porphyrlaven  des  Südschenkels  folgen  Wengener  Tuffmergel  und 
Sandsteine,  welche  sich  einerseits  über  das  Grödener  Joch  hin  mit 
den  die  Unterlage  der  Gardenazza-Tafelmasse  bildenden  Wengener 
Schichten  in  Verbindung  setzen,  andererseits  mit  den  auf  der  Ost- 
seite des  Langkofelriflfs .  über  das  Sella-Joch  hin  sich  ausdehnenden 
Wengener  Schichten  zusammenhängen.  Sie  bilden  aber  zwischen 
der  Nordwestecke  der  Dolomitmassen  und  den  Augitporphyrlaven 
nur  eine  auffallend  schmale  Zone.  Die  Dolomitmasse  ruht  ihnen 
hier  auf 

Beiräufig  in  halber  Höhe  der  weit  nach  Norden-  vortretenden 
Efolomit-Terrasse  fallt  ein  räumlich  ziemlich  begrenzter  Absatz  in  der 
Dolomitwand  auf,  welcher  eine  von  Rasen  überzogene  Partie 
weicherer  Gesteinsarten  trägt.  Die  Stelle  trägt  unseres  Wissens 
keinen  ^genen  Namen,  wir  haben  uns  aber  bei  der  Untersuchung 
gewöhnt,   sie   als   den  , Grünen  Fleck  bei  Plön*   zu  bezeichnen.   Ist 


Bei  Plön 


/*  Grüner  Fleck 


NW. 


SO. 


Der  „Grfloe  Fleck**  an  den  Winden  der  Meeules. 

a  =.  Werfener  Schichten :  b  =  Unterer  Muschrel kalk;  e  =  Oberer  Motchelkalk ;  d  =  Buchenste'ner 

Schichten ;  e  =  Augitporphyrlaven ;  /  =  Wengener  Schichten ;  /»  =  Wengener  Dolomit ; 
/«  =  Oberste  Wengener  Schichten;  g  =  Cassianer  Dolomit;  h  =  Raibler  Schichten;  i  =  Dach- 
steinkalk. 


man  einmal  auf  sie  aufmerksam  geworden,  so  erkennt  man  sie 
leicht  voH  allen  umliegenden  Höhen,  weil  der  grüne  Hügel  lebhaft 
von  der  umgebenden  weissen  Felswand  absticht.*)  Auf  mein  Er- 
suchen  erstiegen   die    Herren   Hoernes    und   Reyer   den  Grünen 

*)  Auch  von  St.  Ulrich  in  Gröden  bemerkt  man  den  Grünen  Fleck  leicht  in 
der  prächtigen,  den  Thalschluss  bildenden  Ansicht  des  Sella-Gebirges  (oder  der 
Mesules,  wie  die  Bewohner  von  St.  Ulrich  den  ganzen  hier  sichtbaren  Theil  der 
Sella-Gruppe  nennen). 


suchen 

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Aufschlüsse 
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Anschlüsse 

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Sandsteine 
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Schichten 
Seite  des 
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nur   eine 
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keinen   ^ 
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Die  SeUa-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  220 

Fleck  durch  die  Felsklamm,  welche  sich  auf  der  Südseite  desselben 
bis  auf  das  Dolomitplateau  hinaufzieht.  Sie  fanden  eine  circa 
20  Meter  mächtige  söhlige  Ablagerung  von  harten  Steinmergeln, 
rothem  korallenführenden  Dolomit  und  gelben  Riffsteinen  (Cipit- 
kalken)  mit  Cidariten,  Crinoiden,  Bivalven  und  Brachiopoden.  Dies 
sind  die  uns  schon  bekannten,  so  häufig  an  der  äusseren  Riffgrenze 
vorkommenden  Gesteine. 

Wer  diesen  rings  isolirten,  auf  einem  freien  Vorwerk  der 
Dolomitwand  sich  erhebenden  Hügel  zum  ersten  Male  sieht,  denkt 
sicherlich  an  eine  Verwerfung,  welche  die  Hangend-Schichten  des 
Dolomits  sammt  diesem  dislocirt  hätte.  Aber  die  Raibler  Schichten, 
welche  das  wahre  Hangende  des  Dolomits  bilden,  unterscheiden 
sich  auf  den  ersten  Blick  von  den  Gesteinen  des  Grünen  Fleckes 
und  von  einer  Verwerfung  ist  nichts  wahrzunehmen.  Wäre  eine 
solche  vorhanden,  so  könnte  sie  wegen  der  völligen  Entblössung  der 
Felswand  der  Beobachtung  kaum  entgehen.  Eine  Fortsetzung  der  Ge- 
steine des  Grünen  Flecks  in  der  Felswand  gegen  Osten  und  Süden 
ist,  wie  die  vorhergehenden  Bemerkungen  erkennen  lassen,  nicht 
vorhanden ;  aber  oin  Blick  auf  die  Felswände  genügt,  um  das  Fort- 
streichen einer  auffallenden  zackigen  Trennungsfläcbe,  welche  genau 
mit  dem  Felsabsatze  des  Grünen  Flecks  correspondirt,  sowol  in 
der  Richtung  gegen  das  Sella-Joch,  als  auch  über  das  Grödener 
Joch  hinaus  wahrzunehmen.*)  Der  Dolomit  zeigt  sich  auf  diese 
Weise  in  zwei  Bänke  getheilt.  Der  Hangendfläche  der  unteren  Bank 
entspricht  die  Unterlage  des  Hügels  am  Grünen  Fleck.  Mit  der 
häufig  wiederkehrenden  Trennungsfläche  der  grossen  Dolomitstöcke 
im  Niveau  der  Buchensteiner  Schichten  hat  die  uns  gegenwärtig 
beschäftigende  Trennungsfläche  nichts  gemein.  Jene  ist  scheinbar 
völlig  eben,  diese  aber  ist  zackig  auf-  und  niedergebogen.  Jene  ent- 
spricht einer  gleichmässigen,  das  ganze  Gebiet  umfassenden  Unter- 
brechung, diese  dagegen  hat  nur  eine  locale  Bedeutung  und 
bezeichnet,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  den  Beginn  der  Cassianer 
Schichten. 

Nähert  man  sich  dem  Sella-Joch,  so  sieht  man  den  unteren, 
den  Wengener  Schichten  zuzurechnenden  Dolomit  fortwährend  an 
Mächtigkeit    abnehmen   und    vor    dem   Joch    noch    auskeilen.    Der 


*)  Unser  Lichtbild  „Die  Sella-Gebirgsgruppe,  von  der  Caldenaz-AIpe  bei 
Plön''  zeigt  im  Vordergrunde  den  Grünen  Fleck,  im  Hintergrunde  einen  Ähnlichen, 
sofort  zu  besprechenden  Hügel  nächst  dem  Grödener  Joche  und  die  diese  beiden 
Vorkommnisse  verbindende  Gesimsfuge  des  Dolomits.  An  der  vorderen  Dolomit- 
Steilwand  unterhalb  des  Grünen  Flecks  ist  die  Blockstructur  des  Dolomits  deutlich 
zu  erkennen. 


230  ^ic  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hocbplateau. 

obere  Dolomit  greift  sodann  auf  dem  Joch  über  die  Wengener 
Sandsteine*)  über.  Den  Wengener  Schichten  sind  längs  dieser 
heteropischen  Grenze  viele  Riffkalkbänke  eingelagert  Korallen  und 
die  übrigen  gewöhnlichen  Einschlüsse  der  Riffkalke  sind  nicht 
selten.  Im  Dolomit  finden  sich  häufig  Korallenreste.  Der  Cassianer 
Dolomit  endet  am  Sella-Joch  mit  einer  vorgeschobenen  Spitze  von 
rothem  conglomeratischem  Dolomit,  an  welchen  sich  gegen  aussen 
etliche  wolgeschichtete  Kalkbänke  anlegen. 

Auch  gegen  das  Grödener  Joch  nimmt  der  Wengener 
Dolomit,  namentlich  in  der  letzten  Strecke  vor  dem  Joch  an  Mäch- 
tigkeit ab.  Die  Verhältnisse  sind  hier  besonders  instructiv  und  von 
Stur**),  welchem  das  Verdienst  gebührt,  zuerst  auf  diese  merk- 
würdige Stelle  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  bereits  zutreffend 
gedeutet  worden. 

Wie  es  beim  , Grünen  Fleck*  der  Fall  ist,  tritt  auch  auf  dem 
Grödener  Joche  der  Wengener  Dolomit,  welcher  hier  allenthalben 
die  ausgesprochenste  Blockstructur  besitzt,  aus  dem  Alignement  der 
oberen  Dolomitwand  hervor.  Er  trägt  femer  genau  wie  auf  dem 
Grünen  Fleck  auch  auf  dem  Vorsprunge  am  Grödener  Joch  einen 
aus  geschichteten  Gesteinsarten  bestehenden  Hügel.  Während  aber 
der  Wengener  Dolomit  vom  Grünen  Fleck  in  hohen  steilen  Denu- 
dationswänden in  die  Tiefe  fällt,  greift  derselbe  über  die  Wengener 
Tuffmergel  und  Sandsteine  des  Grödener  Jochs  über  und  löst  sich 
auskeilend  in  einzelne  grosse  Blockmassen  des  Cipitkalkes  auf  Die 
Verhältnisse  auf  der  West-  und  Ostseite,  welche  durch  die  bei- 
liegenden Ansichten  (Lichtbilder  ,Die  Mesules  von  der  Westseite 
[Ostseite]  des  Grödener  Joches)  versinnlicht  werden  sollen,  sind  im 
Wesentlichen  die  gleichen.  Der  Aufschluss  auf  der  Ostseite  ist  in 
der  Natur  noch  klarer  und  überzeugender,  weil  daselbst  die  Wen- 
gener Tuffmergel  sowol  im  Liegenden  wie  im  Hangenden  der  sich 
auskeilenden  Dolomitbank  trefflich  entblösst  sind.  Das  Auskeilen 
findet  in  der  Richtung  gegen  Norden  statt.  Geht  man  vom  Grödener 
Joch  über  die  Schneide  des  Rückens  auf  den  Hügel,  so  passirt  man 
blos  Eine  aus  grossen  Riffsteinblöcken  bestehende  Kalksteinlage.  Die- 
selbe entspricht  der  obersten  Lage  der  unteren  Dolomitstufe,  deren 
am  weitesten  nach  Norden  vorgeschobene  Partie  sie  repräsentirt. 
Jede  der  tiefer  folgenden  Lagen  tritt  etwas  weiter  gegen  Süden 
zurück,  so  dass  die  Grenzfläche  zwischen  dem  Dolomit  und  den 
Tuffsandsteinen  sich  gegen  Süden  einwärts  neigt  Bis  zu  der  obersten 


*)   Hier  finden   sich  auch  wieder  Bänkchen  des  weissen  faserigen  Aragonits. 
**)  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1868,  pag.  544  u.  f. 


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Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioien -Hochplateau.  23 1 

Kalksteinlage  reichen  vorwaltend  Wengener  Sandsteine,  was  darüber 
folgt,  sind  TufTmei^el  und  denselben  eingeschaltete  dünne  Kalk- 
banke  mit  Cidariten  und  Crinotden.  Den  ziemlich  rasch  eintretenden 
Uebergang  der  Riffsteinblöcke  in  die  Dolomitblöcke  kann  man  an 
den  Wänden  leicht  verfolgen.  Man  überzeugt  sich  auch  leicht,  dass 
die  Blockstructur  des  Dolomits  innigst  mit  den  genetischen  Ver- 
hältnissen desselben  zusammenhängt 

GrSdcntr  Joch  Abhang  der  Maals* 


DurchcboUt  durch  dtn  MQgal  auf  dem  OrBdiBcr  Joche.  S 

llneiaind ergreifen  von  Dolomil  und  Wengener  Schiebten. | 

D  den  Dotoinil  übergehen 


Denkt  man  sich  den  vorspringenden  Hügel  durch  die  fort- 
schreitende Denudation  abgetragen,  so  würde  sich  im  Alignement 
der  oberen  Dolomitwand  auch  unten  über  den  Wengener  Sand- 
steinen eine  Dolomitsteilwand  erbeben,  wie  dies  im  Osten  und  Westen 
der  Fall  ist  Der  isolirte  Hügel  des  Grünen  Flecks,  sowie  die  im 
,  vorhergehenden  Capitel  erwähnten  Denudationsreste  weicher  Gesteine 
auf  dem  vorspringenden  Wengener  Dolomit  des  Zwischenkofel  auf 
der  Nordseite  des  Gardenazza-Gebirges  sind  nun  leicht  verständlich. 

Die  äusseren,  über  das  Mergel-  und  Sandsteingebiet  der  Wen- 
gener Schichten  übei^reifenden  Theile  des  DolomitriflTs  sind  denudirt 
und  die  vereinzelten  Reste  tuf^ger  Gesteine  auf  dem  Absätze  des 
Dolomits  zeigen  ebenso  wie  die  markirte  zackige  Oberfläche  des 
Dolomits  ein  stattgehabtes  Untertauchen,  dn  Ueberfluthen  der  Riff- 
oberfläche an. 

Ich  will  schon  an  dieser  Stelle  betonen,  dass  es  mir  sehr 
wahrscheinlich  dünkt,   dass   der  Wengener   und   Cassianer  Dolomit 


232  ^i^  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

der  Sella-Gruppe  in  demselben  Verhältnisse  zum  Langkofelriflf  steht, 
wie  die  Dolomite  der  Gardenazza-Gruppe  zum  Riffe  der  Geissler 
Spitzen.  Der  Parallelismus  in  der  räumlichen  Vertheilung  des  Wen- 
gener  und  Cassianer  Dolomits  ist  in  beiden  Fällen  ein  vollkommener. 
Das  Sella-Riff  wäre  blos  die  während  der  Bildungszeit  der  oberen 
Wengener  und  Cassianer  Schichten  erfolgte  Ausdehnung  und  Fort- 
setzung des  Langkofelriffs,  seine  gegeniyärtige  Isolirung  blos  ein 
Werk  der  Denudation. 

Auf  die  speciellere  Deutung  der  eigenthümlichen  heteropischen 
Begrenzung  des  Wengener  Dolomits,  welche  der  Aufschluss  am 
Grödener  Joch  kennen  lehrt,  und  auf  die  wesentliche  Verschieden- 
heit dieser  Form  von  den  normalen  Erscheinungen  an  den  Aussen- 
zonen  der  grossen  Riffe  werden  wir  gegen  den  Schluss  dieses 
Abschnittes  zurückkommen. 

Oestlich  vom  Grödener  Joch  reicht  der  Wengener  Dolomit  bis 
in  die  Gegend  von  Corvara.  Er  bildet  auf  dieser  ganzen  Strecke 
eine  vortretende  Terrasse,  auf  welcher  die  Tuffmergel  sich  bis  gegen 
die  Mündung  des  tief  in  die  Masse  der  Sella-Gruppe  einschneiden- 
den Val  di  mezzodi  verfolgen  lassen.  Die  Mächtigkeit  des  Wengener 
Dolomits  ist  hier  nirgends  mehr  bedeutend.  Das  gegen  Nordosten 
vorspringende  Crap  Desella,  welches  ebenfalls  aus  Wengener  Dolo- 
mit besteht,  halte  ich  fiir  eine  abgesunkene  Scholle  unserer  Dolomit- 
Terrasse.  Sowol  der  Dolomit  des  Crap  Desella,  dessen  Auflagerung 
auf  Wengener  Sandsteinen  Corvara  gegenüber  deutlich  zu  sehen  ist, 
als  auch  der  höhere  Dolomit  der  Terrasse  enthalten  Tuffschmitzen, 
Einlagerungen  schwarzer  Kalke  voll  von  Cidariten  und  Einschlüsse 
von  gelben  Riffsteinen. 

Der  Wengener  Dolomit  erreicht  hier  sein  Ende  und  an  seiner 
Stelle  treten  südöstlich  Wengener  Sandsteine  auf  Die  heteropische 
Grenze  ist  leider  stark  durch  Schutt  verdeckt,  aber  an  mehreren 
Stellen  sieht  man  neben  dem  Dolomit  fossilfiihrende  Riffkalke  lagern. 

Die  heteropische  Grenze  des  oberen  oder  Cassianer  Dolomits 
fällt  an  der  Ostseite  mit  der  äusseren  Begrenzung  des  Felssockels 
der  Sella-Gruppe  zusammen.  An  die  Stelle  des  oberen  Dolomits 
treten  Cassianer  Schichten,  welche  ohne  Zwischerilagerung  einer 
dolomitischen  Bank  direct  auf  Wengener  Sandsteinen  ruhen.  Die 
Grenze  zwischen  diesen  beiden  Complexen  liegt,  soweit  die  Auf- 
schlüsse dies  zu  erkennen  gestatten,  genau  in  der  Fortsetzung  der 
bereits  erwähnten  Trennungsfläche  der  beiden  Dolomitmassen  der 
Sella-Gruppe. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  der  Betrachtung  des  oberen 
Dolomits  zu. 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  233 

Als  untere  Grenze  des  Cassianer  Dolomits  gilt  uns  die  mit 
den  Auflagerungen  des  Grünen  Flecks  und  der  Terrasse  nächst  dem 
Grödener  Jpch  zusammenfallende  zackige  Schichtfuge.  Die  obere 
Grenze  bildet  das  stellenweise  (auf  der  Nordseite)  weit  frei  vorsprin- 
gende Plateau,  welchem  die  Raibler  und  Dachstein  -  Schichten  auf- 
gesetzt sind.  Nächst  dem  Sella-Joch,  wo  der  Cassianer  Dolomit  über 
den  Wengener  Dolomit  auf  die  Wengener  Schichten  übergreift,  be- 
trägt nun  die  Mächtigkeit  desselben  höchstens  300  Meter.  Südlich 
vom  Grödener  Joch  erhöht  sich  bereits  die  Ziffer  auf  mehr  als 
400  Meter,  auf  der  Ostseifee  der  Mündung  des  Val  di  mezzodi  er- 
hebt sich  dieselbe  sogar  auf  5 — 600  Meter  *) ,  um  dann  rasch  gegen 
das  badiotische  Mergelbecken  hin  bis  auf  o  zu  fallen.  Dieses  rasche 
Anwachsen  ist  auf  dem  Wege  vom  Grödener  Joch  nach  Kolfuschg 
sehr  deutlich  wahrzunehmen. 

Entlang  der  ganzen  Nordseite  der  Sella-Gruppe  zeigt  der 
scheinbar  vollkommen  massige  Cassianer  Dolomit  bei  schärferer 
Betrachtung  und  unter  günstiger  Beleuchtung  nach  Norden  geneigte 
Ueberguss-Schichtung.  Die  genetische  Verschiedenheit  der  Ueber- 
guss-Schichtung  unserer  Dolomitriffe  und  der  normalen  Schichtung 
sedimentärer  Gesteine  tritt  hier  wieder  mit  grosser  Evidenz  hervor. 
Denn  während  der  Cassianer  Dolomit,  als  Ganzes  betrachtet,  eine 
normal  zwischen  der  Schichtfuge  des  Wengener  Dolomits  und  den 
Raibler  und  Dachstein-Schichten  eingelagerte  Bank  mit  flachem 
Südostfallen  darstellt  —  die  Plateaufläche  des  Cassianer  Dolomits 
entspricht  ebenfalls  diesem  Lagerungsverhältniss  —  fällt  die  Ueber- 
guss-Schichtung desselben,  unabhängig  von  der  Neigung  der  wahren 
Schichtflächen  im  Liegenden  und  Hangenden,  vom  Berge  weg,  nach 
aussen.**)  Die  Ueberguss-Schichten  schneiden  an  der  glatten  Steil- 
wand ab.  Wir  folgern  daraus,  dass  hier  eine  über  die  Grenzen  des 
Wengener  Dolomits  hinaus  übergreifende  Riffböschung  bestanden 
hat,  welche  durch  die  Denudation  zerstört  worden  ist.  In  ähnlicher 
Weise  war  wol  der  Cassianer  Dolomit  der  gegenüberliegenden 
Gardenazzä-Gruppe  gegen  Süden,  also  in  verkehrtem  Sinne  geböscht 
und  bestand  sonach  ein  schmaler  Canal,  welcher  die  beiden  Riffe 
trennte. 

Die  Ost-  und  Südostseite  der  Sella-Gruppe  lässt  ebenfalls 
allenthalben  die  nach  aussen  gerichtete  Ueberguss-Schichtung  im 
Cassianer  Dolomit   deutlich   erkennen.    An    manchen   Stellen   com- 


*)  Diesen  Höhenangaben  liegen  die  Höhencoten  und  Isohypsen  der  Original - 
Aufnahmskarte  im  Massstabe  von  i  :  25o6o  zu  Grunde. 

•*)   Wie    dies    auch    in  unserem  Lichtbilde    „Die  Mesules,  von  der  Westseite 
des  Grödener  Joches^'  zu  erkennen  ist. 


234 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten- Hochplateau. 


biniren  sich  Block-  und  Ueberguss  •  Schichtung.  Streckenweise  ist 
auch  die  alte  RifTböschung  erhalten,  so  insbesondere  westlich  vom 
Pian  de  Sass  nächst  Corvara  und  am  Bovai-Gehänge  bei  Araba. 

Die  Umgebungen  des  Pian  de  Sass  sind  besonders  instructiv. 
Am  Fusse  der  Felswände  stehen  hier  überall  die  Mergel  der 
Cassianer  Schichten  mit  Einlagerungen  von  Riflfkalken  an.  Eine 
kleine  isolirte  Felskuppe  nördlich  vom  Pian  de  Sass  besteht  aus 
Dachsteinkalk,  unter  welchem  die  frei  den  Cassianer  Mergeln  auf- 
gelagerten Raibler  Schichten  zum  Vorschein  kommen.  In  gleicher 
Weise  bildet  Dachsteinkalk  die  Felstafel  des  Pian  de  Sass.  Aber 
während  der  östliche  Theil  derselben  auf  Raibler  Schichten  und 
Cassianer  Mergeln  auflagert,  ruht  der  westliche  Theil  transgredirend 
auf  dem  hier  endenden  Dolomitriff*). 

Höher  aufwärts  auf  dem  terrassenförmig  abfallenden  Gehänge 
sieht  man  noch  einige  direct  der  Dolomitböschung  auf-  und  ange- 
lagerte Partien  von  Dachsteinkalk,  zwischen  denen  die  Oberfläche 
des  Dolomitriffs  mit  gegen  Osten  gerichteter  Ueberguss- Schichtung 
entblösst  ist.  Noch  höher  oben  folgt  sodann  eine  grössere  zusam- 
menhängende Masse  des  Dachsteinkalks,  welche  sich  mit  der  das 
obere  Plateau  des  Cassianer  Dolomits  nahezu  söhlig  bedeckenden 
Platte  des  Dachsteinkalks  verbindet. 


Plan  de  Sass 


Campolungo-Thal 


W. 


O. 


Das  OstgehMnKe  des  Sella-Gebirgea  am  Pian  de  Sass. 

(Anlagerung  von  Cassianer  und    Raibler  Schichten  an  die  Böschung  des  Riffe-;-  Transgression 

des  Dachsteinkalks.) 

a  =  Cassianer  Schichten;  a»  =  Cassianer  Dolomit;  b  =  Raibler  Schichten;  c  =  Dachsteinkalk. 


Es  ist  nun  sehr  bezeichnend,  dass  auf  der  Böschungsfläche 
des  alten  Riffs  die  Raibler  Schichten  gänzlich  fehlen,  während  sich 
dieselben   sowol   oben   auf  dem  Riffplateau   als   auch   unten  neben 

*)  Das  Lichtbild  „Der  Ostabfall  des  Sella-Gebirges,  vom  Campolungo-Joch" 
lässt  deutlich  das  Uebergreifen  des  wolgeschichteten  Dachsteinkalks  über  das  hier 
endende  DolomitrifF  und  Ober  die  nebengelagerten  Cassianer  Mergel  erkennen. 


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ehänge  bei  Araba. 

:i  alten  Riga  mit  Üebergun-Schichtung.) 


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Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-HochpUteau.  235 

dem  Riff  finden.  Die  wolgeschichteten  Bänke  des  Dachsteinkalkes 
lagern  entweder  söhlig  auf  den  Terrassen  oder  auswärts  geneigt  auf 
der  Böschungsfläche  des  Dolomitriffs,  ohne  dass  eine  der  weicheren, 
bunt  gefärbten  Gesteinsarten  der  Raibler  Schichten  zwischen  dem 
weissen  Dolomit  und  dem  ebenfalls  licht  gefärbten  Dachsteinkalk 
sichtbar  würde.  Die  hohe  abschüssige  Riffwand  war  offenbar  dem 
Absätze  der  Raibler  Schichten  nicht  günstig. 

Die  am  Fusse  des  Pian  de  Sass  zwischen  den  Cassianer  Mer- 
geln und  dem  Dachsteinkalk  eingeschalteten  Raibler  Schichten 
bestehen  zu  unterst  aus  braunen,  röthlichen  Sandsteinen  und  sandigen 
Mergeln  mit  Steinkernen  von  Bivalven,  sodann  aus  plattigem,  san- 
digen Kalk  mit  Kohlenschmitzen  und  endlich  aus  dicken  Bänken 
blauen,  fossilreichen  Kalkes.  Die  gewöhnlich  im  höheren  Niveau 
folgenden  rothen  und  grünen  Gesteine  fehlen.  Aber  zwischen  den 
tieferen  Bänken  des  Dachsteinkalks  des  Pian  de  Sass  kommen 
noch  einzelne  Zwischenlagen  von  mergelig  sandiger  und  knollig 
plattiger  Beschaffenheit  vor.  Trotz  der  Abwesenheit  der  rothen 
und  grünen  Gesteine  zweifle  ich  nicht  an  der  Alters-Identität  mit 
unseren  gewöhnlichen  Raibler  Schichten.  Abgesehen  von  der 
Lagerung,  welche  eine  andere  Deutung  dieser  Schichten  kaum  ge- 
statten würde,  stimmen  die  erwähnten  Gesteine  vollständig  mit  der 
unteren  Abtheilung  der  Raibler  Schichten  der  östlich  angrenzenden 
Striche  (Valparola,  Lagatschoi  u.  s.  f )  überein.  Die  oberen  Raibler 
Schichten  sind  dann  hier  wol  in  der  Facies  des  Dachsteinkalks  ent- 
wickelt und  aus  diesem  Grunde  nicht  unterscheidbar. 

Südwestlich  vom  Pian  de  Sass  hat  die  Denudation  die  Riff- 
böschung zu  Steilwänden  umgeformt.  Mächtige  Trümmerhalden  be- 
gleiten den  Fuss  der  Felswand  und  verdecken  mehr  oder  weniger 
das  anstehende  Gestein.  Nur  im  Westen  der  Bovai-Alpe  hat  sich 
ein  Rest  der  alten  Böschung  erhalten.  Die  beiliegende  Ansicht 
(Lichtbild  ^Das  Bovai-Gehänge  bei  Araba*)  gibt  ein  getreues  Bild 
dieser  interessanten  Stelle.  Die  dünngeschichteten  Gipfelmassen  sind 
Dachsteinkalk.  Unter  ihnen  lagern  die  Raibler  Schichten  auf  dem 
nahezu  söhligen  Plateau  des  Cassianer  Dolomits.  Parallel  der  Dolomit- 
böschung fallen  die  theilweise  Blockstructur  zeigenden  Ueberguss- 
Schichten  des  Cassianer  Dolomits  nach  aussen,  vom  Berge  weg. 
Vor  dem  Bilde  stehen  Cassianer  Schichten  an,  welche  gleich  den 
oberen  geschichteten  Massen  flach  gegen  das  Innere  des  Gebirges 
sich  neigen.  Der  Gegensatz  zwischen  der  Ueberguss-Schichtung  des 
Riffs  und  der  gemeinen  Schichtung  sedimentärer  Ablagerungen 
tritt  wieder  klar  vor  Augen. 


^^6  Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Aehnlich  wie  auf  dem  Cipiter  Gehänge  des  Schiern  konunen 
auch  hier,  namentlich  an  der  Basis  der  Dolomitböschung  Reste  von 
Mergelspitzen  vor,  welche  zwischen  die  Ueberguss-Schichten  eingreifen. 
Korallenreste  sind  im  Dolomite  sehr  häufig.  Viele  der  auf  dem  Ge- 
hänge zerstreuten  Blöcke  sehen  äusserlich  nach  ihrer  Färbung  und 
nach  den  Auswitterungen  der  Fossilien  (Cidariten,  Crinoiden),  wie 
die  Cipiter  Riffsteine  aus.  Schlägt  man  sie  auseinander,  so  zeigt 
sich,  dass  sie  aus  Dolomit  bestehen.  Einlagerungen  von  Riffsteinen 
sind   in  den  das  Riff  umgebenden  Mergelzonen  allenthalben  häufig. 

Die  Mächtigkeit  des  Cassianer  Dolomits,  welche  westlich  vom 
Uebergange  von  Araba  nach  Corvara  noch  beiläufig  400  Meter  be- 
trägt, sinkt  namentlich  unmittelbar  im  Westen  des  eben  geschilder- 
ten Böschungs-Relicts  bedeutend.  Südlich  von  der  Punta  di  Bovai 
(Boe-Spitze)  dürfte  die  Dicke  des  Dolomits  250  Meter  kaum  über- 
steigen. Gegen  das  Pordoi-Joch  zu  findet  jedoch  wieder  ein  An- 
wachsen statt,  welches  auf  der  Westseite  des  Gebirges  zwischen 
dem  Pordoi-Joch  und  Val  La  Styes  anhält,  um  gegen  das  Sella-Joch 
zu  wieder  in  die  entgegengesetzte  Tendenz  überzugehen. 

Der  Zug  des  Cassianer  Mergel  reicht  von  Osten  bis  auf  das 
Pordoi-Joch.  Der  Monte  Porchia  nördlich  von  der  Jochhöhe  besteht 
noch  aus  Cassianer  Mergeln.  Westlicher  sind  dieselben  gänzlich 
denudirt. 

Auf  dem  Pordoi-Joch  tritt  die  Nordspitze  eines  grossen,  süd- 
lich gelegenen  Riffs,  des  Marmolata-Riffs,  in  den  Bereich  der  Sella- 
Gruppe.  Um  den  Zusammenhang  zu  verstehen,  müssen  wir  einen 
Blick  auf  die  tieferen  Bildungen  längs  der  Südseite  unseres  Ge- 
birges werfen. 

Bis  in  das  Quellgebiet  des  Cordevole  in  den  Umgebungen 
des  Pordoi-Jochs  bestehen  die  Wengener  Schichten  blos  aus  Tuff- 
sandsteinen, Schiefem  und  Mergeln.  Unter  ihnen  treten  am  Süd- 
gehänge des  Thaies  mächtige  Massen  von  Augitporphyrlaven  her- 
vor, welche  den  düsteren  schwarzen  Gebirgszug  des  Sasso  di  Capello 
bilden,  der  sich  als  trennende  fremdartige  Mauer  zwischen  die 
weiss  blinkenden  Felsengebirge  der  Marmolata  und  der  Sella-Gruppe 
seltsam  genug  einschiebt.  Diese  Augitporphyrlaven  hat  man  sich 
als  den  südlichen  Gegönflügel  der  unterirdisch  unter  dem  Sella-Ge- 
birge  fortsetzenden  und  im  Norden  im  Aufbruch  von  Plön  und  an 
der  Bruchlinie  von  Kolfuschg  zu  Tag  austretenden  Augitporphyr- 
decke  zu  denken.  Dem  Marmolata-Riff  sind  die  Augitporphyrlaven 
des  Sasso,  di  Capello  angelagert  und  es  reichen,  wie  wir  sehen  werden, 
nicht  nur  Dolomitspitzen  in  die  Laven  hinein,  sondern  es  haben 
einst  auch,  ehe  die  Denudation  die  Verbindung  aufgehoben  hat,  die 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  257 


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238  I  ^i^  SelU-Gruppe  und  das  Badioten-HocKplateau. 

oberen  Kalk-  und  Dolomitmassen  der  Marmolata  über  die  Laven 
hinweg  nach  Norden  vorgegriffen. 

Kommt  man  von  Araba  das  merkwürdige  oberste  Cordevole- 
Thal  herauf,  so  fuhrt  der  Weg  fast  ausschliesslich  in  den  Wengener 
Tuffsandsteinen.  Im  Süden  erhebt  sich  die  Thalwand  zu  dem  phan- 
tastisch ausgezackten  schwarzen  Kamme  der  Augitporphyrlaven 
und  im  Norden  trifft  das  staunende  Auge  auf  den  prächtigen  Ter- 
rassenbau der  Sella-Gruppe,  deren  Culminationspunkt,  die  Punta  di 
Bovai,  3150  Meter,  sich  pyramidenförmig  über  der  obersten  Terrasse 
erhebt.  Ehe  man  die  letzte  Steigung  vor  dem  Thalschlusse  betritt, 
verrathen  bereits  Einlagerungen  von  Riffsteinen  mit  reichlichen  Ko- 
rallenstöcken die  Annäherung  an  ein  Dolomitriff.  Höher  aufwärts 
mehren  sich  diese  Kalke  und  auf  der  Wasserscheide  zwischen  dem 
Cordevole  und  dem  Avisio  nächst  dem  Pordoi-Joch  erhebt  sich 
die  Dolomitkuppe  des  Sasso  Pitschi  mitten  aus  den  Wengener 
Schichten.  Das  Gestein  ist  meist  typischer  weisser  Dolomit,  aber 
auch  echte  Riffkalke  sind  nicht  selten.  Wir  fanden  Reste  von  Ko- 
rallen, Crinoiden  und  Ammoniten.  Die  Blockstrüctur  des  Dolomits 
zeigt  sich  in  ausgezeichneter  Weise  namentlich  auf  der  Westseite 
des  Sasso  Pitschi.  (Vgl.  das  Lichtbild  ,Der  Sasso  Pitschi  am  Pordoi- 
Joch*.)  Auch  Andeutungen  von  Ueberguss-Schichtung  mit  nördlicher 
Fallrichtung  sind  vorhanden.  Auf  der  Nordseite  des  Sasso  Pitschi 
lagern  noch  Wengener  Schichten,  in  welchen  auch  die  Uebergangs- 
stelle  des  Pordoi-Jochs  sich  befindet.  Erwähnenswerth  ist  hier  das 
Auftreten  von  Tuffen  mit  Pachycardia  rugosa.  Auf  dem  westlichen 
Gehänge  .zieht  sich  nun  unterhalb  der  Wengener  Tuffsandsteine 
des  Pordoi-Jochs  der  Dolomit  des  Sasso  Pitschi  unter  den  Cassianer 
Dolomit  der  Sella-Gruppe  hinein.  Er  hält  aber  nicht  lange  an,  son- 
dern keilt  sich  gegen  Norden  aus. 

Im  Süden  bricht  der  Sasso  Pitschi  mit  einer  Steilwand  ab.  Ich 
erwähne  noch,  dass  auf  dem  Kamme  der  Cima  di  Rossi  unmittelbar  über 
den  Augitporphyrlaven  eine  häufig  in  grosse  Blockmassen  sich  auf- 
lösende Bank  dolomitischen,  fossilftihrenden  Riff  kalks  sich  hinzieht  und 
dass  in  den  Wengener  Schichten  zwischen  dieser  Bank  und  dem  Sasso 
Pitschi  sich  häufig  grosse,  den  Wengener  Schichten  eingelagerte  Block- 
linsen von  Dolomit  oder  von  Riff  kalk  finden.  Auch  diese  kleinen  Dolomit- 
körper zeigen  wie  die  grossen  Riffmassen  die  Blockstrüctur  ganz  deutlich. 

Alle  diese,  gegen  Süden  steil  abbrechenden,  gegen  Norden 
aber  auskeilenden  Dolomitmassen,  den  Sasso  Pitschi  inbegriffen,  halte 
ich  für  die  nördlichen  Spitzen  der  oberen  Marmolata-Riffmasse. 

Ueber  die  Westseite  der  Sella-Gruppe  zwischen  dem  Pordoi- 
und  dem  Sella-Joch  ist  wenig  zu  sagen.  Der  Cassianer  Dolomit  ruht, 


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Pie  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  239 

wenn  wir  von  der  kleinen  Wengener  Dolomitspitze  nächst  dem 
Pordoi-Joch  absehen ,  auf  Wengener  Tuffsandsteinen ,  welche  den 
ganzen  Raum  zwischen  der  in  einem  früheren  Capitel  geschilderten 
Rodella-Schollf  und  der  Dolomit-Steilwand  einnehmen.  Wahrschein- 
lich ist  diese  abnorme  Mächtigkeit  der  Wengener  Schichten  auf 
Rechnung  von  durchsetzenden  Verwerfungen  zu  setzen.  Eckige 
Blöcke  fossilfiihrenden  Riffkalks  kommen  an  einigen  Stellen  als 
regelrechte  Einschlüsse  der  Wengener  Tuffsandsteine  vor.  Sowol 
an  der  Basis  als  auch  in  der  Mitte  der  Wand  des  Cassianer  D6I0- 
mits  sind  auffallende  zackige  Fugen  bemerkbar  (vgl.  die  Ansicht 
^Das  Pordoi-Gebirge  [Sella-Gruppe]  von  der  Cima  di  Rossi*),  welche, 
wie  die  tieferen  Einrisse  in  die  Dolomitmasse  lehren,  sich  gegen 
das  Innere  des  Gebirges  zu  aufwärts  ziehen.  Offenbar  sind  dies 
alte,  gegen  aussen  abfallende  Böschungsflächen  des  Riffs,  welche 
auf  episodische  Unterbrechungen  des  Wachsthums  des  Riffs  hin- 
deuten. 

Die  jüngeren,  dem  Plateau  des  Cassianer  Dolomits  aufgesetz- 
ten Bildungen  der  Sella-Gruppe,  die  Raibler  Schichten  und  der 
Dachsteinkalk,  geben  zu  keinen  besonderen  Bemerkungen  Anlass. 
Die  eigenthümliche  Anlagerung  des  Dachsteinkalks  an  die  östliche 
Rifflböschung  und  das  Fehlen  der  Raibler  Schichten  an  dieser  Stelle 
sind  bereits  besprochen  worden.  Um  über  das  etwaige  Auftreten 
jurassischer  Ablagerungen  auf  den  Gipfelmassen  Aufschluss  zu  er- 
halten, bestieg  Herr  Dr.  Ed.  Reyer  auf  mein  Ersuchen  den  höch- 
sten Gipfel  der  Gruppe,  die  pyramidenförmige  Punta  di  Bovai 
Die  Untersuchung  ergab,  dass  auch  die  höchste  Spitze  noch  aus 
dolomitischem  Dachsteinkalk  besteht. 

Blicken  wir  auf  die  geschilderten  Thatsachen  zurück.  Der 
Cassianer  Dolomit  bildet  eine  mächtige  Platte,  welche  ihre  grösste 
Mächtigkeit  im  Osten,  vor  der  östlichen  Abfallsfläche  des  Riffs  er- 
reicht Mit  Ausnahme  der  Strecke  zwischen  dem  Sella-Joch  und  dem 
Grünen  Fleck  bei  Plön  bemerkt  man  rings  um  das  Gebirge  nach 
aussen  abdachende  Ueberguss-Schichtung.  Die  ursprünglichen  Gren- 
zen des  Riffs  griffen  daher  nicht  weit  über  den  heutigen  Umfang 
der  Sella-Gruppe  hinaus.  Zwischen  dem  Sella-Joch  und  dem  Grünen 
Fleck  aber  hing  wahrscheinlich  der  Cassianer  Dolomit  der  Sella- 
Gruppe  mit  dem  Langkofelriff  zusammen.  Darauf  deutet  nicht  nur 
das  Fehlen  der  Ueberguss-Schichtung  auf  der  bezeichneten  Strecke, 
sondern  auch  die  Ausdehnung  des  tieferen  Wengener  Dolomits. 
Dieser  Dolomit  erreicht  seine  grösste  Mächtigkeit  am  Grünen  Fleck, 
gegenüber  der  Nordseite  des  Langkofelriffs.  Gegen  das  Sella-Joch 
zu   keilt   er   aus.      Im   Langkofelriff  nimmt    gleichfalls    in  südlicher 


^ 


240  ^ic  Sella-Gru^pe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Richtung  die  Mächtigkeit  des  Wengener  Dolomits  ab  und  unter  dem- 
selben erscheinen  Wengener  Schichten.  Oestlich  reicht  der  Wenge- 
ner Dolomit  der  Sella-Gruppe  bis  Corvara.  Eine  vom  Sella-Joch 
durch  das  Sella-Gebirge  nach  Corvara  gezogene  Linia  gibt  die  Süd- 
grenze des  Wengener  Dolomits  an.  Die  Bildung  begann  daher  in 
ziemlich  tiefen  Wengener  Schichten  in  der  Gegend  des  Grünen 
Flecks  und  nahm  in  den  oberen  Wenger  2r  Schichten  allmählich  an 
Ausdehnung  zu.  Die  Verhältnisse  zwischen  der  Langkofel-Gruppe 
und  dem  Grünen  Fleck  widersprechen  in  keiner  Weise  der  Annahme, 
dass  das  Langkofelriff,  welches  im  Süden  entschieden  die  Tendenz 
sich  auszudehnen  zeigt,  auch  nach  Osten  hin,  anfangs  in  bescheidenen 
Dimensionen,  zur  Zeit  der  Cassianer  Schichten  aber  in  grösserem 
Massstabe  in  das  heteropische  Gebiet  übergriff.  Die  excentrische  Lage 
des  Wengener  Dolomits  macht  diese  Annahme  geradezu  unentbehrlich. 
Wenn  man  sich  nun  vorstellt,  dass  ein  Riff  seine  Basis  all- 
mählich vorwärts  schiebt  bei  nur  sehr  langsamer  Senkung  des 
Bodens  und  bei.  reichlichem,  mit  der  Senkung  Schritt  haltenden 
Niederschlage  in  dem  angrenzenden  heteropischen  Striche,  so  werden 
die  eigenthümlichen  Verhältnisse  des  Grödener  Jochs  verständlich. 
Von  einer  Riffböschung  ist  daselbst  noch  keine  Rede,  das  Riff 
hat  noch  kaum  Boden  gefasst  und  ringt  noch  um  sein  Dasein. 
Die  Begrenzungsfläche  ist  das  gerade  Gegentheil  der  gewöhnlichen 
Riffböschung.  Die  vom  Schiern  ausgehenden  Riffzungen  oder  die 
nördlichen  Spitzen  des  Marmolata-Riffs  am  Pordoi-Joch  muss  man 
sich  lateral  ähnlich  begrenzt  denken.  Erst  bei  einer  in  rascherem 
Tempo  vor  sich  gehenden  Senkung,  wo  der  sedimentäre  Nieder- 
schlag nicht  hinreicht,  die  Senkung  auszufüllen,  kann  sich  das  aus- 
dehnende Riff  mit  freien,  nach  aussen  abfallenden  Wänden  über  dem 
Meeresboden  erheben. 


2.  Das  Badioten-Hochplateau. 

Unter  dieser  Bezeichnung  fassen  wir  das  zwischen  dem  Cor- 
vara- und  dem  St.  Cassianer  Thal  im  Norden,  dem  Andrazer  Thal 
und  dem  oberen  Buchenstein  (Livinallongo)  im  Süden  gelegene,  zu- 
meist von  Wiesen  und  Weidegründen  bedeckte  Gebiet  zusammen. 
Unterscheiden  sich  auch  nach  Sprache  und  Tracht  die  Buchensteiner 
etwas  von  den  echten,  das  Abtey-Thal  bewohnenden  Badioten,  so 
stehen  sich  doch  diese  beiden  ladinischen  Stämme  so  nahe,  dass 
ich  nicht  befürchten  darf,  von  Seite  der  Ethnographen  und  Lin- 
guisten einem  Einspruch  gegen  die  orographische  Zusammenfassung 
dieses  Gebietes  unter  einem  gemeinsamen  Namen  zu  begegnen. 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten- Hochplateau. 


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2A2  I^ic  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Wir  betreten  eine  Landschaft,  welche  in  geologischer  und 
physiognomischer  Beziehung  grosse  Uebereinstimmung  mit  der 
Seisser  Alpe  zeigt.  Das  Schichtenmateriale  ist  im  Wesentlichen  das 
gleiche.  Nur  treten  an  die  Stelle  der  mineralreichen,  festen  Augit- 
porphyrlaven  dickschichtige  Tuflfe,  welche  unter  dem  Einflüsse  der 
Atmosphärilien  zu  schalig  abblätternden  grossen  Kugeln  *)  zerfallen. 
Ferner  haben  sich  hier  die  fossilreichen  Cassianer  Mergel  erhalten, 
welche  auf  der  Seisser  Alpe  durch  die  Denudation  bereits  gänzlich 
zerstört  sind.  Diesem  glücklichen  Zufalle  verdankt  die  Gegend  von 
St.  Cassian  ihre  wolbegründete  geologische  Berühmtheit.  Die 
Buchensteiner  und  Wengener  Schichten  sind  nahezu  riflTrei.  In 
die  Cassianer  Schichten  reichen  von  Süden  her  die  Ausläufer 
eines  Riffs. 

Verdankt  auch  die  Gegend  dieser  Beschaffenheit  ihres  Unter- 
grundes ihr  herrliches  grünes  Kleid  und  ihre  Bewohnbarkeit,  so 
hat  doch  der  reiche  Thongehalt  der  Tuffsandsteine  und  Mergel 
höchst  unangenehme  Erscheinungen  im  Gefolge. 

Die  Thalbildung  ist  nämlich  noch  unvollendet.  Der  Böschungs- 
winkel namentlich  der  oberen  Partien  ist  für  so  leicht  auflösliche 
und  zersetzbare  Gesteinsarten  noch  viel  zu  steil.  Es  brechen  daher 
an  den  oberen  Rändern  des  von  Feuchtigkeit  durchtränkten  Gesteins 
in  Folge  der  zu  grossen  Belastung  lange  Gehängstücke  ab,  welche 
allmählich  in  tiefere  Regionen  abwärts  gleiten  und  dadurch  zu  er- 
neuten Gehängbrüchen  am  oberen  Rande  Anlass  geben.  Der  Process 
ist  im  Allgemeinen  ein  sehr  langsamer.  Er  hat  begonnen  mit  der 
Entblössung  des  Plateau's  und  er  wird  fortdauern  bis  zur  endlichen 
Herstellung  eines  bestimmten  mittleren  Böschungswinkels.  Den 
besten  Beweis  für  die  Langsamkeit  der  Bewegung  bilden  die  wan- 
dernden Wiesen  und  Wälder.  Die  Bildung  einer  festen  Grasnarbe 
und  der  Aufwuchs  eines  Waldes  bedürfen  einer  gewissen  Stabilität 
des  Bodens.  Die  abgerutschten  Schollen  müssen  daher  längere  Zeit 
stationär  geblieben  sein,  bis  die  unten  stets  thätige  Erosion  sie  ihres 
Haltes  beraubte  oder  bis  von  oben  nachgerückte  Massen  sie  vorwärts 
schoben.  Daraus  geht  eine  gewisse  Periodicität  der  Bewegung  hervor. 
Eine  solche  wandernde  Wiese  gleicht  einem  voji  einer  mächtigen 
Pflugschaar  aufgewühlten  Ackerfelde.  In  langen  parallelen  Reihen, 
die  Bruchränder  nach  abwärts  gekehrt,  stehen  die  aufgeworfenen 
Schollen,  welche  sich  endlich  überschlagen  und  in  eine  chaotische 
Schlamm-  und  Trümmermasse  übergehen.     In   einem   auf  der  Thal- 


*)  Die  sogenannten  „Kugeldiorite"  von  Colle  Santa  Lucia. 


Die  Sella-Gruppe  und  öas  Badioten-Hochplateau.  243 

fahrt   begriffenen  Walde   senken   sich  die  stärksten  Bäume  und  be- 
graben in  ihrem  Falle  ihre  Vordermänner*). 

Unter  dem  steten  Einflüsse  der  erweichenden  und  zersetzenden 
Thätigkeit  des  Wassers  hat  sich  die  abgerutschte,  abwärts  gleitende 
Scholle  allmählich  in  eine  plastische  zähflüssige  Masse  verwandelt, 
welche  sich  stromartig  selbst  bei  geringer  Neigung  des  Bodens 
fortschiebt.  Es  bedarf  oft  nur  eines  stärkeren  Regengusses,  um  einen 
solchen  Schlammstrom  in  Bewegung  zu  setzen. 

•Im  ganzen  oberen  Abtey-Gebiete  spielen  wandernde  Gehänge 
und  Ausbrüche  von  Schlammströmen  eine  grosse  Rolle  in  der  fried- 
lichen Thalgeschichte.  Auch  in  Buchenstein  und  bei  Ampezzo  zeigen 
sich  die  verheerenden  Wirkungen  geflossener  Schlammmassen. 

Ein  solcher  Schlammstrom  hat  in  seinem  Aussehen  eine  grosse 
Aehnlichkeit  mit  einem  von  Moränenschutt  bedeckten  Gletscher. 
Und  in  der  That  verhält  er  sich,  was  den  Transport  von  Felsschutt 
aus  entlegenen  Gebirgstheilen  betrifft,  genau  so  wie  ein  Gletscher. 
Man  könnte  das  gleitende  Gehänge  mit  dem  Firnfelde  und  den 
Schlammstrom  mit  der  Gletscherzunge  vergleichen. 

Die  Geschiebe  der  Scblammstrom-Moränen  sind  nicht  selten 
ähnlich  geglättet  und  gekritzt  wie  Gletschergeschiebe  und  ist  es  in 
diesen  Gegenden  meisten^  kaum  möglich , .  zu  unterscheiden ,  was 
Glacial-  und  was  alter  Schlammstromschutt  ist.  Die  zahlreichen 
Dolomitblöcke,  welche  über  den  das  Corvara-  und  Cassianer  Thal 
trennenden  Rücken  verstreut  sind,  halte  ich  mit  Rücksicht  auf  die 
topographischen  Verhältnisse  für  Glacialschutt.  Dagegen  wage  ich 
keine  bestimmte  Ansicht  über  die  Art  und  die  Zeit  des  Transportes 
des  Schuttes  im  Andrazer  Thal.  Auf  einem  mächtigen  Dolomitblock 
steht  hier  das  alte  Castell  Andraz  und  zahlreiche  andere  Blöcke 
liegen  weiter  thalauswärts  an  den  Gehängen.  Glacialisten  werden 
beim  Anblick  dieser  mächtigen,  dem  Thalhintergrunde  entstammen- 
den  Blöcke  sofort  sich  für  Gletschertransport  entscheiden.  Wenn 
man  jedoch  die  wandernden  Gehänge  und  den  Schlammschptt  in 
dem  hinter  Castell  Andraz  sich  öffnenden  Thale  (Montagna  di  Ca- 
stello)  sieht,  so  legt  man  sich  die  Frage  vor,  ob  nicht  einst  mäch- 
tigere Schlammströme  sich  von  da  in  das  Andrazer  Thal  ergossen 
haben  mögen,  welche  durch  den  Thalbach  bis  auf  die  grösseren, 
schwereren  Blöcke  wieder  fortgespült  wurden.^ 


*)  In  solchen  Districten  iart  bei  getheiltem  Besitzstande  eine  häufige  Rectifici- 
rung  der  Grenzsteine  nothwendig.  Ueber  die  gleitende  Bewegung  der  Gehänge  in 
diesen  Gegenden  haben  bereits  Stur  (Jahrb.  Geol.  R.-A.  1868,  pag.  33 1  ff.)  und 
V.  Klipstein  (Beitr.  z.  Kenntn.  d.  östl.  Alpen,  II.  i.  pag.  21,  II.  2.  pag.  36)  berichtet« 

16* 


244  ^^^  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Als  Beispiele  von  Schlammströmen  citire  ich  den  einem 
Gletscherstrome  gleichenden,  die  ganze  Thalenge  erfüllenden 
Schlammstrom  oberhalb  Contrin  in  Buchenstein  und  den  gleichfalls 
die  Thalbreite  occupirenden  Schlammstrom  zwischen  dem  Kirchen- 
und  dem  Rutora-Bach  oberhalb  Corvara. 

Wir  beginnen  die  Schilderung  des  badiotischen  Hochlandes 
im  Norden. 

Unter  den  mit  Tuffen  und  tuffigen  Breccienkalken  verbundenen 
Augitporphyrlaven  des  Colatsch  erscheinen  oberhalb  Verda  die 
tieferen  Schichtenglieder  bis  zu  den  Werfener  Schichten  abwärts. 
Eine  Verwerfung  trennt  dieselben,  wie  bereits  (S.  217)  bemerkt 
worden  ist,  von  den  am  linken  Ufer  des  Grossen  Baches  anstehen- 
den Bildungen.  Die  Fortsetzung  derselben  Verwerfung  setzt  sodann 
bei  Verda  auf  die  rechte  Thalseite  und  schneidet,  wie  die  Karte 
zeigt,  die  ganze  Reihe  der  älteren  Schichten  bis  zu  den  Augitpor- 
phyrlaven herauf,  ab.  Im  Norden  der  Verwerfung  liegen  Wengener 
Schichten.  Ueber  den  Augitporphyrgesteinen  des  Colatsch  und  des 
Lendelfu  folgen  im  Süden  regelmässig  die  jüngeren  Bildungen.  Das 
Einfallen  ist  im  Norden  noch  etwas  steil,  geht  aber  sehr  bald  in 
eine  flache,  häufig  sogar  in  eine  söhlige  Lagerung  über.  Bei  den 
oberen  Häusern  von  Corvara  kommen  an  der  Basis  der  Wengener 
Schichten  sehr  fossilreiche  Daonellen-Schiefer  zu  Tage.  Die  wichtig- 
sten Formen  sind: 

Daonella  Lommeli  IVtssm.  sp. 
Trachyceras  ladinum  Mojs. 

hngobardicum  Mojs, 

cdtum  Mojs. 

Epolense  Mojs. 

Rutaranum  Mojs. 

Richthof eni  Mojs. 

Coroarense  Lbe.  sp. 
Lytoceras  Wengense  Klpst.  sp. 

Die  Daonellen,  welche  dicht  gedrängt  das  Gestein  erfüllen, 
erreichen  ausserge wohnliche  Dimensionen.  Stur  fuhrt  von  hier  auch 
Pflanzenreste  an:  Thitmfeldia  Richthof  eni  St.  und  Neuropteris  cf 
Rütimeyeri  Heer. 

Die  höheren  Schichten  der  Wengener  Tuffsandsteine  und 
Mergel  fuhren  nur  vereinzelte  Fossilien.  Aus  Sandsteinen  der  Gegend 
von  Sorega  nächst  St.  Cassian  kenne  ich: 

Daonella  Lommeli  Wissm.  sp. 
Trachyceras  Archelaus  Übe. 


»» 


/• 


tt 


n 


Pf 


f» 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  245 

Trachyceras  doleriticum  Mojs. 
„  Neumayri  Mojs. 

Eine  Einlagerung  von  blauschwarzen,  oolithischen,  gelb  an- 
witternden  Kalkmergeln  mit  Posidanamya  Wengensis ,  Trachyceras 
RtUoranutn  und  verkohlten  Pflanzenstengeln,  südöstlich  von  Corvara, 
gab  Veranlassung  zur  Verwechselung  dieser  Schichten  mit  den 
nordalpinen  Reingrabener  Schiefem*). 

Als  oberstes  höchstes  Glied  der  mergeligen  Schichtreihe  des 
Badioten-Hochplateau  folgen  auf  dem  Höhenkamme  des  Prelongei 
(2137  Meter)  zuoberst  der  Stuores- Wiesen  die  tuflTreien  Mergel 
und  Mergelkalke  der  Cassianer  Schichten.  Dies  ist  der  Fundort  der 
berühmten  Cassianer  Fauna.  Man  sammelt  sowol  auf  der  Kamm- 
höhe, als  auch  auf  den  beiden  Abhängen  die  lose  ausgewitterten 
Fossilien.  Die  besten  Entblössungen  sind  auf  der  Buchensteiner 
Seite.  Stur  und  Laube  versuchten  eine  Gliederung  des  Complexes 
auf  Grundlage  der  heteropischen  Abweichungen  der  einzelnen  Bänke. 
Nach  den  bisherigen  Untersuchungen  ist  jedoch  eine  weitere  Unter- 
theilung  der  Cassianer  Schichten  nicht  gerechtfertigt.  Einige  der 
höchsten  Schichten  vor  dem  Sett  Sass  enthalten  ausser  Cidariten 
auch  sehr  viele  Daonellen  (D.  Cassiana  Mojs.  und  D.  Richthofeni 
Mojs.).  Diese  grauen  Daonellen-Gesteine  besitzen  eine  viel  weitere 
horizontale  Verbreitung,  als  die  tieferen,  cephalopoden-  und  gastero- 
podenreichen  Schichten. 

In  letzterer  Zeit  haben  sich  nicht  gerade  selten  grosse  Exem- 
plare von  Nautilen  und  grosse  Chemnitzien  gefunden,  was  beinahe 
die  Vermuthung  aufkommen  lässt,  dass  man  vorher  nur  die  zier- 
lichen kleineren  Formen  beachtet  hatte. 

Die'im  Gestein  steckenden  Fossilien  (namentlich  die  Cephalo- 
poden) sind  nicht  selten  von  einer  dicken,  sinterartigen  Kruste  über- 
zogen, was  ihre  Gewinnung  sehr  erschwert,  v.  Klipstein  machte 
darauf  aufmerksam,  dass  in  den  Mergeln  die  Fossilien  sich  vorzugs- 
weise in  zähen  abgerundeten  Kalkknauem  finden,  ,  deren  Aussen- 
fläche  von  ansitzenden  oder  aus  dem  Kalkkem  hervorragenden  Ver- 
steinerungen, unter  welchen  Korallen  die  Hauptrolle  spielen*,  ganz 
bedeckt  ist. 

Diese  knauerförmigen  Lumachellen,  die  Incrustirung  vieler 
Conchylien,  die  vielen  zerbrochenen  Reste,  die  Isolirung  der  Cida- 
ritenstachel,   das  Fehlen   der   äusseren  Windungen   bei  den  meisten 


*)  Die  Po%xdonomya  Wengensis  wurde  irrthOmlich  mit  Halobia  rugosa  iden- 
tificirt.  Vgl.  Stur,  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1868,  pag.  53 1,  £.  v.  Mojsisovics,  Jahrb. 
Geol.  R.-A.  1872,  pag.  435,  Taf.  XIV,  Fig.  2,  3. 


246 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 


Cephalopoden,  die  stellenweise  vorkommende  oolithische  Struc- 
tur  u.  s.  f.,  dies  Alles  weist  darauf  hin,  dass  das  Fossilienlager  von 
Stuores  durch  Zusammenschwemmungen  an  einer  Untiefe  entstanden 
ist.  In  der  That  endet  dicht  an  dem  reichen  Fundort  das  Riff  des 
Sett  Sass-  Die  Fauna  trägt,  wie  auch  der  neueste  Monograph  der- 
selben, Laube,  bemerkt  hat,  vollständig  den  Charakter  einer  Riff- 
Fauna.  So  erklären  sich  denn  die  hier  beobachteten  Thatsachen  in 
vollkommen  concludenter  Weise.  Die  Fossilien  wurden  an  einer 
massig  bewegten  Stelle  an  der  Aussenseite  eines  Riffes  zusammen- 
geschwemmt und  begraben. 

Es  verdient  noch  erwähnt  zu  werden,  dass  auch  zwischen  den 
Kalkmergeln  von  Stuores  Bänkchen  weissen  faserigen  Aragonits  vor- 
kommen *). 

Auf  dem  östlich  zum  Massiv  des  Sett  Sass  führenden  Kamme 
reichen  die  Cassianer  Mergelkalke  hoch  hinan,  und  allem  Anscheine 
nach  liegen  die  rothen  Raibler  Schichten,  welche  von  der  Dolomit- 
platte des  Sett  Sass  sanft  gegen  Norden  abfallen  und  einen  niedri- 
gen Rücken  von  Dachsteinkalk  tragen,  direct  auf  ihnen.  Eine  völlige 
Sicherheit  ist  wegen  des  grossen  Haufwerks  von  Blöcken  des  zer- 
fallenden Dachsteinkalks  nicht  zu  erlangen. 

Unweit  von  dieser  Stelle  gegen  Südosten  hebt  sich  unter  den 
Raibler  Schichten  der  Cassianer  Dolomit  des  Sett  Sass  empor, 
welcher  rasch  auf  ico — 150  Meter  Mächtigkeit  anschwillt.  Die  Steil- 
wand ist  gegen  Süden  gekehrt.  Gegen  Norden  dacht  er  mit  einer 
Fläche  ab,  welche  als  die  Riffböschung •  zu  betrachten  ist,  da  auf 
der  Nordseite  der  Valparola-Gruppe  zwischen  den  Cassianer  Mer- 
geln und  den  Raibler  Schichten   kein  Dolomit   mehr  vorhanden  ist. 


Richthofen-Riff     Sett  Sass 


Valparola 


Eisenofen  bach 
oberhalb  ^t.  Cassian 


SSW. 


NNO. 


a  = 


Durchschnitt  durch  die  Sett  Satt-Oruppe. 

(Auskeilen  zweier  Dolomitzungen;  StellTertretung  derselben  durch  Mergel.) 

Wengener  Schichten;    b  =   Cassianer  Schichten;    b^  =  Cassianer  Dolomit;    e  zz  Raibler 

Schichten;   d  =  Dachsteinkalk. 


♦)  Vgl.  die  Note  auf  Seite  i35. 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  247 

Am  Eingange  in  das  Valparola-Thal  und  von  da  östlich  gegen  die 
Strada  tra  i  Sassi*)  ist  die  directe  Ueberlagerung  der  Cassianer 
Schichten  durch  die  Raibler  Schichten  allenthalben  sehr  deutlich. 
Auch  auf  der  Strecke  zwischen  dem  Prelongei-Rücken  und  der 
Mündung  des  Valparola-Thales  scheint  dieses  Verhältniss  das  herr- 
schende zu  sein.  Vegetation  und  Dachsteinkalk-Schutt  erschweren 
jedoch  daselbst  die  Beobachtung.  Nur  an  einer  Stelle  ist  eine  sehr 
beschränkte  Dolomitzunge  zu  sehen,  an  welche  sich  an  der  West- 
seite die  Cassianer  Mergel  horizontal  anlagern.  Höher  aufwärts  an 
der  Strada  tra  1  Sassi,  dort  wo  dieselbe  eine  südöstliche  Richtung  an- 
nimmt, sieht  man  zunächst  zwischen  den  Cassianer  Mergeln  und  den 
Raibler  Schichten  einen  schwarzen  Korallenkalk  sich  einschieben, 
der  dann  bald  in  Dolomit  übergeht.  Ausserdem  schalten  sich  auch 
zwischen  die  tieferen  Lagen  der  Cassianer  Schichten  mehrere  Dolo- 
mitbänke ein.  Zwischen  denselben  und  der  Steilwand  des  Lagatschoi 
läuft  eine  Verwerfung  durch,  welche  sich  östlich  bis  Cortina  ver- 
folgen lässt.  Wir  werden  auf  dieselbe  später  zurückkommen  und 
bemerken  hier  nur,  dass  der  gegen  Norden  sich  ebenfalls  auskeilende 
Cassianer  Dolomit  des  Lagatschoi  als  die  nördliche  Fortsetzung  des 
Dolomits  des  Sasso  di  Stria  (Hexenfelsen)  **),  welcher  mit  Sett  Sass 
und  Nuvolau  zusammenhängt,  zu  betrachten  ist.  Die  eben  erwähnten 
Dolomit-Einlagerungen  in  den  Cassianer  Schichten  der  Strada  tra  i 
Sassi  können  entweder  als  seitliche  Ausläufer  des  Dolomits  des 
Lagatschoi  oder  als  nördliche  Zungen  des  Dolomits  der  Sett  Sass- 
Kette  betrachtet  werden. 

Die  Raibler  Schichten  von  Valparola  enthalten  ausser  den  be- 
kannten rothen  Bohnerz  ***)  führenden  Gesteinen  mehrere  Varietäten 
von  Sandsteinen,  darunter  auch  die  lockeren  braunen  Sandsteine 
mit  Bivalven-Kemen  und  die  Sandsteine  mit  Kohlenschmitzen  vom 
Pian  de  Sass.  Auch  Gyps  soll  vorkommen.  Wenigstens  berichtete 
man  mir  in  St  Cassian,  dass  vor  einiger  Zeit  Gypsgruben  in  Val- 
parola bestanden  hätten. 

Der  Cassianer  Dolomit  des  Sett  Sass  ist  in  seiner  unteren 
Hauptmasse    schichtungslos.     Etliche    Fugen ,    welche    stellenweise 

*)  Nicht  „tre  Sassi'',  wie  man  häufig  liest.  ^ 

**)  Dieser  Name  steht  in  unserer  Karte  irrthümlich  nördlich  vom  Falzarego-Hospiz. 
Er  gebührt  der  mit  F.  di  Valparola  bezeichneten  Höhe  2483  westlich  vom  Hospiz. 
***)  Das  Eisenerz,  welches  einst  am  Ausgange  von  Valparola  verhüttet  wurde, 
wurde  von  Posalz  bei  Colle  Santa  Lucia,  wo  es  in  den  Bellerophon-Schichten 
gewonnen  wurde,  gebracht.  Darnach  ist  die  Angabe  v.  Richthofen*s,  dass  die 
Raibler  Schichten  das  Erz  lieferten,  zu  modificiren.  Dies  schliesst  übrigens  die 
Möglichkeit  nicht  aus,  dass  auch  nebenher  die  Bohnerze  der  Raibler  Schichten  in 
die  Hütte  wanderten. 


2^8  ^ic  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

bemerkbar  werden,  deuten  vielleicht  die  nach  Norden  abdachende 
Ueberguss-Schichtung  an.  Das  blendend  weisse,  zuckerkömige  Ge- 
stein enthält  an  einigen  Punkten  zahlreiche  Reste  von  Korallen. 
Seltener  sind  Abdrücke  von  Cidaritenstacheln  und  Steinkeme  von 
Megalodonten.  In  der  Höhe,  unterhalb  der  Raibler  Schichten 
kommen  geschichtete  Dolomite  und  weisse  grossoolithische  Kalke, 
welche  v.  Cotta*)  mit  Nummuliten-Kalken  verglich,  vor.  Ich  habe 
diese  geschichteten  Lagen,  welche  sich  in  einigen  anderen  Gegenden 
wieder  finden,  consequent  überall  als  Cassianer  Dolomit  ausgeschieden, 
obwol  ich  es  nicht  fiir  unmöglich  halte,  dass  dieselben  bereits  den 
Raibler  Schichten  angehören.  Darüber  könnten  nur  glückliche  Funde 
von  Cephalopoden  entscheiden. 

Am  Fusse  des  Sett  Sass-Zuges  läuft  eine  Zone  von  Cassianer 
Mergeln  fort^  welche  den  Dolomit  unterteuft.  Sie  ist  allenthalben 
reich  an  Fossilien,  unter  denen  Cidariten  (hauptsächlich  Cidaris 
dorsata  Br.J  bei  weitem  dominiren.  Rifllcalke  (Cipitkalke),  nicht  zu 
unterscheiden  von  den  RiflTkalken  der  Wengener  Schichten,  sind 
häufig  den  Mergeln  eingeschaltet.  Auch  den  Daonellen-Schichten 
des  Prelongei-Rückens  mit  D.  Casstana  und  D.  Richthofeni  begegnet 
man  an  zahlreichen  Punkten. 

Südlich  vom  Sett  Sass  erhebt  sich  aus  diesen  Cassianer  Schich- 
ten ein  kleines  vollkommen  isolirtes  Dolomitriflf,  welches  gleich  der 
oberen  Dolomitmasse  steil  mauerformig  gegen  Süden  abfallt.  Eis 
fuhrt  keinen  bestimmten  Namen.  Die  Bezeichnung  Anti  Sass**), 
welche  ich  dafiir  hörte,  wird  auf  ähnliche,  weiter  östlich  vorkommende, 
der  grossen  Dolomitmauer  vorliegende  Dolomitstufen  ebenfalls 
ausgedehnt  und  ist  daher  zu  generell. 

Die  Aufschlüsse  an  der  Ostseite  dieses  kleinen  Riffs  sind  aber 
so  instructiv  für  das  Verständniss  der  heteropischen  Verhältnisse, 
dass  ich  mir  erlaube  eine  distinctive  Bezeichnung  für  dasselbe  vor- 
zuschlagen. Mein  hochverehrter  Freund  Baron  Ferd.  v.  Richt- 
hofen  wird  mir  gestatten,  dass  ich  seinen  Namen  mit  dieser  lehr- 
reichen Stelle  verknüpfe.  Niemand  hat  ein  grösseres  Anrecht  als 
er,  dessen  Untersuchungen  so  viel  Licht  über  diese  Gegenden  ver- 
breitet haben.  So  möge  der  Name  ,Richthofen-Riff*  lauten. 

Das  beiliegende  Lichtbild  (»Der  Sett  Sass  von  der  Montagna 
di  Castello*),  welches  das  Riff  mit  seinen  östlichen  Ausläufern  dar- 
stellt,  wird  das  Verständniss  erleichtern.   Das  Riff,   dessen  Dolomit 


*)   Briefe  aus  dea  Alpen,  pag.  iSo. 
♦♦)  Laube  nennt  diesen  Punkt  Force  IIa  di  Sett  Sass.  Wie  jedoch  das  Wort  For- 
cella (fiirca)  lehrt,  kann  sich  diese  Benennung  nur  auf  den  Sattel  beziehen,  welcher 
das  kleine  Riff  mit  dem  Sett  Sass  verbindet. 


Der  Sett  Sass  von  der  1 

(Auskeittn  eines  Äif«  in  rf 


dontagna  di  Castello. 

n  Cassianer  Schichten.J 


Die  Selia-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  249 

viele  Korallenreste  enthält,  ist  auch  an  den  Stellen  seiner  grössten 
Mächtigkeit  von  Cassianer  Mergeln  eingeschlossen.  Die  Mergel 
ziehen  mit  Einschlüssen  von  Riffsteinen  nicht  nur  über  den  Sattel 
zwischen  dem  Richthofen-Riff  und  dem  Sett  Sass,  sondern  bilden 
auch  eine  schmale,  über  den  tieferen  Wengener  Schichten  sich  er- 
hebende Zone  unterhalb  des  Riffs.  Wie  die  Cassianer  Fossil-Sammler 
aussagen  *) ,  stammen  die  meisten  in  den  Handel  gebrachten 
Cassianer  Korallen  von  der  Westseite  des  eben  erwähnten  Sattels 
(Forcella  di  Sett  Sass).  Man  unterscheidet  im  Riff  deutlich  zwei, 
beinahe  gesimseartig  vortretende  Absätze.  Das  Riff  zerfallt  auf  diese 
Weise  in  drei  Dolomitstufen,  welche  wir  gesondert  betrachten  wollen. 
Die  untere  Stufe  hat  nur  eine  geringe  Ausdehnung  und  allem  An- 
scheine nach  endet  sie  etwas  weiter  in  Westen,  als  die  oberen  Stufen. 
Man  sieht  deutlich,  dass  die  viel  mächtigere  mittlere  Stufe  über  die 
untere  gegen  Osten  hinausgreift.  Ebenso  lehrt  ein  Blick  auf  unsere 
Abbildung,  dass  die  oberste  Stufe  sich  noch  weiter  gegen  Osten  aus- 
dehnt und  wie  sich  dieselbe  allmählich  zwischen  den  Mergeln  aus- 
keilt. Jede  höhere  Stufe  greift  also  über  die  vorhergehende  in  das 
Mergelgebiet  über.  Es  entspricht  nun  offenbar  jedem  Absatz  eine 
Unterbrechung  im  Wachsthum  des  Riffs,  während  welcher  seitlich  auf 
den  tiefer  gelegenen  Gehängen  des  Riffs  Mergel  abgelagert  wurden. 

Die  Erscheinung  ist  im  Wesentlichen  nicht  verschieden  von 
den  Dolomitzungen  des  Cipiter  Schlemgehänges.  Nur  betrachteten 
wir  dort  das  Riff  von  der  Vorderseite.  Der  Aufschluss  am  Richt- 
hofen-Riff aber  stellt  einen  förmlichen  Durchschnitt  dar. 

Die  der  mittleren  Dolomitstufe  angelagerten  Mergel  zeichnen 
sich  durch  eine  steinige  Beschaffenheit  aus,  eine  Eigenschaft,  welche 
an  der  heteropischen  Grenze  nicht  selten  wiederkehrt.  Getrennt 
vom  Dolomit  stellt  sich  unweit  davon  eine  linsenförmige  Bank  von 
Cipitkalk  ein,  welche  zahlreiche  Korallenstöcke,  Cidariten,  Crihoiden 
u.  s.  f  umschliesst.  In  ähnlicher  isolirter  Stellung  findet  sich  östlich 
von  der  obersten  Dolomitzunge  ein  linsenförmiger  Körper  von 
Dolomit.  Ich  betrachte  diese  beiden  isolirten  Massen  ebenso  wie 
das  Richthofen-Riff  als  die  nördlichsten  Spitzen  eines  denudirten 
ausgedehnten  südlichen  Riffs. 

An  der  Westseite  des  Richthofen-Riffs  scheinen  Mergel  und 
Dolomit  in  ähnlicher  Weise,  wie  im  Osten  in  einander  zu  greifen, 
doch  hindert  das  grosse  Haufwerk  von  Dolomitblöcken  die  genauere 
Ermittlung  der  Verhältnisse. 


*)   Laube    hat  ein  Verzeichniss  von  hier  vorkommenden  Fossilien  gegeben. 
Fauna  der  Schichten  von  St.  Cassian.   V.  Abth.  pag.  49,  5o. 


Rlchlhofen-Riir 


Zur  Aodcht  de*  SetI  8u*  von  d«  Moatacu  dl  Cutello. 
[Autkeileii  ein«  Riff«  in  den  C«>ii»ner  Schithteo.) 
=  Wengener  Schichlea;    CM.  =  CatBianer  MerHl;    ca.  =  Caiiiiner  RUfartinc  ICipitkllk  : 


Das  Richthofen-Riff  ist  eine  landschaftlich  zu  sehr  auflallende 
Erscheinung,  als  dass  es  der  Aufmerksamkeit  der  älteren  Beobachter 
hätte  entgehen  können.  Man  nahm  an,  dass  auf  der  Südseite  des 
Sett  Sass  eine  Verwerfung  durchsetze  und  hielt  das  Richthofen-Riff 
fiir  einen  abgesunkenen  Theit  des  Sett  Sass.  Consequenter  Weise 
musste  man  nun  auch  die  Cassianer  Schichten  der  Forcella  di  Sett 
Sass  mit  den  rothen  Raibler  Schichten  von  Valparola  trotz  der  petro- 
graphischen   und   palaeontologischen  Verschiedenheit  identificiren  •}. 

Ein  dem  Richthofen-Riff  vollkommen  analoges  kleines  Ri^ 
findet  sich  weiter  Östlich  unterhalb  dem  Sasso  di  Stria  (F.  di  Valpa- 
rola der  Karte].  Hier  sieht  man  den  korallenreichen  Dolomit  deutlich 
auf  der  Westseite  in  den  Cassianer  Mergeln  auskeilen. 

Einem  tieferen  Niveau,  wahrscheinlich  bereits  den  Wengener 
Schichten  dürften  die  Riff  kalkmassen  angehören,  welchen  man  beim 
Abstiege  vom  Prelongei  nach  Buchenstein  begegnet. 

Noch  viel  tiefer,  an  der  Grenze  zwischen  den  dickschichtigen 
Augitporphyrtuffen  und  den  Wengener  Tuffsandsteinen  kommt 
nordöstlich  vom  Col  di  Lana  eine  Bank  grauen  Kalkes  vor. 

*)  Vgl.  Stur,  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1868,  pag.  554;  Loretr,  Zeitachr.  D.  Geol. 
üe».  1874,  pag.  457,  499.  —  V.  Richthofen  hielt  die  CaMianer  Schichten  der 
ForccUa  di  Setl  Sass  ebenfalls  Tar  Raibler  Schichten,  identificirte  jedoch  den  Dolomit 
des  Sett  Sass  wegen  seiner  Megalodonten  mit  Dachsteinlialk,  Dies  führte  ihn  zur 
Annahme  einer  Verwerfung  zwischen  den  echten  Raibler  Schichten  von  Valparola 
und  dem  Dolomit  des  Sett  Sass.  Megalodonten  kommen  Obrigens  auch  in  den 
Cassianer  Mergeln  von  Stuores  vor. 


Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  25 1 

An  Fossilien  sind  die  Wengener  Schichten  des  Buchensteiner 
Gehänges  des  badiotischen  Hochplateau's  nicht  r^ch.  Ausser  den 
gewöhnlichen  Daonellen,  welche  sich  stellenweise  finden,  kenne  ich 
noch  Crinoiden-  und  Cidaritenreste  aus  Tuffsandsteinen  der  Gegend 
von  Castello.  s 

Die  Abstürze  gegen  Buchenstein  sind  von  einer  Reihe,  der 
Thalrichtung  mehr  weniger  paralleler  Verwerfungen  durchzogen, 
an  denen  das  Gebirge  gegen  die  Thaltiefe  zu  stufenförmig  absinkt. 
Die  daraus  resultirenden  Schöllen  sind  von  verschiedener  Ausdeh- 
nimg und  zeigen  häufig  auch  abweichende  Fallrichtungen.  Zwischen 
Araba  und  Soraruaz  reicht  der  abgebrochene  imd  eingesunkene 
Nordflügel  der  Augitporphyrlaven  des  Sasso  di  Capello-Zuges  quer 
über  das  Thal  und  stösst  hoch  oben  am  Gehänge  des  Cherzberges 
an  einen  ostwestlich  streichenden  Zug  von  unterem  Muschelkalk, 
welcher  in  Folge  einer  Längsverwerfung  scheinbar  von  den  Augit- 
porphyrtuffen  des  Cherzberges  überlagert  wird.  Oberer  Muschelkalk, 
Buchensteiner  Schichten  und  vielleicht  auch  noch  der  tiefere  Theil 
der  Tuffe  sind  verworfen. 

Die  auffallend  grosse  Mächtigkeit  der  Tuffe  am  Col  di  Lana 
erklärt  sich  wol  auch  durch  Wiederholungen  derselben  Schichten  in 
Folge  von  Längsverwerfungen. 

Das  Thal  von  Buchenstein  bildet  die  beiläufige  Grenzlinie 
zwischen  den  mit  Augitporphyrlaven  verbundenen  Tuffen  im  Westen 
und  den  dickschichtigen  Tuffen  ohne  Laven  oder  mit  vereinzelten 
Ausläufern  von  Laven  im  Osten.  Durch  Tuffmasse  verkittete  Brec- 
cienkalke  spielen  an  der  Basis  der  dickschichtigen  Tuffe  eine 
nicht  unbedeutende  Rolle.  Wo  sich,  wie  dies  stellenweise  der  Fall 
ist,  dünngeschichteter  Sandstein  oder  Schieferbänke  zwischen  den 
dickschichtigen  Tuffen  einstellen,  finden  sich  in  denselben,  wie 
am  Ostabhange  des  Col  di  Lana,  auch  Posidonomyen  und  Daonellen 
(D,  LommeliJ, 

Die  Buchensteiner  Schichten  bestehen  in  Buchenstein  aus 
Bänderkalken  mit  mächtigen  Schichten  von  Pietra  verde,  welche 
manchmal  auch  rothe  Färbungen  annimmt  und  von  in  der  Mitte 
des  Complexes  auftretenden  Knollenkalken.  Daonellen  und  Posido- 
nomyen sind  in  den  Bänderkalken  häufig  (Daonella  tyrolensis,  D,  ba- 
diotica  und  D.  Taramellii  in  der  typischen  und  in  einer  grobrippigen 
Varietät). 

Der  obere  Muschelkalk  ist  durch  eine  massige  Bank  grauen 
Crinoidenkalkes ,  welcher  nicht  selten  breccienartig  wird,  vertreten. 
Die  im  Norden  und  Nordwesten  vorherrschende  dolomitische  Aus- 
bildung findet  sich  hier  nicht  mehr.    Bei  Ruaz,  neben  der  über  die 


252  I^e  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

tiefe  Schlucht  führenden  Brücke  am  Wege  nach  Araba,  entdeckten 
Dr.  Hoernes  und  ich  in  einer  abgesunkenen  Scholle  einen  reichen 
Fundort  von  Fossilien.  Eine  riesige  Natica  kommt  in  zahlreichen 
Individuen  vor,  welche  häufig  noch  die  ursprünglichen  Farbenstreifen 
zeigen.  Seltener  und  nur  schwer  aus  dem  spröden  Gestein  gewinnbar 
sind  Ammoniten  (Trachyceras  Cordevolicum  Mojs.J.  Auch  Brachio- 
poden  sind  an  dieser  Stelle  selten,  obwol  dieselben  sonst  in  dem 
grauen  Crinoidenkalk  von  Buchenstein  zu  den  häufigeren  Vorkomm- 
nissen gehören. 

Der  untere  Muschelkalk  zeigt  im  Ganzen  sein  gewöhnliches 
Verhalten.  Bei  Ruaz  folgen  unter  dem  gasteropodenreichen  oberen 
Muschelkalk : 

aj  Sandige  Kalkschiefer  mit  Pflanzenresten, 

bj  Conglomerat  mit  rothem  Bindemittel, 

c)  rothe  dolomitische  Schiefer,  ähnlich  dem  cephalopoden- 
führenden  Gestein  von  Val  Infema, 

dj  Conglomerat  —  weisse  Kalkknollen  in  rothem  Bindemittel. 

An  anderen  Stellen,  wie  bei  Corte,  treten  in  Verbindung  mit 
den  rothen  Conglomeraten  rothe  Dolomite  mit  Ammonitenresten, 
ganz  übereinstimmend  mit  den  Gesteinen  von  Val  Infema,  auf 


3.  Die  Nuvolau-Gnippe. 

Diese  an  das  badiotische  Hochplateau  anschliessende  kleine 
Gebirgsgruppe  begrenzen  wir  westlich  durch  den  Cordevole  bis  Ca- 
prile  abwärts,  südöstlich  bis  auf  den  Monte  Giau  durch  die  Reichs- 
grenze.  Die  weitere  Begrenzung  ergibt  sich  aus  der  orographischen 
Gestaltung  von  selbst.  Nach  den  geologischen  Verhältnissen  erweist 
•  sich  diese  Gruppe  als  die  Fortsetzung  des  östlichen  Theiles  des 
Badioten-Hochplateau's. 

Die  Cassianer  Dolomitplatte  des  Nuvolau  ist  die  südöstliche 
Fortsetzung  des  Dolomits  des  Sasso  di  Stria  und  des  Sett  Sass, 
welche  indessen  am  Passe  von  Falzarego  oder  Fauzarego*)  in  Folge 
einer  am  Südostrande  des  Sasso  di  Stria  verlaufenden  Verwerfung 
eine  unbedeutende  Unterbrechung  erleidet.  Die  oberen  geschichteten 
Kalke  und  Dolomite  mit  den  weissen  Oolithen  senken  sich  vom 
Nuvolau-Plateau  in  die  Passniederung  herab  und  stossen  sodann  am 
•ungeschichteten  Dolomit  des  Sasso  di  Stria  ab. 


*)  Dies  ist  die  richtige  Lesart,    da  der  Name  vom  römischen  „fauces"  (Eng- 
pass,  Uebergang)  herrühn. 


Die  Seila-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau.  253 

Die  nördlich  und  nordöstlich  gegen  die  Falzarego-Bruchlinie 
abdachende  Nuvolau-Platte  trägt  ziemlich  ausgedehnte  Reste  von 
rothen  Raibler  Schichten  und  drei  sehr  beschränkte  Denudations- 
Relicte  von  Dachsteinkalk,  von  denen  zwei,  der  Hauptgipfel  des 
Nuvolau  (2649  Meter)  und  die  abenteuerlichen  fünf  Thürme  von 
Averau  {Cinque  torri,  torri  di  Averau)  sehr  charakteristische  Fels- 
gestalten bilden. 

Am  Westfusse  der  Cima  di  Val  di  Limeves  (2319  Meter) 
findet  sich  in  der  den  Dolomit  des  Nuvolau  unterteufenden  Zone 
von  Cassianer  Schichten  eine  ähnliche  kleine  Dolomitspitze,  wie  das 
Richthofen-Riif  am  Südfusse  des  Sett  Sass.  Die  Cassianer  Schichten 
nehmen  gegen  Süden  an  Mächtigkeit  ab.  Riifsteine  (Cipitkalk)  ver- 
drängen allmählich  die  Mergel. 

Oestlich  vom  Monte  Por^  (Frisolet)  reicht  in  die  Buchensteiner 
Schichten  die  Westspitze  des  jenseits  des  Codalonga-Thales  sich 
bis  in  die  Wengener  Schichten  hinauf  erhebenden  Dolomitriffs  des 
Monte  Camera.  Da  auch  der  Muschelkalk  in  dieser  Gegend  etwas 
abweichend  entwickelt  ist,  so  theile  ich  das  von  den  Augitporphyr- 
tuffen  im  Hangenden  ausgehende  Profil  mit: 

a)  Bänderkalke  und  Pietra  verde, 

b)  Dolomit,  stellenweise  grün  und  kieselig, 

c)  Buchensteiner  Knollenkalk, 

(t)  oberer  Muschelkalk,  Kalk  und  Dolomit  mit  Diploporen  und 
Crinoiden, 

e)  sandige  Kalkplatten  mit  conglomeratischen  Lagen  und  Schie- 
fem mit  Pflanzenresten  wechsellagemd  (in  braunen  flimmemden 
Kalken  Rhynchonella  tetractis  Lor.,  Waldheimia  angusta  Schi.,  W, 
vulgaris  Schi.)  *). 

f)  Weisser  Dolomit,  nicht  mächtig, 

g)  Werfener  Schichten. 

Es  tritt  sonach  hier  im  unteren  Muschelkalk  Dolomit  auf. 

Im  Liegenden  der  Werfener  Schichten  erscheinen  sodann  bei 
Codalunga  die  Bellerophon-Schichten  mit  Einlagerungen  armer  Sphä- 
rosiderite  und  mit  Gypsen  an  der  Basis. 

Zwischen  Andraz  und  Colle  di  Santa  Lucia  läuft  eine  Ver- 
werfung durch,  welche  die  Bellerophon-  und  Werfener  Schichten 
der  Nuvolau-Bergmasse    gegen   Westen   abschneidet.     Eine   zweite 


*)  Der  von  Stur  (Verh.  Geol.  R.-A.  i865,  pag.  246)  erw&hnte  Fundort  von 
Muschelkalk-Brachiopoden  „Val  Zonia"  befindet  sich  in  nächster  Nfthe  von  dieser 
Stelle.  Die  im  Museum  der  Geologischen  Reichs-Anstalt  aufbewahrten  GesteinstOcke 
von  dieser  Localitflt  enthalten :  Rhynchonella  tetractis  Lor,  und  Spiriferina  cf, 
Ment^eli  DnkJ 


2CA  Die  Sella-Gruppe  und  das  Badioten-Hochplateau. 

Parallel- Verwerfung  folgt  unweit  im  Westen.  Das  Gebirge  sinkt  in 
Folge  dieser  Verwerfungen  stufenförmig  gegen  den  Cordevole  ab. 
Die  jüngsten,  auf  diesen  streifenförmigen  Schollen  noch  erhaltenen 
Schichten   sind   die   dickschichtigen   Augitporphyrtuffe   (Kugeltuffe). 

Die  hier  vorkommenden  Schichten  stimmen  genau  überein  mit 
den  bereits  besprochenen  gleichaltrigen  Bildungen  des  oberen 
Buchenstein.  Erwähnenswerth  ist  nur  der  Fund  von  kleinen  Gerollen 
eines  rothen  Porphyrs  in  der  Pietra  verde  von  Rucava. 

Die  eben  genannten  beiden  Schollen  werden  oberhalb  Caprile 
und  CoUe  Santa  Lucia  durch  eine  weit  im  Osten  ansetzende  bis  an 
den  Ostfuss  des  Monte  Migion  reichende  Bruchlinie  (Antelao-Bruch) 
abgeschnitten,  im  Süden  von  welcher  mit  ostwestlichen  Streichen 
Kugeltuffe,  Buchensteiner  Schichten  und  oberer  Muschelkalk  in  regel- 
mässiger Lagerung,  flach  gegen  Norden  einfallend,  erscheinen. 

Man  durchschneidet  diesen  Zug,  wenn  man  von  Colle  Santa 
Lucia  nach  Caprile  geht.  Den  Kugeltuffen  sind  hier  plattige  Knollen- 
kalke mit  Tuffschmitzen  eingelagert,  welche  sehr  an  die  Buchen- 
steiner Knollenkalke  erinnern.  Ehe  man  noch  den  Cordevole  erreicht, 
verschwinden  die  Buchensteiner  Schichten  und  an  ihre  Stelle  tritt 
weisser  Dolomit,  ein  östlicher  Ausläufer  des  Marmolata-Riffs. 


IX.  CAPITEL. 
Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

Das  Süd-  und  Südwestgehänge  zwischen  Ampezzo  und  St.  Cassian.  >  Bergbrüche  der  Tofana 
bei  Ampezzo.  -  Das  Laganchoi-Riff.  -  Die  badiotische  Mergeibucht.  -  Das  Westgehänge 
zwischen  St.  Cassian  und  St.  Vigil.  —  Das  Nordgehänge  zwischen  St  Vigil  und  Brags.  -  Proule 
des  unteren  Muschelkalks.  —  Das  Nordostgehänge  zwischen  Brags  und  Schiuderbach.  -  Die 
hetcropischen  Verhältnisse  an  der  Nordseite  des  Dürrenstein.  -  Die  Hochfläche  des  Dacbsteinkalks. 

De*  mächtige  Gebirgsstock  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita, 
präsentirt  sich  auf  unserer  Karte  als  eine  zu  drei  Viertheilen  ge- 
schlossene Mulde,  an  deren  Rändern  die  älteren  und  in  deren  Mitte 
die  jüngsten  Bildungen  auftreten.  Indessen  zeigt  schon  die  eigen- 
thümliche  Verbreitung  der  dem  Hochplateau  aufgelagerten  jüngeren 
Formationen,  dass  die  Regelmässigkeit  der  flach  tellerförmigen 
Grundanlage  der  Mulde  in  manigfacher  Weise  gestört  sein  muss. 
Es  ist  namentlich  die  Fortsetzung  der  bereits  mehrmals  besprochenen 
Villnösser  Bruchlinie,  welche  zwischen  Wengen  und  Peutelstein  quer 
das  Faniser  Hochgebirge  durchsetzt  und  ein  Absinken  im  Süden  ver- 
anlasst. Eine  Erscheinung,  welche  sich  an  weit  fortsetzenden  Bruch- 
linien häufig  wiederholt,  tritt  auch  hier  ein.  Wo  sich  nämlich  die 
Sprunghöhe  zwischen  zwei  verworfenen  Gebirgstheilen  auffallend 
vermindert,  begleiten  eine  oder  mehrere  Parallel-Verwerfungen  von 
kurzer  Erstreckung  den  Hauptbruch,  als  wenn  sich  die  verwerfende 
Kraft  an  solchen  Stellen  zersplittert  hätte.  So  folgen  der  Villnösser 
Bruchlinie  im  Norden  zwei  grössere  Parallel- Verwerfungen  und  eine 
Reihe  enger  begrenzter  Einbrüche.  Das  Absitzen  erfolgt  regelmässig 
auf  der  Südseite. 

Die  mittlere  Zone  dieses  Hochgebirges  ist  sonach  mehr  weniger 
verstürzt  und  fallen  im  Norden  wie  im  Süden  die  äusseren  Gebirgs- 
theile  der  Einsturzzone  zu. 

Während  die  älteren  Triasbildungen  nur  in  den  peripherischen 
Strichen  auftreten,  setzen  Dachsteinkalk  und  jurassisch-cretaceische 
Bildungen   die   Hauptmasse   des   Gebirges    zusammen.     Die    durch 


2c6  ^AS  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 

Mächtigkeit  und  Verbreitung  weitaus  vorherrschende  Formation  ist 
der  Dachsteinkalk,  welcher  allein  iiir  den  landschaftlichen  Charakter 
dieses  prächtigen  Hochgebirges  massgebend  ist.  Daher  der  auflallende 
physiognomische  Gegensatz  im  Vergleiche  mit  den  Gegenden,  in 
welchen  die  Dolomitriffe  das  bestinmiende  Element  der  Landschaft 
sind.  Die  tausendfache  Schichtung  des  Dachsteinkalkes  ist  die 
Ursache  der  ungezählten  bandförmigen  Streifen  und  der  terrassen- 
förmigen Absätze,  welche  dem  Bergsteiger  den  Zutritt  zu  den 
schroffen  Felspyramiden  gestatten.  Den  grossartigen  Effect  dieser 
mächtigen  feingebänderten  Felswände  erhöhen  wesentlich  die  warmen 
rothen  Töne,  welche  das  Ganze  überziehen  und  so  lebhaft  von  dem 
blendend- weissen  Schutt  abstechen,  welcher  die  Wände  gleichsam 
überrieselnd  auf  den  Vorsprüngen  der  Schichtenbänder  haften  bleibt. 

Die  muldenförmige  Anordnung  der  Schichtsysteme  legt  uns 
aus  Rücksicht  fiir  die  Uebersichtlichkeit  der  Darstellung  eine  stoff«- 
liehe  Zweitheilung  auf  Es  sollen  zunächst  die  Randzonen  geschil- 
dert werden,  soweit  dieselben  aus  Schichten  von  höherem  Alter  als 
Dachsteinkalk  bestehen.  Hierauf  soll  dann  das  jüngere  Deck- 
gebirge, Dachsteinkalk,  Jura  und  Kreide,  einer  gesonderten  Erörte- 
rung unterzogen  werden. 


I.   Das  Süd-   und  Südwestgehfinge   zwischen  Ampezzo   und 

St.  Cassian.    Das  Lagatschoi-RifF. 

Es  wurde  bereits  angedeutet,  dass  die  Verwerfung  der  Strada 
tra  i  Sassi  am  Südfusse  des  Lagatschoi*)  und  der  Tofana  bis  in 
das  Thalbecken  von  Ampezzo  fortsetzt  Die  Verwerfung  fallt  nahezu 
mit  der  Strasse  zusammen,  welche  von  Ampezzo  bis  auf  die  Höhe 
des  Falzarego-Passes  fiihrt.  Der  Costeana-Bach  fliesst  südlich  davon. 
Die  aus  Cassianer  Dolomit  bestehende  und  von  Raibler  Schichten 
bedeckte  Creppa  bei  Ampezzo  liegt  ebenfalls  bereits  im  Süden  der 
Verwerfung  und  gehört  tektonisch  zur  Cassianer  Dolomitplatte  der 
Rocchetta-  und  der  Nuvolau-Gruppe. 

Den  Südrand  der  Verwerfung  bilden  bis  zur  Creppa  die  Raibler 
Schichten    des   Nuvolau-Plateau's ,    an    der  Creppa  aber   Cassianer 


*)  Ich  gebe  diesem  ortsüblichen  Namen  den  Vorzug  vor  der  offenbar  corrum^ 
pirten  Schreibweise  der  Karten  „Lagazuoi".  Lagatschoi  ist  der  ladinische  Ausdruck 
für  „lagaccio",  welcher  in  dem  Vorkommen  kleiner  Weiher  und  Sümpfe  auf  der 
Lagatschoi-AIpe  seine  Begründung  findet. 


i 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita.  257 

Dolomit*).  Am  Nordrande  erscheinen  von  Ampezzo  bis  auf  die 
Höhe  von  Falzarego  Wengener  Sandsteine  und  Mergel. 

Zwischen  Ampezzo  und  der  Rozes-Alpe  ist  in  Folge  gross- 
artiger Abrutschungen  von  Theilen  der  Tofanamasse,  sowie  wegen 
der  nicht  unbedeutenden,  noch  in  Bewegung  befindlichen  Schlamm- 
ströme ein  Einblick  in  die  Zusammensetzung  der  tieferen  Theile 
der  Tofanamasse  nicht  möglich.  An  der  Rozes-Alpe  sieht  man 
deutlich,  dass  die  Unterlage  der  östlichen  Tofana  mit  Ausnahme 
einer  unbedeutenden  Bank  von  Cassianer  Dolomit  unterhalb  der 
Raibler  Schichten  durchaus  aus  mergeligen  Schichten  und  Wengener 
Sandsteinen  gebildet  wird. 

Es  ist  nun  leicht  verständlich,  dass  abgeklüftete  Partien  des 
Dachsteinkalks  der  Tofanawände  auf  einer  so  thonreichen,  nach- 
giebigen Unterlage  allmählich  thalwärts  wandern.  Die  compacte  fest- 
stehende Masse  der  Tofana  kehrt  dem  Ampezzaner  Thal  ihre 
Steilwände  zu.  Vor  denselben  zieht  sich  ein  theilweise  von  Weiden 
und  Wäldern  bewachsenes,  arg  zerrissenes,  felsjges  Mittelgebirge  hin, 
das  nur  an  einer  Stelle,  im  Val  Druscie,  eine  Unterbrechung  zeigt. 
An  dieser  einen  Stelle  erscheinen  dann  auch  unter  den  mächtigen 
Schutthalden  des  Dachsteinkalks  die  rothen  Raibler  Schichten  in 
der  ihnen  der  allgemeinen  Fallrichtung  nach  entsprechenden  Höhe 
am  Gehänge  unterhalb  der  Steilwände  des  Dachsteinkalks,  während 
dieselben  sonst  durch  die  vorliegenden  rutschenden  Schollen  ver- 
deckt sind.  Es  sind  zwei  durch  das  Val  Druscie  geschiedene  Schollen 
zu  unterscheiden,  von  denen  die  eine,  welche  im  Col  Druscie  cul- 
minirt  und  den  Rücken  zwischen  Romerlo  und  Cadelverzo  bildet, 
viel  weiter  gegen  Osten  vorgerückt  ist  und  offenbar  in  einer  früheren 
Periode  losgelöst  wurde.  Zwischen  dieser  Scholle  und  der  zweiten, 
welcher  die  felsigen  Stufen  von  Stuores  angehören,  sind  am  Aus- 
gange des  Val  Druscie  anstehende  Wengener  Schichten,  einen  be- 
wachsenen Hügel  bildend,  sichtbar. 

An  der  Vorderseite  (Ostseite)  dieser  Schollen  zeigen  sich 
rothe  Raibler  Schichten  in  noch  zusammenhängenden  Streifen.  Bei 
Cadelverzo  sind  den  Raibler  Schichten  der  östlichen  Scholle  Gyps- 
lagen  eingeschaltet.  Der  obere  und  mächtigere  Theil  der  Schollen 
besteht  aus  arg  zerklüftetem  und  an  vielen  Stellen  bereits  ganz  in 
grosse  Blockmassen  zerfallenem  Dachsteinkalk.  Es  ist  augenschein- 
lich,  dass   das  Abwärtsgleiten   der  Schollen   gegenwärtig   noch   an- 


*)  Diese  Veru^erfung  findet  östlich  von  Ampezzo  keine  Fortsetzung,  dagegen 
ist  es  wahrscheinlich,  dass  sie  an  der  Creppa  gegen  Süden  abbiegt  und  im  Boita- 
Thal  bis  Vodo  abwärts  reicht. 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  ij 


258  Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 

dauert  und  dass  die  stetig  mehr  und  mehr  zerfallenden  und  in  sich 
zusammensinkenden  Schollen  ihre  Basis  gegen  Osten  ausdehnen. 
Den  freundlichen  Häusergruppen  und  den  Wiesen  am  rechten  Boita- 
ufer  droht  sonach  die  Gefahr,  einstens  unter  Geröllströmen  und 
.Felsblöcken  begraben  zu  werden.  Um  den  Eintritt  einer  solchen 
Katastrophe  möglichst  weit  hinauszuschieben,  kann  nicht  dringend 
genug  die  absolute  Schonung  der  noch  vorhandenen  Waldparcellen 
und  die  Aufforstung  der  kahlen  oder  nicht  bewaldeten  Stellen  im 
ganzen  Umfange  des  Rutschterrains  empfohlen  werden. 

Am  Südfusse  der  Tofana  prima  (3215  Meter)  zwischen  dem 
Col  dei  Bos,  über  welches  man  in  das  prächtige  Travemanzes-Thal 
gelangt,  und  der  Falzarego-Alpe,  befindet  sich  ein  sehr  lehrreicher 
und  leicht  zugänglicher  Aufschluss  über  die  heteropische  Begrenzung 
des  Lagatschoi-Riffes.  Die  Verhältnisse,  zu  deren  lUustrirung  wir 
drei  Lichtbilder  beigeben,  sind  völlig  analog  mit  denen  des  bereits 
geschilderten  Richthofen-Riffes  vor  dem  Sett  Sass. 

Bereits  von  der  Falzarego-Strasse  aus  wird  ein  aufmerksamer 
Beobachter  nicht  ohne  einiges  Erstaunen  wahrnehmen,  wie  sich  in 
dem  grünen  Gehänge  der  Tofana  mit  der  Annäherung  an  die  Do- 
lomitmasse des  Lagatschoi  weisse  felsige  Bänke  einschieben,  welche 
lebhaft  von  den  mit  ihnen  altemirenden  grün  verwachsenen  Mergel- 
bändern abstechen.  Aber  erst  von  einem  höheren  Standpunkte  aus, 
von  der  Abdachung  des  Nuvolau  oder  noch  besser  von  der  Spitze 
desselben,  von  welcher  wir  eine  Gesammtansicht  des  Lagatschoi 
und  der  Tofana  in  zwei  Blättern  mittheilen,  lässt  sich  der  Zusammen- 
hang genau  übersehen.  Oben,  unter  dem  wolgeschichteten  Dach- 
steinkaik  der  Faniser  Hochgipfel  und  der  Tofana*)  ziehen  ununter- 
brochen die  Raibler  Schichten  als  gemeinsame  Deckplatte  über  dem 
Dolomit  des  Lagatschoi  und  den  Cassianer  und  Wengener  Mergeln 
des  Tofana-Gehänges  hinweg.  Die  Unterbrechung,  welche  sodann  an 
der  Südostecke  der  Tofana  sichtbar  wird,  ist  durch  die  abgerutschte 
Dachsteinkalk-Scholle  von  Stuores  veranlasst.  Unterhalb  Col  dei  Bos 
greifen  nun  Dolomit  und  Mergel  keilförmig  in  einander.  Die  oberste 
Dolomitbank,  welche  den  höchsten  Theilen  des  Dolomits  des  La- 
gatschoi entspricht,  zieht  sich  als  ein  schmales  Band  zwischen  den 
Cassianer  Mergeln  und  den  Raibler  Schichten  fort.  Die  mittlere, 
wenig  mächtige  Dolomitzunge  keilt  in  kurzer  Entfernung  vom  La- 
gatschoi-Riff  aus,  die  stärkere  unterste  Bank,  welche  die  blockartige 
Zusammensetzung  des  Dolomits  deutlich  zeigt,   reicht   weiter  gegen 


*)   Die   beiden    rOckwftrtigen  Tofana-Gipfel    tragen   Kuppen  von  jurassischen 
Bildungen. 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 


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26o  ^^^  Gebirge  zwischen  Gader,  Rien2  und  Boita. 

Osten,  keilt  aber  auch  bald  vollständig  aus.  Geht  man  von  der 
Rozes-Alpe  auf  die  Einbiegung  zwischen  don  beidenf  vorderen  To- 
fana-Gipfeln,  so  verquert  man  zunächst  die  Wengener  Sandsteine 
mit  zahlreichen  Einlagerungen  von  Korallen  und  Conchylien  führen- 
den Bänken  und  gelangt  sodann  durch  edite  Cassianer  Mergel, 
ohne  dass  man  auf  eine  der  beiden  unteren  Dolomitzungen  stösst, 
zur  erwähnten  obersten  Dolomitbank,  über  welcher  man  die  typischen 
rothen  Raibler  Schichten  trifft*).  Umgekehrt  zeigt  ein  über  den 
Lagatschoi  gezogenes  Profil  keine  Cassianer  Mergel,  dafiir  aber 
über  den  korallenreichen  Wengener  Schichten^  welche  noch  kurz 
vor  dem  Falzarego-Hospiz  unter  den  Schuttmassen  sichtbar  werden, 
eine  mächtige  Ablagerung  von  Cassianer  Dolomit. 

Untersucht  man  die  in  einander  greifenden  heteropischen  Keile 
näher,  so  findet  man  in  der  oberen  Mergelzunge  cidariten-  und 
crinoidenreiche  gelbe  Mergelkalke  und  Korallenkalke.  Gegen  die 
Spitze  des  Keiles  zu  wird  diese  Mergelzone  immer  steiniger.  Der 
mittlere  Dolomitkeil  ist  an  seiner  Basis  unterhöhlt,  da  allenthalben 
unter  ihm  Wasser  hervortritt.  An  verschiedenen  Stellen  des 
Gehänges  ist  das  wasserundurchlässige  Gestein  entblösst.  Es  sind 
feinblättrige  Cassianer  Mergel,  welche  gegen  die  Spitze  des 
Mergelkeils  zu  allmählich  in  feste,  fleckenmergelartige  Gesteine 
übergehen. 

Die  Raibler  Schichten  des  Col  dei  Bos  und  des  Lagatschoi 
bestehen  aus  dunklen  Muschelbänken,  mehreren  Varietäten  von  Sand- 
steinen (auch  den  schon  öfters  genannten  Sandsteinen  mit  Kohlen- 
brocken), rothen  oplithischen  Kalken,  rothen  Conglomeraten  mit 
Bohnerz  und  Quarzkrystallen  (Marmaroser  Diamanten),  grünen  und 
rothen  steinmergelartigen  Bänken  und  dolomitisch  sandigen  Bänken 
mit  Megalodonten.  Beim  Aufstiege  durch  die  Forcella  di  Traver- 
ranzes  (einer  Scharte  im  Lagatschoi,  durch  welche  man  von  der 
Passhöhe  von  Falzarego  nach  Val  Travemanzes  gelangt,  nächste 
Verbindung  zwischen  Buchenstein  und  Ospidale)  auf  die  nördliche 
Lagatschoi-Abdachung  fand  ich  in  einem  lichten  Kalke  der  Raibler 
Schichten  das  Fragment  eines  Nautilus,  welches  zu  N.  Wulfeni  zu 
gehören  scheint.  Vom  Col  dei  Bos,  und  zwar  nach  dem  anhaftenden 
Gestein  zu  urtheilen,  aus  dem  Sandstein  mit  Kohlenbrocken  stammt 
der  von  Loretz  bekannt  gemachte,  mir  freundlichst  zur  Unter- 
suchung mitgetheilte  Nautilus  Ampeszanus. 


*)  Loretz,  Zeitsch.  D.  Geol.  Ges.  1874,  pag.  448,  hat  die  Wengener  und 
Cassianer  Schichten  dieses  Gehänges  fQr  untere  und  mittlere  Raibler  Schichten 
(„Schiernplateau-Schichten")  gehalten. 


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Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita.  26 1 

Ehe  wir  in  unserer  Darstellung  fortfahren,  will  ich  noch  be- 
merken, dass  in  den  Wengener  Sandsteinen  der  Gegend  von  Am- 
pezzo  der  tuffige  Charakter,  entsprechend  der  weiteren  Entfernung 
von  den  Centren  der  eruptiven  Thätigkeit  bereits  merkbar  zurück- 
tritt, aber  immerhin  schichtenweise  noch  sehr  evident  ist.  Die  fossil- 
reichen Blöcke,  welchen  man  längs  der  Falzarego-Strasse  so  häufig 
begegnet,  stammen  zum  grössten  Theile  von  Zwischenlagerungen  der 
oberen  Wengener  Schichten  her.  Der  grosse  Reichthum  an  Korallen, 
insbesondere  in  der  Nähe  des  Lagatschoi-Riffes  ist  bemerkenswerth. 

An  der  Strada  tra  i  Sassi  erreicht  der  Dolomit  des  Lagatschoi 
seine  grösste  Mächtigkeit  Der  Verwerfung  in  der  Strada  wurde  bereits 
gedacht  und  ebenso  ist  schon  erwähnt  worden,  dass  diese  Verwerfung 
die  Fortsetzung  des  Falzarego-Bruches  ist,  welcher  hier  nordwestlich 
abbiegt.  Ob  die  Verwerfung  in  nordwestlicher  Richtung  noch  weiter 
fortsetzt,  lässt  sich  mit  Sicherheit  schwer  bestimmen.  Indessen 
sprechen  die  Niveauverhältnisse  der  Schichten  an  den  beiden  Ge- 
hängen des  Eisenofen-Baches  zu  Gunsten  einer  solchen  Annahme. 
Es  ist  namentlich  auffallend,  dass  sich  hoch  an  den  Fuss  der  La- 
gatschoi-Wand  hinauf  Wengener  Schichten  erstrecken,  während  an 
der  Mündung  des  Valparola-Thales  in  viel  tieferem  Niveau  Cassianer 
Mergel  anstehen.  Die  Verwerfung  müsste  entweder  zwischen  den 
Cassianer  und  Wengener  Schichten  oder  durch  letztere  selbst  durch- 
setzen und  weiter  abwärts  mit  der  Thalsohle  von  St.  Cassian  zu- 
sammenfallen, von  wo  sie  dann  gegenüber  von  Costa  deloi  östlich 
umbiegen  und  in  der  bereits  geschilderten  Verwerfung  von  Kolfuschg 
fortsetzen  würde.  Zu  Gunsten  einer  solchen  Annahme  spricht  der 
auffallende  Parallelismus  der  verschiedenen  Abbiegungen  mit  dem 
Laufe  der  Villnösser  Bruchlinie  auf  der  entsprechenden  Strecke 
Campil — Wengen — Klein-Fanis— Peutelstein. 

Der  Dolomit  des  Lagatschoi  nimmt  nun  in  nördlicher  Rich- 
tung zusehends  ab.  Am  Eingange  der  Sor^-Schlucht  ist  die  Mäch- 
tigkeit bereits  sehr  reducirt.  Man  verfolgt  die  stetig  sich  verdünnende 
Bank  noch  deutlich  am  Fusse  der  Steilwand  als  Unterlage  der 
Raibler  Schichten  bis  zum  Col  Pedoi.  Nördlich  von  diesem  Punkte 
lagern  die  Raibler  Schichten,  wie  bereits  v.  Richthofen  richtig  er- 
kannt hatte,  direct  auf  den  Cassianer  Mergeln.  Das  Profil  von 
St.  Cassian  über  Ru  nach  Peravuda  bietet  treffliche  Aufschlüsse. 
Bei  St.  Cassian  am  Fusse  des  Gehänges  der  Wengener  Schichten 
stehen  die  Daonellenschiefer  mit 

Daonella  Lommeli  Wissm,  sp, 
Trachyceras  ladinum  Mojs. 
Lytoceras    Wengense  Klipst. 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 


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Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita.  263 

an.  Darüber  folgen  dann  die  gewöhnlichen  Wengener  Tuffsandsteine 
und  Mergel  in  normaler  Mächtigkeit.  Bei  Peravuda  springt  die  Dach- 
steinkalkmauer der  Lavarella  *)  auf  das  Tuffterrain  vor  und  diesem 
Umstände  ist  eine  prächtige  Entblössung  der  ganzen  höheren 
Schichtreihe  vom  Dachsteinkalk  bis  zu  den  Wengener  Schichten  zu 
danken.  Die  Lagerung  ist  völlig  concordant.  Die  Schichten  neigen 
sich  etwas  vom  Berge  weg,  also  schwach  westlich.  Man  steigt  ohne 
Unterbrechung  des  Aufschlusses  von  der  tieferen  Bank  auf  die 
nächst  höhere.  Ueber  den  \yengener  Schichten  liegen  regelmässig 
die  Cassianer  Mergel,  in  deren  oberen  Schichten  die  weit  verbreite- 
ten Bänke  mit  Daonella  Cassiana  und  D.  Richtfiofeni  einen  sehr 
willkommenen  Ruhepunkt  bilden.  Es  folgen  sodann  in  vollkommen 
ungestörter  Auflagerung  die  sogenannten  Schichten  von  Heiligen 
Kreuz,  Lumachellen  mit  Anoplophora  Münsteri,  Sandsteine  mit  Kohlen- 
brocken und  Muschelresten  (Corbis  Mellingi,  Ostrea  Mantis  Caprilis), 
und  röthliche  Kalke.  Es  ist  die  untere  Abtheilung  der  Raibler  Schichten. 
Ueber  weisslich  grüne,  durch  thonige  grüne  Zwischenmittel 
getrennte  Dolomitbänke  gelangt  man  hierauf  am  Fusse  der  aus  Dach- 
steinkalk bestehenden  Steilwand  zu  den  oberen  thonigen  rothen 
Gesteinen  der  Raibler  Schichten. 

Dieser  Aufschluss  ist  von  grosser  Wichtigkeit,  denn  er  liefert 
den  Beweis,  dass  die  ganze  Schichtenreihe  der  Wengener  und 
Cassianer  Schichten  bis  zu  den  Raibler  Schichten  aufwärts  in  dieser 
Gegend  lediglich  in  der  Tuff-  und  Mergelfacies  entwickelt  ist.  Die 
Annahme,  dass  eine  den  Cassianer  und  Raibler  Schichten  zwischen- 
gelagerte Dolomit-Etage  hier  etwa  in  Folge  einer  Verwerfung  der 
Beobachtung  entzogen  sei,  erweist  sich  als  völlig  unhaltbar. 

Den  Cassianer  Dolomit  des  Lagatschoi  haben  wir  uns  als  die 
nördliche  Spitze  eines  von  Süden  her  vordringenden  Riffes  vor- 
zustellen, welchem  auch  der  Sett  Sass  und  die  Nuvolau-Platte  an- 
gehören. Zwei  andere  Riffe,  das  Sella-RifT  und  das  Gardenazza-Riff, 
begrenzten  im  Westen  die  badiotische  Mergelbucht.  Die  Aussen- 
seite  des  Sella-Riffes  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  noch  ziemlich 
wolerhalten,  so  dass  wir  die  Grenze  daselbst  ziemlich  genau  angeben 
können.  Das  Gardenazza-RifT  bricht  mit  einer  Denudations-Steilwand 
gegen  Osten  ab,  woraus  hervorgeht,  dass  wir  die  Riffgrenze  etwas 
ausserhalb  der  heutigen  Umfangslinie  des  Cassianer  Dolomits  an- 
zunehmen haben. 


♦)  Nicht  La  Verclla,  wi^  die  älteren  Karten  schreiben.  Der  Name  leitet  sich  von 
lavare  ab  und  ist  für  die  von  feinem  Kalkschutt  Oberrieselten  Dachsteinkalk- Wände 
sehr  bezeichnend. 


264  ^^  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 

Innerhalb  dieser  Riffe  kommen  die  Wengener  und  Cassianer 
Schichten  nur  in  der  Tuff-  und  Mergelfacies  vor,  und  wie  die  Auf- 
schlüsse am  Pian  de  Sass,  bei  Valparola  und  am  Gehänge  der  La- 
varella  und  des  Heiligen  Kreuzkofels  lehren,  spannte  sich  einst  eine 
ununterbrochene  Decke  von  Raibler  Schichten  und  Dachsteinkalk  in 
gleicher  Weise  über  das  Gebiet  der  Mergel-Entwicklung,  wie  über 
die  Riffplatten  des  Dolomits. 

2.  Das  Westgehänge  zwischen  6t.  Cassian  und  St.  Vigil. 

Auf  der  Strecke  zwischen  St.  Cassian  und  dem  Wengener 
Querthal  herrschen  unter  den  Wänden  des  Heiligen  Kreuzkofels 
dieselben  Verhältnisse,  wie  in  dem  soeben  betrachteten  Profil  von 
St.  Cassian  nach  Peravuda.  An  den  tieferen  Theilen  des  Gehängt 
ist  zwar,  wie  bereits  vielseitig  beklagt  worden  ist,  die  Beobachtung 
durch  rutschende  Gehängschollen  und  durch  Schlamm-  und  Geröll- 
ströme sehr  erschwert,  doch  geht  aus  der  Gesammtheit  der  Auf- 
schlüsse hervor,  dass  bis  unterhalb  St.  Leonhard  zwischen  der  Thal- 
sohle und  den  auf  der  Höhe  der  Tuffterrasse  von  Heiligen  Kreuz 
anstehenden  Cassianer  und  Raibler  Schichten  nur  Wengener  Tuff- 
sandsteine und  Mergel  vorkommen  können.  Mit  dieser  Anschauung 
stimmt  auch  die  Auffassung  sämmtlicher  älterer  Beobachter  überein. 

Südlich  von  Heiligen  Kreuz  hat  sich  auf  der  Terrasse  ein 
kleiner  Denudations-Relict  von  Dkchsteinkalk  erhalten,  welcher  einer 
der  Steilwand  vorgelagerten  ziemlich  lange  sich  fortziehenden  Platte 
von  Raibler  Schichten  aufgesetzt  ist.  Diese  Platte  zeigt  bereits  viel- 
fach die  Spuren  eines  argen  Zerfalls,  welcher  sich  in  der  Richtung 
gegen  Heiligen  Kreuz  immer  mehr  bemerkbar  macht.  Bei  Heiligen 
Kreuz  liegen  in  Folge  der  mergeligen,  rutschigen  Unterlage  der 
'Cassianer  Schichten  die  Raibler  Schichten  in  wirren  grossen  Schollen 
durcheinander,  und  so  erklärt  sich,  dass  fast  jeder  Beobachter  ab- 
weichende Angaben  über  die  Schichtfolge  macht, 

Stur  hat  zuerst  den  Nachweis  geliefert,  dass  die  sogenannten 
Schichten  von  Heiligen  Kreuz  mit  Anoplophora  Münsteri,  Ptychostoma 
Satttae  Crucis,  Pt.  pleurotomoide  u.  s.  f  den  Raibler  Schichten  ein- 
zureihen sind,  Laube  hat,  wie  mir  scheint,  die  Reihenfolge  der 
Bänke  am  richtigsten  angegeben.  Diese  Schichten  bilden  eine  eigen- 
thümliche  Facies  der  Raibler  Schichten,  welche  in  unserem  Gebiete 
auf  den  Strich  zwischen  Peravuda  und  Heiligen  Kreuz  beschränkt 
scheint. 

In  den  jedenfalls  höher  liegenden  Sandsteinen  mit  Kohlen- 
brocken kommen  einige  in  den  nordalpinen  und  in  den  kämtnerischen 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita.  265 

Raibler  Schichten  sehr  verbreitete  Muscheln  vor :  Ostrea  Montis  Ca- 
priliSf  Carbis  Mellingi,  Pema  avictdaefomtis. 

In  den  rothen  Thonen  mit  Bohnerzen  finden  sich  bei  Heiligen- 
kreuz nicht  selten  bohnen-  und  haselnussgrosse  glänzend  polirte  Quarz- 
geschiebe.    Sie   rühren  wol  von  zerfallenen  rothen  Sandsteinen  her. 

Viel  unsicherer  ist  die  Provenienz  bis  handgrosser,  eckiger 
Blöcke  von  Glimmerschiefem  der  Centralkette ,  welche  mir  längs 
des  Weges  von  Pederova  auf  die  Höhe  des  Armentara  -  Berges 
wiederholt  auffielen.  An  einen  glacialen  Transport  ist  nach  den 
orographischen  Verhältnissen  der  Fundstelle  kaum  zu  denken.  Etwas 
mehr  Wahrscheinlichkeit  hätte  die  Vermuthung  für  sich,  dass  die 
Blöcke  aus  zerstörten  conglomeratischen  Lagen  der  Raibler  Schichten 
stammten.  Doch  ist  auch  dies  sehr  unsicher.  Wir  werden  auf  dem 
Hochplateau  von  Gross-Fanis  ein  Wahrscheinlich  zur  Zeit  der  oberen 
Kreide  gebildetes  Conglomerat  kennen  lernen,  welches  neben  Kalk- 
geröUen  auch  Quarzgeschiebe  enthält.  Aehnliche  Conglomerate  be- 
standen wol  auch  noch  an  anderen  Stellen  in  der  näheren  und 
weiteren  Umgebung  von  Fanis  und  vielleicht  auch  auf  oder  vor 
dem  Heiligenkreuz-Kofel  und  rühren  möglicher  Weise  die  krystalli- 
nischen  Blöcke  längs  des  Armentara- Weges  von  denselben  her. 

Die  an  den  Gehängen  des  Armentara-Berges  entblössten  tiefe- 
ren Schichten,  deren  Kartirung  Herr  Dr.  Hoernes  ausführte,  zeigen 
die  im  Bereiche  der  Mergel-Entwicklung  der  höheren  Schichten  ge- 
wöhnliche Ausbildung.  Die  Augitporphyrtuflfe  sind  mit  mächtigen 
tuffigen  Kalkbreccien  vergesellschaftet  und  wechseln  bereits  mit 
dünnschichtigen  Wengener  Tuflfsandsteinen.  Die  oberen,  mit  Pietra 
verde  verbundenen  Bänderkalke  der  Buchensteiner  Schichten  sind 
reich  an  Posidonomyen  und  Daonellen  (D.  tyrolensis,  D,  badiotica). 
Unterhalb  der  Fomatscha-Häuser  befindet  sich  eine  dislocirte  Scholle, 
welche  aus  der  vollständigen  Schichtenreihe  vom  unteren  Muschel- 
kalk bis  zu  den  Wengener  Tuflfsandsteinen  besteht. 

Das  Thal  von  Wengen  liegt  in  der  Villnösser  Bruchlinie.  Die 
Aufnahme  des  Herrn  Dr.  Hoernes  zeigt  im  Norden  der  Bruchlinie 
in  dem  Gebirgsrücken  zwischen  Wengen  und  St.  Vigil  zwei  secun- 
däre  Brüche,  an  denen  das  ganze  Gebirge  zwischen  dem  Paresberg 
und  der  Gader  treppenartig  abbricht.  Die  mittlere  Scholle  nimmt 
eine  vergleichsweise  sehr  hohe  Lage  ein  und  macht  den  Eindruck, 
als  ob  sie  von  unten  gegen  oben  hinaufgeschoben  wäre.  An  ihrer 
Basis  kommen  Werfener  Schichten  vor,  auf  der  Höhe  liegen  Wen- 
gener Schichten.  Der  Bruch,  welcher  dieselbe  von  dem  eingesunke- 
nen Dachsteinkalk  des  Paresberges  trennt,  läuft  am  Fusse  des 
Rückens   der   oberen   Eisengabel-Spitze    und   des   Paresberges   und 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 


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st 

58 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita.  267 

wendet  sich  um  den  letzteren  Berg  in  nordöstlicher  Richtung.  Der 
zweite  Bruch,  an  welchem  die  ganze  vordere  Gebirgsmasse  abge- 
sunken ist,  läuft  so  ziemlich  dem  ersten  parallel. 

Die  eigenthümliche  Isolirung,  welche  die  Augitporphyrtuffe 
auf  der  Karte  zeigen ,  rührt  zum  grossen  Theile  daher ,  dass  das 
Gebiet  sich  bereits  an  der  Nordgrenze  der  Verbreitung  der  Tuffe 
befindet.  Auf  dem  nördlichen  Thalgehänge  von  Wengen  dürften 
jedoch  auch  durch  kleinere  Brüche  verursachte  Absitzungen  der 
höheren  Wengener  Schichten  zu  dieser  Erscheinung  beitragen. 

Die  Daonellen-Schiefer  von  Wengen  befinden  sich  im  Hangen- 
den eines  aus  Augitporphyrtuff  und  Kalkbreccien  bestehenden  Walles 
nächst  der  alten  Kirche  von  Wengen.  Dieser  vielgenannte  Fundort 
hat  folgende  Fossilien  geliefert: 

Daonella  Lomtneli  Wissm.  sp, 
Posidonomya   Wengaisis   Wissm. 
Trachyceras  Archelaus  Lbe, 
„  ladinum  Mojs, 

Lytoceras    Wengense  Klipst.  sp. 

In  den  höheren  Wengener  Sandsteinen  fand  ich,  hoch  über 
dem  Daonellen-Schiefer  ein  vereinzeltes  Exemplar  von  Trachyceras 
Archelaus, 

Bei  St.  Martin  und  Preromang  sind  die  Bellerophon-Schichten 
mit  grossem  Fossilreichthum  entblösst.  (Vgl.  oben  S.  223.)  An  der 
Basis  der  Bellerophon-Schichten  finden  sich  noch  auf  der  Nordseite 
der  Korspitze  mächtige  Gypslager. 

Es  ist  noch  von  Wichtigkeit,  zu  bemerken,  dass  die  Buchen- 
steiner Schichten  der  mittleren,  hochgelegenen  Scholle  vorzugsweise 
dolomitisch  ausgebildet  sind,  was  nach  unseren  bisherigen  Erfah- 
rungen mit  Sicherheit  den  Schluss  gestattet,  dass  wir  uns,  gegen 
Norden  vordringend,  einem  Dolomitriff  nähern. 


3.  Das  Nordgehänge  zwischen  St.  Vigil  und  Brags. 

In  der  That  ist  bereits  jenseits  des  Rauh-Thals  die  ganze 
Schichtenreihe  vom  oberen  Muschelkalk  bis  zu  den  Raibler  Schichten, 
wie  in  den  grossen  Dolomitriffen  des  Schlem-Rosengarten  u.  s.  f. 
durch  die  Dolomitfacies  vertreten  und  erst  im  Bragser  Thal  an  der 
Ostseite  der  Hochalpe  beginnt  wieder  eine  heteropische  Region. 

Herr  Dr.  Ho  er  n  es  hat  dieses  Gebiet  kartirt.  Seine  Mitthei- 
lungen sind  der  folgenden  Darstellung  zu  Grunde  gelegt. 


268  ^^^  Gebirge  zwischen  Gader,  Eienz  und  Boita. 

Tektonisch  herrscht  die  grösste  Regelmässigkeit.  Die  Schichten 
fallen  durchwegs  ziemlich  steil  gegen  Süden  ein,  ein  Verhalten, 
welches  für  den  ganzen  Nordrand  in  den  östlicheren  Regionen  zur 
Regel  wird  und  aus  den  ziemlich  geradlinigen  Thalübersetzungen 
der  Schichtenzonen  bei  der  Betrachtung  der  Karte  sich  sofort  zu 
erkennen  gibt. 

Die  Dolomitfacies  gibt  zu  keinen  besonderen  Bemerkungen 
Anlass.  Der  Horizont  der  Buchensteiner  Schichten  ist  an  durch- 
streichenden Homsteinlinsen  kenntlich.  Als  isopisches  Dolomitriff 
reicht  das  Riff  der  Hochalpe  östlich  bis  zum  Rothen  Kofel.  Buchen- 
steiner und  untere  Wengener  Schichten  sind  von  der  Ostseite  des 
Rothen  Kofels  an  heteropisch  ausgebildet  und  greift  sodann  der 
Dolomit  der  oberen  Wengener  und  der  Cassianer  Schichten  über 
das  Gebiet  der  Mergel-Entwicklung  von  Brags. 

Eine  ungewöhnlich  grosse  Mächtigkeit  und  eine  etwas  ab- 
weichende Gesteinsbeschaffenheit  zeigt  der  untere  Muschelkalk,  wie 
das  folgende  Profil  darthun  wird. 

Am  Nordwestfusse  der  Dreifinger-Spitze  bei  St.  Vigil  findet  sich 
eine  grössere  Entblössung,  welche  HermDr.  Hoernes  die  Aufnahme 
eines  ziemlich  genauen  Profils  gestattete.  Die  Mächtigkeit  der  einzel- 
nen Schichten  wurde  direct  gemessen,  doch  nöthigte  die  Halde  am 
Fusse  der  Wände,  die  Messung  an  einer  Stelle  zu  unterbrechen  und 
an  einer  anderen  Stelle  fortzusetzen.  Wegen  einiger  quer  durch- 
setzender Sprünge  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass 
der  Anknüpfungspunkt  nicht  genau  übertragen  wurde. 

Das  Profil  wurde  etwa  in  der  Mitte  der  Entblössung  begonnen. 
Es  finden  sich  daselbst,  den  Kamm  des  Rückens  zwischen  St  Vigil 
und  Thalbach  bildend,  helle,  wenig  bituminöse  dolomitische  Kalke 
mit  Diploporen,  welche  bereits  dem  oberen  Muschelkalk  angehören 
und  eine  ziemlich  bedeutende  Mächtigkeit  erlangen,  aber  von  dem 
durch  Homsteinlinsen  charakterisirten  Dolomit  der  Buchensteiner 
Schichten  schwer  trennbar  sind.  Unter  dem  diploporenfiihrenden 
Dolomit  folgen  zunächst: 

aj  32  Meter  bituminöse,  kurzklüftige,  wolgeschichtete  Kalke, 

öj  4  Meter  dünngeschichteter,  bituminöser  Kalk  mit  weichen 
mergeligen  Zwischenlagen, 

cj  12  Meter  hellgrauer,  wolgeschichteter,  kurzklüftiger,  wenig 
bituminöser  Kalk.  In  der  unteren  Hälfte  viele  Calcitadem. 

dj  50  Centimeter  weicher,  grauer  Kalkmergel, 

ej  3  Meter  grauer,   wenig   bituminöser  Kalk   mit  Calcitadem, 

/J  5  Centimeter  glimmeriger  Mergel  mit  verkohlten  Pflanzen- 
spuren, 


Das  Gebirge  twischcn  Gader,  Rienz  und  Boita.  269 

g)  9  Meter  wolgeschichtete ,  graue  Kalke  mit  Calcitadem 
(ähnlich  e), 

h)  50  Centimeter  Mergel  mit  verkohlten  Fflanzenspuren, 
i)   15  Centimeter  dunkler  Kalk  mit  Calcitadem, 
k)  13  Meter  Mergel  mit  Kalkeinlageningen  und  glimmerreichen 
Partien  mit  Pflanzenresten, 

l)  3  Meter  grauer,  bituminöser  Kalk  mit  Calcitadem  und 
glimmerig-sandigen  Schichtflächen, 

m)  4  Meter  sandiger  Kalk,  stellenweise  durch  Einschluss 
kleiner   Geschiebe    conglomeratisch.     Crinoiden   und   Brachiopoden. 

nj  3  Meter  glimmerige,  kalkige  Mergel  mit  Pflanzenresten, 

oj  45  Meter  sandiger,  dunkler,  stellenweise  conglomeratartiger 
Kalk  mit  Brachiopoden  und  Crinoiden, 

/>J  23  Meter  dunkler,  splittriger  Kalk,  welcher  gegen  unten 
glimmerreiche  sandige  und  mergelige  Zwischenlagen  aufnimmt. 

Es  folgen  nun,  100  Meter  unter  dem  Dolomit  des  oberen  Muschel- 
kalks, weiche,  gtimmerreiche  Mergel  mit  verkohlten  Pflanzenresten, 
deren  untere  Grenze  durch  die  angehäuften  Schuttmassen  verdeckt 
ist  Wahrscheinlich  aus  diesen  Schichten  rührt  eine  auf  der  Halde 
gefundene  Platte,  die  neben  zahlreichen  kohligen  Pflanzenresten  eine 
RhynckoTtella  und  den  schattenhaften  Umriss  eines  Ammoniten  enthält. 

Es  wurde  nothwendig ,  das  Profil  an  einer  anderen  Stelle, 
etwas  weiter  östlich,  fortzusetzen. 

Der  Verlauf  der  Schichtlinien,  sowie  die  Folge  der  überlagern- 
den, in  einer  steilen  Wand  entblössten  Schichten  üess  die  Annahme 
als  gerechtfertigt  erscheinen,  dass 

qj  6  Meter  weiche,  mergelige  Gesteine  der  oben  verlassenen 
Stelle  entsprechen.    Es  folgen  sodann: 

r)  s  Meter  sandige,  theilweise  breccienartige  Kalke, 

sj  20  Centimeter  glimmerreicher  Mergel, 

tj  6  Meter  fester,  hellgrauer  Kalk, 

iij  40  Centimeter  glimmerreicher  Mergel, 

vj  10  Meter  fester,  sandiger  Kalk,  durch  eine  dünne  glimmer- 
reiche Mergellage  getheilt. 

Hiemit  ist  der  Abschluss  der  Wechsellagerung   feste-  ^''-"— 
und  weicher  Mergel   mit  Pflanzenresten   erreicht  und  es  fol 
die  rothen  dolomitischen  Mergel  und  Conglomerate. 

U'J  2  Meter  rother,  weicher  Mergel, 

xj  5  Meter  fester,  rother,  glimmerreicher  Mergel, 

yj  25  Centimeter  rothes  Kalk-Conglomerat, 

sj  so  Centimeter   glimmerreiche,    feste,    sandige   Mei 
Fflanzenresten, 


270  ^&s  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 

a^J  i  Meter  weiche,  glimmerige  Mergel, 

^V  25  Centimeter  Conglomerat, 

rV  80  Centimeter  weiche  Mergel  mit  Kohlenspuren, 

rfV  I  Meter  festes,  rothes  Conglomerat, 

e^J  23  Meter  rothe,  feste  Dolomitmergel,  stellenweise  mit  Kalk- 
knollen und  Conglomerat-Einlagerungen, 

/V  I  Meter  rothes  Conglomerat. 

Den  Schluss  der  Muschelkalk-Schichten  bilden  sodann 

^V  30  Meter  helle,  wolgeschichtete  dolomitische  Kalke. 

Bei  der  Armuth  an  Fossilresten  und  dem  Mangel  anderweitiger 
leitender  Anhaltspunkte  muss  es  fraglich  bleiben,  ob  wirklich  die 
ganze  Reihenfolge  dieses  Profils  dem  unteren  Muschelkalk  angehört. 
Die  obersten  Glieder  aj  bis  ej  zumal  könnten  nach  ihrer  Gesteins- 
BeschafTenheit  noch  recht  wol  dem  oberen  Muschelkalk  zufallen. 
—  Auf  losen,  im  St.  Vigiler  Walde  gesammelten  Stücken  von  weichen, 
mergeligen  Schieferplatten  liegen  mehrere  Exemplare  von  RJiyiuho- 
nella  tetractis  Lor,  vor.  Femer  enthalten  Breccienkalke  von  der 
gleichen  Stelle  Spiriferina  cf.  Käifeskalliensis  Siiess. 

Als  breites,  dunkles  Band  ziehen  diese  Schichten  längs  des 
Nordabfalles  der  Dolomitmauer  der  Hochalpe  hin,  ein  fremdartiges 
Element  in  der  Landschaft  bildend,  aber  bis  in  die  neueste  Zeit 
gänzlich  unbeachtet.  Erst  Loretz,  dem  man  eine  Reihe  werthvoller 
Beobachtungen  aus  unseren  östlichen  Gebietstheilen  verdankt,  lenkte 
die  Aufmerksamkeit  auf  dieselben  und  beschrieb  eine  Anzahl  neuer 
Fossilien,  welche  er  an  einigen  Stellen  der  Bragser  Gegenden  ent- 
deckt hatte*). 

An  der  Nordostecke  der  Hochalpe  bietet  der  vom  Rothkopfe 
über  den  Kühwiesenkopf  und  das  Burgstalleck  zum  Brunstriedel 
führende  Kamm  ein  vortreffliches,  vom  Phyllit  bis  in  den  Wengener 
Dolomit  reichendes  Profil  dar,  welches  im  Bereiche  des  Muschel- 
kalks einige  Abweichungen  von  dem  oben  mitgetheilten  Profil 
aufweist. 

Die  auffallendste  Erscheinung  ist  der  Dolomit  mit  Diplopora 
pauciforata  des  Kühwiesenkopfs.  Da  sonst  analoge  Gesteine  erst  im 
oberen  Muschelkalk  auflreten,  so  ist  es  leicht  begreiflich,  dass  man 
zunächst  auch  hier  an  oberen  Muschelkalk  denkt.  Dann  müssten 
aber  die  darüber  folgenden  Kalke  und  Mergel,  welche  eine  echte 
Muschelkalk-Fauna  fuhren,  den  Buchensteiner  Schichten  entsprechen 
und  der  untere  Muschelkalk  bliebe  ganz  aus.  Eine  solche  Annahme 
ist  aus  vielen  Gründen  unstatthaft  und  durch  die  Verhältnisse  auch 


*)  Zeitschr.  D.  Geol.  Ges.  1874,  pag.  377  ff.;  1875,  pag.  784  ff. 


Dm  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 


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272  Das  Gebirge  zwischen  Gader,  Rienz  und  Boita. 

gar  nicht  erfordert.  Die  nähere  Untersuchung  und  die  Vergleichung 
mit  dem  Profil  von  St.  Vigil  zeigt  zunächst,  dass  die  an  der  Basis 
des  Diploporen-Dolomits  am  Kühwiesenkopfe  vorkommenden  lichten 
dolomitischen  Kalke  ganz  und  gar  dem  Gliede  g^)  des  St.  Vigiler 
Profiles  entsprechen.  Bei  St.  Vigil  folgen  nun  die  rothen  Meißel 
und  Conglomerate.  Am  Kühwiesenkopfe  dagegen  erscheint  an  ihrer 
Stelle  der  Diploporen-Dolomit.  Dieser  Dolomit  hat  nur  eine  sehr 
geringe  Verbreitung  und  ist  augenscheinlich  nur  eine  locale,  be- 
sondere Facies  des  in  diesen  nördlichen  Gegenden  so  mächtig  ent- 
wickelten unteren  Muschelkalks.  Eine  nahezu  identische  Muschelkalk- 
Entwicklung  und  die  gleiche  Reihenfolge  heteropischer  Glieder 
haben  wir  bereits  im  Codalonga-Thal  bei  Caprile  kennen  gelernt. 
(Vgl.  S.  253.)  Allerdings  ist  dort  die  Mächtigkeit  im  Ganzen  wie  im 
Einzelnen  eine  sehr  bescheidene,  während  hier,  wahrscheinlich  unter 
dem  Einflüsse  mehr  Htoraler  Bedingungen,  die  einzelnen  Glieder  zu 
grosser  Mächtigkeit  anschwellen.  In  dieser  Beziehung  besteht  eine 
grosse  Analogie  mit  Recoaro,  wo  gleichfalls  bei  vorherrschend  lito- 
ralen  Einflüssen  eine  grosse  Manigfaltigkeit  der  Facies  und  eine 
auffallende,  grosse  Mächtigkeit  der  zahlreichen  Glieder  wiederkehrt. 

Der  über  dem  Diploporen-Dolomit  auftretende  Complex  von 
wechsellagemden  Mergelkalken,  dunklen,  in  knollige  Stücke  zer- 
fallenden Kalken,  sandigen  Kalken  und  schiefrigen  pflanzenfiihrenden 
Lagen  ist  die  Fortsetzung  der  oberen  Schichtenreihe  (beiläufig  v) 
bis  f)  des  St.  Vigiler  Profils.  Einschlüsse  von  Homsteinkugeln  und 
Nieren  mit  kalkigem  Kern,  sowie  derbe  Homsteinmassen  sind 
nicht  selten. 

Diese  Schichten  sind  reich  an  wolerhaltenen,  aus  den  Mergel- 
knollen und  Crinoidenkalken  heraus  witternden  thierischen  FoiSsilien. 
Ausser  Crinoiden  kommen  Gasteropoden  und  Pelecypoden,  vorzüg- 
lich aber  Brachiopoden  in  grossen  Mengen  vor. 

Cephalopoden  fehlen,  obwol  gewisse  Bänke  petrographisch  mit 
dem  cephalopodenfiihrenden  Gestein  von  Neubrags  und  Dont  völlig 
übereinstimmen. 

Die  folgende 'Liste  der  Fossilien  ist  nach  den  Angaben  von 
Loretz  und  nach  den  Aufsammlungen  von  Hoernes  und  mir  zu- 
sammengestellt. 

Entrochus  cf,  Encrinus  liliifonnis 
Lima  lineata  Schloth, 
Pecten  discites  Schloth.  sp. 

„      cf,  inaequistriatus  Goldf. 
Waldheimia  vidgaris  Schloth, 
„  angusta  Schloth. 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita.  273 

Rhynchanella  tetractis  Lar.^J 
Spiriferina  fragilis  Schloth.  sp, 
„         palaeotypus  Lor, 

Ueber  diesen  Gesteinen  folgen  Dolomite,  deren  Unterscheidung 
durch  gewisse  Einschlüsse  ermöglicht  wird.  Der  Kamm  liegt  näm- 
lich nahezu  an  der  heteropischen  Grenze  zwischen  der  Dolomit- 
und  der  Mergel-Entwicklung  der  Buchensteiner  und  der  unteren 
Wengener  Schichten  und  gestattet  nicht  nur  die  Streichungsrichtung 
der  Gesteine  der  Mergelfacies,  sondern  auch  das  Ineinandergreifen 
der  heteropischen  Glieder  und  das  Auftreten  der  die  heteropische 
Grenze  charakterisirenden  Gesteine  die  annähernde  Gliederung  und 
Deutung  des  Dolomits. 

Eine  nicht  sehr  mächtige  Abtheilung  geschichteten  gelben 
Dolomits,  welcher  an  der  Basis  viele  Homsteine  fuhrt,  betrachten 
wir  als  die  Fortsetzung  des  Dolomits  des  oberen  Muschelkalks  des 
St.  Vigiler  Profils.  Befremdend  erscheinen  hier  allerdings  die  Ein- 
schlüsse von  Homsteinen,  welche  sich  sonst  in  unserem  Gebiete  im 
oberen  Muschelkalk  nicht  finden.  Das  gleiche  Hesse  sich  aber  auch 
von  dem  unteren  Muschelkalk  sagen,  welcher  auch  nur  hier  Hom- 
stein-Einschlüsse  enthält.  Da  sich  eine  höhere  Abtheilung  des  Do- 
lomits durch  zwischengelagerte ,  etwas  dolomitische  Bänderkalke 
deutlich  als  Buchensteiner  Dolomit  zu  erkennen  gibt,  erhält  die  Deu- 
tung des  unteren  Dolomits  als  oberer  Muschelkalk  eine  weitere 
Stütze.  Es  wurde  übrigens  schon  wiederholt  darauf  hingewiesen, 
dass  in  den  Dolomitriffen  der  obere  Muschelkalk  und  die  Buchen- 
steiner Schichten  häufig  in  eine  nicht  weiter  trennbare  Dolomitbank 
zusammenschmelzen. 

In  der  Streichungsrichtung  des  Dolomits  mit  den  Bänderkalk- 
Einlagerungen  erscheinen  auf  dem  Gehänge  gegen  das  obere  Brag- 
ser-Thal  typische  Bänderkalke  mit  Pietra  verde. 

Zwischen  dem  Buchensteiner  Dolomit  und  der  Dolomit-Steil- 
wand der  Hochalpe  (Rothkopf)  zieht  ein  Streifen  weicherer,  dolo- 
mitischer Gesteine  hin,  welche  bereits  Loretz  mit  dolomitischen 
Cipitkalken  verglichen  hatte.  Leider  ist  die  unweit  auf  dem  Gehänge 
gegen  das  Bragser  Thal  befindliche  Grenze  gegen  die  Wengener 
Mergel  theils  verschüttet,  theils  verwachsen.  Aber  es  verdient  her- 
vorgehoben zu  werden,  dass  ein  ganz  unbefangener  Beobachter,  der 
die  Bedeutung  der  Cipiter  Riffsteine  nicht  kannte,  die  Aehnlichkeit 

*)  Unter  den  zahlreichen  mir  vorliegenden  Exemplaren  dieser  verbreiteten  und 
von  alteren  Autoren  manchmal  mit  Rtt\xa  trigonella  verwechselten  Form  nähern 
sich  einige  sehr  der  von  Böckh  aus  dem  unteren  Muschelkalk  des  Bakonyer 
Waldes  beschriebenen  Rhynchonella  altaplecta, 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  18 


274  ^^s  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

des   nahe   der  heteropischen  Grenze   vorkommenden  Dolomits   mit 
dem  Cipitkalk  betont  hatte. 

Was  die  tieferen  an  der  Nordseite  des  Hochalpen-Riffs  auf- 
tretenden Schichtcomplexe  betrifft,  so  muss  das  Fehlen  der  in  deil 
westlichen  und  südlichen  Districten  an  der  Basis  der  Bellerophon- 
Schichten  regelmässig  vorkommenden  Gypszone  constatirt  werden. 
Der  östlichste  Punkt,  wo  die  Gypse  noch  beobachtet  wurden,  ist 
das  Joch  zwischen  St.  Vigil  und  Piccolein.  Ganz  schwefelfrei  sind 
übrigens  trotzdem  die  Bellerophon-Schichten  dieser  nördlicheren 
Gegenden  nicht,  denn  die  schwefelhaltigen  Wasser  des  Bades  Berg- 
fall entspringen  den  Bellerophon-Kalken  und  werden  in  hölzernen 
Röhren  zu  dem  im  Phyllit  gelegenen  Badeorte  geleitet.  Die  dunklen 
bituminösen  Kalke  sind  allenhalben  sehr  reich  an  Durchschnitten 
von  Bellerophonten. 


4.  Das  Nordostgehänge  zwischen  Brags  und  Schluderbach. 

Wie  bereits  mitgetheilt  wurde,  stösst  östlich  an  das  Dolomit- 
riff der  Hochalpe  ein  Gebiet  heteropischer  Entwicklung.  Dieses  Ge- 
biet reicht  östlich  bis  an  den  Scheiderücken  zwischen  dem  Bragser 
und  dem  Höhlensteiner  Thal,  wo  wieder  eine  durchgreifend  dolo- 
mitische Entwicklung  beginnt,  die  über  Sexten  bis  nach  Auronzo 
reicht. 

Die  tektonischen  Verhältnisse  sind  im  Ganzen  sehr  einfach. 
Die  von  Dr.  Hoernes  durchgeführte  Aufnahme  zeigt  einige  unter 
geordnete,  durch  Querbrüche  veranlasste  Störungen  am  Nordfusse 
des  Hersteines  und  Daumkofels  und  eine  längere  zwischen  der  Do- 
lomitmasse des  Dürrensteins  und  der  Gebirgsgruppe  der  Croda  Rossa 
verlaufende  Verwerfung,  welche  wir  aus  der  Beschreibung  des  Herrn 
Dr.  Hoernes  kennen  lernen  werden.  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es 
ferner,  dass  eine  Verwerfung  den  Muschelkalk-Dolomit  des  Alwart- 
stein  von  dem  Muschelkalk-Dolomit  des  Lung-  und  Samkofels  trennt. 

Das  Höhlensteiner  Thal  scheint  ein  einfaches  Erosions-Quer- 
thal  zu  sein,  über  welches  die  Schichten  regelmässig  von  der  West- 
auf die  Ostseite  hinübersetzen. 

Die  permischen  und  untertriadischen  Schichten  am  Aussen- 
rande  des  Gebirges  bieten  in  ihrer  Zusammensetzung  keine  wesent- 
liche Verschiedenheit  gegenüber  dem  zuletzt  besprochenen  Abschnitt 
dar.  Zwischen  Altbrags  und  dem  Golserberg  entdeckte  Hoernes 
einen  reichen  Fundort  von  Fossilien  im  Bellerophon-Kalk. 


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Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita.  27 C 

Der  untere  Muschelkalk  ist  in  der  durch  Schutt  stark  über- 
rollten Scholle  bei  Neubrags  reich  an  Cephalopoden.  Das  Gestein 
und  die  Fauna  stimmen  vollständig  mit  den  Cephalopoden-Schichten 
von  Dont  überein.  Folgende  Formen  konnten  unterschieden  werden 

Trachyceras  Zoldianum  Mojs. 

binodosutn  Hau. 

Loretzi  Mojs, 

Bragsense  Lor. 

ptistericmn  Mojs. 

cf,  balatonicum  Mojs. 

Golsense  Mojs. 
Aegoceras  div.  sp.  indet. 
Orthoceras  sp.  indet. 
Pecten  discites  Schloth.  sp. 

Bei  Bad  Altbrags  lagern  nach  Hoernes  die  Schichten  des 
unteren  Muschelkalks  normal  zwischen  den  Werfener  Schichten  und 
dem  Dolomit  mit  Diplopora  pauciforata  und  ziehen  als  dessen 
Unterlage  auf  der  Nordseite  des  Alwartstein  und  Samkofels  fort, 
während  Loretz,  welcher  freilich  unseren  unteren  Muschelkalk  und 
die  Buchensteiner  Schichten  in  eine  Etage  zusammengefasst  hatte, 
angibt,  dass  der  Diploporen-Dolomit  auch  hier,  wie  auf  dem  Küh- 
wiesenkopfe,  die  tiefere  Lage  einnimmt.  Ohne  die  Möglichkeit  ab- 
läugnen  zu  wollen,  dass  eine  solche  tiefere  Dolomitlage  stellenweise 
vorhanden  ist,  scheint  mir  das  Profil  über  den  Samkofel  unzweifel- 
haft darzuthun,  dass  die  unteren  Muschelkalk-Schichten  vor  dem 
Samkofel,  in  denen  Loretz  den  Ptychites  Studeri  fand,  unter  dem 
von  echten  Buchensteiner  Schichten  mit  Pietra  verde  überlagerten 
Diploporen-Dolomit  des  Samkofels  lagern.  In  den  glimmerreichen, 
dunklen  Mergeln  bei  Altbrags  fand  Herr  Dr.  Hoernes  ausser  koh- 
ligen Pflanzenresten  zahlreiche  schattenhafte  Umrisse  von  unbestimm- 
baren Ammoniten.  Herr  Dr.  Loretz,  welcher  die  Güte  hatte,  seine 
Funde  mir  zur  Untersuchung  mitzutheilen,  fand  auf  dem  Badmeister- 
kofel (Golserberg)  in  dem  typischen  Cephalopoden-Gestein  des 
unteren  Muschelkalks 

Trachyceras  cf.   Ottonis  v.  Btich 

„  Golsense  Mojs. 

Terebratida  angusta  Schloth. 
Lima  lineata  Schloth. 

In  Verbindung  mit  den  mergeligen,  flimmemden  Kalken 
kommen  daselbst,  sowie  auf  der  Höhe  vor  dem  Samkofel  auch 
Homsteinkalke  vor.    An  letzterer  Stelle  fand  Herr  Loretz  in  dem 

i8* 


2^6  Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

Homsteinkalke  Ptychites  Siuderi  Hau,  und  in  dem  darunter  liegenden 
Mergel  Rhynchonella  toblachensis  Lor, 

Der  die  Stelle  des  oberen  Muschelkalks  einnehmende  Dolomit 
mit  Diplopora  pauciforata  weicht  durch  sein  äusseres  Ansehen,  ins- 
besondere seine  graue  bis  schwarze  und  grauweisse  Färbung  von 
dem  blendend  weissen  zuckerkörnigen  Muschelkalk-Dolomit  der 
westlichen  Gegenden  (Gröden  u.  s.  f.)  ab.  Am  Samkofel  ist  er  deut- 
lich geschichtet  und  so  mächtig,  dass  die  Vermuthung  nahe  liegt, 
derselbe  möchte  auch  noch  die  unteren  Buchensteiner  Schichten 
vertreten. 

Augitporphyrtuffe  fehlen  in  diesen  nördlichen  Districten  bereits 
gänzlich.  Auch  treten  in  den  Wengener  Schichten  die  Tuffsandsteine 
auffallend  zurück  und  es  überwiegen  mergelige  Gesteine.  Die  Unter- 
scheidung von  Wengener  und  Cassianer  Schichten  wird  bei  der  grossen 
Seltenheit  entscheidender  Fossilien  dadurch  häufig  sehr  schwierig. 
Typische  Daonellenschiefer  mit  Daonella  Lotnmeli  wurden  am  Fusse 
des  Hersteins  und  in  der  Einsattelung  zwischen  Lungkofel  und  Sam- 
kofel gefunden. 

Ueber  die  interessanten  Grenzverhältnisse  zwischen  den  hete- 
ropischen  Bildungen  der  Wengener  und  Cassianer  Schichten  in  der 
Gebirgsmasse  des  Dürrenstein  wird  der  Bericht  des  Herrn 
Dr.  Hoernes,  den  ich  hier  folgen  lasse,  Aufschluss  geben. 

,Die  grosse  Alpe,  welche  sich  südlich  vom  Samkofel  und 
Lungkofel  ausdehnt,  die  Sarl-Alpe^  wird  durch  die  Mergel  der  Wen- 
gener Schichten  gebildet.  Auf  der  Westseite  reichen  die  mergeligen 
Bildungen  abwärts  bis  zum  Thal  des  Bragser  Wildbaches,  wo  sie 
einen  förmlichen  Schlammstrom  bilden,  der  allerdings  theilweise 
wieder  bewaldet  ist  und  bis  zum  Bade  Altbrags,  also  bis  in  die 
Zone  des  Muschelkalkes  reicht.  Auf  der  Ostseite  der  Sarl-Alpe  hat 
die  dolomitische  Facies  bereits  vollständig  die  mergelige  verdrängt. 
Nur  der  Buchensteiner  Kalk  reicht  bis  zur  Rienz  hinab.  Ueber  ihm 
sieht  man  bis  Schluderbach  nur  dolomitische  Massen,  mit  Ausnahme 
eines  schwachen  Bandes  von  mergeligen  Schichten,  welches  in  der 
Gegend  des  Klausbaches  schief  von  der  Flodiger  Wiese  herabzieht 
und  unter  dem  Dürrenstein  endet. 

Das  Mergelplateau  der  Sarl-Alpe  stösst  nach  Süden  nicht  un- 
mittelbar an  die  Wände,  in  welchen  der  Cassianer  Dolomit  des 
Dürrenstein  aufsteigt;  es  wird  von  demselben  durch  einen  niedrigen 
Wall  getrennt,  der  vorwaltend  von  Riffkalk,  stellenweise  von  Dolo- 
mit gebildet  wird  und  hinter  welchem  sich  ein  schmaler  Zug  von 
Mergeln  befindet,  der  vielfach  von  Schutt  und  Blockwerk  verdeckt 
ist,  jedoch   längs   des   ganzen  Nordabfalls   des  Dürrenstein  verfolgt| 


Da«  Gebirge  zwischen  Gader,   Rieni  und  Boita. 


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Das  Gebirge  iwischen  Gader,   Rienz  und  Boira,  279 

■werden  kann.  Im  Walle  findet  mehrfach  ein  Auskeilen  des  Dolomits 
und  ein  Ersetzen  desselben  durch  Riffkalk  oder  festere  Mergel  statt 
—  nach  Osten  geht  überdies  die  gesammte  Masse  der  Mergel  der 
Sarl-AIpe  (von  deren  höchstem  Punkte,  einer  isolirten  Dolomitzunge, 
die  beiliegende  Skizze  aufgenommen  wurde),  wie  bereits  bemerkt, 
in  Dolomit  über.  Wie  überall  an  derartigen  Stellen  nimmt  man  in 
den  Uebergangsgebilden,  im  Rißkalk,  eine  Unmasse  von  Versteine- 
rungen, namentlich  Korallen,  wahr,  die  indessen  zumeist  schlecht 
auswittern,  in  Bruchflächen  aber  fast  gar  nicht  sichtbar  sind. 

Ein  Profil ,  welches  parallel  zu  dem  Profil  des  Samkofels 
(S.  277)  vom  Lungkofel  über  das  Plateau  der  Alpe  zum  Sarikofel 
und  Dürrenstein  geht,  gibt  die  Wengener  Schichten  fast  nur  aus 
Mergeln  entwickelt,  mit  Ausnahme  einer  isolirten  Dolomitpartie  auf 
der  Höhe  der  Alpe  und  der  kleinen  Kuppe  des  Sarikofels,  in 
welcher  der  Dolomitwall,  ganz  analog  dem  VorrifT  des  Sett  Sass 
(Richthofen-Riff)  oder  den  kleinen  Riffen  vor  dem  Sasso  di  Stria 
und  dem  Nuvolau  hervortritt.  Darüber  folgt  ein  schwaches  Band 
von  Meißeln  —  wol  bereits  Cassianer  Schichten  —  und  sodann  die 
Tafelmasse  des  Dürrenstein,  welche  den  Cassianer  Schichten  ange- 
hört und  unten  von  un  geschichtetem  Dolomit,  oben  wie  auf  dem 
Sett  Sass  und  Nuvolau  von  geschichteten  dolomitischen  Kalken 
gebildet  wird. 


Anilcht  de«  Sulkefeli,  vom 
(Nach   einer   Skiiie  von   Ru. 


f  Mergel;  WCi.  =  Wengener  RilTsleine  (Cipillwlkl;  U"B.  =  Wengener  Doromit; 
ck.  =  CiHianer  MerBel;  CD.  =  Caiiiiner  Dolomit. 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rieni  und  Boiti. 


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Das  Gebirge  zwischen  Gader,   Rienz  und  Boita.  28 1 

Auf  der  Westseite  des  Plateau's  des  Dürrenstein,  das  sich 
steil  gegen  dieselbe  senkt,  treten  sehr  eigenthümliche  Verhältnisse 
auf.  Das  Massiv  des  Dürrenstein  ist  vom  Dachsteinkalkstock  der 
Rothwand  durch  eine  von  Nordwest  nach  Südost  streichende  Ver- 
werfung getrennt,  die  jedoch  nicht  überall  die  gleiche  Sprunghöhe 
besitzt.  So  stösst  in  der  Gegend  der  Platzwiese  der  Dachsteinkalk 
der  Rothwand  mit  den  rothen  Raibler  Schichten  zusammen,  welche 
hier  in  der  Form  eines  Denudationsrestes  den  geschichteten  Dolo- 
miten des  Dürrenstein-Plateau's  aufgelagert  sind.  Im  Thale  des 
Wildbaches  gegen  Brags  sind  es  die  Riifkalke  und  Mergel  der 
Cassianer  Schichten^  die  unmittelbar  an  den  Dachsteinkalk  heran- 
treten, doch  sind  die  Gehänge  oft  stark  mit  Schutt  überdeckt, 
namentlich  auf  der  Westseite  des  Thaies,  so  dass  die  Verwerfungs- 
linie selbst  nicht  gut  zu  verfolgen  ist.  Im  Seeland-Thale,  welches 
von  den  Platzwiesen  gegen  Schluderbach  hinabzieht,  sind  die  Auf- 
schlüsse günstiger.  Deutlich  ist  hier  zu  erkennen,  dass  die  Verwer- 
fungslinie am  Anfange  des  Thaies  ziemlich  hoch  an  den  westlichen 
Gehängen  liegt  und  dann  der  Ostseite  des  Knappenfuss -Thaies 
folgt,  welches  in  Folge  dessen  ganz  im  Dachsteinkalk  eingerissen 
ist,  während  das  Seeland-Thal  vorwaltend  mergelige  Sedimente  der 
Cassianer  und  Wengener  Schichten  durchschneidet,  welche  unter 
den  Dolomit  des  Dürrenstein  eingreifen.  Ost-  und  Westseite  des 
Thaies  sind  grösstentheils  von  dolomitischen  Gesteinen  gebildet, 
während  der  Thalboden,  die  Seeland-Alpe,  bis  gegen  Schluderbach 
von  der  Mergelfacies  gebildet  wird,  in  welcher  es  nicht  leicht  ge- 
lingen wird,  eine  scharfe  Grenze  zwischen  Cassianer  und  Wengener 
Schichten  zu  ziehen.  Die  ungemein  fossilreichen  Mergel  sind  stellen- 
weise in  Gestalt  von  Schlamraströmen  über  die  Thalgehänge  herab- 
geflossen, so  dass  nicht  einmal  die  Fossilien  nach  Schichten  geson- 
dert werden  können  und  jeder  Anhaltspunkt  zur  Trennung  von 
Horizonten  fehlt.  Gut  ausgewitterte  Korallen  und  Schwämme  sind 
besonders  reichlich.  Die  tuffigen  Sandsteine  d^r  Wengener  Schichten 
mit  Pachycardia  rugosa,  welche  von  der  Seisser  Alpe  und  Falzarego- 
Strasse  bekannt  sind,  treten  auch  hier  auf  und  sind  reich  an  Korallen 
und  Pelecypoden.  Ausser  Corbis  cf.  Mellingi  traf  ich  noch  einen 
sehr  charakteristischen  Pema  ähnlichen  Mytilus,  sowie  die  schmale 
Solen  ähnliche  Gervillia  wieder,  die  so  zahlreich  an  der  Falzarego- 
Strasse  gefunden  werden.  Die  Gervillia  bildet  für  sich  allein  eine 
etwa  einen  Meter  mächtige  Bank.* 


282  I^ÄS  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

Wir   sind,   nachdem   wir   die   in   den   Randzonen   des  grossen 
Dachsteinkalk-Massivs   zu  Tag   tretenden   älteren  Bildungen  kennen 
gelernt  haben,  nunmehr  im  Stande,  uns  eine  klare  Vorstellung  über 
die  Ausdehnung   der  Riffmassen   in   dem   Gebiete   zwischen   Gader 
und  Rienz  zu  machen.  Zur  Zeit  der  Buchensteiner  Schichten  begann 
in  der  Gegend  der  Hochalpe  die  Bildung  eines  Riffs.  Dasselbe  griff 
gegen  Süden  etwas  über  die  heutigen  Grenzen  des  Hochalpenstockes 
hinaus  und   reichte   bis   zum  oberen  Wengener  Thal  (Buchensteiner 
Dolomit   der   mittleren,   hochliegenden   Scholle).     Das  ganze  übrige 
Gebiet  war  rifffrei.     Zur  Zeit  der  unteren  Wengener  Schichten   zog 
sich   das   Riff  der   Hochalpe,    analog   dem   Schiernriff,   auf  engere 
Grenzen  zurück.  Es  bildete  sich  offenbar  eine,  später  durch  die  Dach- 
steinkalk-Massen der  Krispes-  und  Senes-Alpe  verdeckte  Riffböschung. 
Gleichzeitig  ragte   im  Osten,   an   der  Rienz   zwischen  Landro   und 
Toblach,   ein   gegen   Westen   abgeböschtes   Riff,    welches,   wie   wir 
sehen  werden,   sich   weit   nach  Osten   und  Südosten   ausdehnte,   in 
unser  Gebiet  herüber.  Ira  ganzen  übrigen  Räume  wurden  nur  Tuffe, 
Sandsteine   und  Mergel   niedergeschlagen   und   an   zwei  Stellen,   an 
der  Gader  und   in  Brags  durchbrach   das  Mergelmeer  die  nördliche 
Riffzone.  Während  der  oberen  Wengener  Schichten  griff  das  Hoch- 
alpen-Riff westlich  über  seine  alten  Grenzen  in  das  Bragser  Mergel- 
gebiet über  und  ebenso  sandte  von  der  Rienz  her  das  östliche  grosse 
Riff  zungenförmige  Ausläufer  in  die  Bragser  Mergelsee.  Die  grösste 
Ausdehnung  aber  erlangten  die  Dolomitriffe  während  der  Bildungs- 
-periode  der  Cassianer  Schichten.     Im  Norden  griff  das  östliche  Riff 
über  den  Dürrenstein  und   wuchs  in  Brags  mit  dem  Hochalpen-Riff 
in  eine,  gegenwärtig  grossentheils  wieder  zerstörte  Masse  zusammen. 
Im  Süden   hatte   ein   ausgedehntes   südliches   Riff  (Marmolata-Riff) 
sich   mit    seiner  Nordspitze   (Lagatschoi)    bis    in    das    badiotische 
Mergelbecken  vorgeschoben.  Den  zwischen  diesen  Riffmassen  liegen- 
den Raum,   d.   i.   nahezu   das   ganze   vom   Dachsteinkalk   bedeckte 
Gebiet  müssen  wir  uns  aber  auch  zur  Zeit  der  Cassianer  Schichten 
rifffrei  denken. 


5.  Die  Hochfläche  des  Dachsteinkalks, 

Nicht  leicht  möchte  eine  andere  Gebirgsgruppe  der  Alpen  in 
ebenso  klarer,  leicht  begreiflicher  Weise  die  grossartigen  Wirkungen 
der  Erosion  uns  vor  Augen  fuhren,  als  das  Kalkhochgebirge  zwischen 
Gader,  Rienz  und  Boita.  Dies  gilt  namentlich  von  dem  im  Süden 
der   Villnösser  Bruchlinie   gelegenen   Theile,    welcher    im   grossen 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita.  283 

Ganzen  als  eine  ursprünglich  zusammenhängende,  gegen  Norden  ab- 
dachende Platte  aufzufassen  ist,  welche  durch  die  Wirkung  der  Erosion 
in  eine  Anzahl  hoher  paralleler  Kämme  mit  mächtigen  individuali- 
sirten  Gipfeln  aufgelöst  wurde.  Tiefe,  grossartige  Thalschluchten 
fuhren  in  das  Herz  der  Gebirgsmasse;  ja  stellenweise,  wie  in  dem 
wegen  der  Höhe  und  Kühnheit  seiner  Wände  sehenswerthen  Tra- 
vemanzes-Thal  ist  bereits  die  ganze  Mächtigkeit  des  Dachsteinkalks 
bis  an  den  oberen  Gebirgsrand  hinaus  durchsägt.  Zwischen  den 
Tofana-Gipfeln  und  der  Thalsohle  des  Travemanzes-Thal  liegt  ein 
Höhenabstand  von  über  1200  Meter  und  da  auf  der  Gipfelmasse 
noch  ein  Denudations-Relict  jurassischer  Bildungen  vorhanden  ist, 
während  im  Thale  die  Raibler  Schichten  blosgelegt  sind,  so  gewährt 
die  Tofana-Wand  ein  vollständiges  Profil  der  ganzen  Mächtigkeit 
des  Dachsteinkalks. 

Wie  ganz  anders  verhalten  sich  die  Plateaumassen  des  Dach- 
steinkalks in  unseren  nordöstlichen  Alpen  .^  Das  sind  rings  ge- 
schlossene, in  Steilwänden  aufstrebende  Stöcke  mit  treppenartigen 
Stufen  und  nur  massig  über  die  mittlere  Plateauhöhe  sich  erheben- 
den Gipfeln.  Nirgends  dringt  eine  grössere  Erosionsrinne  in  das 
Innere  der  Massen.  Aber  an  ihrem  Fusse  treten  allenthalben  mäch- 
tige Quellen  zu  Tage;  das  Wasser  wirkt  unsichtbar  unterhalb  der 
todesstarren  Felsmassen  und  befördert  durch  Unterwaschung  die 
Bildung  der  häufig  thalähnlich  verlaufenden  grossartigen  Einstürze. 
Die  subaerische  Denudation  ist  beschränkt  auf  die  Wirkungen  der 
atmosphärischen  Einflüsse,  welche  wegen  ihrer  gleichmässigen,  über 
die  ganze  Oberfläche  verbreiteten  Thätigkeit  mehr  nivellirend  als 
ciselirend  schaffen. 

Besser  als  in  der  Südhälfte  hat  sich  der  Plateau-Charakter  in 
der  nördlichen  Hälfte  des  Gebirges  zwischen  dem  Rauh-Thale  und 
dem  Bragser  Gebiet  erhalten.  Wie  auf  den  nordalpinen  Plateaux 
treten  auch  hier  dolinenartige  Versenkungen  und  Karrenfelder  auf. 
Die  Flächen  wogen  wellig  auf  und  ab,  gleich  einem  ,  steinernen 
Meere*.  Plötzlich  öffnet  sich  eine  tiefe  Schlucht  mit  senkrecht  ab- 
fallenden Wänden,  ein  versunkenes  Plateau-Stück,  und  um  den 
nahen  jenseitigen  Spaltenrand  zu  erreichen,  muss  man  mühsam  auf 
Umwegen  sich  einen  Pfad  über  die  Steilwand  in  die  Tiefe  suchen, 
um  auf  ähnliche  Weise  wieder  mühsam  die  jenseitige  Höhe  zu  ge- 
winnen. Die  wilde  Gipfelbildung  des  Südens  wiederholt  sich  nur  in 
dem  prächtigen  Stocke  der  Croda  Rossa. 

Herr  Dr.  Hoernes,  welcher  die  Aufnahme  dieses  Hoch- 
gebirges durchführte,  gibt  die  nachstehende  Schilderung  des  Dach- 
steinkalks. 


284  ^^^  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

yAn  seiner  Basis  besteht  er  aus  schwach  dolomitischen  Kal- 
ken, in  seiner  grössten  Mächtigkeit  aus  ziemlich  reinem,  röthlichem 
Kalkstein  und  nur  in  seinen  obersten  Lagen  unmittelbar  unter  den 
grauen  Liaskalken  aus  stärker  dolomitischem  Gestein.  Häufig  finden 
sich  die  Querschnitte  und  Hohlräume  der  Dachstein-Bivalven.  Im 
Travernanzes-Thal  enthält  der  röthliche  Kalk  in  grosser  Anzahl 
leicht  auszulösende  Schalen-Exemplare.  Der  Fundort  befindet  sich 
etwa  20  Minuten  weit  südlich  und  thalaufwärts  von  jener  Stelle,  an 
welcher  das  Travernanzes-Thal,  welches  zwischen  Tofana  und  Vallon 
blanc  einen  fast  ostwestlichen  Verlauf  besitzt,  nahezu  unter  einem 
rechten  Winkel  nach  Süd  sich  wendet.  Der  Thalboden  ist  mit 
Blöcken  bedeckt,  welche  von  den  Wänden  der  Tofana  stammen 
und  fast  insgesammt  mit  Megalodonten  erfüllt  sind.  Durch  Sprengen 
mit  Dynamit  gelang  es,  ein  reiches  Material  derselben  zu  gewinnen- 
Es  sind  zwei  durch  Uebergänge  verbundene  Formen  aus  der  Gruppe 
des  Megalocbis  gryphoides,  Meg.  Tofanae  Hoem.  und  Meg,  Datnesi 
Hoem,  Ihr  Lager  sind  die  unteren  Bänke  des  Dachsteinkalkes, 
nicht  weit  über  den  Raibler  Schichten.  Das  weisse  röthliche  Gestein 
ist  lagenweise  von  einer  eigenthümlichen  Breccie  mit  dunklen  Ge- 
steinsfragmenten durchzogen.  Die  Megalodonten  finden  sich  in  den 
hellen  Zwischenlagen,  etwa  in  folgender  Weise: 


a  =  Heller,  röthiicher  Kalk  mit  Megalodonten;   h  =  Breccie  mit  dunklen  Gesteinsfragmenten. 

Aus  einer  höheren  Partie  des  Dachsteinkalks  vom  Piz  Lava- 
rella  bei  St.  Cassian  stammt  eine  ungemein  grosse  und  dickschalige 
Form  der  gleichen  Formenreihe,  Meg.  Mojsväri  Hoem.^).  Von 
anderen  Versteinerungen  wurde  nur  der  Hohldruck  einer  Chemmtzia 
im  Megalodontenkalk  des  Travemanzes-Thales  und  ein  kleines 
Exemplar  des  Turbo  solitarius  Bat,  im  Aufstieg  von  Val  di  Rudo 
zur  Alpe  Födara  Vedla  gefunden.* 


*)  Verh.  Geol.  R.-A.  1876,  pag.  46. 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita.  285 

Ohne  scharfe  Begrenzung  entwickelt  sich  aus  dem  System  des 
Dachsteinkalks   gegen   oben   ein   Complex    von   dünngeschichteten, 
grauen,  manchmal  auch  röthlichen  Kalken,  welchen  wir  wegen  seiner 
Lagerung   und   seiner  petrographischen  Aehnlichkeit  mit  den  soge- 
nannten   , grauen  Kalken   von  Südtirol*    zum  Lias   gezogen  haben. 
Fossilien    sind   zwar   ziemlich   häufig,   doch   gelang   es   nicht,    ent- 
scheidende  Formen  zu  finden.    Ausser  Durchschnitten  von  Megalo- 
donten  (Meg.  pumilus)   und  Mytilus   und  Modiola  ähnlichen  Formen 
fanden   sich   noch   die   späthigen   Reste    von   Lithiotis  problematica 
.Gümb.    Ueber  diesen  grauen  Kalken  folgt  eine  nicht  sehr  mächtige 
Ablagerung  von  röthlichem,    manchmal  weissen  Crinoidenkalk,   wel- 
chem   stellenweise    schmale   Zonen    rothen    feinkörnigen    Marmors 
(Gran    Camploratsch   in   Klein-Fanis)   eingeschaltet   sind,   und   diese 
wird  von  rothen,   homsteinfiihrenden  Knollenkalken  mit  zahlreichen 
Ammoniten  überlagert.    Herrn  Dr.  Hoernes   gelang  es  nicht,    bei 
der    beschränkten   Aufnahmszeit ,    im    Crinoidenkalk    entscheidende 
Fossilien  zu  finden.  Dagegen  lieferten  die  rothen  Knollenkalke  zahl- 
reiche Ammoniten,  aus  welchen  die  Uebereinstimmung  dieser  Schich- 
ten mit  den   rothen,   oberjurassischen  Ammonitenkalken  von  Trient 
und  Rovereto  unzweifelhaft  hervorging.    Wir  nahmen  daher  für  die 
hiesige  Gegend  die  Uebereinstimmung  der  Jura-Entwicklung  mit  dem 
durch  Ben  ecke's  und  Zittel's  Arbeiten   bekannt  gewordenen  Süd- 
tiroler Jura  an,    dachten    uns  den  Crinoidenkalk   als  Repräsentanten 
des  Dogger  und  entschieden  uns  dafür,  den  Crinoidenkalk  und  den 
rothen  Ammonitenkalk  unter  der  Bezeichnung  ,>  mittlerer  und  oberer 
Jura*  zusammenzufassen. 

Seit  der  Beendigung  unserer  Aufnahme  wurden  durch  die  Cassianer 

m 

Fossilsammler  vom  Monte  Varella  in  Gross-Fanis  und  von  anderen 
Stellen  in  Klein-Fanis  und  im  Quellgebiete  der  Boita  grössere  Suiten 
von  Fossilien  versendet,  welche  die  Vertretung  einer  ziemlich  grossen 
Anzahl  von  Jura-Horizonten  nachweisen.  Von  besonderem  Interesse 
sind  mittel-  und  oberliasische  Fossilien,  welche  an  die  Wiener  Uni- 
versitäts-Sammlung gelangt  sind.  Ueber  die  ersteren  hat  mein  hoch- 
verehrter Freund  Prof.  Neumayr  eine  kurze  Notiz  veröffentlicht, 
in  welcher  er  aus  einem  weissen  Crinoidenkalk  eine  grössere  Anzahl 
mittelliasischer  Brachiopoden  anführt*).     Es  sind  dies: 

Terebratula  Aspasia  Men. 

Taramellii  Gem. 
„  Piccininit  ZU. 

rudis  Gem. 


*)  Verh.  Geol.  R.-A.  1877,  pag.  177. 


ff 


Jf 


286  ^&s  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

Waldheimia  securiformis  Gem. 
R/iytichottella  Briseis  Gem. 

flabellum   Gem. 

cf.  Meiughinii  Zitt. 

Der  obere  Lias  ist  durch  je  ein  Exemplar  von  Harpoceras 
discoides  Ziet.  und  Hamatoceras  Msigiie  Schübl.  in  rothem  Marmor 
repräsentirt.  Es  wäre  nun  von  Wichtigkeit,  durch  Untersuchungen 
an  Ort  und  Stelle  zu  entscheiden,  wie  sich  das  Lager  dieser  Fossi- 
lien zu  den  grauen  Kalken  und  zu  den  unter  dem  oberjurassischen 
Ammonitenkalk  liegenden  Crinoidenkalken  verhält.  In  letzteren  ist, 
wie  das  Vorkommen  von 

Posidonomya  alpina 
RJiynchonella  coarctata  Opp. 

Atta   Opp. 

beweist,  der  Horizont  der  Klaus-Schichten  jedenfalls  vertreten.  Es 
fragt  sich  daher,  ob  der  untere  Theil  dieser  Crinoidenkalke  etwa 
noch  liasisch  sei,  in  welchem  Falle  die  hiesigen  grauen  Kalke  dem 
unteren  und  vielleicht  theilweise  auch  noch  dem  mittleren  Lias  unter 
der  Voraussetzung  zuzurechnen  wären,  dass  die  in  Gesellschaft  der 
Terebrahda  Aspasia  auftretenden  Brachiopoden  wirklich  nur,  was 
man  nicht  weiss,  auf  den  mittleren  Lias  beschränkt  wären.  Eine 
brachiopodenfiihrende  Crinoidenkalk-Facies  des  oberen  Lias  ist  näm- 
lich bisher  noch  unbekannt  und  die  Möglichkeit,  dass  dieselbe  sich 
wenig  oder  gar  nicht  von  der  mittelliasischen  unterscheide,  muss 
bis  auf  Weiteres  immer  im  Auge  behalten  werden. 

Es  kann  aber  auch  sein,  dass  der  liasische  Crinoidenkalk  und 
der  Marmor  mit  Harpoceras  discoides  den  grauen  Kalken  eingelagert 
sind.  In  diesem  Falle  wäre  das  Verhältniss  ganz  analog  der  von 
Hoernes  in  den  grauen  Kalken  bei  Longarone  beobachteten  Ein- 
schaltung mittelliasischer  Ammonitenkalke. 

Die  rothen  oberjurassischen  Ammonitenkalke  enthalten  allent- 
halben die  Faunen  der  Acanthicum-Schichten  und  des  Tithon.  Viel- 
leicht ist  stellenweise  auch  die  Zone  des  Peltoceras  transversarium 
vertreten,  worauf  ein  von  Fanis  vorliegendes  Exemplar  von  Aspi- 
doceras  Oegir  hinweist. 

Ich  verdanke  meinem  hochverehrten  Freunde,  Prof.  Zittel, 
eine  Liste  der  in  den  Acanthicum-Schichten  des  Monte  Varella  in 
Gross-Fanis  vorkommenden  Fossilien,  nach  Bestimmungen  des  Herrn 
V.  Sutner  im  palaeontologischen  Museum  zu  München.  Das  Gestein 
ist  ein  dunkelrother,   marmorähnlicher  Kalk,    vollkommen   dem  von 


ff 


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Jf 


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fr 


ff 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita.  287 

Rovereto  entsprechend.  Die  Schale  der  Ammoniten  hat  sich  ent- 
weder ganz  oder  doch  theilweise  erhalten,  so  dass  die  Bestimmun- 
gen mit  Sicherheit  vorgenommen  werden  konnten. 

Lytoceras  montanum   Opp.  sp. 
Phylloceras  ntediterrmieimi  Neum. 

cfr.  ptychostonta  Ben. 
Beftacense  Cat.  sp. 
isotypwn  Ben.  sp. 
Oppelia  Holbemi  Opp.  sp. 
compsa   Opp.  sp. 
Strombecki  Opp.  sp. 
Perisphinctes  acer  Nennt. 

cfr.  Championetti  Font, 
cfr,  progeron  Neum. 
Aspidoceras  longispumm  Sow.  [Ncnm.) 

acanthicum   Opp. 
Haynaldi  Herb., 
sesquinodosum  Font. 
Uklandi  Opp.  sp. 
liparum   Opp.  sp. 
„  cyclotiim   Opp.  sp. 

Simoceras  Agrigentinnm   Gem. 

Die  Steinbrüche  von  La  Stuva  bei  Peutelstein  sind  schon  seit 
längerer  Zeit  als  ein  Fundort  tithonischer  Fossilien  bekannt.  Der 
Erhaltungszustand  lässt  viel  zu  wünschen  übrig.  Loretz  und 
Hoernes  erwähnen  folgende  Formen: 

Terebratula  diphya  Col.  sp. 

„  triangidus  Lam. 

Belemnites  cf  semihastatus  Mimst. 
Lytoceras  montannm   Opp. 
Phylloceras  ptychoicum   Quetist. 

„  ptychostomum  Ben, 

Haploceras  Stazyczü  Zsch. 
Perisphinctes  rectefurcatus  Zitt. 

„  cf  cohäfrifius 

Simoceras   Volatiefise  Opp.  sp. 

Bei  dem  grossen  Reichthum  an  Fossilien  wird  eine  länger 
fortgesetzte  systematische  Ausbeutung  der  rothen  Knollenkalke  die 
obigen  Listen  ohne  Zweifel  bedeutend  vermehren. 

Unter  den  Aufsammlungen  der  Cassianer  Sammler  findet  sich 
von  Gross-Fanis  in  einem  hellen  Kalke  eine  der  Terebratula  Bilimeki 


2S8  I^^  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 

Suess  nahe  stehende  Form  in  zahlreichen  Exemplaren.  Ein  ähnlicher 
lichter  Kalk  kommt  bei  La  Stuva  über  dem  Diphya-Kalk  vor.  Ich 
fand  in  demselben  ein  grosses  Exemplar  von  Lytoceras  montanum. 
Ueber  den  jurassischen  Bildungen  folgen  vollkommen  concor- 
dant  die  grauen,  an  der  Basis  manchmal  rothen  Neocom-Mergel, 
meistens  reich  an  Cephalopodenresten.  Unterhalb  der  Alphütte  von 
Klein-Fanis  fanden  wir  nachstehende,  von  Herrn  Dr.  Hoernes  be- 
stimmte Fossilien: 

Lytoceras  subfimbriatum   Orb.  sp. 
Pkylloceras  Rouyanum   Orb.  sp. 
semistriatum   Orb.  sp. 
Morellianum   Orb.  sp. 
Olcostephanus  cf.  Heeri  Dost.  sp. 
Aptyc/ms  limaius  Peters. 
Bei  La  Stuva: 

Pkylloceras  Rouyanum   Orb. 
Haploceras  Nisus  Orb. 
Baculites  neocomiensis   Orb. 
Im  Antruilies-Thal    stehen    die  Neocom-Mergel   nach    oben  im 
Zusammenhange   mit   quarzreichen   Sandsteinen,    aus   welchen   sich 
allmählich  Conglomerate  entwickeln.  Dieselben  wurden  auf  der  Karte 
mit  der  Farbe  der  oberen  Kreide   bezeichnet.     Herr  Dr.  Hoernes, 
welcher  dieses  Vorkommen  untersuchte,   ist   der  Ansicht,    dass   mit 
demselben  ein  unter  eigenthümlichen  Verhältnissen  am  Col  Becchei 
an  der  Villnösser  Bruchlinie  auftretendes,   von  uns  beiden  beobach- 
tetes Conglomerat  zu  identlBciren  sei. 


Du  VorkoDunai  d«  Kretde-CimElaraenta  an  der  VUlntiuer  Brachliolc. 

a  =  Dachslcinkalki  b  =  Li»;  c  ■=  Kreidc-Congloment;  i  =  Gehlngichull. 


Das  deutlich  geschichtete,  etwa  70  Meter  starke  Conglomerat 
besteht  aus  vollkommen  geglätteten  Gerollen  von  verschiedenen 
Kalksteinen  der  Umgebung,  worunter  auch  rother  Jurakalk,  und  von 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boita. 


289 


weissem  Quarz.  Die  Quarzgerölle  sind  im  anstehenden  Gestein  nicht 
häufig.  Aber  lose  findet  man  deren  sehr  viele  im  Humus,  der  das 
Gehänge  überkleidet,  und  zwar  die  meisten  mitten  entzwei  ge- 
brochen. Sie  erreichen  die  Grösse  einer  Männerfaust  und  erinnern 
sehr  an  die  sogenannten  Augensteine  des  Dachstein,  welche  von 
Suess*)  beschrieben  worden  sind.  Den  Cement  des  Conglomerates 
bildet  ein  an  vielen  Stellen  schaliger  Kalk,  welcher  den  Eindruck 
eines  Quellen-Absatzes  macht.  Auch  Brauneisenstein-Knollen  finden 
sich,  wie  auf  dem  Dachstein.  —  Die  Sandsteine  und  Conglomerate 
von  AntruiUes  finden  sich  unter  ganz  übereinstimmenden  tektonischen 
Verhältnissen  ebenfalls  an  der  Villnösser  Bruchlinie  auf  einer  tief 
eingesunkenen,  allseitig  isolirten  Scholle. 


II  Taii 


Antruillcs 


Lavinores 


Der  Einstun  von  Antruille«. 

a  =  Dachsteinkalk;  b  =  Lias;  e  =  Neocom-Mergel ;  d  =  Kreide-Sandstein;  e=  Kreide- 

Conglomerat. 


Ein  Umstand,  welcher  die  Verfolgung  der  Jurakalke  ausser- 
ordentlich erleichtert,  ist  die  auffallende  physiognomische  Ver- 
schiedenheit derselben  gegenüber  dem  Dachsteinkalk.  Die  Jura- 
kalke sind  dünn  geschichtet,  ihre  Schichtenköpfe  abgerundet  und 
häufig  unterhöhlt.  Das  sonderbarste  aber  ist,  dass,  während  der 
unterlagemde  Dachsteinkalk  stets  regelmässig  eben  einfallende 
Schichten  besitzt,  die  Jurakalke  ganz  selbstständige  Schichten- 
biegungen und  Schichtenfaltungen  zeigen.  Man  möchte  glauben, 
dass  der  Jura-  über  den  Dachsteinkalk,  hinweggeschoben  worden 
sei.  Die  Erscheinung,  dass  Schichten  von  grösserem  Thongehalt 
sich  in  Folge  der  eigenen  Schwere  fälteln,  ist  aber  viel  zu  allgemein, 
um  eine  aussergewöhnliche  dynamische  Einwirkung  in  diesem  Falle 
nothwendig  erscheinen  zu  lassen. 

Die  aus  Dachsteinkalk  bestehenden  Berge  sind  an  ihren 
scharfkantigen  Formen  und  an  der  röthlich  gelben  Färbung  schon 
von  ferne  leicht  erkenntlich. 


*)  Sitz.-Berichte,  Wien.  Akad.  1860,  pag.  428. 
Mojsisovics,  Dolomitrific. 


:o 


i  Gebirge  zwischen  Gader,   Rienz  und  [ 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,   Rienz  und  Boita.  29 1 

Die  Karte  lehrt,  dass  die  jurassisch-cretaceischen  Bildungen  nur 
in  isolirten  Denudationsresten  vorkommen.  Zur  Conservirung  der 
grösseren  zusammenhängenden  Partien  von  Fanis  und  von  Val 
Salata  hat  viel  die  Versenkung  an  den  Bruchlinien  beigetragen, 
in  Folge  welcher  diese  Partien  in  eine  tiefere  Niveaulinie,  als  die 
angrenzenden  Dachsteinkalkmassen  geriethen.  Durch  ihre  Lage 
von  Interesse  ist  die  von  Herrn  Dr.  H  o  e  r  n  e  s  auf  den  nördlichen 
Tofana-Gipfeln  entdeckte  Denudationsscholle,  welche  uns  veranlasst 
hatte,  alle  höheren  Dachsteinkalk-Gipfel  der  Umgebung  von  Ampezzo 
zu  ersteigen,  um  allfallige  Jura-Reste  nachzuweisen. 

Ein  ähnlicher,  durch  seine  Schichtenfaltelung  interessanter 
Rest  findet  sich  auf  dem  Vallon  Bianco. 

Es  erübrigt  uns  nunmehr,  auf  die  bereits  mehrfach  erwähnten 
Verwerfungslinien  zurückzukommen. 

• 

Die  Villnösser  Bruchlinie,  welche  wir  bereits  durch  das  Thal 
von  Wengen  bis  zu  den  Steilwänden  des  Dachsteinkalkes  verfolgt 
haben,  setzt  zunächst  durch  das  schutterfiillte  Hochthal  zwischen 
Parei  di  Fanis  und  Eisengabelspitze  auf  das  Joch  von  St.  Anton, 
auf  welcher  Strecke  im  Süden  östlich  einfallender,  im  Norden 
schwebender,  oder  sanft  nördlich  abdachender,  durch  kleinere 
Parallel- Verwerfungen  mehrfach  abgestufter  Dachsteinkalk  herrscht. 
Der  Südflügel  ist  der  gesunkene,  wie  sich  aus  der  Auflagerung 
der  jurassisch-cretaceischen  Bildungen  von  Klein-Fanis  ergibt.  Der 
Bruch  wendet  sich  nun  südöstlich  und  ist  durch  die  Contactlinie 
zwischen  den  oberjurassischen  Kalken  und  dem  Dachsteinkalk 
bezeichnet.  Er  übersetzt  sodann  die  Wasserscheide  zwischen  Gross- 
und Klein-Fanis,  zieht  am  Südgehänge  des  Kammes  von  ColBecchei 
in  östlicher  Richtung  fort,  begrenzt  die  südliche  Thalwand  von 
Antruilles  und  trennt  die  LiasschoUe  von  Som  Pauses  vom  Dach- 
steinkalk des  Monte  Cadini. 

Eine  secundäre  parallele  Verwerfung  scheidet  den  flach 
gelagerten  Dachsteinkalk  der  Croda  d' Antruilles  von  der  steiler 
gegen  Norden  einschiessenden  Masse  von  Lavinores,  begrenzt  die 
Nordseite  der  tief  versunkenen  Scholle  von  Antruilles  und  vereinigt 
sich  sodann  bei  Som  Pauses  mit  der  Villnösser  Bruchlinie. 

Eine  länger  andauernde,  noch  weiter  nördlich  gelegene  Ver- 
werfung, welche  ebenfalls  das  Absinken  des  Südflügels  zur  Folge 
hat,  reicht  aus  Val  Salata  auf  das  Südgehänge  der  Croda  Rossa, 
wo  sie  eine  Schleppung  und  Faltung  des  gesunkenen  Südflügels  am 
Col   Freddo   veranlasst.     Die  Contactlinie   zwischen   den  jurassisch- 

19* 


Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boica. 


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063  Mcler      " 


mii-Bich 
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Das  Gebirge  zwischen  Gader,    Rienz  und  Boiia.  293 

cretaceischen  Bildungen  und  dem  auf  der  Nordseite  ansteigenden 
Dachsteinkalk  bezeichnet  ihren  Verlauf,  dessen  Parallelismus  mit 
dem  entsprechenden  Stücke  der  ViilnÖsser  Bruchlinie  in  der  Karte 
klar  hervortritt. 


C-RIrmieeZuMinineDf*]tUD[  der  Schiebten  an  der  VerwvrftiQC  auf  der  SOdmdte  der  Crada  Roiia. 

n  =  DachtteinkBik;    i  =  Lias. 

Eine  Thatsache  von  tektonischem  Interesse  verdient  schon 
hier  betont  zu  werden.  Westlich  vom  Wengener  Thal  ist  an  der 
Viihiösser  Bruchlinie  regelmässig  der  Nordflügel  versenkt,  östlich 
dagegen  der  Südflügel. 


X.  CAPITEL. 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,   Drau,   Boita  und 

Piave. 

Der  Gebirgsstock  des  Monte  Cristallo.  -  Das  Sextener  Dolomitriff.  -  Mesurina.  -  Drei  Zinnen.  - 

Sorapiss,  Anteiao,  Marmarolc. 

« 

I.  Der  Gebirgsstock  des  Monte  Cristallo. 

Der  rings  isolirte,  zu  bedeutender  Höhe  (3231  Meter)  auf- 
strebende Gebirgsstock  zerfällt  in  tektonischer  Beziehung  in  zwei, 
durch  die  Fortsetzung  der  Villnösser  Bruchlinie  getrennte  Schollen 
von  ungleicher  Ausdehnung. 

Wir  haben  im  letzten  Abschnitt  die  Villnösser  Bruchlinie  ver- 
folgt bis  in  die  Gegend  von  Som  Pauses,  wo  dieselbe  unterhalb 
des  Monte  Cadini  die  Ampezzaner  Strasse  zwischen  Peutelstein  und 
Ospitale  erreicht.  Von  da  setzt  dieselbe  durch  das  Val  grande  über 
das  Joch  Padeon  auf  die  Südseite  des  Monte  Cristallo,  in  welcher 
Gegend  eine  Zersplitterung  und  ein  Abspringen  derselben  nach 
Süden  eintritt.  Der  südliche  Flügel,  der  schöne  Felskamm  des  Monte 
Pomagagnon,  ist  der  gesunkene  Theil.  Es  ist  dasselbe  Verhältniss  wie 
im  Faniser  Hochgebirge. 

In  stratigraphischer  und  chorologischer  Hinsicht  bilden  diese 
beiden  Schollen  eine  Einheit  und  gehören  dem  grossen  Tuflfsand- 
stein-  und  Mergelgebiet  der  Wengener  und  Cassianer  Schichten  an, 
welches  aus  dem  Badiotenland  unterhalb  der  Dachsteinkalkmassen 
der  Faniser  und  Tofana-Gruppe  hindurch  bis  an  das  grosse  Rand- 
riflf  von  Sexten-Auronzo  reicht.  Wie  am  Südgehänge  der  Tofana 
und  am  Nordgehänge  der  Sorapiss  findet  sich  unterhalb  der  Raibler 
Schichten  als  Vertretung  der  oberen  Cassianer  Schichten  eine 
schmale  Dolomitbank.  Die  unteren  Cassianer  und  die  Wengener 
Schichten,  welche  das  tiefste  entblösste  Schichtsystem  bilden,  sind  frei 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave.  295 

von  Dolomitriffen  bis  auf  eine  kleine  Dolomitspitze  in  den  Wengener 
Schichten  von  Val  buona,  welche  als  ein  westlicher  Ausläufer  des 
grossen  Sextener  Riffes  zu  betrachten  ist 

Die  Gegend  zwischen  Ampezzo  und  dem  Joche  Tre  Croci 
fallt  mit  einem  Luftsattel  zusammen,  dessen  nördlicher  Schenkel 
der  Pomagagnon  und  dessen  Südflügel  die  Sorapiss-Gruppe  ist  Die 
Falzarego- Verwerfung  setzt  östlich  nicht  über  die  Boita,  sondern 
wendet  sich,  wie  bereits  angedeutet  wurde,  an  der  Ostseite  der 
Creppa  südlich,  um  dem  Laufe  der  Boita  zu  folgen.  Tofana  und 
Pomagagnon  scheinen  zusammengehörige,  blos  durch  Erosion  ge- 
trennte Massen  zu  sein. 

Die  Thalgehänge  bei  Ampezzo  bestehen  aus  Wengener  Sand- 
steinen und  Mergeln,  welche  grosse,  gegenwärtig  meist  überwachsene 
Schlammströme  erzeugten,  deren  Fuss  von  der  Boita  benagt  und 
unterwühlt  wird.  Die  Beweglichkeit  der  Schlammstrom-Gebiete  ist 
deutlich  wahrnehmbar.  Cortina  selbst  liegt  auf  einem  alten,  momentan 
stille  stehenden  Schlammstrom,  dessen  Fuss  möglichst  gegen  die 
Angriffe  der  Boita  und  dessen  höhere  Theile  gegen  weitere  Nach- 
schübe von  oben  zu  schützen  eine  Existenzfrage  für  die  Bewohner 
von  Cortina  bildet 

Kalkreichere,  oolithische  Bänke  der  Wengener  Schichten  ent- 
halten nicht  selten  Fossilien,  darunter  auch  Daonella  Lommeli. 

Die  unterhalb  der  Cassianer  Dolomitbank  am  Fusse  der  Ge- 
birgssteilwände  durchziehenden  Cassianer  Mergel  haben  Daonella 
Richthof eni  und  Cassianellen  geliefert. 

Die  Hauptmasse  des  Cristallo-Stocks  besteht  aus  Dachstein- 
kalk. Jurassische  Bildungen  scheinen  nirgends  mehr  vorhanden  zu 
sein.  Herr  Dr.  Ed.  Reyer  fand  auf  dem  Gipfel  des  Cristallo  die 
weissen,  dolomitischen  Gesteine,  welche  für  die  obersten  Bänke  des 
Dachsteinkalks  in  der  hiesigen  Gegend  bezeichnend  sind. 

Die  Verhältnisse  an  der  Villnösser  Bruchlinie  zwischen  der 
Cristallo-  und  der  Pomagagnon-SchoUe  gehen  aus  unserer  Karte  — 
Herr  Dr.  Hoernes  führte  die  geologische  Kartirung  der  ganzen 
Gruppe  durch  —  klar  hervor.  In  Val  Grande,  in  der  Nähe  der 
Padeon-Alpe  kommen  an  der  Basis  der  Cristallo- Wände  als  tiefste 
entblösste  Schichtgruppe  Cassianer  Mergel  vor,  wie  das  von  Herrn 
Dr.  Hoernes  mitgetheilte  Profil  zeigt. 

Am  oberen  Ende  des  Val  Grande  fand  Dr.  Hoernes  eine 
doppelte  Verwerfung,  indem  hier  eine  kleine  Partie  von  Dachsteinkalk 
zwischen  Raibler  Schichten  eingeklemmt  ist 


I 


296 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 


Boita    Pomagagnon    Val  Grande 


Cristallo 


NO. 


ä  =  Cassianer  Schichten;  a^  =  Cassianer  Dolomit;  b  =  Raibler  Schichten;  c  =  Dachsteinkalk. 

Diese  doppelte  Verwerfung  setzt  am  Südgehänge  des  Monte 
Cristallo  über  Col  da  Varda  fort,  so  dass  an  den  meisten  Stellen 
Cassianer  Dolomit  und  Raibler  Schichten  dreifach  über  einander  zu 
sehen  sind.  Der  unterste  Zug  ist  die  Fortsetzung  des  Pomagagnon- 
Rückens. 


Zuniellcs 


Cristallo-Masse 


Tre  Croci 


Cristallo-Massiv 


SW. 


a  =  Cassianer  Schichten;  a^  —  Cassianer  Dolomit;  h  =  Raibler  Schichten;  c  =  Dachsteinkalk. 

Diese  Verwerfungen  erreichen  vor  dem  Mesurina-Thal  ihr 
Ende.  Vorher  aber  setzt  etwas  weiter  südlich  in  Val  Buona  eine 
neue  Verwerfung  an,  welche  bald  eine  sehr  bedeutende  Sprunghöhe 
erreicht.  So  wiederholt  sich  hier  die  Erscheinung,  dass  Bruchlinien 
an  Stellen  geringer  Vertical- Verschiebungen  sich  fächerförmig  zer- 
splittern. 

Der  Ostseite  des  Cristallo-Stockes  entlang  läuft  ebenfalls  eine 
Verwerfung,  deren  nordwestliche  Fortsetzung  den  Dürrenstein  von 
der  Croda  Rossa  trennt  und  bis  Brags  reicht.  Auch  diese  Verwer- 
fung, an  welcher  der  Cristallo-Stock  abgesunken  ist,  kann  als  ein 
Seitenstrahl  der  Villnösser  Bruchlinie  aufgefasst  werden. 


2.  Das  Sextener  Dolomitriff. 


Zwischen  dem  Höhlensteiner  (Landro),  Sextener  und  Anziei- 
(Auronzo)  Thal  befindet  sich  ein  grosses,  isopisches  Dolomitriff, 
welches  sich  über  unterem  Muschelkalk  erhebt  und  dessen  ausgedehnte 
Plateaux   von   Raibler   und  Dachstein-Schichten    überlagert   werden. 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave.  2Q7 

Ueber  die  tieferen,  die  Unterlage  des  Riffes  bildenden  Schicht- 
complexe,  welche  aus  der  Gegend  von  Innichen  in  einem  breiten 
Streifen  durch  Sexten  und  Comelico  Superiore  nach  Auronzo  ziehen, 
entnehmen  wir  dem  Aufnahmsberichte  des  Herrn  Dr.  Hoernes  die 
folgenden  Daten: 

,Die  Schichten  des  Verrucano  sind  namentlich  in  der  Ge- 
gend des  Sexten-Thaies  und  im  Comelico  sehr  mächtig  entwickelt. 
Sie  bestehen  vorwaltend  aus  einem  groben  Conglomerat  aus  Quarz- 
geröUen^  welche  durch  Phyllitdetritus  verbunden  sind.  In  frischem 
Zustand  ist  das  Conglomerat  grau  und  sehr  fest;  es  wird  in  Sexten 
in  mehreren  Brüchen  zur  Mühlsteinfabrikation  verwendet.  Verwittert, 
zerfallt  es  in  groben  Grus  und  wird  rostroth.  Nicht  selten  umschliesst 
der  Verrucano  auch  grössere  oder  kleinere  Brocken  eines  röthlichen 
Kalkes  (so  im  Thal  des  Torr.  Diebba  bei  Auronzo,  bei  St.  Veit 
und  Moos  im  Sexten-Thal  etc.),  welche  häufig  in  grosser  Menge 
Fusulinen  enthalten.* 

^Bemerkenswerth  erscheinen  die  Quarzporphyr-Vorkommen, 
welche  ich,  wenn  auch  in  kleineren  Massen  bei  Danta  im  Comelico 
und  am  Matzenboden,  nordöstlich  vom  Kreuzberg,  anstehend  traf, 
während  einzelne  Blöcke  von  Quarzporphyr  vielfach  im  Verrucano 
der  Gegend  eingeschlossen  angetroffen  werden  (so  bei  Moos  im 
Sexten-Thal,  im  Thal  des  Torrente  Diebba  etc.).  Auch  die  anstehen- 
den grösseren  Quarzporphyrmassen  sind  dem  Verrucano  eingelagert 
und  müssen  als  Stromenden  aufgefasst  werden.  Herr  Dr.  Doelter 
war  so  freundlich,  die  petrographische  Untersuchung  der  Gesteine 
vorzunehmen.  Ich  verdanke  demselben  folgende  Angaben:  j^Die  unter- 
suchten Gesteinsproben  zeigten  grosse  petrographische  Aehnlichkeit. 
Bei  äusserer  Betrachtung  waren  in  der  braunen  felsitischen  Grund- 
masse sehr  zahlreiche  grössere  Quarzkömer  und  kleinere  Feldspath- 
einsprenglinge  sichtbar.  Unter  dem  Mikroskop  im  Dünnschliffe  wurde 
letzterer  Bestandtheil  als  einer  der  häufigsten  erkannt  und  zwar 
gehören  die  meisten  Krystalle  dem  monoklinen  Feldspathe  an,  doch 
kommt  daneben  auch  trikliner  Feldspath  vor.  Der  Quarz  tritt  in 
Körnern  von  unregelmässiger  Form  auf,  er  enthält  Einschlüsse  von 
Glas-  und  Grundmasse,  welch'  letztere  in  die  Quarze  eingedrungen 
ist  und  selbe  zerrissen  hat.  Biotit  ist  ein  constanter  Gemengtheil  in 
allen  untersuchten  Gesteinsstücken.  Hie  und  da  kömmt  auch  Horn- 
blende vor.  Magneteisen  findet  sich  stets  in  kleinen  Körnern.  In  der 
Grundmasse  sieht  man  kleine  Feldspath-Individuen  und  durch  Eisen- 
oxydhydrat  rothbraun  gefärbte  Glasbasis*.  —  Es  bestätigte  dieses 
Resultat  der  petrographischen  Untersuchung  die  auf  Grund  des 
äusseren  Ansehens,  welches  ganz  mit  jenem  gewisser  Quarzporphyr- 


298  ^^  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 

Varietäten  von  Bozen  übereinstimmt,  ausgesprochene  Zutheilung 
dieser  vereinzelten  Quarzporphyr- Vorkommen  zum  Bozener  Porphyr.* 
j^Der  Grödener  Sandstein  ist  gegenüber  dem  Verrucano 
verhältnissmässig  schwach  entwickelt  und  bildet  eine  massig  breite 
Zone  an  der  Basis  des  Triasgebirges  gegen  Nord  und  Ost* 

,Der  Bellerophonkalk  ist  in  dem  engeren  hier  zu  schildern- 
den Gebiete  sehr  mächtig  entwickelt,  an  seiner  Basis  tritt  stellen- 
weise Gyps  (so  an  der  Mündung  des  Gsellbaches  an  der  Westseite 
des  Sexten-Thaies  bei  St.  Veit,  bei  Auronzo  am  rechten  Anziei- 
Ufer)  in  geringer  Mächtigkeit  und  Rauchwacke  (fast  überall  und 
mächtig  entwickelt)  auf.  —  In  den  dunklen  bituminösen  Kalken 
dieses  Complexes  konnte  ich  im  Rohrwald  am  Nordgehänge  des 
Neunerkofels  bei  Toblach  Adern  von  Siderit  beobachten.  Fossilien, 
namentlich  Bellerophonten  traf  ich  allenthalben  in  den  Stinkkalken 
des  Complexes,  so  im  Rohrwald  bei  Toblach,  am  Kreuzbergjoch 
zwischen  Sexten  und  Comelico,  am  Monte  Castello  zwischen  Come- 
lico  und  Auronzo,  im  Thal  des  Torrente  Diebba  bei  Cella  di  Auronzo 
dann  im  Rio  Socosta  und  in  Val  di  Rin  nächst  Auronzo,  wo  Avi- 
cu/opecten-Arten  (Av.  cotnelicanus  St.,  Av.  Trinken  St,  und  Av.  Güm- 
bell  St.),  in  den  dünngeschichteten  Stinkkalken  eine  ähnliche  Rolle 
spielen,  wie  die  Daonellen  in  den  triadischen  Daonellen-Schiefem.* 
,  Namentlich  reich  erwies  sich  die  Gegend  des  Kreuzberges, 
welche  bis  jetzt  die  meisten  Fossilien  unter  allen  Fundorten  der 
Bellerophon-Schichten  geliefert  hat.  Nach  Stache's  Bestimmungen 
besteht  die  Fauna  des  Kreuzberges  aus: 

Nautilus  Hoemesi  St. 

„        cmx  St. 
Bellerophon  cadoriais  St. 
Mojsvdri  St. 
Sextensis  St. 
cotnelicanus  St. 
pseudohelix  St. 
Murchisonia  tramontana  St. 
Turbonilla  Montis  Crucis  St. 
Natica  comelicana  St. 

„      cadorica  St. 
Pecten  tirolensis  St. 
„     praecursor  St. 
Avicula  cingidata  St. 

striatocostata  St. 
filosa  St. 
Schizodus  cf.  truncatus  King. 


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Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave.  290 

Spirifer  insanus  St. 
megalotis  St, 
Haueri  St. 
cadortcus  St. 
dissectiis  St. 
crux  St. 
Concors  St. 
Sextensis  St. 
Spirigera  Janiceps  St. 
papilio  St. 
peracuta  St. 
bipartita  St. 
pusilla  St. 
confinalis  St. 
Archimedis  St. 
faba  St. 
Orthis  ladina  St. 

Strophotnena  (LeptaenaJ  alpina  St. 
j^Die  Werfener  Schichten,  welche  über  dem  Bellerophonkalk 
in  regelmässiger  Auflagerung  folgen,  sind  in  ihrem  unteren  Theile 
sehr  fossilarm;  selbst  die  undeutlichen  Myaciten-Formen  werden 
nur  selten  angetroffen.  Hingegen  ist  der  Horizont  der  Naticella 
costata  mit  den  in  engster  Verbindung  mit  demselben  stehenden 
Schnecken-Lumachellbänken  überall  vorhanden  und  an  manchen 
Stellen  reich  an  wolerhaltenen  Fossilien.  Ich  erwähne  in  dieser  Be- 
ziehung das  nördliche  Gehänge  des  Neunerkofels  zwischen  Toblach 
und  Innichen,  an  welchem  ich  Naticella  costata  ungemein  zahlreich 
und  in  selten  schöner  Erhaltung  in  einem  festen,  kalkigen,  grauen 
Mergel  antraf,  sowie  die  Gsellwiese  bei  St  Veit  im  Sexten-Thal, 
auf  welcher  ich  in  den  Schnecken-Lumachellbänken,  welche,  wie  ich 
glaube,  noch  mehr  Beachtung  verdienen,  auch  Pelecypoden  in  guter 
Erhaltung  fand/ 

,Der  untere  Muschelkalk  zeigt  seine  regelmässige  Ent Wicke- 
lung: Dunkle,  bituminöse  Kalke  und  graue,  glimmerige  Mergel  mit 
kohligen  Pflanzenresten;  andere  Gesteine  konnte  ich  in  diesem  Ge- 
biete nicht  wahrnehmen.* 

Das  Sextener  Dolomitriff  reicht  mit  seinem  Westende  über 
das  Höhlensteiner  Thal  hinüber,  wo  dasselbe  den  Scheiderücken 
gegen  Brags  bildet,  welcher  bereits  in  einem  früheren  Abschnitte 
besprochen  worden  ist.  Die  dort  gewonnenen  Anhaltspunkte  zur 
Unterscheidung  der  Dolomitmasse  nach  ihren  Altersverhältnissen 
dienten  Herrn  Dr.  Ho  er  n  es  zur  Richtschnur  für  die  selbstverständlich 


300  ^Bs  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 

nur  approximative  und  in  vieler  Beziehung  willkürliche  Trennung 
des  Dolomits  in  der  östlichen  Hauptmasse.  Im  Süden  und  im  Süd- 
westen an  der  heteropischen  Grenze  bietet  das  Ineinandergreifen 
der  heteropischen  Bildungen  wieder  sichere  Handhaben  fiir  die  an- 
nähernd, richtige  theoretische  Gliederung  der  Dolomitmassen. 

Die  an  der  Basis  des  Riffs,  an  dessen  Nord-  und  Ostseite  auf- 
tretenden geschichteten  Dolomite,  welche  stellenweise  reich  an  Di- 
ploporen  sind  und  die  Fortsetzung  der  Dolomitbänke  des  Samkofels 
bilden,  wurden  dem  oberen  Muschelkalk  und  den  Buchensteiner 
Schichten  zugerechnet.  Die  Hauptmasse  des  ungeschichteten  Dolo- 
mits wurde  als  Wengener  Dolomit,  die  oberen  Partien  desselben 
sowie  die  geschichteten,  Plateau  bildenden  Dolomite  über  demselben 
wurden  als  Cassianer  Dolomit  ausgeschieden.  Das  Gestein  ändert 
in  den  östlichen  Regionen  gegen  Comelico  zu  seinen  Charakter.  An 
die  Stelle  der  weissen,  vorwaltend  dolomitischen  Massen  des  Westens 
treten  graue  und  röthliche  Kalke  von  dunklen  Schattirungen. 

Die  nördliche  und  östliche  Begrenzung  des  Riffs  ist  unbekannt, 
da  das  Riff  in  diesen  Richtungen  allenthalben  mit  Denudations- 
Steilwänden  abbricht.  Die  westliche  Grenzgegend  zwischen  Brags 
und  Schluderbach  haben  wir  bereits  im  letzten  Capitel  kennen  ge- 
lernt. Von  Schluderbach  zieht  die  heteropische  Scheidelinie  über 
Val  Popena,  Mesurina  in  das  Thal  des  Anziei  und  aus  diesem  über 
Val  Pian  di  Sera  nach  Val  di  Rin  bei  Auronzo.  Oestlich  und  nörd- 
lich von  dieser  Linie  greift  allenthalben  die  Mergelfacies  der  Wen- 
gener und  Cassianer  Schichten  in  das  Riff  ein,  am  weitesten  die 
unteren  Wengener  Schichten,  wie  die  Verhältnisse  zwischen  Pian 
di  Sera  und  Casoni  di  Rin  lehren.  Am  Südgehänge  des  Monte 
Campo  Duro  beobachtete  Herr  Dr.  Hoernes  in  den  Wengener 
Sandsteinen  zahlreiche  auskeilende  Dolomitzungen.  Fossilreiche  Wen- 
gener Meißel  und  Riffkalke  reichen  in  einer  breiten  Zunge  von 
Mesurina  nach  Rimbianco  unter  den  Cassianer  Dolomit  des  Monte 
Pian  und  des  Drei-Zinnen-Massivs.  Das  Gehänge  des  Monte  Pian 
gegen  den  Mesurina-See  zeigt,  sowol  in  dem  tieferen  Horizont  der 
Wengener  Schichten,  als  in  dem  höheren  der  Cassianer  Schichten 
deutlich  das  Ineinandergreifen  der  beiden  Facies,  da  in  dem  niederen 
Hügelzuge,  welcher  vom  Monte  Pian  gegen  den  See  verläuft, 
mehrere  isolirte  Dolomitmassen  in  und  zwischen  den  Mergeln  auf- 
treten. Am  Monte  Rosiana  treten  auch  die  Buchensteiner  Schichten 
in  der  gewöhnlichen  Entwicklung  als  Pietra  verde  führende  KnoUen- 
und  Bänderkalke  auf 

Wir  dürfen  aus  der  räumlichen  Vertheilung  der  eingreifenden 
Mergelzungen  wieder  schliessen,  dass  das  Riff  zur  Zeit  der  Buchen- 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave.  ?oi 

Steiner  und  unteren  Wengener  Schichten  auf  engere  Grenzen  be- 
schränkt war,  als  zur  Zeit  der  oberen  Wengener  Schichten  und  dass 
die  Ausdehnung  desselben  zur  Zeit  der  Cassianer  Schichten  am 
grössten  war. 

Das  Riffplateau  trägt  ansehnliche  isolirte  Denudationsreste  der 
einstigen  allgemeinen  Bedeckung  durch  Dachsteinkalk.  Die  hervor- 
ragendsten und  kühnsten  Hochgipfel  des  Bezirkes,  die  phantastischen 
Pyramiden  der  Drei  Zinnen,  der  Gipfel  des  Schusterkofels,  Zwölfer- 
kofels, der  Rothwand  u.  s.  f.  bestehen  aus  Dachsteinkalk,  welcher  nach 
den  Beobachtungen  von  Dr.  Hoernes  dieselbe  lithologische  Be- 
schaffenheit wie  in  dem  grossen  Faniser  Massiv  zeigt. 

Die  Raibler  Schichten  treten  nur  in  dem  nordwjestlichen  Theile 
unseres  Gebietes  in  der  wolbekannten  und  auffälligen  rothen  Ent- 
wicklung auf.  In  den  Monte  Cadini,  in  den  Massen  des  Zwölfer- 
kofels (Col  d'Agnello)  und  des  Giralba  fehlen  die  rothen  Schichten 
gänzlich  und  folgen  über  den  geschichteten  Cassianer  Dolomiten 
sofort  die  Bänke  des  Dachsteinkalks.  Während  die  Annahme  einer 
Unterbrechung  des  Absatzes  als  willkürliche,  gewaltsame  Supposition 
bezeichnet  werden  müsste,  lässt  sich  die  Anschauung,  dass  die 
Raibler  Schichten  hier  in  der  Facies  des  Dachsteinkalks 
auftreten,  mit  guten  Gründen  unterstützen.  In  den  Nord-  wie  in  den 
Südalpen  wechsellagem  die  Raibler  Schichten  sehr  häufig  mit  Bän- 
ken des  Hauptdolomits  oder  des  Dachsteinkalks  und  an  vielen 
Stellen  erscheinen  die  Raibler  Schichten  nur  als  heteropische  Ein- 
lagerungen des  Dachsteinkalks.  Im  südtirolischen  Hochlande  findet 
eine  Wechsellagerung  der  rothen  Raibler  Schichten  mit  Megalodon- 
ten-Bänken  ebenfalls  häufig  statt.  Man  müsste  daher  schon  a  priori 
erwarten,  Gegenden  mit  isopischer  Entwicklung  zu  finden. 

Die  tektonischen  Verhältnisse  der  Sextener  Gebirgsgruppe 
sind  ausserordentlich  einfach.  Im  Centrum  und  am  Innenrande 
herrscht  söhlige  Lagerung.  Am  Aussenrande,  im  Puster  Thal  bei 
Toblach  und  im  Sexten-Thal  fallen  die  tieferen  Schichten  ziemlich 
steil  vom  Phyllit  weg  gegen  Süden.  In  den  höheren  Schichten 
nimmt  dann  der  Fallwinkel  allmählich  ab,  bis  sich  die  söhlige  Lage- 
rung einstellt.  So  erscheint  die  Sextener  Gebirgsgruppe  als  ein 
horizontal  gelagerter  Gebirgstheil ,  dessen  nördlicher  und  östlicher 
Aussenrand  aufgebogen  ist. 

Mit  dem  Südrande  der  Gruppe  fallt  der  östlichste  Theil  der 
Villnösser  Bruchlinie  zusammen.  Der  Monte  Rosiana  und  der  Monte 
Malone  bei  Auronzo  bilden  eine  verworfene  Scholle  am  Nordrande 
der  Bruchlinie  und  gehören  daher  tektonisch  noch  der  Sextener 
Gruppe  an.   Dass   der  Monte  Rosiana   auch   der  südliche  Ausläufer 


302 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 


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Kreutzberg 


Matzenboden 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave.  303 

des  Sextener  Riffs  ist,  wurde  bereits  angedeutet  Der  sehr  zerrüttete 
Dolomit  dieses  Berges  fuhrt  Zink-  und  Bleierze,  welche  von  einer 
österreichischen  Kohlengewerkschaft  (Sagor  in  Krain)  ausgebeutet 
und  zur  Winterszeit  auf  Schlitten  über  den  Mesurina-See  zur  Bahn- 
sfation  Toblach  befördert  werden. 


3.   Sorapiss,  Anteiao  und  Marmarole. 

Das  im  Süden  des  Cristallo-Stockes  und  der  Sextener  Gebirgs- 
gruppe  liegende,  von  der  Boita  und  der  Piave  umschlossene  Gebirgs- 
dreieck  ist  bis  auf  eine  dünne,  durchgreifende  Bank  Cassianer 
Dolomits  und  eine  vereinzelte  Zunge  oberen  Wengener  Dolomits 
rifffrei.  Die  oberen  Hauptmassen  des  Gebirges  werden,  wie  im  Cri- 
stallo-Stock  ausschliesslich  vom  Dachsteinkalk  gebildet,  welcher  in 
den  Culminationspunkten  dieser  Gruppe  seine  grössten  Höhen  er- 
reicht (Anteiao  3320  Meter,  Sorapiss  3290  Meter,  Marmarole 
3130  Meter). 

Die  Unterlage  dieses  mächtigen  Dachsteinkalk-Gebirges  ist 
namentlich  im  Südosten  gegen  die  Piave  zu  bis  auf  den  Bellerophon- 
kalk  abwärts  entblösst.  Der  Lauf  dieses  Flusses  fallt  auf  einer  langen 
Linie  hier  mit  der  grossen  Valsugana-Bruchlinie  zusammen,  an  wel- 
cher im  Süden  die  höheren  Schichten  so  tief  abgesunken  sind,  dass 
Raibler  Schichten  und  Dachsteinkalk  gegen  Bellerophonkalk  ab- 
stossen. 

In  der  Gegend  von  Pieve  di  Cadore  verlässt  die  Piave  die 
Bruchlinie  und  bahnt  sicji  ihren  Weg  quer  durch  das  südliche  Ge- 
birge. In  Folge  dessen  gehört  die  zwischen  der  Boita  und  der  Piave 
gelegene  Südspitze  unseres  Gebietes,  hauptsächlich  der  Monte  Zucco 
und  der  Schlossberg  von  Pieve  di  Cadore  tektonisch  bereits  dem 
südlich  angrenzenden  Gebirge  an. 

Eine  Bruchlinie  von  viel  geringerer  Sprunghöhe  trennt  sodann 
die  Antelao-Masse  von  dem  Sorapiss-Marmarole-Stocke,  so  dass  wir 
zwischen   Piave   und   Boita   drei  Schollen   zu   unterscheiden   haben. 

Der  Charakter  der  einzelnen  hier  vorkommenden  Schichtcom- 
plexe  ist  im  Allgemeinen  übereinstimmend  mit  der  gewöhnlichen 
Entwicklung,  beziehungsweise  mit  der  Ausbildung  in  rifffreien  Ge- 
genden. Ich  entnehme  dem  Berichte  des  Dr.  Hoernes,  welcher 
dieses  Gebiet  kartirte,  die  folgenden  Einzelnheiten. 

Der  Bellerophonkalk,  an  dessen  Basis  grosse  Massen  von 
Rauchwacken  (bei  Pieve  di  Cadore)  und  von  Gyps  (bei  Lozzo)  auf- 
treten,  zeichnet   sich  durch  grosse  Mächtigkeit  aus,  welche  er,  wie 


304  ^^^  Hochgebirge  zwischen  Rtenz,  Drau,  Boiu  und  Pia' 


Ampciiancr  Sira 
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Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave.  yyt 

man  annehmen  könnte,  auf  Kosten  der  ungewöhnlich  reducirten 
Werfener  Schichten  erreicht.  Die  Werfener  Schichten  sind  auffallend 
fossilarm.  Mit  Ausnahme  der  Lumachellbänke  in  der  oberen  Abthei- 
lung derselben  sah  Herr  Dr.  Hoernes  keine  Fossilien.  Der  untere 
Muschelkalk  ist  durch  wenig  mächtige  bituminöse  Kalke  mit  Zwischen- 
lagen von  glimmerigen  Mergeln  vertreten.  Den  oberen  Muschelkalk 
bilden  wolgeschichtete  Dolomite,  in  denen  hie  und  da  Diploporen- 
reste  wahrzunehmen  sind. 

j^Der  Buchensteiner  Kalk  ist  im  ganzen  Gebiet  in  seiner 
charakteristischen  Ausbildung  entwickelt.  Homsteinreicher  Knollen- 
kalk und  schwarze,  kieselreiche  Bänderkalke  in  Verbindung  mit 
mächtigen  Einlagerungen  von  Pietra  verde  setzen  ihn  zusammen. 
Die  Pietra  verde  tritt  namentlich  bei  Vodo  und  Venas  (wo  der 
Buchensteiner  Kalk  in  Folge  einer  localen  Verwerfung  wiederholt 
auftritt),  sowie  auf  den  Höhen  bei  Pieve  di  Cadore,  namentlich  bei 
S.  Dionigi  in  grosser  Mächtigkeit  auf* 

,Die  Wengener  Schichten  sind  vorwaltend  als  tuffige  Sand- 
steine entwickelt.* 

,  Zufolge  der  Verwerfung  zwischen  Sorapiss  und  Anteiao  treffen 
wir  zwei  Züge  von  Wengener  und  Cassianer  Schichten  in  nahezu 
paralleler  Richtung  an.  Im  nördlichen,  an  der  Basis  der  Sorapiss, 
sehen  wir  bei  S.  Vito  eine  Partie  von  tuffigen  Sandsteinen  der 
Wengener  Schichten  unter  einer  Dolomitbank  auftreten,  die  wol 
ganz  den  Cassianer  Schichten  zufällt.  Gegen  die  Forcella  piccola 
zu  verschwinden  diese  tuffigen  Sandsteine  bald  unter  dem  Schutt, 
der  hier  in  enormer  Mächtigkeit  das  Thal  bedeckt.  Ebenso  werden 
die  Wengener  Schichten  erst  weit  unten  im  Val  Oten  sichtbar;  es 
besteht  hier  der  Monte  Grande  vereinzelt  aus  einer  Partie  von  Wen- 
gener Dolomit  (südlichster  Ausläufer  des  Sextener  Riffis).  Doch 
sind  auch  hier  die  Wengener  Schichten  zumeist  von  tuffigen  Sand- 
steinen und  Mergeln  gebildet.  Sie  ziehen  längs  dem  Südostfuss  der 
Monti  Marmarole  hin  und  bilden  am  Piano  del  Buoi  zwischen  Lozzo 
und  Auronzo  eine  Hochfläche,  aus  weichen  Mergeln  bestehend,  die 
einigermassen  an  die  Seisser  Alpe  erinnert.  Doch  mangeln  hier  die 
zahlreichen  Versteinerungen,  die  sich  auf  der  letzteren  finden, 
und  nur  selten  trifft  man  schlecht  erhaltene  Korallenreste  in  den 
hie  und  da  auftretenden  Riffkalken.  Im  südlichen  Zuge,  an  der  Basis 
des  Anteiao  erlangen  die  tuffigen  Sandsteine  der  Wengener  Schich- 
ten, aus  denen  ausschliesslich  hier  der  Horizont  besteht,  noch  ge- 
ringere Mächtigkeit,  die  indess  noch  verhältnissmässig  bedeutend  ist 
gegenüber  der  geringen  Mächtigkeit  des  Dolomites  der  Cassianer 
Schichten,  der  sie  von  dem  Raibler  Horizonte  trennt.* 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  20 


3o6 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 


,Am  Monte  Zucco  treten  die  Wengener  Schichten  als  tufiige 
Sandsteine  auf  und  werden  nur  durch  eine  sehr  wenig  mächtige 
Dolomitpartie  der  Cassianer  Schichten  von  den  Gypsmassen  der 
Raibler  Schichten  getrennt* 


Marmarole        Pian  di  Sera    Monte  Rosiana 


SSW. 


Anziei 


NNO. 


a  =  Wengener  Schichten;  a^  =  Wengener  Dolomit;  b  =  Dachsteinkalk;  e  =  Schutt. 


j^Die  Cassianer  Schichten  sind  überall,  wo  sie  auftreten,  durch 
eine  wenig  mächtige  Dolomitbank  repräsentirt.  Es  läuft  eine  solche 
unter  den  Raibler  Schichten  am  Südfusse  des  Anteiao  hin  —  ebenso 
tritt  Cassianer  Dolomit  unter  den  Raibler  Schichten  am  Südfusse 
der  Sorapiss  und  am  Südostgehänge  der  Marmarole  auf.* 

j^Die  Raibler  Schichten  treten  in  drei  Zügen  auf,  von  denen 
der  nördlichste  sich  am  Südgehänge  des  Sorapiss-Marmarole-Massivs 
findet.  lieber  S.  Vito  und  an  der  Forcella  piccola  kommen  rothe 
und  stellenweise  auch  dunkle  bituminöse  Mergel  vor.  Im  Val  Oten 
und  ebenso  am  südlichen  und  östlichen  Fuss  des  Dachsteinkalk- 
Massivs  der  Marmarole  hingegen  sind  die  Raibler  Schichten  vorwal- 
tend durch  geschichtete  Dolomite  und  Kalke  vertreten.* 

y£in  Gleiches  gilt  vom  Südgehänge  des  Anteiao,  doch  mangeln 
hier  auch  schmale  Einlagerungen  von  rothen  Mergeln  nicht* 

,Im  Monte  Zucco  und  am  Hügel  des  Castells  von  Pieve  di 
Cadore  treten  die  Raibler  Schichten  in  grosser  Mächtigkeit  auf.  Sie 
sind  hier  in  ihrer  unteren  Partie  durch  mächtige  Gypslager  gebildet, 
über  welchen  geschichtete,  dolomitische  Kalke  und  stellenweise 
auch  rothe  Mergel  folgen.  Auch  stark  bituminöse  Kalke,  reich  an 
Schalenbruchstücken  von  Versteinerungen,  die  indessen  schwer  aus 
dem  Kalk  ausgelöst  werden  können,  treten  hier  auf  und  sind 
namentlich  an  der  Mündung  des  Torrente  Molina  in  die  Piave  gut 
aufgeschlossen.* 

,Der  Dachstein  kalk  besteht  vorwaltend  aus  mehr  weniger 
reinem,  röthlichem  Kalkstein^  doch  findet  sich  auch  eine  sehr  eigen- 


Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave,  307 

thütnliche,  conglomferatartige  Gesteins-Entwicklung,  die  sich  durch 
das  häufige  Vorkommen  dunkler  Gesteinsfragmente  auszeichnet 
Diese  Breccie  tritt  in  nicht  besonders  hohem  Niveau  über  den 
Raibler  Schichten  auf  und  zeichnet  sich  durch  ihre  ausserordentlich 
reiche  Petrefactenfiihrung  aus.  Im  Val  Oten  sowol  als  im  Val  di 
Rin  konnte  ich  in  diesen  Schichten  zahlreiche  Versteinerungen 
sammeln,  von  denen  sich  namentlich  jene  aus  dem  Val  Oten  durch 
gute  Erhaltung  und  Formenreichthum  auszeichnen.  Es  kommen 
hier  vorwaltend  Gasteropoden,  Trochus-,  Turbo-,  Delphimda-,  Chem- 
fützia-^  Natica^oxvcssxi  vor.  Die  Vergesellschaftung  dieser  holostomen 
Gasteropoden  erinnert  sehr  an  die  Elsino-Fauna,  doch  sind  es  ganz 
verschiedene  Arten,  die  sich  hier  finden.  Auch  canalifere  Gastero- 
poden, reich  omamentirte  Cerithien  mangeln  nicht,  am  häufigsten 
aber  finden  sich  Schalen  von  kappenartiger  Form,  von  welchen  die 
einen  mit  radialer  Berippung  wol  zu  Patella  gehören  dürften,  wäh- 
rend die  generische  Stellung  der  anderen,  die  sich  durch  feine  con- 
centrische  Streifen  auszeichnen,  schwer  zu  bestimmen  ist.  Aehnliche 
Schalen  wurden  von  verschiedenen  Autoren  als  Helcion,  Acmea, 
Scurria,  Patelloidea  etc,  beschrieben.  Von  Pelecypoden  fand  sich 
neben  Modiola  und  Mytilus  ähnlichen  Formen  nur  Area  Songavatina 
Stop,  etwas  häufiger.  Am  Pian  di  Sera  traf  ich  in  denselben  Brec- 
cien  mit  dunklen  Gesteinsfragmenten  neben  Durchschnitten  von 
Chemnitzien  und  Delphinula  ähnlichen  Formen  sehr  häufig  Korallen 
in  undeutlicher  Erhaltung  und  einzelne  Megalodon-Durchschnitte. 
Auch  auf  dem  Anteiao  traf  ich  diese  Schichten,  wenig  oberhalb  der 
Verwerfung  an  der  Forcella  piccola,  wurde  jedoch  durch  schlechtes 
Wetter,  das  während  der  Besteigung  eintrat,  verhindert,  nach  der 
Rückkehr  von  der  Spitze  Versteinerungen  zu  sammeln.* 

^Jurassische  Bildungen  fehlen  gänzlich,  wie  durch  Besteigung 
der  höchsten  Spitzen  nachgewiesen  werden  konnte.  Sowol  die  Spitze 
des  Anteiao,  als  auch  jene  der  Sorapiss  besteht  aus  Dachsteinkalk 
und  die  Verhältnisse  der  Gegend  lassen  mit  Sicherheit  darauf 
schliessen,  dass  dies  auch  bei  den  von  mir  nicht  besuchten  Hoch- 
gipfeln der  Marmarole  der  Fall  ist.* 

,  Von  jüngeren  Bildungen  sind  praeglaciale  Conglomerate,  welche 
in  grosser  Mächtigkeit  den  Thalboden  des  Piave-Thales  zwischen 
Pieve  di  Cadore  und  Lozzo  bedecken,  und  mächtige  Ablagerungen 
von  Kalktuffen  mit  Einschlüssen  und  Abdrücken  recenter  Pflanzen 
und  Sumpfwasser-Conchylien  zu  erwähnen,  welche  zwischen  Pieve 
di  Cadore  und  der  Mündung  des  Oten-Baches  vorkommen.  Es 
scheint  die  massenhafte  Tuffbildung  hier  sowie  auch  im  Sexten-Thal 
beim  Wildbad  Innichen   und   im  Torrente  Diebba  bei  Auronzo  mit 

20* 


308  ^^  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 

Quellen  im  Zusammenhang  zu  stehen,  die  aus  dem  Bellerophonkalk 
hervorbrechen*  *). 

In  tektonischer,  wie  in  orographischer  Beziehung  erscheint  der 
Sorapiss-Marmarole-Stock  mit  seinen  im  grossen  Ganzen  schweben- 
den Schichten  als  der  Haupt-Gebirgsknoten  zwischen  Boita  und 
Piave.  Der  Anteiao  ist  nur  ein  im  Süden  losgelöster  und  abgesun- 
kener Gebirgstheil. 

Das  Bigontina-Thal  bei  Ampezzo  föUt,  wie  bereits  erwähnt, 
mit  einem  bis  auf  die  Wengener  Schichten  entblössten  gewaltigen 
Luftsattel  zusammen,  dessen  Nordschenkel  der  Pomagagnon  und 
dessen  Südschenkel  die  Sorapiss  ist  Bei  S.  Vito,  an  der  Forcella 
piccola  und  im  Val  Oten  taucht  dann  im  Süden  des  grossen  Dach- 
steinkalk-Massivs der  Südflügel  der  flachen  Mulde  heraus,  in  welcher 
die  Sorapiss  wie  auf  einem  flachen  Teller  sitzt.  Oestlich  von  Tre 
Croci  schneidet  die  aus  dem  Val  Grande  herübersetzende  und  über 
Pian  di  Sera  und  Colle  Ag^do  nach  Auronzo  fortlaufende  Villnösser 
Bruchlinie  die  Sorapiss-Marmarole-Masse  gegen  Norden  ab.  Locale 
Störimgen,  Aufrichtungen  und  Senkungen  einzelner  Schollen  sind  in 
der  Nachbarschaft  der  Bruchlinie  häufig,  wie  denn  im  Verhältniss 
zu  dem  nördlichen  Gebirge  die  Sorapiss-Marmarole-Masse  als  der 
gesunkene  Gebirgstheil  erscheint.  Eine  der  auffallendsten  Aufrich- 
tungen und  Schichtenkrümmungen  zeigt  der  Cadin,  auf  der  West- 
seite des  Sorapiss-Thales. 

Die  Antelao-Bruchlinie  beginnt  im  Unterlaufe  des  Val  Oten 
und  äussert  sich  zunächst  als  horizontale  Verschiebung  der  beiden 
Thalwände.  Thalaufwärts  nimmt  sie  stets  an  Sprunghöhe  zu  und 
setzt  über  die  Forcella  piccola  nach  S.  Vito^  von  wo  sich  dieselbe 
noch  weit  gegen  Westen  verfolgen  lässt.  Ein  grossartigerer  Anblick 
als  die  Ansicht  der  Anteiao -Verwerfung  von  S.  Vito  aus  lässt  sich 
kaum  denken.  Die  gegen  Norden  einschiessenden  Platten  des 
Anteiao  brechen  plötzlich  etwas  oberhalb  der  Forcella  piccola  an 
dem  ungeschichteten  Cassianer  Dolomit  ab  und  richten  sich  an  der 
Rutschfläche  bogenförmig  in  die  Höhe. 

Durch  kleinere  Brüche  veranlasste  schollenformige  Absitzungen 
finden  sich  mehrfach  in  der  Nähe  der  grossen  Valsugana-Bruchlinie, 


*)  Nicht  ohne  Interesse  sind  die  gewaltigen,  vom  Zerfall  des  Anteiao  her- 
röhrenden  Bergstürze  im  Boita- Thal  zwischen  S.  Vito  und  Borca,  deren  Trümmer- 
massen bis  auf  das  rechte  Boita-Ufer  reichen.  Die  letzten  grossen  Stürze,  durch 
welche  mehrere  Ortschaften  zerstört  wurden,  schilderte  Catullo  (Mem.  sopra  le 
ruine  accadute  nel  commune  di  Borca  nel  Cadorino.  Belluno,  1814).  Vgl.  auch 
Marinello,  L*Antelao.  BoU.  Club  Alpino  Ital.  1878,  pag.  34. 


Dos  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und  Piave. 


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3IO  Das  Hochgebirge  zwischen  Rienz,  Drau,  Boita  und   Piave. 


Anilchl  du  ADtelu-Bnichei  au»  der  Otiend  von  S.  Vilo. 

|N>L-h  einer  Phologriphie.] 
WS.  =  Wengener  Schichleu;    Cf.  =  Cassiatlir  Dolomil;    t'K.  =  Liacliilcjnkalk, 

SO  zwischen  Vodo    und  Venas,    bei  Nebiü,   bei  Domegge   zwischen 
Lozzo  und  Tre  Ponti. 

Unterhalb  Venas  setzt  der  Valsugana-Bruch  von  Westen  her 
über  die  Boita,  läuft  über  die  Hochebene  von  Valle  und  Tai  nach 
Pieve  di  Cadore  und  erreicht  erst  in  der  Gegend  von  Calalzo  die 
Flussrinne  der  Piave.  Der  Wanderer,  welcher  aus  der  Tiefe  der 
Boita-Schlucht  bei  Venas  und  Valle  oder  von  der  Piave-Rinne  zwischen 
Pieve  di  Cadore  und  Calalzo  zu  der  auf  hoher  Thalterrasse  hinziehen- 
den Strassenlinie  hinaufsteigt,  gelangt  an  ersterer  Stelle  aus  Wengener 
Tu ffsand steinen,  in  letzterer  Gegend  aus  Raibler  Schichten  und  Dach- 
steinkalk  in  die  Region  der  Bellerophonkalke. 


XI.  CAPITEL. 
Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Die  Rocchctta-Gruppe  und  das  Carnera-RifT.  -  Die  Hochfläche  von  Zoldo  und  der  Pelmo.  - 
Das  linke  Cordevole-Ufer  zwischen  Caprite  und  Agordo:  Qvetta-Gruppe  und  Monte  S.  Scba- 
stiano.  -  Die  Gruppe  des  Cimon  della  Pala.  Primiero-Rilf  und  Cima  cli  i'ape.  -  Moränen  von 
Val  di  Canali.    -    Melaphyrgänge  im  Phyllit  bei  Mis.    -    Erratische  Dolomitblöcke  auf  dem 

Phyllitgebirge  bei  Agordo. 

Die  im  Norden  der  grossen  Valsugana-Bruchlinie  gelegenen 
Hochgebirgs-Landschaften  zwischen  der  Boita  und  dem  Cismone 
umschliessen  ein  grösseres  und  ein  kleineres  Riflf,  welche  beide  sich 
von  den  nördlichen  Riffen  durch  das  Vorwalten  nur  schwach  dolo- 
mitischer Kalke  unterscheiden.  Das  erstere  umfasst  die  hohe  formen- 
schöne Gebirgsgruppe  des  Cimon  della  Pala  und  reicht  vom  Cis- 
mone bis  über  den  Cordevole,  auf  dessen  östlichem  Ufer  der  Monte 
Framont  bei  Agordo  und  der  Monte  Alto  di  Pelsa  bei  Cencenighe 
die  östlichen  Vorwerke  des  Riffes  bilden.  Dies  ist  das  ,Primiero- 
Riff*.  Das  zweite,  viel  kleinere  Riff,  befindet  sich  nordöstlich  von 
Caprile  und  umfasst  den  Monte  Camera  und  den  Piz  del  Corvo. 
Wir  nennen  es  ,Carnera-Riff*.  Den  Zwischenraum  zwischen  diesen 
beiden  Riffen,  sowie  das  Gebiet  von  Zoldo  bis  zur  Boita  nimmt  die 
Fortsetzung  des  badiotischen  Mergelbeckens  ein.  In  diesen  Gegen- 
den findet  sich  ausser  einigen  Dolomitzungen  im  Bereiche  der  VVen- 
gener  Schichten,  im  Norden  in  der  Rochetta-Gruppe  und  im  Osten 
in  der  Umgebung  des  Monte  Pelmo  eine  fortlaufende  Platte  von 
Cassianer  Dolomit.  Im  Süden  und  am  Ostabhange  der  Gebirgsmasse 
des  Monte  Civetta  dagegen  reicht  die  Mergelfacies,  ebenso  wie  an 
der  Ostseite  des  Gader  Thaies,  durch  die  Cassianer  Schichten  hin- 
durch bis  zu  den  Raibler  Schichten. 

X.    Die  Rochetta-Gruppe  und  das  Camera-Riff. 

Dieser,  zwischen  dem  Monte  Giau-Passe  und  CoUe  di  St.  Lucia 
im  Westen  und  der  Boita  zwischen  Ampezzo  und  S.  Vito  im  Osten 
sich  erhebende  Gebirgstheil  bildet  in  tektonischer  Beziehung  die 
Fortsetzung  der  im   VIII.  Capitel    beschriebenen   Gebirgsplatte   des 


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^12  Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Monte  Nuvolau,  von  welcher  er  blos  durch  eine  Erosions-Tiefen- 
linie  getrennt  ist. 

Gleich  der  Nuvolau-Gruppe  wird  auch  die  Rocchetta-Masse 
von  einer  auf  Wengener  Tuffsandsteinen  und  Cassianer  Mergeln 
auflagernden  Platte  von  Cassianer  Dolomit  gebildet,  welcher  Denu- 
dations-Relicte  von  Raibler  Schichten  und  Dachsteinkalk  aufsitzen. 
Der  scharfkantige  Kamm  der  Croda  da  Lago  mit  der  noch  uner- 
stiegenen,  pyramidenförmigen  Cima  di  Formin  besteht  aus  Dach- 
steinkalk und  erhebt  sich  frei,  mit  schroff  abstürzenden  Wänden 
über  dem  gegen  Nordosten  abdachenden  Dolomitplateau.  Wie  bereits 
im  IX.  Capitel  (S.  256)  erwähnt  wurde,  gehört  die  am  nördlichen 
Ufer  des  Costeana-Baches  befindliche  Creppa,  der  bekannte  Ampezza- 
ner  Aussichtspunkt,  in  tektonischer  Beziehung  ebenfalls  noch  zur 
Rocchetta-Masse,  deren  äusserste  Nordspitze  sie  bildet  Von  dem 
topographisch  verbundenen  Gebirgskörper  der  Tofana  wird  die 
Creppa  durch  die  bereits  geschilderte  Falzarego-Bruchlinie  getrennt 

Das  Riff  des  Monte  Camera,  südlich  vom  Monte  Giau,  steUt 
eine  kleine,  regelmässig  dem  Schichtenverbande  eingefügte  dolo- 
mitische Kalkmasse  aus  der  Zeit  der  Buchensteiner  und  der  unteren 
Wengener  Schichten  dar.  Den  westlichen  Ausläufer  derselben  in 
den  Buchensteiner  Schichten  des  Codalonga-Thales  haben  wir  be- 
reits (S.  253)  kennen  gelernt.  Von  dieser  Stelle  erhebt  sich  das  Riff 
rasch  zu  ansehnlicher  Mächtigkeit,  gegen  Süden  mit  einer  Denuda- 
tions-Steilwand, gegen  Norden  und  Nordosten  mit  einer  ziemlich 
steilen  Böschung  endigend.  Die  grösste  Mächtigkeit  besitzt  das  Riff 
am  Monte  Camera;  gegen  den  Piz  del  Corvo  nimmt  es  dann  rasch 
wieder  an  Höhe  ab  und  südöstlich  von  dieser  Spitze  keilt  es  gänz- 
lich aus.  An  die  Stelle  des  Kalks  treten  ebenso  wie  im  Westen, 
die  dickschichtigen  Augitporphyrtuffe  und  die  Buchensteiner  Schichten. 
Die  beigegebene,  vom  Gehänge  des  Monte  Fernazza  aufgenommene 
Ansicht  (,Das  südöstliche  Ende  des  Camera-Riffes*)  lässt  deutlich 
die  Anlagerung  der  geschichteten  Tuffe  an  den  ungeschichteten 
Kalk,  sowie  die  Begrenzung  des  Riffs  erkennen*). 

Das   zweite,    zur   Erläuterung   des   Camera  -  Riffes   bestimmte 

Lichtbild  (, Blick  von  der  Nuvolau-Platte  gegen  Süd-Süd-Ost*)  zeigt 

die  nördliche  Aussenböschung  des  Riffs,   die  Anlagerung  der  Tuffe 

und  der  Wengener  Sandsteine  (mit  Daonella  Lotnmeli  und  Lytoceras 

Wengense)   und  endlich   die  gleichmässige  Ueberlagerung  des  Sand- 


*)  Die  dOnngeschichteten  Bänke  an  der  Basis  des  KalkrifTs  gehören  dem 
unteren  Muschelkalk  und  den  Werfener  Schichten  an.  Die  Dolomitplatte  im  Hinter- 
grunde des  Bildes  ist  die  Creppa  di  Formin  (Cassianer  Dolomit),  der  Felsgipfel  rechts 
ist  der  Becco  di  Mezzodi  (Dachsteinkalk). 


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Die  Hochalpen  Ton  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  9x3 

Stein-  und  Mergel-Complexes  der  Wengener  und  Cassianer  Schichten 
durch  die  weit  vorspringende  Platte  des  Cassianer  Dolomits.  Auf 
dieser  letzteren  (Crejjpa  di  Formin)  breiten  sich  sodann  in  einer 
dünnen  Lage  die  Raibler  Schichten  aus,  über  welchen  sich  der 
Dachsteinkalk  in  steiler  Wand  zum  Kamme  der  Croda  di  Lago 
erhebt. 

Diese  beiden  Ansichten  ergänzen  sich  zu  einem  Gesammtbilde 
des  Schichtenverbandes  des  Camera-RifTes.  Man  erkennt  leicht,  dass 
die  normalen,  geschichteten  Bildungen  im  Liegenden  und  Hangenden 
des  Riflfs  conform  gelagert  sind  und  gleichmässig  gegen  Nordosten 
einfallen.  Die  Böschungsfläche  des  Rißs  dagegen  dacht  unter  einem 
weitaus  steileren  Winkel  ab  und  contrastirt  lebhaft  von  den  echten 
Schichtflächen  im  Hangenden  und  Liegenden. 

Parallel  der  Böschungsfläche  zeigt  die  nördliche  Aussenseite 
des  Riffs  die  charakteristische  Ueberguss-Schichtung.  Die  Block- 
structur  des  ungeschichteten  Kalkriffes  tritt  allenthalben  deutlich  auf 
und   ist   auch   in   unserer  Ansicht  des  Piz  del  Corvo  wahrnehmbar. 

Die  Hauptmasse  des  Riffs  entspricht  der  Bildungszeit  der  dick- 
schichtigen Tuffe,  wie  aus  der  Anlagerung  derselben  hervorgeht. 
An  der  heteropischen  Grenze  kommen  die  eigenthümlichen,  bereits 
öfters  erwähnten  Kalkbreccien  mit  tuffigem  Bindemittel  vor,  deren 
Entstehungsweise  hier  vollkommen  klar  ist.  Der  Kalk  der  Breccien 
stimmt  nämlich  mit  dem  nur  wenig  dolomitischen  Kalk  des  Riffs 
überein,  so  dass  es  keinem  Zweifel  unterliegen  kann,  dass  die  kal- 
kigen Bruchstücke  der  Breccien  als  abgerissene  Fragmente  des 
Riffs  zu  betrachten  sind.  Diese  Breccien  kommen,  wie  wiederholt 
erwähnt  worden  ist,  immer  in  Verbindung  mit  Augitporphyrlaven 
oder  dickschichtigen  Tuffen,  und  zwar  in  der  Regel  an  der  Basis 
derselben  vor.  Man  kann  sich  nun  leicht  vorstellen,  dass  die  zäh- 
flüssige Lava  den  am  Fusse  der  Riffe  aufgehäuften  Schutt  in  sich 
aufnahm  und  mit  demselben  beladen  weiterfloss. 

Das  Camera-Riff  ist  das  kleinste  unter  allen  in  diesem  Buche 
zu  besprechenden  Riffen.  Weist  auch  die  Steilwand,  mit  welcher  es 
auf  der  Südseite  abbricht,  auf  eine  bestandene  Fortsetzung  in  dieser 
Richtung  hin,  so  geht  doch  aus  den  Aufschlüssen  am  linken  Corde- 
vole-Ufer  bei  Caprile  hervor,  dass  das  Riff  sich  niemals  bis  in  diese 
Gegenden  erstreckte.  Die  unmittelbare  Fortsetzung  ist  denudirt  und 
vielleicht  liegen  einige  kleine  südliche  Ausläufer  versenkt  unter  den 
Wengener  Schichten  von  Selva. 

Die  Thaltiefe  des  Fiorentina-Thales  bei  Selva  und  Pescul 
wird  nämlich  in  Folge  einer  am  nördlichen  Thalgehänge  in  ostwest- 
licher Richtung   hinlaufenden  Bruchlinie,    welche  ich   als  die  Fort- 


Die  Hochalpen  von  Zotdo,  Agordo  und  Primlei 

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Die  Hochalpen  von  Zoldo,   Agordo  und  Primiero.  '3^5 

Setzung  des  Antelao-Bruches  betrachte,  von  Wengener  Schichten 
gebildet,  welche  mit  nördlichem  Einfallen  die  Bellerophon-Schichten 
bei  Selva  und  dann  die  Werfener  Schichten  nächst  Pescul  zu  unter- 
teufen scheinen.  Unweit  der  Stelle,  wo  das  Camera-Riff  endet,  ver- 
schwinden nacheinander  Werfener  Schichten,  Muschelkalk  und 
Buchensteiner  Schichten  an  der  Bruchlinie  und  auf  der  ganzen 
Strecke  zwischen  Monteval  bei  Pescul  bis  zum  Col  Bangies  bei 
S.  Vito  stossen  die  südlichen  Wengener  Schichten  mit  den  dick- 
schichtigen  Tuffen,  welche  die  Unterlage  der  Rocchetta-Masse 
bilden,  widersinnisch  gegen  dieselben  einfallend,  zusammen. 


2.  Die  Hochfläche  von  Zoldo  und  der  Pelmo. 

Südlich  von  der  eben  erwähnten  Bruchlinie  breitet  sich  ein 
grasreiches,  vorherrschend  aus  Wengener  Tuffsandsteinen  bestehen- 
des Hochland  aus,  welches  entsprechend  der  identischen  Boden- 
beschaffenheit ausserordentlich  an  die  Seisser  Alpe  und  an  das 
Badioten-Hochplateau  erinnert.  Die  Uebereinstimmung  mit  diesen 
Landschaften  würde  noch  viel  schlagender  hervortreten,  wenn  sich 
hier  nicht  ein  gewaltiger  Denudations-Relict  von  Dachsteinkalk  er- 
halten hätte,  welcher  dem  Sandstein-Plateau  in  seiner  Mitte  frei 
aufgesetzt  ist. 

Ueber  looo  Meter  hoch  erhebt  sich  mit  allseits  schroff  ab- 
fallenden Wänden  der  mächtige,  einer  abgestumpften  Riesenpyramide 
vergleichbare  Kalksteinblock  des  Pelmo  (3163  Meter)  über  der 
grünen,  sanft  contourirten  Hochfläche,  ein  Bild  unbeschreiblicher 
Grösse  und  Erhabenheit.  Stünde  der  Pelmo  in  einer  Kette  von 
Kalkbergen,  so  würde  sein  kühner,  massiver  Bau  zwar  immer  noch 
imponiren,  aber  er  besässe  längst  nicht  den  eigenthümlichen  Reiz, 
welchen  seine  vollkommen  isolirte  Lage  auf  einem  sanften,  rasen- 
bedeckten Sockel  durch  die  Macht  der  hier  wirkenden  Gegensätze 
ihm  verleiht.  In  fast  söhliger  Lagerung,  allseits  etwas  gegen  das 
Innere  des  Berges  geneigt  und  von  einigen  Verwerfungen  durchsetzt, 
bauen  sich  die  ungezählten  Bänke  des  Dachsteinkalkes  übereinander. 
Die  schmalen,  unmerkbar  gegen  oben  zurücktretenden  Schichten- 
bänder gestatten,  allerdings  oft  auf  langwierigen  Umwegen,  den  Zu- 
tritt in  das  Innere  dieses  prächtigen  Felsenthurmes  und  auf  dessen 
luftige  Höhe.  Ich  habe  in  Gesellschaft  der  Herren  Dr.  Ed.  Reyer 
und  Dr.  Th.  Posewitz  im  Jahre  1875  den  Pelmo  von  Val  Ruton 
aus  bestiegen,  hauptsächlich,  um  zu  constatiren,  ob  nicht  bereits 
jurassische  Gesteine   den  Gipfel   desselben  bilden.     Wir  trafen  über 


2l6  Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

den  fossilreichen  Raibler  Schichten,  welche  das  kleine  Plateau  des 
Monte  Penna  bedecken,  aber  von  diesem  durch  eine  kleine  Verwer- 
fung getrennt  sind,  zunächst  lichte,  weisse,  gebänderte  Kalke,  etwas 
höher  lichte  Kalke  mit  schwarzen,  brecdenartig  eingestreuten  Frag- 
menten*), hierauf  eine  grosse  Masse  rother  und  gelber  Kalke  mit 
Durchschnitten  von  Gasteropoden  und  Rhynchonellen.  In  der  Gipfel- 
masse wechseln  graue  Kalke  mit  röthlichen  und  gelblichen  Bänken. 
Sichere  Liaskalke  wurden  nicht  gefunden,  doch  wäre  es  immerhin 
möglich,  dass  die  obersten  Schichten  bereits  liasisch  wären. 

Unter  den  Raibler  Schichten,  welche  auf  dem  Campo  Rutorto 
zahlreiche  Versteinerungen  (darunter  Trigottia  Kefersteini  und  ein 
kleiner  Megalodus  besonders  häufig)  enthalten,  liegt  in  den  Um- 
gebungen des  Pelmo  ein  lichter,  geschichteter  Kalk,  welcher  den 
obersten  geschichteten  Partien  des  Cassianer  Dolomits  der  Rocchetta-, 
Nuvolau-  und  SettSass-Gruppe  entspricht  und  die  für  dieses  Niveau 
charakteristischen,  weissen  Oolithbänke  fuhrt.  Am  Monte  Penna 
und  in  der  dislocirten  Scholle  nächst  der  Forcella  Forada  deuten 
grüne  Rasenbänder  zwischen  den  felsigen  Kalkbänken  auf  Einlage- 
rungen von  mergeligen  Schichten  hin.  Die  Mächtigkeit  dieses 
korallenführenden  und  stellenweise  in  echten  Riflfkalk  (Cipitkalk) 
übergehenden  Kalkes  ist  unterhalb  der  Pelmo-Masse  eine  sehr 
unbedeutende,  wie  der  schöne  Aufschluss  auf  der  Westseite  des 
Pelmo  deutlich  zeigt.  Am  Monte  Penna  und  an  der  auf  dem  Ge- 
hänge gegen  die  Boita  abdachenden  Platte  dagegen  nimmt  dieselbe 
sichtlich  zu. 

Diese  Kalke  scheinen  direct  auf  den  Wengener  Tuffsandsteinen 
zu  ruhen.  Wenigstens  ist  sicher,  dass  Tuffsandsteine  sehr  hoch  bis 
an  die  Kalke  hinanreichen.  Die  Grenze  ist  leider,  so  weit  ich  meine 
Beobachtungen  ausdehnen  konnte,  überall  durch  Schutt  oder  Vege- 
tation verdeckt. 

Den  sehr  mächtigen  Wengener  Tuffsandsteinen  ist  in  Zoldo 
alta  eine  bald  mehr  bald  weniger  dolomitische  Kalkbank  einge- 
schaltet, welche  an  einigen  Punkten,  so  oberhalb  Coi,  eine  oolithische 
Structur  annimmt  und  die  gewöhnlichen  Fossilien  der  Riffkalke 
enthält.  Dieser  dolomitische  Kalk  bildet  den  Monte  Croto  an  der 
Forcella  di  Staulanza  und  die  beiden  Kalkzüge  auf  der  Ost-  und 
Westseite  des  oberen  Zoldo,  welche  offenbar  einst  untereinander 
und  mit  einem  westlich  gelegenen  grossen  Riffe  zusammenhingen 
und   blos   durch   die  Denudation   isolirt   wurden.     Das  Wahrschein- 


•)  Diese  Bänke  entsprechen  wol  den  von  Dr.  Hoernes  in  Val  Travernanzes, 
dann  in  ValOten,  in  Val  diRin  und  auf  dem  Anteiao  gefundenen  fossilreichen  Schichten. 


Die  Hochalpeo  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiei 


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jig  Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

lichste  ist  wol,  dass  wir  es  hier  mit  einer  weit  ausgreifenden  Zunge 
des  grossen  Primiero-Riffes  zu  thun  haben,  welche  in  nächster  Nähe 
unterhalb  der  Masse  der  Civetta  endet.  Am  Monte  Croto  und  an 
vielen  anderen  Stellen  zeigt  das  Gestein  ausgezeichnete  Blockstructur. 
Die  isolirte  kleine  Kalkmasse  des  Monte  Triof  bei  Brusadaz  ist  wol 
nur  eine  dislocirte  Scholle  des  eben  besprochenen  Kalkflötzes. 

In  den  die  Basis  der  Wengener  Schichten  bildenden  dickschich- 
tigen Tuffen  kommen  conglomeratische  und  sandsteinartige  Bänke 
mit  Einschlüssen  von  Augitporphyren,  rothen,  felsitischen  Porphyren 
und  Kalken  vor.  Quarzkrystalle  sind  häufig.  Manche  hierher  gehörige 
grobe  Sandsteine  erinnern  an  Verrucano-Gesteine.  Einschlüsse  von 
rothen  Porphyren  reichen  in  diesen  südlichen  Gegenden  vereinzelt 
durch  die  ganze  Reihe  der  Wengener  Schichten.  Sie  stammen  wol, 
da  im  Norden  derartige  Gesteine  weder  als  Laven  noch  als  Ein- 
schlüsse vorkommen,  aus  südlicheren,  gegenwärtig  von  jüngeren  Bil- 
dungen bedeckten  Regionen.  Zu  Gunsten  dieser  Vermuthung  lässt 
sich  anfuhren,  dass  bei  Recoaro  im  Vicentinischen  thatsächlich 
Laven  von  übereinstimmenden  oder  wenigstens  sehr  nahe  stehenden 
rothen   Porphyren   im   Niveau   der   Wengener   Schichten   auftreten. 

Eine  verhältnissmässig  sehr  bedeutende  Mächtigkeit  erreichen 
in  den  Buchensteiner  Schichten  von  Zoldo  die  eigenthümlichen, 
grünen,  unter  der  Bezeichnung  Pietra  verde  bekannten  Tuffgesteine, 
gegenüber  welchen  die  Bänderkalke  und  Knollenkalke  sehr  zurück- 
treten. Das  weithin  kenntliche,  auffallende  Gestein  erleichtert  ausser- 
ordentlich die  Orientirung  in  dem  stark  dislocirten  Gebiete  nördlich 
von  der  Valsugana-Spalte.  Die  schwache  Vertretung  der  Pietra 
verde  in  unseren  nördlichen  Gebietstheilen  und  das  sichtliche  An- 
wachsen derselben  in  der  Richtung  gegen  Süden  deuten  auf  südlich 
gelegene,  heute  ebenfalls  von  jüngeren  Ablagerungen  verdeckte 
Ursprungsstätten  (Eruptionsstellen)  dieser  Tuffgesteine  hin. 

Die  auffallende  Mächtigkeit  und  ausgedehnte  Verbreitung  des 
Muschelkalks  in  Zoldo  ist  wol  nur  theilweise  auf  Rechnung  einer 
wirklich  bedeutenderen  verticalen  Höhe  desselben  zu  setzen.  Die 
Hauptursache  dürfte  in  zahlreichen,  der  Valsugana-Spalte  parallelen 
Längsverwerfungen  zu  suchen  sein,  in  Folge  welcher  sich  die 
Schichten  mehrfach  übereinander  wiederholen.  Der  obere  Muschel- 
kalk wird  hier,  wie  in  Buchenstein,  durch  einen  lichtgrauen  Kalk  gebil- 
det, welcher  durch  Wechsellagerung  allmählich  in  den  dunkelgrauen, 
sandigen,  flimmernden  unteren  Muschelkalk  übergeht,  der  bei  Dont 
die  bekannten,  durch  Fr.  v.  Hauer  beschriebenen  Cephalopoden 
führt.  Diese  grauen,  flimmernden  Kalke,  welche  durch  ihre  Schich- 
tungs-Verhältnisse  und   durch   ihre  Verwitterungsfarbe   sehr  an  die 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  ^ig 

kalkreichen  Werfener  Schichten  unseres  Gebietes  erinnern,  nehmen 
zwischen  Val  Infema  und  dem  Pizzo  Zuel  den  hauptsächlichsten 
Antheil  an  der  Zusammensetzung  des  Muschelkalks.  Zwischen  ihnen 
und  den  echten,  hier  nur  in  sehr  beschränkten  Schollen  erscheinen- 
den Werfener  Schichten  liegen  noch  die  rothen,  theils  dolomitischen, 
theils  sandsteinartigen  Schichten  des  unteren  Muschelkalks.  Die  sonst 
mit  diesen  Gesteinen  in  Verbindung  stehenden  Conglomerate  erinnere 
ich  mich  nicht  in  Zoldo  gesehen  zu  haben. 

Die  tektonischen  Verhältnisse,  unter  denen  die  tieferen  Trias- 
glieder im  Süden  des  Pelmo  erscheinen,  sind  in  Folge  der  hier 
eintretenden  Zersplitterung  der  grossen  Bruchlinie  ausserordentlich 
complicirt.  Unsere  Karte  gibt  nur  ein  generelles,  etwas  schemati* 
sirtes  Bild  dieser  Störungen,  welches  zwar  im  grossen  Ganzen  richtig, 
im  Detail  aber  noch  mancher  Verbesserung  und  Ergänzung  durch 
localisirte  Aufnahmen  bedürftig  ist. 

Zunächst  ist  einer  aus  der  Gegend  von  Fusine  über  Zopp6 
nach  Soceroda  verlaufenden  Verwerfung  zu  gedenken,  in  Folge 
welcher  ein  Streifen  von  Buchensteiner  Kalk  mit  Pietra  verde  in- 
mitten der  dickschichtigen  Wengener  TuiTsandsteine  erscheint.  Die 
Fortsetzung  dieser  Störungslinie  ist  am  Ausgange  des  Val  dell'  Oglio 
bei  Vodo  durch  das  Auftauchen  der  dickschichtigen  Tuffe  mitten  aus 
den  '  höheren  Wengener  Sandsteinen  angedeutet.  Von  da  setzt  die 
Verwerfung  über  das  Thal  der  Boita  hinüber,  wo  sie  das  abermalige 
Erscheinen  der  Buchensteiner  Schichten  veranlasst 

Die  folgende,  mit  der  eben  erwähnten  annähernd  parallel 
streichende  Verwerfung  ist  die  Fortsetzung  der  Hauptspalte  des  Piave- 
Thales.  Sie  läuft  am  Südabhange  des  Coli*  Alto,  des  Col  Duro 
und  des  Monte  Punta  gegen  den  Pizzo  Zuel. 

Der  von  diesen  beiden  Verwerfungslinien  eingeschlossene  Ge- 
birgskörper,  welcher  die  nördliche  Thalwand  der  orographischen 
Thalsenkung  Zoldo — Forcella  Cibiana — Valle  bildet,  ist  selbst  wieder 
von  zahlreichen  Verwerfungen  minderer  Ordnung  durchsetzt.  Die 
meiste  Beachtung  verdient  der  auffällige,  mit  einer  horizontalen  Ver- 
schiebung der  Spaltenränder  verbundene  Querbruch  von  Val  In 
fema,  auf  welchem  sich  die  ehemals  schwunghaft  ausgebeuteten 
gegenwärtig  aber  ausser  Betrieb  stehenden  Blei-  und  Zinkerzgänge 
von  Arsiera  befinden.  Der  östlich  von  der  Querspalte  gelegene  Ge- 
birgstheil  des  Coli'  Alto  ist  von  mehreren  Längssprüngen  durch- 
setzt, an  denen  das  Gebirge  staffelformig  gegen  Süden  absinkt.  Ein 
von  der  Forcella  Cibiana  über  den  Coli'  Alto  gezogener  Quer- 
schnitt zeigt  in  Folge  dessen  über  den,  durch  die  Hauptlängsspalte 
begrenzten  Wengener  Schichten,  welche  die  Einsattlung  der  Forcella 


320  l^ic  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Cibiana  erfüllen,  eine  dreimalige  Wiederholung  der  Buchensteiner 
Schichten.  Weiter  nordöstlich  gegen  den  Monte  Rite  zu  fehlen  die 
beiden  unteren  Züge  der  Buchensteiner  Schichten.  Die  auffallend 
grosse  Mächtigkeit  des  Muschelkalks  lehrt  aber  deutlich,  dass  die 
dem  mittleren  Streifen  der  Buchensteiner  Schichten  entsprechende 
Längsverwerfung  hier  jedenfalls  noch  durchsetzt  und  eine  Wieder- 
holung des  Muschelkalks  bewirkt. 

Den  Verlauf  der  aus  dem  Gebiete  von  Cadore  nach  Zoldo 
fortsetzenden  Hauptbruchspalte  lässt  die  Karte  deutlich  erkennen. 
Die  heutige  Thaltiefe  fällt  nicht  mit  dem  Bruche  zusammen,  sondern 
zieht  sich  bis  Val  Infema  südlich  davon  in  den  leicht  erodirbaren 
Wengener  Schichten  hin,  welche  die  Unterlage  des  im  Süden  fol- 
genden Dachsteinkalk-Gebirges  bilden.  Am  Querbruche  von  Val 
Infema  schneiden  die  Wengener  Schichten  am  unteren  Muschelkalk 
ab,  in  dessen  tiefsten,  rothgefärbten  dolomitischen  Lagen  Cephalo- 
poden-Einschlüsse  nicht  selten  sind.  Wir  kennen  von  dieser  Stelle 
ausser  einigen  noch  unbenannten  Arcesten  und  Ptychiten: 

Ptychites  Studeri  Hau. 
Lytoceras  sphaerophyllum  Hau. 

Weiter  westlich  bis  in  die  Gegend  von  Cercena  bezeichnet 
ein  Streifen  von  Buchensteiner  Schichten  mit  reichUcher  Pietra  verde 
den  Verlauf  der  Hauptspalte. 

Bereits  im  Thale  von  Cibiana,  am  Nordfusse  des  Monte  Sfor- 
nioi  stellt  sich  eine  südliche,  der  Hauptspalte  parallele  Nebenspalte 
ein,  auf  welcher  in  der  Gegend  der  Forcella  Cibiana  Buchensteiner 
Schichten  als  Begrenzung  der  südlichen  Dachsteinkalk-Massen  er- 
scheinea  Diese  Buchensteiner  Schichten  gehören  demselben  Streifen 
an,  welcher,  wie  eben  erwähnt  wurde,  westlich  von  Val  Infema  die 
Hauptspalte  auf  der  Südseite  begrenzt.  Die  südliche  Nebenspalte 
endet,  ebenso  wie  die  Hauptspalte,  in  der  Gegend  von  Cercena 
bei  Dont. 

Zwischen  Bragarezza,  Astragal,  Resinera  und  Cercena  findet 
sich  im  Süden  der  südlichen  Nebenspalte  noch  eine  grössere  dislo- 
cirte  Scholle  von  Werfener  Schichten  und  unterem  Muschelkalk,  in 
deren  Mitte  Dont  liegt.  Diese  selbst  wieder  von  zahlreichen  kleineren 
Verwerfungen  durchsetzte  Masse  ist  zwischen  Bragarezza  und  Resi- 
nera durch  einen  Bruch  von  den  angrenzenden,  die  Thalsohle 
der  Gegend  von  Fomo  di  Zoldo  bildenden  Wengener  Schichten 
geschieden. 

Die  Gegend  von  Dont  wird  in  der  Literatur  mehrfach  genannt« 
W.  Fuchs  theilt  in  seinem  Werke  über  die  Venetianer  Alpen  ein 
Profil  über  den  Monte  Zuel  mit,  in  welchem  er  die  Pietra  verde  als 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  92 1 

ein  intrusives,  die  Werfener  Schichten  durchsetzendes  Ganggestein 
{,Aphanit*)  darstellt.  Die  Stelle,  auf  welche  die  Fuchs'sche  Zeich- 
nung sich  bezieht,  befindet  sich  offenbar  nördlich  von  Dont  an  der 
Strasse  nach  Zoldo  alta,  wo  der  steil  aufgerichtete,  von  Bruchlinien 
im  Norden  und  Süden  begrenzte  südliche  Zug  der  Buchensteiner 
Schichten  das  Thal  verquert.  Aus  dieser  Gegend  stammen  auch  die 
von  W.  Fuchs  gesammelten  und  von  Fr.  v.  Hauer  beschriebenen 
Muschelkalk-Cephalopoden.  Die  bereits  erwähnte  lithologische  Aehn- 
lichkeit  des  unteren  Muschelkalks  und  der  Werfener  Schichten,  so- 
wie die  sehr  complicirten  Lagerungs- Verhältnisse  dieser  Gegend 
erklären  und  entschuldigen  die  Angabe  von  W.  Fuchs,  dass  die 
Cephalopoden  aus  den  oberen  Lagen  der  Werfener  Schichten 
stammen.  Ich  habe  die  Cephalopoden  des  unteren  Muschelkalks  in 
anstehendem  Gestein  in  der  schmalen,  steil  aufgerichteten  Zunge 
zwischen  den  beiden,  sich  bald  darauf  vereinigenden  Zügen  von 
Buchensteiner  Schichten  an  der  Strasse  nach  Zoldo  alta  beobc^chtet. 
Es  ist  sehr  bedauerlich,  dass  diese  reichliche  Fundstelle  sich  nicht 
in  einem  normalen,  ungestörten  Lagerungs-Verbande  befindet. 

Die  wichtigsten,  hier  gefundenen  Fossilien  sind: 

Nautilus  Pichleri  Hau. 
Ptychites  Dontianus  Hau. 

„         dotnatus  Hau. 
Trachyceras  binodosum  Hau. 

Zoldianutn  Mojs. 

Cadoricum  Mojs. 

Loretzi  Mojs. 
Lytoceras  sphaerophyllum  Hau. 

Am  Pizzo  Zuel  erreichen  die  geschilderten  Verwerfungslinien 
ihr  westliches  Ende;  die  dickschichtigen  Tuffe  und  Wengener 
Schichten  streichen  senkrecht  auf  die  Richtung  der  Verwerfungs- 
linien durch  und  stellen  die  Verbindung  des  hochzoldianischen  Sand- 
stein-Plateau's  mit  dem  westlich  von  Val  Pramper  gelegenen  und 
von  der  Dachsteinkalk-Masse  des  Monte  S.  Sebastiano  überlagerten 
Gebiete  her. 

Die  Fortsetzung  der  grossen  Bruchlinie  ist  hier  um  einen 
beträchtlichen  Betrag  gegen  Süden  verschoben.  Etwas  westlich, 
unterhalb  des  Moscosin-Passes,  welcher  aus  Val  Pramper  nach  Agordo 
führt,  setzt  wieder  eine  grosse  Bruchspalte  an,  welche  nun  ununter- 
brochen bis  Valsugana  verfolgt  werden  kann.  Wir  werden  aut 
diese  Uebersetzung  der  Bruchlinie  in  einem  späteren  Capitel  zurück- 
kommen. 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  31 


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322  I^'C  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Um  den  Zusammenhang  der  Darstellung  nicht  allzu  sehr  zu 
zerreissen,  soll  hier  noch  erwähnt  werden,  dass  das  von  dem  Pram- 
per  und  Duram-Bach  umschlossene  Gebiet  einfache,  fast  ungestörte 
Lagerungsverhältnisse  besitzt  und  vollständig  rifffrei  ist.  Die  Cassia- 
ner  Schichten  sind  durch  dunkle  Mergelschiefer  vertreten,  welche 
sich  nur  schwer  von  dem  tieferen  mächtigen  Complexe  der  Wen- 
gener  Sahdsteine  trennen  lassen.  Ueber  den  Cassianer  Schichten 
lagern  sodann  vollkommen  concordant,  als  Unterlage  des  Dachstein- 
kalks, die  rothen  Raibler  Schichten. 


3.   Das  linke  Cordevole-Ufer  zwischen  Caprile  und  Agordo. 

(Civetta-Oruppe  und  Monte  S.  SebaBtiano.) 

Der  ganze  Oberlauf  des  Cordevole,  von  Cencenighe  aufwärts^ 
fällt  in  eine  Region,  welche  durch  zahlreiche,  der  jeweiligen  Rich- 
tung des  Flusses  und  dem  Hauptstreichen  der  Schichten  parallele 
Verwerfungen  ausgezeichnet  ist.  Da  nun  im  Allgemeinen  das  obere 
Cordevole -Thal  einen  meridionalen  Verlauf  besitzt,  während  in 
den  benachbarten  Gebirgsregionen  westöstliches  Streichen  der 
Schichten  und  der  topographischen  Formen  die  Regel  ist,  so  ent- 
stehen an  der  Interferenz  mit  der  Cordevole-Linie,  welche  man  als 
eine  Senkungslinie  bezeichnen  kann,  ziemlich  complicirte  tektonische 
Verhältnisse.  Der  Einfallswinkel  der  Schichten  in  der  meridionalen 
Senkungs-Rfegion  ist  in  der  Regel  gegen  Osten  gerichtet  und  sinken 
die  durch  Verwerfungslinien  begrenzten  Längsschollen  treppenförmig 
gegen  Westen  ab.  Ein  ausgezeichnetes  Beispiel  für  diese  Erschei- 
nung liefert  das  im  VIII.  Capitel  (Seite  253  u.  fg.)  besprochene  linke 
Gehänge  von  Buchenstein  zwischen  Caprile  und  Andraz. 

Wir  haben  zunächst  die  westlichen  Abhänge  des  Monte  Fer- 
nazza  zwischen  dem  bei  Caprile  mündenden  Fiorentina-Thal  und 
AUeghe  zu  betrachten. 

Dieser  Gebirgstheil  stellt  sich  als  ein  Aufbruch  der  unter  den 
Wengener  Schichten  lagernden  Schichtcomplexe,  abwärts  bis  tief 
in  die  Werfener  Schichten  hinein,  dar.  Innerhalb  dieses  halbkreis- 
förmigen Aufbruches  findet  sich  bei  Caprile  eine  Partie  von  Augit- 
porphyrlaven  mit  linsenförmigen  Einlagerungen  von  lichtem  Kalk 
und  Dolomit.  Es  ist  die  durch  den  Cordevole  unterbrochene  Fort- 
setzung der  Augitporphyrlaven  des  Sasso  Bianco,  welche  hier  theils 
an  den  Werfener  Schichten,  theils  (nördlich  von  Caprile)  am  Muschel- 
kalk-Dolomit abbricht.  Weiter  thalabwärts  liegt  eine  kleine,  aus  der 
regelmässigen  Schichtfolge:  Muschelkalk,  Buchensteiner  Schichten 
und  Augitporphyrlava   bestehende   Scholle   am   untersten   Gehänge 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  ^23 

des 'Berges  dicht  am  Cordevole.  Unterhalb  Calloneghe  tritt  sodann 
der  Südflügel  des  Aufbruches  an  den  hier  die  Thalsohle  des  Corde- 
vole erfüllenden  AUeghe-See  und  ein  den  Augitporphyrtuflfen  ein- 
gelagertes Kalkflötz  (Knollenkalke  und  Breccien),  welches  augen- 
scheinlich westlich  des  See's  seine  Fortsetzung  findet,  gestattet  zu 
erkennen,  dass  an  dieser  Stelle  die  Gebirgsschichten  des  linken  und 
rechten  Cordevole-Ufers  tektonisch  zusammenhängen. 

Zwischen  Caprile  und  Calloneghe  ist  sonach  das  Gebirge  auf 
der  Innenseite  des  Aufbruches  der  unteren  Trias-Schichten  abge- 
brochen und  in  die  Tiefe  gesunken.  Die  Scholle  oberhalb  Callo- 
neghe ist  ein  in  der  Dislocations-Spalte  eingeklemmter  Gebirgstheil. 
Dieser  Einbruch  setzt  sich  westlich  von  Caprile  im  Val  Pettorina 
unter  gleichen  Verhältnissen  bis  nach  Sottoguda  fort,  was  wir,  der 
späteren  Darstellung  vorgreifend,  hier  schon  erwähnen  wollen. 

Die  im  Süden  von  Alleghe  gelegene,  meridional  streichende 
Civetta-Gruppe  ist  im  Westen  zwischen  Val  Lander  und  Cencenighe 
■gleichfalls  durch  eine  grössere  Verwerfung  begrenzt,  an  welcher 
ein  Streifen  norischer  Bildungen  abgesunken  ist.  Im  Norden  bei 
Alleghe  sind  es  Buchensteiner  Schichten  und  Wengener  Tuffe, 
weiter  südlich  erscheint  eine  ziemlich  starke  Dolomitmasse  im  Liegen- 
den eines  schmalen  Streifens  von  Tuffen.  Den  Dolomit  habe  ich  als 
unteren  Wengener  Dolomit  aufgefasst  und  betrachte  ich  denselben 
als  einen  unter  die  Tuffe  eingreifenden  Ausläufer  des  nebenan  sich 
erhebenden  Primiero-Riffes.  Im  Süden  bricht  diese  Scholle  scharf 
ab  und  an  die  Stelle  derselben  treten  nun  Werfener  Schichten, 
von  denen  aber  nur  die  höchst  gelegenen,  unmittelbar  unter  der 
Steilwand  des  Monte  Alto  di  Pelsa  befindlichen  Partien  im  normalen 
tektonischen  Verbände  mit  der  Hauptmasse  des  Gebirges  stehen, 
während  die  tiefer  am  Gehänge  erscheinenden  Werfener  Schichten 
vielfach  zu  Schollen  zerstückt  sind.  Man  bemerkt  deutlich  von  der 
von  Cencenighe  nach  Alleghe  fuhrenden  Strasse  aus,  dass  sich  ein 
schmaler  Saum  rother  Schichten  unterhalb  der  oberen  Dolomit- 
massen aus  dem  Gebiete  der  Werfener  Schichten  in  die  Gegend 
fortzieht,  in  welcher  die  Werfener  Schichten  durch  die  geschilderte 
Längsscholle  norischer  Ablagerungen  verdeckt  sind.  Ich  halte  diese 
rothen  Schichten  für  unteren  Muschelkalk.  Vielleicht  kommen  aber 
unterhalb  des  unteren  Muschelkalks  noch  einige  Bänke  der  Werfener 
Schichten  zum  Vorschein.  Gegen  Alleghe  und  Val  Lander  zu  verlieren 
sich  die  rothen  Schichten,  wie  es  scheint,  gänzlich.  Da  aber  die 
obere  Dolomitmasse  in  gleicher  Breite  und  Stärke  fortsetzt,  so  habe 
ich  ein  regelmässiges  Fortstreichen  von  Muschelkalk-  und  Buchen- 
steiner Dolomit  bis  an  die  Verwerfung  von  Val  Lander  angenommen. 

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Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 


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Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  ^2j 

Gegen  den  Coldai-Pass  zu,  über  welchen  die  Wengener  Sand« 
steine  nach  Zoldo  fortziehen,  verliert  sich  die  Verwerfung.  Denn 
die  auf  dem  Passe  anstehenden  Wengener  Schichten  greifen  augen- 
scheinlich ebenso  unter  den,  ausgezeichnete  Blockstructur  zeigenden 
Dolomit  des  Monte  Coldai,  wie  sie  auch  den  Dolomit  von  Roa 
Bianca  unterteufen. 

Wer  nur  einigermassen  mit  den  chorologischen  Verhältnisseu 
unseres  Gebietes  vertraut  ist,  wird  sofort  beim  Anblick  der  formen- 
schönen Civetta-Gruppe  erkennen,  dass  die  mächtige,  ungeschichtete 
Dolomitmasse,  welche  sich  über  den  Werfener  Schichten  auf  der 
Westseite  der  Gruppe  erhebt,  ein  aufwärts  bis  zu  den  Raibler 
Schichten  reichendes  Riff  darstellt.  Schon  aus  grösserer  Feme 
unterscheidet  man  leicht  die  wolgeschichtete  Gipfelmasse  des  Monte 
Civetta  mit  der  charakteristischen  Tracht  des  Dachsteinkalks  und 
darunter  die  plateauförmig  weit  gegen  Westen  vorspringende  Masse 
des  ungeschichteten  Dolomits.  Da,  wie  wir  sehen  werden,  die 
Böschungsiläche  des  Riffes  gegen  Osten  gekehrt  ist  und  da  femer 
auch  ein  geringes  Einfallen  nach  derselben  Richtung  stattfindet,  so 
ist  es  leicht  verständlich,  dass  der  Westrand  des  Dolomitplateau's 
eine  erhöhte  Kante  bildet.  So  individualisirt  sich  die  untere  und 
obere  Hälfte  derselben  Bergmasse.  Der  Dachsteinkalk  erhebt  sich  wie 
ein  unabhängiges  Gebirge  über  dem  Dolomitmassiv,  dessen  höchsten 
frei  aufragenden  Gipfel  der  Monte  Alto  di  Pelsa  (2420  Meter)  bildet. 

Die  Ostseite  der  Civetta-Gruppe  bietet  ein  wesentlich  verschie- 
denes Bild.  Der  Dolomit  ist  verschwunden  und  an  seiner  Stelle  er- 
scheinen  die   weichen  Formen    der  Mergel-    und   Sandstein-Facies. 

Von  dem  Höhenrücken  der  Roa  Bianca,  welcher  auch  eine  treff- 
liche Ansicht  des  nahen  Pelmo  darbietet,  sieht  man  deutlich,  wie  sich 
der  Dolomit  des  Monte  Coldai  auf  der  Zoldianer  Seite  rasch  aus- 
keilt, so  dass  dann  die  Raibler  Schichten  direct  der  Mergel-Facies 
der  Cassianer  Schichten  auflagern. 

Auch  im  Süden  ist  die  heteropische  Grenze  vortrefflich  ent- 
blösst.  Das  Dolomitriff  setzt  vom  Monte  Alto  di  Pelsa  durch  Val 
Comparsa  bei  Listolade  in  nahezu  söhliger  Lagerung  bis  zum  Monte 
Framont,  nördlich  von  Agordo.  Bei  S.  Cipriano  bemerkt  man  eine 
kleine  Querverwerfung,  an  welcher  das  Gebirge  im  Süden  etwas 
abgesunken  ist.  Bald  darauf,  nahe  am  Ausgange  des  bei  Pare 
mündenden  Thälchens  gelangt  man  zur  heteropischen  Grenze.  Ueber 
dem,  vorwiegend  aus  grauen  brachiopodenfiihrenden  Crinoidenkalken 
bestehenden  oberen  Muschelkalk  erscheinen  nun  die  durch  mäch- 
tige Einschaltungen  von  Pietra  verde  zu  ungewöhnlicher  Stärke 
anschwellenden     Buchensteiner    Schichten     und     über    diesen    die 


326  D's  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

dickschichtigen  Augitporphyrtuffe ,  welche  im  Westen  an  die 
Böschungsfläche  des  Rtfl'es  sich  anlehnen ,  im  Süden  des  Monte 
■  Framont  aber  unter  die  etwas  nach  Osten  vorgreifenden  oberen 
Partien  des  Dolomitriffs  hineinreichen.  Auf  der  Ostseite  des  Monte 
Framont  läuft  sodann  die  heteropische  Grenze  zwischen  dem  Dolo- 
mit und  den  Wen  gener  und  Cassianer  Schichten  hin.  Die  hier 
ziemlich  steil  geneigte  Böschungsfläche  des  Riffs  ist  deutlich  er- 
kennbar. Auf  unserem  Lichtbilde  (.Das  Ostgehänge  des  Monte 
Framont  bei  Agordo'),  welches  von  dem  .Nusak*  genannten, 
aus  Buchen  stein  er  Schichten  bestehenden  Höhenrücken  zwischen 
Torrenta  Rova  und  Pare  aufgenommen  ist,  sieht  man  die  An- 
lagerung der  Tufie  und  Wengener  Sandsteine  an  die  Böschungs- 
fläche des  Dolomitriffs.  Entsprechend  dem  Einfallswinkel  der  tiefer 
liegenden  Schichten,  namentlich  auch  des  Muschelkalks  und  der 
Werfener  Schichten,  welche  die  gemeinsame  Grundlage  der  beiden 
heteropischen  Regionen  bilden,  fallen  auch  die  dem  Riffe  angelager- 
ten Tufl'e  und  Wengener  Schichten  ziemlich  flach  nach  Norden, 
während  die  in  den  beiden  Felszacken  des  Monte  Framont  ausge- 
zeichnet hervortretende  Ueberguss-Schichtung  parallel  der  Böschungs- 
fläche des  Riffs  gegen  Osten  abfällt.  Die  rechts  im  Hintergrunde 
des  Bildes  sichtbare  lichte  Bergmasse  des  Monte  Mojazza,  welche 
aus  Dachsteinkalk  besteht  und  die  ununterbrochene  Fortsetzung 
der  Civetta  bildet ,  liegt  bereits  ausser  dem  Bereiche  des  Riffs, 
direct  auf  der  Sandstein-  und  Mergel-Facies  der  Wengener  und 
Cassianer  Schichten. 

Nur  im  Niveau  der  Cassianer  Schichten,  unmittelbar  unter  den 
Raibler  Schichten  zieht  sich  vom  Riff"  ein  schmaler  Ausläufer  öst- 
lich fort  bis  zum  Duram-Pass,  wo  auch  er  verschwindet.  Derselbe 
ist  aber  so  unbedeutend,  dass  er  den  angedeuteten  Charakter  des 
Gebirges  nicht  zu  aiteriren  vermag. 


Die  heunplachc  Qte 

Die« 

n  Monte  Prunoni  bei  A|0 

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r  Mu» 

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f  =  Au3nporphvriurtfi:/  = 

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928  ^ic  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Auffallend  war  mir  an  dieser  Riffgfrenze  das  Fehlen  der  in  den 
nördlichen  Riffen  nie  fehlenden  Cipitkalke.  Die  blockförmige  Zu- 
sammensetzung desDolomits  und  insbesondere  derUeberguss-Schich- 
ten  wiederholt  sich  zwar  auch  hier,  aber  selbst  unmittelbar  am 
Contacte  mit  den  Tuffen  und  Sandsteinen  erscheint  nur  dichtkömiger, 
lichter  Kalk  und  Dolomit,  welcher  scheinbar  ganz  fossilleer  ist 

Ausser  diesen  zwei  Punkten,  von  denen  der  eine  (Monte  Coldai) 
im  Norden,  der  andere  (Monte  Framont)  im  Süden  der  Civetta-Masse 
liegt,  ist  die  Riffgrenze  nirgends  entblösst  und  zwar  deshalb  nicht,, 
weil  die  ausgedehnte  mächtige  Dachsteinkalk-Decke  der  Civetta 
sich  gleichmässig  und  ununterbrochen  über  die  Plateauiläche  des 
Riffs  und  die  im  Osten  angrenzende  heteropische  Region  fortzieht. 
Verbindet  man  die  beiden  sichtbaren  Endpunkte  des  Riffs,  so  durch- 
schneidet die  Verbindungslinie  '  die  Dachsteinkalk-Massen  etwas  öst- 
lich von  dem  Hauptkamme  der  Civetta. 

Die  durch  die  Einsattlung  des  Duram-Passes  von  der  Civetta- 
Masse  getrennte  Dachsteinkalk-Masse  des  Monte  S.  Sebastiano  ruht 
ringsum  frei  auf  einem  völlig  rifflosen  Gebiete. 

Als  Cassianer  Schichten  wurden  hier  die  unter  den  Raibler 
Schichten  liegenden  dunklen  Mergelschiefer  betrachtet,  welche  sich 
an  den  wenigen  Stellen,  wo  sie  entblösst  sind,  ziemlich  gut  von 
den  tieferen  Wengener  Schichten  unterscheiden  lassen.  In  den  Wen- 
gener  Schichten  walten  die  gewöhnlichen  Tuffsandsteine  bei  weitem 
vor.   Fossilien  sind  auch  hier  spärlich. 

Trackyceras  doUriticum  Mojs, 

ladinum  Mojs, 
Archelaus  Lbe, 
Lytoceras   Wengcnse  Klp, 
Daanella  Lommeli   Wissm. 
Packycardia  rugosa  Hau. 
kommen   vereinzelt   vor.    Ein   eigenthümlicher  zäher,  gelber  Kalk, 
welcher  einige  den  Tuffsandsteinen  eingeschaltete  Bänke  bildet,  ent- 
hält die  Pachycardien  massenweisse. 

Die  Lagerungs- Verhältnisse  dieser  Schichtcomplexe  '  sind,  so- 
weit die  Natur  des  Gesteines,  die  häufige  Bedeckung  durch  Trümmer- 
halden des  Dachsteinkalks  und  die  reichliche  Vegetation  dies  zu 
erkennen  gestatten,  ziemlich  regelmässig.  Der  isolirte  Monte  Menar 
ist,  wie  es  scheint,  als  eine  abgerutschte  Scholle  des  Monte 
S.  Sebastiano-Massivs  zu  betrachten.  An  seiner  Westseite  kommen 
unterhalb  des  Dachsteinkalkes  auch  Raibler  Schichten  zum  Vor- 
schein. 


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Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  ^20 

In  den  älteren  Schichtcomplexen,  welche  an  den  unteren  Ge- 
hängen bis  zum  Quarzphyllit  hinab  aufgeschlossen  sind,  kommen 
kleine  Verschiebungen   und   Längsverwerfungen    nicht   selten    vor. 

Die  grosse  lithologische  Verschiedenheit  der  tieferen  Glieder, 
sowie  deren  verhältnissmässig  geringe  Mächtigkeit  sind  der  Erken- 
nung dieser  Störungen  sehr  günstig.  Ich  übergehe  hier  als  zu  un- 
wesentlich die  von  mir  beobachteten  Details  und  verweise  auf  die 
allerdings  etwas  schematisirte  Darstellung  der  Lagerungs- Verhält- 
nisse in  der  Karte.  Im  Allgemeinen  zeigen,  namentlich  im  Torrente 
CoUeda,  wo  der  Beilerophonkalk  eine  steile  Aufwölbung  erfährt, 
die  unteren  Schichtcomplexe  eine  steilere  Aufrichtung  der  Schichten. 

Der  untere  Muschelkalk  ist  hier  vorwiegend  durch  rothe  Sand- 
steine vertreten.  Die  Werfener  Schichten  besitzen  eine  auffallend 
geringe  Mächtigkeit.  Da  wir  die  gleiche  Beobachtung  bereits  in 
Cadore  machten,  so  dürften  wir  vielleicht  schliessen,  dass  die  Mäch- 
tigkeit dieser  Schichten  gegen  Südosten  abnimmt.  Der  Bellerophon- 
kalk  ist  durch  seine  typischen  Gesteinsarten  repräsentirt.  Gypse 
liegen  auch  hier  an  seiner  Basis.  Unter  dem  Grödener  Sandstein 
folgt  ein  allmählich  aus  demselben  sich  entwickelndes  Verrucano- 
Conglomerat,  welches  den  nordeinfallenden  Phyllit-Schichten  nächst 
dem  Ponte  alto  bei  Agordo  direct  aufruht  und  in  einem  kleinen 
Steinbruch  gut  aufgeschlossen  ist. 

Das  Thal  des  Torrente  Bordina  aufwärts  bis  zum  Moscosin- 
Pass  fällt,  wie  die  Karte  lehrt,  mit  dem  grossen  Valsugana-Bruche 
zusammen.  Scharf  brechen  hier  die  älteren  Formationsglieder  ab. 
Im  Süden  liegt  Dachsteinkalk,  welcher  steil  zur  Bruchspalte  abfällt. 

Ehe  wir  das  linke  Cordevole-Ufer  verlassen,  müssen  wir  noch 
des  Vorkommens  schwarzer  Erdpyramiden  im  Unterlaufe  des 
Torrente  Rova  erwähnen.  Es  findet  sich  daselbst  in  einer  Weitimg 
der  Thalschlucht  eine  grössere  ungeschichtete  Masse  von  Glacial- 
detritus,  welche  ihr  Material  hauptsächlich  aus  den  Wengener  Tuffen 
und  Sandsteinen  bezog.  Die  Pyramiden  sind  im  Uebrigen  völlig 
übereinstimmend  mit  den  gewöhnlichen  Vorkommnissen  dieser  Art. 

4.  Die  Gruppe  des  Cimon  della  Pala. 

(Primiero-Riff,   Cima  di  Pape.) 

In  dieser  grossartigen,  noch  wenig  bekannten  Gebirgsgruppe 
tritt  uns  die  grösste  zusammenhängende  Riffmasse  unseres  Gebietes 
entgegen.  Auf  drei  Seiten  sind  die  ursprünglichen  Grenzen  mehr 
oder  weniger  genau  bekannt.  Die  Ausdehnung  gegen  Osten  haben 
wir  soeben  kennen  gelernt.     Das  im  Osten  des  Cordevole  liegende 


330  I^Jc  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Riff  zwischen  Agordo  und  Alleghe,  welches  daselbst  den  unteren 
Theil  des  Gebirgskörpers  der  Civetta  bildet,  ist,  wie  bereits  erwähnt 
wurde,  die  lediglich  durch  die  Thalhöhlung  des  Cordevole  von  der 
am  rechten  Cordevole-Ufer  befindlichen  Hauptmasse  des  Riffs  ge- 
trennte Fortsetzung  des  Primiero-Riffs.  Im  Norden  bezeichnet  die 
Anlagerungshnie  der  Augitporphyrlaven  die  Begrenzung  nach  dieser 
Richtung.  Für  den  Süden  liegen,  wie  wir  sehen  werden,  einige  An- 
haltspunkte vor,  um  den  beiläufigen  Umfang  des  alten  Riffs  recon- 
struiren  zu  können.  Im  Westen  fehlen  jedoch  alle  Andeutungen 
einer  heteropischen  Grenze  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist 
die  isopische  Fortsetzung  des  Riffs  in  westlicher  und  nordwestlicher 
Richtung  denudirt. 

Mit  Ausnahme  der  Falle  di  San  Lucano,  welche  auf  ihrer 
Gipfelfläche  einen  deutlich  kennbarert  Denudationsrest  von  Raibler 
Schichten  und  Dachsteinkalk  tragen,  scheint  die  ganze  grosse 
übrige  Hauptmasse  dfer  Primiero-Gruppe  nur  mehr  aus  Bildungen 
zu  bestehen,  welche  den  Raibler  Schichten  im  Alter  vorangehen. 
Möglich  wäre  es  wol,  dass  sich  auf  dem  ausgedehnten,  theilweise 
vergletscherten  Hochplateau  zwischen  den  Falle  di  San  Martino 
und  dem  Coston  di  Miel  noch  einige  geringe  Reste  von  Raibler 
Schichten  und  Dachsteinkalk  erhalten  hätten,  was  durch  eine  Be- 
gehung dieses  schwer  zugänglichen  Gebietes  zu  constatiren  wäre. 
Bis  an  die  Ränder  dieses  Flateau  reicht  aber  allenthalben  der  massige, 
ungeschichtete  Dolomit  oder  dolomitische  Kalk.  Da  der  Dolomit 
unserer  Riffe  unter  dem  Einflüsse  der  Denudation  sich  stets  in 
abenteuerliche,  zackige  Felsnadeln  auflöst,  so  dürfen  wir  das  Plateau 
der  Falle  di  San  Martino  wol  für  einen  Rest  des  ursprünglichen 
Riffplateau  halten.  Von  dieser  Anschauung  ausgehend,  wurden  die 
obersten  Partien  des  Dolomitriffs  in  der  Karte  mit  der  Farbe  der 
Cassianer  Schichten  bezeichnet 

Die  Lagerungs- Verhältnisse  sind  ausserordentlich  einfach  und 
klar.  Von  einigen  nicht  bedeutenden  Verwerfungen  und  Knickungen 
abgesehen,  erwecken  die  an  der  Basis  des  mächtigen  Dolomit-Auf- 
satzes sichtbaren  Werfener  Schichten  meistens  die  Vorstellung  söh- 
liger Lagerung.  Die  bedeutenden  Höhendifferenzen  jedoch,  welche 
sich  für  die  Auflagerungsfläche  des  unteren  Muschelkalks  an  der 
Peripherie  der  Gebirgsgruppe  ergeben,  beweisen,  dass  dem  nicht  so 
sei.  Während  im  Nordwesten  zwischen  dem  Cimon  della  Pala  und 
der  Cima  di  Vezzana  der  untere  Muschelkalk  in  der  Höhenzone 
von  2200  bis  2300  Meter  liegt,  sinkt  derselbe  gegen  Süden  auf 
1500  bis  1600  Meter  (Südfuss  der  Rocchetta  nächst  dem  Cereda- 
Pass).  Noch  viel  bedeutender  ist  die  Senkung  in  der  Richtung  gegen 


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Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  ^ji 

Osten,  wie  aus  den  Höhenzahlen  für  Cencenighe  (775  Meter  nach 
Trinker)  und  Taibon    (617  Meter  nach  Trinker)    klar  hervorgeht. 

Die  an  die  Nordseite  des  Primiero-Riflfs  sich  anlagernde  Tuff- 
partie der  Cima  di  Pape  und  des  Cimone  della  Stia  bildet  den 
südlichsten  Theil  einer  zwischen  AUeghe  und  Sottoguda  sich  ab- 
zweigenden Bucht  des  grossen  badiotischen  Mergelbeckens.  Da 
gegenwärtig  der  Zusammenhang  durch  die  Denudation  im  Gebiete 
von  Val  di  Canali  völlig  aufgehoben  und  in  orographischer  Beziehung 
der  Zug  der  Cima  di  Pape  innig  mit  dem  Primiero-Riff  verbunden 
ist,  so  empfiehlt  es  sich,    beide  im  Zusammenhange  zu  besprechen. 

Wir  beginnen  im  Anschlüsse  an  die  Civetta-Gruppe  mit  den 
Palle  di  San  Lucano,  jenem  stolzen  Felsenberge,  welcher  im 
Panorama  von  Agordo  die  nordnordwestliche  Aussicht  sperrt  und 
durch  seine  Form  und  Tracht  das  Bild  des  Schiern  in  die 
Erinnerung  des  Beschauers  ruft.  Die  in  der  Tiefe  sich  schlucht- 
artig verengende  Erosionsrinne  des  Cordevole  trennt  die  Palle  di 
San  Lucano  von  dem  tafelförmig  abgestutzten  Dolomitberge  zwischen 
Val  Comparsa  und  dem  Cordevole,  welcher  das  Südcap  des  Monte 
Alto  di  Pelsa  bildet.  Durch  die  Lücke  blickt  von  Norden  her  der 
schwarze  Monte  Pezza  und  hoch  über  diesem  die  hohe  nackte  Fels- 
mauer der  Marmolata  in  den  tiefen  warmen  Thalkessel  von  Agordo. 

Der  Agordo  zugewendete  südliche  Steilabfall  der  Palle  di  San 
Lucano  lässt  bei  näherer  Betrachtung  (vgl.  das  Lichtbild  ,Die  Palle 
di  San  Lucano,  von  Agordo*)  in  der  Hauptmasse  des  Dolomits 
unterhalb  der  durch  dünne  Schichtung  ausgezeichneten  Raibler  und 
Dachsteinschichten,  welche  die  höchste  Gipfelpartie  zusammensetzen, 
Andeutungen  einer  dickbankigen  Schichtung  erkennen.  Die  jenseits 
des  Cordevole  gelegenen  Steilabstürze  oberhalb  Listolade  zeigen 
genau  correspondirend  die  gleichen  Schichtfugen.  Obwol  die  ein- 
zelnen Schichtenlinien  dem  Auge  von  ferne  vollkommen  regelmässig 
und  geradflächig  erscheinen,  so  setzen  dieselben  doch  nicht 
ununterbrochen  durch  die  ganze  Erstreckung  der  Wände  fort.  Hier 
verlieren  sich  die  Schichttheilungen  und  verschmelzen  mehrere  Bänke 
zu.  einer  Masse,  dort  theilt  sich  eine  Masse  in  eine  Anzahl  von  bald 
stärkeren,  bald  schwächeren  Bänken.  Die  Steilwände  am  linken 
Cordevole -Ufer  oberhalb  Listolade  zeigen  insbesondere  in  den 
höchsten,  unmittelbar  unter  den  Raibler  Schichten  gelegenen  Wand- 
partien eine  ziemlich  regelmässige  Theilung  in  dünnere  Bänke. 

Das  Thal  von  San  Lucano,  welches  ein  einfaches  Erosionsthal 
zu  sein  scheint,  durchschneidet  zwischen  Col  und  San  Lucano  das 
Primiero-Riff  in  annähernd  longitudinaler  Richtung  bis  zu  den  die 
Unterlage  des  Riffs  bildenden  Werfener  Schichten.    Der  Schnitt  fällt 


332 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 


nahezu  in  die  Mitte  des  hier  ausserordentlich  schmalen  Riffs.  Zur 
Beurtheilung  der  Breitenausdehnung  des  Riffs  gegen  Süden  gibt  uns 
der  Monte  Piss  vortreffliche  Anhaltspunkte.  Es  zeigt  nämlich  dieser 
Berg,  welcher  seiner  Lage  nach  dem  Monte  Framont  entspricht,  steil 
südlich  geneigte  Ueberguss-Schichtung,  welche  eine  nahegelegene 
heteropische  Grenze  mit  Sicherheit  andeutet.  Wir  dürfen  daher  wol 
annehmen,  dass  das  von  Osten  her  bei  Agordo  bis  an  den  Corde- 
vole  reichende  heteropische  Gebiet  sich  einstens  im  Süden  der 
Dolomitwände  des  Monte  Piss,  Monte  Agnaro  u.  s.  f.  in  die  heute 
bis  auf  den  Thonglimmerschiefer  denudirte  Landschaft  im  Westen 
des  Cordevole  fortsetzte.  Die  Nordg^renze  des  Riffs  wird  durch  die 
Augitporphyrlaven  und  Tuffe  der  Cima  di  Pape  bezeichnet.  Die 
Aufschlüsse  an  der  heteropischen  Grenze  sind  allenthalben  ausser- 
ordentlich klar  und  lehrreich. 

Vielleicht  den  besten  und  bequemsten  Einblick  in  die  gross- 
artig angelegten  Verhältnisse  dieses  Riffs  gewährt  der  Uebergang 
von  Val  di  San  Lucano  über  die  Forcella  Gesuretta  nach  Gares. 
In  der  Nähe  von  Col  gabelt  sich  das  Thal  von  San  Lucano.  Ein 
südwärts  gerichteter  Ast,  Val  d'Angoraz,  schneidet  tief  in  das 
Dolomitgebirge  ein.  Ihm  gegenüber  zieht  das  Val  di  Rejane  bis 
oberhalb  Pont  in  nördlicher,  dann  in  westlicher  Richtung  zur 
Forcella  Gesuretta.  Bereits  bei  Col  erscheinen  über  der  Dolomitbank 
des  oberen  Muschelkalks  dünngeschichtete  Bänderkalke  mit  Zwischen- 
lagen von  festen  Sandsteinen  und  Pietra  verde  (Buchensteiner 
Schichten).  Dieselben  nehmen  aufwärts  gegen  Pont  an  Mächtigkeit 
zu,  während  sie  gegen  Osten  und  Süden  allmählich  in  den  Dolomit- 
massen verschwinden.  Bei  Pont  sieht  man  vorne  in  der  schmalen 
Thalöffnung  gegen  Norden  die  Buchdnsteiner  Schichten  von  Augit- 
porphyrlaven überlagert.  Auf  der  Ost-  und  Westseite  der  Thalschlucht 
dagegen  unterteufen  dieselben  Buchensteiner  Schichten   den  oberen 


Val  di 
San  Lucano 


Falle  di  San  Lucano 


Cima  di  Pape 


SO. 


NW. 


Die  heteropische  Orenxe  am  Nord^ehKnge  der  Falle  di  San  Lucano. 

a  =  Werfener  Schichten;    b  =  Unterer  Muschelkalk;    c  =  Oberer  Muschelkalk;    c>  =  Oberer 

Muschelkalk  und  Buchensiciner  Dolomit;  d  =  Buchensteiner  Schichten ;  e  =  Au^itporphvrlaven ; 

r  =  Wengencr  und  Cassianer  Dolumit;  g  =  Raibler  Schichten;   h  =  DachstcinKatk. 


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Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  333 

Dolomit.  An  dieser  merkwürdigen  Stelle  ist  sonach  der  Zusammen- 
hang der  Falle  di  San  Lucano  mit  der  Hauptmasse  des  Primiero- 
Riffs  durch  Erosion  unterbrochen,  und  man  verlässt  durch  diese 
Thalpforte  das  Innere  eines  Riffs.  Die  Buchensteiner  Schichten 
greifen  in  das  Riff  ein. 

Längs  des  ganzen  Nordabfalls  der  Falle  di  San  Lucano  und 
des  Coston  di  Miel  ist  nun  die  Aussen-  und  Böschungsfläche  des 
Riffs  prachtvoll  entblösst.  Die  Ueberguss- Schichten  zeigen  sich 
kaum  irgendwo  so  grossartig  und  so  deutlich.  Ihre  Neigung  ent- 
spricht der  Riffböschung.  Wo  die  Denudation  bereits  stärker  von 
unten  gegen  oben  vorgeschritten  ist,  da  sieht  man  die  in  ihrer 
Stärke  wechselnden,  aber  im  Allgemeinen  ziemlich  mächtigen 
Schichtenköpfe  der  Ueberguss-Schichten.  Unser  Lichtbild  ,  Blick  von 
der  Forcella  Gesuretta  gegen  ONO.*  zeigt  die  entblösste  Riff- 
böschung der  Falle  di  San  Lucano  und  die  Anlagerung  des  wol- 
geschichteten  Systems  von  Tuffen  und  Laven.  Auch  die  Ueber- 
guss-Schichtung  ist  deutlich  erkennbar.  InVal  di  Rejane  beobachtete 
ich  an  der  heteropischen  Grenze  dünngeschichtete  graue  dolomitische 
Kalke  mit  thonig  belegten  Schichtflächen.  Von  Fossilien  wurden  im 
Dolomit  sowie  im  Kalk  nur  Korallenreste  bemerkt.  Grössere 
Korallenstöcke  scheinen  im  Dolomit  nicht  selten  zu  sein.  Von  den 
gelben  fossilreichen  Cipitkalken  der  nördlichen  Riffe  fand  sich  hier, 
ebenso  wie  am  Monte  Framont,  keine  Spur. 

Im  Süden  der  Forcella  Gesuretta  greift  eine  im  Osten  und 
Westen  der  Riffböschung  frei  aufgelagerte  Zunge  von  Augit- 
porphyrlaven  noch  hoch  auf  die  Riffböschung  zurück  und  bildet 
die  Kuppe  des  Monte  Campo  Boaro.  Es  wird  hier  offenbar,  dass 
die  wolerhaltenen  Riffböschungen  der  Umgebung  erst  vor  ver- 
hältnissmässig  kurzer  Zeit  von  den  angelagerten  heteropischen 
Bildungen  entblösst  worden  sein  müssen.  Die  Zunge  des  Monte 
Campo  Boaro  ist  ein  letzter  Denudationsrelict  dieser  Hülle  in  den 
oberen  Regionen  der  Riffböschung,  welcher  sich  bei  der  sehr 
massigen  Neigung  der  Böschung  leichter  erhalten  konnte. 

In  dem  grossartigen  Felsen-Amphitheater,  welches  das  Val 
delle  Comelle  umgibt,  sieht  man  ringsum  die  theilweise  selbst  in 
der  Zeichnung  der  Karte  zum  Ausdrucke  gelangende  Ueberguss- 
Schichtung.  Da  von  unten  her  die  Denudation  schon  einige  Fort- 
schritte gemacht  hat,  so  treten,  ähnlich  wie  am  Cipiter  Gehänge  des 
Schiern,  die  Schichtflächen  der  Ueberguss-Schichtung  gegen  oben 
terrassenförmig  zurück,  während  die  abgerissenen  Schichtköpfe  die 
steilen  Wandpartien  zwischen  den  Terrassen  bilden.  Wir  schliessen 
daraus,   dass  das  Riff  hier  einen  einspringenden  Winkel   besass,   in 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,   Agordo  und  Primiero. 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  jjj 

welchen   sich   die   gegen   oben  an  Ausdehnung  stets  zunehmenden 
heteropischen  Bildungen  hinein  erstreckten. 

Längs  der  Cima  Fuocobono  und  dem  Monte  Cimone  della  Stia 
herrschen  genau  dieselben  Verhältnisse,  wie  zwischen  den  Falle  di 
San  Lucano  und  der  Cima  di  Pape:  Steile  Riflfböschung,  aus- 
gezeichnete Ueberguss-Schichtung  und  Anlagerung  der  Laven  und 
Tuffe  an  die  Riffböschung. 

Der  westlichste  Ausläufer  der  Tuffe  findet  sich  auf  der 
tirolisch-venetianischen  Grenze  in  einer  kleinen  isolirten  Kuppe  vor 
der  Dolomitsteilwand. 

Man  muss,  da  das  Riff  mit  continuirlicher  Böschung  bis  oben 
stets  zurücktritt,  annehmen,  dass  über  den  Tuffen  und  Laven  die 
Wengener  Sandsteine  und  Cassianer  Mergel  vorhanden  waren  und 
durch  die  Denudation  entfernt  wurden.  Vielleicht  finden  sich  bei 
eingehender  Untersuchung  noch  einige  Reste  von  Wengener  Sand- 
steinen über  den  Tuffen.  Im  Norden  erscheinen  unter  den  Laven 
und  Tuffen,  wie  überall  in  den  rifffreien  Gebieten,  die  normalen 
Buchensteiner  Schichten. 

Die  heteropische  Grenze  auf  der  dem  Cordevole  zugeke^lrten 
Nordabdachung  der  Falle  di  San  Lucano  habe  ich  nicht  näher 
untersuchen  können.  Doch  herrschen  daselbst  offenbar  dieselben 
Verhältnisse  wie  weiter  im  Westen.  Man  sieht  vom  Cordevole  aus 
deutlich  die  Grenzgegend.  Werfener  Schichten  und  Muschelkalk 
bilden  die  gemeinsame  Unterlage  des  Riffs  und  der  rifffreien 
Region. 

Im  Gebiete  der  Werfener  Schichten  gegen  das  Canale-Thal  zu 
herrschen  manigfache  Schichtstörungen,  welche  einer  mit  dem 
Canale-Thal  zwischen  Falcade  und  Cencenighe  zusammenfallenden 
Verwerfungslinie  zuzuschreiben  sein  dürften.  In  die  westliche  Fort- 
setzung dieser  Störungslinie  fällt  der  grossartige  Gewölbaufbruch 
des  Quarzporphyrs  der  Bocche,  welcher  auf  seiner  Südseite  entweder 
von  einem  Abrutschen  des  Südschenkels  oder  von  förmlichen  Ver- 
werfungen begleitet  ist. 

Eine  ziemlich  bedeutende  Querverwerfung  setzt  zwischen  Val 
di  Fuocobono  und  dem  tirolisch-venetianischen  Grenzrücken,  welcher 
vom  Fasso  di  Valles  über  Cala  dora  zu  den  Dolomitsteilwänden 
zieht,  durch.  Diese  bei  den  prachtvollen  Aufschlüssen  der  hoch- 
gelegenen Gegend  weithin  sichtbare  Verwerfung  hat  das  plötzliche 
Absinken  des  östlichen  Gebietes  zur  Folge.  Westlich  von  der  Ver- 
werfung liegt  in  bedeutender  Höhe  ein  am  Fasso  di  Valles  (2027  M.) 
beginnender   Zug   von   Grödener   Sandstein,   Bellerophon-Schichten 


336  I^'*  Hochtipen  von  Zoldo,  Agocdo  und  Primiero. 


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Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  99^ 

und  Werfener  Schichten,  welcher  mit  flachem  Südfallen  das  hohe 
Dolomitgebirge  im  Süden  unterteuft.  Die  weissen  Gypsbänke  der 
unteren  BeUerophon  -  Schichten  contrastiren  hier  lebhaft  von  den 
dunkel  gefärbten  höheren  Schichten  und  lassen  sich  weithin  an 
dem  Nordabfall  des  erwähnten  Grenzrückens  verfolgen. 

In  nahezu  schwebender  Lagerung  zieht  von  hier  die  Unter- 
lage des  isopischen  Dolomitriffs  am  Fusse  der  Cima  di  Vezzana 
vorüber  bis  zum  westlichen  Eckpfeiler  des  Cimon  della  Pala  nächst 
Rolle.  Der  untere  Muschelkalk  liegt  zwischen  den  Isohypsen  von 
2200 — 2300  M.  Das  schichtungslose  Riff  ragt  in  Denudations-Steil- 
wänden empor.  Von  Ueberguss-Schichtung  ist  nichts  wahrzunehmen*). 

Vor  dem  Riffe  breitet  sich  ein  ausgedehntes  Hügelland  aus, 
welches  die  berühmten  Alpentriften  von  Juribello  und  Veneggie 
trägt  und  von  den  unteren  Gliedern  der  Trias  und  den  oberen 
permischen  Bildungen  zusammengesetzt  wird.  Das  Thal  von 
Veneggie  bis  zu  seiner  Vereinigung  mit  dem  vom  Valles- Passe 
kommenden  Thalaste  scheint  einer  kleinen  Querverwerfung  zu 
entsprechen,  indem  vom  Fusse  der  Dolomitsteilwände  an  die 
Werfener  Schichten  südlich  von  Veneggie  anticlinal  nach  Norden 
sich  senken,  während  im  Norden  des  Thaies  von  Veneggie,  wie 
schon  oben  erwähnt  wurde,  flaches  Südfallen  herrscht.  Einige 
untergeordnete  Brüche  sind  übrigens  auch  in  diesem  nördlichen 
Gebirgstheile  bemerkbar.  So  fällt  insbesondere  das  Fehlen  des 
Grödener  Sandsteines  zwischen  Quarzporphyr  und  Bellerophon- 
Schichten  in  dem  zum  Valles-Passe  führenden  Graben  auf.  Das 
südliche  Gebiet,  welches  in  dem  gegen  Norden  abdachenden  Monte 
Castellazzo  einen  Denudationsrelict  der  einstigen  Dolomitbedeckung 
besitzt,  ist  im  Norden  zwischen  der  Mündung  des  Veneggie-Thales 
und  Paneveggio  durch  eine  Längsverwerfung  begrenzt,  welche,  den 
Südrand  des  Bocche-Aufbruches  bezeichnend,  aus  der  Gegend  des 
Valles-Passes  bis  zum  Westfusse  des  Dossaccio  zu  verfolgen  ist. 


*)  Herr  G.  Merzbacher,  welcher  den  Cimon  dclIa  Pala  erstieg,  berichtet 
(Zeitschr.  d.  D.  u.  Oest.  Alpenvereins,  1878,  S.  5a),  dass  dieser  Berg  aus  weissem 
Dolomit,  einem  porös  zuckerkörnigen  Gesteine  bestehe  und  „keinerlei  bemerkbare 
EinSchichtungen  anderen  Materials''  enthalte.  Von  einer  eigentlichen  regelmässigen 
Schichtung  sei  nichts  zu  bemerken.  „Der  Aufbau  des  Berges  besteht  vielmehr  aus 
riesigen  übereinander  gethOrmten  Blöcken  und  Klumpen  mit  unregelmässigen  Tren- 
nungsflächen. Hie  und  da  finden  sich  zwischen  diesen  Trennungsflächen  Adern 
gelblichen  Kalkes  eingezogen.  Erst  weit  oben  gegen  den  Gipfel  waren  wieder  An- 
läufe zu  regelmässigerer  Schichtung  bemerkbar,  die  aber  —  so  weit  verfolgbar  — 
auch  nicht  consequent  regelmässig  verliefen.'* 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  22 


338 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 


In  dieser  Gegend  begegnen  wir  bereits  nicht  selten  Melaphyr- 
gangen,  peripherischen  Ausläufern  des  vulcanischen  Herdes  von 
Predazzo.  Im  Dolomite  des  Castellazzo  sind  dieselben  leicht  zu 
bemerken.  Etwas  schwieriger  ist  die  Auffindung  und  Verfolgung  in 
dem  rasenbewachsenen  Sandstein-Plateau  von  Juribello.  Herr  Forst- 
verwalter Wallnöfer  in  Predazzo  theilte  mir  mit,  dass  er  bei  den 
Vermessungen  dieser  Gegenden  zahlreiche  theils  N.-S.,  theils 
NO.-SW.  streichende  Melaphyrgänge  im  Grödener  Sandstein  von 
Juribello  und  im  Quarzporphyr  des  Colbricon  beobachtet  habe. 

Ueber  die  in  landschaftlicher  Beziehung  so  überaus  grossartige 
Westseite  des  Primiero-Riffs  wäre  kaum  etwas  zu  berichten,  wenn 
nicht  einige  tektonische  Störungen  etwas  Abwechslung  in  die  sonst 
überaus  einfachen  Verhältnisse  brächten. 

Vom  Rolle -Pass  aus  senken  sich  Grödener  Sandstein  und 
Bellerophon-Schichten  jäh  in  das  hier  entspringende  Cismone-Thal 
abwärts.  Dieser  plötzlichen  Senkung  entspricht  ein  stufenjförmiges 
Absinken  des  Quarzporphyrs.  Unterhalb  des  nach  Norden  ab- 
dachenden Cavallazza,   auf  der  Ostseite    desselben,    zieht   sich   eine 


CavalUzza 


Cismone-Thal 


O. 


W. 


o  =  Quarzporphyr;   b  =  Grödener  Sandstein;    e  =  Bellerophon-Schichten ;   d  =  Werfencr 

Schichten. 

Terrasse  hin,  welcher  Grödener  Sandstein  auflagert.  Dort,  wo  die 
neue  Strasse  in  weiten  Serpentinen  den  Abstieg  über  die  starke 
Thalsenkung  beginnt,  vereinigt  sich  dieser  Grödener  Sandstein  mit 
dem  durch  das  Cismone-Thal  ziehenden  Hauptzuge.  Die  Verwerfung, 
welche  die  untere  Porphyrscholle  von  der  oberen  (Cavalazza)  trennt, 
endigt  sodann  im  Norden  am  Rolle-Pass,  wo  sich  der  im  Hangenden 
der  Cavalazza-Scholle  befindliche  Grödener  Sandstein  mit  dem  Cis- 
mone-Zug  vereinigt.  Dasselbe  Verhältniss  wiederholt  sich  augen- 
scheinlich unterhalb  der  steilen  Strassensenkung.  Die  Porphyrterrasse 
mit  dem  aufgelagerten  Grödener  Sandstein  verhält  sich  nämlich 
gerade  so  zu  dem  tieferen,  gegen  San  Martino  streichenden  Cis- 
mone-Zug,  wie  oben  der  Cavalazza  zu  der  unteren  Porphyrterrasse. 
Es  ist  nun  in  hohem  Grade  auffallend,  am  Fusse  der  Dolomit- 
steilwand des  Cimon  della  Pala   eine   Verschiebung   wahrzunehmen, 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  primiero.  ^^9 

welche  im  geraden  Gegensatze  zu  diesem  Systeme  von  Störungen 
zu  stehen  scheint  Einem  aufmerksamen  Beobachter  wird  es  nicht 
entgehen,  dass  die  hohe  schlanke  Gestalt  des  Cimon  della  Pala  sich 
nicht  unmittelbar  aus  der  das  Wassergebiet  des  Travignolo-Baches 
abschliessenden  Dolomitsteilwand  erhebt,  sondern  etwas  hinter  der- 
selben zurück  gegen  Süden  steht.  Eine  nähere  Untersuchung  lehrt 
nun,  dass  die  vordere  Dolomitmauer  durch  eine  nicht  unbedeutende 
Verwerfur^  von  dem  Körper  des  Cimon  della  Pala  getrennt  ist 
Man  bemerkt  bereits  von  Rolle  aus,  dass  die  Werfener  Schichten 
am  Fusse  des  Cimon  della  Pala  viel  höher  hinauf  reichen,  als  an 
der  vorderen  Dolomitwand.  Aber  erst  etwas  weiter  im  Süden  hat 
man  den  vollen  Anblick  der  eigenthümlichen  Störung.  Anstatt  dass, 
entsprechend  der  allgemeinen  Senkung  des  Gebirges,  ein  Absinken 
stattgefunden  hätte,  erscheint  am  Cimon  della  Pala  das  Gebirge  in 
die  Höhe  gestaut.  Die  Werfener  Schichten  reichen  hoch  an  den 
Wänden  hinauf  und  stossen  im  Norden  an  der  Verwerfungslinie 
am  Dolomite  der  vorderen  horizontal  lagernden  Gebirgspartie  ab*). 


•■  =  Werfener  Schichten;  i  =  Unlerer  Muachdkslk;  e  =  Oberer  Maichdkalk  und  Duehcnsteincr 
Dolomil;   d  =  WenEcner  und  Cauiiner  DolamiC. 

Der  Cimon  della  Pala  verdankt  sonach  seine  dominirende 
Höhe  {3220  M.)  einer  abnormen.  Örtlichen  Aufstauung  des  Gebirges. 
Seine  kühne  abenteuerliche  Gestalt  ist  selbstverständlich  nur  das 
Werk  der  Denudation. 


*)  Die  ausserordentliche  BrQchigkeit,  durch  welche  nach  G.  Merzbacher 
(Zeitschr.  d.  D.  u.  Oest.  Alpen  Vereins,  1878,  S.  67)  die  Felswände  des  Cimon  della 
Pala  und  der  Vczzana  auf  der  Rolle  zugewendeten  Seile  im  Gegensatz  zu  den 
Nachbarbergen  und  zu  den  SQdwanden  der  genannten  Berge  selbst  sich  auszeichnen, 
röhrt  wol  von  dieser  Verwerfung  her. 


^AQ  Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero. 

Vom  Cimon  della  Pala  an  sinken  dann  auch  die  Werfener 
Schichten  gegen  Süden  allmählich  und  regelmässig  in  tiefere 
Höhenzonen. 

Eine  andere  Erscheinung,  welche  unser  Interesse  erregt,  ist 
das  rasche  Abnehmen  und  Auskeilen  des  Quarzporphyrs  südlich 
von  San  Martino. 

Unterhalb  San  Martino  trifft  das  die  Unterlage  des  Quarz- 
porphyrs bildende  Phyllitgebirge,  von  Westen  her  aus  der  Gruppe 
der  Cima  d'Asta  herüberstreichend,  das  Cismone-Thal.  Der  Phyllit 
nimmt  hier  nordsüdliches  Streichen  an  und  setzt  sofort  auch  auf 
die  linke  Thalseite,  so  dass  er  mit  dem  triadischen  Dolomitgebirge 
in  Einem  Gehänge  erscheint.  Der  Quarzporphyr  nimmt  gleichzeitig 
auffallend  an  Mächtigkeit  ab  und  verliert  sich  endlich  ganz.  Nach- 
dem man  kurz  zuvor  den  Quarzporphyr  noch  Berge  bilden  sah, 
so  drängt  sich  dem  Reisenden  zunächst  der  Gedanke  auf,  dass  der 
Quarzporphyr  an  einem  dem  Streichen  des  Thaies  folgenden 
Bruche  in  die  Tiefe  gesunken  sei.  Die  unterhalb  des  Rolle-Passes 
beobachteten  Verwerfungserscheinungen  lassen  eine  solche  Annahme 
sehr  natürlich  erscheinen.  Indessen  lehrt  die  weitere  Untersuchung 
an  der  Südseite  der  Gruppe  des  Cimon  della  Pala,  dass  die  Ver- 
hältnisse anders  liegen.  Die  Quarzporphyrdecke  nimmt  thatsächlich 
rasch  an  Stärke  ab  und  keilt,  unregelmässige,  zipfelformige  Aus- 
läufer aussendend,  vollständig  aus. 

Bis  zu  dem  tief  (715  M.)  gelegenen  Fiera  di  Primiero  führt 
die  Strasse  in  den  krystallinischen  Schiefem,  welche  sich  nun  in 
einer  schmalen  Zone,  der  Südseite  unserer  Gebirgsgruppe  folgend, 
über  den  Einschnitt  des  Cereda-Passes  fortziehen  und  mit  dem 
breiten  Streifen  krystallinischer  Schiefer,  welcher  zwischen  Agordo 
und  Vallalta  auf  der  Nordseite  des  Bruchrandes  der  Valsugana- 
Spalte  zu  Tage  tritt,  verbinden.  Zwischen  Vallalta  und  Primiero 
bezeichnen  die  Phyllite  nicht  den  Verlauf  der  grossen  Bruchlinie, 
sondern  einen  anticlinalen  Aufbruch  mit  steil  südlich  einfallendem 
Schenkel.  Der  Hauptbruch  setzt  im  Süden  des  Sasso  di  Mur  mitten 
durch  das  Kalkgebirge.  Wir  werden  des  orographischen  Zusammen- 
hanges wegen  diese  im  Süden  des  Phyllit-Zuges  liegende  Scholle 
des  Primiero-Riffs  erst  im  XIV.  Capitel  in  Verbindung  mit  dem  an 
der  Valsugana-Spalte  abgesunkenen  Gebirge  besprechen. 

Die  tieferen  Gebirgsglieder  bilden  nordöstlich  von  Primiero 
am  Fusse  der  hohen,  zackenreichen  Dolomitmauem  des  Sass  maor 
(Sasso  maggiore),  der  Cima  della  Fradusta  u.  s.  f.  ein  ziemlich 
breites  Mittelgebirge,  dem  das  Belvedere  (1307  M.)  als  culminirender 
Punkt  angehört.  Mächtige  ausgedehnte  Moränen-Ablagerungen  eines 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  3^,1 

in  der  Rückzugsperiode  der  grossen  Gletscher  aus  dem  benach- 
barten Dolomithochgebirge  niedersteigenden  Gletschers  bedecken 
nicht  nur  die  ganze  Mittelgebirgsterrasse,  in  welcher  auch  das 
herrliche  Val  Canali  eingeschnitten  ist,  sondern  reichen  an  viden 
Stellen  auch  tief  herab  auf  den  Gehängen  gegen  den  Cismone,  die 
Beobachtung  und  Verfolgung  des  anstehenden  Gesteins  sehr  er- 
schwerend. Wenn  man  vom  Beivedere  aus  sieht,  dass  der  unver- 
gleichliche Halbrund  von  Felsmauern,  welcher  das  Val  Canali 
umschliesst,  sich  über  hoch  hinanreichenden  Werfener  Schichten 
erhebt,  so  würde  man  meinen,  bereits  tief  in  den  Phylliten  zu 
stehen.  Hat  man  aber  den  Aufstieg  nicht  über  Glacialschutt  aus- 
geführt und  hat  man  z.  B;  für  denselben  den  von  Tonadico  hoch 
ühier  dem  Einschnitt  des  Torrente  Canaii  auf  das  Plateau  führenden 
Weg  benützt,  so  weiss  man,  dass  man  auf  dem  Beivedere  über 
Werfener  Schichten  steht.  Von  Tonadico  thaleinwarts  hat  man 
zunächst  steil  NNO.  fallenden  Thonglimmerschiefer  neben  sich,  in 
der  Nähe  einer  in  der  Thalsohle  stehenden  Capelle  folgt  sodann 
Grödener  Sandstein,  diesem  in  bedeutender  Mächtigkeit  und  mit 
reichlichem  Gesteinswechsel  der  Complex  der  Bellerophon-Schichten. 
Ein  Fetzen  von  Grödener  Sandstein  und  Bellerophon  -  Schichten 
hängt  auch  jenseits  auf  dem  linken  Ufer  des  Baches  am  Phyllit- 
gehänge.  Die  ganze  Breite  der  Thalsohle  wird  nun  an  der  Vereini- 
gung des  Torrente  Canali  mit  dem  vom  Cereda-Passe  kommenden 
Bache  von  hohen  Moränenhügeln  eingenommen.  Die  Burgruine 
Castell  Pietra  klebt  auf  einem  riesigen,  auf  der  Höhe  des  Moränen- 
walles thronenden  Dolomitblocke.  Auf  dem  Abhänge  des  Beivedere 

Uehiage  de*  Beivedere       Cimi  d'OJIio  Gegend  d»  Cercdi-P»«» 


Streue      Cislell  Pietra  Trt.  Canali 

T  UorlBBikraiu  d«  Val  Canali  In  Piliiilaro,  (caehen  von  Tonadico. 

[Nach  einer  pholographiiehsn  Anfinlime  dei  Verfaueri.J 


^A2  ^ie  Hochalpen  von  Zoldo/ Agordo  und  Primiero. 

gegen  den  Torrente  Canali  dagegen  sind  über  den  BeUerophon- 
Schichten  ziemlich  hoch  hinan  die  Werfener  Schichten,  unten  aus 
vorherrschend  kalkigen,  grauen,  gegen  oben  aus  rothen  schiefrigen 
Gesteinen  bestehend,  trefflich  entblösst. 

Ein  Gang  zum  Cereda-Pass  klärt  nun  den  Zusammenhang  auf. 
Nachdem  rrian  die  Moränenzone  des  Castell  Pietra  passirt  hat,  trifft 
man  etwa  300  Meter  über  dem  Grödener  Sandstein  von  Tonadico 
auf  Quarzporphyr,  welcher,  bevor  die  Passhöhe  erreicht  ist,  sich 
auf  die  südliche  Thalseite  hinüberzieht.  Es  folgen  dann  regelmässig 
Grödener  Sandstein  und  Bellerophon-Schichten  als  normale  Unter- 
lage jener  oberen  Werfener  Schichten,  welchen  das  Dolomithoch- 
gebirge im  Norden  aufgesetzt  ist. 

Das  Val  Canali  entspricht  daher  einer  Verwerfung,  und  das 
Belvedere  ist  ein,  von  dieser  Verwerfung  im  Osten  begrenzter,  ab- 
gesunkener Gebirgstheil. 

Auf  dem  Wege  vom  Cereda-Passe  nach  Mis  begegnet  man 
mehreren,  den  Phyllit  durchsetzenden  Melaphyrgängen.  Ob  man 
dieselben  als  ursprünglich  blinde,  durch  die  Denudation  nachträglich 
blossgelegte  Gänge  oder  als  seitliche  Ausläufer  eines  im  Süden  der 
Valsugana- Bruchlinie  gelegenen,  gegenwärtig  verhüllten  Eruptions- 
herdes zu  betrachten  habe,  muss  unentschieden  bleiben.  Wenn  man 
von  der  Möglichkeit  der  letzteren  Alternative  absieht,  und  blos 
die  heutigen  Aufschlüsse  in  Betracht  zieht,  so  ergibt  sich  für  die 
Melaphyrgänge  von  Mis  im  Verhältniss  zu  den  Eruptionscentren 
von  Fassa  und  Fleims  eine  ganz  analoge  Stellung,  wie  für  die 
Melaphyrgänge  der  Klausener  Gegend.  Man  könnte  sich  sehr  gut 
vorstellen,  dass  in  grösseren  Entfernungen  von  den  Eruptionsherden 
die  intrusive  Thätigkeit  in  immer  tieferen  Schichtcomplexen  ihr 
Ende  finden  muss,  oder  mit  anderen  Worten,  dass  in  den 
peripherischen  Regionen  der  eruptiven  Thätigkeit  blos  blinde, 
gegen  aussen  geschlossene  Gänge  vorkommen  können. 

In  der  Gegend  von  Mis  keilt  sich  der  Quarzporphyr  von 
Cereda  im  Verrucano  -  Conglomerat  vollständig  aus.  Die  strati- 
graphische  Rolle  des  Quarzporphyrs  übernimmt  nun  ganz  der 
Verrucano,  welcher  ausser  QuarzgeröUen  auch  zahlreiche  Porphyr- 
blöcke einschliesst. 

Beiläufig  in  derselben  Gegend  tritt  in  dem  Dolomitriff,  welches 
auf  der  West-  und  Südseite  bisher  eine  vollkommen  isopische 
Masse  bildete,  ein  bemerkenswerther  und  selbst  aus  grösserer  Ent- 
fernung kenntlicher  heteropischer  Wechsel  ein.  Es  schalten  sich 
zwischen  dem  Dolomit  des  oberen  Muschelkalks   und    der  höheren 


Die  Hochalpen  von  Zoldo,  Agordo  und  Primiero.  3^3 

Hauptmasse  des  Dolomits  typische  Buchensteiner  Schichten  (Bänder- 
und Knollenkalke,  Pietra  verde)  ein,  welche  nun  in  nordöstlicher 
Richtung  fortsetzen.  Es  bestätigt  dieses  Eingreifen  heteropischer 
Bildungen  unsere  oben  (s.  S.  332)  ausgesprochene  Vermuthung, 
dass  das  heteropische  Gebiet,  welches  heute  bei  Agordo  sein 
westliches  Ende  findet,  sich  einstens  über  den  Cordevole  am  Süd- 
rande der  heutigen  Dolomitgrenzen  gegen  Westen  verbreitete. 

Das  Phyllitgebirge ,  welches  zwischen  Vallalta  und  Val 
Imperina  von  der  Valsugana  -  Bruchlinie  im  Süden  abgeschnitten 
wird  und  im  Monte  Gardellon  und  im  Col  Armarolo  seine  grössten 
Höhen  erreicht,  unterteuft  mit  nordwestlichem  Fallen  regelmässig 
die  permischen  und  triadischen  Bildungen  im  Norden.  Es  behält 
diese  Fallrichtung  bis  zum  Cordevole  bei,  während  zwischen 
Frassene  und  Taibon  grössere  Unregelmässigkeiten  in  der  Lagerung 
der  permischen  und  untertriadischen  Schichten  eintreten.  Es  scheint 
eine  Verwerfung  längs  der  Dolomitgrenze  hinzulaufen,  in  Folge 
welcher  Monte  Agnaro  und  Monte  Piss  in  die  vor  ihnen  im  Süden 
und  Osten  gelegenen  Werfener  Schichten  wie  eingesenkt  erscheinen. 
Bei  Frassene  fallen  auch  die  permischen  Schichten  vom  Gebirge 
weg  gegen  den  Thonglimmerschiefer.  Unten  am  Cordevole  dagegen 
schiessen  die  permischen  Bildungen  wieder  regelmässig  gegen 
Norden  ein. 

Zahlreich  und  auffallend  sind  im  Phyllitgebirge  von  Agordo 
die  Spuren  einstiger  Vergletscherung.  Rundhücker  kommen  häufig 
vor  und  über  das  ganze  Phyllitgebirge  hin  sind  grosse  und  kleine, 
aus  den  nördlichen  Gegenden  stammende  Dolomitblöcke  aus- 
gestreut. Der  berühmte  „Sasso  della  Margherita*  im  Imperina-Thal, 
aus  welchem  die  von  W.  Fuchs  gesammelten  und  von  Fr.  v. Hauer*) 
beschriebenen  Fossilien  des  »Crinoidenkalkes  (Fuchs)*  stammen, 
ist  nichts  weiter,  als  ein  grosser  erratischer  Block,  welcher  frei  dem 
Phyllit  auflagert  und  im  Monte  Agnaro  oder  Monte  Piss  seine 
muthmassliche  Heimat  haben  dürfte. 

Die  beiden  an  der  Bruchlinie  gelegenen  Erzlagerstätten  von 
Val  Imperina  und  Vallalta  werden  wir  im  XIV.  Capitel  bei  der 
Schilderung  der  Valsugana-Spalte  besprechen. 


♦)  Denkschr.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Wien,  Bd.  II. 


XIL  CAPITEL. 
Der  altvulcanische  District  von  Passa  und  Pleims. 

Die  Gruppe  des  SaKso  Bianco.  -  Der  Marmolata-Stock  mit  dem  vorgelagerten  Augitporphyr- 
Gebirge.  -  Fossilien  im  Marmolata-Kalk.  -  Heteropische  Grenze  des  Marmolata-Rmes.  -  Die 
Gruppe  des  Sasso  di  Dam  (Buffaure-Gebirge).  -  Der  Monzoni-Stock  mit  dem  Gebirge  zwischen 
der  Forca  Rossa  und  dem  Fassa-Thal.  -  Gontact-Erscheinungen.  -  Parallele  zwischen  dem  Vesuv 
und  dem  Monzoni.  -  Eigenthümlichc  Einsenkungen  an  der  Peripherie  des  Eruptivstockes.  - 
Der  Fleimser  EruptivstocK  mit  dem  umgebenden  Kalkgebirge.  -  Fossilien  des  unteren  Wengener 
Dolomits.  -  Die  «Fleimser  Eruptionsspalte*.  -  Der  Granit  von  Predazzo.  -  Vorherrschende 
Gangrichtungen.  -  Gontact-Erscheinungfen.  -  Alter  der  Eruptivstöcke.  -  Eine  dritte,  altere 
Eruptionsstelle   im   oberen  Fassa.    -    Die   Gegend   am   rechten   Avisio-Ufer  zwischen   Tesero 

und  Castello. 

Wir  gelangen  in  diesem  Capitel  zur  Schilderung  der  Erup- 
tionsstellen unserer  norischen  Augitporphyrlaven.  Wir  betreten 
damit  ein  Gebiet,  welches  fast  von  allen  bedeutenden  Geologen 
dieses  Jahrhunderts  besucht  und  in  zahlreichen  grösseren  und 
kleineren  Abhandlungen  beschrieben  worden  ist. 

In  der  Literatur  über  diese  Gegenden  spiegelt  sich  die 
Geschichte  des  Fortschrittes  der  geologischen  Auffassung  unserer 
Zeit.  Die  alte  Fehde  zwischen  den  Plutonisten  und  Neptunisten  ist 
nun  ausgeklungen  und  die  Anhänger  dieser  beiden  Richtungen 
lenken  nicht  mehr  ihre  Schritte  nach  den  berühmten  Stellen  in  Fleims 
und  Fassa,  wo  Syenite  und  andere  vollkrystalHnische  plutonische 
Gesteine  mit  Meeresablagerungen  in  Berührung  treten,  um  fiir  ihre 
Anschauungen  Beweise  zu  suchen.  Für  zahlreiche  wichtige  Fragen 
der  dynamischen  und  chemischen  Geologie  bieten  jedoch  die  so 
überaus  lehrreichen  und  günstigen  Aufschlüsse  von  Fleims  und 
Fassa  noch  immer  ein  unvergleichliches  Beobachtungsfeld,  welches 
noch  lange  nicht  genügend  und  erschöpfend  erforscht  ist. 

Eine  detaillirte  Schilderung  der  Eruptionsstellen,  soweit  eine 
solche  nämlich  nach  dem  heutigen  Stande  unseres  Wissens  gegeben 
werden  könnte,  liegt  nicht  im  Plane  dieser  Arbeit.  Wir  müssen  uns 
mit  der  Darstellung  der  tektonischen  Verhältnisse  und  der  allgemeinen 
Beziehungen    der    durchsetzten   Gesteine    zu    den    durchsetzenden 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^^j 

begnügen  und  verweisen  hinsichtlich  petrographischer  und  para- 
genetischer Details  auf  die  seit  v.  Richthofen^s  grundlegender 
Monographie  erschienenen  Specialschriften  von  B.  v.  Cotta  *), 
Lapparent**),  Scheerer  ***),  Tschermakf),  Lemberg  ff), 
G.  vom  Rath  ftt)»   Doelter  *t)   und  Hansel  **t)- 

Des  orographischen  Zusammenhanges  wegen  behandeln  wir 
in  diesem  Abschnitt  auch  den  Stock  des  Marmolata,  das  Gebirge 
zwischen  dem  Biois  und  der  Pettorina  (Gruppe  des  Sasso  Bianco), 
das  Augitporphyr-Gebirge  am  rechten  Cordevole-Ufer  oberhalb 
Caprile  nebst  der  an  dieses  sich  anschliessenden  Gruppe  des 
Buffaure.  Es  sind  dies  zum  Theil  Gebiete,  welche  bereits  ausserhalb 
der  Peripherie  der  eruptiven  Thätigkeit  liegen. 

Die  jüngsten  Bildungen  reichen  über  die  Zeit  der  Wengener 
Schichten  nicht  hinaus. 

In  heteropischer  Beziehung  zerfällt  das  Gebiet  in  zwei  scharf 
begrenzte  Regionen.  Der  peripherische  Strich  im  Osten  und  im 
Norden  (am  Cordevole  und  im  oberen  Fassa)  gehört  dem  Laven- 
und  Tuffgebiet  an ;  den  ganzen  Süden  und  Westen  dagegen  nimmt 
eine  ursprünglich  unter  sich  und  mit  dem  Rosengarten  im  Norden 
und  dem  Primiero-RifT  im  Süden  zusammenhängende  Dolomit- 
masse ein. 

Die  beiden  bekannten  Eruptionsstellen  von  Fassa  (Monzoni) 
und  von  Fleims  befinden  sich  im  Dolomit.  Ein  drittes  etwas  älteres 
Eruptionscentrum  dürfte,  wie  wir  sehen  werden,  im  Lavengebiete 
des  oberen  Fassa  bestanden  haben. 


*)  Alter   der   granitischen  Gesteine   von  Predazzo    und  Monzon    in  SOdtirol, 
N.  Jahrb.  v.  Leonhard  und  Geinitz,  i863. 

*♦)  Sur  la  Constitution  gdologique  du  Tyrol  m^ridional.  Annales  des  mines.  T.  VI. 
**•)  Ueber   die    chemische   Constitution    der   Plutonite.     Festschrift  zum  Frei- 
berger  Jubiläum.  Dresden,  1866. 

t)  Die  Porphyrgesteine  Oesterreichs. 
tt)  Ueber  die  Contactbildungen  bei  Predazzo.  Zeitschr.  D.  Geol.  Ges.   1873. — 
lieber  Gesteinsumbildungen  bei  Predazzo  und  am  Monzoni.  A.  a.  O.  1877* 

ttt)  Beiträge  zur  Petrographie.  11.   Ueber  die  Gesteine  des  Monzoni.    Zeitschr. 
D.  üeol.  Ges.  1875. 

*t)  ^er  geologische  Bau,  die  Gesteine  und  Mineralien  des  Monzoni-Gebirges. 
Jahrb.  Geol.  R.-A.  1873.  —  Ueber  die  Eruptivgebilde  von  Fleims  nebst  einigen 
Bemerkungen  Ober  den  Bau  der  alteren  Vulcane.  Sitz.>Ber.  Akad.  d.  Wiss.  Wien, 
1876,  Decemberheft.  —  Beitr.  z.  Mineralogie  des  Fassa-  und  Fleimser  Thaies. 
1.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1875.  11.  A.  a.  O.  1877.  —  Ueber  die  mineralogische  Zu- 
sammensetzung der  Melaphyre  und  Augitporphyre  Südtirols.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1873. 
♦♦t)  l^Jc  petrographische  Beschaffenheit  des  Monzonits  von  Predazzo.  Jahrb. 
Geol.  R.-A.  1878. 


Der  alivulcan lache  Disirict  von  Fassa  und  Fldm«. 

I.  Die  Gruppe  des  Sasso  Bianco. 

iine  westöstlich  verlaufende  Tiefenlinie  —  St.  Pellegrin-Biois  — 
zwischen   Moena    und   Cencenighe    eine   bequeme    und    mit 
en  Kosten  in  fahrbaren  Zustand    zu    versetzende  Verbindung 
en  dem  Avisio-  {Fassa-)  und  dem  Cordevole-Thal  her. 
'Jördhch  von  dieser  Thalfurche  erhebt  sich  eine  hohe  Gebirgs- 

über  welche  nur  an  wenigen  Stellen  begangene  Pfade  in  die 
r  Nordseite  des  Gebirges  ausstrahlenden  Seitenthäler  fuhren. 
:inzige  bedeutendere  Einsattlung,  welche  die  Bezeichnung 
■  in  Anspruch  zu  nehmen  berechtigt  ist,  ist  die  Forca  Rossa 
en  der  Cima  di  Val  Fredda  und  dem  Monte  Alto,  welche  eine 
verliehe    und  selten   betretene  Verbindung   zwischen   dem   im 

des  Gebirges  eingeschnittenen  Val  Fredda  und  dem  oberhalb 
:rai  di  Sottoguda  mit  dem  Pettorina-Thal   sich   vereinigenden 

Franzedaz  vermittelt.  Die  Dolomitmauer  ist  an  dieser  Stelle 
ndig  durchbrochen.  Mit  Ausnahme  des  geringen  Denudations- 

von  Muschelkalk,  welcher  in  der  Karte  als  Col  Beccher 
linet   ist,    bilden   Werfener   Schichten    die   Höhe   des    weiten 

Diese  Einsattlung  kann  zweckmässig  als  Trennungslinie 
en  dem  Gebirge  im  Osten  und  im  Westen  benützt  werden, 
n  Osten  der  Val  Fredda-Franzedaz-Linie  befindliche,  im  Süden 
liois,  im  Norden  von  der  Pettorina,  im  Osten  vom  Cordevole 
Lzte  Gebirgsmassiv  wollen  wir  als  die  Gruppe  des  Sasso 
I  bezeichnen  und  in  diesem  Abschnitt  besprechen. 
Vir  beginnen  mit  der  breiten,  aus  älteren  Schichtgliedem 
Tiengesetzten  Südabdachung,  welche  sich  landschaftlich  scharf 
;m  aus  Dolomit  und  Augitporphyrlaven  bestehenden  Gebirgs- 
;  unterscheidet  und  durch  tektonische  Complicationen  aus- 
(inet  ist. 

i.usser  der  allmählichen  Senkung  der  Gebirgsschichten  gegen 
ardevole  zu  tritt  eine  weitere  sprungweise  sich  vollziehende 
lg  in  der  Richtung  gegen  Süden  ein.  Dieselbe  beginnt  bereits 
h  von  Val  Fredda  auf  dem  Gehänge  nordöstlich  von  S.  Pelle- 
in Folge  einer  hier  in  den  Bellerophon-Schichten  ansetzenden 
rfung.  Oben,  unter  den  Dolomitmauem  der  Cima  di  Val 
i  streichen  die  Werfener  Schichten,  welche  von  der  Campa- 
■Alpe  herübersetzen,  in  grosser  Höhe  fort,  so  dass  die 
agerung  der  Werfener  Schichten  durch  den  unteren  Muschel- 
1  der  Isohypse  von  2300  Meter  stattfindet.  Südlich  von  der 
rfung  erscheinen  unterhalb  der  Bellerophon-Schichten  abermals 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^47 

VVerfener  Schichten,  welche  ihrerseits  regelmässig  von  Bellerophon- 
Schichten,  Grödener  Sandstein  und  Quarzporphyr  unterteuft  werden. 
Dieser  untere  Zug  von  Werfener  Schichten  nimmt  gegen  Osten 
rasch  an  Breite  zu.  In  der  Gegend  von  Val  Fredda  spalten  sich  die 
oberen  Bellerophon-Schichten  in  Folge  einer  zweiten  Verwerfung 
neuerdings  und  bildet  sich  eine  von  Bellerophon-Schichten  unter- 
teufte mittlere  Scholle  von  Werfener  Schichten,  welche  jedoch  nur 
von  kurzer  Längserstreckung  ist,  da  sich  im  Süden  des  Col  Beccher 
die  beiden  oberen  Züge  der  Bellerophon-Schichten  wieder  ver- 
einigen. Bis  an  den  Fuss  der  aus  diesen  drei  Zügen  von  Werfener 
Schichten  gebildeten  Steilwand  fallen  die  Schichten  scheinbar  völlig 
concordant  nordöstlich,  vor  der  Steilwand  aber  neigen  sich  die 
Bellerophon-Schichten  mit  ihrer  Unterlage  sanft  gegen  Süden  und 
Südosten. 

Col  Beccher       C.  di  Val  Fredda 
Falcade  Forca  Rossa 


s.  ...^mB^^^^^^  n. 


a  =  Quarzporphyr;   b  =  Grödener  Sandstein;  e  =  Bellerophon-Schichten ;   < 
Schichten;    «  =  Unterer  Muschelkalk;  /=  Oberer  Muschelbalk;    g  =  Buchen 


h  =  Wengener  Dolomit. 


d  =  Werfener 
Steiner  Dolomit; 


Diese  dreifache  Schichtenwiederholung  ist  in  einem  der  gross- 
artigsten Aufschlüsse  im  Süden  der  Forca  Rossa  und  des  Col  Beccher 
entblösst.  Aus  der  Thalweitung  'des  Biois-Thales  unterhalb  Falcade, 
insbesondere  aber  von  dem  niederen,  obenauf  von  Bellerophon- 
Schichten  gebildeten  Hügelrücken  bei  Falcade,  von  welchem  aus 
die  auf  Seite  348  mitgetheilte  panoramatische  Ansicht  aufgenommen 
wurde,  übersieht  man  mit  Einem  Blicke  die  ganzen  Verhältnisse. 
Es  ist  eines  der  überwältigendsten  geologischen  Bilder,  welches 
unser  an  instructiven  Stellen  so  reiches  Gebiet  gewährt.  Vom 
Fusse  der  Steilwand  bis  zu  den  Dolomitzacken  der  Cima  di  Val 
Fredda  und  des  Monte  Alto  hinan  überblickt  man  eine  continuirliche 
Folge  von  dünnbankigen,  vorherrschend  roth  gefärbten,  aber  durch 
drei  auffallend  weisse  Streifen  unterbrochenen  Schichten,  deren 
Gesammt- Mächtigkeit  gegen  icoo  Meter  betragen  dürfte.  Die. 
weissen  Streifen  sind  die  Gypsmassen  der  Bellerophon-Schichten. 


Der  altvulcinitche  Dittrict  von  Fuii  und  Ftdms. 


S3|   J  * 
B  n"    B    I 

■"Sä'-  I 


ii 


For«  Rmm 
Col  Bcccher 


•  Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


349 


Nach  der  Vereinigung  der  beiden  oberen  Züge  der  Bellerophon- 
Schichten  senkt  sich  die  untere  Scholle  auch  in  östlicher  Richtung 
bedeutend  und  macht  die  Verwerfung  allmählich  einem  anticlinalen 
Aufbruche  Platz,  dessen  Südschenkel  gegen  Süden  einfällt.  Die 
Ortschaften  Vallada  und  Andrich  stehen  auf  diesem  Zuge  der 
Bellerophon-Schichten.  Die  Werfener  Schichten,  welche  die  Sohle 
des  Biois-Thales  bei  Fomo  di  Canale  erreichen,  sind  die  Fort- 
setzung des  untersten  Zuges  der  Werfener  Schichten  von  Falcade 
imd  fallen  hier  allenthalben  vom  Gebirge  weg  gegen  den  Biois. 


Unterhalb 
Forno  di  Canale    Andrich    Vallada 


Monte  Pezza 


Sottoguda 


S. 


a  =  Bellerophon-Schichten:   h  =  Werfener  Schichten;   e  =  Unterer  Muschelkalk;   d  =  Oberer 
Muschelkalk;  «  =  Buchensteiner  Dolomit;/  =  Wengener  Dolomit;  g  =  Augitporphyrlaven. 


Von  Andrich  ziehen  sich  die  sehr  mächtigen,  vorherrschend 
aus  Rauchwacken,  Gypsen  und  dunklen  dolomitischen  Gesteinen 
bestehenden  Bellerophon  -  Schichten  über  die  Forcella  di  San 
Tommaso  in  einem  sich  allmählich  verschmälemden  Streifen  zum 
Cordevole. 

Die  Tiefenlinie  des  Biois  zwischen  Cencenighe  und  der 
Weitung  von  Falcade  ist  beiderseits  von  Schollen  von  Werfener 
Schichten  begrenzt,  welche  gegen  den  Biois  zu  convergiren.  Es 
wurde  bereits  im  vorhergehenden  Capitel  (Seite  335)  darauf  hin- 
gewiesen, dass  diese  Thalspalte  in  der  Verlängerung  des  häufig 
von  plötzlichen  Abbruchen  auf  dem  Südschenkel  begleiteten  Gewölb- 
aufbruches der  Bocche  liegt,  auf  welchen  wir  noch  bei  einer  späteren 
Gelegenheit  zurückkommen  werden. 

Auf  dem  dem  Cordevole  zugewendeten  Gehänge  tritt  in  der 
ganzen  Erstreckung  desselben  regelmässig  Ostfallen  ein.  Wir  haben 
bereits  (Seite  322)  auf  die  merkwürdige  Erscheinung  der  meridionalen 
Verwerfungen  und  Senkungen  im  Oberlaufe  des  Cordevole  hin- 
gewiesen. 

Nördlich  von  Cencenighe  findet  sich,  durch  eine  Verwerfung 
von    der    ostfallenden    Cordevole  -  Zone    der    Werfener    Schichten 


7CO  Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

getrennt,  ein  Denudationsrelict  von  Muschelkalk  und  Buchensteiner 
Schichten.  Der  Muschelkalk  ist  reich  an  Fossilien  und  würde  eine 
sorgfältige  Ausbeutung  lohnen.  Auch  die  Werfener  Schichten 
zeichnen  sich  hier  durch  gut  erhaltene  Fossilien  aus,  von  denen 
namentlich  die  Ammonitiden  (verschiedene  Arten  der  Gattung 
Tirolites)  erwähnt  zu  werden  verdienen. 

Die  Kammhöhe  und  die  ganze  Nordabdachung  der  Gruppe 
des  Sasso  Bianco  bestehen  aus  heteropischen  norischen  Bildungen. 
Unmittelbar  im  Osten  der  Forca  Rossa  und  des  Val  di  Franzedaz 
erhebt  sich  im  Monte  Alto  und  im  Monte  Fop  noch  eine  isopische 
Dolomitmasse,  welche  als  eine  ursprünglich  mit  dem  benachbarten 
westlichen  Dolomitriff  zusammenhängende  und  erst  durch  die 
Denudation  von  demselben  losgetrennte  Riffpartie  zu  betrachten  ist. 
Wie  namentlich  auf  dem  steilen  Südabbruche  des  Gebirges  deutlich 
zu  sehen  ist,  nimmt  der  Dolomit  in  östlicher  Richtung  rasch  an 
Mächtigkeit  ab  und  über  die  gegen  Osten  gekehrte  Riffböschung 
greifen  Augitporphyrlaven  über,  welche  stellenweise  auch  zungen- 
förmig  in  den  Dolomit  selbst  eindringen  (Vgl.  a.  die  Ansicht 
Seite  348).  Die  Höhe  des  Monte  Pezza  besteht  bereits  aus  wol- 
geschichteten  Augitporphyrlaven.  Im  Osten  des  Monte  Pezza  ist 
der  die  Augitporphyrlaven  unterlagemde  Dolomit  auf  eine  wenig 
mächtige  gleichförmige  Bank  reducirt,  welche  auf  unserer  Karte  als 
Buchensteiner  Dolomit  und  oberer  Muschelkalk  gedeutet  ist.  Am 
Monte  Forca  dagegen  schwillt  der  Dolomit  wieder  zu  grösserer 
Mächtigkeit  an,  weshalb  wir  hier  den  oberen  Theil  desselben  als 
Wengener  Dolomit  angenommen  haben.  Die  verschiedenen  kleinen 
Kalk-Einlagerungen  in  den  Augitporphyrlaven  am  rechten  Gehänge 
des  Cordevole  zwischen  Caprile  und  dem  AUeghe-See  können  als 
vom  Wengener  Dolomit  des  Monte  Forca  auslaufende  Riffzungen 
betrachtet  werden.  Der  Monte  Forca  selbst  lässt  sich  ungezwungen 
mit  den  Riffmassen  am  linken  Cordevole-Ufer  an  der  Basis  der 
Civetta-Gruppe  in  Verbindung  bringen. 

Die  Augitporphyrlaven  der  Sasso  Bianco-Gruppe  sind  daher 
im  Osten  und  Westen  von  Riffen  eingeschlossen.  Sie  standen 
ursprünglich,  wie  bereits  Seite  331  betont  wurde,  mit  den  Augit- 
porphyrlaven der  Cima  di  Pape  und  des  Monte  Cimone  della  Stia 
im  Zusammenhange. 

Die  Gipfelmasse  des  Sasso  Bianco  wird  wieder  von  Dolomit 
gebildet,  welcher  im  Norden  den  Augitporphyrlaven  aufzulagern 
scheint.  Der  Steilabfall  befindet  sich  auf  der  Nordseite.  Die  Südost- 
abdachung ist  ziemlich  sanft  geböscht  und  besitzt  eine  bereits  aus 
grösserer  Entfernung  deutlich  erkennbare  Ueberguss-Schichtung.  Die 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^ji 

Dolomitböschung  reicht  unter  die  hier  theilweise  angelagerten 
Laven  hinein.  Aus  diesem  Grunde  werden  wir  für  den  Sasso  Bianco, 
welchen  wir  als  einen  Denudationsrelict  einer  in  das  Lavengebiet 
übergreifenden  Riffzunge  ansehen,  einen  ursprünglichen  Zusammen- 
hang mit  den  grossen  Riffmassen  im  Westen,  nicht  aber,  wie  für 
den  Monte  Forca  mit  dem  Monte  Alto  di  Pelsa,  Welcher,  wie  wir 
gezeigt  haben,  ein  Ausläufer  des  Primiero-Riffes  ist,  anzunehmen 
haben. 

Die  Altersbestimmung  des  Dolomits  des  Sasso  Bianco  als 
Wengener  Dolomit  lässt  sich  in  folgender  Weise  rechtfertigen.  Der 
Dolomit  des  Sasso  Bianco  ruht,  wie  es  scheint,  direct  auf  den 
Augitporphyrlaven  und  nimmt  daher  die  Stelle  ein,  welche  sonst 
in  den  isopischen  Mergelgebieten  den  Wengener  Schichten  zukommt. 
In  der  Fortsetzung  der  Laven  der  Sasso  Bianco-Gruppe  werden 
wir  auf  der  Ost-  und  Nordseite  des  Marmolata-Stockes  mehrere  Riff- 
Ausläufer  kennen  lernen,  welche  sich,  abgesehen  von  den  geringeren 
Dimensionen,  genau  so  wie  der  Sasso  Bianco  zu  den  Augitporphyr- 
laven verhalten  und  sicher  noch  den  Wengener  Schichten  ange- 
hören. Die  Möglichkeit,  dass  der  Sasso  Bianco  in  das  Niveau  der 
Cassianer  Schichten  hinaufreiche,  lässt  sich  zwar  mit  Bestimmtheit 
nicht  in  Abrede  stellen;  die  ausserordentlich  grosse  Mächtigkeit, 
welche  die  Wengener  Dolomite  in  den  benachbarten  Riffmassen  des 
Avisio-Gebietes  (Marmolata,  Fucchiada,  Latemar)  erlangen,  hat  uns 
jedoch  bestimmt,  die  ganze  Masse  des  Sasso  Bianco-Dolomits  noch 
dem  Wengener  Niveau  zuzuweisen. 

Was  die  tektonischen  Beziehungen  der  Sasso  Bianco-Gruppe 
zu  den  benachbarten  Gebirgen  betrifft,  so  ist  zunächst  an  die 
bereits  im  vorhergehenden  Capitel  (Seite  323)  berührte,  bei  Caprile 
unter  einem  rechten  Winkel  gebrochene  Dislocationsspalte  zu  er- 
innern, in  Folge  welcher  auf  der  Innenseite  des  Aufbruches  des 
Monte  Femazza  die  bei  Caprile  auf  das  linke  Cordevole  -  Ufer 
herüberstreichenden  Augitporphyrlaven  der  Sasso  Bianco-Gruppe 
theils  an  Werfener  Schichten,  theils  am  Muschelkalk  abbrechen. 
Diese  Spalte  setzt  im  Pettorina-Thal  bis  Sottoguda  fort.  Die  wenig 
dolomitisirten  Kalke,  welche  in  der  bekannten  Sottoguda-Schlucht 
(Serai  di  Sottoguda)  von  der  Pettorina  durchnagt  sind,  setzen  vom 
rechten  auf  das  linke  Ufer  ungestört  herüber.  Sie  gehören  in  ihren 
unteren  Theilen,  da  sie  bei  Sottoguda  von  Werfener  Schichten 
unterlagert  werden,  dem  Muschelkalk  an  *).  Von  hier  aus  heben  sich 


*)   Der  Quellen reichthum    der  Sottoguda-Schlucht   ist   auf  die   wasserdichte 
Unterlage  der  Werfener  Schichten  zurückzuführen. 


2^2  I^cr  altvulcanische  Distria  von  Fassa  und  Fleims. 

die  unteren  Dolomitstufen  als  Unterlage  des  Monte  Fop  allmählich 
bis  zur  Forca  Rossa  und  zum  Col  Beccher  empor.  In  Val  di 
Franzedaz  reicht  in  Folge  dieses  Nordfallens  der  Schichten  die 
Entblössung  der  Werfener  Schichten  ziemlich  weit  in  das  Thal 
hinab. 

Die  Gruppe  des  Sasso  Bianco  senkt  sich  daher  in  nördlicher 
Richtung.  OestUch  bis  Sottoguda  steht  sie  im  unmittelbaren  tektoni- 
sehen  Zusammenhange  mit  dem  benachbarten  Gebirge.  Von  Sotto- 
guda bis  zum  Cordevole  ist  sie  durch  eine  Verwerfungslinie 
begrenzt,  welche  unterhalb  Rocca  auf  eine  kurze  Distanz  auf  das 
linke  Pettorina-Ufer  und  bei  Caprile,  wo  der  rechtwinkelige  Umbug 
derselben  erfolgt,  auf  das  linke  Cordevole-Ufer  hinübergreift*). 

Von  Caprile  setzt  die  Verwerfungslinie  als  östliche  Begrenzung 
der  Sasso  Bianco-Gruppe  in  südlicher  Richtung  fort.  Bei  Callo- 
neghe  findet,  wie  wir  gesehen  haben  (vgl.  Seite  323),  eine  kurze 
Unterbrechung  der  Verwerfung  statt,  worauf  dieselbe  wieder,  dem 
Laufe  des  Cordevole  folgend,  bis  in  das  Gebiet  der  Werfener 
Schichten  bei  Cencenighe  nachgewiesen  werden  kann. 

Am  unteren  Ende  des  AUeghe-See's  senken  sich  die  von 
Westen  herüberstreichenden  tieferen  Schichtengruppen  rasch  zur 
Verwerfungslinie  herab.  Diese  Schichtenlage  begünstigte  offenbar 
den  Niedergang  des  bekannten  im  Jahre  1772  erfolgten  Berg- 
bruches des  Monte  Forca,  durch  welchen  das  Cordevole-Thal  ab- 
gedämmt und  der  Alleghe-See,  auf  dessen  Grunde  drei  Ortschaften 
begraben  liegen,  gebildet  wurde.  Die  Rutschflächen  dieses  Bergsturzes 
sind  noch  deutlich  an  ihrem  weithin  spiegelnden  Glänze  erkennbar. 

Die  auf  der  Karte  angemerkte  Verschiebung  des  verbindenden 
Mittelstückes  zwischen  Monte  Forca  und  Monte  Pezza  dürfte  wol 
nur  als  Abgleiten  einer  grösseren  losgebrochenen  Scholle,  ähnlich 
dem  Seite  257  geschilderten  Abbruche  der  Tofana  bei  Ampezzo, 
aufzufassen  sein. 

2.   Der  Marmolata-Stock   mit   dem   vorgelagerten  Augitporphyr- 

Gebirge. 

Da  wir  die  im  Westen  von  Val  di  Franzedaz  liegende  Fort- 
setzung der  Sasso  Bianco-Gruppe  im  Zusammenhange  mit  dem 
Monzoni-Gebirge  besprechen  wollen,  so  schliessen  wir  die  Darstellung 


*)  Die  Augitporphyriaven,  auf  denen  Rocca  steht,  und  die  fossilreichen  Wen- 
gener  Schichten,  welche  östlich  davon  in  einem  schmalen  Streifen  bis  zur  Pettorina 
reichen,  gehören  einer  von  der  Höhe  des  Migion-Gebirges  abgerutschten  und  über- 
kippten Scholle  an. 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


353 


des  Gebietes  zwischen  dem  Corde vole,  der  Pettorina  und  den 
Quellen  des  Avisio  hier  an.  Wir  erreichen  auf  diese  Weise  auch 
den  Vortheil,  die  Schilderung  der  heteropischen  Grenze  zwischen 
den  grossen  Dolomitmassen  im  Süden  und  Südwesten  und  dem 
vorgelagerten  Laven-  und  Tuffgebiet  nicht  unterbrechen  zu  müssen. 

Der  Marmolata-Stock  ist  auf  seiner  Südseite  von  einer  Ver- 
werfung begrenzt,  welche  aus  dem  Contrin-Thal  über  den  Ombretta- 
Pass  in  das  Ombretta-Thal  setzt  und  in  der  Gegend  der  Malga 
di  Sotto  Ciapello  an  der  Mündung  des  Rv.  Candiarei  zu  enden 
scheint.  Diese  Verwerfung  spielt  zwischen  dem  südlichen  Kalk-  und 
Dolomitgebirge  des  Sasso  Vemale  und  dem  Stocke  der  Marmolata 
dieselbe  Rolle,  wie  die  soeben  geschilderte  Verwerfung  an  der 
Pettorina  zwischen  der  Sasso  Bianco-Gruppe  und  dem  Monte  Migion. 

Die  ältesten  Schichten  kommen  im  Südwesten  des  Marmolata- 
Stockes  im  Contrin-Thal  zum  Vorschein.  Hat  man,  aus  dem  Avisio- 
Thale  kommend,  den  steilen,  über  Wengener  Dolomit  führenden 
Anstieg  passirt,  so  sieht  man  zunächst  eine  von  den  Wänden  des 
Sotto  Vemel  herübersetzende,  leichter  als  der  Dolomit  verwitternde 
und  ziemlich  steil  gegen  Norden  einfallende  Gesteinszone  quer  über 
das  Thal  streichen.  An  dieser  Stelle  ist  das  anstehende  Gestein 
von  Schutt  überrollt.  Man  kann  aber  mit  dem  Auge  an  den  nackten 
Wänden  des  Sotto  Vernel,  des  Vemel  und  der  Marmolata  ohne 
Mühe  das  Fortstreichen  dieser  Zone  verfolgen  und  dieselbe  auf 
dem  Wege  zum  Ombretta-Passe  leicht  erreichen.  Es  sind  graue^ 
knorrige,  kieselfiihrende  Kalke,  wie  solche  im  Niveau  der  Augit- 
porphyrlaven  sonst  stellenweise  vorkommen.  Auf  der  Höhe  des 
Ombretta-Passes  fand  ich  in  denselben  gelbe  Riffsteine  mit  Cidariten. 
Unter  diesen  Gesteinen  folgt  eine  festere  lichte  Kalkmasse,  welche 
von  unterem  Muschelkalk  (Conglomerate)  und  Werfener  Schichten 
unterlagert  wird.  Ich  halte  die  knorrigen  Kalke  für  den  Beginn  der 
Ablagerungen  vom  Alter  der  Wengener  Schichten  und  muss  daher 
consequenter  Weise  die  unter  den  knorrigen  Kalken  lagernde  Kalk- 
masse als  die  Vertretung  der  Buchensteiner  Schichten  und  des 
oberen  Muschelkalkes  annehmen.  Die  Thalweitung  des  Contrin- 
Thales,  welche  man  oberhalb  des  oben  erwähnten  steilen  Anstieges 
betritt,  fällt  mit  der  Entblössung  der  Werfener  Schichten  zusammen. 
Die  Werfener  Schichten  halten  nun  am  rechten  Thalgehänge  an  bis 
in  den  unteren  Theil  der  zum  Ombretta-Passe  hinaufführenden  Thal- 
spalte,  sind  aber  an  einer  Stelle  von  einer  überhängenden,  von 
Melaphyr-Gängen  durchsetzten  Kalkscholle  (welche  dem  oberen 
Muschelkalk  und  den  Buchensteiner  Schichten  entsprechen  dürfte, 
in  der  Karte  aber  blos  mit  der  Farbe  der  letzteren  bezeichnet  ist) 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  23 


354 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


verdeckt  und  bald  darauf  durch  die  hier  beginnende  Verwerfung 
des  südlichen  Gebirges  unterbrochen.  Wie  nämlich  die  Karte  zeigt, 
setzt  ein  Streifen  von  Muschelkalk  und  Buchensteiner  Dolomit  von 
Südwesten  her  auf  die  unterste  Gehängstufe  des  Vemel  herüber  und 
schneidet  hier  scharf  ab*).  Der  Muschelkalk  der  Marmolata-Masse 
setzt  in  höherem  Niveau  darüber  hinweg. 

Gegen  die  Höhe  des  Ombretta-Passes  zu  stossen  allmählich 
Muschelkalk  und  Buchensteiner  Dolomit  der  Marmolata-Masse  an 
dem  Wengener  Dolomit  des  südlichen  Hochgebirges  ab.  Die 
knorrigen  Kieselkalke  setzen  über  den  Pass. 

Schon  lange  vorher  fallt  noch  eine  höhere  dem  Dolomit  der 
Marmolata-Masse  eingelagerte  weichere  Gesteinszone  auf,  welche  an 
der  westlichen  Schulter  des  Sotto  Vernel  auf  die  Nordabdachung 
des  Marmolata  -  Stockes  hinübergreift  und  dem  aufmerksamen 
Beobachter  selbst  schon  in  grösserer  Entfernung  (wie  z.  B.  vom 
Fassajoch  am  Plattkofel)  erkenntlich  ist.  Auf  dem  Ombretta-Passe 
befindet  sich  dieser  Gesteinszug  nördlich  von  der  in  den  Kiesel- 
kalken eingetieften  Uebergangsstelle,  unmittelbar  am  Fusse  der 
Steilwand  des  Marmolata-Homes.  Das  herrschende  Gestein  ist  ein 
grau-  und  rothgefärbter  dünnplattiger  Kalk  mit  schlecht  erhaltenen 
Resten  von  Gasteropoden  und  Bivalven,  Von  ferne  gesehen  erinnert 
die  röthliche  Verwitterungsfarbe  an  Werfener  Schichten,  und  ich 
selbst  dachte  an  mehrfache  Wiederholungen  der  Werfener  Schichten 
am  Südabfall  des  Marmolata-Stockes,  ehe  ich  diese  unserem  Gebiete 
sonst  fremden  Gesteinsbildungen  betreten  hatte.  Im  Osten  des 
Ombretta-Passes  sieht  man  die,  durch  eine  Zone  festen  dolomiti- 
schen Kalkes  von  den  knorrigen  Kieselkalken  getrennte  Schicht  noch 
eine  Strecke  weit  am  Südfusse   der  Marmolata-Steilwand  fortsetzen. 

Wenige  Schritte  westlich  unter  der  Höhe  des  Ombretta-Passes 
beginnt  im  Contacte  mit  den  Kieselkalken  eine  stellenweise  con- 
glomeratische  und  breccienartige  Melaphyrmasse,  welche  von  hier 
ununterbrochen  bis  zu  der  Malga  di  Sotto  Ciapello  fortsetzt.  Ich 
halte  dieses  Vorkommen,  welches  nach  Doelter**)  zu  den  augit- 
armen  Melaphyren  gehört,  für  einen  Gang,  darf  aber  nicht  ver- 
schweigen, dass  die  Lagerungs Verhältnisse  und  insbesondere  das 
Zusammenfallen  mit  den  im  Niveau  der  Laven  auftretenden  Kiesel- 
kalken auch  die  Deutung  einer  regelmässigen,  schichtenformigen 
Einlagerung  zuliessen. 


*)  Rothe  Knollenkalke,  welche  ich  beim  Anstiege  zum  Ombretta-Passe  im 
Gebiete  dieser  SchoUe  sah,  seien  nachfolgenden  Forschern  zur  näheren  Unter* 
suchung  empfohlen. 

♦♦)  Jahrb.  d.  Geol.  R.-A.  1875,  Min.  Minh.  pag.  3oo. 


Per  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


355 


<  Die  über  den  rothen  plattigen  Kalken  folgenden  Gesteins- 
massen der  Marmolata  sind  vorherrschend  lichter  Kalk,  welcher 
ausserordentlich  reich  ist  an  sogenannten  Evinospongren  und  stellen- 
weise auch  wolerhaltene  Fossilien  enthält.  Mein  Freund  und  Reise- 
gefährte Dr.  Ed.  Reyer  fand  zuerst  im  Jahre  1875  beim  Abstiege 
von  der  Marmolata  fossilreiche  Kalkblöcke  am  Rande  des  Gletschers 
oberhalb  der  Fedaja-Höhe.  Seither  beuteten  meine  Freunde,  Prot 
V.  Klipstein  und  Prof  Zittel,  dieses  Vorkommen  in  grösserem 
Massstabe  aus  und  überliessen  mir  in  liberalster  Weise  ihre  Auf- 
sammlungen  zu  näherer  Untersuchung.  Gasteropoden,  aber  meist 
kleine  Formen,  walten  weitaus  über  die  mitvorkommenden  Pelecy- 
poden  und  Cephalopoden  vor.  Die  Cephalopoden  deuten  trotz  der 
relativ  sehr  bedeutenden  Höhe  ihres  Fundortes  (hoch  über  den 
rothen  plattigen  Kalken)  auf  ein  verhältnissmässig  tiefes  Niveau.  Ein 
in  mehreren  Resten  vorliegendes  Trachyceras  gehört  dem  Formen- 
kreise des  Trachyc,  Carinthiacum  an  und  dürfte,  soweit  die  kleinen 
inneren  Kerne  einen  Schluss  gestatten,  mit  dieser  aus  den  Tuffen 
von  Kaltwasser  bei  Raibl  bekannten  Art  selbst  übereinstimmen. 
Ein  innerer  Kern  eines  zweiten  Trachyceras  könnte  zu  Trachyc, 
Archelaus  oder  einer  verwandten  Form  gehören.  Mehrere  Arcesten 
und  einige  kleinere  Ammonitiden  sind  vorläufig  noch  ganz  unbe- 
stimmbar. Die  einzige,  mit  Sicherheit .  auf  bekannte  Arten  zu 
beziehende  Form  ist  Lytoceras  Wengense.  Es  ist  übrigens  sehr  auf- 
fallend, dass  bisher  sich  hier  keine  einzige  Fprm  fand,  welche 
mit  den  Arten  des  cephalopodenreichen  weissen  Kalkes  des  Latemar- 
Gebirges*)  übereinstimmte,  obwol  auch  die  Fauna  des  Latemar- 
Gebirges  mehr  das  Gepräge  einer  älteren  Triasfauna   an  sich  trägt. 

Die  unläugbaren  Anklänge  an  die  Faunen  der  Buchensteiner 
Kalke  und  des  Muschelkalkes,  welche  die  Cephalopoden  des  Mar- 
molata- und  des  Latemar-Kalkes  erkennen  lassen,  stimmen  in  vor- 
trefflicher Weise  überein  mit  dem  bathrologisch  verhältnissmässig 
tiefen  Niveau  der  Hauptmassen  der  Fassaner  und  Fleimser  Dolo- 
mite (resp.  Kalke),  welche  den  unteren  Augitporphyrlaven  im  Alter 
gleichstehen. 

Die  den  rothen  plattigen  Kalken  zunächst  folgende  Abtheilung 
des  oberen  Kalkes  ist  im  Westen,  am  Sotto  Vernel,  ziemlich  gut 
geschichtet.  Die  höheren  Massen  lassen  eine,  deutliche,  regelmässige 


*)  Doch  findet  sich  in  diesen  Kalken  eine  gleichfalls  in  den  Tuffen  von 
Kalt^v'asser  vorkommende  Form,  so  dass,  wenn  sich  die  oben  erwähnte  Trachyceras- 
Art  des  Marmolata-Kalkes  wirklich  als  TrachyC'  Carinthiacum  erweist,  die  beiden, 
einem  dritten  Fundorte  gemeinsamen  Arten  nähere  Beziehungen  zwischen  den 
fossilfQhrenden  Lagen  der  Marmolata  und  des  Lateoiar  (Forno)   andeuten   wftrden» 

a3* 


^eg  Der  altvulcanische  Distria  von  Fassa  und  Fleims. 

Schichtung  nicht  erkennen,  aber  an  der  heteropischen  Grenze  im 
Norden  und  im  Nordosten  der  Marmolata  tritt  die  Uebergfuss- 
Schichtung  allenthalben  in  ausgezeichneter  Weise  hervor.  Die 
Schichtenstellung  ist  im  Westen,  wo  eine  Verwerfung  zwischen  dem 
Sotto  Vemel  und  der  Cima  di  Rossi  durchsetzt,  eine  sehr  steile. 
Auf  dem  Ombretta-Passe  ist  der  Einfallswinkel  der  Schichten  da- 
gegen ein  viel  sanfterer ;  auf  Fedaja  und  nächst  Lobia  herrscht,  wie 
aus  den  Lagerungsverhältnissen  der  gegenseitig  eingreifenden  hetero- 
pischen Bildungen  hervorgeht,  eine  ziemlich  flache  Lagerung. 

Die  Verhältnisse  an  der  heteropischen  Grenze  zwischen  dem 
Marmolata-Riff  und  dem  im  Osten  und  Norden  vorgelagerten  Laven- 
gebirge sind  im  Wesentlichen  dieselben,  wie  an  den  bereits  geschil- 
derten Riffen.  Da  aber,  was  wol  mit  der  bedeutenden  Erhebung 
des  Marmolata-Stockes  zusammenhängen  mag,  hier  gerade  an  der 
heteropischen  Grenze  eine  tief  eingefurchte  Erosionsrinne  verläuft, 
durch  welche  der  bekannte  Weg  aus  dem  Fassa-Thal  über  den 
Fedaja-Pass  nach  dem  Pettorina-Thal  führte  so  ist  das  ursprüngliche 
Bild  etwas  verwischt  und  die  rasche  Auffassung  des  wahren  Zu- 
sammenhanges erschwert 

Wenn  man  aus  dem  Pettorina-Thal  an  der  Ostseite  des 
Marmolata-Stockes  durch  das  Thal  des  Candiarei  aufwärts  wandert, 
so  hat  man  zur  Linken  die  steil  terrassenförmig  aufsteigenden  Kalk- 
wände der  Marmolata,  zur  Rechten  die  dunklen  Augitporphyrlaven 
des  Monte  Migion.  Die  letzteren  lehnen  sich  im  Süden  an  die  riff- 
fbrmige  kleine  Kalkmasse  des  Monte  Guda,  welcher  durch  die 
Erosionsschlucht  von  Sottoguda  von  dem  südlichen  Kalk-  und 
Dolomitgebirge  des  Monte  Fop  und  Monte  Alto  getrennt  ist.  Die 
obere,  eng  begrenzte  Kalkmasse  des  Monte  Guda  muss  bereits  der 
Bildungszeit  der  Augitporphyrlaven,  mithin  den  Wengener  Schichten 
angehören,  da  die  untere  von  unterem  Muschelkalk  und  \Verfener 
Schichten  unterlagerte  Kalkbank  in  ihrem  Weiterstreichen  gegen 
Osten  den  Augitporphyrlaven  des  Monte  Migion  zur  Grundlage 
dient  und  daher  die  Buchensteiner  Schichten  und  den  oberen 
Muschelkalk  vertritt.  Der  obere  Theil  des  Monte  Guda  ist  sonach 
ein  Ausläufer  des  südlichen  Riffes,  welches  ursprünglich  offenbar 
mit  der  Marmolata  zusammenhing.  Ein  den  Augitporphyrlaven 
eingelagertes  Kalkband,  welches  am  Südgehänge  des  Monte  Migion 
sichtbar  ist,  ist  wol  ebenfalls  als  eine  ursprünglich  von  der  süd- 
lichen Riffmässe  abzweigende  Riffzunge  zu  betrachten. 

Höher  aufwärts  im  Thale  des  Candiarei,  gegen  die  Lobia- Alpe 
zu,  bemerkt  man  zwischen  den  terrassenförmig  gegen  oben  zurück- 
tretenden Ueberguss-Schichten   der   Marmolata  Höhlungen,   ähnlich 


Der  attvuleanitche  District  von  Fassa  und  Fleiir 


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den  Höhlungen  am  Cipiter  Schlemgehänge  (S.  Seite  169)  und  bald 
darauf  sieht  man  "die  Augitporphyrlaven  auf  die  rechte  Thalwand 
herübertreten.  Der  Kalk  der  Marmolata  greift  deutlich  unter  die 
ihm  anlagernden  Augitporphyrlaven  ein.  Es  bedarf  nun,  nach 
unseren  Erfahrungen  an  zahlreichen,  ganz  analogen  Stellen,  keiner 
besonders  regen  Einbildungskraft,  um  zu  erkennen,  dass  einstens 
die  Augitporphyrlaven  nicht  nur  viel  höher  an  der  nördlichen 
Böschungsfläche  des  Marmolata-RifTes  hinaufgereicht  haben,  sondern 
dass  auch  im  Osten  ein  ähnliches  Verhältniss*  der  Anlagerung  statt- 
gefunden  haben  muss,  ehe  die  Erosion  die  tiefe  Rinne  des  Candiarei 
eingeschnitten  hatte. 

Diese  Anschauungsweise  findet  eine  weitere  Stütze  in  der 
Zusammensetzung  des  den  Augitporphyrlaven  im  Osten  aufge- 
lagerten Denudationsrestes  von  Wengener  Schichten.  Es  ist  eine 
vollständige  Wiederholung  der  auf  Seite  172  geschilderten  Verhält- 
nisse im  Kamme  der  Rosszähne.  Unser  Lichtbild,  ,  Blick  vom 
Fedaja-Pass  gegen  Osten*,  vergegenwärtigt  die  instructiven  Ver- 
hältnisse. Im  Südschenkel  der  kleinen  Mulde  ist  über  den  Augit- 
porphyrlaven zunächst  eine  stärkere  Kalkbank  mit  ausgesprochener 
Blockstructur  bemerkbar,  welche  im  Nordschenkel  sich  in  grosse, 
den  Wengener  Schichten  eingeschaltete  Kalklinsen  und  Kalkblöcke 
auflöst.  Es  folgt  sodann  eine  Lage  von  Wengener  Schichten  mit 
mächtigen,  häufig,  wie  an  den  Rosszähnen,  durch  mehrere  Schichten 
durchgreifenden  Blöcken  von  Riffsteinen.  Hierauf  erscheint  im 
Nordschenkel  eine  grössere  Masse  von  Wengener  Schichten,  welche 
gegen  die  Muldentiefe  zu  rasch  an  Mächtigkeit  abnimmt  und  im 
Südschenkel  nahezu  auskeilt.  Den  Schluss  gegen  oben  bilden 
sodann  wieder  Wengener  Schichten  mit  grossen  eingebetteten  Riff- 
steinblöcken. 

Wir  betrachten  dieses  Vorkommen  als  die  durch  die  Erosions- 
rinne des  Candiarei  isolirte  Spitze  einer  vom  Marmolata-Riff  in  die 
heteropische  Region  übergreifenden  Riffzunge.  Die  Analogie  mit 
den  Verhältnissen  an  den  Rosszähnen  geht  soweit,  dass  beide  Vor- 
kommnisse eine  identische  Unterlage  —  Augitporphyrlaven  — 
besitzen.  Möglicherweise  besteht  daher  auch  eine  Uebereinstimmung 
hinsichtlich  der  Bildungszeit. 

Auf  dem,  dem  Cordevole  zugekehrten  Gehänge  des  Monte 
Migion  und  des  Monte  di  Celegazza  erscheinen  als  Unterlage 
der  sehr  mächtigen  Augitporphyrlaven  normale  Buchensteiner 
Schichten  und  unter  diesen  dolomitischer  oberer  Muschelkalk. 
Nach  dieser  Richtung  hin  sandte  daher  das  Marmolata-Riff  keine 
Ausläufer. 


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360  ^^r  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Im   Norden  des   Monte  Padon   und   des   zackenreichen   Sasso 
di  Mezzodi  jedoch  fehlen  die  normalen  Buchensteiner  Schichten  und 
erscheint  als  Unterlage   der  Augitporphyrlaven   eine  so   mächtige 
Kalkmasse,   dass   wir   die   obere  Abtheilung   derselben  bereits   der 
Zeit   der   Ablagerung    der    tiefsten  Augitporphyrlaven   zuschreiben 
müssen.  Die  Vermuthung,  dass  wir  es  hier  mit  einem  gegen  Norden 
vorgeschobenen  Ausläufer    des   Marmolata-RifTes    zu    thun    haben, 
findet    ihre   Bestätigung   durch   das   auf  der  Westseite  des  Fedaja- 
Passes  eintretende  Uebersetzen  des  Marmolata-Kalkes  auf  die  rechte 
Thalseite   des   Avisio.    Mag   man   das   Thal    des   Avisio    aufwärts 
wandern  oder  vom  Fedaja-Passe   aus   zum  Avisio   herabsteigen,    in 
beiden  Fällen  gewinnt  man  leicht  die  Ueberzeugfung,  dass  die  untere 
Masse  des  Marmolata-Kalkes   sich  als  Unterlage  der  Augitporphyr- 
laven der  Fedaja- Wiesen  auf  das  rechte  Gehänge  ungestört  herüber- 
zieht.    Von   den   Fedaja-Wiesen   aus   steigt    man    eine    hohe,    das 
Thal  gegen  Osten  abdämmende  Kalkwand  herab  zum  Avisio.    Die 
unteren  Theile   der   beiden   Thalgehänge   bestehen   aus    demselben 
Kalk,  wie  schon  v.  Klipstein   richtig   erkannte*).    Aber   während 
sich  zur  Linken  die  Kalkmassen  bis  zu  dem  hohen,  von  Gletschern 
bedeckten  Felskamme  der  Marmolata  aufwärts  fortsetzen,  erscheinen 
auf    der    rechten    Avisio-Seite    über    der    unteren    Kalkwand    die 
schwarzen  Augitporphyrlaven,  welche  den  an  phantastischen  Denu- 
dations-Gestalten  reichen  Gebirgskamm   des  Sasso  di  Mezzodi   und 
des  Sasso  di  Capello  bilden.     Diese  untere,    die  Augitporphyrlaven 
unterteufende  Kalkmasse   correspondirt   nun   offenbar   mit   dem   im 
Norden  des  Monte  Padon  hervortretenden  Wengener  Dolomit. 

Einem  aufmerksamen  Beobachter  wird  die  Wahrnehmung  kaum 
entgehen,  dass  die  Kalkmassen  auf  der  rechten  Avisio-Seite  über 
das  Niveau  der  Augitporphyrlaven  der  Fedaja-Wiesen  aufsteigen 
und  dass  die  obersten  Partien  dieser  Kalkmassen  gegen  Osten  eine 
keilförmige  Zunge  in  das  Lavengebiet  entsenden,  durch  welche 
die  Augitporphyrlaven  der  Fedaja  -  Wiesen  von  den  höheren 
Laven  des  Sasso  di  Mezzodi  geschieden  werden.  Die  Augitporphyr- 
laven der  Fedaja-Wiesen  bildeten,  ehe  sie  durch  die  Denu- 
dation blosgelegt  wurden,  eine  in  das  Marmolata-Riff  eingreifende 
Zunge. 

Zur  Zeit  des  Beginnes  der  Augitporphyr-Eruptionen  erstreckte 
sich  sonach  das  Marmolata-Riff  in  einem  schmalen  nordöstlichen 
Ausläufer  nach  Buchenstein  und  zog  sich  sodann  während  der 
Dauer  der  Eruptionen   allmählich   gegen   Südwesten    zurück.    Die 


♦)  Beitr.  z.  Kenntn.  d,  östl.  Alpen,  IL,  2,  pag.  56. 


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Augitporphyrlaven  greifen  allmählich  über  die  flache  Riflfböschung 
über  und  dringen  bis  zu  den  Steilwänden  der  Marmolata  vor.  Für 
die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  sprechen  ausser  der  eben 
besprochenen  Kalkzunge  der  Prati  di  Fedaja  noch  die  kleinen  Riff- 
spitzen, welchen  man  beim  Anstiege  aus  dem  Thale  des  Rio  Palasso 
auf  das   Padon-Joch   innerhalb   der  Augitporphyrlaven  begegnet*). 

Gegen  Penia  zu  stellt  sich  im  Avisio-Thale  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  eine  Verwerfung  ein,  welche  die  steil  gegen  Nord  ein- 
fallenden Kalkmassen  des  Sotto  Vernel  von  dem  constant  flach 
gelagerten,  nur  wenig  gegen  Norden  geneigten  Gebirge  am  rechten 
Avisio-Ufer  scheidet. 

Als  Gipfelmasse  der  letzteren  erscheinen  auf  der  Cima  di  Rossi 
Wengener  Schichten,  deren  unterste  Lagen,  genau  so  wie  in  dem 
oben  beschriebenen  Vorkommen  östlich  von  der  Lobia-Alpe,  mit 
grossen  Blöcken  von  Riffsteinen  (theilweise  bereits  dolomitisirt)  in 
Verbindung  stehen.  Stellenweise  treten  die  Blockmassen  in  Folge 
des  Zurücktretens  des  tuffigen  Bindemittels  zu  grösseren  Dolomit- 
linsen zusammen.  Fossilien  (Cidariten,  Korallen)  sind  in  den  gelben 
Riffsteinen  nicht  selten.  Durch  eine  Zone  normaler  Wengener  Sand- 
steine getrennt  folgt  sodann  weiter  nördlich  die  isolirte  kleine 
Dolomitkuppe  des  Sasso  Pitschi  mit  nördlich  abfallender  Ueberguss- 
Schichtung.  Wir  haben  von  diesen  nördlichen  Spitzen  des  Marmolata- 
Riffes  bereits  im  VIII.  Capitel,  Seite  238,  gesprochen. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  der  heteropischen 
Verhältnisse  der  Sasso  Bianco  -  Gruppe  und  der  Marmolata  zu- 
sammen, so  gelangen  wir  zu  nachstehendem  Schlüsse.  Es  folgte  der 
Periode  des  Zurückweichens  des  Riffes  während  der  Ablagerung 
der  Augitporphyrlaven  eine  Periode  horizontaler  Ausdehnung, 
während  welcher  Zungen  des  Riffes  ziemlich  weit  in  das  benach- 
barte heteropische  Gebiet  übergriffen  (Sasso  Bianco,  Vorkommen 
östlich  der  Lobia-Alpe,  Cima  di  Rossi  mit  Sasso  Pitschi). 

In  den  Augitporphyrlaven  des  Zuges  des  Sasso  di  Mezzodi 
walten  Trümmerlaven,  welche  mächtige  Bänke  zusammensetzen,  bei 
Weitem  vor.  Auch  die  schon  öfters  erwähnten  Tuffkalkbreccien 
finden  sich.  Westlich  von  Sasso  di  Capello  scheinen  Gänge  von 
augit-  und  homblendefreien  Melaphyren  aufzutreten. 

Die  tektonischen  Verhältnisse  des  Augitporphyrgebirges  sind, 
wie   bereits   aus   der    vorstehenden   Darstellung    hervorgeht,    sehr 


■^)  Vgl.  auch  V.  Klipstein  Beitr.  z.  Kennin.  d.  östl.  Alpen,   IL,   2,  pag.  48, 
Taf.  II,  Fig.  8. 


Der  altvukanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  3^3 

einfach.  Nur  in  der  Nachbarschaft-  der  begrenzenden  Thalfurchen 
treten  einige  Unregelmässigkeiten  der  Lagerung  ein. 

So  ist  westlich  der  Cima  di  Rossi  das  Gebirge  in  seiner 
ganzen  Breite  stafTelförmig  gegen  Westen  abgesunken.  Der  Dolomit 
am  rechten  Avisio-Ufer  bei  Penia  wird  in  Folge  dessen  durch 
Augitporphyrlaven  abgeschnitten.  Gegen  Westen  wird  diese  Scholle 
selbst  wieder  von  einer  Verwerfung  begrenzt,  welche  aus  dem  Mor- 
titsch-Thal  über  Canazei  in  die  Gegend  von  Alba  verläuft.  Die 
Augitporphyrlaven  treffen  mit  Werfener  Schichten  zusammen. 

Eine  andere  nicht  unbedeutendie  Verwerfung  beginnt  in  der 
Gegend  des  Sasso  di  Capello  in  den  Augitporphyrlaven.  Das 
Gebirge  fallt  beiderseits  von  der  Verwerfung  weg.  Es  werden  hier- 
auf der  Reihe  nach  der  Wengener  und  Buchensteiner  Dolomit  im 
Norden  des  Sasso  di  Mezzodi,  sodann  der  Muschelkalk  und  die 
Werfener   Schichten   durch    die  Augitporphyrlaven    des   Porto,  do, 


Buchenstein  bei 
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a  =  Wcnguner  Dolomit;  b  =  Augitporphyrlaven. 

welche  dem  südlichen  Gegenflügel  des  Sella-Gebirges  angehören, 
abgeschnitten.  Bei  Soraruaz  setzt  die  Verwerfung  quer  über  den 
Cordevole,  wo  dieselbe  am  Gehänge  des  Cherzberges  sich  recht- 
winklig gegen  Westen  umbiegt  und  in  dem  von  Araba  zum 
Campolungo-Joch  fuhrenden  Graben  endet. 

Sehr  verwickelten  Verhältnissen  begegnen  wir  im  Osten  des 
Monte  Migion.  Eine  grosse  gegen  den  Cordevole  zu  einfallende 
Scholle  von  Werfener  Schichten  lehnt  sich  zunächst  an  die  Ost- 
flanke des  Monte  Migion.  Auf  ihr  steht  die  Ortschaft  Laste.  Süd- 
lich davon  folgt  bei  Ronch  eine  kleine  Scholle  mit  einer  Platte  von 
Muschelkalk-  (vielleicht  auch  von  Buchensteiner)  Dolomit.  Der 
Dolomit  ist  theilweise  durch  die  Denudation  in  phantastische  Nadeln 
aufgelöst  (Sasso  di  Ronch).  Auf  der  Südseite  dieser  Scholle  setzt 
von  Osten  her  eine  Verwerfung  durch,  welche  man  als  die  Fort- 
setzung der  Antelao-Bruchlinie  betrachten  kann.  Der  Muschelkalk 
der  Scholle  von  Ronch  schneidet  an  Augitporphyrlaven  ab. 


^ÖA  ^er  altvulcanischc  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Die  Wengener  Mergel  und  Augitporphyrlaven,  welche  zwischen 
Ronch  und  Rocca  den  Zusammenhang  des  Gebirges  unterbrechen, 
bilden  wol  nur  eine  von  der  Höhe  des  Monte  Migion  abgerutschte 
Scholle. 

3.  Die  Gruppe  des  Sasse  di  Dam  (Buffaure-Gebirge). 

Dieses  vorzüglich  aus  festen  Augitporphyrlaven  bestehende 
und  durch  seine  Mineral-Fundstätten  (Drio  le  Falle,  Buffaure)  be- 
rühmte Gebirge  bildet  den  südwestlichen  Abschluss  des  grossen 
Laven-  und  Tuffgebietes,  da,  mit  Ausnahme  weniger  Lavenreste  in 
der  Umgebung  der  grossen  Fleimser  Eruptionsstelle,  im  Süden  und 
Westen  dem  Dolomit  und  Kalk  die  Herrschaft  zufällt.  Sowie  aber 
die  beiden  berühmten  Eruptionsstöcke  von  Fassa  (Monzoni)  und 
Fleims  die  Hauptmasse  der  über  den  Buchensteiner  Schichten  fol- 
genden Dolomite  durchbrochen  haben  und  daher  jünger  sein 
müssen,  als  die  Hauptmasse  der  Augitporphyrlaven  der  grossen 
nördlichen  und  östlichen  Tuffregion,  so  lagern  auch  die  Augit- 
porphyrlaven an  der  Fleimser  Eruptionsstelle  über  den  gewaltigen 
Massen  des  Wengener  Dolomits. 

Tiefenlinien  umziehen  ringsum  die  kleine  Gruppe.  Nur  im 
Westen  (Cima  di  Calaz)  und  im  Süden  (Südgehänge  des  Buffaure) 
ragen  Spitzen  der  benachbarten  Riffe  auf  kurze  Strecken  in  ihr 
Gebiet.  Im  Westen  gegen  das  Rosengarten-Riff  zu,  sowie  im  Süd- 
osten ist  die  Region  der  heteropischen  Grenze  durch  die  Denu- 
dation zerstört.  Im  Norden  und  Nordosten  fand  der  Zusammenhang 
mit  dem  Lavengebiete  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  und  des 
Sasso  di  Capello-Zuges  statt. 

Die  Hauptmasse  der  Laven  besteht  hier  aus  massigen,  bank- 
(brmig  abgesonderten  Augitporphyrströmen.  Die  conglomeratischen 
Trümmerlaven  treten  nur  sehr  untergeordnet  auf,  dagegen  scheinen 
Tuffkalkbreccien  eine  continuirlich  fortlaufende  Schichtenabtheilung 
an  der  Basis  des  Lavensystems  zu  bilden.  Die  letzteren  gehen 
stellenweise  in  feste  graue  Kalkmassen  mit  untergeordneten  Tuff- 
schmitzen  über. 

Nach  den  übereinstimmenden  Berichten  von  v.  Richthofe n 
und  Doelter  werden  die  Laven  von  zahlreichen  Gängen  durch- 
setzt. Das  Vorkommen  unzweifelhafter  Gänge  in  den  reinen 
Sedimentgesteinen  rings  in  der  Peripherie  des  Gebirges  spricht  für 
die  Richtigkeit  dieser  Angabe.  Doch  unterliegt  es  sowol  wegen  der 
grossen  Aehnlichkeit  der  Gesteine,  als  auch  wegen  der  nahezu 
continuirlichen,    die    steilen   Kuppen   und    Gehänge    überziehenden 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^Q^ 

Rasendecke,  grossen  Schwierigkeiten,   sich  von  dem  Vorhandensein 
der  Gänge  im  Gebiete  der  Laven  zu  überzeugen. 

Die  Kalk-  und  Dolomitmasse  der  Cima  di  Calaz  bildet  den 
westlichen  Ausläufer  des  Marmolata-Riffes.  Das  Nordwest-  und 
Westgehänge  entspricht  der  RiflTböschung.  Auf  der  Südseite  zeigt 
unsere  Karte  ein  keilförmiges  Eindringen  der  Augitporphyrlaven 
zwischen  die  Buchensteiner  Schichten  und  den  Wengener  Dolomit. 
Das  Dolomitriff  griff  daher  mit  einer  Spitze  über  die  Augitporphyr- 
laven über. 

Mehrere  isolirte  kleine  Kalkkuppen  finden  sich  den  Augit- 
porphyrlaven frei  aufgesetzt  in  geringer  Entfernung  von  der  Cima 
di  Calaz.  Eine  derselben  bildet  den  Gipfel  des  Sasso  di  Dam.  Es 
sind  dies  wol  die  letzten  Reste  einer  über  die  ganze  Masse  der 
Laven  übergreifenden  Riffzunge,  völlig  analog  und  wahrscheinlich 
auch  gleichzeitig  mit  den  im  vorhergehenden  Abschnitt  geschilderten 
übrigen  Riffzungen  des  Marmolata-Riffes  (Cima  di  Rossi  u.  s.  w.). 
Wahrscheinlich  gehört  der  Dolomitstreifen  am  Ostabhange  der 
Greppa,  welcher  den  Augitporphyrlaven  scheinbar  eingelagert  ist, 
demselben  Niveau  an,  in  welchem  Falle  eine  Verwerfung  zwischen 
ihm  und  den  oberen  Augitporphyrlaven  durchsetzen  müsste. 

Zwischen  der  Cima  di  Calaz  und  der  Pozza-Alpe  ruhen  die 
Augitporphyrlaven  auf  den  normalen  Buchensteiner  Schichten. 
Unterhalb  der  Cima  di  Calaz  vertreten  noch  lichte  Dolomite  die 
Buchensteiner  Schichten.  Südlich  von  dem  Sasso  di  Rocca  findet 
ein  plötzliches  Absinken  des  Gebirges  in  Folge  einer  nordsüdlichen 
Verwerfung  und  Verschiebung  gegen  Süden  statt.  Beim  Ueber- 
gange  aus  dem  Pozza-Thal  in  das.Contrin-Thal  ist  diese  Verwerfung 
sehr  deutlich  an  den  contrastirenden  Farben  der  sich  berührenden 
Gesteinsarten  erkennbar.  Der  Jochübergang  selbst  liegt  in  den 
Werfener  Schichten,  welche  unweit  südlich  von  der  Passhöhe  sich 
anticlinal  wölben.  Das  Einfallen  des  Nordschenkels  ist  ein  sehr 
sanftes.  Der  Südschenkel  schiesst  jedoch  unter  dem  Col  Ombert 
steil  in  die  Tiefe.  Gypsfiihrende  Bellerophon-Schichten  erscheinen 
sowol  im  Contrin-,  als  auch  im  Pozza-Thal  im  Liegenden  der  Werfener 
Schichten. 

Die  ganze  Gegend  ist  von  Melaphyrgängen  durchsetzt. 
Grössere  auffallende  Gangmassen  finden  sich  namentlich  auf  dem 
Gehänge  gegen  das  Contrin-Thal  und  im  Südschenkel  der  Werfener 
Schichten  vor  dem  Col  Ombert. 

Im  Süden  des  Sasso  di  Dam  schneiden  Aügitporphyrmassen 
die  tiefere  Schichtenreihe  plötzlich  ab.  Es  ist  schwer  zu  entscheiden, 


206  Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

ob  man  es  mit  einer  mächtigen  Gangmasse  oder  mit  Laven,  welche 
an  einer  Verwerfung  abgesunken  sind,  zu  thun  hat. 

Am  unteren  Ende  der  Pozza-Alpe  beginnt  sodann  eine  grössere 
Dolomitmasse,  welche  den  steilen  Südabfall  des  Buffaure  bildet  und 
mit  einer  gegen  Norden  gewendeten  Böschungsfläche  unter  die 
Augitporphyrlaven  eingreift.  Diese  von  grösseren  und  kleineren 
Melaphyrgängen  durchsetzte  Dolomitmasse  gehört  den  Wengener 
Schichten  an,  wie  die  Unterlagerung  derselben  durch  Buchensteiner 
Schichten  nächst  der  Capella  del  Crocifisso  zeigt.  Sie  verhält  sich 
zu  den  Augitporphyrlaven  unserer  Gebirgsgruppe  genau  so,  wie 
das  Riffende  des  Rosengarten-Gebirges  im  Udai-Thal  bei  Mazzin 
zu  den  Aupitporphyrlaven  des  Donna-Gebirges  (vgl.  oben  Seite  184), 
und  repräsentirt  daher  ein  hauptsächlich  durch  die  Thalerosion 
des  Pozza-Thales,  aber  auch  durch  eine  kleine  Verwerfungsspalte 
von  der  Dolomitgruppe  des  Sasso  di  Mezzogiorno  getrenntes  Riff- 
ende des  grossen  südlichen  Riffes. 

Zwischen  Pozza  und  Campitello  bilden  allenthalben  Werfener 
Schichten  und  Muschelkalk  die  sichtbare  Unterlage  des  Gebirges. 
Da  die  normalen  Buchensteiner  Schichten  zu  fehlen  scheinen,  so 
dürfte  die  über  dem  unteren  Muschelkalk  folgende  Kalkbank,  wie 
wir  schon  so  häufig  erfahren  haben,  ausser  dem  oberen  Muschel- 
kalk auch  noch  die  Buchensteiner  Schichten  umfassen.  Da  nun 
sowol  auf  der  dem  Fassa-Thal  zugekehrten  Seite  des  Rosengarten* 
Gebirges,  als  auch  in  der  Gruppe  des  Sasso  di  Mezzogiorno  die 
Buchensteiner  Schichten  in  ihrer  normalen  Entwicklung  vorhanden 
sind,  so  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,  dass  die  Dolomitfacies  der 
Buchensteiner  Schichten  des  Marmolata-Riffes  sich  unterhalb  der 
Gruppe  des  Sasso  di  Dam  bis  an  deren  Westseite  fortsetzt. 

Zahllose  kleine  Verwerfungen  beunruhigen  die  am  westlichen 
Fusse  des  Gebirges  zwischen  Pozza  und  Campitello  anstehenden 
tieferen  Schichtenglieder.  Stellenweise  erfolgen  Abbruche  kleiner 
Schollen.  —  Melaphyrgänge  sind  häufig  zu  beobachten. 

Wenn  man  die  abweichenden  Höhenverhältnisse  berücksichtigt, 
unter  denen  die  correspondirenden  Schichten  auf  der  linken  und 
rechten  Seite  des  Fassa-Thales  auftreten^  so  erscheint  auf  den 
ersten  Blick  die  Annahme  unabweislich,  dass  die  Gruppe  des 
Sasso  di  Dam  durch  eine  dem  Fassa-Thal  entlang  laufende 
Verwerfung  von  der  Fassa  -  Grödener  Tafelmasse  getrennt  wird. 
Diese  Annahme  gewinnt  durch  das  Vorhandensein  einer  unzweifel- 
haften Verwerfung  im  unteren  Pozza -Thal  noch  an  Wahr- 
scheinlichkeit.    Nachdem   sich   aber  das  Avisio-Thal  von  Pozza  bis 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  '^ßy 

Cavalese*)  als  ein  reines  Erosionsthal  erweist,  bezweifle  ich  auch 
die  Existenz  einer  Verwerfungsspalte  in  der  oberen  Strecke  zwischen 
Pozza  und  Gries.  Die  abweichenden  Höhenverhältnisse  lassen  sich, 
wie  eine  nähere  Ueberlegung  überzeugend  darthut,  auch  'auf  eine 
vom  Caressa-Passe  über  Vigo  und  dann  dem  Fassa-Thal  aufwärts 
laufende  Anticlinalwölbung  mit  steilerem  Südschenkel  zurückführen, 
und  scheint  mir,  dass  diese  Erklärung,  welche  fiir  die  Gegend  im 
Süden  von  Vigo  zweifellos  die  richtige  ist,  sich  auch  ungezwungen 
auf  das  Verhältniss  der  Fassa-Grödener  Tafelmasse  zur  Gruppe  des 
Sasso  di  Dam  anwenden  lässt 


4.   Der  Monzoni-Stock    mit   dem   Gebirge    zwischen  der   Forca 

Rossa  und  dem  Fassa-Thal. 

Ueber  den  Monzoni-Stock  sind  schon  eine  Reihe  trefflicher 
Arbeiten  veröffentlicht  worden.  Auch  hat  Dr.  Doelter,  welchem 
die  specielle  Aufgabe  gestellt  worden  war,  die  Eruptionsstellen  des 
Avisio-Gebietes  zu  studiren  und  zu  kartiren,  die  Resultate  seiner 
Untersuchungen  bereits  in  einigen  Aufsätzen  mitgetheilt.  Wir  werden 
uns  daher  bei  der  Darstellung  des  Monzoni-Ganges  kurz  fassen,  nur 
das  Wesentliche  und  zum  Verständniss  des  Ganzen  Unerlässliche 
berühren  und  unsere  Aufmerksamkeit  vorzüglich  den  tektonischen 
und  historischen  Beziehungen  des  Monzoni-Stockes  zu  dem  von 
demselben  durchsetzten  Gebirge  zuwenden. 

Das  hohe  Kalkgebirge,  welches  von  der  Forca  Rossa  bis 
zum  Monzoni-Thal  reicht  und  in  den  prächtigen  Felsgipfeln  des 
gletscherbedeckten  Vemale,  des  Sasso  di  Valfredda,  der  Fu- 
chiada  u.  s.  f  culminirt,  ist,  wie  oben  bereits  erwähnt  wurde,  durch 
die  Erosionsrinne  des  Val  di  Franzedaz  von  der  Gruppe  des  Sasso 
Bianco  und  durch  eine  über  den  Ombretta-Pass  laufende  Ver- 
werfung von  der  Marmolata  getrennt.  Die  isopische  Kalkmasse  wird 
nur  an  zwei  Stellen  von  heteropischen  Bildungen  unterbrochen.  Auf 
der  Nordseite  sieht  man  nämlich  dem  weit  nach  Norden  vor- 
springenden Gesimse  des  unteren  Dolomits  (Mendola  -  Dolomit) 
nächst  Col  Ombert  einen  Denudationsrelict  einer  wolgeschichteten, 
gelb  gefärbten  Bildung  auflagern,  welcher  seiner  Lage  nach  wol 
den  vom  Südabhange  der  Marmolata  erwähnten  Kieselkalken  ent- 
sprechen dürfte.  Ich  hatte  leider  keine  Gelegenheit,  dieses  Vor- 
kommen näher  zu  untersuchen.  Die  zweite  heteropische  Einschaltung 


*)  Bis  hierher  kenne  ich  blos  das  ThdI.   Aber   höchst  wahrscheinlich  macht 
das  untere  Avisio-  (oder  Cembra-)  Thal  von  dieser  Regel  keine  Ausnahme. 


368  I>er  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.' 

gehört  dem  Südgehänge  des  Gebirges  an.  Hier  sind  die  Büchen- 
steiner  Schichten  in  ihrer  normalen  Ausbildung  vorhanden.  Man 
kann  das  dunkle,  dünngeschichtete  Band,  welches  die  schmale 
untere  Dolomitbank  von  der  mächtigen  oberen  Kalkbildung  trennt, 
in  der  prachtvoll  entblössten  Steilwand  leicht  vom  Le  Selle-Pass 
bis  gegen  den  Sasso  di  Valfredda  hin  verfolgen.  Auf  der  Nordseite 
zwischen  der  Marmolata  und  dem  Monzoni-Thal,  sowie  entlang  der 
ganzen  Südseite  bricht  das  Kalkgebirge  mit  steilen  Denudations- 
wänden ab.  In  geringer  Entfernung  vom  Nordgehänge  musste  einst 
die  heteropische  Grenze  gegen  die  Laven-Bucht  des  oberen  Fassa- 
Thales  verlaufen.  Die  heteropischen  Einlagerungen  auf  der  Südseite 
des  Marmolata-Stockes  und  auf  dem  Col  Ombert  machen  es  wahr- 
scheinlich, dass  sich  einstens  eine  Abzweigung  der  heteropischen 
Bucht  zwischen  den  westlichen  Arm  des  Marmolata-Riffes  (Sotto 
Vemel,  C.  di  Calaz)  und  das  Kalkgebirge  der  Fuchiada  einschob. 
Gegen  Süden  dehnte  sich  aber  das  Riff  wol  ununterbrochen 
über  das  heute  bis  zum  Quarzporphyr  herab  denudirte  Bocche- 
Gebirge  bis  zum  Primiero  Riff  und  bis  zum  Viezzena-Stocke  aus. 

Die  ungewöhnlich  hohe  Lage  der  Basis  des  Fuchiada  Kalk- 
zuges auf  der  Südseite  (Auflagerung  des  unteren  Muschelkalks  auf 
den  Werfener  Schichten  nächst  dem  Le  Selle-Pass  über  der 
2500  Meter  Linie)  ist  der  gewaltigen  Aufwölbung  des  Quarzpor- 
phyrs im  Bocche-Gebirge  zuzuschreiben,  auf  deren  Nordschenkel 
der  Fuchiada- Zug  und  der  Monzoni- Stock  sich  befinden.  Sowie 
sich  gegen  Osten  die  Quarzporphyr-Kuppel  senkt,  rückt  in  gleicher 
Richtung  auch  die  Auflagerung  des  unteren  Muschelkalkes  auf  den 
Werfener  Schichten  in  tiefere  Niveauflächen.  Wegen  der  oben 
(Seite  347)  geschilderten  grossen  Verwerfungen  am  Südgehänge  der 
Forca-Rossa  aber  kann  die  Senkung  der  Kalkgebirgs-Unterlage 
(Ueberlagerung  der  Werfener  Schichten  durch  den  unteren  Muschel- 
kalk an  der  Forca  Rossa  bei  circa  2300  Meter)  nicht  der  Senkung 
der  entblössten  Porphyrfläche  entsprechen.  Das  Einfallen  ist  selbst- 
verständlich allenthalben  gegen  Norden  gerichtet.  Dieses  Nord- 
fallen hält  im  Osten  bis  an  die  Marmolata- Verwerfung  an,  weiter 
westlich  aber  herrscht  auf  der  Nordseite  unseres  Kalkgebirges 
flaches  Südfallen,  so  dass  hier  eine  muldenförmige  Lagerung 
besteht. 

Eine  beträchtliche,  ziemlich  unvermittelte  Senkung,  welche 
vielleicht  auch  von  Verwerfungen  auf  der  Nordseite  begleitet  ist, 
erfährt  das  Kalkgebirge  zwischen  den  Rissoni  und  dem  Monzoni- 
Thal.  In  Folge  derselben  reicht  der  Dolomit  bis  in  die  Sohle  des 
Monzoni-Thales  herab. 


Der  altvulcanitche  Distria  von  Foua  und  Fldtn*. 


369 


Bis  zur  Forca  Rossa  und  zur  Marmolata- Verwerfung  hin  ist 
das  ganze  Gebirge  von  zahllosen  Melaphyrgängen  und  Gangspalten 
durchsetzt  Am  meisten  häufen  sich  die  Gänge  in  der  Strecke 
zwischen  dem  Monzoni  und  der  Fuchiada,  also  in  der  unmittelbaren 
Nachbarschaft  des  grossen  Monzoni-Stockes,  gegen  Osten  werden 
sie  allmählich  seltener.  In  dem  unteren  Gebirgssockel  spielen  die 
schwarzen  Gangmassen  keine  so  auffallende  Rolle,  als  in  dem 
hohen  nackten  Kalkgebirge,  in  welchem  der  Farbencontrast  zwischen 
den  hellweissen  Kalken  und  Dolomiten  und  den  schwarzen  Melaphyr- 
adem  ein  Bild  von  seltener  Grossartigkeit  schafft.  Treffend  verglich 
V.  Richthofen  die  Gänge  mit  schwarzen  Fäden,  welche  wie  ein 
netzförmiges  Gewebe  das  bleiche  Kalkmassiv  überziehen. 

Zwei  Gang-Richtungen  sind  zu  unterscheiden.  Die  weitaus 
vorherrschende  Richtung  ist  die  westöstliche.  Da  dieselbe  nahezu 
mit  dem  Streichen  des  Gebirges  zusammenfallt  und  da  femer  die 
Gät^e  das  Gebirge  meist  schräge  mit  siidUchem  Einfallen  durch- 
setzen, so  entsteht  sehr  häufig  die  unter  der  Bezeichnung  , Lager- 
gänge* bekannte  Lagerungsform.  Auf  der  Südseite  des  Gebirges 
sieht  man  eine  mächtige  derartige  Lagermasse  aus  der  Gegend  des 
Le  Sclle-Passes  bis  östlich  von  der  Fuchiada  fortsetzen.  Die  steilen 
Nordwände  des  Gebildes,  welche  aus  einiger  Entfernung  einer  in 
regelmässige  Bänke  getheüten  Kalkbildung  täuschend  gleichen,  sind 
von  zahlreichen  schmalen,  das  Ansehen  normaler  Zwischenlagen 
annehmenden  Lagergängen  durchzogen.  Dies  sind  die  schwarzen 
Fäden  v.  Richthofen's.  Vom  Sasso  di  Dam  oder  noch  besser  von 
dem  niedrigen  Joche  zwischen  dem  Pozza-  und  dem  Contrin-Thal 
kann  man  in  der  vormittägigen  Beleuchtung  diese  nicht  gewöhn- 
liche Erscheinung  ausgezeichnet  betrachten. 


Di«  HelBphyrglni«  de«  Fuctil«d«-Ocblixe«. 

a  =  Qaanporphjr;  i  s  CrMener  Sandiieln;  c  =  Bcireronhon-Schlchicn :  d  =  Worfeoer 
Schichlco;  t  s  Unterer  Muiehelkilk;  /  =  Oberer  MuicheJkilk;  g  =  Buchensteiner  Schichteo; 
f'  =  BucbBnttemer  Dolomit:  *  =  Wengcner  Dolomit  and  K*tk;  -J  =  Augilporphyr ;  fi  =  Meliphjt. 


370 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


Die  vorstehende,  etwas  schematisirte  Profilzeichnung  geht  von 
der  Vorstellung  aus,  dass  die  in  den  tieferen  Einrissen  der  Süd- 
hälfte des  Gebirges  vorkommenden  Gänge  mit  steilerem  Einfalls- 
winkel die  in  die  Tiefe  eindringenden  Fortsetzungen  (die  , Stiele*) 
der  Lagergänge  des  Nordabfalles  repräsentiren. 

Die  zweite,  viel  seltenere  Gangrichtung  ist  die  nordsüdliche 
mit  steilem  Ostfallen.  Man  beobachtet  dieselbe  hauptsächlich  auf 
der  Südseite  des  Kalkgebirges  zwischen  dem  Monzoni  und  der 
Fuchiada. 

Nach  Doelter's  Untersuchungen  gehören  die  Ganggesteine 
des  Fuchiada-Zuges  theils  zu  den  augitarmen  Melaphyren,  theils  zu 
den  Hornblende-Melaphyren.  Die  grösseren  Gangmassen  sind  nicht 
selten  von  Reibungs-Breccien  begleitet.  Stellenweise,  wol  in  Folge 
eingetretener  Zersetzung,  nehmen  auch  die  Gang-Melaphyre  das 
Aussehen  von  Tuffen  an. 

Contactverändenmgen  scheinen  bei  den  Melaphyrgängen  sehr 
selten  zu  sein.  Doelter  erwähnt  nur  einen  circa  6  Meter  mächtigen 
Gang  zwischen  dem  Le  Seile-See  und  dem  Le  Seile-Passe,  welcher 
von  einem  grünen  Saume  mit  Contact-Mineralien  (Scapolith,  Pistacit, 
Granat,  Eisenglanz,  Eisenkies,  Kupferkies,  Magneteisen)  begleitet  ist  *). 

Ausser  den  Gängen  beobachtet  man  auch  zahlreiche,  den 
Gängen  parallele  Spalten,  welche  vollkommen  regelmässigen  Schichten 
gleichen.  Das  Lichtbild  ,Der  Ostrand  des  Kessels  von  Le  Seile  im 
Monzoni-Gebirge*  zeigt  den  Unterschied  zwischen  der  wahren 
Schichtung  und  diesen  Spalten,  welche  wir  im  Gegensatze  zu  den 
durch  Eruptivmasse  ausgefüllten  Gängen  ^^ Gangspalten*  nennen 
wollen.  Die  in  den  Felszacken  rechts  vom  Le  Selle-Pass  sichtbaren, 
ziemlich  steil  Nord,  d.  i.  unter  den  Dolomit  der  Cima  di  Costabella, 
einfallenden  Buchensteiner  Schichten  geben  uns  Aufschluss  über  die 
Fallrichtung  des  Gebirges.  In  der  Ecke  links  von  der  Cima  di 
Costabella  ist  ein  Theil  einer  Gangmasse  sichtbar.  Parallel  diesem 
Gange  ist  der  Dolomit  der  Cima  di  Costabella  zerspalten.  Eine 
parallele  Gangspalte  durchsetzt  sodann  die  Buchensteiner  Schichten 
sammt  dem  unter  diesen  folgenden  Dolomit  des  oberen  Muschel- 
kalks. Der  im  Hintergrunde  rechts  sichtbare  Alochet-Rücken  ist 
durch  eine  Verwerfung  geschieden  und  trägt  auf  seiner  Höhe  wieder 
Buchensteiner  Schichten,  welche  nach  den  Beobachtungen  der  Herren 
Doelter  und  Hoernes   von   einem   als  Apophyse  des  unmittelbar 


*)  Der    geologische  Bau    des  Monzoni-Gebirges.   Jahrb.  d.  Geol.  R.-A.  1873, 
pag.  239. 


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Der  alnnilcanische,  District  von  Fassa  und  Fleicns.  ^yx 

angrenzenden  Monzoni-Stockes  zu  betrachtenden  Syenitgange  durch- 
brochen werden. 

Die  Betrachtung  unserer  Karte  lehrt  nun,  dass  die  haupt- 
sächlich aus  Syenit  bestehende  Eruptivmasse  des  Monzoni  *) 
den  soeben  besprochenen  Kalkzug  der  Fuchiada  sammt  seiner 
Unterlage  bis  in  den  Quarzporphyr  hinein  abschneidet.  Längs  der 
steilen  Schlucht,  welche  vom  Monzoni-Thal  zum  Seekessel  von  Le 
Seile  fuhrt,  tritt  der  Syenit  mit  dem  Wengener  Dolomit  des 
Fuchiada-Zuges,  welcher  hier  sich  bis  zum  Monzoni-Thal  herab- 
senkt, in  directe  Berührung.  Einige  Syenit-Apophysen  dringen  in 
den  Dolomit.  Südlich  vom  Alochet-Rücken  zieht  sich  nach  der 
Aufnahme  Doelter*s  ein  östlicher  Ausläufer  des  Syenits  in  die 
Werfener  Schichten  hinein.  Die  südliche  Begrenzung  des  Monzoni- 
Stockes  bildet  Quarzporphyr,  und  zwar,  wie  sich  aus  dem  Zu- 
sammenhange der  Gebirgsmassen  klar  ergibt,  der  oberste  Theil  des 
Quarzporphyr-Systems.  Denken  wir  uns  hier  die  durch  die  Erosion 
des  Pellegrin-Thales  abgetragenen  Sedimentschichten  bis  zur  Höhe 
der  Monzoni-Spitzen  (Riccoletta^  Mal  Invemo)  noch  vorhanden,  so 
würde  die  den  Quarzporphyr  überlagernde  Schichtenfolge  bis  zum 
Wengener  Dolomit  hinauf  mit  dem  Eruptivstock  in  Berührung 
treten**).  Im  Westen  bildet  die  tief  eingesunkene,  aus  Wengener 
Dolomit  bestehende  Scholle  des  Monte  di  Pesmeda  die  Begrenzung. 
Am  Nordfusse,  nächst  der  Monzoni- Alpe,  stehen  Werfener  Schichten 
zu  Tage. 

Die  zahlreichen  grösseren  und  kleineren  Kalkschollen,  welche 
in  der  Eruptivmasse  des  Monzoni  gewissermassen  schwimmen  und 
nur  theilweise  ihre  ursprüngliche  Beschaffenheit  eingebüsst  haben, 
wurden  von  Doelter  nicht  näher  unterschieden.  Wir  haben  die 
grösseren  derselben,  welche  in  der  Karte  angemeilct  sind,  mit  der 
Farbe  des  Wengener  Dolomits  bezeichnet,  obwol  zu  vermuthen  ist, 
dass  sich  auch  Fragmente  tieferer  Schichten  (etwa  Buchensteiner 
und  Werfener  Schichten)  bei  sorgfaltiger  Untersuchung  werden 
nachweisen  lassen***). 


*)  Der  Name  Monzoni,  welcher  in  der  geologischen  Literatur  in  Verknüpfung 
mit  diesem  Eruptivstocke  bereits  Bürgerrecht  erlangt  hat,  kommt  eigentlich  nur 
dem  nördlich  gelegenen  Alpenthale  und  einer  Dolomitspitze  in  der  Gruppe  des 
Sasso  di  Mezzogiorno  zu. 

**)    Man    vergleiche    auch   über  die   Entblössung    des   Monzoni-Stockes    die 
treffenden  Bemerkungen  in  v.  Richthofen:  Predazzo  u.  s.  w.,  Seite  253. 

***)  Vgl.  Lemberg:  lieber  Gesteinsumbildungen  bei  Predazzo  und  am  Mon- 
zoni. Zeitschr.  D.  Geol.  Ges.  1877,  Seite  460  (Zwischen  Toal  del  mason  und  Toal 
dei  Rizzoni),  ferner  Seite  462  (Palle  rabiose). 

24  ♦ 


372 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


Was  nun  die  Hauptmasse  der  Monzoni-Gesteine  betrifft,  so 
hat  man  sich  daran  gewöhnt,  dieselben  unter  dem  Sammekiamen 
,Monzonit*  zusammenzufassen.  Doelter  unterscheidet  zwei  Haupt- 
gruppen : 

1.  den  Homblende-Monzonit  (Syenit  Diorit), 

2.  den  Augit-Monzonit  (Augitfels,  Gabbro). 

Ausser  der  Schwierigkeit,  die  vielfach  in  einander  übergehenden 
Gesteine  in  der  Natur  zu  unterscheiden,  war  für  die  Wahl  einer 
besonderen  Nomenclatur  auch  das  ungewohnt  jugendliche  Alter  der 
Monzoni-Gesteine  massgebend. 

Nachdem  sich  jedoch  die  bis  vor  kurzer  Zeit  angestrebte 
Altersgliederung  der  Eruptivgesteine  durch  zahlreiche  Erfahrungen 
als  hinfällig  erwiesen  hat,  liegt  kein  Grund  mehr  vor,  in  der 
Classification  und  Nomenclatur  der  Eruptivgesteine  das  geologische 
Alter  als  ein  massgebendes  Kriterium  beizubehalten.  Wie  bei  der 
Bestimmung  der  sedimentären  Gesteine  lediglich  der  petrographische 
Standpunkt  massgebend  ist,  so  darf  uns  auch  nur  dieser  bei  der 
Eintheilung  und  Benennung  der  Eruptivgesteine  leiten,  soll  nicht  eine 
ungerechtfertigte  Ungleichmässigkeit  in  der  Behandlung  der  beiden 
Gesteins-Kategorien  platzgreifen.  Dem  geologischen  Bedürfniss  wird 
wie  bei  den  Sedimentär-Gesteinen,  durch  ein  chronologisches  Be- 
stimmungswort hinlänglich  Rechnung  getragen  (z.  B.  norischer 
Syenit,  permischer  Granit  u.  s.  w.).  —  Die  Schwierigkeit  der  geolo- 
gischen Aufnahme  wegen  des  häufig  wechselnden  petrographischen 
Charakters  kann  selbstverständlich  die  Wahl  einer  besonderen 
Bezeichnung  ebensowenig  rechtfertigen.  In  solchen  Fällen,  welche 
nur  die  Unzulänglichkeit  unserer  Beobachtungen  constatiren,  werden 
wir  das  herrschende  Gestein  allein  berücksichtigen  oder  in  dem 
Farbenschema  einen  entsprechenden  erklärenden  Beisatz   anbringen. 

Was  wäre  z.  B.  für  die  Wissenschaft  gewonnen,  wenn  wir  für 
das  Gestein  einiger  unserer  Riffe  einen  neuen  Verlegenheitsnamen 
aus  dem  Grunde  vorschlagen  würden,  weil  Dolomit  und  Kalk 
nebeneinander  vorkommen  und  wir  (und  zwar  ebenfalls  nur  wegen 
der  Schwierigkeit  der  Untersuchung)  nicht  im  Stande  sind,  dieselben 
kartographisch  zu  trennen?  — 

Die  Hauptmasse  des  Monzoni-Eruptivstockes  *)  bildet  Syenit^ 
mit  welchem  auf  unserer  Karte  nach  Doelter's  Aufnahme  der  sel- 
tener auftretende  Diorit  zusammengefasst  ist.  Das  Gestein  schwankt 


***)  Obwol  in  genetischer  Beziehung  zwischen  einem  Stock  und  einem  Haupt- 
gange kein  wesentlicher  Unterschied  besteht,  ziehen  wir  die  erstere  Bezeichnung 
fCtr  die  Eruptionscentra  vor. 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^y^ 

• 

stellenweise  zwischen  Diorit  und  Syenit.  ^^Ob  aber  Diorit  und  Syenit 
getrennte  Massen  bilden,  oder  ob  sie  gleichförmig  gemengt  erscheinen, 
bleibt  eine  offene  Frage,  es  lässt  sich  dies  wol  nicht  ganz  sicher 
wegen  der  grossen  Aehnlichkeit  der  beiden  Gesteine  unterscheiden; 
jedoch  erscheint  es  äusserst  wahrscheinlich,  es  dürfte,  wie  dies  die 
wenigen  im  Kalk  aufsteigenden  Gänge  nachweisen,  die  Hauptmasse 
des  Monzoni  als  aus  verschiedenartigen  kleinen  Gängen  zusammen- 
gesetzt erscheinen.  Jedenfalls  ist  der  Monzoni  nicht  aus  einem  Gusse 
hervorgegangen,  sondern  nach  und  nach  gebildet  worden*  (Doelter). 
Der  Syenit  wird  zunächst  von  beiläufig  Nord -Süd  streichenden 
Gängen  von  Augitfels  (und  Gabbro)  durchsetzt,  ist  also  im  Allge- 
meinen das  ältere  Gestein.  Doch  besteht  nach  Doelter  kein  durch- 
greifender Altersunterschied  zwischen  beiden  Gesteinstypen  und 
kommen  Uebergänge  zwischen  den  Amphibol-  und  Pyroxen-Ge- 
steinen  vor.  Entschieden  jünger  ist  sodann  der  Melaphyr  (Hom- 
blende-Melaphyr),  welcher  in  seltenen  schmalen,  ebenfalls  haupt- 
sächlich Nord-Süd  streichenden  Gängen  die  älteren  Gesteinsarten 
durchsetzt.  Als  das  jüngste  Gestein  endlich  betrachtet  Doelter 
den  gleichfalls  nicht  häufigen,  in  vorzüglich  Ost- West  streichenden 
Gängen  auftretenden  Orthoklasporphyr. 

Sowol  an  den  Berührungsstellen  des  Eruptivstockes  mit  dem 
durchbrochenen  Kalkgebirge,  als  auch  an  den  in  der  Eruptivmasse 
eingeschlossenen  Schollen  des  im  Gefolge  der  Eruptionsthätigkeit 
zerstückelten  Gebirges  finden  sich  zahlreiche  Contacterscheinungen. 
Die  meisten  Mineralien,  welche  vom  Monzoni -Stocke  stammen, 
rühren  aus  diesen  Contactzonen  her,  nur  wenige  finden  sich  auf 
Spalten  der  Eruptivgesteine*).  Unter  den  entblössten,  der  Beobach- 
tung zugängUchen  Contactveränderungen  ist  die  Umwandlung  der 
lichten  Triaskalke  und  Dolomite  in  kömigen,  Brucit  führenden 
Marmor  (Predazzit)  am  weitesten  verbreitet.  Die  Breite  dieser 
Hauptcontactzone  scheint  beträchtlichen  Schwankungen  zu  unter- 
liegen. Nach  Lemberg  dürfte  die  grösste  Breite  70  Meter  (vom 
Syenit  an  gerechnet)  betragen.  Stellenweise  scheint  die  Einwirkung 
ausserordentlich  schwach  gewesen  zu  sein.  Ungleich  interessanter 
sind  die  Contacterscheinungen  an  den  thonreicheren  tieferen  Schicht- 
complexen  (unterer  Muschelkalk,  Werfener  Schichten).  Das  ver- 
änderte Gestein  besteht  aus  einem  Wechsel  von  lebhaft  gefärbten 
Carbonaten  und  Silicaten.  Die  meist  dunklen  Carbonatlagen  werden 
zunächst  von  Serpentinzonen  umsäumt,  und  diesen  folgen  sodann 
Zonen  augitischen  Gesteins  (Augitzonen  Lemberg's).  Ganz  ähnlichen 


*)  lieber  die  Mineral-Fundstätten  hat  Doelter  in  seinen  Arbeiten  berichtet. 


Der  alivulcanische  Dittrin  von  Fatu  und  Fleinu. 


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Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^y^ 

Säumen  grüner  Gesteine  begegnet  man  nach  den  sorgsamen  Unter- 
suchungen Lemberg*s  am  Contact  des  Brucit  führenden  Marmors 
(Predazzit)  mit  dem  Syenit.  Die  regelmässige  Anordnung  dieser 
Säume,  zusammengehalten  mit  der  oft  sehr  scharfen  Abgrenzung 
derselben  gegeneinander,  widerspricht,  wie  Lemberg  betont,  der 
Ansicht,  wonach  die  Contactgebilde  durch  Zusammenschmelzen  von 
Syenit  und  Carbonaten  entstanden  wären.  ,Nur  Wasser,  welches 
aus  dem  Monzonit  und  dem  Carbonat  Stoffe  aufnahm,  vermochte 
so  regelmässige  Mineralzonen  abzusetzen;  hohe  Temperatur  mochte 
dabei  im  Spiel,  ja  sogar  unerlässlich  sein,  was  sich  zur  Zeit  jedoch 
mit  Sicherheit  nicht  entscheiden  lässt*  *) 

Bereits  v.  Richthofe n  lenkte  die  Aufmerksamkeit  auf  die 
merkwürdige  Analogie  zwischen  diesen  mineralreichen  Contactzonen 
und  den  sogenannten  Silicatblöcken  des  Monte  Somma  am  Vesuv, 
Judd**),  welcher  eine  Uebersicht  der  Monzoni-Mineralien  gab,  hob 
nachdrücklich  hervor,  dass  die  Mehrzahl  der  Vesuv-Mineralien  sich 
am  Monzoni  wiederfindet^  und  deutete  an,  dass  die  am  Monzoni 
fehlenden  Mineralien  durch  Pseudomorphosen  ersetzt  sein  mögen. 
Während  am  Vesuv  der  Wasserdampf  die  losgerissenen  Blöcke  des 
Apenninen-Kalks  mit  ihren  Mineral-Einschlüssen  an  das  Tageslicht 
fördert  und  uns  dadurch  Nachricht  bringt  über  die  am  Contacte 
mit  dem  eruptiven  Magma  sich  vollziehenden  Gesteinsumwandlungen, 
hat  nach  Judd's  treffender  Parallele  am  Monzoni  die  Denudation 
die  Geburtsstätte  der  unter  ähnlichen  Verhältnissen  entstandenen 
Mineralien  blosgelegt  ^In  dem  Herzen  dieses  alten,  nun  todten  und 
kalten  Vulcans  kann  der  Geologe  die  Producte  der  Vorgänge 
Studiren,  welche  zweifellos  tief  unter  unserer  Oberfläche  in  den 
heute  thätigen  Feuerschlünden  wirksam  sind.* 

Zum  Monzoni-Stocke  im  weiteren  Sinne  rechne  ich  noch  die 
Augitporphyrmasse,  welche  den  im  Westen  das  Syenit  -  Massiv 
begrenzenden  Dolomit  des  Monte  di  Pesmeda  durchsetzt,  das 
Pellegrin-Thal  verquert  und  am  Nordfusse  des  Sora  Crep  wieder 
abschneidet  Man  hat  dieses  Vorkommen  wegen  seiner  häufig 
breccienartigen  Beschaffenheit  zu  den  Tuffen  stellen  wollen,  und 
mag  die  weit  vorgeschrittene  Verwitterung  des  Gesteins  zu  dieser 
unrichtigen  Auffassung  beigetragen  haben.  Die  Lagerungsverhält- 
nisse lassen,  wie  die  Betrachtung  der  Karte  lehrt,  keinen  Zweifel 
an  der  intrusiven  Natur  der  ziemlich  ausgedehnten  Masse,  welche  im 
Monzoni-Stocke  dieselbe  Rolle  spielt,  wie  die  grossen  Melaphyrmassen 

*)  Lemberg,    Zeitschr.  D.  Geol.  Ges.  1877,   Seite  468. 
♦♦)  On  Volcanos.  Geol.  Magazine,  1876,  pag.  212. 


376 


Der  «livulcinische  Diitrici  von  Faiu  und  Fleimi. 


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ALiKhet-RückcD 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


377 


des  Mulat  und  des  Monte  Feudale  im  Fleimser  Eruptivstocke. 
Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  erstreckte  sich  einst  dieser  grosse 
Gang  über  die  eigenthümlich  convex  gebogene  und  gegen  Osten 
geneigte  Fläche  des  Monte  di  Pesmeda  bis  über  die  Punta  di 
Valaccia  hinaus.  Die  obere,  einem  Lagergange  zu  vergleichende 
Partie  ist  nun  bis  auf  Reste  der  unteren  Spaltfläche  des  Ganges 
denudirt  und  nur  der  schräg  in  die  Tiefe  setzende  Stiel  ist  noch 
sichtbar. 

Der  noch  von  zahlreichen  anderen,  vorherrschend  Nord-Süd 
streichenden  Melaphyrgängen  *)  durchsetzte  Dolomit  des  Monte 
di   Pesmeda   ist   die   Fortsetzung   der   Punta   di  Valaccia   und   des 


Pcllegri 

n-Thal 

Ricoletta 

Monzoni- 

Alpe 

Pozza  Thal  bei  der 
Capeila  del  Crociüsso 

S. 

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Quer-Durchachnitt  durch  den  Bruptivatock  dea  Monaoni. 

a  =  Qaarzporphyr ;  h  =  Werfener  Schichten;  c  =  Unterer  Muachelkalk;  d  zz  Oberer  Muschel- 
kalk;  e  =  Buchensieiner  Schichten;  /  =  Wengener  Dolomit;  a  =  Syenit  und  Dioni;  j3  =  Augit- 

tels  und  Gabbro;  7  =  Melaphyr;  8  =  Onhoklasporphyr. 


Sasso  di  Mezzogiorno.  Während  nun,  wie  aus  dem  Profil  zu  ent- 
nehmen ist,  der  nördliche  Theil  dieser  Gruppe  zwischen  der  Mon- 
zoni-Alpe  und  dem  Pozza-Thal  sich  zum  Quarzporphyr  des  Pelle- 
grin-Thales  wie  dessen  normales,  blos  durch  den  Monzoni-Stock 
unterbrochenes  Hangendes  darstellt,  ist  im  Westen  der  Eruptivmasse 
das  Gebirge  (Monte  di  Pesmeda)  tief  eingesunken.  Am  Ausgange 
des  Pellegrin-Thales  sieht  man  deutlich,  wie  der  bis  in  die  Thal- 
sohle herabreichende,  von  östlich  einfallenden  Gangspalten  durch- 
setzte Dolomit  des  Monte  di  Pesmeda  im  Westen  an  den  hoch  an 
ihm  hinanreichenden  Werfener  Schichten  (vgl.  das  Profil  Seite  376) 
abstösst  Es  ist  eine  Wiederholung  des  oben  constatirten  Absinkens 
des  Fuchiada- Kalkzuges  zwischen  Le  Seile  und  dem  Monzoni- 
Thal.  Obwol  es  im  Allgemeinen  ausserordentlich  schwierig  ist, 
die  Zeit  des  Eintrittes  tektonischer  Störungen  genauer  zu  bestim- 
men,   so    möchte    ich     doch    wegen    des    ganz    eigenthümlichen 


*)  Nach    Do  elter   findet    sich    am   Kamme    westlich    vom   Mal  Inverno   im 
Dolomit  auch  ein  Syenitgang. 


378  ^er  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Charakters  dieser  an  der  Peripherie  der  Eruptionsstelle  sich  wieder- 
holenden Einsenkungen  die  Vermuthung  wagen,  dass  dieselben  in 
naher  zeitlicher  Beziehung  zu  den  Eruptionen  stehen.  Solche 
plötzliche,  nur  auf  kurze  Strecken  anhaltende  und  in  der  Streichungs- 
richtung des  Gebirges  erfolgende  Absenkungen  sind  dem  in  unserem 
Gebiete  herrschenden  Dislocations-System  vollständig  fremd.  Man 
erhält  den  Eindruck,  als  ob  an  der  Peripherie  der  Eruptionsstelle 
Theile  des  durchsetzten  Gebirges  in  entstandene  Hohlräume  hinab- 
getaucht worden  wären. 

Im  Uebrigen  stellt  sich  die  Gruppe  des  Sasso  di  Mezzogiomo 
als  die  östliche,  durch  die  Erosionsrinne  des  Fassa-Thales  isolirte 
Fortsetzung  des  Rosengarten  -  Gebirges  dar.  Die  Buchensteiner 
Schichten  sind,  wie  am  Ostrande  des  Rosengartens,  durch  die 
normale  heteropische  Schichtenreihe  vertreten. 

Der  zwischen  dem  Monzoni-  und  dem  Pozza-Thal  sich  er- 
hebende Col  dal  Lares  (vgl.  das  Profil  auf  Seite  369),  welcher  durch 
eine  Verwerfung  von  der  Südabdachung  des  Buffaure  getrennt  ist, 
stellt  mit  seinen  Nord  fallenden  Schichten  die  Verbindung  mit  dem 
Sasso  di  Rocca  her.  Er  ist  von  Melaphyrmassen  durchbrochen, 
doch  ist  es  fraglich,  ob  die  Darstellung  unserer  Karte,  welche  hier 
nur  intrusives  Eruptivgestein  verzeichnet,  der  Wirklichkeit  voll- 
kommen entspricht  Ein  aliquoter  Theil  gehört  vielleicht  zu  den 
Augitporphyrlaven. 


5.  Der  Fleimser  Eruptivstock  mit  dem  umgebenden  Kalkgebirge. 

Südwestlich  vom  Monzoni  befindet  sich  die  grosse  Eruptiv- 
masse von  Fleims,  welche  durch  die  Erosionsthäler  des  Avisio  und 
des  Travignolo  in  drei  Theile  zerschnitten  ist.  Wir  verdanken  diesem 
glücklichen  Umstände  eine  genaue  Einsicht  in  die  inneren  Verhält- 
nisse eines  alten  Vulcanschlotes,  wie  eine  solche  in  gleicher  Ueber- 
sichtlichkeit  und  Vollständigkeit  kaum  irgendwo  wieder  vorhanden  ist 
Am  Monzoni  fehlen,  wie  es  scheint,  die  höheren  Partien  vollständig 
und  reichen  die  Aufschlüsse  nicht  so  tief  in  das  Innere  der  Masse, 
Der  Rand  des  alten  Schlotes  ist  in  Fleims  noch  auf  weite  Strecken 
vollständig  erhalten  und  grosse  deckenartig  ausgebreitete  Melaphyr- 
massen nehmen  vorhen'schend  die  höheren  Theile  des  unten  kessei- 
förmig sich  verengenden  Schlotes  ein.  Tiefer  folgt  dann  der  Syenit, 
aus  welchem,  wie  aus  einer  oben  geöffneten  Kapsel,  der  berühmte 
Turmalingranit  von  Predazzo  hervortritt.  Der  granitische  Kern 
bildet  den  tiefsten  entblössten  Theil. 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


379 


Diese  interessante  Gegend  verdiente  eine  eingehende  mono- 
graphische Behandlung.  Wir  können  hier  nur  die  Grundlinien  der 
tektonischen  Verhältnisse  andeuten.  —  Die  Ausscheidung  und  Be- 
grenzung der  eruptiven  Gesteinsarten  in  unserer  Karte  ist  die 
Frucht  der  mehrjährigen  mühevollen  Untersuchungen  Dr.  Doelter's. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  Sedimentbildungen  schliessen 
sich  im  Wesentlichen  der  Ausbildung  der  benachbarten  Districte 
an.  Die  Hauptmasse  der  bald  mehr,  bald  weniger  dolomitischen 
weissen  Kalke  des  Latemar- Gebirges,  des  Dosso  Capello,  des 
Viezzena  gehört,  wie  die  Denudationsreste  von  Augitporphyrlaven 
auf  dem  Monte  Agnello  und  auf  dem  Viezzena  beweisen,  den 
Wengener  Schichten  oder  der  Zeit  der  Augitpophyrlaven  der 
Fassa-Grödener  Tafelmasse  an.  An  die  Stelle  der  ungeschichteten 
Dolomit-  und  Kalkmassen  treten  aber  hier,  insbesondere  im  Latemar- 
Gebirge,  wolgeschichtete  Ablagerungen,  welche,  wie  aus  dem  Ver- 
laufe der  heteropischen  Grenzen  im  Norden  und  Osten  hervorgeht, 
im  Inneren  der  alten  Riffe  gebildet  wurden.  Etwas  weniger  ent- 
schieden, aber  immerhin  noch  deutlich,  sind  die  Schichtenlinien  in 
dem  Stocke  des  Dosso  Capello  und  im  Viezzena-Gebirge.  Einer 
grösseren  schichtungslosen  Masse  begegnen  wir  blos  in  der  abge- 
sunkenen Scholle  des  Soracrep. 

Schon  V.  Richthofen  erwähnte  den  grossen  Fossilreichthum 
des  stellenweise  zahlreiche  Diploporen  führenden  Kalkes  im  Latemar- 
Gebirge.  In  neuerer  Zeit  traten  zu  diesem  Fundorte  noch  die  Wengener 
Kalke  bei  Fomo,  wo  Doelter  Blöcke  mit  zahlreichen  wolerhaltenen 
Ammonitiden  fand,  und  der  Wengener  Kalk  des  Dosso  Capello  bei 
Predazzo,  wo  Dr.  Reyer  in  geringer  Entfernung  vom  Gipfel,  un- 
weit der  Contactstelle  mit  der  Eruptivmasse,  eine  fossilreiche  Lage 
entdeckte.  Die  bis  heute  vorliegenden  Ammonitiden  dieser  drei 
Fundstellen  weisen  ebenso  wie  die  Ammonitiden  des  Marmolata- 
Kalkes  auf  ein  relativ  tiefes  Niveau  der  norischen  Stufe  hin.  Die 
häufigste  Art  von  Fomo,  Trachyceras  Avisianum  Mojs.,  ist  mir  auch 
aus  den  norischen  Tuffmergeln  von  Kaltwasser  bei  Raibl  bekannt. 
Die  übrigen  Formen,  welche  den  Gattungen  Arcestes,  Pinacoceras, 
Ptyckites,  Megaphyllites,  Trachyceras  angehören,  sind  anderwärts  bis 
jetzt  noch  nicht  gefunden  worden.  Bei  Fomo  und  im  Latemar- 
Gebirge  kommen  mit  den  Ammonitiden  auch  ziemlich  häufig 
Gasteropoden  vor.  Auf  dem  Dosso  Capello  walten,  wie  es  scheint, 
Brachiopoden  und  Pelecypoden  vor.  Unter  letzteren  ist  eine  Daonella 
bemerkenswerth,  wahrscheinlich  D,  Lommeli,  soviel  sich  aus  dem 
einzigen  mir  zu  Gebote  stehenden  Bruchstück  schliessen  lässt. 
Erwähnung  verdient  noch,    dass   die  Fossilien  von  Fomo  in  dicken 


1 


jSo  ^cr  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Sinterkrusten  stecken,  aus  denen  sich  dieselben  in  der  Regel  leicht 
loslösen  lassen. 

Die  Buchensteiner  Schichten  sind  in  der  Regel  durch  die 
normale,  heteropische  Ausbildung  (Bänder-  und  Knollenkalke)  ver- 
treten; nur  in  dem  Gebirgsstocke  des  Dosso  Capello,  in  welchem 
die  Mächtigkeit  der  normalen  Buchensteiner  Schichten  abnimmt, 
dürfte  ein  Theil  des  folgenden  Dolomits  noch  den  Buchensteiner 
Schichten  beizurechnen  sein. 

Um  zu  einer  klaren  Vorstellung  der  tektonischen  Verhältnisse 
zu  gelangen,  müssen  wir  zunächst  den  tektonischen  Zusammenhang 
der  drei  Kalkgebirgs-Gruppen  des  Viezzena,  des  Dosso  Capello  imd 
des  Latemar  mit  den  angrenzenden  Regionen  untersuchen.  Was 
nun  zunächst  die  Gipfelmasse  des  Viezzena  betrifft,  so  überzeugt 
uns  ein  Blick  auf  die  Karte  von  der  vollkommen  regelmässigen 
Auflagerung  derselben  auf  dem  Quarzporphyr-Gebirge.  Ruhig,  mit 
wenig  gegen  Westen  geneigten  Schichten  erhebt  sich  über  dem 
Plateau  von  Bellamonte  die  Hauptmasse  des  Gebirges.  Nur  gegen 
Osten  hin,  wo  der  westliche  Gewölbschenkel  des  Quarzporphyr- 
Aufbruches  der  Bocche  unter  den  Viezzena  hinabtaucht,  stellen 
sich  die  tieferen  Schichtcomplexe  etwas  steiler  auf.  Das  Viezzena- 
Gebirge  entspricht  sonach  vollkommen  dem  auf  dem  Nordschenkel 
des  Bocche-Aufbruches  liegenden  Fuchiada-Kalkzuge.  Nur  das  tiefe 
Erosionsthal  von  S.  Pellegrino  und  der  Durchbruch  der  eruptiven 
Massen  des  Monzoni  unterbrechen  den  Zusammenhang  dieser  beiden 
Gebirgstheile.  Eine  irgendwie  nennenswerthe  tektonische  Störung 
liegt  nicht  zwischen  ihnen.  Dieselbe  Porphyrplatte,  welche  bei 
Bellamonte  die  Unterlage  des  Viezzena  bildet,  träg^  weiter  westlich 
die  durch  den  Durchbruch  des  Fleimser  Eruptivstockes  und  die 
Erosionsrinne  des  Avisio  vom  Viezzena  geschiedene  Gebirgsmasse 
des  Dosso  Capello.  Die  Schichten  derselben  neigen  sanft  gegen 
Osten,  so  dass  unter  der  Voraussetzung  eines  ununterbrochenen 
Zusammenhanges  des  Dosso  Capello  und  des  Viezzena  eine  flache 
synclinale  Mulde  resultiren  würde.  Die  kleine,  vorzüglich  aus 
Werfener  Schichten  bestehende  Gebirgsmasse  der  Malgola,  welche 
sich  thatsächlich  zwischen  die  beiden  genannten  Gebirge  ein- 
schiebt, tektonisch  aber  von  denselben  geschieden  ist,  kann  als 
eine  am  Rande  des  Eruptivschlotes  eingesunkene  Scholle  betrachtet 
werden. 

Den  beiden,  tektonisch  als  zusammengehörig  sich  erweisenden 
Massen  des  Viezzena  und  des  Dosso  Capello  steht  im  Norden  die 
Gebirgsmasse  des  Latemar  gegenüber,  deren  tektonische  Grenzen 
zwischen  Fomo   und   dem  Ausgange  des  Pellegrin-Thales   auf  das 


Der  altvulcinische  District  von  Fassa  und  Fldm«. 


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j82  ^cr  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

linke  Ufer  des  Avisio  herübergreifen.  Die  bedeutungsvolle  Störungs- 
linie, welche  die  Südgrenze  des  Latemar-Gebirges  bildet,  wollen 
wir  erst  nach  der  Darlegung  der  tektonischen  Beziehungen  dieses 
Gebirgsstockes  zu  den  nördlichen  und  westlichen  Gebieten  be- 
sprechen. 

Wenn  man  von  einem  nördlicher  gelegenen  Punkte  des  Quarz- 
porphyr-Plateau's  aus  das  Rosengarten-  und  Latemar-Gebirge  be- 
trachtet, so  bemerkt  man,  dass  die  Basis  der  prachtvollen  Dolomit- 
wände des  Latemar  bedeutend  tiefer  als  die  Basis  der  Dolomit- 
zacken des  Rosengarten  lieg^  Dieser  Eindruck  verschärft  sich,  je 
mehr  man  sich  dem  Caressa-Passe,  welcher  bekanntlich  diese  beiden 
Gebirgsgruppen  trennt,  nähert  Während  die  Wengener  Dolomite 
des  Rosengarten  erst  in  bedeutender  Höhe  über  einem  weithin 
sichtbaren  Sockel  der  tieferen  Schichtengruppen  beginnen,  scheinen 
die  Wengener  Dolomite  des  Latemar  sich  unmittelbar  über  dem 
Quarzporphyr  zu  erheben,  als  ob  die  ganze  mächtige  Reihe  der 
zwischenliegenden  Schichten  versenkt  wäre.  Erschweren  nun  auch 
die  mächtigen,  von  wiederholten  Bergstürzen  herrührenden  Trümmer- 
massen am  Nordfusse  des  Latemar  die  Beobachtung  des  anstehen- 
den Gebirges,  so  reichen  die  vorhandenen  Aufschlüsse  doch  hin, 
um  zu  erkennen,  dass  die  tieferen  Schichten  vorhanden  sind,  aber 
sich  ziemlich  rasch  und  steil  gegen  den  Latemar  zu  in  die  Tiefe 
ziehen.  Dieses  steile  Absinken,  welches  im  kleinen  Massstabe  die 
Erscheinung  des  grossen  Schichtenfalles  zwischen  dem  Rosengarten- 
und  Schlem-Gebirge  wiederholt,  hält  aber  nur  bis  zum  Fusse  der 
Steilwand  an,  deren  deutliche  Schichtenlinien  sich  sanft  gegen  Süd- 
westen in  die  Höhe  ziehen.  Weiter  gegen  Westen,  gegen  Ober- 
Eggenthal  zu,  wird  das  Einfallen  der  vorderen  Zone  der  tieferen 
Schichten  immer  sanfter  und  in  Folge  dessen  nimmt  die  Breite  der 
hier  verlaufenden  synclinalen  Mulde  etwas  zu.  Im  Westen  sieht  man 
sodann  die  ganze  Reihe  der  Sockel-Schichten  vom  Rubelberge  auf 
die  Reiterjoch-Alpe  hinaufziehen,  wo  der  Grödener  Sandstein  und 
die  Bellerophon-Schichten  an  der  östlichen  Fortsetzung  der  das 
Schwarzhom  vom  Joch  Grimm  scheidenden  Verwerfung  (vgl.  Seite  135) 
abschneiden.  Auf  der  Südseite  des  Reiterjoches  erfolgt  die  Ueber- 
lagerung  der  Werfener  Schicl>ten  durch  den  unteren  Muschelkalk 
in  der  2300  Meter  Curve,  und  ist  dies  die  bedeutendste  Höhe, 
welche  im  Umkreise  des  Latemar-Gebirges  von  dessen  Sockelmassen 
erreicht  wird.  Wie  nun  das  Latemar-Gebirge  seiner  Lage  nach  dem 
Joch  Grimm  mit  dem  Weissenstein-Aldeiner  Plateau  entspricht,  so 
neigt  sich  auch  das  Latemar-Gebirge  der  in  einem  früheren  Capitel 
erwähnten   trogförmigen  Synclinale  zu,  welche  von  Ober-Eggenthal 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleicns.  383 

über  Deutschenofen  verläuft  (vgl.  Seite  133).  Dem  Nordschenkel 
dieser  Synclinale  entspricht  das  Südfallen  der  tieferen  Schichten  am 
Nordrande  des  Latemar-Gebirges,  und  so  können  wir  nunmehr  die 
aus  orographischen  Elementen  erschlossene  Einbiegung  der  Quarz- 
porphyr-Tafel bis  zum  Caressa-Passe  verfolgen. 

Die  Ost-Abdachung  des  Latemar-Gebirges  verhält  sich  wesent- 
lich anders.  Die  ganze  Schichtenreihe  vom  Quarzporphyr  bis  zum 
Wengener  Dolomite  senkt  sich  rasch  dem  Streichen  nach  in  die 
Tiefe  und  wird  zwischen  Soraga  und  Fomo  vom  Avisio  durch- 
schnitten. Es  vollzieht  sich  dieses  plötzliche  Abfallen  auf  der  Seite 
von  Val  Costalunga,  wie  es  scheint,  ohne  das  Dazwischentreten 
einer  bemerkenswerthen  Störung  in  ganz  regelmässiger  Weise.  Auf 
der  Südwestseite  jedoch  erscheinen  über  den  von  Melaphyr  und 
Augitporphyr  durchbrochenen  Wengener  Dolomiten,  in  welchen  das 
untere  Valsorda  verläuft,  oberhalb  der  Malga  di  Valsörda  Werfener 
Schichten  in  ruhiger  Lagerung  als  Basis  des  Latemar-Gebirges  im 
engeren  Sinne.  Hier  ist  sonach  ein  Riss  vorhanden,  auf  dessen  Südseite 
das  Gebirge  eingesunken  ist.  Die  Schichten  des  zum  Avisio  hinab- 
tauchenden Latemar-Flügels  setzen,  Süd  fallend,  am  linken  Avisio-Ufer 
regelmässig  fort.  Die  Wengener  Dolomite,  welche  das  untere  Valbona 
begfrenzen  und  die  Masse  des  Soracrep  bilden,  stehen  in  ununter- 
brochenem tektonischem  Zusammenhange  mit  dem  Ostflügel  des 
Latemar-Gebirges  und  gehören  nicht,  wie  es  nach  den  orographi- 
schen Verhältnissen  der  Fall  ist,  zum  Viezzena-Gebirge. 

Eine  bedeutende  Verwerfung,  deren  Verlängerung  mit  der 
Westgrenze  des  Monzoni-Stockes  zusammenfällt,  trennt  die  Masse 
des  Soracrep  von  dem  Viezzena-Gebirge.  Auf  der  Ostseite  des 
Soracrep  ist  der  Zusammenstoss  der  tieferen  Schichtsysteme  der 
Viezzena-Masse  mit  dem  Wengener  Dolomit  des  Soracrep  deutlich 
zu  sehen,  und  selbst  auf  der  Nordwestseite  des  Viezzena,  wo  sich 
die  Wengener  Dolomite  der  beiden  Gebirgsmassen  berühren,  fallt 
es  nicht  schwer,  das  Durchsetzen  der  Verwerfungsspalte  zu  con- 
statiren,  da  die  oberen,  in  der  Tiefe  liegenden  Massen  des  Wengener 
Dolomits  der  Soracrep-Scholle  ungeschichtet  sind,  während  die 
höher  ansteigenden  Wengener  Dolomite  des  Viezzena  eine  aus- 
gezeichnete Schichtung  erkennen  lassen. 

Nachdem  wir  gezeigt  haben,  dass  die  Gebirgsmasse  desDosso 
Capello  tektonisch  mit  der  Gebirgsmasse  des  Viezzena  innig  ver- 
bunden ist,  müssen  wir  die  Verwerfung,  welche  die  Nordwest-  und 
Nordseite  der  Dosso  Capello-Masse  begleitet  und  dieselbe  von*  der 
Gebirgsmasse  des  Latemar  trennt,  als  die  Fortsetzung  der  Ver- 
werfungsspalte zwischen  dem  Viezzena  und  dem  Soracrep  betrachten. 


384  ^^^  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Die  Verhältnisse  im  Grossen  sind  in  beiden  Fällen  die  gleichen, 
aber  die  Rollen  in  Beziehung  zur  Verwerfung  sind  vertauscht  In 
dem  eben  betrachteten  Falle  liegt  der  verworfene  Theil  im  Norden, 
während  hier  das  Gegentheil  stattfindet  Das  Satteljoch  (Kripp), 
dessen  tiefster  Punkt  2137  Meter  hoch  ist,  liegt  in  Werfener 
Schichten,  welche  der  Masse  des  Latemar-Gebirges  angehören. 
Ueber  ihnen  folg^  am  Südfusse  des  Reiterjoches  der  untere  Muschel- 
kalk in  einer  Höhe  (2300  Meter),  welche  vom  höchsten  Punkte  der 
Gebirgsmasse  des  Dosso  Capello,  dem  Monte  Agnello  (2319  Meter), 
kaum  überschritten  wird.  Die  Gipfelmasse  des  .Monte  Agnello  bildet 
aber  ein  nahezu  söhlig  lagerndes  System  wolgeschichteter  Augit- 
porphyrlaven,  welche  die  mächtige  Platte  des  Wengener  Dolomits 
des  Dosso  Capello-Massivs  zur  Unterlage  hat  Der  Betrag  der  süd- 
lichen Versenkung  ist  daher  sehr  bedeutend.  Man  kann  dafür 
4 — 500  Meter  annehmen.  An  der  Verwerfungsspalte  selbst  sind  im 
Süden  des  Satteljoches  zwischen  den  Werfener  Schichten  und  dem 
Wengener  Dolomite  Buchensteiner  Bänderkalke,  welche  steiles  Süd- 
fallen  zeigen,   in  Folge  von  Schleppung  der  Schichten  eingepresst. 

Die  Verbindungslinie  zwischen  den  sichtbaren  Bruchstellen  am 
Satteljoche  und  am  Viezzena  verquert  den  Fleimser  Eruptivstock 
und  muss  deshalb  die  Scholle  von  Werfener  Schichten  bei  Vardabe, 
sowie  die  viel  kleinere  aus  Muschelkalk  und  Buchensteiner  Schichten 
bestehende  Scholle  bei  Mezzavalle  wol  dem  im  Süden  der  Ver- 
werfungsspalte liegenden  Gebirge  zugezählt  werden.  Man  sollte  nun 
erwarten,  dass  eine  so  bedeutende  Verwerfung  sich  auch  im  Eruptiv- 
stocke durch  eine  scharfe  lineare  Gesteinsgrenze  bemerkbar  machen 
sollte.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Ebenso  wenig  lässt  die  Augitporphyr- 
masse  des  Pesmeda-Thales,  welche  über  das  Pellegrin-Thal  auf  die 
linke  Thalseite  herübergreift,  eine  Einwirkung  der  Verwerfungsspalte 
erkennen,   trotzdem   sie   von   derselben  mitten  durchschnitten  wird. 

Die  Fleimser  Eruptivmasse  ist  nur  durch  die  schmale  zur 
Verwerfungsspalte  hinneigende  Kalkscholle  des  Soracrep,  der  Fort- 
setzung des  Monte  di  Pesmeda,  vom  Eruptivstocke  des  Monzoni 
getrennt.  Dies,  sowie  die  gleichartige  Zusammensetzung  und  die 
vollständige  Uebereinstimmung  des  Alters  der  beiden  Eruptivmassen 
gestatten  die  Annahme,  dass  die  nahe  benachbarten  Eruptionsstellen 
innig  zusammenhängen  und  auf  einer  und  derselben  Spalte  liegen. 
Da  nun  die  geschilderte  Verwerfungsspalte  zwischen  dem  Monzoni- 
Thal  und  dem  Satteljoch  das  von  den  Eruptivmassen  injicirte 
Gebirge  durchschneidet,  die  injicirenden  Gesteinsarten  aber,  allem 
Anscheine  nach,  überspringt,  so  möchte  man  schliessen,  dass  die- 
selbe der  Zeit  ihrer  Entstehung  nach  dem  Austritte   der   eruptiven 


Der  altvulcanische  Districc  von  Kmm  und  Fleims.  agc 

Massen  voranging.  Im  ganzen  Umkreise  des  Monzoni  und  des 
Fleimser  Eruptivstockes  existirt  keine  andere  Spalte,  welcher  irgend 
welche  Beziehungen  zu  den  Eruptionen  zugeschrieben  werden  könnten. 
Wir  betrachten  demnach  diese  Spalte  als  die  Vorläuferin  der  vul- 
canischen  Erscheinungen  und  nennen  sie  die  , Fleimser  Eruptions- 
spalte'. 

Gegen  Westen  setzt  die  Fleimser  Eruptionsspalte  bis  an  die 
Grenze  unserer  Karte  fort,  Ihr  Verlauf  ist  an  dem  plötzlichen  Ab- 
schneiden der  an  ihrem  Südrande  dem  Quarzporphyr  aufgesetzten 
jüngeren  Schichtreihen  leicht  zu  erkennen.  Bei  Aguai,  in  einer 
Gegend,  welche  ausserhalb  des  Verbreitungsbezirkes  der  Melaphyr- 
gänge  liegt,  finden  sich  an  ihr  oder  wenigstens  in  ihrer  nächsten 
Nähe  Melaphyrgänge.  Westlich  vom  Riv.  di  Predaja,  durch  welchen 
die  Strasse  auf  den  Pass  von  San  Lugano  fuhrt,  trennt  unsere 
Spalte  das  Porphyr-Plateau  von  Altrey  (Fraul,  Monte  Gua)  vom 
nördlichen  höher  ansteigenden  Porphyrgebirge  des  Monte  Como  u.  s.  w. 

In  nordöstlicher  Richtung  über  das  Monzoni-Thal  hinaus  ist 
eine  Fortsetzung  der  Eruptionsspalte  nicht  erkennbar.  Doch  dürfte 
die  grosse  Verwerfung,  welche  den  Marmolata-Stock  vom  Fuchiada- 
Vemale-Massiv  trennt,  derselben  Bildungszeit  angehören,  da  auf 
derselben  der  grosse,  bereits  ausser  der  Peripherie  der  Gang- 
Region  liegende  Melaphyrgang  von  Ombretta  emporgestiegen  zu 
sein  scheint 

Als  einen  am  Satteljoch  abzweigenden  Seitenast  der  Fleimser 
Eruptionsspalte  dürfen  wir  vielleicht  auch  die  über  die  Grimm-Alpe 
und  durch  das  Trudenthal  verlaufende  Verwerfung  betrachten,  an 
welcher  auf  dem  Cislon  und  nach  Prof.  Gredler's  Mittheilung 
zwischen  Gschnon  und  Gfrill  Melaphyrgänge  in  grosser  Entfernur^ 
vom  Fleimser  Eruptivbezirk  aufsteigen.  Die  Bifurcation  (und  selbst 
die  fächerförmige  Zersplitterung)  der  grossen  tektonischen  Störungs- 
linien ist  im  Bereiche  unseres  Kartengebietes  eine  regelmässig  und 
häufig  wiederkehrende  Erscheinung,  auf  welche  wir  im  letzten  Theile 
dieses  Buches  noch  zurückkommen  werden. 

Die  längere  Achse  des  Fleimser  Eruptivstockes  ist  von  Süden 
nach  Norden  gerichtet.  Dieselbe  steht  daher,  sowie  die  Längen- 
achse des  Monzoni-Stockes,  mehr  weniger  senkrecht  zur  Eruptions- 
spalte. 

Die  innerste  entblösste  Kemmasse  des  Fleimser  Eruptivstockes 
ist,  wie  oben  erwähnt  wurde,  der  Turmalin  führende  Granit  von 
Predazzo,  welcher  einen  einzigen,  am  Fusse  des  Monte  Mulat  aus 
dem  unteren  Travignolo-Thale  in  das  Avisio-Thal  streic'"""'''""  ""'' 
mit   seinem   nördlichen   Ende    noch    auf    das     rechte 

Jiloiiiioirici,  DolOmilriOc. 


Der  flttvulcanische  District  von  Tana  und  Fleims. 


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Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  287 

hinüberreichenden  Gang  bildet.  Nach  Doelter's  Mittheilungen  ent- 
hält dieses  Gestein  neben  den  Flüssigkeitseinschlüssen  auch  stellen- 
weise Glaseinschlüsse,  so  dass  es  fraglich  sei,  ob  die  Bezeichnung 
, Granit*  nicht  passender  durch  die  Bezeichnung  , Porphyr*  ersetzt 
werden  sollte.  Wenn  man  die  verhältnissmässig  hohe  Lage  des 
Granits  von  Predazzo,  in  geringem  verticalem  Abstände  vom 
obersten  Rande  des  durchbrochenen  Gebirges  (circa  1000  Meter) 
berücksichtigt,  so  erscheint  diese  Beobachtung  im  hohen  Grade 
interessant.  Im  Einklänge  mit  Reyer's  Theorie  dürfte  man  schliessen, 
dass  in  grösseren  Tiefen  echter,  glasfreier  Granit  folgt.  Ob  man 
aber  das  Ge.stein  von  Predazzo  Granit  oder  Porphyr  nennt  oder 
dafür  vielleicht  einen  neuen,  seine  intermediäre  Stellung  bezeichnen- 
den Namen  bildet,  ändert  an  der  wichtigen  Thatsache  nichts,  dass 
ein  vollkrystallinisches,  dem  Granite  sehr  nahestehendes  Gestein  die 
Kemmasse  des  Fleimser  Eruptivstockes  bildet. 

Man  nimmt  gewöhnlich  an,  dass  der  Predazzo- Granit  jünger 
als  der  denselben  umgebende  Syenit  sei,  da  der  Granit  nirgends 
von  Syenitgängen  durchsetzt  werde.  Ich  möchte,  ohne  die  Richtig- 
keit dieser  Folgerung  zu  bestreiten,  kein  zu  grosses  Gewicht  auf 
die  relative  Altersbestimmung  der  Gesteine  im  Innern  eines  alten 
Eruptivschlotes  legen.  Chronologisch  besteht  zwischen  allen  Eruptiv- 
gesteinen des  Fleimser  Eruptivstockes  kein  wesentlicher  Unter- 
schied. Wer  vermag  heute  zu  sagen  ^  ob  die  syenitischen  und 
granitischen  Schlieren,  welche  die  tieferen  entblössten  Theile  des 
alten  Schlotes  erfüllen,  vor,  während  oder  nach  den  Hauptergüssen 
der  Melaphyre  emporgedrungen  sind.^ 

Der  in  der  Karte  mit  dem  Diorit  zusammengefasste  Syenit 
umgibt  zum  grössten  Theile  den  Granit  mantelförmig  und  nimmt 
in  der  Südhälfte  des  Fleimser  Eruptivstockes  die  tieferen  Lagen 
bis  zum  Rande  des  durchbrochenen  Sedimentgebirges  ein.  Von  den 
Syeniten  und  Dioriten  des  Monzoni  unterscheiden  sich  die  gleich- 
namigen Gesteine  des  Fleimser  Stockes  nach  Doelter  und  Hansel 
durch  vorherrschenden  Biotitgehalt.  Doelter,  welcher,  wie  bekannt, 
nicht  nur  die  Syenite  und  Diorite,  sondern  auch  die  Pyroxengesteine 
unter  dem  Sammelnamen  Monzonit  zusammenfasst,  hat  im  Fleimser 
Eruptivstock  die  kartographische  Trennung  der  Amphibol-  und  der 
Pyroxengesteine,  welche  er  im  Monzoni-Stocke  durchgeführt  hatte, 
unterlassen,  da  die  Pyroxengesteine  in  Fleims  nur  in  sehr  unter- 
geordneten Massen  auftreten.  Das  einzige  bedeutendere  Vorkommen 
von  Augitfels,  welches  sonach  in  der  Karte  in  die  Farbe  des 
Syenits  einbezogen  ist,  findet  sich  nach  Doelter  südöstlich  vom 
Satteljoche. 


25  * 


ßgg  Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

Wie  im  Monzoni-Stocke,  dringt  auch  hier  der  Syenit  nur  selten 
gangförmig  in  das  angrenzende  Sedimentgebirge  ein.  B.  v.  Cotta*) 
beobachtete  indessen  an  der  Contactfläche  des  Dosso  Capello-Ge- 
hänges  an  mehreren  Stellen,  sowol  in  den  tieferen  Schichten,  als 
auch  in  den  oberen  hellen  Kalken,  gangförmige  Verzweigungen 
und  Ausläufer  des  Syenits,  und  Lemberg  beschrieb  einen  un- 
zweifelhaften, den  lichten  Kalk  durchsetzenden  Syenitgang  aus  der- 
selben Gegend. 

Die  höheren  Partien  im  Süden  und  den  ganzen  Norden 
nehmen  die  Melaphyre  und  Augitporphyre  ein,  welche  auch  in 
unzähligen  Gängen  sowol  in  den  tieferen  Massengesteinen,  als  auch 
in  dem  benachbarten  Sedimentgebirge  auftreten. 

Der  Orthoklasporphyr  tritt  hier,  wie  im  Monzoni,  nur  in  unter- 
geordneten kleinen  Gängen  auf.  In  das  benachbarte  Sedimentgebirge 
dringt  er  nur  selten  ein. 

Die  Contactflächen  zwischen  dem  Eruptivstocke  und  dem 
Sedimentgebirge  convergiren  in  der  Regel  gegen  das  Innere  des 
Eruptions-Centrums.  Den  schönsten  Aufschluss  in  dieser  Beziehung 
bildet  das  Gehänge  des  Dosso  Capello  bei  Predazzo  (vgl.  das 
Lichtbild  ,Canzacoli  bei  Predazzo,  von  der  Malgola*).  Die  durch  die 
abweichende  Färbung  der  Gesteine  leicht  kennbare  Gesteinsgrenze 
zieht  sich  von  unten  gegen  oben  schräg  gegen  den  Gipfel  des 
Berges  zurück.  Die  Schichten  des  Sedimentgebirges,  welche  sich 
nur  wenig  gegen  die  Eruptionsstelle  zu  neigen,  schneiden  an  dieser 
schrägen  Contactfläche  scharf  ab.  Die  Eruptivmassen  nehmen  daher 
gegen  oben  an  Flächenausdehnung  zu.  Die  älteren  Geologen  sahen 
in  dieser  Erscheinung  ,die  Ueberlagerung  des  Kalkes  durch  Granit*. 

Aus  dieser  Erweiterung  des  alten  kesseiförmigen  Schlotes 
gegen  oben  erklärt  sich  die  scheinbar  stromartige  Ueberlagerung 
der  tieferen  Massen  durch  die  Melaphyre  und  Augitporphyre.  Die 
Melaphyrmassen  des  Mulat,  des  Feudale  u.  s.  f  sind  unzweifelhafte 
Gangmassen,  aber  sie  sind  schräge  aufgestiegen,  so  etwa  wie  die 
, Lagergänge*  des  Fuchiada-Zuges  (vgl.  Seite  369),  und  haben  sich 
im  Inneren  des  sich  gegen  oben  erweiternden  Schlotes  aus- 
gebreitet. Von  , Strömen*  darf  man  hier  nicht  sprechen,  wenn  man 
nicht  dieser  Bezeichnung  ihre  tektonische  Bedeutung  nehmen   will. 

Eine  wirkliche  stromfönnige,  dem  normalen  Schichtenverbande 
conforme  Lagerung  dagegen  zeigen  die  Augitporphyrmassen  auf 
dem  Gipfel  des  Monte  Agnello   und   des   Comon.    Ich   habe   diese 


*)  Alter  der  granitischen  Gesteine  von  Predazzo  u.  s.  w.    N.  Jahrb.  v.  Leon- 
hard  und  Geinitz,  i863,  Taf.  I. 


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Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims.  ^80 

wolgeschichteten,  dem  Dolomitmassiv  des  Dosso  Capello  normal 
aufgesetzten  Massen  daher  consequent  als  , Laven*  ausgeschieden. 
Eckige  Einschlüsse  von  Kalksteinen  u.  s.  f.  könnten  vielleicht  als 
Auswürflinge  aufgefasst  werden.  Auf  alle  Fälle  hat  man  es  hier 
mit  aus  dem  Bereiche  der  Eruptionsstelle  ausgetretenen  und 
schichtenfbrmig  ausgebreiteten  Ergüssen  zu  thun,  wenn  man  will, 
mit  den  Denudationsrelicten  des  alten  Kraterwalles.  Nach  Doelter's 
Mittheilungen  kommen  ganz  übereinstimmende  Tuffbreccien  auf 
dem  Kamme  des  Viezzena  vor. 

Der  grossen  Anzahl  von  Melaphyr-  und  Augitporphyrgängen 
in  den  Umgebungen  der  Fleimser  Eruptivstelle  ist  schon  oben 
gedacht  worden*).  Hier  wollen  wir  nur  nachtragen,  das  die  Mehr- 
zahl der  Gänge  im  Bereiche  des  Fleimser  Eruptivstockes  ein 
meridionales,  d.  h.  ebenso  wie  der  Eruptivstock  selbst,  auf  die 
Eruptionsspalte  senkrechtes  Streichen  zeigt.  Die  wenigen  ostwestlich 
verlaufenden  Gänge  könnte  man  als  zum  Gangsystem  des  Monzoni 
gehörig  betrachten.  Bei  letzterem  überwiegt,  wie  oben  gezeigt 
worden  ist,  die  ostwestliche  Richtung,  und  können  umgekehrt  die 
weniger  häufigen  meridionalen  Gänge  dem  Gangsystem  des  Fleimser 
Eruptivstockes  zugerechnet  werden.  —  Man  wollte  eine  Conver- 
genz  der  Gangrichtungen  im  Fleimser  Stock  erkannt  haben  und 
hat  darauf  eine  Parallele  mit  tertiären  und  recenten  Vulcan6n 
gegründet.  Aber  abgesehen  davon,  dass  erstere  nur  mit  Anwendung 
einer  gewaltsamen  Interpretation  angenommen  werden  könnte,  hat 
man  bei  diesem  Vergleiche  ganz  übersehen,  dass  das  Vergleichs- 
object,  der  Vulcankegel,  hier  längst  nicht  mehr  vorhanden  ist,  wenn 
ein  solcher  bei  unseren  submarinen  Vulcanen  überhaupt  je  in 
einiger  Bedeutung  bestand. 

Ucber  die,  namentlich  am  Contacte  des  Syenits  auftretenden 
Contactveränderungen  bei  Predazzo  ist  insbesondere  auf  die  Arbeiten 
Lemberg's  zu  verweisen.  Die  berühmteste  Contactstelle  befindet 
sich  nächst  Canzacoli  auf  dem  Gehänge  des  Dosso  Capello  (vgl. 
unser  Lichtbild).  Die  an  der  Basis  des  schönen  Aufschlusses  an- 
stehenden, wolgeschichteten  Bänke  gehören  zweifelsohne  den  obersten 
Werfener  Schichten  und  dem  unteren  Muschelkalk  an,  wie  bereits 
V.  Richthofen,  v.  Cotta,  Gümbel  u.  A.  richtig  erkannt  hatten. 
Diese  Schichten  sind  theils  in  mit  Carbonaten  vermengte  Silikate, 
theils  in  continuirliche  Silikatbänke  umgewandelt.   Erstere  sind  reich 


*)  Unser  Lichtbild  „Das  Latemar-Gebirge,  vom  Monte  Mulat  bei  Predazzo" 
zeigt  die  ausgezeichneten,  fast  senkrecht  durch  wolgeschichteten,  nahezu  söhligen 
Kaik  aufsteigenden  Gänge  und  Gangspalten. 


^QO  Her  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 

an  Magnesia  und  fuhren  Serpentin,  Olivin  und  Spinell.  Letztere  sind 
theils  Serpentin,  theils  wasserfreie  Verbindungen,  reich  an  Kalk  und 
Magnesia.  Die  höheren,  zu  Brucit  führenden  Marmor  umgewandelten 
Massen  entsprechen  dem  oberen  Muschelkalk  und  dem  Dolomit  der 
Buchensteincr  Schichten.  Vielleicht*)  reichen  dieselben  auch  in  das 
Niveau  der  Wengener  Schichten  hinauf.  An  der  Grenze  zwischen 
dem  Syenit  und  den  Carbonaten  findet  sich  nach  Lemberg  eine 
lo  Cm.  bis  3  M.  mächtige  Contactzone,  welche  wesentlich  von 
basischen  kalkreichen  Mineralien  (Vesuvian,  Granat,  Gehlenit)  ge- 
bildet wird  **). 

Sehr  eingreifenden  Veränderungen  im  Contacte  mit  dem 
Syenit  unterlagen  auch  die  Werfener  Schichten  der  Malgola,  welche, 
wie  oben  bereits  betont  wurde,  einer  kleinen,  gegen  die  Eruptions- 
stelle abgesunkenen  Scholle  angehören.  Merkwürdig  ist,  dass  der 
die  Werfener  Schichten  überlagernde,  zu  Marmor  umgewandelte 
Muschelkalk-Dolomit  sich  in  einem  schmalen  Streifen  im  Syenit  bis 
in  das  Travignolo-Thal  abwärts  zieht.  —  Eine  bedeutend  veränderte 
Scholle  von  Muschelkalk  und  Buchensteiner  Bänderkalken  findet 
sich  bei  Mezzavalle  rings  umschlossen  von  Syenit. 

Viel  seltener  als  beim  Syenit  zeigen  sich  Contactwirkungen 
beim  Melaphyr.  Lemberg,  welcher  einige  Melaphyrgänge  aus  dem 
Wengener  Dolomit  vom  Gehänge  des  Dosso  Capello  beschrieb, 
erwähnt,  dass  die  primären  Contactproducte  des  Melaphyrs  reich 
an  Kalk  und  Magnesia  und  frei  von  Alkalien  sind.  Doelter  gedenkt 
der  Veränderungen,  welche  einige  Melaphyrgänge  in  der  Scholle 
von  Werfener  Schichten  von  Vardabe  hervorgebracht  haben.  Viel- 
leicht sind  die  zu  ,Bandjaspisen*  umgewandelten  Werfener  Schichten 
auf  dem  Gipfel  der  Malgola  dem  Einflüsse  der  dort  zahlreich  auf- 
tretenden Melaphyrgänge  zuzuschreiben.  Lemberg  weist  auf  die 
ungewöhnliche  Zusammensetzung  dieser  Silikate  hin. 

Die  meisten  Melaphyrgänge  lassen  keinerlei  Contacteinwirkungen 
erkennen. 

Ehe  wir  diesen  Abschnitt  schliessen,  müssen  wir  noch  dem 
bereits    aufgetauchten   Einwände    begegnen,    dass    es    keineswegs 


•)  Die  auf  unserer  Karte  nach  Doelter's  Aufnahmen  eingezeichnete  obere 
Grenzlinie  des  Syenits  liegt  bedeutend  tiefer,  als  man  nach  den  Angaben  v.  Richt- 
hofen's,  v.  Cotta's  und  Lemberg's  erwarten  sollte. 

**)  Doelter  weist  in  einer  schriftlichen  Mittheilung  auf  die  Verschiedenheit 
der  Contactmineralien  am  Monzoni  und  bei  Predazzo  hin,  betont  das  Fehlen  des 
Olivins  und  die  ausserordentliche  Seltenheit  des  Fassaits  bei  Predazzo  und  meint, 
dass  hauptsAchlich  die  verschiedene  Zusammensetzung  der  am  Contacte  auftretenden 
Eruptivgesteine  (die  von  Predazzo  enthalten  mehr  Kalifeldspath  und  Glimmer,  die 
vom  Monzoni  mehr  Augit)  die  Ursache  dieses  abweichenden  Verhaltens  sei. 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


391 


sichergestellt  sei,  dass  die  Syenite  und  Granite  von  Predazzo  und 
vom  Monzoni  auch  thatsächlich  der  Triaszeit  angehören,  dass  die- 
selben vielmehr  die  Reste  einer  älteren,  zufallig  in  die  Trias- 
bildungen hinaufragenden  Eruptivformation  sein  könnten. 

Diesem  Einwände  ist  leicht  begegnet.  Wir  sehen  ganz  ab  von 
der  innigen  Verknüpfung  der  anerkannt  triadischen  Melaphyre  mit 
den  voUkrystallinischen  Gesteinen  der  Eruptionsschlote,  von  dem 
gemeinsamen  Auftreten  und  Durchsetzen,  von  den  Apophysen 
und  Gängen  des  Syenits  in  den  Buchensteiner  Schichten  und  im 
Wengener  Dolomit.  Nehmen  wir  an,  die  Syenite  und  Granite  seien 
wirklich  älter  und  untersuchen  wir  die  beiden  denkbaren  Fälle,  dass 
diese  Gesteine  von  den  Triasbildungen  mantelförmig  umlagert 
wurden,  oder  dass  dieselben  später,  nach  Ablagerung  der  Trias- 
bildungen in  Folge  von  Dislocationen  emporgestossen  worden  seien. 
Im  ersteren  Falle  wäre  zunächst  die  schräge  einwärts  fallende 
Contactfläche  mit  dem  Sedimentgestein  unerklärlich  und  müssten 
zu  Conglomeraten  oder  Sandsteinen  erhärtete  Schutt-  und  Detritus- 
zonen  die  alte  Felsklippe  umziehen.  Man  müsste  auch  irgendwo 
die  transgredirende  Auflagerung  der  jüngeren  Schichten  beobachten 
können.  Aber  nichts  von  alledem  trifft  zu.  Im  zweiten  Falle,  wenn 
die  Syenite  und  Diorite  nur  zufallig  dislocirte  Schollen  eines  alten, 
vollständig  unbekannten  Gebirges  wären,  müssten  denselben  die 
jüngeren  Sedimentbildungen  aufwärts  bis  zu  den  Wengener  Dolo- 
miten des  Dosso  Capello  auflagern.  Aber  es  findet  sich  nirgends 
auch  nur  eine  Spur  einer  jüngeren  Decke.  Wollte  man  selbst  trotz 
der  directen  Verknüpfung  und  der  Nebeneinanderlagerung  mit  den 
Melaphyren  zugeben,  dass  die  ganze  permische  und  triadische 
Schichtenreihe  denudirt  worden  sei,  so  müsste  man  doch  erwarten, 
dass  wenigstens  einige  Fetzen  krystallinischer  Schiefergebilde  im 
Contaclp  mit  dem  Syenite  irgendwo  hängen  geblieben  wären!  — 
In  der  That  haben  die  meisten  neueren  Forscher,  v.  Richthofen, 
V.  Cotta*),  Doelter,  Judd  u.  A.  an  der  Einheit  und  Zusammen- 
gehörigkeit der  mit  den  Melaphyren  und  Augitporphyren  vor- 
kommenden voUkrystallinischen  Gesteine  nicht  gezweifelt. 

6.  Ueber  das  Alter  der  Eruptivstöcke  von  Fleims  und  Fassa. 

Wir  haben  in  der  bisherigen  Darstellung  es  absichtlich  ver- 
mieden,   das  Verhältniss  der  beiden  Eruptivstöcke  zu  dem  grossen, 


*)  Man  vergleiche  auch  die  treffenden  Ausführungen  dieses  Geologen  in 
seinem  wiederholt  citirten  Artikel  Ober  das  Alter  der  graniiischen  Gesteine  von 
Predazzo. 


392 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


in  den  vorhergehenden  Capiteln  geschilderten  Laven-  und  Tuff- 
gebiete zu  erörtern.  Nachdem  wir  aber  die  Verhältnisse,  unter  denen 
die  eruptiven  Massen  erscheinen,  besprochen  haben,  scheint  es  am 
Platze,  auf  diese  wichtige  Frage  näher  einzugehen. 

Wir  müssen  zunächst  constatiren,  dass  sich  die  Durchbrucbs- 
stellen  des  Monzoni-  und  des  Fleimser  Stockes  mitten  im  Gebiete 
der  mächtigen  Wengener  Dolomit-  und  Kalkmassen  befinden.  Das 
grosse  nördliche  Laven-  und  Tuffgebiet  steht  in  keiner  directen 
Verbindung  mit  den  bekannten  Eruptionsstellen  von  Fleims  und 
Fassa,  sondern  ist  im  Gegentheil  durch  einen  mächtigen  Wall  von 
Riffmassen  davon  getrennt.  Die  Denudationsrelicte  alter  Laven  auf 
der  Gipfelfläche  des  Comon,  des  Monte  Agnello  und  des  Viezzena 
geben  uns  Kunde,  dass  erst  nach  der  Bildung  der  mächtigen 
Wengener  Dolomite  der  Dosso  Capello-Masse  u.  s.  1.  der  Austritt 
von  Laven  aus  den  beiden  Eruptionsstellen  stattfand.  Ebenso  deutet 
das  Abschneiden  der  grossen  Melaphyrgänge  der  Eruptionsschlote 
an  den  Wengener  Dolomiten  und  die  einheitliche  conforme  Durch- 
setzung der  Wengener  Dolomite  durch  die  Melaphyrgänge  darauf 
hin,  dass  die  Eruptionen  am  Monzoni  und  in  Fleims  erst  zu  einer 
sehr  späten  Zeit,  nach  der  Bildung  der  grossen  Dotomitmassen  von 
Fassa  und  Fleims  eintraten. 

Nun  lagert  aber  die  Hauptmasse  der  Laven  und  Tuffe  im 
Norden  und  Osten  unmittelbar  über  den  Buchensteiner  Schichten. 
Längs  der  heteropischen  Grenze  mit  dem  grossen,  von  den  beiden 
Eruptivstöcken  durchbrochenem  Dolomitmassive  ruhen  die  Laven 
neben  dem  Dolomitriffe  und  an  mehreren  Stellen  greifen  zum 
Beweise  der  Gleichzeitigkeit  der  beiden  Ablagerungen  Laven  und 
Dolomit  wechsellagemd  in  einander  ein.  Diese  Laven  müssen 
daher  älter  als  die  Eruptivstöcke  sein  und  müssen  dieselben  aus 
anderen,  uns  gegenwärtig  noch  unbekannten  Eruptionssteljen  aus- 
geflossen sein.  Hätte  eine  Verbindung  zwischen  dem  Lavengebiete 
und  den  Eruptivstöcken  bestanden,  so  müsste  der  Dolomitwall 
durch  Lavaströme  durchbrochen  sein,  oder  es  müssten  wenigstens 
periodische  Einschaltungen  von  Lavaströmen  zwischen  dem  Dolomit 
den  Zusammenhang  erweisen. 

Die  Wengener  Dolomite  von  Fassa  und  Fleims  gehören  trotz 
ihrer  bedeutenden  Mächtigkeit,  wie  ihre  Fossilien  und  wie  die  Ver- 
hältnisse an  der  heteropischen  Grenze  beweisen,  nur  den  unteren 
Wengener  Schichten  oder  der  Ablagerungszeit  der  Augitporphyr- 
laven  an.  Wir  haben  im  VI.  Capitel  den  Nachweis  geführt,  dass 
die  Hauptmasse  des  Dolomits  des  Schiern  ebenfalls  mit  den  Augit- 
porphyrlaven  gleichzeitig  ist,    und   haben   dort   auch    gezeigt,   dass 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


393 


die  obersten  Lagen  der  Laven  der  Seisser  Alpe  auf  das  mächtige 
Dolomitmassiv  übergreifen.  Es  liegt  nun  sehr  nahe,  die  Laven  des 
Comon  und  des  Monte  Agnello  mit  der  Lavendecke  des  Schiern  *) 
in  Verbindung  zu  bringen  und  auf  diese  Weise  anzunehmen,  dass 
die  obersten  Laven  der  Seisser  Alpe  und  der  angrenzenden  Ge- 
biete über  die  Fassaner  und  Fleimser  Dolomitmassen  hinweg  aus 
den  Schloten  des  Monzoni-  und  des  Fleimser  Vulcans  ausgeflossen 
sind.  Das  eruptive  Material,  welches  in  den  eigentlichen  Wengener 
Schichten  angehäuft  ist,  würde  im  Sinne  dieser  Anschauung  dann 
ebenfalls  der  Hauptmasse  nach  aus  dem  Zwillingsvulcane  desAvisio- 
Thaies  stammen. 

Die  beiden  Eruptionsstellen  von  Fassa  und  Fleims 
würden  daher  erst  am  Ende  der  vulcanischen  Thätigkeit 
entstanden  sein  und  blos  das  Material  zu  den  obersten 
Schichten  des  Laven-  und  Tuffsystems  und  zu  den  sedi- 
mentären Wengener  Tuffsandsteinen  geliefert  haben. 

Die  Frage  nach  der  Ursprungsstelle  der  älteren,  mit  dem 
unteren  Wengener  Dolomit  gleichzeitigen  Augitporphyrlaven  ist  mit 
Sicherheit  schwer  zu  beantworten.  Ich  möchte  mich,  in  Berück- 
sichtigung aller  hierbei  in  Betracht  kommenden  Factoren,  am 
liebsten  der  Anschauung  v.  Richthofe n's  anschliessen  und  im 
oberen  Fassa,  in  der  Gegend  der  heutigen  Gruppe  des  Sasso  di 
Dam,  ein  älteres  Eruptionscentrum  annehmen.  Die  eigenartigen 
tektonischen  Störungen,  welche  die  Umgebungen  von  Campitello 
und  Canazei  zeigen,  dann  das  concentrische  Einfallen  der  älteren 
Schichten  am  Nord-  und  Westrande  der  Gruppe  des  Sasso  di  Dam 
wären  mit  einer  solchen  Annahme  sehr  wol  vereinbar.  Der  Erup- 
tionsschlot selbst  würde  tief  unter  seinen  eigenen  Auswurfsproducten 
und  unter  den  Laven  der  beiden  benachbarten  jüngeren  Vulcane 
begraben  liegen. 

7.   Die  Gegend    am   rechten  Avisio-Ufer  zwischen  Tesero  und 

Castello. 

Es  ist  bereits  im  V.  Capitel  (S.  135)  einer  Verwerfung  gedacht 
worden,  welche  auf  der  Südseite  von  Stalla  della  Cugola  im  Quarz- 
porphyr ansetzt  und  sodann  über  den  Pass  von  San  Lugano  und 
die  Hemet-Alpe  nach  Truden  verläuft  Diese  Verwerfung  lässt  sich 
als   eine   Abzweigung   der   weiter   südlich   durchziehenden    und    in 


*)  Ein  westlicher  Auslaufer  dieser  Lavadecke  dürften  die  Augitporphyrmassen 
der  Mendola  sein. 


394 


Der  altvulcanische  District  von  Fassa  und  Fleims. 


ihrem  Verlaufe  ebenfalls  bereits  skizzirten  Fleimser  Eruptionsspalte 
betrachten  (vgl.  S.  385). 

Der  schmale  Streifen  zwischen  der  Fleimser  Eruptionsspalte 
und  dem  Avisio  steht  tektonisch  im  innigsten  Verbände  mit  der 
Gebirgsmasse  des  Dosso  Capello  und  mit  dem  grossen  Porphyr- 
gebirge im  Süden  des  Avisio.  Doch  kommen  in  der  Gegend  von 
Cavalese  eine  Reihe  kleinerer  Querbrüche  vor  und  scheint  eine  un- 
bedeutende Längsverwerfung  dem  Laufe  des  Avisio  zu  folgen. 

Dem  Porphyrsystem,  dessen  oberste  Lagen  hier  anstehen, 
sind  zwei  grössere  Denudationsrelicte  der  nächstjüngeren  Schichten 
aufgelagert.  Bei  Cavalese  finden  sich  ausserdem  noch  mehrere 
kleine  Partien  von  Grödener  Sandstein,  welche  wegen  ihrer  zu 
geringen  Ausdehnung  in  der  Karte  nicht  berücksichtigt  wurden. 

Die  Masse  des  Monte  Cucal,  welche  bis  zum  oberen  Muschel- 
kalk aufwärts  reicht,  zeigt  im  Norden  ziemlich  söhlige  Lagerung, 
im  Süden  senkt  sich  dieselbe  jedoch  in  südöstlicher  Richtung  ab- 
wärts unter  die  Masse  des  Dosso  Capello.  Dies  deutet  auf  eine 
muldenförmige  Aufbiegung  des  Nordrandes  längs  der  Fleimser 
Eruptionsspalte. 

Noch  deutlicher  zeigt  sich  diese  Aufstülpung  des  Nordrandes 
in  dem  theilweise  von  Glacialschutt  bedeckten  Denudationsrelicte 
von  Veronza,  dessen  Schichten  gegen  Süden,  von  der  Fleimser 
Eruptionsspalte  weg,  fallen*). 

Einige  technische  Bedeutung  erlangen  hier  die  schönen  weissen 
Alabaster  ähnlichen  Gypse  der  Bellerophon-Schichten. 

Das  Plateau  von  Fraul  jenseits  des  Riv.  di  Predaja  dacht  inj 
Gegensatze  zur  Veronza-SchoUe  nordöstlich  ab.  Auf  seiner  Nordseite 
stossen  Grödener  Sandsteine   an   der   Fleimser   Eruptionsspalte   ab. 

Die  Melaphyrgänge  an  der  Eruptionsspalte  bei  Aguai  haben 
bereits  oben  Erwähnung  gefunden. 


*)  Durch    ein  Versehen   wurden  im  Profile  auf  Seite  i32    die  Schichten  von 
Veronza  nord-  anstatt  südfallend  eingezeichnet. 


1 


XIII.  CAPITEL. 
Der  Cima  d'Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette. 

Die  Quarzporphyr-Tafel  derLagorai.  -  DasPhyllitgebirge  mit  dem  Granitstocke  der  Cima  d'Asta. 
-  Quarzporphyrgänge  in  Valsugana.  -  Der  Bergsturz  de*  Monte  Calmandro.  -  Das  Alter  des 
,  Cima  d*Asta-Granits. 

Wenn  man  eine  Charakteristik  unserer  Südalpen  entwerfen 
wollte,  müsste  man  unbedingt  als  eine  besonders  auszeichnende 
Eigenthümlichkeit  derselben  das  wiederholte  und  öfters  auf  längere 
Strecken  anhaltende  Auftauchen  von  palaeozoischen  und  archäischen 
Bildungen  mitten  aus  den  mesozoischen  Kalkmassen  anführen.  Es 
wird  unsere  Aufgabe  sein,  in  einem  der  Schlusscapitel  auf  die  dieser 
Erscheinung  zu  Grunde  liegenden  grossartigen  Dislocationen  zurück- 
zukommen. 

Die  nach  Umfang  und  verticaler  Erhebung  weitaus  bedeutendste 
dieser  Inseln  alter  Gebirgsformationen,  welche  sich  wie  ein  Central- 
gebirge  aus  der  jüngeren  Umgebung  emporhebt,  ist  das  aus  einem 
mächtigen  granitischen  Kern,  um  den  sich  ein  Mantel  krystallinischer 
Schiefer  herumzieht,  bestehende  Cima  d'Asta-Gebirge  im  Südwesten 
unseres  Kartengebietes.  Schon  seit  langer  Zeit  hat  dieser  abge- 
schlossene Gebirgsstock  die  Aufmerksamkeit  der  Naturkundigen  auf 
sich  gezogen,  aber  nur  sehr  Wenige  haben  sich  in  das  Innere  des- 
selben gewagt,  trotzdem  eine  Reihe  tief  eingeschnittener  Quer- 
thäler  den  Zutritt  in  ungewöhnlichem  Masse  erleichtert.  Ausser  den 
Verfassern  der  geognostischen  Karte  von  Tirol  und  G.  vom  Rath*) 
hat  bis  in  die  neueste  Zeit  herauf,  soviel  bekannt  geworden  ist, 
kein  Geologe  den  Cima  d'Asta-Stock  betreten.  Die  merkwürdige 
Ueberschiebung  im  Torrente  Maso  bei  Borgo  auf  der  Südseite 
des   Cima   d'Asta  -  Stockes    beschrieb    erst    vor    ganz   kurzer   Zeit 


*)  Die  Lagorai-Kette  und  das  Cima  d*Asta-Gebirge.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1860. 

S.    131. 


^gß  Der  Cima  d'Asta-Stock  und  die  Lagorai  Kette. 

Ed.  Suess  *)  und  betonte  dabei  mit  Recht  die  passive  Rolle 
des  Cima  d'Asta-Granits   gegenüber  der  Emporstauung  der  Alpen. 

Als  die  Aufnahmsarbeiten  der  k.  k.  Geologischen  Reichsanstalt 
bis  zu  dem  Cima  d'Asta-Gebirge  vorgerückt  waren,  erhielt  Herr 
Dr.  Doelter  die  dankbare  Aufgabe,  dieses  fast  jungfräuliche  Gebiet 
zu  studieren.  Es  scheint  jedoch  ein  eigener  Bann  über  dem  schönen 
Gebirge  zu  schweben,  denn  Dr.  Doelter  war  durch  Kränklichkeit 
verhindert,  die  Aufnahme  ihrem  vollen  Umfange  nach  durchzuführen. 
So  bleibt  vorläufig  hier  noch  immer  eine  unausgefiillte  Lücke.  Um 
aber  doch  wenigstens  die  grossen  tektonischen  Züge  und  das  Ver- 
hältniss  des  Granits  zu  den  umgebenden  Formationen  einigermassen 
kennen  zu  lernen,  habe  ich  im  Laufe  des  Sommers  1877  einige 
Orientirungstouren  unternommen,  bei  welchen  mich  in  den  west- 
lichsten Theilen  die  Herren  M.  Vacek  und  Dr.  A.  Bittner  in  wirk- 
samster Weise  unterstützten.  Die  Resultate  dieser  Begehungen 
sind  der  Darstellung  auf  unserer  Karte  zu  Grunde  gelegt.  Das 
gebotene  Bild  kann  nur  den  Anforderungen  einer  Uebersichtsauf- 
nahme  genügen. 

In  orographischer  Beziehung  bildet  das  Quarzporphyr-Gebirge 
der  Lagorai  mit  dem  vom  Granitmassiv  der  Cima  d'Asta  durch- 
brochenen Phyllitgebirge  ein  Ganzes.  Der  wasserscheidende  Rücken 
zwischen  der  Nord-  und  Südabdachung  des  Gebirges  liegt  im  Quarz- 
porphyr, so  dass  die  auf  dem  Porphyrkamme  entspringenden  Bäche 
das  im  Süden  liegende  Granit-  und  Schiefergebirge  durchschneiden. 
Im  Süden  schliesst  sich  an  den  Cima  d'Asta-Stock  ohne  eine 
prononcirte  orographische  Grenze  unmittelbar  das  jüngere  Kalk- 
gebirge wie  ein  Mittelgebirgs- Vorland  an.  Die  aus  dem  Gebiete  des 
Granits  und  des  Phyllits  austretenden  Wasseradern  setzen  ihren 
Weg  quer  durch  dasselbe  fort.  Wir  nehmen  deshalb  die  grosse, 
bereits  mehrfach  genannte  Valsugana  -  Bruchspalte ,  welche  das 
Granit-  und  Phyllitgebirge  von  dem  im  Süden  vorgelagerten  Kalk- 
gebirge scheidet,  als  die  Südgrenze  der  Cima  d'Asta -Masse  an 
und  behalten  uns  die  Schilderung  des  Vorlandes  für  das  nächste 
Capitel  vor. 

I.  Die  Quarzporphyr-Tafel  der  Lagorai. 

Wir  haben  über  diese  ausgedehnte,  das  Phyllitgebirge  der 
Cima  d'Asta   halbringformig   umziehende  Porphyrplatte   nur   wenig 


*)  Ueber  die  Aequivalente    des    Rothliegenden    in    den  SQdalpen.    Sitz.-Ber. 
k.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Wien,  Bd.  LVII,  1868. 


Der  Cima  d'Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette.  397 

zu  berichten.  Das  allem  Anschein  nach  aus  verschiedenen  Strömen 
bestehende  Porphyrsystem  fällt  mit  grosser  Regelmässigkeit  vom 
Phyllit  weg  nach  aussen  ab.  Tief  eingeschnittene  parallele  Quer- 
thäler  fuhren  von  dem  zu  scharf  geschnittenen  Pyramiden  auf- 
gelösten Kamme  in  die  einem  Längenthaie  entsprechende  Thal- 
furche des  Travignolo  und  des  Avisio.  Die  steil  abbrechenden 
Schichtenköpfe  sind  dem  auf  der  Innenseite  des  Halbringes  unter 
das  Porphyrsystem  einschiessenden  Phyllitgebirge  zugekehrt. 

Es  sind  die  obersten  jüngsten  Theile  des  Porphyrsystems, 
welche  vom  Süden  her  an  die  Tiefenlinie  Travignolo-Avisio  heran- 
treten. Die  Porphyrtafel,  welche  im  Süden  des  Avisio  ausser  dem 
schmalen  Streifen  von  Grödener  Sandstein  zwischen  Masi  und  der 
Malgola  höchstens  noch  vereinzelte,  der  Beobachtung  bisher  ent- 
gangene Denudationsrelicte  von  Grödener  Sandstein  trägt,  bildet, 
wie  im  vorhergehenden  Capitel  gezeigt  worden  ist,  die  regelmässige 
Unterlage  des  auf  dem  rechten  Avisio-Ufer  zwischen  Castello  und 
Predazzo  sich  erhebenden  Triasgebirges.  Die  Malgola,  südlich  von 
Predazzo,  haben  wir  als  eine  gegen  die  Fleimser  Eruptionsstelle 
eingesunkene  Scholle  kennen  gelernt. 

Die  Fleimser  Eruptionsspalte  begrenzt  die  Porphyrtafel  der 
Lagorai  gegen  Nordwesten.  Aus  dem  auf  Seite  132  mitgetheilten 
Profile,  in  welchem  die  Porphyrscholle  von  Castello  das  Nordende 
der  Lagorai-Platte  darstellt,  wird  das  Verhältniss  des  südlichen 
Quarzporphyr-Gebirges  zur  Kette  des  Schwarzhomes  und  zum 
Bozener  Plateau  ersichtlich. 

Oestlich  von  Bellamonte,  wo  die  Porphyrtafel  unter  das 
Viezzena-Gebirge  hinabtaucht,  beginnt  am  Südschenkel  des  gewölb- 
förmigen  Aufbruches  der  Bocche  (vgl.  Seite  335)  eine  bis  gegen 
Cencenighe  reichende  Verwerfungsspalte,  welche  zwischen  Castelir 
und  Juribello  den  östlichen  Flügel  der  Lagorai-Platte  gegen  Norden 
begrenzt.  Deutlich  tritt  diese  Verwerfung  am  Dosaccio  bei  Pane- 
veggio  hervor,  da  hier  ein  Denudationsrelict  jüngerer  Schichten 
(Grödener  Sandstein,  Bellerophon -Schichten,  Werfener  Schichten) 
dem  der  Lagorai-Platte  angehörigen  Porphyr  des  Dosaccio  auf- 
gelagert ist. 

Ueber  das  Absinken  des  Porphyrgebirges  gegen  die  Gruppe  des 
Cimon  della  Pala  und  über  das  Auskeilen  des  Porphyrs  unterhalb  San 
Martino  di  Castrozza  ist  bereits  im  XL  Capitel  (Seite  338  und  340) 
berichtet  worden.  Hier  wollen  wir  nur  noch  erwähnen,  dass  ein 
kleiner  Querbruch  auch  zwischen  dem  Colbricon  und  dem  Cava- 
lazza  gegen  Paneveggio  zu  durchzulaufen  scheint,   an   wel^ 


D«r  Cima  d'Atta-Stock  und  die  Lagoni-Kette. 


Gehiage  des  MoDzoni- Stocke« 

Pelkgrin-Thil 


^U 


Cima  di  LtUt 


Cima  di  Viliord« 


Der  Cima  d*Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette.  ^gg 

Cavalazza-Scholle,    welche  auch  das  Plateau  von  Juribello    und   den 
Castellazzo  umfasst,  abgesunken  wäre. 

•  Auf  der  Nordseite  des  Colfosc  bei  San  Martino  di  Castrozza 
kommt  im  Gebiete  des  Quarzporphyrs  in  geringer  Ausdehnung  ein 
schmutzig  gelber  und  grauer  blätternder  Kalk  von  ganz  fremdartigem 
Aussehen  vor.  Es  gelang  mir  nicht,  Näheres  über  dessen  Verhalten 
zum  Porphyr  zu  ermitteln  *). 

Die  Grenze  des  Quarzporphyrs  gegen  den  Phyllit  ist  meistens 
durch  Porphyrschutt  verdeckt,  wie  bereits  G.  vom  Rath  bedauernd 
erwähnte.  Nur  im  Westen,  im  Gebiete  von  Valsugana,  liegt  eine 
ziemlich  ansehnliche  Masse  von  Tuffen  und  Verrucano-Conglomeraten 
an  der  Basis  des  Porphyrsystems  bloss. 

Die  Porphyrtuffe,  welche  die  höhere  Lage  einnehmen,  ent- 
halten nach  den  Beobachtungen  Dr.  Bittner's  Porphyreinschlüsse 
und  gehen  gegen  unten  in  rothe  Sghiefer  über,  unter  welchen  so- 
dann die  eigentlichen  Verrucano-Conglomerate  folgen.  Da  es  fiir 
die  Beurtheilung  der  Alters  Verhältnisse  des  benachbarten  Cima 
d'Asta-Granits  von  Interesse  war,  zu  constatiren,  ob  nicht  bereits 
GranitgeröUe  in  diesen  unteren  Conglomeraten  vorhanden  seien,  so 
ersuchte  ich  Herrn  Vacek  im  Laufe  des  Sommers  1878  eine  erneute 
Untersuchung  des  Verrucano  von  Valsugana  vorzunehmen.  Herr 
Vacek  berichtet  mir  nun,  dass  er  weder  Granit-  noch  Porphyr- 
gerölle  entdecken  konnte  und  dass  neben  den  vorherrschenden 
Quarzgeröllen  nur  Rollstücke  von  Gneissen  und  Glimmerschiefern  zu 
finden  seien. 

In  der  Umgebung  des  Fleimser  Eruptivstockes  wird  der 
Quarzporphyr,  namentlich  zwischen  Riv.  di  Sadole  und  Colbricon, 
von  Melaphyrgängen  durchsetzt. 


2.  Das  Phyllitgebirge  mit  dem  Granitstocke  der  Cima  d'Asta. 

Als  Unterlage  der  Quarzporphyrdecke  der  Lagorai  erscheinen 
auf  der  Innenseite  des  durch  dieselbe  gebildeten  Ringgebirges 
krystallinische  Schiefergesteine,  welche,  wenn  wir  vorläufig  von  dem 
grossen  Granitstocke  absehen,  im  Süden  bis  an  die  Valsugana- 
Spalte  reichen.  Das  vorherrschende  Fallen  dieser  Schiefer  ist  NW. 
und  N.,  meistens  ziemlich  flach,  und  im  Allgemeinen  im  Osten 
etwas   steiler    als    im   Westen,    wo    nicht    selten    nahezu    söhlige 

♦)  Die  grossen  Haufwerke  von  Dolomitblöcken  am  unteren  Ende  von  Val 
Zigolera  und  Ru  di  Ces  bei  San  Martino  dürften  wol  die  Reste  eines  alten  Berg- 
sturzes des  gegenüberliegenden  Dolomitgebirges  sein. 


^OO  Der  Cima  d*Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette. 

Lagerung  eintritt.  Gegen  die  Gruppe  des  Cimon  della  Pala  zu 
wendet  sich  das  Fallen  gegen  Nordosten  und  Osten.  Im  grossen 
Ganzen  herrscht  daher  ein  sehr  regelmässiger  Bau.  Im  Süden  durch 
eine  Bruchlinie  abgeschnitten,  taucht  das  Phyllitgebirge  wie  ein 
normaler  Aufbruch  unter  dem  jüngeren  Deckgebirge  empor.  West- 
lich von  Borgo  in  Valsugana,  wo  die  grosse  Bruchlinie  sich  in  das 
jüngere  Gebirge  hineinzieht,  ändert  sich  dieses  Verhältniss.  Es  tritt 
nämlich  am  Monte  Broi  bei  Novaledo  Südfallen  des  Phyllits  ein 
und  die  gleichfalls  gegen  Süden  einfallende  Porphyrscholle  des 
Monte  Zaccon  kann  als  südlicher  Gegenflügel  der  im  Norden  den 
Phyllit  überlagernden  Porphyrdecke  betrachtet  werden.  Hier  wäre 
demnach  eine  anticlinale  Aufwölbung  angedeutet. 

Der  NW.  und  N.  einfallende  Theil  des  Schiefergebirges  ist 
durch  die  gewaltige  Granitmasse  der  Cima  d'Asta,  welche  sich  als 
fremdartiger  Keil  in  dieselbe  eindrängt  und  durch  einige  andere, 
theils  stock-,  theils  gangförmig  auftretende  Eruptivgesteine  unter- 
brochen. 

Der  Granit,  welcher  eine  geschlossene  Masse  bildet,  zeigt 
manigfache  Abänderungen.  Das  vorwaltende  Gestein  besteht  nach 
G.  vom  Rath  aus  einem  klein-  bis  grobkörnigen  Gemenge  von 
weissem  Feldspath,  weissem  Oligoklas,  grauem  Quarz  und  schwärz- 
lich-braunem Glimmer,  welcher  weder  in  Flasern  noch  in  parallelen 
Ebenen,  sondern  durchaus  unregelmässig  vertheilt  ist.  Bisweilen 
tritt  auch  Hornblende  auf 

Die  richtige  Beurtheilung  der  tektonischen  Verhältnisse  so 
ausgedehnter  und  mächtiger  Eruptivmassen  ist  in  der  Regel  mit 
grossen  Schwierigkeiten  verbunden,  namentlich  wenn,  wie  es  hier 
der  Fall  ist,  alte  krystallinische  Schiefer  die  umgebende  Gesteinsart 
bilden.  Nur  die  kritische  Zusammenfassung  einer  grösseren  Anzahl 
von  Beobachtungselementen  kann  in  solchen  Fällen  zu  einem  der 
Wirklichkeit  mehr  oder  weniger  entsprechenden  Bilde  fuhren.  Ich 
will  versuchen,  aus  den  allerdings  noch  sehr  lückenhaften  mir  zu 
Gebote  stehenden  Daten  die  Anschauung,  welche  ich  über  die 
Natur  des  Cima  d'Asta-Granits  gewonnen  habe,  zu  rechtfertigen. 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  Karte.  Nächst  der  unregel- 
mässigen Gestalt  des  Granitkörpers  fallt  das  selbstständige,  von 
dem  Verlauf  der  Schichtenköpfe  des  Quarzporphyrsystems  ganz 
unabhängige  Auftreten  desselben  auf  In  Val  di  Calamento,  wo  die 
Schichten  des  Quarzphyllits  fast  söhlig  lagern,  ist  der  Zwischenraum 
zwischen  dem  Quarzporphyr  und  dem  Granit  ausserordentlich 
schmal.  Die  älteren  Karten  Hessen  in  dieser  Gegend  sogar  Porphyr 
und  Granit  zusammenstossen.    Bald   darauf  zwischen  der  Gabelung 


1 


Der  Cima  d^Asta- Stock  und  die  Lagorai-Kette.  ^qI 

des  Val  di  Campelle  und  der  Cima  d'Asta  tritt  die  Granitgrenze 
bogenförmig  weit  gegen  Süden  zurück,  während  die  Porphyrgrenze 
ihr  nordöstliches  Streichen  selbstständig  beibehält.  Dabei  herrscht 
in  der  auf  solche  Weise  zu  bedeutender  Breite  angewachsenen 
Schieferzone  ein  viel  steileres  Einfallen,  als  in  Val  di  Calamento, 
ja  im  Hintergrunde  von  Val  Grigno  sind  nach  Dr.  Bittner's  Beob- 
achtungen die  Schichten  fast  senkrecht  aufgerichtet.  Die  Schiefer- 
zone erscheint  daher  nicht  etwa  blos  in  Folge  schwacher  Auf- 
lagerung auf  den  Granit  breiter,  sondern  sie  besteht  hier  thatsächlich 
aus  einem  im  verticalen  Sinne  weitaus  mächtigeren  Schichten- 
complex,  als  in  Val  di  Calamento.  Im  Norden  der  Cima  d'Asta 
wird  die  Schieferzone  wieder  schmäler,  im  Osten  aber,  wo  der 
Granit  sich  gabelförmig  in  zwei  lange  Zungen  zerspaltet  und  endlich 
im  Schiefer  verschwindet,  ist  die  Entfernung  vom  Quarzporphyr  bis 
zum  Granit  am  grössten. 

Es  ist  einleuchtend,  dass  bei  einem  regelmässigen  stratigraphi- 
schen  Verbände  das  Verhältniss  von  Granit,  Schiefer  und  Porphyr- 
decke ganz  anders  sein  müsste.  Was  den  Schiefer  und  die  Porphyr- 
decke betrifft,  so  herrscht,  obwol  eine  vollkommene  Concordanz 
zwischen  diesen  Bildungen  auch  nicht  besteht,  doch  insofern  eine 
bestimmte  Gesetzmässigkeit,  als  stets  unterhalb  der  Quarzporphyr- 
decke der  Quarzphyllit  folgt.  Es  muss  daher  das  Verhältniss  des 
Schiefers  zum  Granit  ein  unregelmässiges  sein.  Ist  dies  aber  der 
Fall,  so  sind  zwei  Annahmen  möglich.  Entweder  durchsetzt  der 
Granit  als  intrusiver  Eruptivstock  den  Schiefer,  oder  aber  es  haben 
nachträgliche  tektonische  Störungen  das  ursprünglich  regelmässige 
Lagerungsverhältniss  alterirt. 

Die  einfachste  und  natürlichste  Annahme  ist  die,  dass  wir  es 
hier  mit  einem  grossen  Eruptivstock  zu  thun  haben.  Zu  ihren 
Gunsten  sprechen  eine  Reihe  sonst  schwer  erklärbarer  Thatsachen. 
Tektonische  Störungen  mögen  immerhin  vorhanden  sein.  Schon  das 
Auftreten  intrusiver  Eruptivgesteine  setzt  die  Nachbarschaft  von 
Dislocationslinien  voraus.  Ferner  fordert  die  am  Südrande  fort- 
laufende grosse  Valsugana-Spalte  geradezu  die  Annahme  secundärer 
kleiner  Verwerfungen.  Aber  selbst  unter  den  weitgehendsten  Zu- 
geständnissen von  Dislocationen  dürfte  es  sehr  schwierig  werden 
den  Beweis  zu  erbringen,  dass  der  Cima  d'Asta-Granit  eine  ursprüng- 
lich den  Quarzphyllit  unterteufende  und  erst  später  herausgehobene 
Lagerdecke  sei. 

Wie  bereits  aus  der  Besprechung  der  Porphyr-  und  Granit- 
grenzen hervorgeht,  tritt  der  Granit  im  Verlaufe  seiner  Erstreckung 
mit   Schiefern   von   sehr   verschiedenem   Alter   in   Berührung.     Die 

Mojtiisovic«,  DolomitriAc.  26 


Der  Cima  d'Asu-Stock  und  die  Lagorai-Kene. 


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Mopic  Cilnundro 


Der  Cima  d*Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette.  ^03 

schmale  Schieferzone  im  Süden  des  Granits  zwischen  Val  Tesino 
und  Torcegno,  die  Schiefer  im  Westen  des  Granitstockes,  so- 
wie die  Schieferzone  zwischen  Val  di  sette  Laghi  und  Montalon  ' 
gehört  den  Quarzphylliten  an.  Einem  viel  tieferen  Niveau  der 
Schiefer,  wahrscheinlich  bereits  den  von  Stäche  sogenannten 
Gneissphylliten,  entsprechen  die  Gesteine,  welche  in  der  Bucht 
zwischen  Val  Sorda  und  der  Cima  d'Asta  mit  dem  Granit  in 
Berührung  treten.  Im  Osten  bei  Caoria  und  Canale  San  Bovo 
dringt  der  sich  in  zwei  grosse  Arme  verzweigende  Granit,  wie 
schon  Stäche*)  vermuthete,  aus  Gneissphylliten  empor. 

Die  Granitmasse  durchschneidet  daher  schräge  Schieferzonen 
verschiedenen  Alters.  Die  jüngsten  mit  ihr  in  Contact  tretenden 
Schiefer  sind  die  oberen  Quarzphyllite  in  Val  di  Calamento. 

Die  Schiefer  behalten  femer,  unbekümmert  um  den  Verlauf 
der  Granitgrenze,  ihr  Streichen  bei  und  schneiden  am  Granite,  wo 
ihnen  derselbe  in  den  Weg  tritt,  ab.  Sehr  klar  zeigt  sich  dieses 
Abstossen  des  Schiefers  im  Osten,  bei  Canale  San  Bovo. 

Die  Untersuchung  des  tektonischen  Verhaltens  fuhrt  sonach 
zu  dem  Ergebniss,  dass  der  Cima  d'Asta-Granit  ein  grosser  Gang, 
ein  sogenannter  Hauptgang  sei  **).  Dieses  Resultat  findet  eine 
weitere  Bestätigung  in  dem  Vorkommen  von  Gängen  anderer 
Eruptivgesteine  theils  im  Granitstocke  selbst,  theils  in  seiner 
nächsten  Nachbarschaft,  im  Schiefer.  Schon  G.  v.  Rath  erwähnte 
das  Auftreten  von  syenitischen  Schlieren  und  von  Dioritporphyr- 
gängen  und  vermuthete  auch  die  Anwesenheit  von  Quarzpor- 
phyrgängen im  Granitmassiv.  Ich  zweifle  nicht,  dass  eine  sorg- 
faltige Detailuntersuchung  zahlreiche  derartige  kleine  Gänge  auf- 
weisen wird. 

Was  das  Vorkommen  von  Quarzporphyrgängen  anbelangt, 
so  haben  die  Untersuchungen  der  Herren  Dr.  A.  Bittner  und 
M.  Vacek  eine  Anzahl  Nord-Süd  streichender  Gänge  im  Quarz- 
phyllite zwischen  Torcegno  und  Cinque  Valli  kennen  gelehrt.  Einen 
ostwestlich  streichenden  Gang  desselben  Gesteins  traf  Herr  Vacek 


*)  Die  paläozoischen  Gebiete  der  Ostalpen.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1874,  pag.  Sgo. 

♦♦)  Eine  merkwürdige  Ansicht  äussert  Doelter  (Ueber  die  Eruptivgebilde  von 

Fleims  etc.  Sitz.-Ber.  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.,  Wien   1876,  Dec-Heft),    Nach  ihm  wäre 

der  Granit  aus  einer  von  SW.  gegen  NO.  gerichteten  Spalte  gangförmig  aufgetreten 

und  hätte  sich  dann  deckenförmig  über  die  Schiefer  gelagert. 

Welche  Beobachtungen  dieser  Vorstellung  zu  Grunde  liegen  mögen,  ist  mir 
ganz  unverständlich.  Der  Cima  d*Asta-Granit  ist  entweder  ein  Gang  oder  eine 
Decke.  Wäre  derselbe  aber  eine  Decke,  dann  könnte  seine  Eruptionsstelle  meilen- 
weit vom  heutigen  Cima  d*Asta-Gebirge  entfernt  liegen. 

26* 


■ 

1 


Der  Cimi  d'Asu-Stock  und  die  Ligorai- Kette. 


§"'    I 


Der  jCima  d*Asta-Stock  und  die  Lagorai- Kette.  ^05 

im  Thalgrunde  bei  Fostai  oberhalb  Roncegno.  Die  nordsüdlich 
streichenden  Gänge  bilden  in  der  Regel  die  Kammhöhen  zwischen 
den  kleinen,  im  Phyllit  ausgewaschenen  Querthälem.  Herr  Dr.  Reyer 
hatte  die  Güte,  das  Gestein  dieser  Gänge  zu  untersuchen  und  theilte 
mir  darüber  folgende  Diagnose  mit.  j^In  einer  felsitischen,  von 
chloritischen  Bestandtheilen  grün  gefärbten  Grundmasse  liegen 
spärliche  abgerundete  Orthoklase  und  grosse  Quarzkömer.  Einzelne 
sehr  dichte,  dem  Thonsteinporphyr  ähnliche  Schlieren  durchziehen 
das  Gestein.* 

Westlich  von  Roncegno  taucht  in  der  hier  vom  Quarzphyllit 
gebildeten,  bereits  erwähnten  Anticlinalwölbung  stockförmig  eine 
kleine  Masse  syenitischen  Granits  empor.  Ihre  längere  Achse  streicht 
ostwestlich,  wie  der  Hauptgang  der  Cima  d'Asta. 

Aus  dem  Schiefergebiete  im  Osten  der  Cima  d'Asta  erwähnte 
bereits  G.  v.  Rath  Dioritporphyre  nördlich  von  Caoria.  Ich  selbst 
fand  die  gleichen  Gesteine,  anscheinend  lagerförmig  bei  Gobbera, 
am  Uebergange  von  Canal  San  Bovo  nach  Primiero.  Einer  späteren 
Untersuchung  bleibt  es  vorbehalten,  zu  entscheiden,  ob  diese  Diorit- 
porphyre, welche  auch  den  Granit  der  Cima  d'Asta  durchsetzen, 
mit  den  dioritischen  Gesteinen  der  Ortler-Gruppe  und  von  Lienz 
übereinstimmen. 

Die  zahlreichen,  gegenwärtig  ausser  Betrieb  stehenden  Erz- 
lagerstätten der  Phyllitzone  von  Valsugana  (Pergine,  Levico,  Borgo, 
Roncegno,  Calamento,  San  Antonio  in  Val  Sorda,  San  Michele) 
setzen  nach  Trink er's  Angaben  in  quarzitischen  Gängen  auf.  Die 
Erze  sind  silberhaltiger  Bleiglanz,  Kiese  und  Blenden. 

Glacialschutt  ist  in  den  Thälem  des  Cima  d'Asta-Stockes 
allenthalben  sehr  reichlich  vertreten.  An  den  Mündungen  der 
Seitenthäler  finden  sich  fast  regelmässig  grosse  Anhäufungen  des- 
selben. Ein  Arm  des  alten  Vanoi-Gletschers  scheint  über  den  Col 
delle  Croci  in  das  Tesino-Thal  gedrungen  zu  sein.  Die  zahlreichen 
Quarzporphyrblöcke  im  Tesino-Thal  lassen  kaum  eine  andere  An- 
nahme zu. 

Unter  den  neueren  geologischen  Vorgängen  verdient  noch  der 
Bergsturz  des  Monte  Calmandro  in  Canale  Erwähnung,  welcher 
durch  die  Abdämmung  des  Vanoi  oberhalb  San  Bovo  die  Bildung  des 
Lago  di  Rebrut  (oder  Lago  nuovo)  veranlasste.  Bereits  im  Jahre  1793 
entstanden  Gehängbrüche  in  den  krystallinischen  Schiefern  des 
Calmandro.  Unvorsichtiges  Abholzen  der  abgesessenen  Schollen  und 
Bewässerung  einer  Wiese  bewirkten  sodann  in  den  Jahren  1819 
bis  1823  das  weitere  verheerende  Niedergehen  des  rutschenden 
Gebirges.    Drei   am  linken  Vanoi-Ufer  gelegene  Ortschaften  fanden 


/^o6  I^cr  Cima  d*Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette. 

bei  diese  Katastrophe  ihren  Untergang.  Noch  jetzt  sieht  man 
deutlich  die  Abbruche  des  Glimmerschiefers  in  dem  sich  oben 
kesselfbrmig  erweiternden  Tobel  am  Nordgehänge  des  Monte 
Calmandro. 


3.  Ueber  das  Alter  des  Cima  d'Asta-Granits. 

Es  ist  soeben  gezeigt  worden,  dass  der  Cima  d'Asta-Stock 
alle  Eigenschaften  eines  Eruptivstockes  besitzt.  Mitten  aus  dem  nord- 
westlich fallenden  Schiefergebirge  dringt  der  Granit  stockförmig, 
die  Schichten  des  Quarz-  und  des  Gneissphyllits  abschneidend,  in 
geschlossener  Masse  empor  und  sendet  im  Osten  wie  im  Westen 
gangförmige  Ausläufer  aus.  Eine  Reihe  anderer  Eruptivgesteine 
durchsetzt  in  Gängen  den  Granit  und  das  benachbarte  Schiefer- 
gebirge. Die  locale  Häufung  verschiedenartiger  intrusiver  Eruptiv- 
gesteine ist  aber  ein  wichtiges  Kriterium  eines  Eruptionscentrums. 
Es  fragt  sich  nun,  welcher  Zeitperiode  gehört  die  Eruption  des 
Cima  d'Asta-Granits  an.^ 

Der  Granit,  die  Quarzporphyrgänge  von  Valsugana  und  der 
Syenitgranit  von  Roncegno  durchbrechen  den  Quarzphyllit  und 
sind  daher  jünger,  als  dieser.  Direct  mit  dem  Eruptivstock  zu- 
sammenhängende Laven  sind  nicht  vorhanden.  Aber  in  nächster 
Nachbarschaft  zum  Eruptivstock,  nur  durch  eine  schmale  Erosions- 
zone von  demselben  getrennt,  beginnt  das  mächtige  System  des 
permischen  Quarzporphyrs.  Wir  haben  bereits  wiederholt  darauf 
hingewiesen,  dass  das  Porphyrsystem  von  Südtirol  aus  einer  Reihe 
von  Lavadecken  besteht  und  dass  nirgends  innerhalb  der  uns 
bekannten  Verbreitung  dieses  Systems  Durchbrüche  eruptiver  Massen 
nachweisbar  sind.  Was  liegt  nun  näher,  als  anzunehmen,  dass  der 
Eruptivstock  der  Cima  d'Asta  einer  der  Eruptionspunkte  des  per- 
mischen  Quarzporphyrs  sei.^  Hier  ein  Eruptivstock  ohne  bekannte 
zugehörige  Laven,  dort  ausgedehnte  Lavendecken  ohne  bekannten 
Eruptionsherd,  beide  jünger  als  der  Quarzphyllit,  dazu  die  nachbar- 
liche Lage;  dies  Alles  drängt,  wie  mir  scheint,  zu  der  Annahme, 
dass  der  Eruptivstock  der  Cima  d'Asta  in  nächster  genetischer 
Beziehung  zum  permischen  Quarzporphyr  steht. 

Ein  stricter  Beweis  ist  in  solchen  Fällen,  wo  die  Denudation 
den  Zusammenhang  zwischen  dem  Eruptivstock  und  dem  Laven- 
gebiet aufgehoben  hat,  nicht  möglich.  Denken  wir  uns  den  Monzoni- 
oder  den  Fleimser  Eruptivstock  bis  zu  den  Werfener  Schichten 
hinab  rings  denudirt.  Wie  würde  dann  noch  der  Beweis  herzustellen 


Der  Cima  d'Asta-Stock  und  die  Lagorai -Kette,  aqj 

sein,  dass  die  von  wenigen  Melaph  yrgängen  durchsetzten  Granite 
und  Syenite  von  Fassa  und  Fleims  den  oberen  Augitporphyrlaven 
der  Seisser  Alpe  im  Alter  gleichstehen  ?  Offenbar,  wenn  man  nicht 
von  vorneherein  auf  die  logische  Verbindung  und  Zusammenfassung 
der  Thatsachen  verzichten  will^  nur  im  Wege  des  Deductionsschlusses. 

Die  Analogie  in  beiden  Fällen  ist  eine  überraschend  grosse. 
Sie  geht  bis  zu  der  merkwürdigen'  excentrischen  Lage  der  Erup- 
tionspunkte. Nur  ist  hier  bei  dem  permischen  Vulcan  Alles  in  viel 
grösseren  Dimensionen  angelegt,  als  bei  dem  ihm  folgenden  nori- 
schen  Vulcan. 

Die  für  den  Granitstock  der  Cima  d'Asta  ausgesprochene  An- 
sicht fuhrt  zu  der  Vermuthung,  dass  auch  die  übrigen,  das  permische 
Quarzporphyrgebiet  peripherisch  umgebenden  Eruptivstöcke  von 
Klausen,  Brixen  und  Meran,  sowie  der  Adamello-Stock  *),  welche 
ebenfalls  sämmtlich  aus  dem  Gebiete  des  Quarzphyllites  auftauchen, 
der  gleichen  Eruptionsperiode  angehören.  Die  auffallende  Häufung 
von  granitischen  Stöcken  rings  um  das  Quarzporphyrgebiet  fände 
bei  dieser  Vorstellung  eine  ebenso  einfache,  wie  naturgemässe 
Erklärung. 


*)  Vgl.  Gurion!,  Geologia  della  Lombardia.  Vol.  I.  pag.  412.  —  Gegen 
das  permische  Alter  dieses  grossen,  noch  wenig  studirten  Eruptivstockes  scheinen 
die  Contactverändeningen  der  am  Tonalit  abstossenden  Triasbildungen  zu  sprechen, 
auf  welche  in  neuester  Zeit  Lepsius  (Das  westliche  SOdtirol  etc.)  die  Aufmerk- 
samkeit lenkte,  nachdem  bereits  Es  eher  v.  d.  Linth  im  Jahre  i83i  (S  tu  der, 
Geologie  der  Schweiz,  1.  Bd.,  S.  294)  vom  Lago  d*Arno  Contact-Marmore  und 
Silicate  beschrieben  und  Ragazzoni  (Profilo  geognostico  delle  Alpi  Lombardl. 
Comm.  deir  Ateneo  di  Brescia  per  Tanno  1873)  die  Contacterscheinungen  am  Passo 
Croce  Doipini  erwähnt  hatte.  Da  ich  nicht  in  der  Lage  bin,  auf  Grund  eigener 
Untersuchungen  mir  bereits  eine  bestimmte  Ansicht  über  das  Alter  des  Tonalits  zu 
bilden,  muss  ich  mich  darauf  beschränken,  meine  vorläufigen  Bedenken  gegen  die 
Annahme  eines  triadischen  Alters  kurz  anzudeuten.  In  den  triadischen  Ablagerungen, 
welche  dem  Adamello-Stocke  zunächst  liegen,  scheinen  Laven  gänzlich  zu  fehlen.  Erst 
in  grösserer  Entfernung,  in  den  südlichen  Strichen  der  lombardischen  Alpen  kommen 
Laven  und  TufFsandsteine  in  grösserer  Ausdehnung  in  den  Wengener  Schichten 
vor,  dieselben  sind  aber  zum  grössten  Theile  basischer  Natur  und  dürften  vom 
Südrande  der  Alpen  herstammen.  Nach  den  heutigen  Anschauungen  und  Erfahrungen 
wäre  es  auch  sehr  bedenklich,  basische  Laven  von  einem  ausschliesslich  aus 
saueren  Schlieren  zusammengesetzten  Eruptivstock  herzuleiten.  Aus  diesem  Grunde 
hätte  auch  die  Annahme  eines  tertiären  Alters  für  den  Advmello-Stock  wenig  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich,  da  sich  in  den  zunächst  gelegenen  Tertiärschichten  blos 
Basalt-Laven  und  Tuffe  finden. 

Die  grosse  Analogie  der  Contacterscheinungen  zwischen  dem  Adamello  und 
den  Eruptivstöcken  des  Avisio-Gebietes  beweist  daher  noch  durchaus  nicht  die 
Gleichzeitigkeit  und  die  Gleichartigkeit  derselben.  Was  für  den  Monzoni  und  den 
Fleimser  Vulcan  aus  einer  grossen  Reihe  concludenter  Erscheinungen   erwiesen  Ut, 


Ä 


^g  Der  Cima  d*Asta-Stock  und  die  Lagorai-Kette. 

Wir  haben  uns  hier  auf  einen  unsicheren  Boden  begeben,  und 
unsere  Ansicht  wird,  da  dieselbe  mit  den  noch  herrschenden  An- 
schauungen über  das  hohe  Alter  der  im  Gebiete  der  krystallinischen 
Schiefer  vorkommenden  Eruptivgesteine  im  Widerspruch  steht,  auf 
viele  Zweifler  stossen. 

Die  scheinbar  schlagendste  Einwendung  gegen  unsere  Ansicht 
dürfte  wol  die  peripherische  Läge  der  Eruptionspunkte  sein.  Wir 
könnten  diesen  Einwurf  durch  den  Hinweis  auf  die  gleiche  Er- 
scheinung bei  den  norischen  Vulcanen  des  Avisio-Districtes  abthun, 
aber  wir  wollen  einen  Schritt  weitergehen  und  eine  Erklärung  ver- 
suchen. Die  permischen  Bildungen  lagern  in  unserem  Gebiete,  wie 
bekannt,  transgredirend  auf  dem  älteren  Gebirge.  Ihrem  Absätze 
gieng  eine  Festlandsperiode  voraus.  Ausserhalb  des  Verbreitungs- 
gebietes der  Quarzporphyrlaven  vertreten  blos  Strandconglomerate 
die  permische  Porphyr-Periode.  Der  Absatz  der  Quarzporphyrlaven 
aber  erfolgte  in  grösserer  Entfernung  vom  Strande  unterseeisch,  wie 
die  mächtigen  Tuffbänke  beweisen.  Die  Quarzporphyrlaven  ergossen 
sich  daher,  gerade  so  wie  es  bei  den  norischen  Augitporphyrlaven 
der  Fall  war,  in  bereits  vorhandene  Einsenkungen  des  Bodens. 


braucht  für  den  Adamello  nicht  zu  gelten,  wenn  sich  die  Uebereinstimmung  des- 
selben mit  den  Avisio- Vulcanen  blos  auf  eine  einzelne  Kategorie  von  Erscheinungen 
beschränkt.  Während  in  dem  einen  Falle  der  Contact  durch  das  Empordringen  der 
Eruptivmasse  im  Inneren  des  Vulcanscblotes  hergestellt  wurde,  könnten  in  dem 
anderen  Falle  Verschiebungen  im  Gefolge  von  Dislocations- Erscheinungen  die 
Berührung  des  älteren  Massengesteines  mit  dem  jüngeren  Sedimentgebirge  bewirkt 
haben.  Die  von  der  Theorie  heute  noch  beanspruchte  höhere  Temperatur  könnte 
man,  ohne  deshalb  bereits  die  Mall  ersehen  Hypothesen  annehmen  zu  müssen,  von 
der  bei  stärkerer  Reibung  erzeugten  Wärme  ableiten.  Die  kürzlich  von  Baltzer 
(N.  Jahrbuch  von  Leonhard  und  Geinitz  1877  und  1878)  beschriebenen 
Umwandlungen  des  Jurakalks  zu  Marmor  an  den  berühmten  Kalkkeilen  der  Berner 
Alpen  liefern  den  Beweis  für  das  Vorkommen  derartiger  durch  mechanische 
Bewegungen  erzeugter  Erscheinungen.  (Vgl.  a.  Heim,  Untersuchungen  über  den 
Mechanismus  der  Gebirgsbildung.  II.  Bd.  S.  121.] 


XIV.  CAPITEL. 

Das   im   Süden   der  Valsugana-Cadore- Spalte  ab- 
gesunkene Gebirgsland. 

Charakteristik  des  Gebirges.  -  Heteropische  Verbältnisse.  -  Das  Gebirge  im  Süden  der  Brenta 
bei  Borf;o  di  Valsugana.  -  Val  di  Selia.  -  Die  Brucblinie  von  Belluno.  -  Das  Nordgehänge  der 
Tafelmasse  der  Sette  Communi.  -  Val  Cualba.  -  Miocäne  Bildungen.  -  Das  Gebirgsland 
zwischen  der  Brenta  und  dem  Cismone.  -  Die  Ueberschiebung  im  Torrente  Maso.  -  Val 
Tesino.  -  Das  Gebirge  swischen  dem  Cismone  und  dem  Cordevole.  -  Das  Quecksilber  »Vor- 
kommen von  Vallaita.  -  Der  Kiesstock  von  Val  Imperina  bei  Agordo.  -  Das  Gebirge  im  Osten 
des  Cordevole.  -  Uebersctzung  der  Valsufi[ana-Spalte.  -  Südliche  Nebenspalte.  -  Verwerfungen 

bei  Longarone. 

Der  grossen  Bruchlinie  Valsugana-Cadore  ist  bereits  viel- 
fach in  den  vorhergehenden  Schilderungen  gedacht  worden.  Im 
X.,  XI.  und  XIII.  Capitel  sind  wir  von  Norden  her  bis  an  dieselbe 
vorgedrungen  und  haben  unsere  Darstellung  an  derselben  abge- 
brochen. Wir  wollen  nunmehr,  um  eine  zusammenhängende  Schilde- 
rung der  bedeutenden  tektonischen  Störungen  geben  zu  können, 
welche  durch  diese  Bruchspalte  veranlasst  wird,  das  auf  der  Südost- 
seite der  Bruchlinie  gelegene  Gebiet,  so  weit  dasselbe  in  den  Bereich 
unserer  Karte  fällt,  besprechen  und  scheiden  aus  demselben  blos 
das  vorzugsweise  von  tertiären  Ablagerungen  erfüllte  Becken  von 
Belluno  und  Feltre  aus,  welches  in  einem  besonderen  Capitel  dar- 
gestellt werden  wird. 

Wir  betreten  eine  neue,  von  der  bisher  geschilderten  wesentlich 
verschiedene  Gebirgswelt.  Zwar  nehmen  auch  hier  dieselben  meso- 
zoischen Kalkformationen  den  Hauptantheil  an  dem  Aufbau  des 
Gebirgskörpers,  aber  die  unser  Hochgebirge  so  sehr  charakterisirende 
Individualisirung  der  Gebirgstheile  fehlt.  In  grosser  Regelmässigkeit 
zieht  sich  der  Gebirgswall  im  Südosten  der  Bruchlinie  fort.  Enge, 
tief  eingerissene  Erosionsthäler,  welche  die  Venetianer  nicht  un- 
passend als  Canäle  bezeichnen,  verqueren  das  Gebirge  und  fuhren 
die  Wasser  des  Hochgebirges  der  venetianischen  Ebene  zu.  Die 
älteren   Triasbildungen    liegen    meist   in   der   Tiefe   und   auf  weite 


^lO       ^^s  i"^  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Strecken  ist  der  Dachsteinkalk  das  älteste,  zu  Tage  ausgehende 
Gestein.  Zwischen  Val  di  Martino  im  Westen  bis  zur  Vereinigung 
der  Boita  mit  der  Piave  im  Osten  bildet  der  Dachsteinkalk  die 
dominirende  Felsart.  Westlich  von  Val  di  Martino  nehmen  die 
weitverbreiteten  Kreidebildungen  einen  hervorragenden  Einfluss  auf 
die  landschaftliche  Physiognomie.  Sie  bilden  meist  die  eintönigen, 
rasenbedeckten  Hochflächen  und  contrastiren  lebhaft  von  den  in 
Einrissen  unter  ihnen  in  mächtigen  Felsbänken  zu  Tage  tretenden 
Jurakalken. 

Nächst  den  tektonischen  Störungen,  welchen  wir  unsere  be- 
sondere Aufmerksamkeit  zuwenden  werden,  zeichnet  sich  das  Gebiet 
im  Süden  der  Bruchlinie  durch  das  Auftreten  von  tertiären  Ab- 
lagerungen und  durch  das  Vorkommen  von  einzelnen  Basaltgängen 
aus.  Nirgends  überschreiten  die  Tertiärbildungen  und  die  Basalte 
den  Nordrand  der  Spalte,  so  dass  wol  irgend  eine  causale  Ver- 
bindung zwischen  der  Existenz  der  Spalte  und  der  Beschränkung 
der  tertiären  Schichten  und  der  Basalte  auf  das  am  südlichen 
Spaltenrande   abgesunkene   Gebirge   vorausgesetzt   werden   möchte. 

Da  die  älteren  Triasbildungen  nur  mit  Unterbrechungen,  und 
zwar  stets  nur  in  der  Nähe  der  Bruchlinie  auftreten,  so  lässt  sich 
über  die  heteropischen  Verhältnisse  derselben  in  dem  südlichen 
Gebiete  eine  zusammenhängende  Darstellung  nicht  geben.  In 
Valsugana,  am  Nordgehänge  der  Tafelmasse  der  Sette  Communi 
ist  die  ganze  Reihenfolge  der  Schichten  zwischen  dem  unteren 
Muschelkalk  und  den  Raibler  Schichten  dolomitisch  entwickelt.  Hier 
war  also  Riffgebiet.  Die  Mächtigkeit  des  gesammten  Dolomits  ist 
aber  eine  auffallend  geringe  (150 — 200  Meter)  und  eine  Unter- 
scheidung der  einzelnen  Horizonte,  welche  auf  der  Karte  blos  der 
consequenten  Darstellung  wegen  schematisch  durchgeführt  wurde,  ist 
in  der  Natur  nicht  angedeutet.  Auf  der  Strecke  zwischen  Valsugana 
und  Transaqua  in  Primiero  treten  nirgends  norische  und  unter- 
karnische  Bildungen  zu  Tage.  Südöstlich  von  Transaqua,  am  West- 
ende des  Sasso  della  Padella  erscheinen  am  Nordrande  der  Bruch- 
linie Buchensteiner  Knollenkalke  und  Augitporphyrlaven  in  geringer 
Ausdehnung;  die  Hauptmasse  der  Gebirgsgruppe  des  Sasso  di  Mur, 
welche  nur  durch  den  Erosionssattel  von  Cereda  von  dem  grossen 
Primiero-Dolomitriff  getrennt  ist,  zeigt  wieder  durchgehends  dolo- 
mitische Entwicklung.  Es  muss  daher  unentschieden  bleiben,  ob  das 
Valsugana-Riff  mit  dem  Primiero-Riff  zur  obemorischen  und  unter- 
kamischen  Zeit  zusammenhieng,  oder  ob  sich  dazwischen  ein  riff- 
freier Strich  befand.  Weiter  gegen  Nordosten  begegnen  uns  bis 
zur  Boita   nur  rifffreie  Ablagerungen.     Erst   bei   Cibiana    und    bei 


■1 


Das  im  Süden  der  yalsugana--Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       ai  i 

Valle  di  Sotto  erscheinen  kleine  Dolomitmassen  in  den  Wengener 
Sandsteinen,  welche  wol  nur  als  die  Ausläufer  eines  gegenwärtig 
verdeckten  südlichen  oder  südöstlichen  Riffs  angesehen  werden 
können.  • 

I.  Das  Gebirge  im  Süden  der  Brenta  bei  Borge  di  Valsugana. 

Der  Tafelmasse  der  Sette  Communi,  welche  mit  ihrem  nord- 
östlichen Ende  in  den  Bereich  unserer  Karte  fällt,  sind  am  Nord- 
rande zwei  kleine  orographisch  ziemlich  selbstständige  Gebirgs- 
körper  vorgelagert,  so  dass  sich  das  Gebirge  im  Süden  der  Brenta 
in  drei  kleinere  Abschnitte  gliedert:  i.  den  Kamm  des  Monte  Ar- 
menterra  zwischen  der  Brenta  und  dem  Val  di  Sella,  2.  den  Monte 
Civaron  zwischen  der  Brenta,  Val  Cualba  und  dem  Maggio  und 
endlich  3.  die  Tafelmasse  des  Sette  Communi. 

Der  Kamm  des  Monte  Armenterra  macht  sich  südlich  von 
Barco  von  der  Gebirgsmasse  der  Sette  Communi  los  und  erscheint 
zunächst  als  eine  dem  hohen  südlichen  Kalkgebirge  vorgelagerte 
Terrasse.  Es  kann  für  den  mit  den  tektonischen  Verhältnissen  des 
Districtes  noch  nicht  Vertrauten  kaum  etwas  Ueberraschenderes 
geben,  als  das  Profil  *)  von  Barco  durch  den  hier  auf  den  Schutt- 
kegel von  Barco  von  Süden  mündenden  Graben  gegen  den  Pizzo 
di  Vezena.  Am  Eingange  des  Grabens  treffen  wir  als  tiefste  ent- 
blösste  Schicht,  anstatt,  wie  wir  wol  erwartet  haben  mochten,  eines 
tiefen  Triasgliedes,  die  grauen  Liaskalke  mit  Terebratula  Rotzoana, 
Chemnitzia  terebra,  Megalodus  pumilus  und  Lithiotis  problentatica, 
darüber  sodann.  Alles  ziemlich  steil  aufgerichtet,  Süd  fallend,  gelbe 
Kalke**),  hierauf  rothe  Marmorbänke  mit  Manganputzen  (Klaus- 
Schichten),  endlich  die  oberjurassischen  Ammonitenkalke,  auf  welche 
in  grosser  Mächtigkeit  die  dünngeschichteten  Bänke  der  Kreide 
folgen.  Die  steil  aufgerichteten,  vom  Graben  quer  durchrissenen 
dünnen  Kreideschichten  gewähren  einen  prächtigen  Anblick.  Bei- 
läufig in  der  Mitte  der  Mächtigkeit  und  dann  zu  oberst,  nächst  der 
Mündung  eines  von  Osten  her  streichenden  Seitengrabens  erscheinen 
rothgefärbte  Schichten.  Die  letzteren  sind  sichere  Scaglia,  wahr- 
scheinlich sind  aber  auch  die  in  der  Mitte  des  Aufschlusses  er- 
scheinenden  rothen  Bänke   steil   eingefaltete  Scaglia-Schichten.     Es 


*)  Dieses  Profil  fällt  zwar  ausser  den  Rand  unserer  Karte,    ist  aber  für  das 
Verständniss  der  Verhältnisse  in  Val  di  Sella  immerhin  von  Interesse. 

*"**)  Ob  diese  gelben  Kalke  den  Schichten  mit  Rhynchonella  bilobata  der 
Etschbucht  entsprechen,  muss  bis  zur  Auffindung  entscheidender  Fossilien  dahin- 
gestellt  bleiben. 


A12       Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

spricht  dafür  ausser  der  grossen  Mächtigkeit  des  Complexes,  welche 
im  auilallenden  Gegensatz  zu  der  im  Allgemeinen  sehr  geringen 
Mächtigkeit  der  Kreide  in  Valsugana  steht,  noch  die  für  Biancone 
ungewöhnliche  Lage  der  rothen  Schichten*). 

Ueber  der  Scaglia  erscheint  nun  in  dem  sich  etwas  erweitern- 
den Graben  in  geringer  Ausdehnung  Quarzphyllit.  Nach  einer 
kurzen  Unterbrechung  in  den  Aufschlüssen,  in  welcher  man  einige 
grössere  Brocken  von  Rauchwacken  (Bellerophon-Schichten?)  sieht, 
folgen  sodann  in  bedeutender  Mächtigkeit  und  mit  ziemlich  flach 
Süd  fallenden  Bänken  Werfener  Schichten,  zu  unterst  grössere 
Massen  von  oolithischen  Kalken  und  feinkörnigen  Oolithen,  hierauf 
ein  mächtiger  Complex  rother  schiefriger  Gesteine  mit  rothen  Oolith- 
bänken,  aber  nur  spärlichen  Einlagerungen  von  Kälkplatten  [Manotis 
Clarai)  und  zuoberst  Gyps  und  Rauchwacke  **).  Am  Fusse  der 
Steilwand  folgt  der  untere  Muschelkalk,  dünne,  knollige  Mergelkalk- 
bänke, als  Unterlage  einer  ziemlich  mächtigen  Dolomitstufe,  welche 
durch  einen  nach  Osten  und  Westen  hin  weiterstreichenden  Streifen 
dunklerer,  weicher  Gesteine  von  der  höheren,  bis  nahe  unter  den 
Gipfel  des  Pizzo  di  Vezena  reichenden,  wolgeschichteten  Masse  des 
Dachsteinkalks  geschieden  ist.  Weiter  östlich,  unterhalb  der  Cima 
Dodici  erweisen  sich  diese  weicheren  Gesteine  —  -  graugrüne  Kalke 
mit  knolligen  Wülsten  und  glimmerigen  Häutchen  auf  den  Schicht- 
flächen, schiefrige  Kalke  mit  Kohlenspuren,  graue  Steinmergel  — 
als  Raibler  Schichten;  der  unter  ihnen  lagernde  Dolomit  muss  da- 
her als  vollkommen  isopische  Vertretung  des  oberen  Muschelkalks, 
der  Buchensteiner,  Wengener  und  Cassianer  Schichten  betrachtet 
werden. 

Die  Gipfelmasse  des  Pizzo  di  Vezena  bilden  nach  den  Beob- 
achtungen des  Herrn  Vacek  die  grauen  Liaskalke,  welchen  weiter 
im  Süden  auf  dem  Plateau  von  Vezena  die  Schichten  des  oberen 
Jura  und  der  unteren  Kreide  folgen. 

Begibt  man  sich  durch  den  oben  erwähnten  Seitengraben,  in 
welchem  die  Scaglia  ansteht,  gegen  Osten  aufwärts  auf  das  Plateau 
von  Sella,  so  verquert  man  zunächst  einen  grösseren  Basaltgang 
und  begegnet  Schollen  von  miocänem  Mergel,  wahrscheinlich  Resten 


*)  Die  untere  Kreide  von  Valsugana  bildet  in  lithologischer  Beziehung  ein 
Mittelglied  zwischen  der  typischen  Biancone- Facies  des  SQdens  und  den  grauen, 
mit  rothen  Schichten  wechsellagernden  Neocom-Mergeln  des  Nordens  unseres 
Gebietes. 

*♦)  Wir  begegnen  hier  zum  ersten  Male  in  unserem  Gebiete  diesem  bei 
Recoaro,  dann  im  südwestlichen  Tirol  und  in  der  Lombardei  sehr  constanten 
oberen  Gypshorizonte. 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       413 

einer  bereits  denudirten  Decke  miocäner  Schichten.  Höher  oben  im 
Graben  sieht  man  dann  plötzlich  die  Kreideschichten  an  einer 
Scholle  von  Jurakalk  (graue  Liaskalke,  gelbe  Kalke,  Ammoniten- 
kalke)  abschneiden,  auf  welche  im  Südosten  wieder  regelmässig  die 
gering  mächtige  Kreide  und  eocäner  Nummulitenkalk  folg^.  Rauch- 
wacken  und  Werfener  Schichten  erscheinen  sodann  in  nächster 
Nähe  des  Nummulitenkalks.  Gegen  Süden  ist  das  anstehende 
Gestein  bis  hoch  zu  den  Wänden  der  Cima  Mandriola  hinan 
mit  Gehängschutt  bedeckt  und  im  Osten  folgt  auf  dem  Plateau  von 
Sella  eine  mächtige,  ebenfalls  die  weitere  Verfolgung  des  Gebirgs- 
baues  verhindernde  Decke  von  Glacialschutt. 

Es  ist  klar,  dass  das  Auftauchen  des  Phyllits  in  der  Tiefe  des 
Grabens,  sowie  das  Erscheinen  der  Rauchwacke  und  der  Werfener 
Schichten  auf  dem  Plateau  von  Sella  das  Durchsetzen  einer 
bedeutenden  Verwerfungsspalte  anzeigen,  welche  die  Tafelmasse 
der  Sette  Communi  von  dem  nördlichen  in  die  Tiefe  gesunkenen 
Gebirge  trennt.  Die  nordöstliche  Fortsetzung  des  letzteren  bildet 
den  Rücken  des  Monte  Armenterra,  die  erwähnte  mittlere  Scholle 
im  Seitengraben  ist  nur  von  geringer  Ausdehnung  und  kann  als 
eine  kleine  Nebenscholle  der  Armenterra-Masse   betrachtet    werden. 

Unterhalb  Barco  taucht  unter  dem  grauen  Liaskalk  der  Dach- 
steinkalk heraus,  welcher  zu  den  Gipfeln  des  Sasso  alto  und  des 
Armenterra  ansteigt  und  die  ganze  Schichtenfolge  des  Jura  und  der 
Kreide  auf  die  Südseite  des  Gebirges,  in  das  Val  di  Sella,  drängt. 
Die  obersten  Partien  des  Dachsteinkalks  unter  dem  Lias  bestehen 
aus  lichtem,  häufig  breccienartigem,  bröckelndem  dolomitischen  * 
Gestein,  welches  von  rothen  Klüften  durchzogen  ist  und  nicht 
selten  auch  mergelige  braungelbe  Zwischenmittel  zeigt. 

Charakteristisch  für  diese  Zone  sind  die  zahlreichen,  prächtig 
spiegelnden  Rutschflächen,  welche  das  Gestein  durchsetzen.  Die 
tiefere  Hauptmasse  des  Dachsteinkalks  besteht  aus  braungrauen,  an 
der  Luft  bleichenden  sandigen  Kalken  und  dolomitischen  lichten 
Bänken.  Turbo  solitarius  ist  ein  häufig  in  Hohldrücken  erscheinendes 
Fossil. 

Südlich  von  Brustolai  tritt  der  von  einigen  kleineren  Basalt- 
gängen durchsetzte  Dachsteinkalk  des  Armenterra  in  Berührung 
mit  Schichten  der  unteren  Trias,  welche  der  Quarzporphyrtafel  des 
Zaccon  regelmässig  auflagern.  An  dieser  Stelle,  zwischen  dem  Dach- 
steinkalk und  dem  unteren  Muschelkalk,  muss  die  Valsugana-Spalte, 
welche  die  Armenterra-SchoUe  im  Norden  begrenzt,  durchsetzen. 
Der  Monte  Zaccon  kann,  wie  in  dem  vorhergehenden  Capitel  (S.  400) 
erwähnt  worden  ist,   als  der  südliche  Gewölbeflüsrel  der  Anticlinale 


^I^       Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

des  Monte  Broi  betrachtet  werden.  Als  Vertreter  der  Bellerophon- 
Schichten  der  nördlichen  Gegenden  treten  hier  weiche  gelbe,  röth- 
liche  und  blaugraue  Gypsmergel  auf,  welche  nach  oben  mit  Gastro- 
poden und  Pelecypoden  fuhrenden  Rauchwacken  wechsellagem.  Die 
Schichtenfolge  des  Monte  Zaccon  wird  gegen  Osten  durch  den  sich 
rasch  nach  Norden  wendenden  und  bei  Borgo  das  Brenta-Thal 
übersetzenden  Armenterra-Zug  abgeschnitten.  Deutlich  macht  sich 
hier  der  grosse  Bruch  zwischen  der  Armenterra-Masse  und  dem 
Zaccon  kenntlich,  während  im  Süden  des  Zaccon,  wo  in  beiden 
Massen  gleiches  Streichen  herrscht,  nur  das  Fehlen  der  triadischen 
Riffmassen  und  der  Raibler  Schichten  eine  Lücke  der  Schichten- 
folge anzeigt.  Da  aber  diese  Unterbrechung  keine  besonders  hohe 
Sprunghöhe  verräth*)  und  die  Schichten  der  Zaccon-Masse  ebenfalls 
ziemlich  steil  gegen  Süden  einfallen,  so  könnte  man  vermuthen, 
dass  die  Bruchspalte  im  Westen  von  Borgo  mehr  den  Charakter 
einer  jähen,  von  kleineren  Sprüngen  begleiteten  Schichtenbeugung 
annimmt. 

Leider  ist  die  Thalsohle  des  Val  di  Sella  von  ausgedehnten, 
theils  glacialen  **),  theils  postglacialen  Schuttmassen  derart  erfüllt, 
dass  man  ausser  den  oben  beschriebenen  Stellen  im  Westen  des 
Sella-Gebietes  nur  noch  an  einem  Punkte  den  Zusammenstoss  der 
Armenterra-Scholle  mit  der  Sette  Communi-Masse  beobachten  kann. 
An  dieser,  durch  Katarakte  bezeichneten  Stelle,  südsüdwestlich  von 
Olle,  reicht  die  Armenterra-Scholle  auf  das  rechte  Bachufer  hinüber 
und  bilden,  wie  im  Westen  des  Sella-Plateau's,  Nummuliten-Schichten 
das  oberste  Glied  der  Armenterra-Scholle.  Man  darf  daher  wol 
annehmen,  dass  sich  unterhalb  der  Schuttmassen  eine  fortlaufende 
Zone  von  Nummuliten-Schichten  im  Süden  der  Armenterra-Kette 
fortzieht,  bei  Borgo  die  Brenta  übersetzt  und  sich  mit  den  Nummu- 
liten-Schichten des  linken  Brenta-Ufers  verbindet. 

An  die  Nummuliten-Schichten  grenzt  auf  der  Südseite  ein 
fächerförmig  gestellter  kleiner  Keil  von  Grödener  Sandstein,  welcher 
in  der  Bruchlinie  eingeklemmt  erscheint,  und  auf  diesen  folgt  sodann 
im  Süden  Quarzphyllit,  welcher,  obwol  häufig  durch  Schutt  verdeckt, 
sich   bis   gegen   den  Nordfuss  der  Cima  Mandriola  verfolgen  lässt. 


*)  Vgl.  oben   die  Bemerkung    Qber    die    geringe  Mächtigkeit  der   triadischen 
RifTmassen  in  Valsugana. 

**)  In  den  das  Plateau  des  oberen  Val  di  Sella  bedeckenden  Schunablagerungen 
begegnet  man  häufig  Blöcken  von  Cima  d'Asta-Granit,  Quarzporphyr  und  Quarz- 
phyllit, ein  Beweis,  dass  die  alten  Gletschermassen  Ober  dieses  Hochplateau  in  der 
Richtung  von  Nordosten  gegen  Westen  und  Südwesten  hinwegzogen. 


Das  im  Süden  der  Valiugana-Ctdore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       ^i  J 


Brenia  bei  Sonccgno 


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^l6       Das  im  SOden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Steil,  fast  senkrecht  fallen  die  Schichten  der  Armenterra- 
Scholle*)  der  Bruchlinie  des  Val  di  Sella  zu,  auf  der  Kammhöhe 
aber  legen  sich  dieselben  bedeutend  flacher,  so  dass  man  eine 
kniefbrmige  Beugung  der  Schichten  annehmen  muss. 

Die  Bruchlinie  des  Val  di  Sella  werden  wir  weit  nach  Osten 
bis  an  die  Grenze  unserer  Karte  verfolgen.  Sie  begleitet  die  Val- 
sugana-Spalte  im  Süden.  Da  sie  in  der  Gegend  von  Belluno,  wo 
Hoernes  zuerst  ihr  Vorhandensein  erkannte,  als  Nordgrenze  der 
Tertiär-Schichten  eine  besondere  Bedeutung  erlangt,  so  wollen  wir 
ihr  die  Bezeichnung  , Bruchlinie  von  Belluno*    beilegen. 

Das  oben  mitgetheilte  Profil  aus  dem  Graben  bei  Barco  auf 
den  Pizzo  di  Vezena  kann  fiir  die  ganze  Nordseite  des  Sette 
Communi-Massivs  gelten.  Die  tieferen  Schichten,  häufig  bis  über  die 
Raibler  Schichten  aufwärts,  sind  grossentheils  durch  Gehängschutt 
oder  durch  miocäne  Conglomerate  und  Sandsteine  verdeckt.  Die 
Grenze  zwischen  dem  an  der  Basis  liegenden  Quarzphyllit  und  den 
Werfener  Schichten  ist,  so  viel  mir  bekannt  ist,  nirgends  entblösst. 
Den  Grödener  Sandstein  kenne  ich  nur  in  der  oben  erwähnten  ein- 
geklemmten kleinen  Scholle.  Im  Valle  Santo,  südlich  von  Olle,  wo  die 
Werfener  Schichten  in  grösserer  Ausdehnung  entblösst  sind,  kommen 
an  deren  Basis  schwarze  Kalke  und  graue  und  gelbe  Dolomite  mit 
Zwischenlagen  glimmerflihrenden  Schiefers  vor,  welche  als  Stellver- 
treter der  Bellerophon-Schichten  aufgefasst  wurden.  Zwischen  den 
Werfener  Schichten  und  dem  unteren,  Rhizocorallien  fuhrenden 
Muschelkalk  findet  sich  auch  hier  die  obere  Gypszone. 

Fast  in  allen  Schuttströmen  des  Gebirges  am  rechten  Brenta- 
Ufer,  namentlich  auch  auf  den  Gehängen  der  Sette-Communi-Masse 
fallen  Basaltgeschiebe  auf,  welche  offenbar  von  kleinen,  das  Kalk- 
gebirge durchsetzenden  Gängen  herrühren  müssen.  Doch  gelang  es 
nicht,  mehr  als  die  zwei  in  unserer  Karte  angedeuteten  Gänge 
aufzufinden,  wahrscheinlich  wegen  der  geringen  Dimensionen 
der  meisten  Gänge.  Eine  grössere,  bereits  in  der  Karte  des 
geognostisch-montanistischen  Vereines  von  Tirol  angedeutete  Gang- 
masse findet  sich  ausserhalb  der  Grenze  unserer  Karte  auf  der 
Porta  di  Manazzo. 

In  der  Gegend  von  Olle  spaltet  sich  die  Bruchlinie  von 
Belluno  in  zwei  Aeste,  welche  die  kleine  Gebirgsmasse  des  Monte 
Civaron  einschliessen.  Der  Hauptast  setzt  auf  der  West-  und  Süd- 
seite des  Civaron  durch,   wo    eine    zusammenhängende  Ablagerung 


*)  Benecke  hat   in   seiner  Schrift   über  Trias    und  Jura    in    den  SQdalpen 
(Geog.  pal.  Beitr.  I,  r.)  ebenfalls  eine  Schilderung  dieses  Gebirges  gegeben. 


Dm  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgslsnd.      ^j^ 


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lici,  Dolomilrilfe. 


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AI 8       ^AS  ^"^  Soden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

von  Miocän-Schichten  die  Grenze  gegen  die  Sette  Communi-Masse 
verdeckt.  Nur  an  einer  Stelle  auf  der  Westseite  des  Civaron  kommt 
in  sehr  geringer  Ausdehnung  nach  der  Beobachtung  des  Herrn 
Vacek  Quarzphyllit  vor. 

Der  Civaron  selbst  ist  von  zwei  streichenden  Ven^'erfungen 
durchsetzt,  welche  ihn  in  drei  kleinere  Schollen  theilen.  Die  nörd- 
lichste dieser  Schollen  erhebt  sich  südlich  von  Castelnuovo  am 
rechten  Brenta-Ufer  und  besteht  aus  Grödener  Sandstein,  einer  den 
Bellerophon-Schichten  zuzurechnenden,  aus  Dolomiten,  Gypsmergeln, 
Letten  und  Rauchwacken  bestehenden  Schichtfolge  und  Werfener 
Schichten  mit  Monotis  Clarai,  Die  mittlere,  in  Steilwänden  über  der 
nördlichen  sich  erhebende  Scholle  zeigt  weissen,  rothgeklüfteten 
dolomitischen  Dachsteinkalk.  Die  südliche  Scholle  endlich  wird  von 
flach  NO.  einfallenden  Jurakalken  gebildet,  unter  denen  am  Aus- 
gange des  Val  Cualba  dolomitischer  Dachsteinkalk  hervortritt. 

Die  bereits  mehrfach  erwähnten  Miocän-Schichten  gehören, 
wie  die  verschiedenen  zerstreuten  Denudationsrelicte  darthun,  einem 
an  der  Belluneser  Bruchlinie  aus  dem  Graben  bei  Barco  über 
Val  di  Sella,  Val  Cualba,  Ospedaletto  bis  gegen  Pieve  Tesino  fort- 
streichenden Zuge  an.  Sie  liegen  allenthalben  vollkommen  discordant 
auf  dem  älteren  Gebirge,  sind  aber  selbst  noch  sehr  bedeutend  auf- 
gerichtet. In  Val  Cualba,  wo  man  dig»  nesterweise  in  den  Con- 
glomeraten  und  Sandsteinen  vorkommende,  aschenreiche  Braunkohle 
abbaut,  und  bei  Ospedaletto  ist  die  Miocänbildung  steil  zusammen- 
gefaltet und  zeigt  ein  sehr  wechselndes  Fallen.  Die  marinen  Fossilien, 
welche  in  den  über  den  Conglomeraten  und  Sandsteinen  vorkom- 
menden sandigen  Mergeln  und  blätternden  Mergelschiefern  häufig 
gefunden  werden,  sind  durchwegs  sehr  schlecht  erhalten,  so  dass 
deren  Bestimmung  schwierig  ist.  Doch  glaubt  Hoernes  mit  Sicher- 
heit in  dem  vorliegenden  Materiale  einige  für  die  ältere  Mediterran- 
stufe bezeichnende  Conchylien  zu  erkennen,  insbesondere  Isocardia 
subtransversa  Orb.,  Venus  islandicoides  Lamk.,  Turitella  Archimedis 
Brong.  *) 

2.  Das  Gebirgsland  zwischen  der  Brenta  und  dem  Cismone. 

Jenseits  des  von  mächtigen,  postglacialen  Schuttkegeln  er- 
füllten Brenta-Thales  finden  wir  die  Fortsetzungen  der  drei  soeben 


•)  Verh.  Geol.  R.-A.  1877,  P''*»?-  'z^*  Andere  mitvorkommende  Formen  finden 
sich  anderwärts  auch  in  den  Ablagerungen  der  jüngeren  Mediterran-Stufe.  Th.  Fuchs 
hielt  im  Jahre  1868  (Verh.  Geol.  R.-A.,  pag.  5o)  die  Schichten  von  V.  Cualba  und 
V.  Pissavacca  für  jüngeres  Mediterran. 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       aiq 

betrachteten  Gebirgsmassen.  Dem  Zuge  des  Monte  Armenterra  ent- 
spricht der  merkwürdige,  theilweise  überkippte  Halbring  von  meso- 
zoischen und  alttertiären  Bildungen,  welcher  von  Borgo  bis  Strigno 
reicht  und  bei  Scurelle  vom  Torrente  Maso  durchschnitten  wird.  In 
die  Fortsetzung  des  Monte  Civaron  fällt  der  Lefre-Berg  zwischen 
Strigno  und  Ospedaletto.  Die  Stelle  der  Sette  Communi-Tafelmasse 
endlich  nimmt  das  Gebirge  im  Südosten  von  Ospedaletto  ein. 

Wir  betrachten  zunächst  den  niedrigen  halbkreisförmigen 
Kalkzug  zwischen  Borgo  und  Strigno,  welcher  orographisch  noch 
ganz  dem  Südabfalle  der  Cima  d'Asta-Masse  angehört. 

Es  ist  bereits  erwähnt  worden,  dass  der  Gebirgszug  des  Monte 
Armenterra  sich  im  Osten  scharf  nördlich  wendet  und  augen- 
scheinlich bei  Borgo  das  Brenta-Thal  übersetzt.  Die  Schichten 
richten  sich  bei  dieser  Drehung  immer  steiler  auf  und  auf  der 
Westseite  der  Rocchetta  fallen  die  Schichten  des  Dachsteinkalks 
bereits  widersinnisch  gegen  Westen,  gegen  die  Valsugana-Spalte  zu, 
welche  zwischen  Zaccon  und  Rocchetta  durchläuft.  In!  Norden  der 
Brenta  theilt  sich  diese  widersinnische  Fallrichtung  nach  und  nach 
auch  den  jüngeren  Schichtcomplexen  mit.  Der  Schlossberg  von 
Borgo,  welcher  sich  in  einem  langen  Rücken  über  San  Pietro 
bis  zum  Einschnitte  des  Ceggio  oberhalb  Telve  fortsetzt,  besteht 
seiner  Hauptmasse  nach  aus  oberem,  dolomitischen  Dachsteinkalk, 
dessen  Schichten  theils  senkrecht  aufgerichtet  sind,  theils  sehr  steil 
W.  und  WNW.  gegen  den  im  Westen,  an  der  Bruchspalte,  folgen- 
den Quarzphyllit  einfallen.  Im*  scheinbaren  Liegenden  des  Dachstein- 
kalks folgen  sodann  auf  der  Ostseite  graue  und  lichte  Kalke  von 
geringer  Mächtigkeit,  hierauf  der  rothe  oberjurassische  Ammoniten- 
kalk  und  die  Kreide.  Die  grauen  Liaskalke  scheinen  zu  fehlen,  wol 
nur  weil  sie  an  einer  streichenden  Parallel-Verwerfung  in  der  Tiefe 
eingeklemmt  sind.  An  diese  steil  aufgerichteten  und  überkippten 
mesozoischen  Kalke  legen  sich  auf  der  Innenseite  des  Bogenstückes 
Borgo-Telve  die  mächtigen  alttertiären  Schichten*)  mit  ziemlich 
flachem  Ostfallen  an.  Dieses  entgegengesetzte  Fallen  deutet  auf 
das  Durchsetzen  einer  weiteren  streichenden  Parallelverwerfung 
(vgl.  das  Profil  auf  Seite  404). 


*)  Diese  Schichten  bilden  einen  sehr  fossilreichen,  aus  weichen  thonig- 
sandigen  Schichten  und  zwischen  gelagerten  mächtigen  Kalkbänken  (Nulliporen- 
kalken)  bestehenden  concordanten  Complex,  dessen  unterer,  zahlreiche  Nummuliten 
fahrender  Theil  das  Eocftn  bis  zu  den  Gomberto-Schichien  herauf  umfasst,  während 
die  höhere,  Scutellen  umsch liessende  Abtheilung  den  bereits  oligocänen  Schio- 
Schichten  zufallen  dürfte.  Eine  eingehende  Schilderung  der  gesammten  alttertiären 
Ablagerungen  von  Sodtirol  und  Venetien  bereitet  Herr  Dr.  A.  Bittner  vor. 

37* 


^20      ^^^  ^^  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Jenseits  des  Torrente  Ceggio  wird  kein  Dachsteinkalk  mehr 
sichtbar.  Die  immer  flacher  einfallenden  Bänke  des  mittleren  und 
oberen  Jura  scheinen  direct  den  Quarzphyllit  zu  unterteufen.  Die 
widersinnische  Umkippung  der  Schichten  theilt  sich  nun  auch  der 
der  Kreide  zunächst  liegenden  Partie  der  Eocän-Schichten  mit, 
während  gegen  das  Innere  des  Halbkreises  zu  stets  flaches  Ein- 
wärtsfallen der  Tertiärbildungen  die  Regel  ist.  Die  streichende  Ver- 
werfung, welche  in  dem  Abschnitte  Borgo-Telve  die  Kreide  von 
dem  Alttertiären  trennt,  springt  nun  offenbar  in  das  letztere  selbst 
über.  Die  Verhältnisse  bleiben  sich  dann  gleich  bis  zu  der  bereits 
vonSuess*)  vortrefflich  geschilderten  Stelle  im  Torrente  Maso, 
wo,  wie  mich  eine  genaue  Detailuntersuchung  lehrte,  der  Quarz- 
phyllit in  dem  kleinen  Hügel  zwischen  Vallunga  und  Torrente  Maso 
thatsächlich  mit  flach  Nord  fallenden  Schichten  dem  Jurakalke  auf- 
ruht (vgl.  das  Profil  auf  Seite  417).  Die  Ueberschiebung  längs  der 
Bruchspalte  ist  hier  vollkommen.  Im  Osten  des  Torrente  Maso 
kehrt  die  innere,  streichende  Verwerfung  wieder  an  die  Grenze 
z.wischen  Kreide  und  Eocän  zurück.  Die  weitere  Verfolgung  der 
Jura-  und  Kreide-Schichten  wird  nun  durch  die  mächtige  Decke 
von  Glacialschutt,  welche  dem  Plateau  nördlich  von  Scurelle  auf- 
lagert, sehr  erschwert.  Bei  Strigno,  bis  wohin  die  tertiären  Schichten 
reichen,  vermochte  ich  unter  dem  Glacialschutt  keine  anstehenden 
mesozoischen  Kalke  mehr  zu  entdecken. 

Werfen  wir  auf  die  eben  geschilderten  Verhältnisse  einen 
kurzen  Rückblick.  Ein  schmaler  randlicher  Gebirgsstreifen  ist  an 
der  bogenförmig  einspringenden  Bruchspalte  widersinnisch  umgedreht 
und  innerhalb  dieses  umgestülpten  Walles  fallen  die  Schichten  flach 
concentrisch  zusammen.  Treffend  bezeichnete  Suess  diese  Lagerung 
durch  den  Vergleich  mit  einer  halben  Schüssel,  auf  welcher  die 
inneren  Bildungen  ruhen. 

Bei  Strigno  tritt  der  Quarzphyllit  am  linken  Ufer  des  Chiepina- 
Baches  hervor,  von  einer  Fortsetzung  der  soeben  betrachteten 
Scholle  ist  keine  Spur  mehr  zu  sehen.  Auf  eine  kurze  Strecke 
scheint  sogar  der  bei  Ccistell  Ivano  anstehende  und  nach  einer 
freundlichen  Mittheilung  des  Herrn  Prof.  Ragazzoni  in  Brescia  die 
Rothliegend-Pflanzen  des  Val  Trompia  führende  Verrucano  direct 
dem  Quarzphyllit  aufzulagern.  Dieses  plötzliche  Intermittiren  des 
Bruches  wäre  gewiss  eine  höchst  merkwürdige  Erscheinung,  wenn 
man  die  grosse  Sprunghöhe   und   die   Intensität   der   Störungen    in 


*)  Ueber  die  Aequivalente    des  Rothliegenden    in    den    SQdalpen.    Sitz.-Ber* 
d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Wien,  1868,  Febr.-Hcft. 


Das  im  Süden  der  ValBUgana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       421 


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Gebünae 
sr  PrimiiXun 


A22       ^fls  im  Soden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

dem  dicht  benachbarten  Bogenstück  BorgoStrigno  in  das  Auge 
fasst.  Höher  aufwärts  im  Torrente  Chiepina  macht  sich  die  Bruch- 
spalte aber  bald  wieder  bemerkbar.  Zunächst  wird  der  Streifen 
permischer  und  untertriadischer  Schichten,  welcher  von  Castelnuova 
über  Castel  Ivano  *)  herüberstreicht,  abgeschnitten,  worauf  die  Kalke 
des  Lefre-Berges  schräg  an  den  Quarzphyllit  herantreten.  Der  Lefre- 
Berg,  welcher,  wie  bereits  Suess  bemerkte,  als  die  Fortsetzung  des 
Civaron  aufzufassen  ist,  besteht  aus  oberem  Dachsteinkalk  und  einer 
Decke  von  Jura-  und  Kreidebildungen.  Die  im  Norden  ziemlich  steil 
aufgerichteten  Schichten  legen  sich  in  der  Mitte  der  Bergmasse 
flacher,  biegen  sich  aber  gegen  das  von  Miocän-Schichten  erfüllte 
Thal  bei  Ospedaletto  wieder  steil  gegen  Süden. 

Der  weitere  Verlauf  der  Valsugana-Spalte  ist  bis  Mezzano 
in  Primiero  ausserordentlich  scharf  durch  den  Contact  der  meso- 
zoischen Kalke  und  des  krystallinischen  Schiefergebirges  gekenn- 
zeichnet. Allenthalben  fallen  in  einer  schmalen  Randzone  die 
Schichten  des  Kalkgebirges,  wie  umgeknickt,  der  Spalte  zu.  Von 
einer  Schleppung  der  Schichten  am  gesunkenen  Spaltenrande  ist 
nirgends  etwas  wahrzunehmen. 

Sehr  bemerkenswerth  ist  die  rechtwinklig  einspringende  und 
am  Granit  abschneidende  Scholle  zwischen  dem  Riv.  Secco  und 
Val   Tolva.     Selbst   wieder   zerspalten,   steht   dieselbe   ausser  allem 


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Afalga  Orcnna 


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cd 
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NNW. 


SSO. 


a  zz  Granit;   h  =  Dachsteinkalk;    c  =  Lias;   d  =  Mittlerer  und   oberer  Jura;   e  =  Biancone 

/  =  Scaglia;  g  =  Eocän.  -  -4  =  Valsugana-Bruchspalte. 


tektonischen  Verbände  mit  dem  übrigen  Kalkgebirge.  An  der  Basis 
der  Hauptscholle  liegen  im  Riv.  Secco  die  nordwestlich  unter  die 
Kreide  einfallenden  Nummuliten-Schichten.  Ueber  dieselben  fuhrt 
der  Weg  aus  Val  Tolva  auf  die  Alpe  Marande. 


*)  Hier  finden   sich   im  Horizonte   der  Bellerophon-Schichten  wieder   grosse 
Gypsmassen. 


Das  im  Süden  der  Valnigana-Cadorc- Spähe  abgesunkene  Gebirgsland.       ^25 


Val  Slernoizcna 


4.24       ^^^  ^"^  Soden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Ein  grossartiges  Seitenstück  zur  Ueberschiebung  im  Torrente 
Maso  bildet  die  liegende  und  unter  den  Quarzphyllit  geschobene 
Falte  im  Norden  von  Marande  und  Brocone.  Die  jüngste,  gegen- 
wärtig noch  erhaltene  Bildung  der  zusammengefalteten  und  einstens 
wol  mit  dem  Gegenschenkel  viel  weiter  nach  Süden  zurückreichen- 
den Masse  ist  die  Scaglia,  deren  Schichten  einerseits  die  weiten 
Alpflächen  Agaro  und  Zanca  bilden  und  andererseits  mit  ziemlich 
flachem  Nordfallen  unter  den  Biancone  und  den  Jura  des  Gebirgs- 
rückens im  Norden  der  Marande  und  des  Brocone  untertauchen. 
(Man  vergleiche  auch  das  Profil  auf  Seite  402.) 

Bei  Imer  in  Primiero  findet  sich,  eingeklemmt  zwischen  dem 
Nord  fallenden  Dachsteinkalk  und  dem  gleichfalls  Nord  fallenden 
Phyllit  eine  in  gleichem  Sinne  orientirte  Scholle  von  unterem*)  und 
oberem  Muschelkalk. 

Die  Bruchlinie  von  Belluno  setzt  bei  Ospedaletto  über  die 
Brenta,  in  das  mit  Miocän-Schichten  erfüllte  Thal  zwischen  dem 
Lefre-Berg  und  der  Cima  Lasta,  streicht  sodann  über  die  Scharte 
zwischen  diesen  beiden  Bergen  in  das  Gebiet  von  Tesino,  wo 
sie  zunächst  zwischen  den  Kreideschichten  von  Pieve  Tesino  und 
dem  Jura  des  Monte  Silana  sich  hinzieht  und  hierauf,  dem  Südfusse 
des  höheren  Kalkgebirges  (Monte  Agaro,  Monte  Coppolo)  folgend, 
in  nahezu  westöstlicher  Richtung  bis  an  den  Cismone  fortstreicht. 
Die  Nordgrenze  der  ausgedehnten  Biancone-Ablagerungen  fallt  auf 
der  letzteren  Strecke  ihres  Verlaufes  stets  mit  ihr  zusammen.  Sehr 
bemerkenswerth  ist  die  Wiederholung  des  einspringenden  Winkels 
der  Valsugana-Spalte  zwischen  Val  Tolva  und  Riv.  Secco  durch 
den  Belluneser  Bruch  zwischen   Monte  Asenaro   und  Monte  Agaro. 

Am  Nordrande  des  Belluneser  Bruches  tauchen  wol  auch  hier 
stets  ältere  Bildungen  empor,  aber  das  Fallen  der  Schichten  am 
südlichen  Bruchrande  ist  ein  sehr  verschiedenes. 

Von  Ospedaletto  bis  S.  Donna  fallen  die  Schichten  am  Süd- 
rande von  der  Bruchlinie  weg  gegen  Süden.  Nördlich  von  S.  Donna 
stellt  sich  sodann  hoch  unter  den  Wänden  des  Monte  Coppolo  und 
Monte  Piaz  eine  Nebenspalte  ein,  auf  welcher  ein  Streifen  ober- 
jurassischer Kalke  hervortritt.  Diese  Kalke  sind  steil  aufgerichtet 
und  fallen  unter  die  im  Süden  ihnen  vorgelagerten  Schichten  des 
Biancone  ein,  während  im  Norden  des  Jurakalkstreifens  eine  schmale 
Zone  von  Biancone  flach  gegen  die  Bruchlinie  einschiesst.  Nächst 
der  Bruchlinie  bewahren   bis   über   Castello   Schenero   am   Cismone 


*)  Den   unteren   Muschelkalk    bilden    hier    rothe    und    graue,    Pflanzenreste 
führende  Sandsteine. 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       a2C 

hinaus  die  Schichten  des  Biancone  die  nördliche  Fallrichtung.  Süd- 
lich von  Roa  erscheint  über  ihnen  eine  ebenfalls  nördlich  einfallende 
schmale  Scholle  von  Jurakalk,  was  auf  eine,  der  Bruchlinie  zu- 
fallende liegende  Falte  mit  überkipptem  Nordschenkel  schliessen  lässt. 

Am  Nordrande  des  Bruches  stehen  zwischen  Ospedaletto  und 
dem  einspringenden  Winkel  nördlich  von  Cornale  die  Schichten 
entweder  fast  senkrecht  oder  sie  fallen  gegen  Süden  ein.  Vom  ein- 
springenden Winkel  östlich  bis  zum  Cismone  herrscht  dagegen 
constant  Nordfallen. 

Höchst  eigenthümlich  sind  die  tektonischen  Verhältnisse  in 
dem  breiten  Gebirgsstreifen  im  Süden  des  Belluneser  Bruches,  welcher 
seiner  Stellung  nach  der  Tafelmasse  der  Sette  Communi  entspricht. 
Wenn  man  von  Ospedaletto  aus  das  Brenta-Thal  abwärts  gegen 
Primolano  wandert,  so  sieht  man  die  Schichten  auf  beiden  Thal- 
seiten regelmässig  fortziehen,  und  wenn  auch  im  Osten  die  ent- 
sprechenden Ablagerungen  stets  in  etwas  niedrigerem  Niveau 
erscheinen,  als  im  Westen,  so  zweifelt  man  doch  nicht  im  Geringsten, 
dass  diese  Felsenengen  nur  ein  Erosionscanal  sind.  Von  irgend 
einer  nennenswerthen  Störung  der  Lagerung  auf  der  Ostwand  der 
Schlucht  ist  nichts  zu  bemerken. 

Wenn  man  sodann  unter  diesem  Eindrucke  die  Höhen  des 
Plateau's  zwischen  der  Brenta  und  dem  Cismone  durchstreift,  so 
wird  man  sehr  erstaunt  sein,  anstatt  der  erwarteten,  vollkommen 
regelmässigen  Lagerung  grossartige  Zusammenfaltungen  und  Ueber- 
schiebungen  anzutreffen. 

Am  Cismone  und  im  Osten  desselben  herrschen  wieder  sehr 
einfache  Verhältnisse.  Die  erwähnten  Störungen  concentriren  sich 
zwischen  Tesino  und  dem  Col  Costion.  Die  beiden  Profile  auf 
Seite  421  und  Seite  423  dienen  zur  Erläuterung  derselben.  Gegen 
Westen,  gegen  den  Kamm  der  Cima  Lasta  zu,  erscheinen  die 
Kreidebildungen  in  einer  liegenden  und  von  Westen  her  über- 
schlagenen  Falte.  Diese  Falte  geht  jenseits  des  Grigno  bei  Castello 
Tesino  in  eine  Ueberschiebung  über,  welche  beiläufig  bis  in  die 
Gegend  von  Costa,  westlich  von  Lamen,  im  Cismone-Gebiet  anhält, 
wo  dann  an  ihre  Stelle  abermals  eine  sich  allmählich  öffnende 
Falte  tritt.  Der  Biancone  von  Castello  Tesino  liegt  über  der  vom 
Joche  am  Monte  Pasetin  herabziehenden  Scaglia,  und  an  einer  Stelle 
längs  des  Weges  zur  Jochhöhe  tritt  eine  beschränkte  Scholle  von 
Nummulitenkalk  zwischen  der  Scaglia  im  Liegenden  und  dem 
Biancone  im  Hangenden  auf  Das  Fallen  ist  flach  gegen  Norden 
gerichtet. 


426       ^^s  i"^  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Ein  weiterer  Bruch,  verbunden  mit  einer  Ueberschiebung  der 
älteren  Bildungen,  tritt  auf  dem  Nordgehänge  des  Monte  Picosta 
auf  und  erstreckt  sich  östlich  bis  zum  Col  Costion.  Hier  ist  es  eine 
ziemlich  ausgedehnte  Masse  von  Jurakalken,  welche  über  die  selbst 
bereits  überschobene  Biancone-Scholle  im  Süden  emporgepresst  ist. 
Von  der  Intensität  dieser  Störungen  geben  einige  kleine  block- 
fbrmige  Schollen  von  Liaskalk  Zeugniss,  welche  im  Osten  der 
Hauptscholle  und  vollkommen  von  dieser  getrennt,  mitten  im 
Biancone  schwimmen. 

Nordöstlich  von  Pezze  hören  diese  Unregelmässigkeiten  wieder 
auf.  In  der  Fortsetzung  des  von  Tesino  herüberziehenden  Scaglia. 
Streifens  tritt  wieder  eine  regelmässig  faltenförmige  Lagerung  ein, 
aber  anfangs,  beiläufig  bis  Vigne,  fallen  noch  beide  Faltenflügel 
gleichmässig  gegen  Nordwesten.  Erst  gegen  den  Cismone,  wo  dann 
in  der  Mitte  der  Mulde  alttertiäre  Schichten  erscheinen,  fallen  die 
Schichten  von  beiden  Seiten  gegen  die  Muldentiefe  zusammen. 

Bis  zur  Cima  Lan  bei  Fonzaso  herrschen  im  Süden  normale 
Lagerungsverhältnisse.  Am  Ausgange  der  Cismone-Schlucht  bei 
Fonzaso  taucht  ein  schmaler  Streifen  jurassischer  Kalke  und  eine 
kleine  Partie  von  Dachsteinkalk  regelmässig  unter  der  Kreide  auf. 
Diese  Kalke  ziehen  sich  ziemlich  hoch  auf  das  Gehänge  der  Cima 
Lan  hinan,  wo  sie  steil  westlich  unter  den  Biancone  einfallen.  Im 
Süden  der  Cima  Lan  tritt  eine  nicht  unbedeutende  Störung  ein.  Die 
älteren  Kalke,  sowie  der  Biancone  schneiden  an  einer  im  Süden 
folgenden  und  gegen  dieselben  einfallenden  Zone  von  Scaglia  ab, 
unterhalb  welcher  der  Biancone  neuerdings  zum  Vorschein  kommt. 
Die  Fortsetzung  dieses  Scaglia-Streifens  lagert  im  Südwesten  bei 
Arsie,  ausserhalb  des  Gebietes  unserer  Karte,  nach  den  Beobach- 
tungen des  Herrn  Vacek,  muldenförmig  auf  dem  Biancone,  indem 
weiter  westlich  in  der  Gegend  des  Como  di  Campo  und  Col 
d'Agnello  der  Biancone-Zug  der  Cima  Lan  Südfallen  annimmt.  Wir 
werden  daher  annehmen  können,  dass  die  Mulde  allmählich  in  eine 
liegende  Falte  und  diese  endlich,  da  die  Ueberschiebung  der  älteren 
Kalke  eine  andere  Deutung  nicht  zulässt,  in  einen  schräg  ansteigen- 
den Ueberschiebungsbruch  übergeht. 

Ehe  wir  zur  Schilderung  des  östlich  vom  Cismone  liegenden 
Gebirgsabschnittes  übergehen,  mögen  noch  einige  Bemerkungen  über 
die  chorologischen  Verhältnisse  der  Formationen  des  soeben  be- 
trachteten Gebietes  folgen. 

Zwischen  den  grauen  Kalken  und  weissen  Oolithen  des  Lias 
treten   bereits    im    Gebiete   von   Tesino   die   weissen   Brachiopoden 


Das  im  Saden  der  Valsugana-Cadorc- Spalte  abgesunkene  Gebirgsland,       427 


A2S       I^fls  im  Soden  der  Valsugana-Cadore-Spalce  abgesunkene  Gebirgsland. 

führenden  Crinoidenkalke  *)  auf,  welche  weiter  östlich  in  der  Gegend 
von  Sospirolo  schon  seit  längerer  Zeit  bekannt  sind.  Der  obere  Jura 
tritt  bei  Fonzaso  in  der  Facies  dunkler  gebändeter  Kalke  mit  Hom- 
steinlagen  auf,  welchen  indessen  noch  einzelne  Bänke  von  rothen 
Knollenkalken  eingelagert  sind.  Diese  Gesteine  erinnern  sehr  an  die 
wolbekannte  Facies  der  Aptychen-Schichten. 

Der  Biancone  ist  in  grosser  Mächtigkeit  entwickelt.  Wenn 
man  aus  Valsugana  kommt,  wo  die  ganze  Kreide  auf  ein  schmales 
Band  reducirt  ist,  fällt  die  ausserordentliche  Mächtigkeit  des  Bian- 
cone in  Tesino  und  im  Cismone-Thal  besonders  auf.  An  der  Basis 
des  Complexes  liegt  blendend-weisser  Kalk  mit  Feuersteinknollen 
und  auf  diesen  folgen  graue  Kalke  mit  dunklen  und  schiefrigen 
Zwischenlagen. 

Eine  grosse  Ausdehnung  besitzen  in  diesen  Gegenden  die 
Glacialablagerungen.  Die  Thalsohle  von  Tesino  ist  hoch  hinauf  von 
Glacialschutt  mit  Granit-,  Porphyr-  und  Kalkblöcken  erfüllt.  Ebenso 
ist  der  schmale  Phyllitstreifen  an  der  Valsugana-Bruchlinie  von 
einer  dicken  Lage  Glacialschuttes  bedeckt  **). 


3.  Das  Gebirge  zwischen  dem  Cismone  und  dem  Cordevole. 

Das  Thal  des  Cismone  ist  eine  Erosionsrinne;  wir  finden  daher 
jenseits  des  Flusses  die  Fortsetzung  der  Verhältnisse  des  rechten 
Ufers.    Die   Lagerung   im   Süden   der  Bruchlinie   von  Belluno  wird 


Croce  d*Aune 


SW. 


Vette  piccole 


NO. 


a  =  Dachsteinkalk;   b  =  Lias;   e  =  Mittlerer  und  oberer  Jura;   d  =  Biancone;   e  =  Scaglia; 

/  =  Eocan. 


•)  Ein  leicht  erreichbarer  Fundpunkt  dieser  Gesteine   ist  Val  Calderuola  bei 
Le  Forche  am  Nordwestgehänge  des  Monte  Agaro. 

**)  Von  der  einstigen  gewaltigen  Vergletscherung  dieses  Theiles  der  SOd- 
alpen  zeigen  auch  die  Moränenreste  hoch  oben  auf  dem  südlichen  Plateau  der 
Sette  Communi  mit  Geschieben  von  Granit,  Porphyr  u.  s.  f. 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       a2q 

nun  sehr  einfach.  Bis  in  die  Gegend  des  Croce  d'Aune  herrscht 
noch  die  Muldenform.  Der  Nordschenkel  ist  ziemlich  steil  auf- 
gerichtet, während  der  Südschenkel  sich  flach  umbiegt  und  eine 
beträchtliche  Breite  besitzt  Die  Mitte  der  Mulde  nehmen  Nummu- 
liten-Schichten  ein.  Die  an  der  Basis  des  Südschenkels  bei  Fonzaso 
auftauchenden  Jurakalke  verschwinden  bereits  nördlich  von  Arten 
wieder. 

Bei  Pedevena  öffnet  sich  die  bisher  schmale  Mulde  und  in  der 
ganzen  Breite  des  Kreidezuges  tritt  Ostfallen  ein.  Die  weite  Tertiär- 
landschaft von  Belluno,  welche  wir  im  nächsten  Capitel  betrachten 
wollen,  thut  sich  auf  und  nimmt  tektonisch  von  nun  an  genau  die- 
selbe Position  ein,  wie  das  Kreidegebirge  im  Westen,  welches  bei 
Pedevena  regelmässig  unter  ihr  emporsteigt.  Die  einzige  wichtige 
Abweichung,  welche  nun  eintritt,  besteht  darin,  dass  die  bei  Lasen 
und  Arson  in  das  Tertiärgebiet  eintretende  Bruchlinie  die  jüngsten 
von  der  Südseite  ihr  zufallenden  Tertiärschichten  abschneidet  Eine 
muldenförmige  Lagerung  ist  daher  strenge  genommen,  nicht  mehr 
vorhanden,  wenn  auch  an  einigen  Stellen  die  Schichten  .in  einer 
schmalen  Zone  von  der  Bruchlinie  wegfallen. 

Das  zwischen  den  beiden  Bruchlinien  liegende  Gebirge  im 
Osten  des  Cismone  zeigt  ebenfalls  viel  einfachere  Verhältnisse. 
Einige  secundäre  Brüche,  welche  eintreten,  scheinen  die  geringere 
Intensität  der  Störungen  an  der  Valsugana- Spalte  ersetzen  zu 
sollen.  Der  bedeutsamste  derselben  stellt  eine  diagonale  Verbindung 
zwischen  der  Valsugana-  und  der  Belluneser  Spalte  her  und  ver- 
läuft von  der  Westseite  des  Col  S.  Pietro  bei  Castello  Schenero, 
dem  Nordgehänge  des  Pavione-Zuges  entlang,  bis  in  die  Gegend 
der  Alpe  Cimonega   zwischen   Sasso   di   Mur   und   Monte    Brandol, 


s. 


N. 


a  =  Dachsteinkalk;  b  =  Lias;  e  =  Mittlerer  und  oberer  Jura;  d  =  Bianconc. 


A70       Das  im  Süden  der  VaUugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebtrgsland. 

wo  derselbe  mit  der  Valsugana-Spalte  zusammentrifTt.  Die  Sprung- 
höhe ist  im  Westen,  gegen  die  Belluneser  Spalte  zu,  am  be- 
deutendsten (vgl.  das  Profil  auf  Seite  427).  Gegen  Nordosten  stellt 
sich  eine  Art  Brücke  zwischen  dem  gesunkenen  Gebirgstheil  im 
Norden  und  dem  höheren  Gebirge  im  Süden  durch  einen  steil 
hinabtauchenden  Flügel  von  Jurakalken  her,  welcher  als  gebrochener 
Nordflügel  eines  Gewölbe-Aufbruches  des  südlichen  Gebirges  auf- 
gefasst  werden  kann  (vgl.  das  Profil  auf  Seite  429). 

Das  abgesunkene  Gebirge,  welches  im  Monte  Videme  seine 
bedeutendste  Höhe  erreicht,  ist,  wie  die  Betrachtung  der  Karte 
lehrt,  die  Fortsetzung  des  Monte  Tatoga  und  der  Gebirgsmassen 
des  Coppolo  und  des  Agaro. 

Eine  weitere  Verwerfungsspalte,  welche  bereits  am  Nordfusse 
des  Monte  Remitte  und  des  Monte  Tatoga  bemerkbar  ist,  trennt 
das  Jura-Kreidegebirge  des  Val  della  Noana,  d.  i.  das  eben  be- 
sprochene, an  der  Diagonal-Verwerfung  abgesunkene  Gebirge,  von 
einer  nördlich  einfallenden  Zone  von  Dachsteinkalk.  Unmittelbar  an 
der  Bruchlinie  sind  die  Juraschichten  (weisser  Ammonitenkalk  und 
Aptychenkalk)  zwischen  den  Prati  Ineri  und  S.  Giorgio  steil  auf- 
gestellt und  zeigen  wechselnd  bald  nördliches,  bald  südliches  Ver- 
flachen. In  der  Gebirgsecke  zwischen  Val  d'Asinozza  und  Val 
Fonda  reichen  die  knieformig  gefalteten  Schichten  des  Biancone 
weit  auf  die  Höhe  und  stossen  an  den  steil  Nord  einfallenden 
Bänken  des  Dachsteinkalks  ab. 

In  dieser  Gegend  herrschen  sehr  verwickelte  Verhältnisse.  Die 
Valsugana-Spalte,  welche  bei  Mezzano  auf  das  linke  Cismone-Ufer 
übertritt  und  von  Transaqua  an  zwischen  dem  Nord  fallenden 
Dachsteinkalk  und  den  älteren  Trias-  und  Permbildungen  des  Sasso 
della  Padella  verläuft,  bildet  zwischen  der  Gebirgsmasse  des  Sasso 
di  Mur  und  jener  des  Sasso  della  Padella  einen  tief  einspringenden 
Winkel,  durch  dessen  Vermittlung  sie  an  der  Südwestecke  des 
Monte  Neva  mit  der  vorhin  besprochenen  Spalte  zusammentrifft. 
Es  findet  eine  Uebersetzung  der  Bruchlinie  statt;  die  bisherige 
secundäre  Spalte  wird  nun  weiter  östlich  zur  Hauptspalte  und 
streicht,  das  hohe  Trias-Kalkgebirge  des  Sasso  di  Mur  von  dem 
Jura-Kreidegebirge  des  Campo  torondo  trennend,  schräg  über  den 
Gebirgskamm  in  die  Gegend  von  Vallalta.  Im  Süden  des  Sasso 
della  Padella  liegt  an  der  Bruchspalte  eine  nördlich  einfallende,  den 
südlichen  Dachsteinkalk  regelmässig  überlagernde  Lias-Scholle. 

Die  Valsugana-Spalte  verlässt  sonach  zwischen  Transaqua 
und  Vallalta  die  Phyllitgrenze  und  läuft,  hackenförmig  in  das  süd- 
liche Kalkgebirge  einspringend,    durch    dieses.     Der  Cereda-Pass  ist 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       431 


Monte  Grava 


Sasso  di  Mur 


II  Piz 


Mis-Thal,  Östlich  vom 
Cereda-PasB 


C.  d'Ollio 


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A^2       ^As  ii"  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

der  Hauptsache  nach  ein  Erosionssattel,  das  im  Süden  desselben 
sich  erhebende,  der  Bruchlinie  zufallende  Triasgebirge  des  II  Piz 
und  des  Sasso  di  Mur  ist  ein  südlicher  Flügel  der  grossen 
Primiero-Gruppe. 

Das  gegen  Westen  zu  auch  streichend  sich  bedeutend  senkende 
Triasgebirge  nimmt  am  Sasso  della  Padella  heteropische  Einschal- 
tungen, knorrige,  kieselreiche  Buchensteiner  Kalke,  sowie  Augitpor- 
phyrtuffe  und  Laven  auf.  Die  Spatheisensteine,  welche  bei  Transaqua 
in  Verbindung  mit  Magneteisenstein  und  Schwerspath  vorkommen 
und  vor  einiger  Zeit  noch  Gegenstand  der  bergmännischen  Ge- 
winnung  waren,  gehören  den  Bellerophon-Schichten  an,  welche  hier 
eine  ziemliche  Manigfaltigkeit  der  Gesteinsarten  zeigen.  Ausser  den 
dunklen,  erzführenden  Bellerophon-Kalken  treten  schiefrige  Kalke, 
Rauchwacken  und  Gypsmergel  auf. 

Wesentlich  anderer  Natur,  als  diese  lagerformig  in  normalem 
Schichtenverbande  vorkommenden  Erze,  sind  die  am  Nordostende 
der  Sasso  di  Mur-Gruppe  bei  Vallalta  an  der  Valsugana-Spalte  ein- 
brechenden Quecksilber-Erze. 

Vallalta  liegt  an  der  Stelle,  wo  die  aus  dem  südlichen  Kalk- 
gebirge an  die  Grenze  zwischen  Phyllit-  und  Kalkgebirge  über- 
springende Bruchlinie  die  nordsüdliche  Richtung  verlässt  und  wieder 
das  gewöhnliche  nordöstliche  Streichen  annimmt.  Zahlreiche  secun- 
däre  Sprünge  begleiten  daselbst  die  Hauptspalte  und  zerstückeln 
das  im  Westen  derselben  liegende  Gebirge  in  eigenthümlicher  Weise. 
Bereits  das  ausserordentlich  wechselnde  Fallen  des  Phyllits  in  der 
Umgebung  der  Quecksilber-Hütte  deutet  auf  das  Vorhandensein 
ungewöhnlicher  Störungen.  Aber  erst  die  auf  Grund  der  zahlreichen 
Untersuchungs-Stollen  unterhalb  der  zum  grössten  Theile  schutt- 
erfüllten Thalsohle  des  Val  delle  Monache  (Pezzea-Bach)  gewonnenen 
Aufschlüsse  geben  uns  ein  annäherndes  Bild  der  hier  herrschenden 
complicirten  Verhältnisse.  Da  wegen  des  kleinen  Massstabes  auf 
der  Uebersichtskarte  nur  eine  schematisirte  Darstellung  möglich 
war,  so  theile  ich  eine  Copie  der  von  Herrn  Ant.  de  Manzoni  *), 
dem  gegenwärtigen  Besitzer  des  Quecksilberwerkes  Vallalta,  publi- 
cirten  Karte  mit,  in  welcher  ich  blos  die  Bezeichnungen  der  Gesteins- 
arten, der  in  diesem  Buche  befolgten  Nomenclatur  entsprechend 
geändert  habe. 


*)  Note  sullo  Stabilimento  montanistico  di  Vallalta.  Venezia  1871.  —  Die 
von  G.  vom  Rath  im  Jahre  1864  (Zeitschr.  der  Deutschen  Geolog.  Gesellschaft) 
veröffentlichte  Karte  des  Directors  Luigi  Forne  stimmt  nahezu  vollständig  mit  der 
hier  reproducirten  Karte  Manzoni*s  oberein. 


Das  im  Soden  der  VBlsugana-Cedore-Spalic  abgeaunkene  Gebirgsland.      ^la 


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A7A       Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Eine  der  Hauptspalte  anfangs  parallele,  im  Süden  aber  mit 
derselben  convergirende  Nebenspalte  schneidet  die  von  Westen  her, 
an  der  Basis  der  Sasso  di  Mur-Gruppe  von  Primiero  herüber- 
streichenden permischen  Bildungen  ab,  und  ein  keilförmiger  Streifen 
des  Phyllitgebirges  (Talkschiefer)  dringt  in  den  Raum  zwischen  der 
jenseits  der  Hauptspalte  liegenden  Dachsteinkalk-Masse  des  Monte 
le  Rosse  und  den  durch  die  Nebenspalte  begrenzten  permischen 
Schichten.  Eine  andere,  quer  zu  den  eben  erwähnten  Spalten  stehende 
Verwerfung  bewirkt,  wie  das  zweimalige  Auftreten  des  Grodener 
Sandsteines  in  der  Kartenskizze  zeigt,  eine  Wiederholung  der  steil 
Nord,  unter  den  Thonschiefer  einfallenden  permischen  Schichten- 
reihe. Die  südliche,  bis  an  die  Valsugana-Spalte  selbst  reichende 
Scholle,  auf  welche  das  Zinnober- Vorkommen  beschränkt  ist,  bildet 
nun  den  sogenannten  Zinnober-Erzstock.  Die  sämmtlichen,  dieser 
von  zahlreichen  Rutschflächen  durchzogenen  Scholle  angehörigen 
Schichtglieder  sammt  dem  die  Scholle  im  Osten  einfassenden 
schwarzen  Schiefer  (welcher  wol  am  passendsten  mit  den  Gang- 
thonschiefem  verglichen  werden  kann)  sind  mehr  oder  weniger  mit 
Zinnober  imprägnirt.  Der  grösste  Erzreichthum  concentrirt  sich  in 
der  Nachbarschaft  des  schwarzen,  graphitischen  Schiefers.  Gyps 
erscheint  häufig  in  Schnüren  zwischen  den  Kluftflächen. 

Dass  der  Quarzporphyr  hier  nicht  gangförmig  vorkommt, 
sondern  ein  regelmässig  dem  Schichtenverbande  eingefügtes  Glied 
darstellt,  ergibt  sich  bereits  aus  seiner  nachbarlichen  Stellung  zu 
den  Porphyrsandsteinen  und  den  mit  diesen  gegen  unten  in  innigster 
Verbindung  stehenden  Verrucano-Conglomeraten  *).  Aber  noch  klarer 
zeigt  sich  die  wahre  Natur  desselben,  als  eines  östlichen  Aus- 
läufers der  Quarzporphyrdecke  von  Südtirol,  durch  den  aus  der 
Karte  ersichtlichen  Zusammenhang  mit  dem  nach  Primiero  fort- 
streichenden Quarzporphyr-Lager.  Auch  auf  der  Nordseite  des 
Phyllit-Zuges  findet,  wie  Seite  342  erwähnt  worden  ist,  der  Quarz- 
porphyr im  Mis-Gebiete  sein  Ende  und  Verrucano-Conglomerate 
treten  im  Osten  an  seine  Stelle. 

Von  Vallalta  bis  X'al  Imperina  bei  Agordo  stossen  an  der 
Valsugana-Spalte  sehr  regelmässig  Dachsteinkalk  und  Phyllit  zu- 
sammen. DerPhyllit  zeigt  constant  ein  nordwestliches  Einfallen  unter 
einem  Winkel  von  beiläufig  45^.  Der  weiter  im  Süden,  im  Hauptzuge 
des  Gebirges  meist  söhlig  lagernde  Dachsteinkalk  biegt  sich  in  einer 


*)  Dieselben  bestehen  hier  aus  Quarzgeröllen  und  scharfkantigen  Trümmern 
von  Phyllit.  Durch  Aufnahme  von  Porphyrgeröllen  entwickelt  sich  sodann  der 
rothe  Porphyrsandstein. 


Das  im  SOden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       a7C 


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28  ♦ 


^^6       ^3S  im  Soden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

anfangs  sehr  schmalen,  östlich  vom  Durchbruche  des  Torrente  Mis 
an  Breite  zunehmenden  Zone  gegen  die  Bruchlinie  und  fallt  der- 
selben ziemlich  steil  mit  nordwestlich  geneigten  Schichten  zu.  Es 
gewährt  einen  prächtigen  Anblick,  wenn  man  vom  Kessel  von  Agorda 
die  scheinbar  regelmässig  unter  den  Phyllit  des  Col  Armarola  hinab- 
tauchenden wolgeschichteten,  blanken  Felstafeln  des  Monte  Pizzon 
betrachtet.  Der  Eindruck  ist  in  der  That  ein  so  mächtiger,  dass 
es  begreiflich  ist,  dass  die  älteren  Bergleute  den  Dachsteinkalk  des 
Monte  Pizzon  für  eine  ältere,  den  Phyllit  von  Agordo  regelmässig 
unterteufende  Formation  hielten.  Wir  haben  die  gleiche  Erscheinung 
an  der  Valsugana  -  Spalte  bereits  auf  der  Strecke  vom  Monte 
Remitte  bei  Canal  San  Bovo  bis  nach  Val  d'Asinozza  erwähnt. 
Auch  könnte  man  eine  Wiederholung  derselben  Verhältnisse  in  der 
Jurakalk -Scholle  der  Punta  della  Finestra  erblicken.  Das  Merk- 
würdigste aber  ist,  dass  \yir  auf  der  Südseite  des  Gebirgszuges 
gegen  die  Bruchlinie  von  Bellunp  den  entgegengesetzten  Fall 
kennen  lernen  werden. 

Am  Ausgange  des  Val  Imperina  erscheint  zwischen  dem  hier 
im  Phyllit,  ebenfalls  hart  an  der  Bruchlinie  auftretenden  bekannten 
Kiesstock  und  dem  steil  in  die  Tiefe  setzenden  Dachsteinkalk  eine 
kleine  eingeklemmte  Scholle  von  Werfener  Schichten  und  unterem 
Muschelkalk.  Diese  Schichten,  welche  bisher  mit  Grödener  Sand- 
stein verwechselt  wurden,  sind  an  der  Strasse  von  Belluno  nach 
Agordo,  bei  den  Hüttenwerken  gut  entblösst. 

Die  Werfener  Schichten  mit  den  Einlagerungen  der  bekannten 
Oolith- Bänke  nehmen  die  nördlichere  Lage  ein  und  grenzen  an  den 
schwarzen,  graphitischen  Thonschiefer.  Der  im  Süden  regelmässig 
folgende,  steil  an  den  Dachsteinkalk  angepresste  untere  Muschelkalk 
enthält  in  den,  den  rothen  Schichten  zwischengelagerten  glimmer- 
führenden Mergeln  zahlreiche  verkohlte  Pflanzenreste.  Die  häufigste 
Art  ist  Voltsia  Agordica  Ung.  sp*),  welche  von  älteren  Autoren 
mit  Lycopodiolithes  arboreus  Schloth.  verglichen  wurde.  Breccienartige 
Kalkbänke  sind  dem  unteren  Muschelkalk  gegen  oben  eingelagert. 
Diese  Scholle  ist,  wie  erwähnt,  von  sehr  kurzer  Erstreckung  und 
oberhalb  der  Hüttenwerke  von  Val  Imperina  tritt  sehr  bald  der 
Thonschiefer   auf  das   rechte   Bachufer   herüber  und   berührt  dann 

• 

den  Dachsteinkalk.    Ich  bin  nicht  im  Stande  zu  entscheiden,  ob  die 
weiter   westlich   durch   den   Grubenbetrieb    nachgewiesenen    rothen 


*)  Vgl.  Schenk  in  Ben  ecke's  Geogn.  pal.  Beitr.  IL  S.  86.  Nachdem  die  Pflanze 
von  Agordo  inn  stratigraphischen  Niveau  der  Volt^ia  Recubariensis  von  Recoaro 
und  nicht,  wie  bisher  angenommen  wurde,  in  filteren  Schichten  vorkommt,  so  steht 
der  Identificirung  dieser  Voltzien  wol  kein  Bedenken  mehr  im  Wege. 


Cafagnoi 
Torr.  Limana 


Monis  di  Vedim 


Ell 


437 


438       ^**  '"1  Süllen  der  Valsugjna-Cadore  Spalte  abgesunkene  Gebirgsland, 

Sandsteine  die  Fortsetzung  der  an  der  Hütte  zu  Tage  stehenden 
Scholle  sind,  was  wol  sehr  wahrscheinlich  ist,  und  ob  diese  Sand- 
steine permisch  oder  untertriadisch  sind.  Ich  theile  hier  eine  Copie 
des  von  W.  Fuchs  *)  pubiicirten  interessanten  Profils  mit,  aus 
welchem  hervorgeht,  dass  in  der  Tiefe  das  widersinnische  Einfallen 
der  Schollen  in  rechtsinnisches  Südfallen  übergeht. 


Der  KicMlock  von  Val  Inperio*  be<  Atordo, 


Quanphylüt 

h  =  Rother  Sanislem   (unterer    Museh 

Ikalk   and   Werfencr  Sehichlen   od« 

cner  Sand  sie 

:  I  =  de!>en  Ueeendu  in  der  Durch 

chiiKii-Ebcn 

ndlichen  und  nördlichen  Ri«iere. 

Diese  rasche  Wendung  der  Fallrichtung  ist  auch  im  Dachstein- 
kalk am  Eingange  des  Canals  von  Agordo,  in  geringer  Entfernung 
von  den  Hüttenwerken,  deutlich  zu  beobachten. 

Was  den  Kiesstock  von  Val  Imperina  betrifft,  so  wurde  bereits 
erwähnt,  dass  derselbe,  ebenso  wie  die  Zinnober-Imprägnation  von 
Vallalta,  dicht  an  der  Valsugana  -  Spalte  liegt.  B.  v.  Cotta**)  ver- 
gleicht die  un regelmässig  gestreckte  Gestalt  desselben  mit  einer 
wulstigen  und   platt  gedrückten  Wurst,   deren  längste  Achse  unter 

■)  Einige  Bemerkungen  Cber  die  Lagerungs Verhältnisse  der  Venetianer  Alpen. 
Slii.-Ber.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Wien,   i85o.  S.  45j,  Taf.  IX. 

**)  Agordo.  Berg-  und  hQttentnannische  Zeitung  von  Bornemann  und  Kerl, 
iR6a,  Seite  4i5. 


Das  im  Süden  der  Valsugana- Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       a7q 

etwa  14^  nach  Nordosten  einfällt.  Die  Kiesmasse  (vorherrschend 
Schwefelmetalle  mit  wenig  Quarz)  steckt  in  einem  hellen,  talkigen, 
zuweilen  auch  quarzreichen  Schiefer,  welcher,  wie  G.  vom  Rath*) 
sagt,  , gleichsam  die  Hülle  um  den  Erzstock  bildet,  deren  Mächtig- 
keit zwischen  einem  Zoll  und  mehreren  Füssen  schwankt  und  auch 
durch  Verzweigungen  mit  der  Erzmasse  gleichsam  verflösst  ist*- 
Der  durchschnittliche  Kupfergehalt  beträgt  2 — 3  Percent.  Zahlreiche 
spiegelnde  Rutschflächen,  welche  die  Kiesmasse  nach  den  verschie- 
densten Richtungen  durchziehen  und  meist  sehr  deutliche  parallele 
Streifungen  zeigen,  geben  Zeugniss  von  der  Intensität  der  noch  nach 
der  Bildung  des  Kiesstockes  an  der  Bruchlinie  fortdauernden  Be- 
wegungen. Bereits  v.  Cotta  betont  als  besonders  merkwürdige 
Erscheinung,  dass  man  oft  an  einem  Handstück  verschiedene  Rich- 
tungen der  Parallelstreifungen  zu  erkennen  im  Stande  sei,  sowie 
dass  sehr  häufig  der  Kupfererzgehalt  zu  beiden  Seiten  der  Rutsch- 
flächen ein  auffallend  ungleicher  ist. 

Die  im  Süden  der  Valsugana  -  Spalte  liegende  Hauptmasse 
des  Kalkgebirges  besitzt  nach  den  Untersuchungen  des  Herrn 
Dr.  Hoernes**),  w^ie  die  mitgetheilten  Profile  zeigen,  meistens 
nahezu  söhlige  Lagerung  und  besteht  vorzugsweise  aus  dem  hier 
sehr  mächtigen  Dachsteinkalk,  welchem  nur  an  einigen  Stellen 
Denudationsreste  jurassischer  und  cretaceischer  Bildungen  auflagern. 
Ich  entnehme  dem  Aufnahmsberichte  des  Herrn  Dr.  Hoernes  die 
folgenden  Angaben  über  die  stratigraphischen  Verhältnisse.  ,Die 
Hauptmasse  der  gewaltigen,  2000 — 2 500  Meter  hohen  Berge  bildet 
der  Dachsteinkalk.  Die  Thäler  liegen  nur  etwa  4C0 — 500  Meter 
hoch  und  doch  ist  nirgends  die  Basis  des  Complexes  entblösst, 
welcher  wol  nirgends  unter  1000  Meter  Mächtigkeit  besitzen  kann, 
während  dieselbe  stellenweise  bis  gegen  2000  Meter  anschwellen 
mag.  Das  Gestein  ist  ein  ausgezeichnet  geschichteter,  unreiner 
sandiger  Kalk  von  gelb  weisser,  brauner  und  grauer  Farbe.  Die 
obersten  Schichten  sind  von  heller,  weisser  Farbe  und  scheinen 
ziemlich  reich  an  kohlensaurer  Magnesia  zu  sein.  Dieselben  erreichen 
namentlich  westlich  vom  Torrente  Mis  eine  grosse  Mächtigkeit  und 
zeichnen  sich  durch  häufig  vorkommende,  ausserordentlich  glatte 
Rutschflächen  aus.  Im  Eingange  des  Canales  von  Agordo,  etwas 
südlich  von  der  Miniera,  begegnen  uns  eigenthümliche  Auswitterungs- 


*)  Ueber  die  Quecksilbergrube  Vallalta.     Zeitschr.  D.  Geol.  Ges.  1864. 

♦*)  Herr  Dr.  Hoernes  kariirte  das  ganze,  auf  Blatt  VI  unserer  Karte  ent- 
haltene Terrain  mit  Ausschluss  der  nordwestlichen,  durch  die  Valsugana -Spalte 
begrenzten  Ecke. 


y|i^n       Das  im  SOden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Erscheinungen,  welche  mit  dem  Vorhandensein  unregelmässig-^ 
härterer  Concretionen  zusammenhängen.  Dieselben  verleihen  dem 
Gestein  häufig  ein  grossoolithisches  Aussehen,  bisweilen  aber  sind 
sie  schichtenweise  angeordnet  und  wittern  leistenförmig  aus  dem 
Gestein  heraus.  Die  liasischen  Bildungen  bestehen  vorzugsweise  aus 
grauen  und  röthlichen  Kalken  mit  Spuren  von  Brachiopoden  und 
Crinoiden.  Stellenweise  finden  sich  Einlagerungen  weisser  Crinoiden- 
kalke  vom  Typus  der  Sospirolo-Schichten.  Bei  der  Alpe  Campo  torondo, 
dann  auf  dem  Monte  Colazzo  kommen  über  dem  Lias  i  Meter 
mächtige  Kalke  mit  zahllosen  grossen  Exemplaren  von  Stephanoceras 
(St.  Humphriesianum  Sow,,  St.  Vindobonense  Griesb.  und  Mittelformen 
zwischen  beiden,  sowie  eine  neue  Art)  vor.  Ueber  diesem,  dem 
mittleren  Dogger  zuzurechnenden  Kalk  erscheinen  sofort  die  sonst 
direct  dem  Lias  auflagernden  oberjurassischen  Knollenkalke,  welche 
zwar  allenthalben  reich  an  Ammoniten  sind,  aber  nur  an  wenigen 
Stellen  gut  bestimmbare  Reste  enthalten.  Eine  solche  Stelle  ist  der 
Campo  torondo.  Die  Schale  der  Ammoniten  ist  hier  meist  wol  er- 
halten. Da  es  mir  wegen  Mangel  an  Zeit  nicht  möglich  war,  getrennt 
nach  Horizonten  zu  sammeln,  so  lasse  ich  ein  Verzeichniss  der  den 
beiden  Zonen  des  Aspidoceras  acanthicum  und  der  Oppelta  litfio- 
graphica  entsprechenden  Fossilien  nach  meinen  Funden  und  den 
älteren  Suiten  im  Museum  der  k.  k.  Geologischen  Reichsanstalt  folgen: 

Lytoceras  montanum   Opp. 
„         cf.  municipale  Opp. 
„         sutilc  Opp. 
Phylloceras  Benacense  Cat. 

„  mediterraneum  Neum. 

„  polyolcum  Ben. 

„  nov.  sp.  cf.  ptychoicum   Quenst. 

ptychoicum   Quenst. 
Satyrus  Font, 
cf.  silesiacum   Opp. 
Oppelta  platyconcha   Gem. 
Haploceras  cf.  Stasyczii  Zeuschn. 
Perisphinctes  cf  Albertinus  Cat. 
„  colubriniis  Rein. 

„  cf.  contiguus  Cat. 

„  cf   Geron  Zitt. 

„  sp.'div. 

Simoceras   Volanense  Opp. 
Aspidoceras  cf.  Avellanum   Opp. 
„  cyclotum   Opp. 


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Das  im  Süden  der  Valsugaiia-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       aax 

Aspidocetas  longispinum  Sow. 

„  acanthicum   Opp, 

„  Raphaeli  Opp. 

Waagenia  hybonota   Opp. 
Aptychiis  depressus   Voltz. 

„         Meneghinii  Zigno 
Metaporhinus  Gümbeli  Neum, 

,Bemerkenswerth  ist  die  ausserordentliche  Seltenheit  der  Tere- 
bratula'  diphya  in  diesem  Gebiete,  da  man  dieselbe  nur  vom  Monte 
Pavione  am  Westende  des  Gebirgszuges  kennt.  Was  die  über  dem  Jura 
concordant  folgenden  Neocombildungen  betrifft,  so  besteht  ein  auf- 
fallender Unterschied  zwischen  dem  Westen  und  Osten.  Im  Westen, 
auf  Vette  piccole*),  lagert  typischer  weisser  Biancone  auf  dem 
jurassischen  Knollenkalk.  Bei  der  Alpe  Neva  stellen  sich  aber 
bereits  rothe  Mergel  vom  Aussehen  der  Scaglia  an  der  Basis  des 
Biancone  ein,  und  in  der  Gruppe  des  Monte  Brandol  und  Monte 
Prabello  kommen,  mit  Ausnahme  einer  etwa  einen  Meter  starken 
Bank  weissen  Biancone -Kalks  an  der  Basis,  nur  rothe  Mergel  in 
Wechsellagerung  mit  grauen,  den  gewöhnlichen  Rossfelder  Schichten 
entsprechenden  Mergeln  vor.* 

Den  Südrand  dieses  Hochgebirges  begleitet  (man  vergleiche 
die  Profile  Seite  435  und  437)  zwischen  Val  di  Martino  und  dem 
Canal  d'Agordo  eine  steil  der  Bruchlinie  von  Belluno  zufallende 
Scholle  von  Jura -Kalken  und  Neocom- Schichten.  Das  in  seiner 
Hauptmasse  söhlig  lagernde  Gebirge  ist  demnach  im  Norden  wie 
im  Süden  von  einer  steil  auswärts  fallenden  Zone  begleitet  und 
erscheint  wie  ein  flacher  Gewölbeaufbruch  mit  beiderseits  abge- 
brochenen und  plötzlich  steil  nach  aussen  fallenden  Schenkeln. 
Während  im  Norden  die  Schichten  sich  der  Valsugana- Spalte  zu- 
neigen und  den  alten  Phyllit  zu  unterteufen  erscheinen,  fallen  hier 
im  Süden  die  älteren  Schichten  dem  jenseits  der  Bruchlinie 
folgenden  Tertiärgebirge  zu.  Wenn  man  nun,  was  das  natürlichste 
zu  sein  scheint,  die  kuppelförmige  Aufwölbung  als  die  ältere 
Lagerungsform  annehmen  will,  so  bleibt  dir  die  Erklärung  der  ab- 
normen Verhältnisse  an  der  Valsugana -Spalte  nur  die  Annahme 
einer  späteren  Ueberschiebung  des  älteren  Gebirges  über  das  jüngere 
übrig.  Zu  Gunsten  einer  solchen  Anschauung  sprechen  die  bereits 
geschilderten,  im  Westen  vorkommenden  thatsächlichen  Ueber- 
schiebungen. 


♦)  Ebenso  auch  in  Val  Noana. 


^2       I^as  im  Süden  der  Valsugana-Cadorc-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Die  Liaskalke  dieser  steil  Südost  einfallenden  Scholle  zeichnen 
sich  insbesondere  durch  die  häufige  Einschaltung  von  Crinoiden- 
Kalken  mit  zahlreichen  Brachiopoden  (Sospirolo-Kalke)  aus  (vgl. 
Seite  89).  ,Am  Ausgange  des  Mis-Thales  bei  S.  Michele,*  berichtet 
Herr  Dr.  Hoernes,  ,und  am  Ende  des  Canals  von  Agordo  bei 
Peron  wechsellagem  die  Brachiopoden-Schichten  mit  den  grauen 
Kalken  und  oolithischen  Gesteinen.  Am  deutlichsten  kann  man 
dies  an  den  steilen  Wänden  des  Monte  Peron  beobachten.  Die 
grauen  Kalke  mit  Pelecypoden-Durchschnitten,  die  Crinoiden-Kalke 
mit  massenhaften  Brachiopoden  und  weisse  und  graue  Oolithe,  in 
welchen  sich  ebenfalls  einzelne  Versteinerungen,  namentlich 
Chemnitzien,  finden,  wechsellagem  in  Bänken  von  oft  nur  einem 
Fuss  Mächtigkeit.  Dies  zeigt  am  besten,  dass  die  gedachten  Facies- 
Entwicklungen  keineswegs  besondere  Horizonte  repräsentiren. 
Bemerkenswerth  sind  femer  noch  Muschelbänke,  die  ich  auf  der 
anderen  Seite  des  Cordevole,  dem  Monte  Peron  gegenüber,  beob- 
achten konnte.  In  einem  weissen  Gestein  fanden  sich  zahllose 
Durchschnitte  ziemlich  grosser  Pelecypoden,  wahrscheinlich  Megalo- 
donten,  oder  verwandte  Formen.  Es  gelang  mir  nicht,  auch  nur 
ein  Fragment  aus  dem  Gestein  auszulösen,  welches  mehrere,  etwa 
I — 2  Meter  mächtige  Bänke  in  dem  unteren  Theile  des  Complexes 
zu  bilden  scheint*).* 

Eine  bemerkenswerthe  Erscheinung  in  diesem  Zuge  bildet 
noch  die  eigenthümliche  Vertheilung  des  Biancone  und  der  dem- 
selben aequivalenten  rothen  Neocom-Mergel.  Im  Westen  bei  Arson 
und  im  Osten  bei  Vedana  kommen  die  rothen  Mergel  vor,  während 
mitten  dazwischen  bei  S.  Gregorio  die  echte  Biancone-Facies  auf- 
tritt. Fügen  wir  noch  hinzu,  dass  östlich  von  Vedana  abermals 
die  Biancone-Entwicklung  erscheint,  so  erhalten  wir  das  Bild  eines 
eigenthümlichen  regionalen  heteropischen  Wechsels,  welcher  nur 
durch  die  Betrachtung  der  südlichen  und  nördlichen  Nachbar- 
Regionen  verständlich  wird.  Im  Norden  herrscht  nämlich  die  bis 
in  das  Faniser  Hochgebirge  bei  Ampezzo  sich  ausdehnende  Facies 
der  rothen  und  grauen  Neocom-Mergel  (nördlicher  Typus;  Ross- 
felder Schichten);  im  Süden  dagegen  tritt  allenthalben  die  Facies 
des  Biancone  (südlicher  Typus)  auf..  Die  Südabdachung  des 
nördlich  von  dem  Belluneser  Bruche  ansteigenden  Gebirges  liegt 
daher  in  der  Gegend  der  heteropischen  Grenze   und  daraus  erklärt 


*)  Herr  Prof.  Hoernes  sprach  seither  brieflich  die  Vermuihung  aus,  dass 
diese  Bänke  rhätischen  Alters  sein  könnten,  da  ihn  dieselben  ausserordentlich  an 
rhätische  Pelccypodenkalke  von  Moistrana  in  der  Grazer  Universitäts-Sammlung 
erinnerten. 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       aaz 

sich  der  besprochene  regionale  Wechsel  der  heteropischen  Bildungen 
in  sehr  einfacher  Weise. 

Was  die  ehemals  weit  verbreiteten,  gegenwärtig  aber  bereits 
bis  auf  wenige  Denudationsreste  entfernten  Glacial-Ablagerungen 
dieses  Hochgebirges  betrifft,  so  erwähnen  wir  blos,  dass  Herr 
Dr.  Hoernes  in  den  Moränen-Resten  von  Val  Canzöi  und  Val 
di  Martino  zahlreiche  Blöcke  von  Quarzporphyr,  Phyllit  und  Pietra 
verde  fand,  was,  da  diese  Gesteinsarten  den  betreffenden  Thal- 
gebieten vollkommen  fremd  sind,  auf  mächtige  nördliche  Gletscher- 
ströme schliessen  lässt,  welche  quer  über  die  Jöcher  unseres  Kalk- 
gebirges hinwegsetzten.  In  dem  kleinen  Thälchen  nördlich  vom 
Monte  Aurin   bei  Feltre   liegen   zahlreiche   mächtige  Phyllit-Blöcke. 

4.     Das  Gebirge  im  Osten  des  Cordevole. 

Jenseits  des  Cordevole  bei  Agordo  setzt  die  Valsugana-Spalte 
deutlich  kennbar  bis  auf  den  Moscosin-Pass.  Der  Dachsteinkalk 
des  Corno  di  Valle  wiederholt  das  steile  Hinabtauchen  zur  Spalte, 
welches  wir  in  dem  mächtigen  Gebirgsstocke  des  Pizzon  zwischen 
Cordevole  und  Mis  kennen  gelernt  haben.  Das  Gebirge  auf  dem 
nördlichen  Spaltenrande  steigt  nun  aber  rasch  in  die  Höhe  und 
gleichzeitig  nimmt  die  Sprunghöhe  der  Verwerfung  etwas  ab.  Es 
treten  daher,  wie  südlich  von  Vallalta,  der  Reihe  nach  jüngere 
Bildungen  von  Norden  her  an  den  Spaltenrand,  um  an  demselben 
abzubrechen.  Während  am  linken  Cordevole-Ufer  bei  Agordo  noch 
Phyllit  auf  dem  Nordrande  der  Spalte  ansteht,  stossen  auf  dem 
Moscosin-Pass  die  Raibler  Schichten  des  Monte  Moscosin  mit  dem 
steil  Nord  fallenden  Dachsteinkalk  des  Monte  Piacedel,  welcher  die 
Fortsetzung  des  Corno  di  Valle  bildet,  zusammen.  Oestlich  von 
der  Pramper-Alpe  berühren  sich  auf  beiden  Seiten  der  Spalte  nach 
den  Beobachtungen  des  Herrn  Dr.  Hoernes  Schichten  des  Dach- 
steinkalkes. Wenn  nun  auch  wegen  der  grossen  Mächtigkeit  des 
Dachsteinkalkes  der  Verlauf  des  Sprunges  auf  der  Karte  nicht 
mehr  zum  Ausdruck  gelangt,  so  ist  die  Sprunghöhe  doch  noch  an- 
sehnlich genug,  denn  auf  der  Südseite  der  Spalte  stehen  die 
höchsten,  auf  der  Nordseite  die  tiefsten  Bänke  des  Dachsteinkalkes 
an.  Ich  zweifle  daher  nicht,  dass  die  Spalte,  wenn  auch  in  stets 
sich  vermindernder  Intensität,  in  das  Gebiet  des  Dachsteinkalkes 
hinein  noch  eine  Strecke  weit  fortsetzt  und  an  der  abweichenden 
Schichtenstellung  zu  erkennen  seih  wird. 

Es  ist  nun  sehr  bezeichnend,  dass,  während  die  bisherige 
Hauptspalte   zu   erlöschen   scheint,    in   derselben   Gegend    plötzlich 


444       "^^  '""  SGden  der  Val»ugtna-Cadore-Sp«Ite  abgeaunkene  Gebirg«land. 


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Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       AAt 

bedeutende  neue  Spaltenlinien  beginnen,  welche  die  tektonische 
Rolle  der  ersterbenden  alten  Linie  übernehmen.  Die  bedeutendere 
dieser  neu  ansetzenden  Spaltenlinien  entspringt  nördlich  vom 
Monte  Piacedel  in  der  Gegend  von  Dont  in  Val  di  Zoldo  und  läuft 
von  dort,  anfangs  von  mehreren  Nebenspalten  begleitet,  über 
Fomesighe,  Forcella  Cibiana,  Venas,  Pieve  di  Cadore  in  das  obere 
Piave-Thal.  Wir  haben  dieselbe  bereits  im  lo.  und  ii.  Capitel 
geschildert  und  dort  auch  bemerkt,  dass  die  tektonische  Function 
der  Valsugana-Spalte  vollständig  auf  sie  übergeht,  weshalb  wir 
keinen  Anstand  nehmen,  die  cadorische  Spalte  als  die  Fortsetzung 
der  Valsugana-Spalte  zu  betrachten  und  die  Bezeichnung  , Valsu- 
gana-Spalte* auf  sie  auszudehnen.  Eine  zweite  parallele  Spalten- 
linie entspringt  im  Süden  des  Monte  Piacedel  in  Val  Crasa  und 
verläuft,  die  jurassisch-cretaceischen  Gipfelmassen  des  Monte  Pramper 
und  des  Monte  Campello  abschneidend,  in  nahezu  ostwestlicher 
Richtung  in  das  Piave-Thal,  welches  von  ihr  bei  Davestra  er- 
reicht wird. 

Wir  wollen  zunächst  die  Schilderung  der  Valsugana-Spalte 
vervollständigen  und  sodann  zur  Betrachtung  des  Gebirges  an  der 
südlichen  Nebenspalte  übergehen. 

In  dem  einspringenden  Winkel,  welcher  durch  die  Ueber- 
setzung  der  Valsugana-Spalte  gebildet  wird,  senkt  sich  die  Gebirgs- 
masse  des  Monte  S.  Sebastiano  allmählich  in  nordöstlicher  Richtung, 
so  dass  die  Wengener  Schichten  bei  Forno  di  Zoldo  den  Thal- 
grund einnehmen  und  bis  an  den  Südrand  der  bei  Dont  entsprin- 
genden Spaltenlinien  reichen.  Auch  die  blos  durch  ein  Erosions- 
thal von  der  S.  Sebastiano-Masse  getrennte  Gebirgsmasse  des 
Spigol  del  Palon  und  des  Monte  Mezzodi  senkt  sich  in  der  gleichen 
Richtung,  und  in  Folge  dessen  erreicht  der  Dachsteinkalk  dieses 
Gebirgstheiles  bei  S.  Giovanni  und  Ponte  Pontesei  bereits  die  Thal- 
rinne des  Torrente  Mae.  Eine  der  Nordseite  des  Monte  Mezzodi 
und  des  Colmarsango  entlang  laufende  südliche  Nebenspalte  des 
Valsugana-Spaltenzuges  begünstigt  diesen  raschen  Niedergang  des 
Dachsteinkalkes.  Nördlich  vom  Mae  stehen  zwischen  Forno  di 
Zoldo  und  Ponte  Pontesei  noch  söhlig  lagernde  Wengener  Sand- 
steine an,  über  welchen  dann  regelmässig  Cassianer  und  Raibler 
Schichten  als  Unterlage  des  Dachsteinkalkes  des  Monte  Castelin 
folgen,  welcher  gegen  den  Hauptspaltenzug  ein  nördliches  Einfallen 
annimmt.  Die  Fortsetzung  derselben  Nebenspalte  läuft  sodann 
durch  das  Val  Bosco  Nero  in  östlicher  Richtung  weiter  und 
begrenzt  die  söhlig  gelagerte  Gebirgsmasse  des  Sasso  di  Bosco 
Nero  auf  der  Nordseite. 


446       ^3s  i""  Soden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Die  kleine  Dachsteinkalk-Scholle  des  Piano  di  Mezzodi,  welche 
dem  Monte  Mezzodi  im  Norden  vorgelagert  ist,  betrachte  ich  als 
einen  abgerutschten  Theil  des  Monte  Mezzodi.  An  ihrer  Basis 
erscheint  ein  schmaler  Streifen  von  Raibler  Schichten.  Eine  andere 
abgerutschte  Dachsteinkalk-Scholle   liegt   nördlich   bei    S.  Giovanni. 

Der  Dachsteinkalk-Zug  des  Monte  Castellin  begleitet  nun 
weiter  gegen  Osten  die  Valsugana-Spalte  auf  der  Südseite.  Bei 
Perrarolo  setzt  derselbe  nach  den  Beobachtungen  von  Hoernes 
über  die  Boita  und  über  die  Piave  und  bildet  nordöstlich  von 
Perrarolo  das  Gebirge  am  linken  Piave-Ufer.  Das  Einfallen  der 
Schichten  ist  bis  südlich  von  Cibiana,  soweit  als  die  bereits  Seite  320 
erwähnte  Nebenspalte  reicht,  der  Bruchlinie  zugewendet.  Mit  dem 
Aufhören  der  Nebenspalte  tritt  dann  Wegfallen  von  der  Hauptspalte 
ein  und  zugleich  tauchen  die  tieferen  Schichtglieder  bis  zu  den 
Wengener  Schichten  abwärts  unter  dem  Dachsteinkalk  hervor.  Die 
Hauptspalte  selbst  läuft  nördlich  von  den  Wengener  Schichten.  Die 
Raibler  Schichten  dieses  Zuges  sind  durch  die  Einschaltung  von 
gypsführenden  Lagen  ausgezeichnet.  Der  kleinen,  den  Wengener 
Sandsteinen  bei  Cibiana  und  Valle  di  sotto  eingelagerten  Dolomit- 
linsen wurde  bereits  am  Eingange  dieses  Capitels  gedacht. 

Was  die  südlich  vom  Monte  Piacedel  in  Val  Crasa  beq^innende 

et 

Nebenspalte  betrifft,  so  sind  nach  den  Beobachtungen  des  Herrn 
Dr.  Hoernes,  welcher  das  ganze  Terrain  im  Süden  von  Agordo 
und  Zoldo  untersuchte,  die  Verhältnisse  derselben  sehr  einfach. 
Nur  in  Val  Crasa  unter  den  Bergen  Pramper  und  Vescova  herrschen 
complicirtere  Störungen.  »Auf  der  Karte,*  schreibt  Herr  Dr.  Hoernes, 
»sind  diese  Störungen  undarstellbar,  weil  man  es  oft  mit  derartig 
überbogenen  und  verquetschten  Schichten  zu  thun  hat,  dass  Lias, 
Jura  und  Neocom  in  einzelnen  Partien  durcheinander  gerathen  zu 
sein  scheinen.  Da  die  ärgsten  Verbiegungen  noch  dazu  in  einer 
steilen  unzugänglichen  Wand  liegen,  war  es  überdies  unmöglich 
genau  zu  fixiren,  welche  Schichten  in  derselben  auftreten.* 

Der  Bau  des  Gebirges  im  Süden  von  dieser  Spalte  entspricht 
östlich  bis  an  die  Kartengrenze  vollständig  den  bereits  geschilderten 
Verhältnissen  im  Westen  des  Cordevole.  Im  Norden  bis  zur  Spalte 
schwaches  Nordfallen,  in  der  Mitte  des  Gebirges,  am  Monte  Pelf, 
Monte  Fontanon,  Monte  Tocchedel  horizontale  Lagerung,  am  Süd- 
rande mehr  weniger  steiles  Südfallen,  welches  nur  local,  wie  an  den 
beiden  Ufern  des  Piave-Flusses  in  überkippte  Schichtstellung  über- 
geht. Bedeutendere  Störungen  zeigen  sicli  nur  im  Piave-Thal  bei 
Longarone,  wo  sich  einerseits  die  Schichtflächen  des  Jura  vom 
Monte  Campello  bis  zur  Piave  herabziehen  und  wo  andererseits  am 


Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland.       ^7 

linken  Piave-Ufer  ein  treppenartiges,  durch  kleinere  Querbrüche  veran- 
lasstes wiederholtes  Aufsteigen  des  Jura  und  des  Neocom  stattfindet. 
Hoernes  betrachtet  diese  Störungen,  welche  er  als  , Querbruch 
von  Longarone*  *)  bezeichnet,  als  die  Fortsetzung  der  noch  zu 
besprechenden  Verschiebungslinie  und  Erdbebenspalte  von  Sta.  Croce. 


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Die  Verwerfungen  bei  Longarone. 

4  =  Dachsteinkalk;  6  =  Lias;  c  =  Mittlerer  und  oberer  Jura;  d  =  Biancone;   e  =  AUuvionen. 


Zu  einigen  Bemerkungen  geben  noch  die  stratigraphischen 
Verhältnisse  der  in  diesem  Gebirge  auftretenden  Formationsglieder 
Anlass.  Zunächst  betont  Herr  Dr.  Hoernes,  dass  der  Dachstein- 
kalk, welcher  im  südlichen  und  westlichen  Theile  dieses  Gebirgs- 
abschnittes  noch  ganz  mit  der  westlichen  Ausbildung  übereinstimmt, 
^egen  Norden  und  Osten  allmählich  in  den  dichten,  röthlichen 
Dachsteinkalk  der  Ampezzaner  Alpen  übergeht.  Bei  Perrarolo  ist 
bereits  der  reine  Ampezzaner  Typus  vorhanden. 

Ein  sehr  bedeutender  heteropischer  Wechsel  vollzieht  sich  in 
dem  vom  Monte  Pramper  nach  Longarone  streichenden  Liaszuge. 
Es  wurde  bereits  in  der  stratigraphischen  Uebersicht  (Seite  91) 
darauf  hingewiesen,  dass  mit  dem  Meridian  von  Longarone  die 
heteropische  Grenze  zwischen  dem  südtirolischen  Gebiete  der  ,  grauen 
Kalke*  und  der   im   Osten   folgenden   Region   mit  vorherrschender 


*)  Erdbeben-Studien.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1878. 


Ay^R       Das  im  Süden  der  Valsugana-Cadore-Spalte  abgesunkene  Gebirgsland. 

Cephalopoden-Facies  zusammenfällt.  Herr  Dr.  Hoernes  berichtet 
darüber:  ,Bei  Longarone,  und  in  dem  von  Zoldo  herabkommenden 
Thal  des  Torrente  Mae  überwiegt  die  Fleckenmergel-Facies.  In 
grosser  Mächtigkeit  treten  hier  graue,  oft  sehr  dunkle  kieselreiche 
Kalke  mit  schwarzen  Hornsteinen  auf,  welche  hie  und  da  Cephalo- 
podenreste,  allerdings  in  sehr  schlechter  Erhaltung,  führen.  So  traf 
ich  Belemniten-Fragmente  in  diesen  Kalken  bei  Soffranco  im  Mae- 
Thal  und  im  benachbarten  Val  Grisol,  an  dem  erstgenannten  Punkte 
auch  Spuren  von  Ammoniten.  Bemerkenswerth  erscheinen  die  in 
dem  grauen  Kalk  eingelagerten  rothen  Mergel,  die  sich  namentlich 
in  der  Umgebung  von  Longarone  an  mehreren  Punkten  finden.  In 
der  Sammlung  der  geologischen  Reichsanstalt  liegt  bereits  seit 
längerer  Zeit  ein  Exemplar  von  Phylloceras  heterophyllum  Sow.  aus 
rothem  Mergel  von  Longarone.  Ich  traf  diese  rothen  Einlagerungen 
am  Wege  von  Longarone  in  das  Mae-Thal,  unmittelbar  vor  dem 
Dorfe  Igne,  dann  in  einem  Wasserrisse,  westlich  dieses  Dorfes,  mit 
zahlreichen,  aber  schlecht  erhaltenen  Ammoniten,  grossen  Lytoceras- 
und  HarpoceraS'YoTvaen,  die  letzteren  dem  Harp.  bifrons  oder  Harp. 
boreale  vergleichbar.  Besseres  Material  dürften  die  hellen  Kalke 
liefern,  welche  ostwärts  von  der  Piave,  z.  B.  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Casso  sich  finden.  Dort  kommen  in  dem  grossen  Haufen 
von  Felstrümmern,  der  sich  nördlich  von  Casso  gegen  die  höheren, 
grösstentheils  bereits  ausserhalb  der  Karte  liegenden  Zinnen  hinan- 
zieht, dichte  hellgraue  kieselreiche  Kalke  mit  zahlreichen  Durch- 
schnitten von  Ammoniten  vor.* 

Ueber  das  Verhältniss  dieser  Cephalopoden  führenden  Gesteine 
zu  den  , grauen  Kalken*  liegen  mir  leider  keine  Nachrichten  vor. 
Jedenfalls  kommen  bei  Longarone,  noclj  östlich  von  der  Piave,  die 
, grauen  Kalke*  vor,  denn  Dr.  Hoernes  erwähnt  von  S.  Antonio 
(am  Wege  von  Cadissago  nach  Casso)  mächtige  graubraune  Oolithe, 
über  welchen  die  hellweissen  und  gelblichen  kömigen  Kalke  folgen, 
welche  weiter  westlich  durch  die  Einlagerungen  der  Brachiopoden- 
Bänke  von  Sospirolo  ausgezeichnet  sind. 

Die  Neocom-Schichten  des  Monte  Pramper,  Monte  Megna  und 
Monte  Campello  bestehen  aus  den  rothen,  Scaglia  ähnlichen  Mergeln, 
über  welchen  ein  dichter  heller  Kalk  lagert,  welcher  dieselben 
local,  wie  am  Monte  Pramper,  sogar  ganz  vertritt  und  mehr 
Aehnlichkeit  mit  Dachsteinkalk  als  mit  Biancone  zeigt. 


XV.  CAPITEL. 
Die  Umgebungen  von  Belluno. 

Zar  allgemeinen  Orientirung.  -  Der  Scheiderücken  zwischen  der  Mulde  von  Belluno  und  der 
oberitanenischen  Ebene.  -  Das  Thal  von  Belluno.  -  Die  Tertiär-Ablagerungen  der  Umgebung 
von   Serravalle.    -    Die  jüngeren   Schuttabiagerungen.    -    Die  Moränen   von   Colle  Umberto, 

Santa  Croce  und  Vedana. 

Die  grosse,  von  Tertiärbildungen  erfüllte  Thalweitung  des  Piave* 
Flusses  zwischen  Feltre  und  Belluno  oder,  wie  man  von  orographi- 
schen  Gesichtspunkten  aus  auch  sagen  kann,  die  Mulde  von  Belluno 
schliesst  sich  tektonisch  an  die  im  vorigen  Capitel  besprochene 
Kreide-Landschaft  zwischen  Feltre  und  Tesino.  Während  die  Bruch- 
linie von  Belluno  im  Osten  von  Val  di  Martino  zwischen  dem 
•steil  Süd  abfallenden  Schenkel  des  nördlichen  Kalkhochgebirges  und 
<len  jüngsten  Tertiärschichten  der  Mulde  von  Belluno  bis  über  den  Ost- 
rand unserer  Karte  hinaus  fortläuft,  neigt  sich  zwischen  Val  di  Martino 
und  dem  Monte  Aurin  bei  Feltre  das  Kreidegebirge  östlich  in  die 
Tiefe  und  unterteuft  regelmässig  die  nun  im  Osten  folgende  breite 
Zone  von  Tertiärschichten.  Am  Monte  Aurin,  welcher  wahrscheinlich 
•durch  eine  Verwerfung  von  dem  Kreide-Massiv  des  Monte  d'Avena 
getrennt  ist,  wendet  sich  das  Fallen  der  Kreideschichten  steil  süd- 
östlich und  ein  Streifen  von  Scaglia  begleitet  die  Südseite  dieses 
Berges.  Jenseits  des  Torrente  Stizzone  steigt  das  Kreidegebirge 
wieder  mit  entgegengesetztem  Fallen  empor  und  bildet  anfangs 
östlich  streichend,  vom  Col  Vicentin  an  aber  sich  nördlich  wendend, 
die  südliche  und  östliche  Begrenzung  der  Thalweitung  von  Belluno. 
Die  tektonische  Anordnung  der  Tertiärlandschaft  entspricht  daher 
der  Gestalt  einer  langgestreckten  halben  Mulde.  Im  Westen,  Süden 
und  Osten  sind  die  Muldenränder  vorhanden,  auf  der  Nordseite 
aber  ist  die  Mulde   durch   den    Belluneser  Bruch   an   den  jüngsten 

Mojsisovics.  Dolomitriffe.  t  ^q 


^CQ  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

marinen  Becken-Ausfiillungen  abgeschnitten.  Bei  oberflächlicher 
Betrachtung  der  Karte  scheint  es,  als  ob  bei  Ponte  nell'  Alpi  die 
Mulde  sich  auch  gegen  Norden  schliessen  würde.  Es  ist  aber  hier 
erstlich  noch  ein  ansehnlicher,  durch  jüngere  Schuttbildungen  aus- 
gefüllter Zwischenraum  vorhanden,  durch  welchen  die  Tertiär- 
schichten immerhin  noch  durchstreichen  können,  sodann  streicht  im 
Norden  der  Südflügel  des  Hochgebirges  in  derselben  steil  auf- 
gerichteten Lage  fort,  und  endlich  lehrt  die  Karte,  dass  östlich  von 
Soccher  die  Tertiärschichten  wieder  in  ganz  derselben  Weise  an 
den  Südflügel  des  Hochgebirges  herantreten,  wie  im  Westen  von 
Ponte  neir  Alpi.  Hoernes  hat  aber  weiters  noch  gezeigt,  dass  die 
Thalspalte  von  Sta.  Croce  einer  horizontalen  Verschiebung  des  Col 
Vicentin-Zuges  gegen  Norden  entspricht.  Der  Zusammenhang  dieser 
Spalte  mit  den  modernen  Erdbeben-Erscheinungen,  denen  diese 
Gegend  so  häufig  ausgesetzt  ist,  macht  es  sogar  wahrscheinlich, 
dass  die  nördliche  Verschiebung  des  Col  Vicentin-Zuges  noch  heute 
fortdauert  *). 

Der  nur  zum  Theile  noch  in  den  Bereich  unserer  Karte 
fallende  Südrand  des  südlichen  Kreide-Gebirgszuges  bildet  die  Grenze 
gegen  die  venetianische  Tiefebene.  Weiter  im  Südwesten,  ausser- 
halb unserer  Kartengrenzen  treten  ausgedehnte  Massen  älterer  For- 
mationen unter  den  fortsetzenden  Kreidebildungen  dieses  Gebirges 
zu  Tage  und  schliessen  sich  diesselben  direct  an  die  Südhälfte  der 
Sette  Communi-Tafelmasse. 

Ich  überlasse  nun  für  die  Detailschilderungen  Herrn  Dr.  Hoernes 
das  Wort,  welcher  die  ganze,  in  diesem  Capitel  zu  schildernde 
Region  untersucht  und  kartirt  hat. 


*)  Es  kann  nicht  im  Plane  dieses  Buches  liegen,  auf  die  Schilderung  der 
neueren  Erdbeben-Erscheinungen  im  Districte  von  Belluno  einzugehen,  nachdem 
Ober  diesen  Gegenstand  bereits  eine  sehr  reiche  Literatur  vorliegt  und  überdies 
neuestens  von  Hoernes  der  Zusammenhang  dieser  Erdbeben  mit  dem  geologischen 
Bau  der  Sodalpen  ausführlich  besprochen  worden  ist.  Ich  füge  jedoch  hier  ein 
Verzeichniss  der  wichtigsten  Specialarbeiten  über  das  Erdbeben  vom  29.  Juni  1873 
bei  und  verweise  Diejenigen,  welche  ein  besonderes  Interesse  für  den  Gegenstand 
haben,  auf  die  Arbeiten  von  Bittner  und  Hoernes. 

Literatur  über  das  Erdbeben  von  Belluno:  Pirona  e  Taramellt,  Sul 
Terremoto  del  Bellunese  del  29.  Giugno  1873.  —  G.  v.  Rath,  Das  Erdbeben  von 
Belluno.  N.  Jahrb.  v.  Leonhard  und  Geinitz,  1873,  Seite  70,  —  A.  Bittner,. 
Beitr.  zur  Kenntn.  des  Erdbebens  von  Belluno.  Sitz.-Ber.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiss- 
Wien,  1874,  Seite  541.  —  R.  Falb,  Gedanken  und  Studien  über  den  Vulcanismus, 
mit  besonderer  Beziehung  auf  das  Erdbeben  von  Belluno.  —  H.  Hoefer,  Das  Erd- 
beben von  Belluno.  Sitz.-Ber.  d.  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Wien,  1876.  —  R.  Hoernes 
Erdbeben-Studien.  Jahrb.  d.  Geol.  R.-A.  1878. 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  ^cj 

I.  Der  Scheiderücken  zwischen  der  Mulde  von  Belluno  und  der 

oberitalienischen  Ebene. 

Dieser  Scheiderücken  fällt  nur  zum  geringen  Theile  in  den 
Bereich  des  Kartenblattes,  und  nur  insofeme,  als  er  auf  demselben 
dargestellt  erscheint,  war  er  Gegenstand  der  geologischen  Unter- 
suchung. Das  Streichen  dieses  vorwaltend  aus  Ablagerungen  der 
Kreideperiode  gebildeten  Höhenzuges  geht  von  Südwest  nach 
Nordost.  Wir  haben  es  mit  einer  Anticlinale  von  sehr  flacher 
Wölbung  zu  thun.  Die  Schichten  fallen  gegen  die  Mulde  von 
Belluno  sehr  flach  nach  Nordwest,  gegen  die  Ebene  etwas  steiler 
nach  Südost.  Diese  letzte  Anticlinallinie,  welche  den  Fuss  der  Süd- 
alpen gegen  die  oberitalienische  Ebene  bildet,  wird  in  der  Gegend 
von  Sta.  Croce  von  einer  Querspalte  durchbrochen,  welche  parallel 
ist  der  Spalte  von  Perrarolo  -  Capo  di  Ponte.  Auf  dieser  Quer- 
spalte hat  eine  Verschiebung  der  angrenzenden  Gebirgstheile  in  der 
Weise  stattgefunden,  dass  die  östliche  Fortsetzung  des  anticlinalen 
Höhenzuges,  welche  das  Plateau  des  Bosco  del  Cansiglio  bildet, 
um  mehr  als  zehn  Kilometer  weiter  südlich  liegt  als  der  westliche 
Theil,  der  in  den  Höhen  des  Monte  Faverghera  und  Monte  Pascolet 
steil  gegen  den  Lago  di  Sta.  Croce  abfällt.  Die  weiter  unten  folgende 
schematische  Skizze  erläutert  diese  Verhältnisse,  in  Folge  deren 
ebenso  wie  die  anticlinalen  Höhenzüge,  auch  die  synclinalen  Mulden 
gegeneinander  verschoben  erscheinen,  und  die  Abtrennung  des 
kleineren  Beckens  von  Alpago  von  der  grösseren  Mulde  von  Belluno 
wird  durch  sie  erklärt.  Mit  der  Querbruchlinie  des  Lago  di 
Sta.  Croce  hängt  die  Bildung  eines  Querthaies  zusammen,  welches 
zwar  heute  nicht  von  der  Piave  durchströmt  wird,  obwol  es  nahezu 
in  der  geraden  Verlängerung  ihres  Oberlaufes  von  Perrarolo  bis 
Capo  di  Ponte  (Ponte  nell'  Alpi)  liegt,  wol  aber  zur  Diluvialzeit 
einem  mächtigen  Arme  des  Piave-Gletschers  den  Durchgang  zur 
oberitalienischen  Ebene  gestattete.  Diese  Verschiebungsspalte  war 
auch  die  Hauptstosslinie  des  Erdbebens  vom  29.  Juni  1873;  an 
dieser  Linie  lagen  die  am  härtesten  von  der  Erschütterung  betroffenen 
Ortschaften,  während  die  parallele  Querbruchlinie  von  Perrarolo- 
Capo  di  Ponte  und  ihre  Verlängerung  bis  in  die  Umgebung  von 
Belluno  eine  zweite  Stosslinie  darstellte. 

Im  Scheiderücken  zwischen  der  Mulde  von  Belluno  und  der 
oberitalienischen  Tiefebene  begegnen  wir  keiner  grossen  Manigfaltig- 
keit  von  Formationen.  Die  Hauptrolle  spielt  die  in  mehreren 
Facies  auftretende  Kreideformation,  unter  welcher  im  nordwestlichen 
Theile  des  Höhenzuges  nur  untergeordnet   an  einer  einzigen  Stelle, 


20*  ! 


I 


AC2  I^ic  Umgebungen  von  Belluno. 

in  dem  tiefen  Thaleinriss  zwischen  S.  Leopolde  und  Tovena,  die 
tieferen  Schichten,  Jura  und  Lias,  auftauchen,  während  im  südwest- 
lichen Theile,  in  der  Umgebung  des  Engpasses  von  Quero,  die 
letzteren  eine  grössere  Rolle  spielen  und  im  Monte  Ceren  und 
Tomatico*)  sehr  mächtig  entwickelt  sind.  Doch  fällt  dieser 
Gebirgstheil  ausserhalb  des  untersuchten  Terrain-Umfanges  der  Karte. 

1.  Lias.  In  der  Schlucht,  welche  sich  bei  S.  Ubaldo  (S.  Leo- 
poldo  der  neuen  Specialkarte)  nach  Süden  gegen  Tovena  öffnet, 
finden  sich  mächtige  Schichten  von  jenem  eigenthümlichen  Gestein 
von  dolomitischem  Ansehen,  dessen  Vorkommen  ich  auch  in  den 
liasischen  Gesteinen  am  linken  Piave-Ufer  bei  Longarone  beobachten 
konnte.  Ob  unter  diesem  Gesteine  auch  jene  Oolithe  folgen,  die 
ich  am  Wege  von  Codissago  nach  Casso  beobachtete,  habe  ich 
nicht  untersucht;  die  Wände  der  Schlucht  bestehen  von  S.  Ubaldo 
bis  nahe  der  Ortschaft  Tovena,  also  weit  unter  dem  südlichen 
Rande  unseres  Kartenblattes,  ausschliesslich  aus  dem  eigenthüm- 
lichen lockeren  Gestein  von  dolomitischem  Ansehen.  Es  sei 
übrigens  bemerkt,  dass  ich  dasselbe  auch  in  der  Thalschlucht  der 
Piave,  Südost  von  Feltre,  wenig  (etwa  2  Kilometer)  von  S.  Vittore 
entfernt,  antraf,  woselbst  auch  oolithische  Gesteine  von  braungrauer 
Farbe  auftreten. 

2.  Mittlerer  (?)  und  oberer  Jura.  Kieselige  Knollenkalke 
von  grauer,  stellenweise  rother  Farbe  traf  ich,  ohne  Fossilien,  mit 
Ausnahme  undeutlichre  Ammonitenspuren,  zu  beobachten,  in  der 
Umgebung  von  S.  Ubaldo  unter  dem  Monte  Cimone  und  Monte 
Grassura,  sowie  bei  S.  Vittore,  Südost  von  Feltre,  beide  Male  selbst- 
verständlich in  sehr  geringer  Ausdehnung. 

3.  Kreide.  In  den  Ablagerungen  dieser  Periode  lassen 
sich  in  unserem  Gebiete  hauptsächlich  drei  Facies  unterscheiden, 
nämlich  Biancone,  Scaglia  und  Hippuritenkalk.  Der  Hippu- 
ritenkalk   tritt  nur  am  Lago   di    Croce   in   grosser  Mächtigkeit   auf 

*j  Der  Monte  Tomatico  war  im  November  und  December  i85i  Gegenstand 
grosser  Furcht  der  Einwohner  von  Feltre  durch  ein  eigenthOmliches  Schall- 
phänomen. Es  bestand  dasselbe  in  einem  wiederholten  Geräusch,  das  am  ehesten 
noch  mit  dem  Schalle  verglichen  werden  konnte,  welchen  ein  in  ein  grosses 
Wasserbassin  fallender  Felsen  her\'orbringt.  Nach  manchen  Schlägen  konnte  man 
ein  Erzittern  des  Bodens  beobachten.  Der  Hauptsitz  der  Erscheinung  war  Villago, 
nur  manchmal  wurden  die  Detonationen  und  das  Schwanken  des  Bodens  auch  in 
Feltre  selbst  bemerkt.  Obwol  keine  Veränderung  der  Erdoberfläche  stattfand,  darf 
man  wol  bei  diesem  Phänomen,  ebenso  wie  bei  der  verwandten  Erscheinung,  die 
sich  in  dtn  Jahren  1822 — 24  auf  der  Insel  Meleda  zeigte,  auf  unterirdische  Ein- 
stürze schliessen,  keinesfalls  stehen  diese  Detonationsphänomene  in  irgend  welchem 
Zusammenhange  mit  eigentlichen  Erdbeben.  Hoernes. 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  ^rj 

und  bildet  die  steil  zum  See  abfallenden  Wände  des  Monte  Pascolet. 
Weitere  Verbreitung  erlangt  er  im  Bosco  del  Cansiglio.  Biancone 
und  Scaglia  sind  keineswegs  als  zwei  zeitlich  verschiedene  Glieder 
von  strenger  Begrenzung  aufzufassen,  doch  entsprechen  die  Ver- 
hältnisse im  Gebirgszuge  südlich  von  der  Mulde  von  Belluno  mehr 
der  gewöhnlichen  Aimahme  über  die  Stellung  der  Scaglia.  Es 
treten  wenigstens  rothe  Mergel  von  der  Facies  der  Scaglia  nicht  in 
den  tiefsten  Schichten  der  Kreide  auf,  sondern  sie  sind  auf  die 
oberen  Abtheilungen  beschränkt.  Allenthalben  bildet  hier  die 
Scaglia  die  Grenze  gegen  die  Tertiär-Ablagerungen,  soweit  die  auf- 
gelagerten weit  ausgebreiteten  und  mächtigen  Glacialbildungen  dies 
erkennen  lassen.  Die  Grenze  zwischen  der  mehr  oder  minder 
mächtigen  Scaglia  und  dem  Biancone  aber  ist  eine  willkürliche, 
da  die  Farbe  des  Gesteines  und  die  Homsteinführung  nicht  ent- 
scheiden können^  Versteinerungen  aber  ungemein  selten  sind.  In 
der  kartographischen  Darstellung  habe  ich  mich  lediglich  nach  dem 
am  leichtesten  benutzbaren  Merkmale,  der  Farbe,  orientirt.  Der 
Biancone  erreicht  oft  eine  sehr  bedeutende  Mächtigkeit,  er  besteht 
aus  hellweissen,  oder  grauen,  kieselreichen  Kalken  mit  zahlreichen 
Hornsteinausscheidungen  von  grauer  oder  schwarzer  Farbe,  in 
welchen  verhältnissmässig  selten  Versteinerungen  auftreten.  In  der 
Umgebung  von  Feltre  finden  sich  sehr  mächtige  reinweisse  Kalke 
mit  seltenen  Hornsteinausscheidungen,  von  ausgezeichnet  muschligem 
Bruche.  Aehnliche  Gesteine  treffen  wir  auch  weiter  östlich  in  der 
Nähe  des  Piave  -  Durchbruches ,  vergesellschaftet  mit  grauen, 
mergeligen  Kalken,  die  gänzlich  den  Charakter  der  Fleckenmergel- 
Facies  tragen.  Hier,  bei  Stabie  am  linken  Ufer  des  Flusses,  traf 
ich  in  typischem  Biancone  auch  die  charakteristischen  Versteine- 
nmgen  desselben,  Neocom-Ammoniten  und  undeutliche  Seeigel. 
Schlecht  erhaltenen  Aptychen  begegnet  man  in  diesem  Niveau  auch 
in  der  näheren  Umgebung  von  Feltre,  bei  S.  Vittore  und  am  nörd- 
lichen Gehänge  des  Monte  Tomatico,  bei  Tomo,  nicht  selten..  Eine 
minder  wichtige  Erscheinung  ist  das  häufige  Auftreten  von  Pyrit 
und  Kupferkies  in  zahlreichen,  aber  sehr  kleinen,  meist  nur  zoll- 
grossen  Linsen  in  den  obersten  Schichten  des  Biancone.  Unmittelbar 
unter  den  rothen  Mergeln,  die  wir,  dem  alten  Gebrauche  folgend, 
als  Scaglia  bezeichnen,  findet  sich  in  der  Umgebung  von  Feltre 
.  ein  wenig  mächtiger  Complex  von  grauem,  ziemlich  dunklem  Kalk 
mit  zahllosen  schwarzen  Hornsteinen,  der  von  kleinen  Pyrit-  und 
Kupferkies-Linsen  durchschwärmt  ist.  Dieses  Vorkommen  hat  sogar, 
bei  Ronchena,  Südwest  von  Lentiai^  zu  bergmännischen  Versuchs- 
bauten  Anlass   gegeben,    die   indessen    gleich   nach  Beginn   wieder 


ACA  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

eingestellt  wurden,  sobald  man  die  Natur  des  Vorkommens  erkannt 
hatte.  Die  gleichen  Schichten  lassen  sich  am  Monte  Telva  bei 
Feltre,  am  Nordgehänge  des  Tomatico  bei  Tomo  und  am  Süd- 
gehänge  des  Monte  Aurin  verfolgen. 

Weiter  nach  Osten  walten  dünngeschichtete,  homsteinreiche 
Bänke  von  weissem  Kalk  vor.  Die  Höhen  vom  Col  del  Moi  bis  zur 
Cima  sopra  Lago  werden  vorzugsweise  von  ihnen  gebildet  —  das 
Gestein  ist  ein  kieselreicher,  in  der  Regel  sehr  fester,  muschlig 
brechender  Kalk,  hie  und  da  auch  weniger  consistent  und  mergelig. 
Noch  weiter  nach  Osten  verändert  der  Kalk  seine  Farbe,  der 
Kieselgehalt  tritt  zurück,  undeutliche  Versteinerungen,  Durchschnitte 
von  hochgethürmten  Gasteropoden  (Nerineen?)  und  Pelecypoden 
treten  auf,  und  es  finden  sich  Uebergänge  zum  Hippuritenkalk 
von  Sta.  Croce. 

An  einigen  Stellen,  wie  bei  S.  Isidoro,  südlich  von  Belluno,  findet 
sich  in  den  höchsten  Lagen  des  Biancone  ein  dicker,  blassröthlicher 
Kalk,  der  in  seinem  petrographischen  Habitus  ganz  mit  dem  Dach- 
steinkalk der  Umgebung  von  Ampezzo  übereinstimmt 

Die  Scaglia  wird  vorwaltend  aus  weichen,  versteinerungslosen, 
rothen  Mergeln  gebildet,  die  den  obersten  Theil  der  Kreide- 
formation zusammensetzen.  Die  mächtigen  weichen  Mergel  geben 
in  unserem  Terrain  vielfach  Anlass  zum  Entstehen  enger  und  hoher 
Klammen,  die  in  der  Umgebung  voq.  Villa  di  Villa  und  S.  Antonio 
di  Tortal  bis  loo  Meter  Höhe  bei  kaum  i  Meter  Breite  erreichen. 
Auch  der,  durch  eine  elegante  eiserne  Strassenbrücke  überspannte 
Durchbruch  der  Piave  bei  Ponte  nell'  Alpi  zeigt  eine  enge  Felsgasse 
in  den  Mergeln  der  Scaglia.  —  Selten  treten  in  den  Mergeln  festere 
Bänke  von  Plattenkalk  auf,  die  oft  hellere  Farbe  haben  und  ganz 
den  plattigen  Kalken  des  Biancone  gleichen.  Doch  sind  die  Horn- 
steine  der  Scaglia  immer  von  grellrother  Farbe.  In  dem  niedrigen 
Höhenzuge,  der  sich  vom  Monte  Pascolet  in  nahezu  nördlicher 
Richtung  gegen  Ponte  nell'  Alpi  vorschiebt  und  die  Becken  von 
Belluno  und  Alpago  trennt,  ist  die  Scaglia  zumeist  von  sehr  festem 
Gestein  gebildet,  welches  ebenso  wie  der  inselartig  bei  Cugnan  auf- 
tauchende Biancone  in  grossen  Steinbrüchen  gebrochen  wird  und 
Platten  von  bedeutenden  Dimensionen  liefert. 

Der  Hippuritenkalk  des  Lago  di  Croce  enthält  neben  den 
Hippuriten  Fragmente  von  Korallen  und  Gasteropoden.  Das 
Gestein  ist  von  hellweisser  Farbe  und  erreicht  im  Monte  Pascolet 
bedeutende  Mächtigkeit.  Eine  strenge  Abgrenzung  vom  Biancone 
ist  nicht  möglich,  da  dunkle  Kalksteine  an  manchen  Punkten  einen 
allmählichen  Uebergang  vermitteln.    Diese  Kalke  unterscheiden  sich 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  ^jj 

petrographisch  gar  nicht  von  Dachsteinkalk,  wie  er  uns  in  der 
Umgebung  von  Ampezzo  entgegentritt,  doch  enthalten  sie  ziemlich 
häufig  Fragmente  von  Hippuriten.  Nerineen  etc.  *).  Eine  weitere 
Facies  der  Kreide,  einen  fast  lediglich  aus  Resten  von  Korallee 
■und  Spongien  bestehenden  Kalk,  der  auch  andere  schlecht  erhaltene 
Fossilien  umschliesst,  beobachtete  ich  am  Westgehänge  des  Bosco 
de!  Cansiglio  bei  Serravalle. 


Scbio-Scliicblcn 


Sctaemkliiirtc  □■ritctluac  der  borüonulen  VcrKhlebuag  von  Santa  Croce, 

Ich  wende  mich  nun  zur  Schilderung  des  Querthaies  von 
Sta.  Croce,  wol  der  eigenthiimlichsten  Erscheinung,  die  wir  in  diesem 
Gebiete  der  Alpen  wahrnehmen.  Auf  dem  Wege  von  Ponte  nell' 
Alpi  nach  Serravalle  passirt  man  zunächst  den  tief  in  die  Scaglia- 
Mergel  eingerissenen  Durchbruch  der  Piave  und  umfährt  dann  auf 
nahezu  horizontaler  Strasse  den  niedrigen,  \'om  Monte  Pascolet 
nach  Norden  sich  erstreckenden,  vorzugsweise  aus  Scaglia  bestehen- 
gen Höhenzug.  Zwischen  Ponte  nell'  Alpi  und  Canevoi  bemerkt 
man  auf  dem  jenseitigen  Ufer  der  Piave  eine  ziemlich  hohe  Terrasse, 
aus  horizontal  gelagerten  praeglaciaien  Conglomeratbänken  bestehend, 

•)  Vgl.  Seite  ,oi. 


4S6 


Die  Umgebungen  von  Belluno. 


auf  welcher  die  Ortschaften  Ponte  nell'  Alpi  und  Polpet  liegen.  Die 
diluvialen  Conglomeratbänke  treten  an  einigen  Punkten  bei  Canevoi 
auch  am  diesseitigen  Ufer  auf.  Bemerkenswerth  ist  dieses^  weil  der 
Ort  Cadola  und  dessen  grosse  Kirche  fast  gar  nicht  vom  Erd- 
beben 1873  gelitten  haben,  während  das  unmittelbar  benachbarte 
Soccher  fast  gänzlich  zerstört  wurde.  Der  erste  dieser  Orte  aber 
liegt  auf  den  festen  Mergeln  der  Scaglia,  der  zweite  auf  den 
diluvialen  Ablagerungen  und  zugleich  auf  der  grossen  Stosslinie, 
von  welcher  wir  sofort  zu  sprechen  haben  werden.  Von  Canevoi 
bis  nahe  an  das  Nordende  des  Lago  di  Croce  läuft  die  Strasse  an 
den  sanft  ansteigenden  Höhen  der  Scaglia,  während  sich  zur  Linken 
eine  circa  einen  Kilometer  breite,  sumpfige  Ebene  ausbreitet,  die 
vom  Fiume  Rai  durchströmt  wird.  Jenseits  dieses  ausgedehnten, 
sumpfigen  Terrains,   das   als  Fortsetzung   des  Lago    di    Croce    an- 


Monte  Pascolet 


Santa  Croce 


NW. 


SO. 


a  =:  Hippuritenkatk ;  b  =  Scaglia;  e=  Eocan-Flysch;  d  =  Glacialschutt:  e=:  Gehängschutt. 


gesehen  werden  kann,  erheben  sich  die  tertiären  Hügel  des  Beckens 
von  Alpago.  Auf  der  rechten  Seite  der  Strasse  setzt,  nahe  dem 
nördlichen  Ende  des  Sees  von  Sta.  Croce,  ein  wenig  mächtiger  Zug 
von  Biancone  herab,  der  den  Hippuritenkalk  des  Monte  Pascolet 
von  der  Scaglia  trennt.  Das  westliche  Ufer  des  Lago  di  Croce  wird 
grösstentheils  durch  diesen  weissen  Hippuritenkalk  gebildet,  während 
am  östlichen  die  tertiären  Ablagerungen  des  Alpago -Beckens  auf- 
treten. Die  letzteren  reichen  jedoch  an  einer  Stelle,  in  der  unmittel- 
baren Umgebung  von  Sta.  Croce  auch  über  den  See  herüber  und 
treten  unmittelbar  unter  den  Hippuritenkalkwänden  des  Monte 
Pascolet  auf  Gehängschutt  von  ziemlich  grosser  Ausdehnung  ver- 
deckt die  Bruchlinie  selbst,  auf  der  eocäner  Flysch  und  Hippuriten- 
kalk nahe  bei  dem  Orte  Sta.  Croce  zusammenstossen  müssen.   Dies 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  ^cy 

zeigt,  dass  die  Querbruchlinie  hier  hart  am  östlichen  Steilabfall  des 
Monte  Pascolet  und  Monte  Faverghera  verläuft.  Am  Südende  des 
Sees,  dort,  wo  die  Strasse  von  Sta.  Croce  gegen  Cima  Fadalto 
zu  steigen  beginnt,  sind  an  der  Strasse  selbst  die  Mergel  der 
Scaglia  aufgeschlossen,  offenbar  das  Liegende  des  eocänen  Flysches 
bildend^  der  nordwestlich  von  Sta.  Croce  ansteht  Grosse  diluviale 
Schuttmassen  erschweren  hier  die  Beobachtung,  die  trotzdem 
den  Zusammenhang  dieser  beiden  isolirten  Vorkommen  von  Flysch 
und  Scaglia  mit  der  Masse  des  Bocco  del  Cansiglio  voraus- 
setzen lässt. 

Die  heutigen  hydrographischen  Verhältnisse  des  Querthaies 
von  Sta.  Croce  •sind  äusserst  eigenthümliche.  Offenbar  war  das  Thal 
einst  von  Nord  bis  Süd,  von  Capo  di  Ponte  bis  Serravalle  offen, 
wenn  auch  der  Durchbruch  nur  von  einem  Gletscherarme  und  nicht 
von  fliessendem  Wasser  benützt  gewesen  sein  mochte.  Die  Moränen- 
bildungen des  sich  zurückziehenden  Gletschers  aber  sperrten  das 
Thal  an  mehreren  Stellen  und  veranlassten  die  Bildung  grösserer 
und  kleinerer  Seen,  von  welchen  der  grösste,  der  Lago  di  Croce, 
heute  durch  den  Fiume  Rai  mit  der  Piave  zusammenhängt,  während 
der  Lago  Morte  zwar  keinen  oberirdischen  Abfluss  hat,  jedoch  die 
ihm  vorgelagerte  Endmoräne  in  einem  unterirdischen  Abzugscanal 
durchbricht,  der  bei  Bottejani  so  mächtig  zu  Tage  tritt,  dass  er 
sofort  eine  grosse  Mühle  treibt  und  bei  Serravalle  schon  zu  einem 
bedeutenden  Flusse  angewachsen  ist.  Die  Richtung  des  Querthales 
und  der  Strasse  entspricht  von  Cima  Fadalto  bis  Serravalle  nicht 
mehr  der  Richtung  des  Verschiebungsbruches,  das  Thal  weicht  gegen 
Südwest  ab,  entspricht  in  seiner  Richtung  nahezu  dem  Streichen 
der  ziemlich  steil  aufgerichteten  Biancone-Schichten  und  ist  lediglich 
Auswaschungsthal.  Die  Bruchlinie  hingegen  liegt  weiter  östlich,  wie 
man  an  dem  verschiedenen  Streichen  und  Fallen  der  Kreideschichten 
östlich  vom  Lago  Morte  deutlich  sehen  kann.  Während  dort  die 
Schichten  in  der  Hauptmasse  des  Bosco  del  Cansiglio  schwach 
gegen  Nordwest  geneigt  sind,  fallen  sie  im  Monte  Agnellezza,  der 
einen  südwestlichen  Vorsprung  des  Bosco  del  Cansiglio  gegen 
Serravalle  bildet,  ziemlich  steil  nach  Südost.  Die  Bruchlinie  liegt 
jedoch  hier  schon  ausserhalb  unseres  Kartenblattes  —  sie  findet 
ihre  Fortsetzung  in  dem  Steilabfall  des  Bosco  del  Cansiglio  gegen 
die  Umgebung  von  Ceneda.  Wie  eine  Bastion  springt  diese  grosse, 
plateauförmige  Masse  aus  der  Front  der  südlichsten  Alpenkette  her- 
vor, die  Stelle  bezeichnend,  an  welcher  dieselbe  von  einem  Quer- 
bruche zerrissen  wurde,  auf  welchem  eine  bedeutende  Verschiebung 
der  angrenzenden  Gebirgstheile  stattfand. 


^eg  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

2.   Das  Thal  von  Belluno. 

Die  Mulde  von  Belluno  bildet  ein  weites  Thal,  dessen  syn- 
clinale  Achse  von  West-Südwest  nach  Ost -Nordost  gerichtet  ist.  Ihre 
grösste  Breite  erreicht  sie  im  östlichen  Theile,  während  der  west- 
liche sich  bedeutend  verschmälert.  Im  Osten  wird  sie  vom  Becken 
von  Alpago  abgetrennt  durch  jenen  niedrigen,  grösstentheils  aus 
Scagliä  bestehenden  Rücken,  welchen  der  südliche  Gebirgszug,  der 
die  Mulde  von  der  Ebene  trennt,  bis  Capo  di  Ponte  vorsendet. 
Während  die  flachen  Gehänge  des  südlichen  Scheiderückens  sehr 
regelmässig  von  eocänen  Ablagerungen  bedeckt  werden,  die  auf  den 
rothen  Mergeln  der  Scaglia  liegen,  treten  die  eocänen  Bildungen  in 
der  Nordhälfte  der  Mulde  nirgends  auf,  wenigstens  konnte  ich  sie 
nicht  anstehend  treffen.  An  einigen  Punkten  findet  sich  wol,  wie  bei 
Tisoi  und  Giozzo,  nordwestlich  von  Belluno,  Nummulitenkalk  ziem- 
lich häufig  in  den  diluvialen  Schuttmassen,  es  deutet  dies  jedoch 
nur  darauf  hin,  dass  an  irgend  einer,  jetzt  durch  die  diluvialen 
Schuttmassen  verdeckten  Stelle  eine  Scholle  von  Eocän  vorhanden 
gewesen  sein  mag,  gerade  so,  wie  an  einigen  Punkten  daselbst  auch 
die  Scaglia  auftritt,  die  sonst  an  der  Nordseite  der  Mulde  von 
Belluno  fehlt.  Die  anstehenden  Tertiär-Ablagerungen  des  nördlichen 
Theiles  der  Mulde  aber  gehören  ausnahmslos  dem  Complexe  der 
Schio-Schichten  an. 

Die  Mulde  von  Belluno  wird  der  Länge  nach  von  der  Piave 
durchströmt.  Der  Fluss  hält  sich  nicht  in  der  Mitte  der  Synclinale, 
sondern  etwas  südlicher,  auch  verlässt  er  die  Mulde,  ohne  sie  bis 
zu  ihrem  bedeutend  höher  liegenden  Westende  zu  durchströmen, 
südlich  von  Cesana,  um  sich  im  Durchbruche  von  Quero  einen 
Weg  durch  den  südlichen  Höhenzug  zu  bahnen.  Der  Lauf  des 
Flusses  ist  sehr  unregelmässig,  zumeist  ist  sein  Bett  weit,  von 
AUuvionen  erfüllt,  welche  die  reissenden,  in  zahlreiche  Arme 
getheilten  Gewässer  fortwährend  verschieben.  Nur  an  wenigen 
Punkten  ist  der  Fluss  fixirt  und  bricht  sich  engere  Bahnen  durch 
härteres  Gestein.  So  gleich  bei  seinem  Eintritt  bei  Ponte  nell'  Alpi, 
wo  er  die  Mergel  der  Scaglia  durchbricht,  bei  Belluno,  wo  ihn  fester 
eocäner  Flysch  einengt,  bei  Cesana,  wo  er  sich  wieder  durch  die 
Scaglia  seinen  Weg  bahnen  muss.  Zwischen  Ponte  nell'  Alpi  und 
Belluno  ist  das  Bett  des  Flusses  sehr  ausgedehnt,  zugleich  sieht 
man  die  zumeist  sehr  steilen  Ufer  auf  das  deutlichste  bis  zu 
bedeutender  Höhe  abterrassirt.  Von  Belluno  bis  in  die  Umgebung 
von  Mel  erlangen  die  AUuvionen  der  Piave  und  ihr  Bett  keine 
besonders  grosse  Ausdehnung,  da  der  ziemlich  feste  eocäne  Flysch, 


^ 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  acq 

stellenweise  auch  Nummulitenkalk,  hart  an  sein  Ufer  herantreten.  Dort 
aber,  wo  die  reissenden  Gewässer  des  Torrente  Cordevole  in  die 
Piave  münden  und  nur  alte  diluviale  Schuttkegel  ihr  Ufer  bilden, 
zwischen  Mel  und  Cesana,  erweitert  sich  das  Bett  in  enormer  Weise, 
die  culturunfähigen  Alluvionen  bedecken  einen  grossen  Flächenraum 
und  es  wäre  eine  Regulirung  des  Flusses  dringend  zu  empfehlen. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  eingehenderen  Betrachtung  der 
tertiären  Bildungen  der  Mulde  von  Belluno. 

A.  Die  Eocän-Ablagerungen.  Die  gesammten  Tertiär- Ablagerungen 
zwischen  dem  Kreiderücken,  der  die  Mulde  von  der  oberitalienischen 
Ebene  scheidet,  und  dem  Laufe  der  Piave  gehören  dem  Eocän  an.  Es 
sind  zumeist  blaugraue  Sandsteine,  die  in  der  Verwitterung  braungelb 
werden  und  vollkommen  den  Flyschcharakter  zeigen.  Hieroglyphen 
treten  nicht  selten  in  den  dünngeschichteten  Lagen  auf.  In  diesem 
eocänen  Flysch  treffen  wir  sodann  Nummulitenkalk-Einlagerungen; 
es  lassen  sich  aufs  schärfste  zwei  durchlaufende  Züge  derselben  ver- 
folgen. Der  untere,  weniger  mächtige,  beginnt  bei  Noghera,  südlich 
von  Belluno,  zieht  parallel  vom  Val  di  S.  Antonio  bis  gegen  Tassei 
und  biegt  dort  etwas  nach  West  um.  Seine  nächste  Fortsetzung 
wird  durch  Glacial-Diluvium  verdeckt,  bald  taucht  er  wieder  hervor, 
zieht  eine  bedeutende  Strecke  am  rechten  Ufer  des  Torrente  Limana 
fort,  bis  er  abermals  von  den  Diluvial-Ablagerungen  verdeckt  wird. 
Er  scheint  übrigens  hier  in  kalkigen  Flysch  überzugehen,  denn  im 
Einriss  des  Torrente  Limana  bei  Cafagnoi  ist  kein  Nummulitenkalk 
sichtbar,  wol  aber  in  den  Höhen  zwischen  Cafagnoi  und  Frontin. 
Diesem  unteren  Zuge  von  Nummulitenkalk  gehört  wol  auch  das 
Vorkommen  des  niedrigen,  langgestreckten  Hügels  an,  auf  welchem 
Col  und  Mel  liegen;  doch  ist  der  Kalk  hier  ziemlich  sandig  und  an 
manchen  Stellen  eher  als  kalkiger  Sandstein  zu  bezeichnen,  der 
hie  und  da  völlig  in  Flysch  übergeht.  Der  zweite  Nummulitenkalk- 
zug  schwillt  in  den  Höhen  von  S.  Pietro  in  Tuba  zu  einer  mächtigen 
Masse  an,  die  schon  von  weitem  auffällt,  indem  sie  die  sanften 
Hügel  des  eocänen  Flysch  durch  eine  Kalkwand  unterbricht.  Es 
sind  vor\valtend  grosse  Nummulitenformen,  welche  wir  hier  im 
Querschnitte  zumeist  beobachten  können,  wir  haben  es  offenbar  mit 
dem  sogenannten  Hauptnummulitenkalk  zu  thun.  Diesem  zweiten, 
im  Flysch  auftretenden  Nummulitenkalkzuge  gehört  wol  jener 
schmale  Streifen  des  gleichen  Gesteins  an,  der  am  rechten  Piave- 
Ufer  bei  Pasa  und  Triva  auf  lange  Erstreckung  sich  unmittelbar  am 
Flusse  hinzieht. 

Was  das  Auftreten  der  Eocän-Schichten  auf  der  linken  Seite 
der  Piave  anlangt,  so  beobachten  wir  nur  in  der  Höhe  von  S. 


AißQ  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

in  Tuba  und  in  dem  Plateau,  welches  sich  südöstlich  von  derselben 
ausdehnt,  eine  grössere,  zusammenhängende  Masse,  in  welcher  wir 
auch  die  oben  erwähnten  Nummulitenkalkzüge  beobachten  können. 

Wir  sehen  dann  noch  bei  Belluno,  unmittelbar  am  linken 
Ufer  der  Piave  einen  grösseren,  zusammenhängenden  Streifen  eocä^er 
Ablagerungen,  doch  sind  es  nur  Mergel  und  Sandsteine;  Num- 
mulitenkalk  tritt  hier  nirgends  auf.  Westlich  von  S.  Pietro  in 
Tuba  finden  wir  die  Eocänablagerungen,  abgesehen  von  dem  Schmalen 
Hügel,  auf  welchem  Mel  liegt,  und  vom  Nordgehänge  des  Monte 
Naromal,  nur  in  den  tiefen  Schluchten,  die  von  den  Torrenti  Limana 
und  Ardo  durch  die  enorm  mächtigen  Moränenschuttmassen  ein- 
gerissen worden  sind. 

Nördlich  vom  Piave-Flusse  bildet  eocäner  Flysch  einen  ziemlich 
breiten  Streifen  von  Belluno  bis  in  die  Gegend  von  Bribano. 
Bemerkenswerth  sind  die  Brüche  in  festem,  hellem,  kalkigem  Flysch 
an  der  Strasse  nach  Agordo,  unmittelbar  bei  Belluno,  und  das 
Vorkommen  ähnlicher  Gesteine  bei  Pasa  und  Triva  am  Piave-Ufer. 
Dort  ist  zwar  das  Gestein  noch  reicher  an  Kalk  und  enthält  häufig 
Nummuliten  in  so  grosser  Menge,  dass  wir  es  geradezu  als  Num- 
mulitenkalk  bezeichnen  müssen,  immerhin  greifen  an  einigen  Stellen 
(und  gerade  südlich  von  Triva  findet  sich  eine  solche)  Flysch  und 
Kalk  in  einer  Weise  zungenformig  ineinander,  dass  man  ganz 
gewiss  ein  analoges  Verhältniss  voraussetzen  darf,  wie  zwischen  dem 
miocänen  NuUiporenkalk  und  Tegel  des  Wiener  Beckens.  Petro- 
graphische  Uebergänge  zwischen  Nummulitenkalk  und  Flysch  sind 
zudem  so  häufig,  dass  wir  beide  fiiglich  als  vicarirende  Facies 
betrachten  können. 

Westlich  vom  Cordevole  zieht  der  eocäne  Flysch,  durch  Diluvial- 
Ablagerungen  vielfach  verdeckt,  von  Formegan  über  Anzaven  und 
Dorgnan  gegen  Cart.  Südwestlich  von  Cart  findet  sich  auf  dem  Wege 
nach  Feltre  wieder  eine  Einlagerung  von  Nummulitenkalk,  der  in 
dem  Winkel  bei  Feltre  eine  grössere  Rolle  spielt,  als  der  Flysch. 
Nummulitenkalkmassen  treten  hier  am  Südwestende  des  Beckens 
bei  Mugnai  und  Facen  auf  Besonders  bemerkenswerth  erscheint 
das  vereinzelte  Vorkommen  von  Basalt,  der  im  Nummulitenkalk 
eingelagert,  wenige  Meter  mächtig  in  einem  Wasserriss  nordöstlich 
von  Facen  auftritt,  offenbar  ein  Stromende  der  grossen  vicentinischen 
Basaltdecken. 

B.  SchiO'Schichten.  Der  obere  Theil  des  sogenannten  ,  Sand- 
steines von  Belluno*  zeigt  einen  petrographisch  und  paläontologisch 
vom  unteren  gänzlich  verschiedenen  Habitus;  er  besteht  vorwaltend 
aus   einer   ziemlich    mächtigen   Masse    von   gröberem,    stellenweise 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  aQi 

conglomeratischem,  grünem  Sandstein,  der  häufig  eine  Menge  wol- 
erhaltener  Versteinerungen  beherbergt,  während  der  eigentliche 
Flysch  in  diesem  oberen  Complexe  sehr  zurücktritt.  Doch  finden 
sich  auch  hier  Lagen  von  graublauem,  gelbbraun  verwitternden,  fein- 
kömigen  Sandstein,  der  dem  eocänen  Flysch  nicht  unähnlich  ist 
In  diesem  feinkörnigen  Sandsteine  des  oberen  Complexes  fanden 
sich  bei  Libano  und  Bolzano,  nordwestlich  von  Belluno,  jene 
Wirbelthierreste,  Haifischzähne  und  Wirbel,  sowie  Cetaceen-  und 
Sireniden-Knochen,  welche  theil weise  schon  von  Catullo  und  später 
durch  de  Zigno*)  beschrieben  wurden.  Kalkeinlagerungen  fehlen, 
es  finden  sich  nur  neben  dem  grünen  Sandsteine  auch  weiche, 
^limmerreiche,  graue  Mergel,  die  sich  durch  ein  massenhaftes  Vor- 
kommen von  Fischschuppen  auszeichnen. 

Dieser  jüngere  Complex  von  grünen,  gröberen  Sandsteinen 
und  eingelagertem  Flysch,  sowie  grauem  Mergel  mit  Fischschuppen 
gehört  seiner  Fossilführung  nach  unzweifelhaft  der  Etage  der  Schio- 
Schichten  an. 

Aus  dem  grünen,  oft  conglomeratischen  Sandstein  lagen  mir 
Versteinerungen  von  folgenden  Fundorten  vor:  Alle  Gase  bei 
Umin,  nördlich  von  Feltre,  —  Valle  di  S.  Martino  bei  S.  Gregorio,  — 
zwischen  Mas  und  Gron,  an  der  Strasse  unter  der  grossen  Stirn- 
moräne, —  nordöstlich  von  Orzes  an  der  Strasse  von  Belluno  nach 
Agordo,  —  Vezzan  bei  Belluno.  Namentlich  die  beiden  letzten 
Fundorte  haben  sehr  zahlreiche  Versteinerungen  geliefert. 

Versteinerungen  aus  dem  grauen,  Fischschuppen  führenden 
Mergel  sind  mir  von  folgenden  Fundorten  bekannt  geworden:  Alle 
Gase  bei  Umin,  nördlich  von  Feltre,  —  am  Wege  zwischen  Sospirolo 
und  Susin,  —  Sedico,  West-Südwest  von  Belluno,  —  Wasserriss 
bei  der  Brücke,  Südost  von  Mas,  an  der  Strasse  von  Belluno  nach 
Agordo,  —  südlich  von  Tisoi,  am  Wege  von  Tisoi  nach  Liban, 
Nordwest  von  Belluno,  —  Zeneghe,  Nordwest  von  Belluno. 

Im  Mergel  sind  alle  Versteinerungen  flach  gedrückt  und  zer- 
quetscht, so  dass  sie  der  Bestimmung  grosse  Schwierigkeiten 
-entgegensetzen  —  namentlich  bei  dem  häufigsten  Fossil,  einer  neuen 


*)  Vergleiche  hierüber:  A.  de  Zigno:  Squalodonreste  von  Libano  bei 
Belluno.  Verhandl.  d.  G.  R.-A.  1876,  N.  10,  pag.  232;  lieber  Squalodon  Catulli 
Mol,  sp.  aus  der  miocänen  Molasse  von  Libano  bei  Belluno  (bespricht  ein  von 
Trinker  eingesendetes  StQck  der  Sammlung  d.  G.  R.-A.).  —  Verhandl.  etc.,  1876, 
N.  12.  —  Sirenii  fossili  trovati  nel  Vcneto  (Estr.  dal  Vol.  XVII I.  delle  Memorie 
<ieir  R.  Istituto  Vcneto  1875).  In  letzterer  Publication  spricht  sich  de  Zigno  bereits 
fQr  das  miocäne  Alter  der  Grünsande  von  Belluno  mit  fyrula  condita,  Valuta 
appeninica,  Pholadomya  trigonula,  Cytherea  pedemontana  etc.  aus. 


a62  I^ic  Umgebungen  von  Belluno 

Turritella,  die  der  Turritella  rotifera  Desh.  gleicht,  hat  man  es 
immer  mit  platt  zusammengedrückten  Exemplaren  zu  thun,  an 
welchen  nicht  blos  die  Kiele  der  oberen,  sondern  auch  der  unteren 
Seite  in  einer  Weise  sichtbar  sind,  dass  dadurch  der  Gesammt- 
eindruck  gänzlich  gestört  wird.  Viele  der  vorkommenden  Fossilien 
konnten  blos  generisch  bestimmt  werden  und  dürften  grösstentheils 
neu  sein,  doch  ist  ihr  Erhaltungszustand  ein  derart  schlechter,  dass 
das  vorliegende  Materiale  zu  einer  Beschreibung  neuer  Formen  nicht 
ausreicht.  Auch  der  Erhaltungszustand  der  Versteinerungen  des 
grünen  Sandsteines  lässt  viel  zu  wünschen  übrig,  doch  sind  hier 
die  Arten  mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  erkennen. 

Ich  vermochte  eine  Anzahl  sehr  bezeichnender  Formen  zu 
erkennen,  von  denen  ich  folgende  hervorheben  will*): 

1.  Conus  deperditus  Brong,,  Turritella  cf,  aspertäa  Brong,,  und 
Cardium  anomalum  Math,  als  Arten,  die  häufig  in  den  vicentinischen 
Gomberto-Schichten    (Oberoligocän   Fuchs')    vorzukommen   pflegen. 

2.  Turritella  gradata  Menke,  Venus  multilamella  Lamk.,  Dosinia 
cf,  exoleta  Linn.,  Isocardia  cf.  subtransi^ersa  dOrb.,  Cardium  cf, 
hians  Brocc,  Cardita  scabricosta  Mickt.,  Astarte  cf,  Neumayri 
R,  Hoem.,  Area  cf.  diluvii  Lamk.*  Pinna  Brocchii  dOrb.,  Avicula 
phalaenacea  iMmk.,  Pecten  cf  denudatus  Reuss.  Formen,  die  in  den 
österreichischen  Miocän-Ablagerungen  häufig  auftreten. 

3.  Voltäa  sp.  (apenninica:)  —  Dentalium  cf  grande  Desh,, 
Panopaea  Gastaldii  Micht.,  Panopaea  declivis  Micht.,  Pholodotnya 
trigonula  Michti.,  Venus  dubia  Micht,,  Venus  intermedia  Mich*., 
Cardium  fallax  Micht,,  Crassaiella  carcarensis  Michti,,  Crassatella 
neglecta  Micht.,  Pecten  deletus  Micht,,  Pecten  arcuatus  Brocc,  Janira 
fallax  Micht,  Es  sind  dies  Arten,  die  fast  alle  von  Michelotti  in 
seinen  ,Etudes  sur  le  Miocene  inferieur  de  lltalie  septentrionale, 
1861*  beschrieben  wurden.  Ich  halte  diese  Arten  ftir  charakteristisch 
für  den  Complex,  in  welchem  sie  auftreten. 

Wir  sehen  demnach  eine  Zusammensetzung  der  Fauna  aus 
drei  Elementen,  aus  oligocänen  und  miocänen  Typen,  neben 
welchen  jene  Formen  auftreten,  die  meiner  Meinung  nach  ftir  den 
Complex  der  Schio-Schichten  charakteristisch  sind. 

3.    Die  Tertiärablagerungen  der  Umgebung  von  Serravalle. 

Während  in  der  Mulde  von  Belluno  Eocän-  und  Schio-Schichten 
auftreten,   erscheinen  in  der  Umgebung  von  Serravalle,   am  Saume 


*)  Wegen    weiterer    Details     vgl.    man     einen    ausfohrlichen    Aufsatz    von 
Hoernes  im  Jahrbuche  der  k.  k.  Geolog.  R.-A.  1878,  Seite  9. 


^ 


Die  Umgebungen  von  Belluno. 


463 


der  oberitalienischen  Ebene  Schio- Schichten  und  mediterrane  Ab- 
lagerungen. Das  nachstehende,  etwas  schematische  Profil  zeigt, 
wie  in  der  Umgebung  von  Serravalle,  wahrscheinlich  in  Folge  einer 
Transgression  der  Schio -Schichten,  dieselben  unmittelbar  auf  der 
Scaglia  auflagern  und  weiter  gegen  die  Ebene  von  mediterranen 
Bildungen  gefolgt  werden. 


▼on  Belluno 

Scheiderücken 

Venetianische 

Piave 

Monte  Limon 

Ebene 

NW. 


SO. 


a  =  ßiancone;   h  =  Scaglia;   e  =  F.ysch;   c»  =  Nummulitenkalk :  e"  =  Eocan  ;   d  =  Schio- 
Schichten ;  e  =  Ablagerungen  der  mediterranen  Stufe ;  /  =  Schotterfelder  der  Ebene. 


Die  eocänen  Ablagerungen,  welche  ich  in  der  Umgebung  von 
Serravalle  nirgends  zwischen  Scaglia  und  Schio-Schichten  bemerken 
konnte,  mögen  nicht  sowol  gänzlich  fehlen,  als  vielmehr  durch  die 
Transgression  der  letzteren  verdeckt  sein.  Es  gewinnt  diese  Muth- 
massung  dadurch  grosse  Wahrscheinlichkeit,  dass  auch  die  Scaglia 
nur  in  isolirten  kleinen  Partien  nahe  den  Schio-Schichten  sichtbar 
wird,  die  an  anderen  Stellen  unmittelbar  auf  Biancone  lagern.  Das 
Einfallen  der  Schichten  der  Kreideformation  ist  in  der  Regel  ein 
ziemlich  steiles  —  40 — ^45®  gegen  Südost.  Nahezu  unter  dem  näm- 
lichen Winkel  neigen  sich  auch  die  Schio-Schichten  der  Ebene  zu, 
so  dass  sie  concordant  der  Scaglia  oder  dem  Biancone  aufgelagert 
erscheinen.  Es  wäre  äusserst  auffallend,  wenn  Eocän- Ablagerungen 
in  der  Mulde  von  Belluno  vorhanden  sein  sollten,  während  sie  am 
Aussenrande  des  Rückens,  der  die  Mulde  von  der  Ebene 
trennt,  fehlen  würden.  Ich  zweifle  nicht,  dass  sie  auch  an  letzterer 
Stelle  vorhanden  sind,  wenn  auch  durch  die  jüngeren  Ablagerungen 
verdeckt.  Gleiches  mag  der  Fall  sein  auf  der  ganzen  Strecke  der 
Südalpen  östlich  von  der  in  Rede  stehenden  Gegend  —  in  welcher 
Strecke  man  bis  zum  istrischen  Eocän  keine  Vertretung  dieser 
Etage  kennt. 

Ich  habe  die  Tertiär -Ablagerungen  der  Umgebung  von  Serra- 
valle im  Wesentlichen  nur  insofern  studirt,  als  sie  in  den  Bereich 
der   Südostecke    des   Kartenblattes    fallen.     Nur    zur  Ausdehnung 


AßA  ^^^  Umgebungen  von  Belluno. 

eines  Profils  bis  an  die  Ebene  habe  ich  auch  einige  ausserhalb  des 
gedachten  Blattes  gelegene  Punkte  berührt,  von  denen  unten  die 
Rede  sein  wird. 

Die  für  uns  interessanteste  Gegend  ist  jener  Hügelzug,  welcher 
sich  an  den  von  der  Masse  des  Bosco  del  Cansiglio  nach  Südwest 
gegen  Serravalle  herabreichenden  Monte  Agnellezza  anlehnt  In 
diesem  Hügelzuge  traf  ich  bei  Ciesure,  Val  Calda,  Maren  u.  s.  w- 
eine  ungemeine  Anzahl  von  Versteinerungen,  Arten,  die  in  ihrer 
eigenthümlichen  Vergesellschaftung  für  den  Complex  der  Schio- 
Schichten  charakteristisch  sind.  Hier  wie  in  den  Schio-Schichten  von 
Belluno  begegnen  wir  einer  Vergesellschaftung  von  drei  verschie- 
denen Elementen,  Formen,  die  sonst  in  Oligocän-Ablsfgerungen  häufig 
auftreten,  Arten  der  Miocänstufe  und  endlich  Typen,  die  für  die  Schio- 
Schichten  speciell  charakteristisch  sind  Ich  bemerke,  dass  ich  zwar 
an  einer  Reihe  von  Fundorten:  Alpe  Corghe,  nordöstlich  von  Serra- 
valle, —  Maren,  nord-nordostlich  von  Serravalle,  —  Val  Calda,  eben- 
falls nord-nordöstlich  von  Serravalle,  —  am  Wege  von  Ciesure  nach 
Val  Calda,  und  auf  dem  Höhenzuge  zwischen  Ciesure  und  Val  Calda 
eine  grosse  Anzahl  von  Versteinerungen  gesammelt  habe,  dass 
jedoch  der  Formenreichthum  ein  weitaus  geringerer  ist,  als  in  der 
Mulde  von  Belluno.  Es  treten  übrigens  auch  einige  Arten  auf,  die 
für  uns  grosses  Interesse  haben  und  im  Becken  von  Belluno  nicht 
beobachtet  wurden.  Dahin  gehört  vor  Allem  Spondylus  cisalpinus 
Bt'ong.,  eine  ausgezeichnete  oligocäne  Form,  dann  Spondylus  cf. 
crassicosta  Lamk,  und  Nullipora  (Liihothamnium)  cf.  ramosissima, 
die  neben  Turritelhx  gradata  Mcnk,  die  miocänen  Typen  vertreten, 
während  von  charakteristischen  Arten  der  Schio-Schichten  Cardium 
fallax  Micht.,  Pinna  sp.  nov.  (eine  grosse,  sehr  bauchige  Art,  mit 
ungefaltetem  Schnabel),  Pecten  delctus  Micht.,  Pecten  Haueri  Micht., 
Pcctcn  nov,  sp.  (übereinstimmend  mit  einer  von  Herrn  Custos 
Th.  Fuchs  in  den  Schio-Schichten  von  Malta  gesammelten  Form), 
Pcctcn  arcuatus  Brocc.  und  Janira  fallax  Alicht,  zu  nennen  sind. 

Die  Schio-Schichten  von  Serravalle  unterscheiden  sich  auch 
in  ihrem  petrographischen  Charakter  wesentlich  von  jenen  des 
Beckens  von  Belluno  —  es  sind  gelbe,  weiche  Mergel  und  Sand- 
steine, die  in  den  Hügeln  nordöstlich  von  Serravalle  die  genannte 
Fauna  enthalten.  Gröbere  Sandsteine  treten  nicht  auf,  während  wir 
im  vorigen  Abschnitte  gesehen  haben,  dass  der  grüne  Sandstein  von 
Belluno  häufig  in  ein  förmliches  Conglomerat  übergeht. 

Auch  die  Lagerungsverhältnisse  sind  andere.  Im  Becken 
von  Belluno  liegen  die  Schio-Schichten  auf  einer  mächtig  und 
ausgedehnt    entwickelten    Eocänbildung;    in    der   Umgebung    von 


Die  Umgebungen  von  Belluno. 


465 


Bei  Costa 


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Castelio 


Höhenzug  von  S.  Augusta 


Thal  von  Ciesure 


Valcalda 
Cima  Fadalto 


Monte  Faverghera 


Col  Vicentin 


Monte  Cimon 


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3o 


a66  ^i^  Umgebungen  von  Belluno. 

Serravalle  erscheinen  sie  direct  den  rothen  Mergeln  der  Scaglia  auf- 
gelagert und  die  Eocänablagerungen  fehlen  gänzlich.  Auffallend  ist 
es,  dass  die  Mergel  der  Scaglia  und  die  Schio-Schichten  nordöstlich 
von  Serravalle  nahe  das  gleiche  Einfallen  und  sogar  den  gleichen 
Neigungswinkel  zeigen,  so  dass  die  Schichten  concordant  auf  einander 
zu  liegen  scheinen,  wie  dies  das  nebenstehende  Profil  andeutet. 
Wir  bemerken  in  demselben,  welches  von  Nordwest  nach  Südost 
vom  Monte  Cimon  über  Val  Calda  und  Breda  gezogen  ist,  dass  bei 
Val  Calda  über  hellen),  homsteinreichen  Kalk,  dessen  wolgeschichtete 
Massen  in  dem  steilen  Abfall  zum  Thal,  in  welchem  die  Strasse 
nach  Cima  Fadalto  hinaufzieht,  sichtbar  werden,  in  ziemlich  geringer 
Mächtigkeit  die  rothen  Mergel  der  Scaglia  folgen..  Es  sind  eigent- 
lich nur  einige  Strecken,  an  welchen  dieselben  sichtbar  werden,  zu- 
meist scheint  die  Scaglia  gerade  so  von  den  transgredirenden  Schio- 
Schichten  verdeckt  zu  sein,  wie  die  Eocänablagerungen.  Die  Basis 
der  Schio-Schichten  wird  gebildet  von  einem  grauen,  zerreiblichen 
Sandstein  mit  Turritella,  Pinna  und  anderen  Gasteropoden  und 
Pelecypoden  —  am  charakteristischsten  für  diese  unterste  Schicht  aber 
ist  das  massenhafte  Vorkommen  von  Balanen,  so  zwar,  dass  man 
den  Sandstein  geradezu  als  Balanensandstein  bezeichnen  könnte. 
Ueber  dem  Balanensandstein  folg^  ein  gelblicher,  ziemlich  weicher 
Mergel  mit  Pecten  deUtus  Michti.  und  zahlreichen,  aber  schlecht 
erhaltenen  Echiniden  (Schizaster).  Es  folgt  hierauf  festerer  Sandstein, 
der  den  Rücken  zwischen  Val  Calda  und  dem  Thal  von  Ciesure 
bildet.  In  diesem  Sandstein  kommen  Scutellen  und  flache  Clypeaster 
in  grossen  Mengen  vor,  sind  jedoch  aus  dem  verhältnissmässig 
festen  Materiale  schwer  zu  gewinnen.  Den  Abhang  des  Hügel- 
zuges gegen  das  Thal  von  Ciesure  bilden  gelbliche  Sande  und 
Mergel,  in  welchen  in  sehr  grosser  Menge  Lithothamnien-KnoUen, 
sowie  vereinzelt  die  Schalen  von  Spandylus  cisalpinus  und  Sp,  cf. 
crassicosta  auftreten.  Jenseits  des  Thaies  von  Ciesure  durchschneidet 
unser  Profil  einen  ziemlich  mächtigen  Zug  von  festem,  blaugrauem 
Flysch,  der  sich  zur  Höhe  von  S.  Augusta  bei  Serravalle  fort- 
setzt. Es  folgt  dann  ein  flaches  Gehänge,  das  lediglich  aus  fossil- 
leerem, blaugrauem  Sandstein  gebildet  wird,  dann  aber  schneidet 
das  Profil  eine  höchst  eigenthümliche  Ablagerung,  von  der  später 
noch  die  Rede  sein  soll:  wechsellagernde  Schichten  von  fein- 
körnigem Sandstein  und  grobem  Conglomerat,  die  den  Typus 
fluviatiler  Bildung  tragen  und  die  Hügel  bei  Breda  zusammensetzen« 
Es  folgt  sodann  eine  kleine  Ebene,  von  Diluvialablagerungen  be- 
deckt, und  zuletzt  schneidet  unser  Profil  noch  einen  unbedeutenden 
Höhenzug  bei  dem  Dorfe  Costa,   Nordost  von  Ceneda  und  Südost 


Die  Umgebungen  von  BellunOk  ^^'j 

von  Serravalle,  in  welchem  gelbe,  sandige  Mergel  schlecht  er- 
haltene Conchylien  führen,  die  der  zweiten  Mediterranstufe  Suess' 
angehören  (Conus  sp.,  Ancillaria  glandiformis  Lamk,,  lurritelta 
rotifera  Desh.J. 

Ueber  den  Schio-Schichten,  in  denen  bei  Serravalle  mächtige 
Massen  von  blaugrauem,  festem  Flysch  eingeschaltet  erscheinen, 
folgen  in  der  Umgebung  von  Breda  die  eigenthümlichen  Ablagerungen, 
welche  eben,  bei  Besprechung  des  Profils  erwähnt  wurden.  Es 
sind  feine,  sehr  zerreibliche  Sandsteine,  die  mit  grobem,  schlecht 
verkittetem  Conglomerat  in  wenig  mächtigen,  aber  sehr  zahlreichen 
Bänken  wechsellagern.  Der  feine  Sandstein  wird  trotz  seiner  geringen 
Festigkeit  bei  Breda  als  Werkstein  gebrochen,  indem  man  in  den 
Höhen  rechts  und  links  von  der  tiefen  Schlucht,  die  sich  der  von 
Ciser  herabkommende  Bach  eingerissen  hat,  ziemlich  grosse  Höhlen- 
systeme angelegt  hat.  Die  Steinbrecher  lassen  die  Conglomerat- 
schichten  stehen  und  wühlen  die  feinen  Sandsteine  dazwischen 
heraus,  so  dass  das  Ganze  den  Waben  eines  Bienenstockes  gleicht. 
Die  Bildung  selbst  trägt  in  ausgezeichneter  Weise  durch  bankweise 
Sonderung  des  gröberen  und  feineren  Materiales  den  fluviatilen 
•Charakter.  Die  Schichten  fallen  alle  ziemlich  steil  unter  einem 
Winkel  von  35  bis  40®  nach  Südost,  scheinen  also  von  der  Faltung 
•des  Gebirges  mitbetroffen  worden  zu  sein.  Aller  Wahrscheinlichkeit 
hat  man  es  hier  mit  einem  Aequivalent  der  ersten  Mediterranstufe 
zu  thun,  doch  habe  ich  die  Tertiärablagerungen  bei  Serravalle  zu 
wenig  studirt,  um  hierüber  mir  ein  Urtheil  erlauben  zu  dürfen.  In  der 
Sammlung  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  fanden  sich  aus 
älterer  Zeit  mit  der  Bezeichnung  Serravalle,  ohne  nähere  Fund- 
ortsangabe, einige  Conchylien,  die  nicht  aus  den  Schio-Schichten 
herzustammen  scheinen,  sondern  vielmehr  übereinstimmen  mit  den 
Versteinerungen  der  Hornerschichten,  wie  sie  in  Valsugana  und 
in  den  Monti  Berici  auftreten  *).  Namentlich  bemerkenswerth  ist 
darunter  Vetms  islandicoides  Lamk,  unter  welchem  Namen  hier  jene 
Form  aufgeführt  wird,  welche  in  den  Sanden  von  Eggenburg  auftritt 
und  sich  namentlich  von  jener  der  zweiten  Mediterranstufe  (Sand 
vom  Grund  etc.)  unterscheidet.  Ich  konnte  der  Aufsuchung  des 
Fundortes,  so  interressant  dieselbe  gewesen  wäre,  nicht  die  er- 
forderliche Zeit  widmen,  sondern  musste  mich  begnügen,  den  Raum' 
des  Blattes   aufzunehmen   und   eine   flüchtige  Excursion  bis  an  den 


•)  Vgl.  R.  Hoernes:  Beitr.  zur  Kenntniss  der  Tertiär-Ablagerungen  in  den 
Sädalpen.  II.  Das  Vorkommen  der  ersten  Mediterranstufe  in  Valsugana  und  in  den 
Monti  Berici.  Verh.  d.  Geolog.  R.-A.  1877. 

3o* 


h 


468  tVi^  Umgebungen  von  Belluno. 

Rand  der  oberitalienischen  Ebene  zu  machen,  um  das  Profil  bis  an 
dieselbe  zu  verlängern. 

Es  sei  schliesslich  noch  bemerkt,  dass  ich  bei  Costa,  Südost 
von  Serravalle,  Nordost  von  Ceneda,  einen  niedrigen,  von  gelblichem, 
sandigem  Mergel  gebildeten  Hügelzug  vorfand,  dessen  Streichen 
(Südwest — Nordost)  genau  dem  Streichen  der  Höhenzüge  von 
S.  Augusta  und  Breda  parallel  läuft.  Bei  Costa  fand  ich,  wie  schon 
oben  erwähnt,  Ancillaria  glandiformis  Lamk.  und  Turritella  rotifera 
Desh,,  also  die  Fauna  der  zweiten  Mediterranstufe. 

4.    Die  jüngeren  Schutt-Ablagerungen. 

Im  untersuchten  Gebiete  können  wir  ebenso  wie  vielfach 
anderwärts  im  Gebiete  der  Alpen  drei  vollkommen  verschiedene, 
aufeinanderfolgende  Bildungen  aus  jenem  Zeiträume  beobachten, 
welcher  zwischen  dem  Schlüsse  der  Tertiärperiode  und  der  Gegen- 
wart liegt,  wir  können  in  der  Umgebung  von  Belluno  ein 
praeglaciales ,  ein  glaciales  und  ein  postglaciales  Diluvium  unter- 
scheiden. 

Als  Bildungen  praeglacialer  Zeit  begegnen  wir  in  der  Mulde 
von  Belluno  ausgezeichnet  geschichteten  Geröllablagerungen,  die 
zumeist  zu  einem  sehr  festen  Conglomerat,  der  Nagelfluhe  ver- 
gleichbar, verkittet  sind.  Diese  Geröllablagerungen  zeigen  stets- 
eine, wenn  auch  hie  und  da  etwas  undeutliche  Sonderung  des 
Materiales  und  sind  in  der  Regel  bankweise  geschichtet,  so  dass 
an  steilen,  der  Denudation  ausgesetzten  Abhängen,  an  welchen 
härtere  und  weichere  Bänke  abwechseln,  diese  schon  von  weitem 
durch  die  ungleiche  Abwitterung  auffallen.  Dieses  geschichtete, 
praeglaciale  Diluvium  nimmt  stets,  wo  es  überhaupt  vorhanden  ist, 
die  Thalsohle  ein,  und  die  gegenwärtigen  Flüsse  haben  sich  ihr 
Bett  in  diesen  älteren  AUuvionen  ausgewaschen.  Ebenso  liegt 
in  der  Mulde  von  Belluno  das  geschichtete  Conglomerat  unmittelbar 
an  den  heutigen  Flussläufen  und  wird  von  denselben  abterrassirt, 
Belluno  selbst  liegt  auf  einer  Terrasse  dieser  praeglacialen  Ab- 
lagerungen, und  es  erstrecken  sich  dieselben  weit  nach  Nordost 
bis  in  die  Umgebung  von  Ponte  nell'  Alpi.  Die  Ortschaften  Nogare, 
Sagrano  und  Polpet  liegen  hier  ebenso  wie  Belluno  auf  diesen  prae- 
glacialen Diluvial- Ablagerungen,  —  sie  alle  haben  unter  dem  Erdbeben 
vom  29.  Juni  1873  ausserordentlich  gelitten,  während  die  Sobborghi 
von  Belluno,  die  auf  den  recenten  AUuvionen  der  Piave  und  des 
Torrente  Ardo  liegen,  verhältnissmässig  wenig  gelitten  haben.  Noch 
auffallender    zeigt    sich    der   Einfluss    der   Bodenbeschaffenheit   aut 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  ^ÖO 

die  Intensität  des  Erdbebens  östlich  von  Capo  di  Ponte,  wo  die 
auf  den  praeglacialen  Ablagerungen  gelegenen  Orte,  wie  Soccher, 
fast  gänzlich  zerstört  wurden,  während  das  benachbarte,  auf  Scaglia 
erbaute  Cadola  mit  seiner  grossen  Pfarrkirche  fast  gar  nicht  be- 
schädigt wurde.  Der  Hauptunterschied  dieser  praeglacialen  AUuvionen 
von  den  glacialen  Bildungen  besteht  darin,  dass  erstere  stets  deutlich 
und  häufig  bankförmig  geschichtet  sind,  in  der  Regel  nach  der 
Grösse  gesondertes  Material  enthalten  und  die  Tiefe  des  Thaies 
einnehmen.  Die  Geschiebe  gleichen  gewöhnlichen  Flussgeschieben, 
nie  treten  eckige  Blöcke  oder  gekritzte  Geschiebe  auf  Häufig  ist 
das  Geröll  fest  verkittet  und  liefert  dann  einen  vortrefflichen  Werk- 
stein; es  befinden  sich  z.  B.  bei  Soccher  grosse  Mühlsteinbrüche  in 
diesen  Ablagerungen.  Das  Material  der  Geschiebe  ist  ein  sehr 
manigfaltiges ,  es  kommen  Schieferfragmente  und  Massengesteine 
{Quarzporphyr,  Melaphyr  etc.)  vor,  doch  überwiegen  weitaus  die 
Kalke.  Letztere  zeigen  häufig,  zumal  in  den  fest  verkitteten  Lagen 
das  Phänomen  der  hohlen  Geschiebe. 

Eine  sehr  eigenthümliche  Erscheinung  zwischen  Ponte  nell'  Alpi 
und  Belluno  ist  die  Terrassenbildung  in  den  praeglacialen  Ablagerungen. 
Sie  fallt  keineswegs  zusammen  mit  der  ursprünglichen  Bildung  der- 
selben und  ist  vielmehr  weit  später  durch  Denudation,  durch  die 
Auswaschung  von  Seite  der  Piave  entstanden. 

Die  glacialen  Bildungen  in  der  Mulde  von  Belluno  und 
auf  den  umgebenden  Höhen  zeichnen  sich  durch  eine  ganz  andere 
Beschaffenheit  aus.  Zunächst  liegen  sie  im  Hochgebirge  nördlich 
der  Mulde  nicht  in  den  Thälern,  sondern  hoch  oben  an  den 
Gehängen,  oft  mehrere  tausend  Fuss  über  der  heutigen  Thalsohle. 
Auch  in  der  Mulde  selbst  nehmen  sie  nie  die  tiefste  Stelle  ein  — 
sie  lagern  in  der  Regel  auf  den  tertiären  Hügeln,  während  die 
Wasserrisse  tief  in  dieselben  eingeschnitten  sind.  Sehr  hoch  reichen 
<lie  glacialen  Ablagerungen  in  der  Südhälfte  der  Mulde  von 
Belluno  auf  den  Scheiderücken  hinauf,  der  dieselbe  von  der  ober- 
italienischen Ebene  trennt  —  erratische  Blöcke  von  Nummuliten- 
kalk,  Pietra  verde,  Quarzporphyr  etc.  finden  sich  noch  auf  der 
Höhe  von  S.  Ubaldo  (S.  Leopoldo  der  Karte),  so  dass  wol 
die  Gletscher  in  ihrer  grössten  Ausdehnung  den  Scheiderücken 
an  seinen  niedrigeren  Stellen  überschritten  haben  dürften.  Noch 
deutlicher  ist  der  Charakter  der  Moränenbildungen  bei  deren 
genaueren  Betrachtung  ersichtlich.  Die  Ablagerungen  sind  nicht 
geschichtet,  grosse,  eckige  Blöcke  liegen  in  feinem  Detritus,  das 
Material  ist  nicht  gesondert,  die  Mehrzahl  der  Geschiebe  ist  zwar 
geglättet,   aber   eckig   und   die   aus  Kalk   bestehenden   tragen  eine 


J 


/^jQ  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

Unzahl  feiner,  meist  paralleler  Kritzer.  An  einigen  Stellen,  so 
z.  B.  in  den  tiefen  Wasserrissen  der  Torrenti,  welche  vom  südlichea 
Scheiderücken  herab  der  Piave  zuströmen,  kann  man  eine  Erschei- 
nung sehen,  die  einigermassen  an  Schichtung  erinnert.  In  der 
regellos  aus  feinem  Detritus,  kleineren  und  grösseren  Geschiebea 
zusammengehäuften  Masse  finden  sich  hie  und  da  grössere 
Geschiebe  und  Blöcke  reihenweise  angeordnet,  so  dass  an  einer 
steilen,  der  Auswaschung  preisgegebenen  Wand  eine  Art  von 
Schichtung  sichtbar  wird,  da  die  grösseren  Blöcke  in  einer  Reihe 
hervorragen.  Doch  hat  dies  mit  echter  Schichtung  nichts  zu 
thun,  zumal  die  typische  Moränenstructur  gerade  in  der  Nähe 
einer  solchen  Blockreihe  recht  auffallend  hervortritt.  In  vielen 
Fällen,  deren  ich  einige  weiter  unten  zu  schildern  haben  werde^ 
ist  der  Moränencharakter  auch  durch  den  äusseren  Umriss  an^ 
gedeutet.  Wir  finden  in  der  Umgebung  von  Belluno,  am  Ausgang 
des  Canals  von  Agordo,  zwischen  Gron  und  Mas,  eine  aus- 
gezeichnete alte  Endmoräne  —  eine  ganze  Reihe  solcher  Moränen 
tritt  in  dem  Querthale  von  Sta.  Croce  auf,  die  grössten  Endmoränen 
finden  sich  aber  am  Rande  der  oberitalienischen  Ebene  bei 
Serravalle. 

Die  postglacialen  Ablagerungen  unseres  Gebietes  bestehen 
zunächst  aus  gewaltigen  Schuttkegeln,  welche  namentlich  in  der 
Gegend  der  Vereinigung  des  Cordevole  mit  der  Piave  und  west- 
lich von  Feltre,  im  Thal  des  Torrente  Stizzone  und  in  der  vom 
Torrente  Cormeda  und  Rio  Ligont  durchflossenen  Ebene  grosse 
Ausdehnung  erreichen.  Die  drei  letzgenannten  Gebirgsflüsse  warea 
nicht  im  Stande,  sich  ein  permanentes  Bett  in  den  postglacialen 
Schuttkegeln  zu  schaffen.  Den  grössten  Theil  des  Jahres  hindurch 
verschwinden  ihre  Gewässer  unter  der  Schuttmasse;  nur  im 
Frühjahr  nach  der  Schneeschmelze  wälzen  sie  gewaltige  Wasser- 
massen über  dieselbe,  die  bald  hier,  bald  dort  ihren  Weg  nehmen 
und  die  Cultur  des  sterilen  Bodens  unmöglich  machen,  wie  das 
vorzüglich  am  Torrente  Stizzone  der  Fall  ist.  Bei  den  postglacialen 
Ablagerungen  habe  ich  auch  der  Torfbildungen  Erwähnung  zu 
thun,  die  sich  an  einigen  Stellen  des  Gebietes,  namentlich  in  dem 
nördlich  vom  See  von  Sta.  Croce  befindlichen  versumpften  Reviere 
des  Fiume  Roi  vorfinden.  Dort  finden  sich  nicht  unbedeutende 
Torfstiche,  deren  Material  zur  Feuerung  in  der  Miniera  von  Val 
Imperina  bei  Agordo  verwendet  wird. 

Die  Vergletscherung  der  Mulde  von  Belluno  war  zur  Zeit 
ihrer  grössten  Ausdehnung  so  stark,  dass  wir  uns  das  weite  Thal 
fast    ganz   mit   Eis    erfüllt    vorstellen   müssen.     Was   zunächst   die 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  a^i 

Dimensionen  des  Piave-Gletschers  selbst  anlangt,  'so  möge  der 
Hinweis  auf  das  Vorkommen  von  Moränenschutt  am  Südostgehänge 
des  Monte  Campello  bei  Longarone  und  bei  Casso  —  beide  hoch 
über  der  Sohle  des  Piave-Thales,  genügen,  um  an  der  Höhe  der 
beiderseitigen  Randmoränen-Reste  die  enorme  Mächtigkeit  des 
Gletschers  zu  zeigen.  Ein  nicht  viel  weniger  starker  Arm  drang 
wol  durch  das  Cordevole-Thal  und  mag  dort  um  so  höher  an  den 
Wänden  emporgereicht  haben,  je  enger  der  Canal  von  Agordo  im 
Verhältniss  zur  Thalschlucht  der  Piave  bei  Longarone  ist.  Es 
überschritten  jedoch  auch  an  zahlreichen  anderen  Stellen  mit 
Moränen  beladene  Eismassen  das  Hochgebirge  zwischen  den  beiden 
grossen  Bruchlinien,  und  an  manchen  Punkten  finden  sich  ihre 
deutlichen  Spuren.  Am  auffallendsten  in  dieser  Beziehung 
erscheinen  die  Moränenschuttmassen  im  Val  di  Martino  bei  der 
Alpe  Grassura,  welche  grosse  Blöcke  von  Quarzporphyr  und 
Granit  enthalten,  die  offenbar  über  den  hohen  Gebirgskamm 
aus  der  Gegend  von  Primiero  herübergetragen  worden  sind. 
Ausserordentlich  wichtig  ist  der  Glacialschutt  im  Thal  des  Torrente 
Portita,  welches  sich  vom  Croce  d*Aune  gegen  Feltre  hinabzieht. 
Die  grössten  Blöcke  von  Gneiss  und  Granit  aber  traf  ich  in  jenem 
kleinen  Thälchen,  welches  nördlich  vom  Monte  Aurin  liegt.  Das 
Vorkommen  von  Quarzporphyr,  Granit  der  Cima  d'Asta  und  Gneiss, 
der  wol  ebenfalls  vom  Cima  d'Asta-Stock  herrührt,  deutet  auf 
eine  ganz  ausserordentlich  grosse  Dimension  der  Vergletscherung. 
Der  grösste  Theil  der  Tertiär -Ablagerungen  von  Belluno  erscheint 
heute  durch  die  Glacialbildungen  verhüllt.  Namentlich  ist  nur  an 
wenigen  Stellen  der  Contact  des  Randgebirges  mit  den  Tertiär- 
bildungen zu  sehen,  da  die  Moränenschuttmassen  gerade  am  Rande 
der  Mulde  ausserordentlich  mächtig  sind  und  hoch  an  den  Gehängen 
der  Randgebirge  in  zusammenhängenden  Massen  empörreichen. 
In  der  Mitte  der  Mulde  haben  die  Gewässer  der  postglacialen 
Periode  und  der  Gegenwart  die  glacialen  Ablagerungen  denudirt 
und  Schuttkegel  und  moderne  AUuvionen  nehmen  hier  ihre  Stelle 
ein.  Nur  isolirte  Denudationsreste  von  Glacialschutt  treffen  wir 
allenthalben  auf  den  tertiären  Hügeln  an.  Ebenso  wie  in  der  Mitte 
der  Mulde  finden  wir  den  Moränenschutt  in  grösserer  Höhe  an 
den  Randgebirgen  weggeschafft.  Die  steilen  Gehänge  und  die 
grössere  Macht  der  Denudation  haben  hier  zerstörend  gewirkt,  und 
es  sind  häufig  nur  die  grösseren  Blöcke  zurückgeblieben,  während 
das  kleinere  Materiale  verschwunden  ist.  Solche  grosse  Blöcke  von 
Quarzporphyr  und  Pietra  verde,  von  Dachstein-  und  Nummulitenkalk 
aber  finden  sich   auf  dem  Kreidegebirge   zwischen   der  Mulde   von 


4^2  ^^^  Umgebungen  von  Belluno. 

Belluno  und  der  oberitalienischen  Tiefebene  in  sehr  bedeutenden 
Höhen.  Eine  Menge  von  Glacialblöcken  trifft  man  z.  B.  bei 
S.  Ubaldo  (S.  Leopoldo)  am  Uebergange  nach  Tovena.  Es  kann 
demnach  nicht  bezweifelt  werden,  dass  der  Scheiderücken  zwischen 
dem  Thal  von  Belluno  und  der  Ebene  auch  in  seinen  höheren 
Partien  von  den  alten  Gletschern  übersetzt  wurde.  Ein  mächtiger 
Gletscherarm  aber  drang  durch  das  Querthal  von  Sta.  Croce.  Zur 
Zeit  der  grössten  Ausdehnung  reichte  der  alte  Gletscher,  den  wir 
der  Kürze  halber  als  jenen  von  Sta.  Croce  bezeichnen  wollen,  weit 
über  Serravalle  hinaus.  Er  lagerte  seine  Endmoränen  bei  CoUe 
Umberto  ab,  und  bildete  dort  einen  weiten  Halbkreis  niedriger  Hügel, 
deren  Natur  Jedem  klar  sein  wird,  der,  vertraut  mit  den  gross- 
artigen Glacial-Erscheinungen  der  Südalpen,  dieses  weite  Moränen- 
Amphitheater  von  einem  geeigneten  Standpunkt,  etwa  der  Kapelle 
S.  Augusta,  bei  Serravalle,  betrachtet.  Die  genannte  Kapelle  liegt 
unmittelbar  bei  dem  genannten  Orte,  auf  einem  verhältnissmässig 
niedrigen  Zuge  aus  tertiärem  Sandstein  (Flysch  der  Schio-Schichten). 
Man  übersieht  von  ihr  aus  zu  seinen  Füssen  eine  kleine,  wol  an- 
gebaute Ebene,  welche  von  postglacialen  Anschwemmungen  gebildet 
ist,  und  erst  jenseits  derselben  einen  weiten  Halbkreis  niedriger 
Hügel  —  die  Stimmoräne  des  alten  Gletschers  von  Sta.  Croce  zur 
Zeit  seiner  grössten  Ausdehnung.  Besucht  man  diese  Hügelreihe, 
so  findet  man  überall  die  unzweifelhafte  Bestätigung  für  die  glaciale 
Natur  ihrer  Bildung.  Eckige  Geschiebe  von  mesozoischem  Kalk, 
Melaphyr,  Quarzporphyr  etc.,  die  Kalkgeschiebe  alle  gekritzt,  liegen 
ohne  Sonderung  des  Materiales  in  feinem  Detritus. 

Fast  interessanter  noch  als  diese  Glacialbildungen,  welche  die 
grösste  Ausdehnung  der  alten  Gletscher  in  unserem  Gebiete  markiren, 
sind  jene,  welche  dieselben  bei  ihrem  allmählichen  Rückzuge  hinter- 
lassen haben.  Ausserordentlich  lehrreich  ist  in  dieser  Beziehung 
der  alte  Gletscher  von  Sta.  Croce.  Während  seine  Endmoränen 
zur  Zeit  der  grössten  Ausdehnung  ziemlich  weit  südlich  von  Serra- 
valle lagen,  hat  er  bei  seinem  allmählichen  Rückzuge  in  dem  Quer- 
thale  von  Sta.  Croce  eine  ganze  Reihe  von  kleineren  Stirnmoränen 
zurückgelassen.  In  dem  unteren  Theile  dieses  Querthaies,  welches 
von  Cima  Fadalto  bis  Serravalle  eher  als  Längenthal  bezeichnet 
werden  könnte,  weil  hier  die  Erosion  dem  Streichen  des  Gebirges 
folgte,  treffen  wir  unmittelbar  nördlich  von  Serravalle,  an  der  Stelle, 
wo  die  Strasse  nach  Revine  abzweigt,  die  ersten  Moränenschutt- 
massen. Weiteren  Glacial-Ablagerungen  begegnen  wir  auf  dem  Wege 
zum  Lago  Morte;  und  die  Stirnmoräne,  welche  diesem  kleinen  See 
die  Entstehung  gab,  erreicht  schon  ziemlich  bedeutende  Dimensionen 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  a7^ 

Der  Lago  Morte  hat  keinen  oberitdischen  Abfluss,  doch  bricht, 
nahezu  zwei  Kilometer  von  seinem  Südwestende  entfernt,  bei  Bottejani 
sein  unterirdischer  Abfluss  aus  dem  Moränenschutt :  ein  mächtiger 
Bach,  der  gleich  an  seiner  Quelle  eine  Mühle  treibt. 

Die '  grössten  Dimensionen  unter  den  Moränen  zwischen 
Sta.  Croce  und  Serravalle  erreicht  jene,  welche  am  Südende  des 
Lago  di  Croce  dessen"  Gewässer  am  Abflüsse  durch  das  untere 
Querthal  hindert.  Diese  jüngste  Moräne  des  Gletschers  von  Sta.  Croce 
zeigt  grossartige  Dimensionen  und  eigenthümliche  Verhältnisse. 
R.  Falb*)  hat  die  Bildung  der  Seen  im  Fadalto-Thale  Bergstürzen 
zugeschrieben,  welche  durch  ein  grosses  Erdbeben  im  Jahre  365 
verursacht  worden  sein  sollen.  Diese  Ansicht  entbehrt  der  thatsäch- 
liehen  Begründung;  wenn  man  aber  die  Stirnmoräne  am  Südende 
des  Lago  di  Croce  betrachtet,  so  erscheint  der  Irrthum  Falb's 
verzeihlich.  Den  Boden  bedecken  hier  gewaltige,  wirr  durcheinander 
gehäufte  Felstrümmer,  deren  Dimensionen  namentlich  an  dem  steilen 
Abfall  von  Cima  Fadalto  zum  Lago  Morte  auffallen.  Diese  Blöcke 
sind  scharfkantig  und  eckig,  ohne  Spur  von  Glättung  und  Politur, 
auch  ohne  Kritzen.  Kleineres  Materiale  fehlt  zumeist,  oder  es  weist 
in  der  Regel  auch  nur  scharfe  Kanten,  aber  keine  Politur  und  keine 
Kritzen  auf  Hie  und  da  sind  allerdings  auch  typische  Moränen- 
geschiebe zu  entdecken,  doch  muss  man  lange  nach  ihnen  suchen. 
Das  Materiale  der  übereinander  gehäuften  Felsmassen  besteht  fast 
ausschliessUch  aus  den  in  der  nächsten  Nähe  anstehenden  Ab- 
lagerungen der  Kreideformation  —  dichten  Kalken,  welche  den 
Uebergang  vom  Biancone  in  den  Hippuritenkalk  des  Monte  Pascolet 
vermitteln  —  doch  finden  sich  unter  diesem  aus  der  nächsten  Nähe 
stammenden  Materiale  bei  genauerer  Untersuchung  auch  kleinere 
Geschiebe  und  Blöcke  von  Triaskalken  (vorwaltend  Dachsteinkalk), 
von  Quarzporphyr  u.  s.  f.  Kurz,  bei  genauer  Betrachtung  zeigt  sich 
der  Moränencharakter  der  Schuttmasse  sehr  deutlich,  während  sie 
auf  den  ersten  Blick  für  das  Resultat  eines  Bergsturzes  hätte  gehalten 
werden  können.  Die  verhältnissmässige  Enge  des  Thaies  bei  Cima 
Fadalto  lässt  die  Moränenbildung  in  ihrem  Gesammtumriss  nicht  sehr 
zur  Geltung  kommen,  die  Absperrung  des  engen  Thaies  kann,  blos 
ihrer  äusseren  Gestalt  nach,  nicht  mit  Sicherheit  als  Bergsturz  oder 
als  Stimmoräne  gedeutet  werden. 

Anders  verhält  sich  die  Sache  bei  der  grossen  Endmoräne 
zwischen  Mas  und  Gron,  am  Ausgange  des  Canales  von  Agordo. 
Hier  verweist   schon   der   flüchtige  Anblick   auf  die   glaciale  Natur 


•)  Sirius  1873.  Heft  XI. 


AjA  Die  Umgebungen  von  Beliuno. 

der  Bildung  des  Höhenzuges,  welcher  sich  von  Mas  bis  Gron  in 
einer  Länge  von  über  3  Kilometer  hinzieht  und  mit  den  am  linken 
Cordevole-Ufer  über  Mas  und  mit  den  am  rechten  Ufer  des  Torrente 
Mis  auftretenden  Moränenschuttmassen  verbunden,  eine  gewaltige 
Stimmoräne  von  etwa  4  Kilometer  Länge  darstellt.  Auch  diese 
Endmoräne,  die  offenbar  einem  späteren  Abschnitte  der  Glacialperiode 
angehört,  in  welchem  die  Gletscher  schon  ziemlich  weit  zurück- 
gegangen waren,  hat  man  als  Resultat  eines  gewaltigen  Bergbruches 
ansehen  wollen,  den  auch  hier  ein  Erdbeben  verschuldet  haben 
soll.  Th.  Trautwein*)  berichtet  über  die  Erscheinung  folgender- 
massen:  ^Die  ersten  zwei  Stunden  windet  sich  die  Strasse  von 
Belluno  nach  Agordo  ermüdend  über  Hügelrücken;  erst  allmählich 
gelangt  man  zum  Anblick  der  grauenhaften  Verwüstung  am  Aus- 
tritt des  Cordevole  in  die  Thalweitung.  Ein  Erdbeben  im  Jahre  1 1 14 
wurde  bisher  als  Ursache  des  riesenhaften  Bergbruches  genannt, 
der  hier  vom  Spizzo  di  Vedana  abging  und  die  Stadt  Comia  ver- 
schüttet haben  soll,  deren  Namen  sich  im  ältesten  Verzeichniss 
der  Pfarreien  Belluno's  findet;  noch  heute  bedecken  die  Trümmer- 
massen einen  Raum,  der  172  Stunde  lang  und  i  Stunde  breit  sein 
mag.  Der  Cordevole  aber  sowol,  als  der  weiter  westlich  aus  dem 
Gebirge  tretende  Mis  wurden  nach  beiden  Seiten  abgedrängt  und 
vereinigen  sich  jetzt  erst  weiter  aussen*;  —  und  weiter**):  ^^Nach 
Fuchs  (Die  Venetianer  Alpen,  S.  8)  gehört  der  Bergbruch  einer 
vorgeschichtlichen  Zeit  an;  ein  erst  jüngst  in  Agordo  erschienener 
Bericht  versucht  den  Beweis,  dass  er  die  Wirkung  eines  Gletschers 
der  Eiszeit  sei.*  Dieser  in  Agordo  erschienene  Bericht  —  eine  mit 
Sachkenntniss  verfasste  Abhandlung  über  den  Ursprung  der  ,Rovine 
di  Vedana*  von  Herrn  Lucio  Mazzuoli  ***)  —  entspricht  in 
der  Schilderung  der  Erscheinung  vollkommen  den  thatsächlichen 
Verhältnissen,  und  die  Erklärung  der  gewaltigen  Schuttmassen 
als  Moränenbildung  wird  von  Jedem  gebilligt  werden,  der  sich 
mit  der  Grossartigkeit  der  Glacialerscheinungen  am  Südrande  der 
Alpen  vertraut  gemacht  hat.  Ich  will  versuchen,  durch  eine 
kurze  Schilderung  der  in  Rede  stehenden  Stimmoräne  ihre  Natur 
als  solche  zu  zeigen,  zugleich  aber  auch  die  Ursachen,  aus 
welchen  dennoch  eine  Verkennung  derselben  möglich  war,  er- 
örtern. 


*)  Th.  Trautwein  :    Aus  den  Cadorischen  Alpen.    Mittheilungen    d.  Deutsch, 
u.  Oesterr.  Alpen ver.  1876,  pag.  127. 
*♦)  Loc.  cit.  pag.   129  in  der  Note. 

***)  Lucio  Mazzuoli,  SuU*  origine  delle  rovine  di  Vedana.   Club  alpine  italiano, 
Sezione  di  Agordo,  Adunanza  straordin.  22.  Agosto  1875. 


Die  Umgebungen  von  Belluno.  Ayc 

Der  gewaltige  Damm,  welcher  sich  in  der  Richtung  von 
West -Südwest  nach  Ost -Nordost  in  der  Länge  von  3  Kilometern 
zwischen  Gron  und  Mas  hinzieht,  lenkt  schon  von  Weitem  den 
Blick  auf  sich.  Er  erhebt  sich  bis  zu  einer  Höhe  von  100 — 120  Meter 
über  das  Niveau  des  Cordevole,  der  bei  Mas,  wo  er  die  Stim- 
moräne  durchbricht,  tief  in  tertiärem  Sandstein  (Flysch  der  Schio- 
Schichten)  sein  Bett  eingerissen  hat.  Ebenso  wie  im  Osten  am 
Cordevole,  so  sind  auch  im  Westen  am  Torrente  Mis  die  tertiären 
Ablagerungen  unter  dem  Glacialschutt  sichtbar;  sie  erreichen  hier 
in  der  nächsten  Umgebung  von  Gron  ziemliche  Ausdehnung.  Auch 
stehen  tertiäre  Sandsteine  mit  der  charakteristischen  Fauna  der 
Schio-Schichten  (Pecten  deletus  Mich.  etc.J  am  Wege  zwischen  Mas 
und  Gron,  etwa  in  halber  Distanz  von  beiden,  am  Fusse  des 
Moränen walles  an.  Diese  Tertiärbildungen  gestatten  dort,  wo  sie 
zu  Tage  treten,  einer  reichen  Vegetation  die  Entfaltung,  während 
die  Moränenschuttmassen  jeder  Vegetationsdecke  entbehren  und  eine 
wahre  Wüstenei  von  nacktem  Felsgetrümmer  dem  Auge  darbieten. 
Der  Name  ^Rovine  di  Vedana*  *),  mit  welchem  die  Anwohner  diese 
Schuttmassen  zu  bezeichnen  pflegen,  scheint  nicht  unpassend  ge- 
wählt für  die  kahlen  Steinhaufen  inmitten  einer  blühenden,  wol 
cultivirten  Landschaft.  Das  sterile  Terrain  beschränkt  sich  nicht  allein 
auf  den  grossen  Moränendamm,  sondern  es  erstreckt  sich  dasselbe 
auf  eine  bedeutende  Distanz  gegen  Süden,  bis  an  die  tertiären 
Hügel  von  Sedico,  neben  welchen  sich  ausgedehnte  postglaciale 
Alluvionen  (flache  Schuttkegel)  finden,  die  trotz  ihres  verhältniss- 
mässig  schlechten,  an  Geschieben  reichen  Bodens  von  Maisfeldem 
und  Baumwuchs  bedeckt  sind.  Ebenso  wie  die  grosse  Stimmoräne 
und  die  ihr  südlich  vorgelagerten  Glacialschuttmassen,  ist  die  kleine, 
etwa  einen  Kilometer  breite  Ebene,  welche  sich  zwischen  der 
Moräne  und  dem  Fusse  des  Monte  Vedana  befindet,  vegetationslos. 
Diese  kleine  Ebene,  welche  zu  der  Moräne  von  Mas  und  Gron  die- 
selbe Stellung  einnimmt,  wie  die  bedeutend  grössere  Ebene,  die 
südlich  von  Serravalle  sich  bis  zu  den  Hügeln  von  CoUe  Umberto 
erstreckt,  zu  diesen  weit  ausgedehnteren  Stirnmoränen,  zeigt  höchst 
eigenthümliche  Verhältnisse.  Sie  ist  bedeckt  mit  zahlreichen,  kleinen 
runden  Hügelchen,  die  alle  aus  demselben  Materiale  bestehen,  wie 
der  grosse  Damm  der  Stimmoräne.  Das  Vorhandensein  dieser 
kleinen  Ebene  mit  den  charakteristischen  Eigenschaften  der  Glacial- 
bildung  beweist  sofort  die  Unmöglichkeit,  die  über  einen  Kilometer 


*}  Vedana  —  ein  ehemaliges  Kloster  am    Fusse    des    gleichnamigen  Berges, 
etwa  einen  Kilometer  nördlich  von  der  Moräne  gelegen. 


Ay6  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

vom  Fusse  des  Berges  entfernten  Schuttmassen  des  gewaltigen 
Dammes  als  Resultat  eines  Bergsturzes  zu  betrachten,  der  die 
sagenhafte  Stadt  Comia  zerstört  hätte.  Der  Anblick  der  Trümmer- 
massen in  der  Nähe  ist  allerdings  jenem  sehr  ähnlich,  der  sich  an 
einem  vor  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  stattgehabten  Bergsturz 
darbietet.  Grosse,  scharfkantige  Blöcke  liegen  wirr  durcheinander 
gehäuft  und  kleineres  Materiale  fehlt  zumeist,  oder  es  besteht  aus 
Fragmenten,  die  ganz  jenen  gleichen,  wie  sie  sich  in  abgestürzten 
Massen  finden.  Zugleich  besteht  das  ganze  Materiale  der  Schutt- 
anhäufung fast  ausschliesslich  aus  den  mesozoischen  Kalken,  welche 
die  nächstgelegenen  Höhen  zusammensetzen.  Die  Oolithe  des  Lias 
und  die  weissen  Brachiopodenkalke  desselben  (Sospirologesteine) 
bilden  die  Hauptmasse  der  Felstrümmer.  Eben  dieselben  Kalke 
bilden  mit  steilgeneigten  Schichtflächen  die  Gehänge  der  nächst- 
liegenden Berge:  Spizzo  (oder  Monte)  di  Vedana  und  Monte  Peron. 
Daneben  tritt  aber  auch  Dachsteinkalk  in  dem  Schutte  der  grossen 
Moräne  auf  und  bei  genauerer  Nachforschung  findet  man  an  einigen 
Stellen  auch  Porphyr  und  Gneissgeschiebe,  sowie  gekritzte  Kalk- 
blöcke. Diese  Erscheinungen  beweisen  hinlänglich  den  Moränen- 
charakter unseres  Querdammes,  der  auch  sehr  anschaulich  hervor- 
tritt, wenn  man  ihn  von  einem  günstig  gelegenen  Punkte  betrachtet. 
Ein  solcher  findet  sich  beispielsweise  auf  den  Höhen  von  Col  Staul 
am  Südgehänge  des  Monte  Peron,  von  welchem  aus  die  beigegebene 
Skizze  entworfen  wurde,  zu  deren  Erklärung  hier  einige  Worte 
folgen  mögen. 

Man  übersieht  einen  ziemlich  grossen  Theil  der  Mulde  von 
Belluno  mit  dem  nördlichen  Randgebirge.  Wir  stehen  am  Gehänge 
des  Monte  Peron,  der  seine  steilabfallenden  Lias-Schichten  der  Ebene 
zukehrt.  Das  gleiche  ist  an  dem  zwischen  den  Thaleinrissen  des 
Cordevole  und  des  Torrente  Mis  schroff  emporragenden  Monte 
di  Vedana  der  Fall  und  ebenso  an  den  Höhen  im  Westen,  am 
Monte  Bocco,  Monte  Palon  etc.  Zwischen  dem  Monte  Bocco  und 
dem  Monte  di  Vedana  sehen  wir  in  das  Thal  des  Torrente  Mis  hinein, 
und  bemerken  dort  in  den  Wänden  des  Monte  Prabello  horizontal- 
gelagerte, mächtige  Dachsteinkalkmassen,  über  welchen  Jura  und 
Neocom  folgen.  Unter  dem  Monte  di  Vedana  ist  eine  kleine, 
bewaldete  Vorstufe  bemerkbar,  welche  durch  Jura-  und  Neocom- 
Ablagerungen  gebildet  wird.  Es  folgt  dann  eine  kleine,  von  zahl- 
reichen runden  Schutthügeln  überdeckte  Ebene,  in  welcher  bei 
Vedana  ein  kleines  Wasserbecken  liegt.  In  der  Mitte  des  Bildes 
bemerken  wir  den  gewaltigen  Wall  der  grossen  Stimmoräne,  der 
sich    auch   über   den  Cordevole   verfolgen   lässt.     Im  Vordergrunde 


Die  Umgebungen  von  Belluno. 


Manie  Prabcllo 


Mo  nie  Pliiocco 


I  i  1. 
I  1  - 


A^$  Die  Umgebungen  von  Belluno. 

links  sind  die  Glacialschuttmassen  über  Mas  am  linken  Ufer  des 
Cordevole  sichtbar.  Wir  sehen  sodann  der  grossen  Stirnmoräne  vor- 
gelagert, ein  unregelmässiges  Haufwerk  von  grösseren  und  kleineren, 
aus  Glacialschutt  bestehenden  Hügeln,  durch  welche  der  Cordevole 
sich  mühsam  hindurchwindet,  um  mit  dem  Torrente  Mis  vereinigt 
der  Piave  zuzuströmen.  Auf  seinem  letzten  Laufe,  der  uns  theil- 
weise  durch  die  tertiären  Hügel  von  Sedico  verdeckt  wird,  ist  das 
in  einen  postglacialen  Schuttkegel  eingerissene  Flussbett  ungemein 
breit  und  von  einer  Menge  von  Bächen  durchzogen,  die  fortwährend 
ihren  Lauf  ändern.*) 


*)  Ohne  befugt  zu  sein,  der  im  Texte  ausgesprochenenen  Ansicht  des  Herrn 
Dr.  Hoernes  über  die  wahre  Natur  der  Schuttwälle  von  Sta.  Croce  und  Vedana 
eine  gegentheilige  Meinung  entgegenzusetzen,  da  ich  dieselben  nicht  gesehen  habe, 
kann  ich  nicht  umhin,  einem  von  Herrn  Dr.  Hoernes  selbst  ausgesprochenen 
Bedenken  eine  viel  grössere  Bedeutung  beizumessen,  als  dies  mein  hochverehrter 
Freund  gethan  hat.  Da  grosse  Bergstürze  eine  bedeutende  äussere  Aehnlichkeit  mit 
Moränen  wällen  zu  haben  pflegen,  bleibt  als  unterscheidendes  Kriterium  die  Be- 
schaffenheit und  die  Heimat  des  Schunmaterials.  Die  ausserordentliche  Seltenheit 
weit  transportirter  Geschiebe  in  den  Schuttmassen  von  Sta.  Croce  und  Vedana  und 
das  Dominiren  von  Localschutt  rechtfertigen  nun  ein  gewisses  Misstrauen  gegen 
die  Annahme  eines  glacialen  Transportes.  Grosse  Bergstürze  gehören  in  den  Süd- 
alpen zu  den  häufigsten  Erscheinungen.  Die  spärliche  Untermengung  echt  glacialer 
Geschiebe  könnte  in  beiden  Fällen  durch  das  Mitstürzen  von  an  den  Gehängen 
haftendem  Glacialschutt,  oder  aber  durch  mechanische  Mengung  des  abgestürzten 
Materials    mit    in    der  Thalsohle  bereits  vorhandenem  Glacialschutt  erklärt  werden. 

Auch  in  dem  unter  der  Bezeichnung  „Slavini  di  Marco"  wolbekannten 
grossen  Bergsturze  des  Monte  Zugna  bei  Mori  im  Etschthale  finden  sich  unter  den 
massenhaften  Blockanhäufungen  des  Localschuttes  vereinzelte  echt  glaciale  Geschiebe 
des  alten  Etschgletschers,  welche  offenbar  gleichzeitig  mit  den  losgelösten  Felstafeln 
von  den  Gehängen  des  Zugna-Berges    in.  die    Thalebene    herabgeschoben    wurden. 


III. 


Rückblicke. 


XVI.  CAPITEL. 
Die  Riffe. 

Verticale  und  horizontale  Ausdehnunff  der  Dolomitriffe.  -  Kärtchen  zur  Ucbcrsicht  der  Riff- 
Gebiete  während  der  Zeit  der  unteren  wengener  und  der  Cassianer  Schichten.  -  Tendenz  der 
Zusammenschliessung  der  Riffe.  -  A^ächtigkeit  des  Dolomits.  -  Die  Hauptmasse  der  isopischen 
Riffe  gehört  den  Wengener  Schichten  an.  -  Grosse  Mächtigkeit  des  Casrianer  Dolomits  in  den 
heteropischen  Districten.  -  Begrenzung  der  Dolomitriffe.  -  Riffböschune.  -  Verhältniss  der 
Riffe  zu  den  gleichzeitigen  heteropischen  Bildungen.  -  Erhöhte  Lage  der  Riffe.  -  Peripherische 
Vcrtheilung  der  isopiscnen  Riffe.  -  .Structurvernältnisse  der  Riffe.  -  Die  Geftteinsbescnaffenheit 
^er  Riffe.  -  Die  marine  Fauna  und  Flora  der  Riffe.  -  Die  Korallenriff-Theorie  im  vollsten  Ein- 
klänge mit  den  beobachteten  Thatsachen.  -  Kurze  Geschichte  der  südtirolischen  Korallenriffe.  - 
Verhältniss  der  Riffe  zu  den  Eruptionsstcllen.  -  Peripherische  Lage  der  letzteren  am  Rande  des 
'Gebietes  stäikerer  Senkung.  -  Blick  auf  die  übrigen  Riffe  der  Ostalpen.  -  Die  sinkende  ostalpin c 

Insel  der  Triaszeit,  umrandet  von  Strand-  und  Wallriffen. 

In  den  Detailschilderungen  ist  an  zahlreichen  Beispielen 
gezeigt  worden,  dass  unsere  Ansicht  über  die  gleichzeitige  Bildung 
der  Dolomitmassen  und  der  Tuff-,  Sandstein-  und  Mergelschichten, 
der  norischen  und  unterkamischen  Zeit  durch  häufig  wieder- 
kehrende unzweifelhafte  Thatsachen  bestätigt  wird.  Es  sollen  nun 
die  wichtigsten  Ergebnisse  unserer  Untersuchung  in  heteropischer 
Beziehung  zusammengefasst  und  daran  Schlüsse  .über  die  Bildungs- 
geschichte der  Dolomitriffe  geknüpft  werden. 

I.  Verticale  Erstreckung  der  Dolomitmassen. 

Wenn  wir  von  den  unbedeutenden  Dolomitlinsen  im  unteren 
Muschelkalk  von  Brags  und  im  Codalonga-Thal  absehen,  so  treffen 
wir  in  unserem  Gebiete  erst  über  der  durchgreifenden  Dolomitplatte 
des  oberen  Muschelkalks  auf  heteropisch  differenzirte  Bildungen. 
Die  Dolomitfacies  beginnt  daher  mit  dem  oberen  Muschelkalk,  aber 
erst  im  Niveau  der  Buchensteiner  Schichten  scheiden  sich  Regionen 
mit  vorherrschender  oder  ausschliesslicher  Dolomit-Entwicklung  von 
Gegenden  mit  heteropischen  Gesteinsabsätzen.  Diese  heteropische 
Zweitheilung  des  Gebietes  setzt  aufwärts  continuirlich  durch  die 
Wengener  und  Cassianer  Schichten  fort  und  endet  mit  den  wieder 
gleichförmig  verbreiteten  Raibler  Schichten. 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  3i 


482  Die  Riffe. 

2.  Horizontale  Ausdehnung  der  Dolomitriffe. 

Wir  hatten  bereits  vielfach  Gelegenheit,  auf  die  während  des 
langen  Zeitraumes  der  Riflfperiode  eintretenden  Verschiebungen  der 
Riffgrenzen  hinzuweisen.  Ich  habe  nun  zur  leichteren  Uebersicht 
dieser  wechsehiden  Ausdehnung  zwei  kleine  Kärtchen  entworfen, 
aus  welchen  man  die  Verbreitung  der  Riffmassen  zur  Zeit  der 
unteren  Wengener  Schichten  (Augitporphyrlaven)  und  am  Ende 
der  Zeit  der  Cassianer  Schichten  ersehen  kann. 

Man  wird  aus  der  Vergleichung  dieser  beiden  Kärtchen  sofort 
den  bedeutenden  Unterschied  erkennen,  welcher  sich  zwischen  dem 
Beginne  und  dem  Ende  der  Riffperiode  vollzogen  hat  Zur  Zeit 
der  unteren  Wengener  Schichten  unterscheiden  wir: 

1.  eine  grosse  zusammenhängende  Dolomitmasse  im  Westen 
unseres  Gebietes,  mit  dem  Schiern  als  nördlichsten  und  dem  Piz  bei 
Sagron  als  südlichsten  Punkt.  Zwei  ansehnliche  Ausläufer  dieser  Masse, 
das  Cap  der  Marmolata  und  das  Cap  des  Monte  Alto  di  Pelsa, 
greifen  halbinselförmig  in  das  östlich  angrenzende  dolomitfreie  Gebiet; 

2.  die  Masse  der  Geissler  Spitzen  und  des  Peitler-Kofels  ; 

3.  die  Masse  der  Hochalpe; 

4.  die  ausgedehnte  Dolomitmasse  zwischen  Toblach  und 
Auronzo,  welche  wir  als  ,Sextener  Riff*  kennen  gelernt  haben. 

Ausser  diesen  grossen  peripherisch  gelegenen  und  möglicher 
Weise  auf  der  Nordseite  einst  untereinander  vollkommen  zusammen- 
schliessenden  Dolomitmassen,  welche  halbkreisförmig  die  grosse 
dolomitfreie  Bucht  begrenzen,  finden  wir  im  Innern  der  Bucht  zwei 
kleine,  gänzlich  isolirte  Dolomitriffe,  nämlich: 

5.  die  Masse  des  Langkofels  und 

6.  die  Masse  des  Monte  Carnera. 

Ein  fiir  die  Zeit  der  Buchensteiner  Schichten  entworfenes 
Kärtchen  würde  eine  grössere  Anzahl  getrennter  Dolomitmassen, 
sowie  eine  etwas  weitere  Ausdehnung  des  rifffreien  Gebietes  erkennen 
lassen.  Die  Buchensteiner  Knollen-  und  Bänderkalke  sind  nämlich, 
wie  aus  der  grossen  Karte  zu  ersehen  ist,  im  Fleimser  Districte 
allgemein  verbreitet  und  ermöglichen  daselbst  die  scharfe  Trennung 
des  oberen  Muschelkalkes  und  des  Wengener  Dolomits.  Die  oben 
unter  Nummer  i  angeführte  grosse  Dolomitmasse  der  unteren  Wen- 
gener Schichten  zerfallt  in  Folge  dessen  für  die  Zeit  der  Buchen- 
steiner Schichten  in  drei  gesonderte  Massen,  von  denen  zwei,  die 
Masse  des  Cimon  della  Pala  (Primiero-Riff)  und  die  Masse  des 
Schiern  peripherisch  liegen,,  während  die  dritte,  die  Masse  der 
]\Iarmolata,  inselförmig  von  dolomitfreiem  Gebiete  umgeben  ist. 


Die  Riffe. 


483 


Es  gibt  sich  sonach  bereits  am  Beginne  der  Riffperiode 
deutlich  die  Tendenz  nach  seitlicher  Ausdehnung  der  Dolomit- 
massen kund.  Wir  hatten  gelegentlich  der  Detailschilderungen 
wiederholt  Veranlassung,  auf  dieses  bis  zum  Schlüsse  der  Riffperiode 
vorherrschende  Bestreben  der  Dolomitmassen,  weiteres  Terrain  zu 
gewinnen  und  sich  zusammenzuschliessen,  hinzuweisen.  So  nehmen 
die  Dolomite  der  oberen  Wengener  Schichten  ein  bedeutend 
grösseres  Areal  als  die  unteren  Wengener  Dolomite  ein,  und  zur 
Zeit  der  Cassianer  Schichten  dehnen  sich  nicht  nur  die  Riffmassen 
der  Geissler-Spitzen  und  des  Langkofels  bedeutend  in  lateraler 
Richtung  aus,  sondern  es  schliessen  gegen  den  Schluss  dieses  Zeit- 
abschnittes die  beiden  grossen  Randriffe  mittelst  einer  die  Bucht 
der  Wengener  Schichten  quer  durchziehenden  Brücke  völlig 
zusammen. 

Wenn  wir  im  Auge  behalten,  dass  auf  die  Zeit  der  Cassianer 
Schichten  die  allgemein  verbreitete  Untiefenbildung  der  Raibler 
Schichten  folgt,  so  erscheint  uns  die  im  Ueberhandnehmen  der 
Riffe  ausgesprochene  Tendenz  der  Auffüllung  und  Verflachung  des 
Meeresbodens  sehr  begreiflich. 

Um,  Missverständnissen  und  unbegründeten  Einwendungen  zu 
begegnen,  müssen  wir  daran  erinnern,  dass  die  laterale  Ausdehnung 
der  Dolomitmassen  nicht  in  der  Weise  vor  sich  geht,  dass  jede 
folgende  Schicht  über  die  vorausgehende  hinausgreift,  wie  es  etwa 
der  Fall  sein  müsste,  wenn  der  Dolomit  allmählich  die  Zwischen- 
räume zwischen  vorhandenen  hügelformigen  Anhäufungen  oder 
Ablagerungen  von  älterer  Bildung  ausfüllen  würde.  Nur  das  erste 
P^ussfassen  der  vorrückenden  Dolomitmasse  kann,  wie  die  Ver- 
hältnisse am  Grödener  Joche  (vgl.  S.  231,  240)  lehren,  in  ähnlicher 
Weise  erfolgen.  Sobald  aber  das  Riff  einmal  seine  Basis  vor- 
geschoben hat,  erhebt  sich  dasselbe  mit  mehr  oder  weniger  steil 
nach  aussen  gekehrter  (oder  mit  anderen  Worten:  gegen  oben 
zurücktretender)  Büschungsfläche  frei  über  seine  Umgebung. 

3.  Mächtigkeit  des  Dolomits. 

Zu  den  merkwürdigsten  Ergebnissen  unserer  Untersuchung 
gehört  der  Nachweis  über  die  ausserordentlich  wechselnde  Mächtig- 
keit der  Dolomitmassen  in  den  verschiedenen  Zeitabschnitten  der 
Riffperiode. 

In  dem  grossen  westlichen  Randriffe,  dessen  Nordspitze  der 
Schiern  bildet,  gehört  die  Hauptmasse  des  Dolomits  den  Wengener 
Schichten   an.     Die   obersten   Augitporphyrlaven   der   Seisser  Alpe 

3i  * 


484  ^»«  ^»^«• 

ergiessen  sich  (vgl.  Seite  175)  über  den  Sattel  zwischen  Schiern 
und  Rosengarten  in  das  Innere  des  Schlemmassivs  und  breiten  sich 

daselbst  zu  einer  continuirlichen  Decke  aus,  welche  die  Hauptmasse 
des  Schlemdolomits  zur  Unterlage  hat.  Die  Denudationsreste  von 
Augitporphyrlaven  auf  dem  Monte  Agnello  und  dem  Monte  Viezzena 
bei  Predazzo,  deren  Erguss  dem  Schlüsse  der  vulcanischen  Thätig- 
keit  angehört,  lagern  in  ganz  übereinstimmender  Weise  über  den 
gewaltigen  Dolomitmassen  des  Fleimser  Gebietes  und  standen  wol 
einst,  ehe  die  Denudation  den  Zusammenhang  aufgehoben  hatte, 
mit  der  Augitporphyrdecke  des  Schiern  in  Verbindung*).  Die  Fossilien 
der  Marmolata,  des  Latemar- Gebirges  und  des  Dosso  Capello 
(vgl.  Seite  355  und  379)  stehen  mit  den  aus  den  Lagerungsverhält- 
nissen gezogenen  Schlüssen  über  das  Alter  dieser  Dolomite  in 
bestem  Einklänge,  insofeme  dieselben  auf  das  Niveau  der  Porphyr- 
tuffe  von  Kaltwasser  bei  Raibl  verweisen.  Es  wurde  bereits  an- 
gedeutet, dass  der  Charakter  der  an  diesen  Fundstellen  vorkommen- 
den Cephalopoden  nach  den  phylogenetischen  Beziehungen  auf 
eine  derjenigen  der  Buchensteiner  Schichten  zunächst  sich  an- 
schliessende Fauna  hinweist.  Da  in  allen  isopischen  Dolomitriffen 
unseres  Gebietes  ein  aliquoter  unterster  Theil  des  Wengener 
Dolomits  seiner  Bildungszeit  nach  der  Ausbreitung  der  Augit- 
porphyrlaven vorangieng,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  soll,  so 
stünde  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  die  Fauna  der  Fassaner 
und  Fleimser  Dolomite  und  der  Tuffe  von  Kaltwasser  etwas  älter, 
als  die  typische  Wengener  Fauna  sei. 

Für  die  übrigen  isopischen  Dolomitriffe  unseres  Gebietes 
stehen  uns  zwar  keine  so  guten  Anhaltspunkte  zur  scharfen  Alters- 
bestimmung des  höheren  Dolomits  zu  Gebote,  doch  halte  ich  es 
für  wahrscheinlich,  dass  auch  bei  ihnen,  wie  bei  dem  westlichen 
Randriffe  die  Hauptmasse  der  Zeit  der  Wengener  Schichten  angehört. 
Abgesehen  davon,  dass  die  Uebereinstimmung  der  Gesammt- 
mächtigkeit  der  isopischen  Masse  (900 — 1000  Meter)  ^u  Gunsten 
der  Annahme  einer  parallelen  Bildungsgeschichte  spricht,  scheint 
mir  noch  ein  Moment  der  besonderen  Beachtung  in  dieser  Richtung 
werth  zu  sein.  Es  ist  dies  die  auffallende  Erscheinung,  dass  an  der 
Basis  der  grossen  isopischen  Dolomitriffe  in  allen  Fällen,  wo  keine 
besonderen  tektonischen  Störungen  eintreten,   insbesondere   bei  den 


*)  Als  einen  westlichen  Ausläufer  dieser  Decken  betrachte  ich  die  Augit- 
porphyrlaven der  Mendola  und  des  Monte  Rovere  bei  Cles,  welche,  wie  die 
Betrachtung  der  L  e  p  s  i  u  s*schen  Karte  des  westlichen  SOdtirol  lehrt,  in  genau 
ostwestlicher  Richtung  auf  einander  folgen  und  blos  durch  die  überlagernden 
jüngeren  Bildungen  der  Nonsberger  Mulde  getrennt  sind. 


Die  RiiTe. 


485 


söhlig  lagernden  Massen  des  Nordens  (Rosengarten,  LangkofeL 
Geissler  Spitzen,  Peitlerkofel)  dieselbe  Höhencote  (2200 — 2300  Meter) 
wiederkehrt*).  Wenn  man  nun  im  Auge  behält,  dass  die  heteropische 
Umgebung  dieser  Riffe  stets  um  einen  bedeutenden  Betrag  tiefer 
liegt,  so  ist  man  geneigt,  in  jener  übereinstimmenden  Höhenlage 
der  Riffbasis  nicht  ein  Spiel  des  Zufalls,  sondern  ein  bestimmtes 
gesetzmässiges  Verhalten  zu  erblicken,  welches  unbeschadet  der 
allgemeinen  Gebirgserhebung  sich  seiner  äusseren  Erscheinung  nach 
bis  auf  die  Gegenwart  erhalten  hat.  Da  es  nun  weiter  im  Hinblick 
auf  die  geringe  räumliche  Ausdehnung  unseres  Gebietes  wol 
am  natürlichsten  ist,  für  die  Zeit  der  Riffperiode  gleichmässige 
Oscillationen  des  Bodens  anzunehmen,  so  dürfte  gegen  die  Ver- 
allgemeinerung der  für  das  westliche  Randriff  gefundenen  Sätze  sich 
kaum  ein  ernstlicher  Einwand  erheben  lassen. 

NacTidem  die  Hauptmasse  des  oberen  Dolomits  in  den  isopischen 
Dolomitriffen  den  Wengener  Schichten  angehört,  so  verbleibt  in 
denselben  für  die  Vertretung  der  Cassianer  Schichten,  wie  das 
Profil  der  Schlemklamm  (Seite  176)  zeigt,  nur  eine  sehr  geringe 
Mächtigkeit.  **) 

In  auffallendem  Gegensatze  zu  dieser  geringen  Mächtigkeit  des 
Cassianer  Dolomits  in  den  isopischen  Riffen  steht  das  stellenweise 
sehr  bedeutende  Anwachsen  desselben  in  den  über  heteropisches 
Gebiet  übergreifenden  Riffmassen.  Wir  erinnern  in  dieser  Beziehung 
an  die  Sella-Gruppe,  wo  nächst  Corvara  der  Cassianer  Dolomit  bis 
zu  500 — 600  Meter  Mächtigkeit  anwächst,  an  die  Gardenazza -Tafel- 
masse, an  den  Lagatschoi,  Sett  Sass  u.  s.  f  Die  übrigens  in  den 
heteropischen  Districten  von  Ort  zu  Ort  wechselnde  Dicke  des 
Cassianer  Dolomits  hat  ihren  Grund  theils  in  der  wechselnden 
Höhe  des  Eintrittes  der  Transgression,  theils  in  der  ungleichmässigen 
Senkung  des  Untergrundes. 

Das  örtliche  Zusammenfallen  der  grösseren  Mächtigkeit  des 
Cassianer  Dolomits  mit  den  heteropischen  Districten  ist  durch  die 
raschere  Senkung  dieser  Gebiete  bedingt,  mit  welcher^  wie  wir 
sehen  werden,  die  heteropische  Differenzirung  in  causalem  Zusammen- 
hange steht. 


*)  Der  Schiern  macht  von  dieser  Regel  in  Folge  des  grossartigen  Absinkens 
seiner  ganzen  Masse,  mithin  einer  tektonischen  Störung,  eine  scheinbare  Aus- 
nahme. 

♦*)  Weiter  westlich  auf  der  Mendel,  wo  die  Raibler  Schichten  direct  den 
Augitporphyrlaven  aufzulagern  scheinen,  dürfte  zur  Zeit  der  Cassianer  Schichten 
gar  kein  Absatz  erfolgt  sein. 


486  I^ie  Riffe. 

4.    Die  Begrenzung  der  Dolomitriffe. 

Die  normale  Begrenzung  der  Dolomitriffe  bildet  eine  steil 
gegen  aussen  abfallende,  daher  gegen  oben  zurücktretende  Fläche, 
welche  wir  in  den  Detailschilderungen  als  Böschungsfläche  oder 
Riffböschung  bezeichnet  haben.  Es  ist  in  den  Denudationsverhält- 
nissen begründet,  dass  freiliegende  Riffböschungen  nur  selten  zu 
beobachten  sind.  Dieselben  Kräfte,  welche  die  Riffe  aus  ihrer  Um- 
hüllung herausschälen,  arbeiten  auch  an  deren  Zerstörung  unaus- 
gesetzt weiter.  Sobald  durch  die  Abtragung  und  Abspülung  der 
angelagerten  weicheren  Gesteinsarten  eine  Riffljöschung  entblösst 
ist,  beginnt  sofort  die  Umformung  zu  Steilwänden.  Glücklicher- 
weise finden  sich  in  unserem  Gebiete  zahlreiche  Entblössungen,  an 
welchen  die  Riffböschung  noch  deutlich  zu  erkennen  ist.  Das  gross- 
artigste Beispiel  bietet  der  Plattkofel  dar.  Andere,  in  verschiedenen 
Stadien  der  Denudation  befindliche  Böschungsflächen  zeigen:  Das 
Schlemgehänge  bei  Cipit,  das  Rosengartengehänge  gegen  das 
Udai-Thal,  das  Sellagehänge.  nächst  dem  Pian  de  Sass  und  an 
der  Bovai-Alpe,  der  Monte  Framont  bei  Agordo,  der  Nordabfall 
der  Palle  di  San  Lucano  und  in  der  Fortsetzung  derselben  die 
Nordostgehänge  des  Primiero-Riffes. 

Noch  zahlreicher  sind  die  Stellen,  an  welchen  man  die  An- 
lagerung der  heteropischen  Bildungen  an  die  Böschungsflächen 
beobachten  und  sich  überzeugen  kann,  wie  durch  die  Wegfiihrung 
der  angelagerten  Gesteine  die  Bloslegung  der  Riffgrenzen  erfolgt 
Ausser  den  oben  angeführten  Böschungsflächen,  an  denen  oder  in 
deren  Nachbarschaft  sich  stets  Anlagerungen  von  heteropischen 
Bildungen  finden,  sind  noch  zu  nennen:  Das  Nordgehänge  der 
Marmolata,  das  Richthofen-Riff,  der  Sett  Sass,  der  Lagatschoi,  die 
Geissler  Spitzen,  der  Peitler-Kofel,  der  Monte  Carhera  mit  dem 
Pizzo  del  Corvo.  Die  Verhältnisse  an  dem  letztgenannten  Punkte 
sind  besonders  lehrreich,  da  hier  ein  vollständiges  Querprofil  durch 
ein  Riff  und  dessen  heteropische  Umgebung  entblösst  ist  (Vgl. 
Seife  312 — 314). 


5.  Das  Verhältniss  der  Riffe  zu  den  gleichzeitigen  heteropischen 

Bildungen. 

Es  kann  für  unser  Gebiet  als  Regel  hingestellt  werden,  von 
welcher  es  nur  seltene,  durch  nachweislich  bedeutende  tektonische 
Störungen  bewirkte  Ausnahmen  giebt,  dass  die  Basis  der  isopischen 
Dolomitriffe  bedeutend  höher  liegt,  als  die  Unterlage  des  benachbarten 


Die  Rifüe. 


487 


rifffreien  Gebietes.  Die  gleichzeitigen  Bildungen  liegen  daher  in 
verschiedenem  Niveau  und  stets  ragen  die  Riffmassen  über  die 
heteropischen  Bildungen  empor.  Der  lehrreichen  Erscheinung,  dass 
die  am  wenigsten  gestörten  isopischen  Riffe  des  Nordwestens  über- 
einstimmende Sockelhöhe  (2200 — 2300  Meter)  besitzen,  wurde  bereits 
gedacht.  Gegen  die  heteropische  Grenze  senkt  sich  stets  die  Unter- 
lage mehr  oder  minder  rasch.  Die  auffallendste  Hinabbeugung 
haben  wir  auf  der  Nord-  und  Nordwestseite  des  Langkofel-Riffes 
kennen  gelernt  (vergl.  Seite  193  u.  fg.),  doch  dürften  in  diesen! 
Falle  spätere,  mit  der  allgemeinen  Gebirgserhebung  zusammenfallende 
dynamische  Einwirkungen  beigetragen  haben,  die  ursprünglich 
massigere  Neigung  zu  erhöhen. 

Es  ist  für  die  richtige  Beurtheilung  der  Bildungsverhältnisse  von 
grosser  Bedeutung,  dass  sich  ein  solcher  relativer  Niveau-Unterschied 
noch  in  den  heutigen  Höhenverhältnissen  deutlich  wiederspiegelt.  Die 
Tektonik  unseres  Gebietes  folgt  einfachen,  leicht  aufzufassenden  Regeln. 
Die  relativen  Hebungen  und  Senkungen  betreffen  gleichmässig  das 
Riffgebiet  wie  die  rifffreien  Gegenden,  und  ebenso  verlaufen  die  tek- 
tonischen  Störungslinien  unabhängig  von  den  heteropischen  Grenzen. 
So  dürfen  wir  wol  mit  Beruhigung  schliessen,  dass  die  erhöhte  Lage 
der  isopischen  Riffmassen  der  ursprünglichen  Niveau-Verschiedenheit 
zwischen  dem  Riffgebiet  und  den  rifffreien  Gegenden  entspricht. 

Aber  selbst  wenn  wir  diesen  äusseren  Verhältnissen  die  Be- 
deutung, welche  denselben  zweifelsohne  zukommt,  absprechen  wollten, 
gelangen  wir  durch  die  Betrachtung  der  inneren  Verhältnisse  zu 
einer  vollkommen  concludenten  Folgerung.  Denn  es  wäre  nicht 
einzusehen,  warum  die  heteropischen  Bildungen  stets  an  der  Riff- 
böschung abstossen,  wenn  dieselbe  nicht  bereits  vorhanden  gewesen 
und  der  weiteren  Ausbreitung  der  angelagerten  Sedimente  eine  un- 
übersteigliche  Schranke  gesetzt  hätte.  Es  wäre  femer  unverständlich, 
wie  sich  so  ausgedehnte  und  hohe  Böschungen  hätten  bilden  können, 
und  es  wäre  unerklärlich,  dass  die  der  Böschung  parallele  Ueber- 
guss-Schichtung,  wie  es  in  vielen  Fällen  (z.  B.  Plattkofel,  Sella- 
Gehänge,  Monte  Framont,  Falle  di  San  Lucano  u.  s.  f )  beobachtet 
werden  kann,  sich  nahezu  continuirlich  über  hohe  Gehänge  ausdehnt. 
Ebensowenig  könnte  man  sich  sonst  eine  Vorstellung  von  den 
Bildungsverhältnissen  der  am  Fusse  der  Ueberguss-Schichten  stellen- 
weise auftretenden  und  mit  denselben  wechsellagernden  Zungen  und 
Keilen  der  heteropischen  Sedimente  machen. 

Wenn  nun  die  rifffreien  Districte  tieferen  Meerestheilen  ent- 
sprechen, so  muss  die  während  der  Riffperiode  andauernde  Senkung 
des  Meeresbodens  in  denselben  bedeutender  gewesen  sein,  als  an  den 


488  I^'C  Riffe. 

Stellen,  wo  die  Riffe  emporwuchsen.  Die  Möglichkeit  einea  solchen 
Verhältnisses  wird  uns  aus  der  Betrachtung  unseres  Kärtchens  der 
Wengener  Riffe  klar.  Denn  es  zeigt  sich  hier  auf  den  ersten  Blick, 
dass  die  Riffe  peripherisch  liegen  und  zwischen  sich  eine  grosse 
rifffreie  Bucht  einschliessen.  Die  stärkere  Senkung  der  Beckenmitte 
bietet  aber  der  theoretischen  Vorstellung  der  Senkungserscheinungen 
keinerlei  Schwierigkeit.  Die  beiden  RifHnseln  des  Langkofels  und 
des  Monte  Camera  liegen  dem  Westrande  der  Bucht  so  nahe,  dass 
sie  unter  den  gleichen  Gesichtspunkt  fallen.  Das  Camera-Riff  scheint 
überdies  zur  Zeit  der  oberen  Wengener  und  der  unteren  Cassianer 
Schichten  von  der  zunehmenden  Senkung  seines  Untergrundes  über- 
wältigt worden  zu  sein,  so  dass  es  unter  heteropischen  Sedimenten 
begraben  werden  konnte. 


6.  Die  Structur- Verhältnisse  der  Dolomitriffe. 

Bereits  beim  unteren  oder  Mendola-Dolomite  scheiden  sich 
Districte  mit  massiger,  schichtungsloser  Entwicklung  von  Bezirken 
mit  deutlicher  Parallelschichtung.  Ehe  wir  einen  Blick  auf  die 
räumliche  Anordnung  dieser  beiden  Entwicklungsformen  werfen, 
erinnern  wir  daran,  dass  der  obere  Muschelkalk  im  ganzen  Bereiche 
unserer  Karte  durch  lichte  Dolomite  und  Kalke  (Mendola-Dolomit 
im  engeren  Sinne)  repräsentirt  wird,  in  welche  sich  blos  in  der 
Gegend  von  Zoldo  dunkle  thonreiche  Kalke  einschalten  *).  An  jenen 
Stellen,  wo  auch  die  Buchensteiner  Schichten  durch  die  Dolomit- 
facies  vertreten   sind,   verschmelzen   dann   oberer  Muschelkalk  und 


*)  In  anderen  Districten  der  Südalpen,  wie  z.  B.  in  einem  Theile  der  lom- 
bardischen Kalkalpen,  bilden  den  oberen  Muschelkalk  schwarze  Plattenkalke  mit 
Cephalopoden.  Am  Dosso  alto  in  Val  Trompia  besteht  der  obere  Muschelkalk 
aus  schwarzen  Daonellenschiefern,  welche  gleichfalls  Cephalopoden  führen.  Prof. 
Lef)sius,  welcher  diesen  Fundort  entdeckt  hatte,  theilte  mir  freundlichst  seine 
Ausbeute  zur  Bestimmung  mit.  Mit  Ausnahme  des  Trachyceras  euryomphalum  Ben., 
einer  Form,  deren  Lagerstätte  bisher  nicht  bekannt  war,  befanden  sich  unter  den 
Fossilien  des  Daonellenschiefers  vom  Dosso  alto  ausschliesslich  Arten,  welche  für 
unseren  oberen  Muschelkalk  bezeichnend  sind,  nämlich:  Trachyceras  trinodosum 
Mojs.f  Track,  Riccardi  Mojs,,  Daonella  parthanensis  Schafh,  Ich  war  daher 
einigermassen  erstaunt,  in  dem  soeben  erschienenen  Werke  Lepsius'  „Das  west- 
liche Südtirol"  in  der  Fossilliste  dieses  Fundortes  ausser  obigen  Namen  noch 
Bezeichnungen,  wie  Trachyc,  Aon  Mstr,  sp.,  Ammonites  globosus  sp,  zu  finden. 
Trachyceras  Aon  kommt  nach  meinen  Erfahrungen  nur  in  den  Cassianer  Schichten 
vor.  Die  antiquirten  Citace  dieser  Art  in  den  Listen  der  lombardischen  Geologen 
sind  durchaus  nur  als  generische  Bezeichnungen  für  das  Vorkommen  der  Gattung 
Trachyceras  zu  betrachten.    Didymites  globosus  ist   auf   die  norischen  Hallstätter 


Die  RilFe.  489 

Buchensteiner  Dolomit  zu  einer  scheinbar  homogenen  Masse  (Mendola- 
Dolomit  im  weiteren  Sinne). 

Als  schichtungslose  massige  Bank  durchzieht  der  obere  Muschel- 
kalk das  Gebiet  im  Westen  der  Gader  und  des  Cordevole,  greift 
im  Camera-Riff  und  in  der  Masse  des  Monte  Alto  di  Pelsa  (Ost- 
ende des  Primiero-Riffes)  über  diese  Demarcationslinie  gegen  Osten 
hinaus  und  reicht  im  Westen  bis  in  die  Gegend  von  Moena,  wo  im 
Latemar-  und  im  Viezzena-Gebirge  eine  westliche  Region  mit 
Parallelschichtung  beginnt.  Der  ungeschichtete  Muschelkalk-Dolomit 
umfasst  sonach  die  Riffe  des  Peitlerkofels  und  der  Geissler-Spitzen, 
des  Schlern-Rosengarten,  der  Marmolata,  des  Monte  Carnera,  des 
Cimon  della  Pala  (Primiero-Riff)  mit  dem  zwischen  diesen  Riffen 
gelegenen  und  zur  norischen  Zeit  von  heteropischen  Bildungen 
erfüllten  Gebiete.  Nur  an  wenigen  Stellen,  wie  z.  B.  in  der  Pufelser 
Schlucht,  sind  Spuren  paralleler  Plattung  innerhalb  dieser  Region 
massiger  Entwicklung  bemerkbar.  Den  ganzen  Osten  nehmen 
geschichtete,  meistens  von  Diploporen  erfüllte  Bildungen  ein.  Da 
die  vorhin  erwähnte  westliche  Region  geschichteter  Dolomite 
die  ganze  Gegend  im  Westen  der  Etsch  (Mendel -Gebirgszug) 
umfasst,  so  erscheint  das  Gebiet  der  schichtungslosen  Entwicklung 
als  ein  annähernd  meridional  verlaufender  Streifen,  welcher  die  im 
Osten  und  Westen  folgenden  Districte  geschichteter  Dolomite  trennt. 
Die  Dolomitfacies  der  Buchensteiner  Schichten  folgt  der  gleichen 
räumlichen  Scheidung,  d.  h.  innerhalb  der  nun  in  Folge  der  ein- 
tretenden heteropischen  Differenzirung  dem  Riffgebiete  zugewiesenen 
engeren  Grenzen  (vgl.  Seite  482),  erscheint  im  Verbreitungsbezirke 
des   ungeschichteten  Muschelkalk-Dolomites  auch  der  Buchensteiner 


Kalke  der  juvavischen  Provinz  beschränkt.  —  Aus  dem  Original-Exemplar  des 
Trachyceras  euryomphalum  von  Prezzo  bei  Pieve  di  buono,  welches  mir  Herr 
Prof.  Benecke  freundlichst  mittheilte,  ersehe  ich  ferner  die  vollständige  Ueberein- 
stimmung  des  Gesteins  mit  den  Daonellen-Schichten  des  Dosso  alto.  Lepsius 
hingegen  gibt  an,  dass  sich  dieser  Ammonit  bei  Prezzo  in  Gesellschaft  von  Wen- 
gener  Fossilien  findet.  In  der  reichen  mir  vorliegenden  Suite  von  Wengener 
Fossilien  .von  Prezzo  suchte  ich  vergeblich  nach  Spuren  dieses  Ammoniten,  wie  ja 
auch  Benecke  selbst,  seine  erste  Angabe  berichtigend,  die  Vermuthung  ausspricht 
(Geogn.  pal.  Beitr.  II.  S.  56),  dass  Trachyc,  eury^omphalum  aus  anderen,  und  zwar 
aus  tieferen  Schichten  stamme.  Das  Gestein  der  Wengener  Schichten  von  Prezzo 
ist  überdies  so  sehr  abweichend  von  dem  Gestein  des  Track,  euryomphalum,  dass 
man  selbst  lose  auf  Halden  gesammelte  Stocke  mit  Leichtigkeit  unterscheiden  kann. 
—  Bei  dieser  Gelegenheit  kann  ich  nicht  umbin,  noch  zu  bemerken,  dass  die  in 
vorliegender  Arbeit  angenommene  und  begründete  Eintheilung  der  Trias-Schichten, 
selbstverständlich  mit  entsprechender  Rücksichtnahme  auf  die  heteropischen  Ver- 
hältnisse, sich  auch  den  Triasbildungen  des  westlichen  SOdtirol  und  der  Lombardei 
vollständig  anpasst. 


490 


Die  Riffe. 


Dolomit  ungcschichtet,  während  in  der  Region  des  geschichteten 
Muschelkalk-Dolomites  die  Schichtung  in  den  Buchensteiner  Dolomit 
aufwärts  fortsetzt. 

Der  ungeschichtete  untere  Dolomit  ist  in  der  Regel  völlig 
massig.  Doch  fehlen  auch  ihm  die  beim  oberen  Dolomit  in  so 
grosser  Ausdehnung  vorkommenden  besonderen  Structurformen 
der  Blockstructur  und  der  Ueberguss  -  Schichtung  nicht  ganz. 
(Vgl.   z.   B.  S.  185  und  S.  189). 

Beim  oberen  (Wengener  und  Cassianer)  Dolomit  tritt  in  der 
räumlichen  Vertheilung  der  geschichteten  und  ungeschichteten 
Massen  eine  nicht  unbedeutende  Verschiebung  der  Grenzen  zu 
Gunsten  des  ungeschichteten  Dolomits  ein.  Der  ganze  Osten  unseres 
Gebietes,  in  welchem  die  Dolomite  des  oberen  Muschelkalkes  und 
der  Buchensteiner  Schichten  als  wolgeschichtete  Massen  erscheinen, 
schliesst  sich  in  Bezug  auf  die  Hauptstructurform  des  oberen  Dolomits 
der  schichtungslosen  Region  des  unteren  Dolomits  an.  Das  westliche, 
über  die  Etsch  fortsetzende  Gebiet  geschichteter  Dolomite  verharrt 
dagegen  constant  in  seinem  Charakter.  Aus  diesem  Grunde  ist  im 
Westen  der  Etsch  die  Trennung  des  unteren  und  oberen  Dblomits 
sehr  schwierig,  während  in  den  östlichen  Gegenden  die  Unter- 
scheidung dieser  beiden  Hauptmassen  in  der  Regel  mit  keinen 
besonderen  Schwierigkeiten  verbunden  ist.  Wie  nämlich  bereits  in 
den  Detailschilderungen  wiederholt  erwähnt  wurde,  theilt  in  den 
grossen  westlichen  Randriffen  eine  auffallende  Trennungsfläche  die 
ungeschichteten  Dolomitmassen  in  zwei  ungleiche  Hälften,  in  den 
, unteren*  und  , oberen*  Dolomit.  (Vgl.  die  Ansicht  des  Rosengarten- 
Gebirges  in  den  Lichtbildern  »Das  südliche  Schiern -Plateau  mit 
dem  Rosengarten,  II*  und  »Die  Rothewand*,  sowie  den  Text 
S.  162  und  185).  Noch  weiter  im  Osten  in  den  Gegenden,  wo 
die  Dolomitmassen  des  oberen  Muschelkalks  und  der  Buchen- 
steiner Schichten  geschichtet  sind,  bezeichnet  der  Beginn  des  unge- 
schichteten Dolomits  die  Grenze  zwischen  der  unteren  und  oberen 
Abtheilung. 

In  dem  Gebiete  des  ungeschichteten  oberen  Dolomits  ist  zu- 
nächst eine  Region  zu  unterscheiden,  in  welcher  aufwärts  bis  zu 
den  Raibler  Schichten  die  massige,  schichtungslose  Structur  anhält. 
Hierher  gehören  der  Peitler-Kofel,  die  Geissler-Spitzen  mit  dem 
Gardenazza-Gebirge,  der  Langkofel  mit  dem  Sella-Gebirge.  das 
Cipiter  Schierngehänge,  die  Ostseite  des  Rosengarten  und  die 
Hauptmasse  des  Frimiero-Riffes.  In  den  östlicheren  Gegenden  finden 
sich  über  der  schichtungslosen  Hauptmasse  des  oberen  Dolomits 
unterhalb  der  Raibler  Schichten  einige  wolgeschichtete  Dolomit-  und 


Die  Riffe. 


491 


Kalkbänke,  welche  wir  als  die  oberste  Abtheilung  des  Cassianer 
Dolomits  betrachten.  In  Verbindung  mit  diesen  Bänken  kommen 
stets  ausgezeichnete  Oolithe  von  grossen  Dimensionen  und  von 
weisser  Farbe  vor.  (Vgl.  z.  B.  S.  248  und  316).  Die  Westgrenze 
ihres  Vorkommens  fällt  im  Norden  mit  dem  Laufe  der  Gader  und 
im  Süden  annähernd  mit  der  Thalrinne  des  Cordevole  zusammen. 
Hält  man  mit  diesen  Daten  die  oben  besprochene  Umgrenzung  des 
ungeschichteten  unteren  Dolomits  zusammen,  so  wird  man  sofort 
erkennen,  dass  die  Gebiete  des  ungeschichteten  unteren  und  des 
bis  zu  den  Raibler  Schichten  aufwärts  reichenden  ungeschichteten 
oberen  Dolomits,  sowie  umgekehrt  in  den  östlichen  Gegenden  die 
Grenzen  des  geschichteten  unteren  Dolomits  und  des  geschichteten 
oberen  Cassianer  Dolomits  sich  annähernd  decken. 

Was  die  Grenzverhältnisse  zwischen  geschichtetem  und 
ungeschichtetem  Dolomit  betrifft,  so  verweisen  wir  auf  die  S.  174 
und  179  geschilderten  prächtigen  Aufschlüsse  auf  der  Höhe  des 
Schiern,  aus  welchen  sich  ergibt,  dass  die  geschichteten  Dolomite 
an  dem  wallformig  aufragenden  ungeschichteten  Dolomit  abstossen. 
Schiern  und  Rosengarten  liegen  an  der  Grenze  zwischen  der 
Region  des  ungeschichteten  Dolomits  im  Osten  und  dem  west- 
lichen Gebiete  continuirlicher  Schichtung.  Das  Vorkommen 
geschichteter  Dolomite  auf  der  westlichen  Höhe  des  Schiern  und 
auf  der  Nordwestseite  des  Rosengarten  (vgl.  S.  186)  ist  daher  als 
ein  Uebergreifen  des  geschichteten  Dolomits  in  die  Region  des 
ungeschichteten  Dolomits  aufzufassen. 

Die  beiden  besonderen  Structurformen,  für  welche  wir  die 
Bezeichnungen  ^Ueberguss- Schichtung*  und  , Block-  oder 
Conglomeratstructur*  angewendet  haben,  sind  selbstverständlich 
nur  dem  ungeschichteten  Dolomit  eigen.  Um  unnöthige  Wieder- 
holungen zu  vermeiden,  können  wir  wegen  der  Einzelnheiten  auf 
die  Detailschilderungen,  insbesondere  auf  den  Abschnitt  über  das 
Dolomitriff  des  Schiern  (Ueberguss-Schichtung  S.  168,  Blockstructur 
S.  173),  sowie  auf  die  zahlreichen,  diese  Structurformen  zur 
Anschauung  bringenden  Holzschnitte  und  Lichtbilder  verweisen. 
Auch  darüber,  dass  es  sich  hier  nicht  um  vereinzelte  Erscheinungen, 
sondern  um  ganz  allgemein  verbreitete,  den  Riffwällen  eigenthüm- 
liche  Structurformen  handelt,  liefern  die  Detailschilderungen  aus- 
reichende Beweise. 

Es  sei  hier  nur  noch  erinnert,  dass  stellenweise  (vgl.  z.B.  S.  235, 
238,  328)  die  Blockstructur  und  die  Ueberguss-Schichtung  auch 
combinirt  auftreten. 


492 


Die  Riffe. 


7.    Die  GesteinsbeschafFenheit  der   Riffe.*) 

Wenn  auch  der  Dolomit  in  unserem  Gebiete  die  vorherrschende 
Gesteinsart  in  den  Riffen  ist,  so  kommen  doch  neben  ihm,  abge- 
sehen von  zahlreichen  Uebergängen,  auch  gewöhnliche  Kalksteine 
von  geringem  Magnesiagehalt  vor.  Auf  den  Habitus  der  Riffgesteine 
hat  diese  Verschiedenheit  des  chemischen  Bestandes  wenig  oder 
gar  keinen  Einfluss.  Ob  man  die  Massen  in  ihrer  Totalität  nach 
ihrem  landschaftlichen  Charakter,  oder  ob  man  den  Gebirgsschutt 
oder  das  vereinzelte  Bruchstück  betrachtet,  stets  bleibt  die  Tracht 
dieselbe,  sei  das  Gestein  Dolomit  oder  Calcit.  Die  charakteristischen 
Merkmale  der  Riffgesteine,  als  welche  man  das  krystallinisch-kömige 
Gefüge,  den  splittrigen  Bruch  und  die  Armuth  an  Thon  anführen 
kann,  werden  durch  den  grösseren  oder  geringeren  Gehalt  an 
kohlensaurer  Magnesia  nicht  modificirt.  Der  Dolomit  unterscheidet 
sich  in  der  Regel  äusserlich  blos  durch  gröberes  Korn  und  das 
Vorkommen  drusiger  Höhlungen,  doch  ist  auch  dieses  Kennzeichen 
nicht  verlässlich  und  in  vielen  Fällen  bleibt  es  erst  der  chemischen 
Untersuchung  vorbehalten,  zu  unterscheiden,  ob  das  Gestein  Dolomit, 
dolomitiscljer  Kalk  oder  Calcit  zu  nennen  sei.**) 

Die  herrschende  Farbe  der  Riffgesteine  ist  weiss.  Gelbliche 
Schattirungen  sind  nicht  selten.  Rothe  Färbung  wurde  nur  ganz 
vereinzelt  im  Dolomit  der  Rosszähne  beobachtet.  Am  Ostrande 
unseres   Kartengebietes,   in   dem   hauptsächlich   aus   gewöhnHchem 


*)  Wahrend  der  Drucklegung  erhalte  ich  die  neueste  Arbeit  des  Herrn 
H.  Loretz  (Untersuchungen  über  Kalk  und  Dolomit.  I.  Südtiroler  Dolomit, 
Zeitschr.  d.  Deutschen  Geol.  Gesellschaft  1878,  S.  387),  welche  die  Resultate  seiner 
petrographischen  Untersuchungen  der  Südtiroler  Riifdolomite  enthält.  Herr  Loretz 
weist  das  Vorhandensein  eines  vorwiegend  mikrokr\'Stailinisehen  Antheils  neben 
einem  phanerokrystallinischen  oder  doch  in  grösseren  Individuen  ausgebildeten 
Antheil  nach  und  schliesst  sowol  hieraus,  als  auch  aus  der  Vertheilung  und 
Gruppirung  dieser  Theile  im  Gesteinsgewebe,  ferner  aus  dem  Erhaltungszustande 
der  Fossilien,  „dass  zuerst  ein  liquider  oder  doch  beweglicher  Zustand  der  jetzigen 
Gesteinsmasse  vorlag,  der  bald  darauf  in  einen  Zustand  der  krystallinischen  Er- 
starrung übergieng^.  —  Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung,  wie  vortrefflich  dieses 
Resultat  mit  den  Ergebnissen  unserer  Untersuchungen  über  die  Bildungsweise  der 
Riffe  harmonirt  (vgl.  weiter  unten  den  9.  Abschnitt). 

Die  Frage,  „ob  mit  dem  erstarrten  Gestein  späterhin  wol  noch  Veränderungen 
nach  morphologischer  und  chemischer  Richtung  vorgegangen''  seien,  ist  Herr 
Loretz  zu  verneinen  geneigt. 

**)  Vgl.  Do  elter  und  R.  Hoernes,  Chemisch-genetische  Betrachtungen 
über  Dolomit.  Jahrb.  Geol.  R.-A.  1875.  —  Die  stratigraphischen  Niveau-Bestim- 
mungen der  analysirten  Gesteine  sind  in  dieser  Arbeit  häufig  ungenau;  ein  Fehler, 
welcher  durch  die  Vergleichung  der  Fundpunkte  mit  unserer  Karte  leicht  corrigirt 
werden  kann. 


I 


Die  Riffe. 


493 


Kalk  bestehenden  Sextener  Riffe  treten  an  die  Stelle  der  weissen 
Farbe  graue  und  röthliche  Färbungen.  Ausser  in  dem  Sextener 
Riffe  überwiegt  der  Kalk  oder  dolomitische  Kalk  noch  insbesondere 
im  Marmolata-Stock,  dann  im  Latemar-  und  Viezzena- Gebirge.  Im 
grossen  Primiero  -  Riffe  dürften  dolomitischer  Kalk  und  Dolomit 
ziemlich  gleich  vertreten  sein. 

Die  an  der  heteropischen  Grenze  der  Riffe  vorkommenden, 
in  die  lichten  Riffgesteine  übergehenden  Cipit kalke  wurden  bereits 
S.  55  und  S.  164  beschrieben.  Die  dunkle  Färbung  dieser  meistens 
sehr  fossilreichen  Kalke  dürfte  hauptsächlich  in  ihrem  übrigens  nicht 
bedeutendem  Thon-  und  Bitumengehalt  begründet  sein*). 

8.    Die  marine  Fauna  und  Flora  der  Riffe. 

Die  Unterscheidung  von  geschichtetem  und  ungeschichtetem 
Dolomit  erweist  sich  nicht  blos  in  morphologischer,  sondern  auch 
in  biologischer  Beziehung  als  bedeutungsvoll.  Während  nämlich  in 
jenem  Anhäufungen  von  isolirten  Korallinen-Gliedem  (Diploporen**) 
eine  grosse  Rollen  spielen,  wiegen  bei  diesem  unter  den  im  Allge- 
meinen seltenen  Fossileinschlüssen  stockförmige  Korallen  bei 
weitem  vor.***) 

Zu  den  charakteristischen  Fossilien  unserer  Riffe  zählen  die 
grossen,  unter  den  Gattungsnamen  Natica  und  Chemnitzia  in- 
begriffenen Gasteropoden  -  Formen.  Obwol  selten  in  grösseren 
Mengen  (wie  etwa  bei  Esino)  vorkommend,  finden  sie  sich  in  ver- 
einzelten Exemplaren  doch  über  das  ganze  Riffgebiet  verbreitet.  Sie 
fehlen  weder  dem  ungeschichteten  Riffwall,  noch  den  geschichteten 


*)  Stellenweise  zeichnen  sich  diese  Kalke  auch  durch  geringe  Beimengungen 
von  kohlensaurem  Eisenoxydul  und  Manganoxydul  aus. 

**)  In  den  ersten  Bogen  dieses  Buches  haben  wir  in  Uebereinstimmung  mit 
der  bis  vor  Kurzem  herrschenden  Anschauung  die  Diploporen  und  Gyroporellen 
noch  als  Foraminiferen  betrachtet.  Seither  wurde  durch  Munier  Chalmas 
(Comptes  rendus,  1877,  II.  Sem.,  pag.  814)  der  Nachweis  erbracht,  dass  die  Dactylo- 
porideen  Kalk-Algen  seien,  welche  den  lebenden,  grOne  Sporen  tragenden  Gattungen 
Cymopolia,Acetabularia  u.  s.  f.  sich  zunächst  anschliessen.  In  der  That  Iftsst  die  Besichti- 
gung von  Exemplaren  von  Cymop,  rosarium  (vortrefflich  abgebildet  in  Lamouroux, 
Genres  de  Tordre  des  Polypiers,  Tab.  21,  Fig.  h,  H.)  oder  Cynt,  barbata  nicht 
den  geringsten  Zweifel  über  die  Uebereinstimmung  der  Diploporen  mit  den  isolirten 
Cymopolien-Gliedern.  Vgl.  a.  Toula,  Neue  Ansichten  Ober  die  systematische 
Stellung  der  Dactyloporideen.  Verh.  Geol.  R.-A.  1878,  pag.  3oi. 

*♦♦)  Doch  fehlen  Korallen  auch  dem  Gebiete  der  geschichteten  Dolomite  nicht 
ganz,  wie  mir  erst  jüngst  Funde  grosser  Korallenstöcke  im  Dolomite  von  Valsorda 
bei  Trient  bewiesen. 


494  ^^^  ^^^^• 

Canalbildungen.  In  theoretischer  Beziehung  ist  namentlich  das 
Vorkommen  grosser,  mit  Esino-Formen  nahe  verwandter  Natica- 
Arten  im  oberen  Muschelkalk  von  Buchenstein  (vgl.  S.  47 
und  252)  von  Interesse,  insofeme  dadurch  unsere  Auffassung  der 
Gasteropoden-Kalke  und  Dolomite  als  Rifffacies  im  Allgemeinen 
im  Gegensatze  zu  der  älteren  Anschauung,  welche  dieselben  als 
eine  chronologisch  fixirte  Etage  betrachtete,  eine  weitere  Bestätigung 
findet. 

Reste  aus  anderen  Thierklassen  sind  im  Allgemeinen  selten. 
Es  finden  sich  indessen  Echiniden,  Crinoiden,  Cephalopoden  und 
Pelecypoden.  Die  Fundorte  von  Cephalopoden  und  Gasteropoden 
im  Kalke  der  Marmolata,  des  Latemar  und  des  Dosso  Capello 
zeichnen  sich  durch  das  massenhafte  Vorkommen  von  Individuen 
weniger,  auf  die  einzelne  Localität  beschränkter  Arten  aus. 

In  wolthuendem  Gegensatze  zu  der  Einförmigkeit  und 
Sterilität  der  Riffniassen  an  organischen  Einschlüssen  steht  die 
Reichhaltigkeit  thierischer  Reste  in  den  Ablagerungen  an  den 
Aussenseiten  der  Riffwälle.  Es  sei  hier  zunächst  und  in  erster 
Linie  der  altberühmte  Fundort  von  St  Cassian  genannt,  an  welchen 
sich  sodann  die  zahlreichen,  meist  dem  Niveau  der  Wengener 
Schichten  angehörigen  Vorkommnisse  von  Cipitkalken  mit  ihrem 
Reichthum  an  Korallen,  Echiniden  und  Crinoiden  anschliessen. 


g.  Die  Korallenriff-Theorie. 

Es  ist  eine  in  der  Geschichte  aller  Wissenschaften  häufig 
wiederkehrende  Erscheinung,  dass  einzelne  begabte  Forscher,  dem 
langwierigen  inductiven  Beweise  prophetisch  voraneilend,  aus  unzu- 
länglichen Beobachtungsreihen  Folgerungen  ziehen,  deren  Richtig- 
keit erst  durch  nachfolgende  Erhebungen  und  Entdeckungen  fest- 
gestellt wird.  In  ähnlicher  Weise  überholte  auch  Ferd.  Freiherr  von 
Richthofe n  in  seiner  berühmt  gewordenen  Jugendarbeit  über  das 
südliche  Tirol*)  den  bedächtigen  Gang  der  inductiven  Forschung, 
indem  er  die  Ansicht  aussprach,  dass  die  südtirolischen  Dolomit- 
stöcke Korallenriffe  seien. 

In  einem  späteren,  nach  der  Rückkehr  von  seinen  grossen 
Reisen   veröffentlichten  Aufsatz**),   welcher    zunächst   zur  Abwehr 


*)  Geognostische  Beschreibung  der  Umgebung  von  Predazzo,  St.  Cassian  und 
der  Seisser  Alpe.  Gotha  I860. 

♦♦)  Ueber  Mendola-Dolomit    und   Schlern-Dolomit.    Zeitschr.    D.    Geol.   Ges» 
1874,  pag.  225. 


Die  RifTe. 


495 


nicht  sehr  glücklicher  Einwendungen  gegen  die  Rifftheorie  bestimmt 
war,  formulirte  er  die  Stützen  seiner  Theorie  mit  grösserer 
Bestimmtheit  und  UebersichtUchkeit.  Erwiesen  sich  nun  auch  in 
der  Folge  einige  dieser  Stützen  als  hinfällig,  und  mochte  man  auch 
die  übrigbleibenden  als  nicht  ausreichend  zu  so  weittragenden 
Schlüssen  ansehen,  so  gebührt  doch  unter  allen  Umständen 
V.  Richthofe n  das  hohe  Verdienst,  den  ersten  Keim  zur  richtigen 
Auffassung  der  heteropischen  Verhältnisse  der  i  mediterranen  Trias 
gelegt  und  die  Aufmerksamkeit  seiner  Nachfolger  auf  die  Korallen- 
riffe gelenkt  zu  haben.  Ich  persönlich  fühle  mich  für  die  vielfachen 
Anregungen,  welche  ich  seinen  geistvollen  Schriflen  entnommen 
habe,  zu  grösstem  Danke  verpflichtet,  und  empfinde  ich  lebhafte 
Freude  und  Genugthuung,  meine  Dankesschuld  durch  den  Versuch 
einer  Begründung  der  Korallenriff-Theorie  abtragen  zu  können. 

Nachdem  wir  in  den  vorangehenden  Absätzen  auf  Grund  der 
in  diesem  Buche  niedergelegten  Beobachtungsreihen  die  wichtigsten 
Merkmale  unserer  Riffe  zusammengestellt  haben,  erübrigt  uns  blos 
zu  zeigen,  dass  dieselben  in  vollkommen  concludenter  Weise  für 
die  Richtigkeit  der  Korallenriff-Theorie  sprechen. 

Wir  beginnen  vielleicht  am  passendsten  mit  der  Rechtferti- 
gung des  Ausdruckes  , Riffe*,  welchen  wir  bereits  während  des 
ganzen  Verlaufes  unserer  Darstellungen  gebraucht  haben.  Man  ist 
bisher  allgemein  der  Ansicht  gewesen,  dass  die  Grenzen  der  so- 
genannten Riffe  Südtirols  mit  den  heutigen  orographischen  Grenzen 
(den  steilen  Abbruchrändern)  der  Bergmassen  zusammenfallen 
sollen,  und  manche  Anhänger  der  Rifftheorie  sind  so  weit  gegangen, 
in  den  Steüwänden  der  Dolomitmassen  einen  Beweis  zu  Gunsten 
ihrer  Ansicht  zu  erblicken.  Den  Gegnern  der  Rifftheorie  wurde 
durch  diese  hypothetischen  Vorstellungen  eine  bequeme  und  sichere 
Waffe  in  die  Hand  gedrückt;  denn  es  liess  sich  leicht  nachweisen, 
dass  die  Steilränder  nur  das  Werk  der  Denudation  seien.  Unsere 
Riffe  haben  in  der  Regel  mit  den  heutigen  Bergformen  nichts 
gemein.  Wir  waren  häufig  in  der  Lage,  den  ursprünglichen  Zu- 
sammenhang gegenwärtig  isolirter  und  von  steilen  Denudations- 
wänden begrenzter  Dolomitmassen  nachzuweisen  und  haben  wir 
in  unseren  Kärtchen  über  die  Verbreitung  der  Riffmassen  den 
Versuch  einer  Reconstruction  der  ursprünglichen  Riffgrenzen  gewagt. 
Nur  an  jenen  Stellen,  wo  durch  die  Denudation  die  heteropischen 
Grenzen  entblösst  sind,  fallen  in  Folge  des  verschiedenen  Ver- 
haltens der  heteropischen  Bildungen  gegenüber  der  Denudation 
die  Riffgrenzen  mit  dem  topographischen  Relief  zusammen.  Die 
Rechtfertigung  der  Bezeichnung  ,Riff*  ergibt  sich  für  uns  aus  dem 


496 


Die  Riffe. 


wiederholt   geschilderten   Verlauf    der   heteropischen   Grenze.     Wir 
erinnern   hier  nur    an    die    steile   Abdachung   (Riflfböschung),    mit 
welcher  die  Dolomitmassen  gegen  das  heteropische  Gebiet  abfallen, 
an  die  geographische  Vertheilung  der  Dolomitmassen,  sowie  an  die 
Unterbrechung  und  Begrenzung  des  von  der  Mergel-  und  TuffTacies 
eingenommenen  Areals  durch   mächtige,   höher   gelegene   isopische 
Dolomitmassen.     Solchen     Verhältnissen     zu     den     gleichzeitigen 
heteropischen    Absätzen    entsprechen    nur    Riffbildungen,    und    so 
haben   wir  uns,    um   die  Erscheinung   mit  dem   ihr   zukommenden 
passenden   Namen   zu   bezeichnen,    für   die   Anwendung   des   Aus- 
druckes »Riff*  entschieden.     Um  jedoch   in   die  Bezeichnung   nicht 
zugleich  eine  präjudicirende  Theorie   aufzunehmen,   haben   wir   das 
Bestimmungswort  , Korallen*  fortgelassen.     Die  heute    noch   in  der 
Fortbildung  begriffenen  Kalkriffe  von  einiger  Bedeutung   sind  zwar 
durchgehends    Korallenriffe,    die    eigenthümlichen    riffartigen    An- 
häufungen   von   Rudisten,    Crinoiden,    Foraminiferen ,   Nummuliten, 
Fusulinen,    Orbituliten    und  Korallinen,    welche    man   zuweilen    in 
älteren  Ablagerungen  trifft,   liessen  jedoch  eine  gewisse   vorsichtige 
Zurückhaltung  angezeigt  erscheinen. 

Das  Hauptgewicht  bei  der  näheren  Bestimmung  der  genetischen 
Verhältnisse  ist  daher  auf  die  organischen  Einschlüsse  der  Riffe 
zu  legen.  Hier  ergibt  sich  nun  auf  den  ersten  Blick  eine  scheinbar 
grosse  Schwierigkeit:  die  verhältnissmässige  Armuth  des  Gesteins 
an  organischen  Resten.  Es  ist  jedoch  aus  den  zahlreichen 
Schilderungen  der  modernen  Korallenriffe,  insbesondere  aus  den 
beiden  Hauptwerken  über  diesen  Gegenstand  von  Darwin*)  und 
Dana**)  sattsam  bekannt,  dass  ausgedehnte  Strecken  der  modernen 
Korallenriff-Kalke  ebenfalls  ausserordentlich  arm  an  organischen 
Einschlüssen***)  sind.  Versuchen  wir  es,  uns  den  Grund  dieser 
auffallenden,  in  ihren  letzten  Ursachen  noch  wenig  erforschten 
Erscheinung  klar  zu  machen.  Zwei  Factoren,  welche  combinirt 
wirken,  spielen  bei  der  Bildung  der  Riffkalke  eine  wesentliche 
Rolle.  Dies  sind  i.  die  mechanische  Wirkung  der  Wogen,  und 
2.  der  chemische  Process  der  krystallinischen  Umsetzung  des 
organisirten  Kalkes.  Die  Arbeit  der  Wogen,  welche  in  dem 
Abbrechen  der  Korallenäste,  deren  Zerkleinerung,  Pulverisirung  und 


*)   The   Structure    and   Distribution   of  Coral    Reefs.    Second  Edition.   Lon- 
don 1874.  —  Deutsche  Uebersetzung  von  Carus,  Stuttgart  1876. 
♦♦)  Corals  and  Coral  Islands.  London,  1872. 
*♦♦)  Dana  (Corals  and  Coral  Islands,  p.  SSa)  bezeichnet  geradezu  „abscnce  of 
fossils  as  a  frequent    characteristic   of  the    fine    compact    coral  reef-rock,    and 
also  of  the  beach  and  drift  sand-rock  oröltls^.  cn. 


Die  Riffe. 


497 


endlich  in  dem  Anhäufen  des  erzeugten  Sandes  und  Staubes  an 
den  Gehängen  des  Riffes  besteht,  wird  wesentlich  unterstützt  durch 
die  zahllosen  bohrenden  Thiere,  welche,  wie  Agassiz*)  betont, 
die  basalen  abgestorbenen  Theile  der  Korallenstöcke  in  der  wirk- 
samsten Weise  nach  allen  Richtungen  unterminiren.  Ohne  diese 
mechanischen  Anhäufungen  von  zermalmtem,  organisirtem  Kalk 
gäbe  es  keine  Korallenriffe.  Denn  wenn  die  Zwischenräume  der 
Korallenstöcke  nicht  massiv  ausgefüllt  würden,  wäre  das  Empor- 
wachsen der  Riffe  nicht  möglich.  Um  aber  weiter  compacten  Kalk 
aus  dem  losen  Detritus  zu  bilden,  ist  ein  Bindemittel  nothwendig. 
Hier  beginnt  die  chemische  Action.  Bei  dem  reichen,  organischen 
Leben  in  den  oberen  Theilen  des  Riffes  wird  stets  in  Folge  der 
eintretenden  Verwesung  der  abgestorbenen  Organismen  freie 
Kohlensäure  erzeugt,  welche  Theile  des  zu  bindenden  losen  Hauf- 
werkes und  der  abgestorbenen  Korallen-Skelette  auflöst**).  Da  sich 
der  Process  nahe  an  der  Oberfläche  des  Meeresspiegels  vollzieht, 
wo  das  unausgesetzte  Spiel  der  Wogen  eine  stetige  Bewegung 
unterhält,  durch  welche  die  halbgebundene  Kohlensäure  wieder  aus- 
getrieben wird,  so  steht  der  raschen  theilweisen  Fällung  des 
gelösten  Kalkes  nichts  im  Wege.  Der  auf  diese  Weise  krystallinisch 
umgesetzte  Kalk  fungirt  nun  theils  als  Bindemittel,  theils  als 
Ausfüllungsmasse. 

Man  sieht  leicht  ein,  dass  die  beiden  geschilderten,  für  die 
Bildung  der  Riftmassen  so  wesentlichen  Vorgänge,  der  mechanische, 
wie  der  chemische,  darauf  abzielen,  die  Spuren  des  organischen 
Ursprungs  zu  verwischen,  und  man  begreift,  dass  es  hauptsächlich 
von  dem  Masse  der  Wirkung  dieser  Factoren  abhängen  wird,  ob 
und  in  welcher  Ausdehnung  sich  die  Kalkgerüste  der  am  Aufbau 
der  Riffe  betheiligten  Organismen  erhalten  werden. 

Dana  (Corals  etc.  p.  227)  erwähnt,  dass  der  Process  der 
Obliteration  und  Auflösung  des  Korallengerüstes  bereits  in  den  kaum 
abgestorbenen  Theilen  noch  lebender  Stöcke  eintreten  kann,  und 
De   la   Beche  weist  auf  die  im  Innern   der   Korallenmasse   selbst 


*)  Report  of  the  Superintendent  of  the  U.  S.  Coast  Survey,  showing  the 
progress  of  the  Survey  during  the  year  1866.  Washington,  1869,  pag.  126.  — 
Lyell,  Principles  of  Geology.  loth.  ed.  Vol.  II,  pag.  588. 

*♦)  Vgl.  Dana,  Corals  and  Coral  Islands,  pag.  355.  —  De  la  Beche,  Vor- 
schule der  Geologie,  Deutsche  Ausgabe  von  Dieffenbach,  pag.  178.  —  Lyell, 
Principles,  lo^h.  ed.  Vol.  II.  pag.  588.  —  Dass  die  in  unseren  triadischen  Riffen 
stellenweise  häufigen,  sogenannten  „Evinospongien"  in  analoger  Weise  gebildet 
worden  sein  müssen,  hat  bereits  Benecke  (lieber  die  Umgebung  von  Esino. 
Geogn.  pal.  Beitr.  II.  Bd.,  pag.  298)  erwähnt. 

Mojsisovics,  Dolomitriffc.  32  ^^ 


498  Die  Ritfe. 

sich  zersetzenden  organischen  Substanzen  hin,  durch  welchen  Vor- 
gang ,  oft  Umstände  eintreten,  die  das  organische  Gewebe  verwischen 
und  dafür  Kalkmasse  von  einem  unorganischen  Charakter  absetzen*. 

Die  ausserordentlich  rasche  und  leichte  Obliteration  der  Korallen- 
structur  erklärt  sich  aber  auch  noch  durch  die  bisher  in  ihrer 
geologischen  Bedeutung  wenig  gewürdigte  Thatsache,  dass  das 
Korallenskelett  nicht  aus  Calcit,  sondern  aus  dem  leicht  löslichen 
Aragonit  besteht*).  Suess  hat  bereits  vor  Jahren  auf  die  lehrreiche 
Erscheinung,  welche  der  Leythakalk  des  Wiener  Tertiärbeckens 
zeigt,  aufmerksam  gemacht.  In  diesem,  vorzugsweise  von  einer 
Kalkalge,  A^mLithothamnium  ramosissimumRss.  sp.  gebildeten  Gesteine 
sind  alle  aus  Calcit  bestehenden  Fossilreste  (Lithothamnien,  Bryo- 
zoen,  Foraminiferen,  Echinodermen,  Crustaceen,  Brachiopoden, 
Kammmuscheln,  Austern,  Anomien**)  wol  erhalten,  während  die 
aus  Aragonit  aufgebauten  Harttheile  der  Korallen,  Gasteropoden  und 
der  meisten  zweiklappigen  Muscheln  verschwunden  sind  und  nur 
ihre  Hohlräume  zurückgelassen  haben.  Der  gelöste  Aragonit  setzte 
sich,  wie  Suess***)  ausführt,  in  der  Form  von  Calcit  als  Bindemittel 
der  aus  Calcit  bestehenden  Hauptmassen  des  Gesteins  ab,  welche 
ohne  diese  Verbindung  nur  ein  loses  Haufwerk  darstellen  würden. 
Von  besonderem  Interesse  ist  dabei  das  Verhalten  der  Pelecypoden- 
Gattung  Pinna,  deren  Schale  nach  den  Untersuchungen  von  Ley- 
doldt  t)  aus  zwei  heteromorphen  Schalenlagen  besteht.  Dieser 
Zusammensetzung  entsprechend  ist  bei  den  Pinnen  des  Leytha- 
kalkes  die  aus  Aragonit  bestehende  innere  Schalenschichte  ver- 
schwunden, während  die  calcitische  Aussenschale  sich  conservirt  hat. 

In  den  Korallenriffen,  wo  der  durch  die  thierische  Vermittlung 
aus  dem  Meerwasser  abgeschiedene  Kalk  vorzugsweise  in  der  Form 
des  leicht  löslichen  Aragonits  auftritt,  wird  der  durch  die  chemische 
Umsetzung  gefällte  Calcit  sich  nicht  blos,  wie  beim  Leythakalk,  mit 
der  Rolle  eines  Verbindungsgliedes  begnügen,  sondern  er  wird  unter 


*)  Claus*  Zoologie.  3.  Aufl.  S.  204.  —  Insbesondere  aber  Stein  mann, 
Ueber  fossile  Hydrozoen.  Palaeontographica,  25.  Band,  S.  204.  „Bedenken  wir,^ 
sagt  dieser  Forscher,  „dass  auch  bei  den  lebenden  Formen  (der  Korallen)  die 
strahlige  Structur  häufig  kaum  zu  erkennen  ist,  ja  sogar  ganz  verschwinden  kann, 
so  müssen  wir  uns  wundern,  dass  fossile  Gerüste  Oberhaupt  noch  Spuren  der 
Structur  zeigen." 

**)  Auch  die  theils  aus  phosphorsaurem,  theils  aus  flusssaurem  Kalke  gebildeten 
Zähne  und  Knochen  der  Wirbelthiere  sind  wolerhalten. 

♦**)  Der  Boden  der  Stadt  Wien,  Wien  1862,  Seite  iio  und  ff.  —  Ueber  Bau- 
gesteine. Mittheilungen  des  k.  k.  österr.  Museums  für  Kunst  und  Industrie,  1867 
(S.  1 1  des  Sept-Abdr.). 

t)  Sitz..Ber.  kais.  Akad.  d.  Wiss.  Wien,  x856.  Bd.  XIX,  S.  29. 


Die  Riffe. 


499 


Umständen  sich  in  grösseren  Massen  ablagern.  So  kann  in  Folge 
«einer  eigenthümlichen  Verkettung  verschiedenartiger  Vorgänge  auch 
im  Meere  fossilfreier,  krystallinischer  Kalk  gefällt  werden*). 

Selbst  wenn  das  Riff  über  den  Meeresspiegel  emporgehoben 
ist,  wird  die  Obliteration  solcher  Theile  des  Riffes,  welche  bisher 
verschont  geblieben  oder  nur  in  geringem  Grade  angegriffen  worden 
waren,  durch  die  eintretende  Circulation  kohlensäurehältiger 
Atmosphärwasser  eintreten,  resp.  fortschreiten  können.  Zahlreiche 
Nachrichten  über  den  verschiedenen  Zustand  der  Erhaltung  der 
Korallenskelette  in  gehobenen  Korallenriffen  scheinen  für  eine  solche 
nachträgliche  Auflösung  und  Umsetzung  zu  sprechen. 

Kehren  wir  nach  dieser  langen  Disgression  zu  unseren  süd- 
tiroler  Riffen  zurück.  Wir  hatten  bereits  oben  constatirt,  dass  trotz 
-der  allgemeinen  Seltenheit  von  Fossilien  in  den  ungeschichteten 
Riffwällen  die  Reste  von  Korallen  zu  den  am  häufigsten  wieder- 
Tcehrenden  Spuren  organischer  Einschlüsse  gehören.  Die  Erhaltungs- 
weise dieser  Korallen  ist  zwar  durchgehends  eine  sehr  schlechte. 
Meistens  sind  nur  die  Hohlräume  zurückgeblieben,  aber  die  Art 
des  Verlaufes  und  die  Gruppirung  derselben  lässt  deutlich  den 
korallogenen  Ursprung  erkennen.  In  einigen  Fällen  sieht  man  jedoch 
an  Verwitterungsflächen  noch  deutlich  die  Spuren  der  Korallen- 
structur.  Dieser  hohe  Grad  von  Obliteration  wird  nach  den  obigen 
Erörterungen  verständlicher,  wenn  wir  daran  erinnern,  dass  selbst 
die  aus  Calcit  bestehenden  Cidaritenstachel  körperlich  verschwunden 
■sind  und  nur  ihre  Hohlräume  zurückgelassen  haben. 

Während  so  die  ungeschichteten  Riffmassen  zum  grossen 
Theile  aus  fo.ssilleerem,  krystallinischem  Gestein  bestehen,  zieht  sich 
am  Fusse  der  Riffe,  an  der  heteropischen  Grenze  eine  fortlaufende 
Zone  von  Gesteinen  (Cipitkalk)  hin,  in  welchen  neben  den  vor- 
herrschenden Korallenstöcken  zahlreiche  korallophile  Thierreste  ein- 
geschlossen  sind.     Des    blockförmigen   Auftretens    dieser   Gesteine 


*)  Man  begegnet  häufig  der  durch  die  mangelhaften  Angaben  der  meisten 
deutschen  geologischen  Lehrbücher  genährten  Anschauung,  dass  die  gesammten 
Aussenflächen  der  Riffe  aus  lebenden  Korallen-Colonien  bestehen.  Diese  Auffassung 
Ist  ganz  irrig.  Es  wechseln  Regionen  reichen  Lebens  mit  ganz  todten  abgestorbenen 
Strichen,  und  sehr  häufig  beschränkt  sich  das  Leben  blos  auf  zerstreute  Flecke 
inmitten  abgestorbener  Flächen.  In  vielen  Fällen  mag  durch  die  Aufschüttung  von 
Detritus  ein  plötzlicher,  gewaltsamer  Tod  herbeigeführt  werden.  Mit  der  Zeit, 
vielleicht  unter  etwas  veränderten  äusseren  Umständen,  siedeln  sich  dann  auf  den 
abgestorbenen,  zu  festem  Fels  verwandelten  Theilen  neue  Colonien  an,  die  sich 
allmählich  ausbreiten  und  die  Fläche  überwachsen,  bis  wieder  eine  neue  Periode 
gewaltsamer  oder  natürlicher  Unterbrechung  eintritt. 

32* 


JOO  I^ie  Riffe. 

wurde  ausführlich  S.  170  und  172  gedacht.  Auch  wurde  wieder- 
holt erwähnt,  dass  vielfach  Uebergänge  in  den  weissen  Dolomit 
vorhanden  sind.  Nach  der  Art  des  Vorkommens  kann  man  einen 
Theil  dieser  Gesteine,  insbesondere  die  Blockmassen,  nur  für  ab- 
gerissene und  durch  die  Umhüllung  mit  heteropischem  Sediment, 
oder  durch  die  tiefere  Lage  gegen  den  allzu  starken  Fortschritt 
der  Obliteration  geschützte  Fragmente  des  Riffes  halten.  Wenn 
unsere  Anschauung  die  richtige  ist,  so  wäre  es  jedoch  sehr  sonder- 
bar, dass  sich  nicht  auch  Stücke  des  obliterirten  Riffgesteins  vor- 
finden sollten.  Und  in  der  That  kommen  stellenweise,  wie  z.  B.  im 
Kamme  der  Rosszähne,  auch  ganz  fossilleere  oder  fossilarme  Blöcke 
vor.  Die  geringe  Beimengung  von  Thon,  welche  die  Cipitkalke 
von  dem  reinen  Riffgestein  unterscheidet,  erklärt  sich  durch  die 
peripherische  Lage  an  der  Grenze  eines  hauptsächlich  von  mechanischen 
Sedimenten  erfüllten  Gebietes.  Die  anderen  in  die  Kategorie  der 
Cipitkalke  fallenden  Vorkommnisse,  wie  z.  B.  das  Fossillager  von 
Stuores  bei  St.  Cassian,  verdanken  ihre  Bildung  theils  der  Anhäufung 
der  in  situ  lebenden  Thiere,  theils  (wie  der  fragmentäre  Zustand 
der  solche  Breccien  bildenden  Reste  beweist)  der  Abschwemmung 
von  den  Gehängen  der  Riffe. 

Angesichts  der  grossen  Armuth  des  ungeschichteten  Dolomits 
an  Fossilresten  muss  das  Vorkommen  der  fossilreichen  Cipitkalke 
am  Aussenrande  der  Riffe  als  eine  besonders  günstige  Erscheinung 
betrachtet  werden,  durch  welche  wir  mit  den  biologischen  Verhält- 
nissen der  Riffe  bekannt  werden.  Die  Cipitkalke  vermitteln  uns  das 
Bild  einer  echten,  unzweifelhaften  Korallenriff-Fauna  und  wir  stehen 
nach  den  vorausgegangenen  Erläuterungen  und  Feststellungen  nicht 
an,  unsere  ungeschichteten  Dolomitwälle  als  Korallenriff- 
Bildungen  zu  betrachten. 

Bevor  wir  zur  Besprechung  des  biologischen  Bestandes  der 
geschichteten  Dolomite  und  Kalke  schreiten,  dürfte  es  am  Platze 
sein,  zu  untersuchen,  in  welche  Kategorie  der  heute  allgemein 
unterschiedenen  drei  Hauptgruppen  von  Korallenriffen  unsere 
Dolomitriffe  gehören.^  Um  jedoch  in  dieser  Beziehung  zu  einer 
naturgemässen  Anschauung  zu  gelangen,  müssten  wir  unsere  Blicke 
über  die  engen  Grenzen  unseres  Gebietes  hinauschweifen  lassen  und 
das  Verhältniss  unserer  Riffe  zu  jenem  alten  Inselgebirge,  welches 
wir  heute  die  krystallinische  Mittelzone  der  Ostalpen  nennen,  in  das 
Auge  fassen.  Wir  werden  weiter  unten  näher  auf  diese  Frage  eingehen 
und  bemerken  vorläufig  nur,  dass  die  geographische  Anordnung 
der  Riffe  im  Zusammenhalte  mit  der  geologischen  Geschichte 
der  Ostalpen   zu   dem   Schlüsse    führen,    dass   die  Hauptmasse   der 


E  Riffe. 


SOI 


Riffe  (der  .obere  Dolomit')  sich  wie  ein  Wallriff  zur  krystallinischen 
Mittelzone  der  Alpen  verhält. 

Dem  eigentlichen  Riffwalle  entsprechen  offenbar  die  unge- 
schichteten Dolomite,  während  den  geschichteten  Dolomiten  des 
Westens  nach  ihrer  Lage  zwischen  dem  alten  Inselkeme  und  der 
äusseren  Zone  des  Riffwalles  die  Rolle  der  Lagunen-  oder  Canal- 
bildungen  zufällt.  Wenn  wir  von  den,  beiden  Abtheilungen  der 
Riffbildungen  gemeinsamen  organischen  Einschlüssen  und  den 
sporadischen  Vorkommnissen  in  den  Kalken  des  Avisio-Gebietes 
absehen,  bleiben  als  die  wichtigsten  und  am  weitesten  verbreiteten 
Fossilreste  der  geschichteten  Dolomite  die  isoh'rten,  aber  an  den 
meisten  Stellen  ihres  Vorkommens  massenhaft  angesammelten 
Diploporen-Glieder,  Leider  liegen  über  die  Wohnplätze  der,  wie 
es  scheint,  in  den  heutigen  Meeren  ziemlich  selten  vorkommenden 
nächsten  Verwandten  der  Diploporen,  der  Cymopolien,  nur  sehr 
unzureichende  allgemeine  Angaben  vor.  Dass  Kalkalgen  in  den 
heutigen  Korallenriffen  zu  den  häufigsten  und  charakteristischen 
Mitbewohnern  der  Riffe  gehören,  ist  eine  allgemein  bekannte  That- 
sache,  unterscheidet  man  doch  an  der  Peripherie  der  Korallen- 
bauten eine  besondere  Nulliporenzone.  Unter  diesen  in  der 
äussersten  Brandungszone  vorkommenden  Nufliporen  scheinen  sich 
aber  Cymopolien,  oder  andere  verzweigte  Korall  inen  nicht  zu 
befinden,  denn  es  wird  ausdrücklich  von  allen  Schilderen!  der 
heutigen  Riffe  betont,  dass  die  Nulliporen  der  Brandungszone  die 
äussersten  Rifftheile  flechtenartig  überziehen  und  incru stiren  und 
durch  ihre  Anhäufung  einen  fiirmiichen  Wall  bilden,  welcher  wie 
ein  Wogenbrecher  wirkt.  Wenn  man  die  zarten,  dünn  verzweigten 
Aestchen  der  Cymopolien  betrachtet,  so  kann  man  sich  des  Ein- 
druckes nicht  erwehren,  dass  so  delicat  gebaute  Organismen  nur 
an  verhältniss massig  geschützten  Steilen  leben  kimnen,  ebenso  wie 
die  dünn  verzweigten  Korallen*)  die  stürmische  Aussenseite  der 
Riffe  meiden  und  in  den  geschützten  Lagunen  oder  Canälen 
gedeihen.  Dieser  Anschauung  entspricht  vollkommen  die  Angabe 
von  Beete  Jukes**)  über  das  Vorkommen  von  Korallinen  im 
Canale  des  grossen  australischen  Wallriffes.  Ferner  liegen  einige 
von  Agassiz  und  Pourtalös  herrührende  Angaben  vor  über 
das    Vorkommen    von   Korallinen   auf  der  Innen.seite    des   grossen 

•)   Darwin,  Korallenriffe,  S.   j3. 
••)  Da  mir  das  Reisewerk  von  B.  Jukes  nicht  zu  Gebote  siand,  verweise  ich 
auf  die  Angaben  von  De  la  Beehe,  Vorschule  der  Geologie,  S.   174,    und  Dana, 
Corals  etc.,  p.  i53. 


502 


Die  Riffe. 


Florida-Riffes.  So  berichtet  Agassiz*),  dass  der  Boden  des 
Schiffcanals,  welcher  sich  zwischen  den  Key's  und  dem  eigentlichen 
Riffe  hinzieht,  an  den  Stellen,  wo  er  am  seichtesten  ist  (wie 
zwischen  Fowey  Rocks,  Triumph  Reef  und  Long  Reef  auf  der 
einen  und  Soldier  Key  und  Ragged  Key's  auf  der  andern  Seite)^ 
mit  dem  sogenannten  ,country  grass*,  einer  Kalkalgen- Art,  über- 
wachsen ist.  Pourtal^is**)  erwähnt,  dass  der  Boden  des  6 — 7  Faden 
tiefen  Hawk  Channel  aus  zerfallenen  Korallen  und  Korallinen 
besteht  und  Agassiz***)  endlich  theilt  mit,  dass  in  den  Dry 
Tortugas  und  Marquesas  einige  Key's  ganz  und  gar  aus  den 
zerfallenen  und  in  eine  Masse  verkitteten  Fragmenten  von 
Korallinen,  unter  denen  eine  grosse  Opuntia-Art  besonders  aufTällig 
i.st,  zusammengesetzt  sind.  Einer  Angabe  Wyville  Thomson'sf) 
ist  femer  zu  entnehmen,  dass  auf  den  Bermudas-Riffen  Korallinen,, 
Melobesien  und  NuUiporen  an  geschützten  Stellen  leben;  doch 
fehlen  nähere  Daten  über  die  Art   und    den  Ort  des  Vorkommens. 

So  lassen  sich  also  auch  aus  der  Gegenwart  einige  That- 
sachen  anfuhren,  welche  eine  Parallele  mit  den  von  Korallinenresten 
häufig  erfüllten  Canalbildungen  der  südtirolischen  Trias  zulassen. 

Was  die  Erhaltungsweise  der  Diploporenglieder  betrifft,  so  ist 
dieselbe,  trotzdem  der  Kalk  der  Korallinen  calcitisch  ist,  doch 
durchaus  nicht  immer  glänzend.  In  vielen  Fällen  erkennt  man  die 
Gegenwart  der  Diploporen  blos  an  den  Verwitterungsflächen  des 
Gesteins,  und  es  ist  anzunehmen,  dass  stellenweise  auch  voll- 
kommene Obliteration  eingetreten  ist. 

Es  erübrigen  noch  einige  Worte  über  die  beschriebenen 
Structurformen  unserer  Riffe.  Was  zunächst  das  Verhältniss  des 
ungeschichteten  Riffwalles  zu  den  geschichteten  Dolomiten  betrifft, 
so  hat  bereits  v.  Richthofe n  die  frappante  Uebereinstimmung  der 
schönen  Aufschlüsse  in  der  Schlemklamm  mit  dem  die  Lagunen- 
bildungen gegen  aussen  abschliessenden  erhöhten  Riffdamme  betont. 
—  Die  von  uns  sogenannte  Ueberguss-Schichtung  findet  sich  nach  den 
übereinstimmenden  Berichten  aller  Beobachter  stets  auf  den  Aussen- 
seiten  der  Riffe.  Der  Grad  der  Neigung  der  einzelnen  Bänke 
scheint  jedoch  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen  zu  schwanken.  Er 
ist  offenbar  zum  grossen  Theile  abhängig  von  dem  Masse  des 
verticalen    Wachsthums    der    Riffe     und    von    der   Intensität    der 

•)  U.  S.  Coast  Sun'ey  Report  for  1866,  pag.  126,  127. 

••)  lllustr.  Catal.  of  the  Mus.  of  Comp.  Zoology  at  Harvard  College.  Nr.  IV, 
pag.  4.  —  Dana,  Corals  etc.,  pag.  211. 

♦**)  Bulletin  of  the  Mus.  of  Comp.  Zoology  at  Harvard  College,  Nr.  i3,  p.  376. 
t)  The  Atlantic,  Vol.  1,  pag.  304. 


Die  Riffe. 


503 


Brandung.  Eine  treffende  Schilderung  der  Ueberguss-Schichtung 
gibt  Agassiz*),  welcher  mit  Recht  auf  die  grosse  Aehnlichkeit 
mit  torrentieller  Schichtung  hinweist.  R.  v.  Dräsche**)  berichtet, 
dass  die  eben  gehobenen  Korallenriffe  von  West-Luzon  genau  die- 
selben Schichtungsverhältnisse  zeigen,  welche  ich  als  Ueberguss- 
Schichtung  in  den  Dolomitriffen  von  Südtirol  charakterisirte.  Eine 
ganz  analoge  Erscheinung  bieten  auch  die  »Aeolian  rocks*  von 
Bermudas  dar,  welche  durch  das  Aufhäufen  grosser  Korallensand- 
massen  in  Folge  heftiger  Stürme  gebildet  werden  sollen***).  — 
Die  Block-  oder  Conglomeratstructur  unserer  Riffe  erinnert  zunächst 
an  die  so  häufig  genannten  Breccien  und  Conglomerate  der 
heutigen  Korallenriffe.  Es  wird  an  vielen  Orten  berichtet,  dass 
durch  die  Gewalt  der  Brandung  gfrosse  Blöcke  des  Riffkalkes  ab- 
gerissen, durch  die  rollende  Hin-  und  Herbewegung  abgerundet 
und  endlich  mit  losem  Material  von  sehr  verchiedener  Komgrösse 
wieder  zu  compacten  Massen  zusammengekittet  werden.  Viele 
dieser  Blöcke  mögen,  wie  die  Cipitkalke  andeuten,  ursprünglich 
grosse  Korallenstöcke  oder  Höcker  von  Korallen-Generationen  nach 
Art  der  von  Siauf)  auf  den  Korallenriffen  von  Bourbon  beob- 
achteten ,pates  de  coraux*  gewesen  sein.  Die  Beschreibung, 
welche  De  la  Becheff)  von  den  durch  diese  Korallenhöcker 
gebildeten  Riffkalken  gibt,  passt  vollständig  auf  die  Blockstructur 
der  Dolomitriffe. 

Die  Bänke  grosskörniger  Oolithe  in  den  geschichteten  oberen 
Cassianer  -  Dolomiten  des  Ostens  entsprechen  genau  den  auf  der 
Oberfläche  von  über  den  Meeresspiegel  hinausgewachsenen  Riffen 
vorkommenden  gleichartigen  Bildungen,  deren  Entstehungsweise 
von  Agassizfff)  und  Dana*f)  in  so  anschaulicher  Weise  dargestellt 


*)  U.  S.  Coast  Survey  Report  for  1866,  p.  i25.  —  Bull.  Mus.  Comp.  Zoology 
N.  i3,  p.  373. 

•*)  Fragmente  zu  einer  Geologie  der  Insel  Luzon.  Wien,  1878,  S.  43. 
♦**)  Der  von  W.  Thomson    (Nature    No.    344,    Vol.    14,    p.   99,    und    The 
Atlantic,  Vol  I.,  p.  309)  mitgethcilte  Holzschnitt  eines  solchen  aeolischen  Kalksteines 
könnte  ebensogut  einen  Durchschnitt  an  derRiffböschung  eines  unserer  Riffe  vorstellen, 
t)  Vgl.  De  la  Beche,  Vorschule  der  Geologie,  S.  171,  Fussnote. 
tt)  „Man  darf  nicht  schliessen,    dass   die  so  gebildeten  Schichten  eine  gleich- 
förmige Dicke  haben.    Es  existiren  vielmehr  sehr  grosse  Unterschiede  in  der  Höhe 
der  pätes,   und  das  ganze  Riff   stellt    eine    gestaltlose,    zertheilte   Masse   von    auf- 
einandergestellten Hügeln    dar,   zwischen    denen   die  Zwischenräume  mit  Sand  und 
Trümmern    ausgefüllt   und    deren   zusammenhängende  Theile  durch  ein   Korallen- 
cement  verbunden  sind." 

ttt)  Rull«  Mus.  Comp.  Zoology.  Nr.  i3,  p.  375. 
*t)  Corals  and  Coral  Islands,  p.  i56.  „Oolitic  beds  appear  to  be  confined  tu 
the  superficial  formations  of  a  reef,  that  is,  to  the  beach  and  winddrift  accumulations.'' 


504  ^'®  ^'^^• 

wurde.  Sie  bezeichnen  demnach  in  unseren  alten  triadischen 
wie  in  den  modernen  Riffen  den  Abschluss  der  Riffbildung 
gegen  oben. 

Die  Analogie  mit  den  heutigen  Verhältnissen  gehobener  Korallen- 
riffe wird  in  unserem  Gebiete  durch  die  eigenthümliche  Gesteins- 
beschaffenheit der  Raibler  Schichten  noch  wesentlich  vermehrt 
Ausser  der  grossoolitischen  Beschaffenheit  einiger  Bänke  und  der 
sandsteinartigen  Zusammensetzung  gewisser  Dolomitlagen  kommt 
hier  insbesondere  der  bedeutende  Gehalt  der  meisten  Schichten 
an  rothem  Thon  in  Betracht.  Auf  gehobenen  und  längere  Zeit  dem 
ätzenden  Einflüsse  des  Atmosphärwassers  ausgesetzten  Korallenfels- 
massen  der  Gegenwart  finden  ähnliche  Ansammlungen  rothen  Thones 
statt.  So  berichtet  R.  v.  Dräsche*)  von  den  gehobenen  Korallen- 
riffen bei  Benguet  auf  Luzon:  ,Die  Oberfläche  der  Korallenberge 
ist  meist  mit  einer  feinen  rothen  Erde  bedeckt,  die  die  Zwischen- 
räume der  spitzen  Klippen  ausfüllt.  Die  Erde  ist  oft  mehrere  Fuss 
mächtig  und  ungemein  fein  geschichtet.*  Auf  Bermudas  finden 
sich  nach  der  instructiven  Beschreibung,  welche  Wyville  Thomson**) 
von  den  Kalken  dieses  dem  Meeresniveau  entwachsenen  Korallen- 
riffes entwirft^  zwei  den  Kalksteinbänken  horizontal  eingebettete 
Lagen  rother  Erde.  Auch  begegnet  man  derselben  Substanz  häufig 
in  den  Spalten  und  Taschen  der  Kalksteine.  Es  ist  offenbar  die- 
selbe Erscheinung,  welche  den  Geologen  unserer  Mittelmeerländer***) 
in  der  Gestalt  der  sogenannten  , Terra  rossa*  auf  allen  exponirten 
reinen  Kalkformationen  entgegentritt,  und  es  kann  sonach  eine 
ursächliche  und  nothwendige  Beziehung  zu  den  Korallenriffen  keines- 
wegs behauptet  werden.  Dagegen  scheint  mir,  da  die  rothen 
thonhältigen  Lagen  der  Raibler  Schichten,  ebenso  wie  die  rothen 
Thone  von  Bermudas,  im  normalen  Schichtenverbande  auftreten, 
der  Schluss  zulässig,  dass  auch  zur  Zeit  der  Raibler  Schichten  aus- 
gedehnte Strecken  der  Riffe  trocken  lagen,  und  die  Feststellung 
dieser  Thatsache  ist  immerhin  für  den  Abschluss  der  Riffperiode 
von  grossem  Interesse. 

Die  Frage  nach  der  chemisch-genetischen  Bildungsweise  des 
Dolomits  wurde  in  den  vorausgehenden  Erörterungen  aus  dem 
Grunde  bei  Seite  gelassen,  weil  es  für  unsere  Beweisführung  ganz 
gleichgiltig   sein   konnte,    ob    das   Gestein  der  Riffe  Dolomit   oder 

*)  Fragmente  zu  einer  Geologie  der  Insel  Luzon,  S.  32. 
♦*)  The  Atlantic,  Vol.  1,  p.  3i5. 
♦♦♦)  Vgl.   Neumayr,    Verh.    Geol.    R.-A.    1876,    S.    5o,    und    Th.    Fuchs 
ebenda,  S.  194. 


Die  Ri£Fe. 


SOS 


Caicit  ist.  Seitdem  durch  Dana*)  bekannt  ist,  dass  das  Gestein  der 
gehobenen  Korallenriff-Insel  Matea  Dolomit  (3807  Procent Magnesia- 
Carbonat)  ist,  kann  das  ausgedehnte  Vorkommen  von  Dolomit  in 
unseren  Riffen  nicht  nur  nicht  als  ein  Einwand  gegen  die  Korallenriff- 
Theorie,  sondern  viel  eher  als  ein  weiteres  Argument  zu  Gunsten 
derselben  betrachtet  werden,  da  bisher,  meines  Erinnems,  noch  keine 
anderweitigen  Beispiele  für  die  Bildung  des  Dolomits  in  unseren 
heutigen  Meeren  vorliegen.  Der  Vorgang  bei  dieser  Dolomitbildung 
ist  noch  nicht  hinlänglich  aufgeklärt,  aber  es  ist  von  hohem  theore- 
tischem Werthe,  zu  wissen,  dass  Dolomit  in  den  heutigen  Meeren  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  und  ohne  Beihilfe  von  Mineralwässern  ge- 
bildet werden  kann.  Die  Hypothese  Dana's,  dass  eine  verdun.stende 
Lagune  grössere  Mengen  von  Magnesia-Salzen  abschied,  kann  offenbar 
auf  unsere  aus  Dolomit  bestehenden  Riffwälle  keine  Anwendung  finden. 


IG.  Kurze  Geschichte  der  südtirolischen  KorallenrifFe. 

Der  Bildung  unserer  Dolomitmassen  gieng  eine  Periode  von 
vorwiegend  mechanischen,  während  kurzer  Zeit  aber  auch  chemi- 
schen Seichtwasser-Absätzen  und  dieser  wieder  eine  Festlands- 
periode voraus.  Den  küstennahen  Verrucano-Conglomeraten  folgte, 
wenn  wir  von  der  auf  die  Etschbucht  beschränkten  Einschaltung 
des  Porphyrsystems  absehen,  die  Ablagerung  des  rothen  Sand- 
steines, dieser  zunächst  die  Bildung  der  Gypsmassen  und  Stinkkalke 
der  Bellerophon-Schichten  und  später  der  schlammige  Absatz  der 
Werfener  Schichten.  Der  untere  Muschelkalk  mit  seinen  rothen 
Sandsteinen,  Conglomeraten,  Pflanzenschiefem  und  Wellenkalken 
bildet  den  Schluss  dieser  Periode.  Die  grosse  Gesammtmächtigkeit 
dieses  Complexes,  sowie  die  Natur  der  einzelnen  aufeinander 
folgenden  Ablagerungen  weisen  mit  Bestimmtheit  auf  eine  langsam 
vor  sich  gehende,  mit  dem  Fortschreiten  der  Absätze  gewisser- 
massen  Schritt  haltende  Senkung  hin. 

Den  vereinzelten  kleinen  Anläufen  zur  Bildung  von  reinen 
Kalkriffen  während  der  Zeit  des  unteren  Muschelkalkes  folgte  zur 
Zeit  des  oberen  Muschelkalkes  die  Ansiedelung  eines  ziemlich  aus- 
gedehnten flachen  Küstenriffes,  welches  die  ganze  Nordhälfle  unseres 
Gebietes  bedeckte  und  sich  gegen  Südwesten  in  die  Brenta-Gegenden 
erstreckte.  Bereits  in  diese  erste  Zeit  der  Riffperiode  fällt  die  Anlage 
eines    mit   der    entfernten    westlichen   Küste  •  parallel   verlaufenden 


♦)  Corals  etc.,  pag.  356. 


i 


5o6 


Die  Riffe. 


Dammes  von  ungeschichtetem  Dolomit.  Das  junge  Riff  erfuhr  bald 
nach  seiner  Entstehung  zur  Zeit  der  Buchensteiner  Schichten  von 
Süden,  also  von  der  Meeresseite  her,  eine  bedeutende  Einschränkung 
seines  Umfanges,  durch  die  zu  starke  Senkung  des  ihm  entzogenen 
Areals.  Der  reiche  Gesteinswechsel  der  Buchensteiner  Schichten, 
namentlich  die  gegen  Süden  an  Mächtigkeit  zunehmenden  Ein- 
schaltungen von  Tuffen  (Pietra  verde)  weisen  auf  südnördliche  Strö- 
mungen hin,  welche  periodisch  mechanisches  Sediment  mitbrachten. 
Die  um  diese  Zeit  eingetretene  Ordnung  der  Verhältnisse  wurde 
bestimmend  für  den  weiteren  Verlauf  der  Ereignisse.  Die  heteropischen 
Grenzen  des  Riffgebietes  blieben  nun  im  Wesentlichen  durch  lange 
Zeiträume  unverändert. 

Nach  der  Zeit  der  Buchensteiner  Schichten  trat  ein  kurzer  Still- 
stand im  verticalen  Wachsthum  der  Riffe  ein.  Die  auffallende 
Scheidungsfläche  des  unteren  und  oberen  Dolomits  verdankt  dem- 
selben ihre  Entstehung. 

Eine  Periode  sehr  rascher  und  bedeutender  Senkung  leitete 
zur  Zeit  der  Wengener  Schichten  die  Herausbildung  des  Wallriffes 
mit  seinen  steilgeböschten  Aussenwänden  ein.  Die  Senkung  erfolgte 
nicht  im  Sinne  der  gewöhnlichen  sogenannten  säcularen  Boden- 
schwankungen, sondern  ungleich  in  Folge  von  flach  wellenförmigen 
Faltungen  des  Bodens,  mithin  durch  einen  Act  der  gebirgsbildenden 
Erdkrustenbewegung.  Die  heteropische  Differenzirung  unseres  Ge- 
bietes ist  eine  Folge  dieser  ungleichmässigen  Senkung,  welche  bereits 
zur  Zeit  der  Buchensteiner  Schichten  begann,  zur  Zeit  der  unteren 
Wengener  Schichten  aber  die  grösste  Intensität  erreichte.  Wo  der 
Betrag  der  Senkung  so  stark  war,  dass  er  durch  möglichst  be- 
schleunigtes Emporwachsen  der  Korallenriffe  nicht  mehr  ausgeglichen 
werden  konnte,  da  mussten  die  Korallen  mit  ihrer  reichen  Gefolgschaft 
weichen.  In  den  verödeten  Tiefen  konnten  dann  im  Laufe  der  Zeit 
die  manigfaltigen  heteropischen  Bildungen  der  Wengener  und 
Cassianer  Schichten  Raum  zur  Ausbreitung  finden. 

Die  allgemeine  Gestalt  der  Einsenkung  war  buchtenförmig.  In 
der  Nähe  des  westlichen  Randes  erhielten  sich  zwei  inselförmig  be- 
grenzte Untiefen  im  erhöhten  Niveau  des  Wallriffes.  Sie  wurden  die 
Grundlage  des  Langkofel-  und  des  Carnera-Riffes,  welche  daher 
den  , abgetrennten  Riffen*  am  Aussenrande  des  grossen  australischen 
Wallriffes,  keineswegs  aber  Atollen  zu  vergleichen  sind. 

Es  ist  nun  im  hohen  Grade  bemerkenswerth,  dass  die  Eruptions- 
stellen der  Augitporphyrlaven  an  der  Grenze  der  Gebiete  schwächerer 
und  stärkerer  Senkung  stehen.  Die  ältere  Eruptionsstelle  des  oberen 
Fassa-Thales,   deren  Entstehung  in  die  Zeit  der  stärksten  Senkung 


Die  Riffe. 


507 


fiel,  liegt  in  einer  engen  einspringenden  Bucht,  dicht  am  Rande  des 
tiefer  gesunkenen  Gebietes.  Die  beiden  jüngeren  Eruptionscentra  des 
Monzoni  und  des  Fleimser  Vulcans  befinden  sich  zwar  bereits  in 
der  RifFregion,  aber  nur  in  geringer  Entfernung  von  dem  Beugungs- 
rande. Ihre  Entstehung  fiel  in  eine  Periode,  wo  die  Senkung  der 
peripherischen  Riffgründe  nur  mehr  sehr  langsam  vor  sich  gieng,  ja 
wahrscheinlich  streckenweise  völlig  in  Stockung  gerathen  war,  wäh- 
rend die  Senkung  des  heteropischen  Beckens,  wie  die  grosse  Mächtig- 
keit der  übergreifenden  Cassianer  Dolomite  beweist,  noch  bedeutende 
Fortschritte  machte.  Für  die  richtige  Beurtheilung  der  Stellung  dieser 
beiden  Vulcane  ist  es  aber  entscheidend,  dass  dieselben  auf  einer 
Spalte  (Vgl.  S.  385)  entstanden.  Ein  Blick  auf  das  Kärtchen  S.  482 
zeigt  nun  sofort,  dass  die  Richtung  der  , Fleimser  Eruptionsspalte* 
der  Hauptsache  nach  zur  heteropischen  Senkungsregion  senkrecht 
steht.  Es  ist  eine  Radialspalte.  —  Diese  Ergebnisse  stehen  in  voll- 
kommenem Einklänge  mit  den  Gesetzen,  welche  die  heutige  Ver- 
theilung  der  Feuerberge  beherrschen  und  darf  hier  vielleicht  daran 
eriimert  werden,  dass  unsere  Auffassung  der  Bildungsgeschichte  der 
Südtirolischen  Dolomitmassen  zu  so  unerwarteten,  befriedigenden 
Folgerungen  über  ganz  heterogene  Erscheinungen  führt. 

Kehren  wir  zu  den  Riffen  der  Wengener  Schichten  zurück. 
In  Folge  der  Umgestaltung  zu  einem*  Wallriff  zogen  sich  die 
Korallinen,  welche  in  der  flachen  Bank  des  Strandriffes  bis  zur 
heteropischen  Grenze  reichten,  in  den  geschützten  Lagunen-Canal 
zurück.  Die  Riffe  selbst  dehnten  ihre  Grenzen  etwas  über  den  Um- 
fang der  Riffe  der  Buchensteiner  Schichten  aus.  (Vgl.  S.  482.)  In 
der  ersten  Zeit  erfolgte  das  Emporwachsen  so  rasch,  dass  in  der 
heteropischen  Region  noch  gar  keine  Ablagerungen  gebildet  waren, 
während  die  Riffwälle  schon  eine  ansehnliche  Höhe  erreicht  hatten. 
Als  dann  in  Fassa  die  Eruptionen  der  Augitporphyrlaven  begannen, 
hatten  sich  bereits  Schuttzonen  am  Fusse  der  Riffe  angesammelt, 
welche  nun  von  den  sich  ausbreitenden  Lavaströmen  erfasst  wurden 
und  die  eigenthümlichen  Tuffkalk-Breccien  bildeten,  welche  so  häufig 
an  der  Basis  des  Lavensystems  angetroffen  werden.  Die  Laven  breiteten 
sich,  wie  ein  mechanisches  Sediment,  innerhalb  der  ihnen  durch  die 
hohen  Riffwälle  gesteckten  Grenzen  in  den  Tiefen  aus.  Die  Eruptionen 
erfolgten  submarin  und  starke  Strömungen  übernahmen  sofort  die 
feiner  zerstäubten  Auswurfsmassen  zur  Verbreitung  und  Ablagerung 
in  den  rifffreien  Tiefen.  So  erklärt  sich  der  sonst  unverständliche 
Mangel  an  Tuffeinlagerungen  in  den  Riffmassen  und  zugleich  das 
ungestörte  Wachsthum  der  Riffe  in  der  Oberflächen-Region  des 
Meeres.  Die  schwereren  Laven  häuften  sich  um  die  Ausbruchsstelle, 


5o8  I^»e  Rjffe. 

die  leichteren  Auswürflinge  wurden  weiter  transportirt  und  bildeten 
um  erstere  eine  concentrische  Zone.  In  die  entfernteren  Regionen 
gelangten  immer  weniger,  und  nur  sehr  feine,  mit  freiem  Auge 
meist  nicht  mehr  erkennbare  Stäubchen.  Da  sich  an  den  Riffwällen 
sowol  die  Laven,  als  auch  die  mechanisch  vom  Wasser  transportirten 
Massen  stauen  mussten,  so  entstand  nothwendiger  Weise  längs  der 
Riffe  ein  erhöhter  Rand  von  grösserer  und  geringerer  Breite. 
Reichte  die  Aufschüttung  bis  in  das  Niveau  der  lebenden  Korallen, 
so  konnten  sich  in  den  Intervallen  der  vulcanischen  Thätigkeit  die 
Korallen  ansiedeln  und  seitlich  ausdehnen.  Es  hieng  dann  von  ver- 
schiedenen Umständen,  insbesondere  von  der  Intensität  der  fort- 
dauernden Senkung  ab,  ob  das  Riff  das  eroberte  Gebiet  behaupten 
konnte  oder  dasselbe  wieder  aufgeben  musste.  War  Letzteres  der 
Fall,  so  entstanden  die  so  häufig  vorkommenden  Riffzungen,  indem 
sich  über  den  vorgeschobenen  Ausläufern  des  Riffes  neuerdings 
heteropische  Sedimente  ablagerten.  Auch  jene,  aus  Haufwerken 
von  zerschellten  Echinodermen  und  Molluskehresten  bestehenden 
Cipitkalke,  welche  von  den  Riffen  aus  sich  in  die  heteropische 
Region  hinein  erstreckten,  stammen  aus  Intervallen  des  vulcanischen 
oder  mechanischen  Gesteinsabsatzes.  Kalkdetritus  verbreitete  sich 
wol  ununterbrochen  von  den  Riffen  aus  über  die  heteropische 
Region,  mengte  sich  daselbst  mit  dem  vulcanischen  Detritus  und 
diente  zur  Bindung  desselben. 

Die  reichliche  Gesteinsbildung  in  den  Zwischenräumen  der 
Riffe  hatte  die  rasche  Ausfüllung  derselben  im  Gefolge,  ein  Umstand, 
der  einestheils  die  Conservirung  der  Riffböschungen  begünstigte 
und  anderntheils  der  seitlichen  Ausdehnung  einzelner  Riffmassen 
zur  Zeit  der  oberen  Wengener  Schichten  sehr  zu  Statten  kam. 

Als  gegen  den  Schluss  der  norischen  Zeit  in  den  Lagunen 
des  Avisio-Gebietes  die  zwei  grossen  neu  entstandenen  Vulcane 
ihre  Thätigkeit  begannen,  erreichte  die  Riffbildung  im  Umkreise 
dieser  Feuerberge  ihr  Ende.  Schwarze  Laven  breiteten  sich  nun 
über  den  weiss  blinkenden  Felsgrund  aus.  Wie  weit  dieselben 
gereicht  hatten,  lässt  sich  heute  wegen  der  starken  Denudation 
dieser  westlichen  Gegenden  nicht  mehr  bestimmen.  Nur  die  wenigen 
Denudationsreste  von  Laven  auf  dem  Monte  Agnello  und  auf  dem 
Viezzena  erzählen  uns,  dass  hier  einst  eine  ausgedehnte  Decke  von 
Laven  existirt  haben  muss.  Die  Laven  des  Schiern,  der  Mendel 
und  des  Monte  Rovere  bei  Cles  müssen  ihrer  Lage  nach  mit  diesen 
oberen  Laven  von  Fleims  correspondiren  und  standen  alle  diese 
zerstreuten  Vorkommnisse  wol  ursprünglich  untereinander  im  Zu- 
sammenhange.    Die   Verbindung   der   Lavendecke   des  Schiern  mit 


Die  Riffe. 


509 


dem  Hauptgebiete  des  älteren  Lavensystems  der  Seisser  Alpe 
(vgl.  S.  175)  deutet  darauf  hin,  dass  die  Laven  der  beiden  jüngeren 
Vulcane  auch  das  Gebiet  der  älteren  Laven  erreichten. 

Ausserhalb  dieser  Region  lässt  sich  der  Eintritt  der  zweiten 
Eruptionsphase  nur  in  jenen  Riffmassen,  welche  in  die  heteropischen 
Gegenden  übergreifen,  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  erkennen. 
Die  auffallende,  zackige  Trennungsfläche  zwischen  den  Wengener 
und  Cassianer'  Dolomiten  des  Sella-  und  des  Gardenazza-Gebirges 
entspricht  nämlich  offenbar,  ebenso  wie  die  analoge  Trennungsfuge 
zwischen  dem  Buchensteiner  und  dem  Wengener  Dolomite  in  den 
isopischen  Riffen,  einer  zeitweiligen  Unterbrechung  des  Wachsthums 
der  Riffe.  An  einigen  Stellen,  wie  auf  dem  Grünen  Flecke  bei 
Plön,  auf  dem  Grödener  Joche  und  auf  den  Zwischenkofel- Wänden 
erfolgte  sogar  ein  partielles  Uebergreifen  der  mechanischen  Sedimente 
in  die  Riffregion.  Es  liegt  nun  nahe,  anzunehmen,  dass  diese,  wol 
durch  ein  stärkeres  Untertauchen  der  Riffzungen  hervorgebrachte 
Unterbrechung  der  Riffbildung  mit  dem  Eintritte  der  vulcanischen 
Thätigkeit  in  den  Avisio-Lagunen  zeitlich  und  ursächlich  zu- 
sammenhängt. 

Dem  zweiten  Ausbruche  feuerflüssiger  Massen  folgte  in 
den  grossen  isopischen  Wallriffen  eine  Periode  nahezu  völligen 
Stillstandes  der  Senkung.  Die  Riffe  machten  nur  mehr  sehr 
geringe  Fortschritte  des  Wachsthums  und  streckenweise,  nament- 
lich in  den  Lagunen,  mochte  in  Folge  der  verminderten  Zu- 
fuhr an  Kalkdetritus  die  Gesteinsbildung  ganz  in  Stockung  gerathen 
zu  sein. 

Im  Innern  der  grossen  heteropischen  Bucht  dauerte  jedoch 
die  Senkung  des  Bodens  noch  fort,  wie  die  grosse  Mächtigkeit 
der  übergreifenden  Riffzungen  von  Cassianer  Dolomit  im  Sella- 
und  Gardenazza-Gebirge,  am  Sett  Sass,  Nuvolau,  Lagatschoi  und 
am  Dürrenstein  beweist.  Erst  am  Ende  der  Zeit  der  Cassianer 
Schichten  fand  auch  hier  der  Abschluss  der  Riffbildung  in  Folge 
eingetretenen  Stillstandes  der  Senkung  statt.  Auf  den  dem  Meeres- 
spiegel entrückten  Riffen  bildeten  sich  die  charakteristischen  gross- 
kömigen  Oolithe  (vgl.  S.  503),  während  an  geeigneten  Stellen  der 
abgebröckelte  und  abgeschwemmte  feine  Sand  und  Grus  zum  Auf- 
bau jener  oft  weit  von  den  Riffgrenzen  hinaus  sich  erstreckenden 
Dolomitbank  verwendet  wurde',  welche  so  häufig  die  Cassianer 
Mergel  von  den  Raibler  Schichten  trennt. 

Der  Riffperiode  folgte  nun  zur  Zeit  der  Raibler  Schichten 
eine  ausgesprochene  Untiefen-Bildung.  Der  Stillstand  der  Senkung, 
welcher  den  Abschluss  der  Riffbildung  veranlasste,  gibt  sich  deutlich 


5IO 


Die  RifTe. 


in  dem  Charakter  der  Gesteinsabsätze  und  der  organischen  Ein- 
schlüsse zu  erkennen.  Ausgedehnte  Strecken  der  südtirolischen 
Riffe,  insbesondere  wahrscheinlich  die  dem  Festlande  zunächst 
gelegenen  Lagunenbildungen,  wurden  sogar  trocken  gelegt  und  der 
auflösenden  und  der  zersetzenden  Wirkung  der  Atmosphärilien 
preisgegeben  (vgl.  S.  504).  Die  rothen  Thone,  welche  aus  diesen 
exponirten  Riffkalken  extrahirt  wurden,  lieferten  Material  zu  den 
Gesteinsbildungen  in  dem  benachbarten  seichten  Meere.  In  anderen 
Gegenden,  wie  namentlich  im  Osten  unseres  Gebietes  wurden  zeit- 
weise in  abgeschlossenen  Buchten  Gypsmassen  gefallt. 


zz.  Ein  Blick  auf  die  Riffe  der  Ostalpen. 

Es  wurde  bereits  betont,  dass  das  richtige  Verständniss  des 
Charakters  unserer  Riffe  nur  aus  der  Betrachtung  des  gesammten 
ostalpinen  Riffgebietes  gewonnen  werden  kann.  Nachdem  erst  in 
dem  vorliegendem  Buche  der  Beweis  für  das  Vorkommen  aus- 
gedehnter Riffmassen  geführt  worden  ist,  mag  es  befremdend 
klingen,  dass  ich  von  der  Existenz  von  Riffen  in  anderen,  als  den 
hier  behandelten  Gegenden  sprechen  will.  Ich  habe  indessen  bereits 
im  Frühjahre  1874  vor  dem  Beginn  der  Untersuchung  im  südlichen 
Tirol  den  Nachweis  geliefert*),  dass  sowol  auf  der  Süd-  wie  auf 
der  Nordabdachung  der  Ostalpen  in  vielen  Gegenden  zwei  vicarirende 
Faciesreihen  zwischen  den  Werfener  Schichten  im  Liegenden  und 
den  Raibler  Schichten  im  Hangenden  vorhanden  sind.  Die  eine 
dieser  Reihen  umfasst  lichte  Kalke  und  Dolomite,  die  zweite 
verschiedenartige ,  durch  grösseren  Thongehalt  ausgezeichnete 
Sedimente. 

Die  Uebereinstimmung  des  Auftretens,  der  Gesteinsbeschaffen- 
heit, der  Fossilführung,  endlich  der  directe  Zusammenhang  der 
südalpinen  Vorkommnisse  dieser  Art  mit  unseren  Riffen  lehren, 
dass  der  für  das  eine  Gebiet  geführte  Nachweis  auch  für  die 
übrigen,  noch  nicht  im  Detail  untersuchten  und  häufig  durch 
tektonische  Störungen  stark  beunruhigten  Gebiete  gelten  muss. 

So  unvollständig  nun  auch  die  Daten  über  die  localen 
heteropischen  Begrenzungen  dieser  Riffe  sind,  so  ergibt  sich  bei 
der  Verfolgung  derselben  auf  der  Karte  doch  eine  so  auffallende 
Gesetzmässigkeit  ihrer  geographischen  Verbreitung,    dass  wir  unter 

*)  Faunengebiete  und  Faciesgebilde  der  Triasperiode  in  den  Ostalpen.  Jahrb. 
Geol.  R.-A.  1874. 


Die  Riffe. 


Sil 


entsprechender  Berücksichtigung  der  geologischen  Vorgeschichte 
zu  ganz  bestimmten  Schlüssen  über  die  Natur  der  ostalpinen  Riffe 
gelangen  können. 

Anschliessend  an  das  grosse  Sextener  Riff"  am  Ostrande 
unseres  Gebietes  zieht  sich  dicht  am  Südrande  der  Mittelzone  der 
Ostalpen  eine  continuirliche  Kette  von  Riffmassen  durch  Friaul,  das 
Lienz-Villacher  Gebirge,  die  Karavanken,  die  Julischen  und  Sulz- 
bacher Alpen,  bis  nach  Untersteiermark  über  die  Gegend  von  Cilli 
hinaus.  Die  untere  Grenze  scheinen  meist  Schichten  vom  Alter 
des  Muschelkalkes  zu  bilden;  stellenweise  aber  dürften  die  Riff- 
massen bis  zu  den  Werfener  Schichten  abwärts  reichen,  während 
an  anderen,  vom  alten  Uferrande  wahrscheinlich  entfernteren 
Stellen  die  Riffbildung  erst  in  einem  höheren  Niveau  beginnt.  Der 
Gegensatz  zwischen  geschichteten  Lagunen  -  Dolomiten  und  dem 
ungeschichteten  Riffwalle  ist  in  Kärnten,  wo  die  Lagunen-Zone  im 
Lienz-Villacher  Gebirge  theil weise  noch  erhalten  ist,  deutlich 
erkennbar.  Den  Abschluss  der  Riffmassen  bilden  stets  Raibler 
Schichten.  Im  Süden  von  dieser  Riffregion  trifft  man  in  Krain 
und  den  angrenzenden  Gegenden  eine  Entwicklung,  welche  mit 
jener  unseres  südtirolisch-venetianischen  Tuff-  und  Mergelgebietes 
grosse  Uebereinstimmung  zeigt. 

Ganz  analoge  Verhältnisse  herrschen  im  Westen,  wie  mich 
eine  Reise  durch  die  lombardischen  Alpen  lehrte.  Ohne  hier  in 
nähere  Details  eingehen  zu  können,  erwähne  ich  nur,  dass  die 
Riffregion  um  das  weit  nach  Süden  vorspringende  Cap  des 
Adamello  herum  sich  in  die  lombardischen  Alpen  hinüberzieht  und, 
stets  den  Südrand  des  älteren  Gebirges  begleitend,  bis  an  den 
Luganer  See  verfolgt  werden  kann.  Die  wechselnde  Höhe,  in 
welcher  die  Riffmassen  beginnen,  lässt  darauf  schliessen,  dass 
stellenweise  die  innersten  Zonen  bereits  ganz  denudirt  sind.  Gegen 
den  Südrand  der  lombardischen  Alpen  folgt  eine  Zone  mit 
fehlenden  oder  sehr  reducirten,  blos  auf  die  höchsten  Lagen  unter 
den  Raibler  Schichten  beschränkten  Riffmassen.  Wengener  Tuff- 
sandsteine*) spielen,  wie  in  Südtirol,  Venetien  und  Krain,  in  der- 
selben eine  grosse  Rolle. 

Der  ganzen  Südabdachung  der  Alpen  entlang  halten 
sich  sonach  die  Riffmass'en  strenge  an  den  Rand  des 
älteren,  aus  archaeischen  oder  palaeozoischen  Bildungen  bestehen- 
den  Gebirges,    während    in   grösserer   Entfernung,    gegen 


•)  Von  den    lombardischen    Geologen    wurden    diese    Gesteine    sonderbarer 
Weise  mit  den  Raibler  Schichten  zusammengeworfen. 


512  Die  Riffe. 

den   Aussenrand   der   Alpen    eine    rifffreie    oder    riffarme 
Zone  folgt. 

Die  Verhältnisse  in  den  Nordalpen  zeigen  einige  bemerkens- 
werthe  Abweichungen.  An  der  Grenze  zwischen  der  juvavischen 
und  mediterranen  Provinz,  im  Westen  der  Salzburger  Alpen,  sind 
ausgedehnte  Riffmassen  vorhanden,  welche  durch  die  ganze  Breite 
der  Kalkalpen-Zone  reichen.  Von  da  aus  zieht  gegen  Osten  eine 
Kette  von  lichten  Dolomiten  nahe  am  Aussenrande  der  Alpen 
continuirlich  bis  an  die  Bruchlinie  von  Wien.  Diese  Kette  wird  im 
Norden,  wie  im  Süden  von  einer  rifffreien  oder  riffarmen  Zone 
begleitet.  Im  Süden  der  südlichen  heteropischen  Zone,  welcher 
alle  bekannten  Vorkommnisse  der  Zlambach-  und  Hallstätter 
Schichten  angehören,  finden  sich  an  einigen  Stellen  wieder  Riff"- 
massen.  Es  wird  dadurch  die  Vermuthung  erweckt,  dass  diese 
isolirten  Riffe  die  Denudationsreste  einer  dem  Nordsaume  des 
älteren  Gebirges  folgenden  und  einstens  an  die  ausgedehnten  Riff"- 
platten  der  salzburgisch-tirolischen  Grenze  anschliessenden  südlichen 
Riffzone  seien. 

Die  westliche  Fortsetzung  des  salzburgischen  Riffes  bildet  die 
grossen  Massen  des  nordtirolischen  Wettersteinkalkes  und  erstreckt 
sich,  im  Süden,  wie  im  Norden  von  einer  heteropischen  Zone 
begleitet  und  in  den  höheren  Horizonten  häufig  in  dieselbe  über- 
greifend, bis  in  die  Gegend  von  Reutte  und  Füssen. 

Während  in  den  östlichen  Theilen  unserer  Nordalpen  wahr- 
scheinlich eine  südliche  Randzone  von  Riff'en  vorhanden  war,  liegen 
keinerlei  Anzeichen  vor,  welche  uns  zu  einer  derartigen  Annahme 
für  den  westlichen  Theil  berechtigen  könnten.  Das  Riff*  zieht  in 
einer  gewissen  Entfernung  von  dem  alten  Inselkerne,  aber  parallel 
dem  Streichen  der  Alpen,  fort  und  eine  von  schlammigen 
heteropischen  Sedimenten  erfüllte  schmale  Bucht  trennt  das  Riff" 
von  der  Insel. 

Wie  in  den  Südalpen,  so  schliessen  auch  in  den  Nordalpen 
die  Raibler  Schichten  die  Riffperiode  gegen  oben  ab. 

Nach  unseren  Erfahrungen  über  die  Ursachen  der  heteropischen 
Differenzirung  unterliegt  es  keinen  Schwierigkeiten,  sich  die  Ent- 
stehung der  nordalpinen  Riffsporne  vorzustellen.  Die  isolirten 
Riffmassen  des  Langkofel  und  des  Monte  Camera  haben  uns 
gelehrt,  dass  der  Eintritt  ungleicher  Senkungen  für  die  Vertheilung 
der  Riffmassen  massgebend  ist  und  die  grossen  übergreifenden 
Zungen  von  oberem  Wengener  und  Cassianer  Dolomit  zeigen, 
dass  sich  weit  ausgreifende  Riffsporne  in  dem  heteropischen  Gebiete 
ansiedeln  können. 


Die  Riffe. 


513 


Es  muss  späteren  Arbeiten  vorbehalten  bleiben,  die  Verhältnisse 
der  nordalpinen  Riffe*)  klar  zu  legen.  Für  den  Zweck  unserer  Be- 
trachtung genügt  es,  constatirt  zu  haben,  dass  die  Nordabdachung 
der  Ostalpen  von  einer  theils  dem  alten  Uferrande  folgen- 
den, theils  in  geringer  Entfernung  parallel  zu  demselben 
hinziehenden  Riffzone  begleitet  ist.  Im  Wesentlichen  herrscht 
daher  eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  den  Verhältnissen  auf  der 
Südseite  der  Alpen. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  nun  die  Verhältnisse  vor,  während 
und  nach  der  Riffperiode  auf  beiden  Seiten  der  ostalpinen  Mittelzone. 
Küstennahe  Litoralbildungen  gehen  der  Riffbildung  voran,  die  Riffe 
selbst  umsäumen  die  Mittelzone,  während  weiter  gegen  aussen  riff- 
freie Regionen  folgen,  und  eine  Untiefenbildung,  die  Raibler  Schichten, 
begrenzt  die  Riffe  sowol,  wie  die  rifffreien  Gründe  gegen  oben. 

So  werden  wir  zur  Annahme  eines  vortriadischen,  die  Stelle  der 
heutigen  Mittelzone  der  Ostalpen  einnehmenden  Insel- 
<^ebirges"**)  geleitet,  welches  während  der  allmählichen, 
a her  im  Gesammt betrage  bedeutenden  triadischen  Senkungs- 
periode von  Strand-  und  später  von  Wallriffen  umkränzt 
wurde.  Obwol  es  wahrscheinlich  ist,  dass  ansehnliche  Theile  der 
Riffe  längs  des  alten  Uferrandes  durch  die  Denudation  entfernt 
wurden,  so  liegen  doch  keine  genügenden  Anhaltspunkte  vor,  um  zu 
ermessen,  ob  die  Senkung  des  ostalpinen  Inselkemes  bis  zur  atoll- 
f(*>rmigen  Ueberwachsung  desselben  durch  Korallenriffe  ausgereicht 
hätte.  Die  auffallende  Uebereinstimmung  der  nordtirolischen  und 
kämtnerischen  Raibler  Schichten  scheint  wol  die  Annahme  eines 
unmittelbaren  Zusammenhanges  der  nord-  und  südalpinen  Meeres- 
theile  nach  Schluss  der  Riffperiode  zu  erheischen,  doch  kann  diese 
Communication  auch  durch  schmale  Canäle  vermittelt  worden  sein. 
Die  Thatsache  der  ungleichen  Senkung  des  Meeresgrundes,  welche, 


*)  Einige  nordalpine  Riffe  erinnern  durch  ausgezeichnete  Schichtung  und 
durch  den  Einschluss  von  Diploporen-Gliedern  in  gewissen  Bänken  an  die  sfid- 
alpinen  Lagunen-Dolomite,  während  ihre  Lage  die  Parallelisirnng  mit  Lagunen- 
bildungen verbietet.  Die  geschichteten  oberen  Cassianer  Dolomite  und  die  geschich- 
teten Muschelkalk-  und  Buchensteiner  Dolomite  im  Osten  unseres  sOdtiroIischen 
Riffgebietes,  welche  ebenfalls  keine  Lagunenbildungen  sind,  können  als  sQdalpine 
Vertreter  dieser  besonderen  Struclurform  betrachtet  werden.  Häufige  periodische 
Unterbrechungen  des  verticalen  Wachsthums  der  Riffoberfläche  reichen  zur  Er- 
klärung solcher  bankförmiger  Riffformen  vollständig  aus.  Es  ist  überflüssig,  daran  zu 
erinnern,  dass  auch  bei  vielen  recenten  Korallenriffen  Schichtung  beobachtet  wurde. 
♦♦)  Im  II.  Capitel  ist  gezeigt  worden,  dass  die  Verbreitung  und  der  Charakter 
der  carbonischen  und  permischen  Bildungen  bereits  zur  Annahme  von  Inselgebieten 
im  Bereiche  der  heutigen  Mittelzone  führen. 

Mojsisovics,  Dolomitriffe.  33 


514  ^ic  Riffe. 

wie  gezeigt  worden  ist,  die  heteropische  Differenzirung  herbeiführte, 
und  der  Stillstand  der  Senkung  in  den  isopischen  Wallriffen  nach 
der  zweiten  Eruptionsphase,  bei  fortdauernd  bedeutender  Senkung  in 
der  heteropischen  Region,  erwecken  die  Vermuthung,  dass  die  Sen- 
kung des  Inselkemes  viel  langsamer  vor  sich  gieng,  als  die  Senkung 
der  Riffgebiete  und  zeitweise,  wie  während  der  Cassianer  Schichten 
ganz  stille  stand.  Es  ergäbe  sich  dann, '  wahrscheinlich  in  Folge 
gebirgsbildender  Faltenbewegungen  eine  dreifache  Abstufung  der 
Senkung  mit  dem  geringsten  Betrage  im  centralen  Inselkerne.  Wir 
wollen  uns  hier  auf  dem  Boden  der  Conjuncturen  nicht  weiter  be- 
wegen und  die  Möglichkeit,  dass  vielleicht  die  Senkungen  in  den 
Nebenzonen  von  entgegengesetzten  Bewegungen  in  der  mittleren 
Zone  begleitet  oder  bedingt  waren,  nicht  näher  erörtern. 


XVII.  CAPITEL. 
Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

Das  Gebiet  der  Verwerfunesbrücbe.  -  Karte  der  tektonischen  Störungslinien.  >-  Südverwerrungen 
■die  Regel.  -  Localisirte  Nordverwerfungen.  -  Beschrankung  der  Erzlagerstätten  auf  die  Bruch- 
linicn.  -  Das  Gebiet  der  Faltungen  und  Faltungsbrüche.  -  Fällt  mit  dem  Depressionsgebiete 
zusammen.  -  Der  einspringende  Winkel  der  venctianischen  Ebene  bei  Schio.  —  Die  Etsch- 
l)ucht.  -  Vulcantektonilc.  -  Passives  Verhalten  der  Eruptivgesteine  zur  Schichtenaufrichtung.  - 
Häußge  Verwechslung  von  Gängen  und  Effusivdecken.  -  Altersbestimmung  von  Gingen.  — 
Weitere  vulcantektonische  Ergebnisse.  -  Die  Entstehung  der  Alpen.  -  Beziehungen  zwischen 
.der  Gebirgsfaltung  und  dem  Aultreten  der  Vulcane.  -  Die  permischen  und  triadischen  Alpen- 
faltuncen  bestimmend  für  den  Bau  der  Ostalpen.  -  Constanz  der  Bewegung.  >-  Die  Amplitude 
der  Faltung  wird  immer  breiter.  -  Die  successive  Angliederung  der  Nebenketten  dadurch 
bedingt.  -  Die  Brüche  der  ^üdalpen  sind  Zerreissungen  in  Folge  von  Schleppung.  -  Der 
•concave  Innenrand  des  ostalpinen  Bogens.  -  Die  miocäne  Faltungsphase.  -  Seitenblick  auf  die 
Centralmassive  der  Westalpen.  -  Das  untergetauchte  Adrialand.  -  Postmiocäne  Störungen.  - 
Die  Su es s*sche  Theorie  der  Gcbirgsbildung.  -  Die  Einseitigkeit  des  Gebirgsschubes.  -  Schluss. 

Dem  Versuche,  die  gewonnenen  tektonischen  und  vulcano- 
logischen  Resultate  für  eine  Betrachtung  über  die  Entstehung  der 
Alpen  zu  verwerthen,  nmag  zweckmässig  eine  übersichtliche  Zu- 
sammenfassung der  in  den  Detailschilderungen  niedergelegten  ein- 
schlägigen Beobachtungen  vorangehen.  Da  zur  Vermeidung  über- 
flüssiger Wiederholungen  auf  bereits  geschilderte  Details  nicht  mehr 
«ingegangen  werden  soll,  so  mögen  die  Belege  für  die  hier  zu  be- 
sprechenden Erscheinungen  an  den  betreffenden  Stellen  nachgesehen 
werden.  —  Die  allgemeine  tektonische  Orientirung  wurde  bereits 
im  IV.  Capitel  der  Einleitung  gegeben. 


I.  Das  Gebiet  der  Verwerfungsbrüche  ^). 

Im  Norden  der  grossen  Valsugana-Spalte  sind  reine  Ver- 
werfungen die  vorherrschende  Störungsform. 

Die  beigefügte  graphische  Darstellung  lässt  folgende  That- 
sachen  erkennen: 


röche 


*)  Die  Noth wendigkeit    der    Unterscheidung    von    Verwerfungsb röchen 
und  FaltungsbrOchen  wird  sich  aus  dem  Verlaufe   der  Darstellung  ergeben. 

33* 


^l6  Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

1.  Die  drei  nördlichen  Verwerfungslinien,  welche  durch  die 
Bezeichnungen  ^Villnösser-,  Falzarego-  und  Antelao-Linie*  unter- 
schieden sind,  vereinigen  sich  im  Osten  mit  dem  östlichen  Haupt- 
stamme der  Valsugana-Spalte; 

2.  der  Verlauf  dieser  drei  Verwerfungslinien  ist  annähernd 
parallel; 

3.  stellenweise  treten  fächerförmige  Zersplitterungen  der  Brüche 
ein  und 

4.  die  schwächeren  Verwerfungslinien  sind  intermittirend. 

Die  Vereinigung  der  nördlichen  Verwerfungslinien  mit  der 
Valsugana-Spalte  ist  durch  den  nordöstlichen  Verlauf  der  letzteren 
bedingt. 

Die  Villnösser  Bruchlinie  zeigt  einen  auffallenden  Parallelismus 
mit  der  heutigen  nördlichen  Verbreitungsgrenze  der  triadischen  und 
permischen  Bildungen  im  Sextener  und  Puster  Thale.  Wenn  auch 
zugegeben  werden  muss,  dass  die  heutige  Verbreitungsgrenze  durch 
die  Denudation  bestimmt  ist,  so  kann  doch  vorausgesetzt  werden, 
dass  die  Denudationsarbeit  von  den  ursprünglichen  Ablagerungs- 
grenzen aus  ziemlich  gleichmässig  in  südlicher  Richtung  vor- 
geschritten ist.  Da  uns  nun  die  geologische  Geschichte  der  per- 
mischen und  triadischen  Bildungen  gelehrt  hat,  dass  der  alte  Ufer- 
saum in  nicht  sehr  weiter  Entfernung  von  den  heutigen  nördlichen 
Grenzen  sich  hinziehen  musste,  so  erscheint  die  Annahme  eines 
Parallelismus  zwischen  dem  alten  Ufer  und  der  Villnösser  Bruch- 
linie nicht  unbegründet.  Es  wäre  eine  Wiederholung  der  längst  er- 
kannten analogen  Erscheinung  in  unseren  nordöstlichen  Alpen,  wo 
nicht  nur  die  heteropischen  Grenzen,  sondern  auch  die  Bruch-  und 
Beugungslinien  die  Contouren  des  nahen  böhmischen  Festlandes 
copiren  *).  Den  wesentlichen,  in  der  Art  der  tektonischen  Be- 
wegungen liegenden  Unterschied  zwischen  beiden  Fällen  werden 
wir  weiter  unten  zu  besprechen  haben. 

Die  Zersplitterung  der  Bruchlinien  tritt  stellvertretend  für 
Bruchlinien  von  grosser  Sprunghöhe  ein,  so  dass  durch  die  wieder- 
holten Brüche  von  kleinerer  Sprunghöhe  der  Effect  der  grossen 
Bruchspalte  hervorgebracht  wird.  Sehr  häufig  ist  die  Zersplitterung 
von  einer  Uebersetzung  des  Hauptstammes  der  Bruchlinie  begleitet. 
Die  hervorragendsten  Beispiele  für  diese  Erscheinung  bieten  die 
Uebersetzung  der  Villnöser  Bruchlinie  am  Passe  Tre  Croci  und 
die  Uebersetzung  der  Valsugana-Spalte  zwischen  Zoldo  und 
Agordo  dar. 

*)  Vgl.  Suess,  Entstehung  der  Alpen,  S.  20. 


N'B. 


Uebersicht  der  wichtigsten  telctonischen  Störungslinien. 

,  Die  durch  schwarze  Farbe  angedeutelen  tektonischen  Linien  reichen  Ober  das  in  der  grossen 
Uebcriichtskartc  dargesiellle  Gebiet  nicht  hinaus,  nachdem  bis  heute  Ober  die  angrenzenden 
Regionen  keine  massgebenden  Angaben  vorliegen. 

Die  den  Lago  di  Sta.  Croce  kreuzende  Querlinie  versinnlichl  die  Lage  der  durch  die 
modernen  seismischen  Bewegungen  ausgezeichneten  Querspalte  von  Sta.  Croce.  In  Folge 
eines  Versehens  wurde  die  sQdliche  Fortsetzung  dieser  Störungslinie  in  das  I->osionsihaI 
zwischen  Cima  Fadalto  und  Serravnlle  verlegt,  wfthrend  dieselbe,  wie  der  T»i  Seite  43? 
berichtet,  weiter  Asilich  durch  das  Kreide- Plateau  des  Rosco  dcl  Cansigllo  verläuft. 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  rx7 

Die  streckenweise  Intermittenz  der  schwächeren  Bruchlinien, 
welche  an  die  sogenannten  ,  wandernden  Stosspunkte*  der  Erdbeben 
erinnert,  findet  in  der  wechselnden  Sprunghöhe  der  grösseren  Bruch- 
linien ihre  vollständige  Vertretung.  Schwächere  Bruchlinien  sind 
beginnende  oder  unvollendete  Bruchspalten. 

Von  der  im  Allgemeinen  geltenden  Regel,  dass  der  Süd-  oder 
Westtheil  verworfen  ist,  gibt  es  namentlich  im  Nordwesten  unseres 
Kartengebietes  einige  sehr  bedeutende  Ausnahmen.  Wir  erinnern  an 
den  westlich  von  Wengen  gelegenen  Abschnitt  der  Villnösser  Bruch- 
linie, an  die  Verwerfung  am  Nordgehänge  der  Fassa-Grödener 
Tafelmasse  im  mittleren  Gröden  und  an  die  Verwerfung  im  obersten 
Buchenstein.  Die  Fleimser  Eruptionsspalte,  welche  von  einer  wechseln- 
den Verwerfung  begleitet  ist,  wollen  wir  ausser  Betracht  lassen,  da 
der  Nachweiss  der  gleichzeitigen  Entstehung  nicht  zu  erbringen  ist. 
In  die  gleiche  Kategorie  von  Erscheinungen  mit  den  auf  der  Nord- 
seite verworfenen  Brüchen  gehört  jedoch  der  grosse  gegen  Norden 
gerichtete  Schichtenfall  des  Tierser  Thaies,  sowie  die  Schichten- 
beugung auf  der  Nordwestseite  des  Langkofels.  Der  merkwürdige 
centrale  Einsturz  des  Gardenazza-Gebirges,  welcher  an  der  Grenze 
der  entgegengesetzten  Verwerfungen  liegt,  ist  wol  durch  das  Zu- 
sammenwirken dieser  conträren  Bewegungen  entstanden  und  kann 
daher  hier  ebenfalls  noch  erwähnt  werden. 

Die  auffallende  Localisirung  der  Nordverwerfungen  erweckt 
den  Verdacht,  dass  eine  bestimmte,  in  dieser  Region  allgemein  oder 
vorherrschend  wirkende  Ursache  die  Ablenkung  verursacht  habe. 
Man  könnte  dieselbe  in  der  abnorm  hohen  Auftreibung  älterer 
Schichtsysteme  im  Süden  (Quarzporphyrgewölbe  der  Bocche,  Lagorai 
Kette  u.  s.  f )  erblicken,  und  man  wird  in  dieser  Vermuthung  durch 
die  Thatsache  bestärkt,  dass  auch  südwestlich  von  der  Cima  d'Asta 
am  Nordgehänge  der  Sette-Communi  Tafelmasse  sich  die  gleiche 
Erscheinung  wiederholt. 

Die  Gruppe  von  Verwerfungen  im  Süden  der  Fleimser 
Eruptionsspalte  und  am  Ostende  der  Gruppe  des  Sasso  Bianco  lässt 
sich  ohne  Zwang  dem  normalen  Dislocationssystem  nicht  unter- 
ordnen, dagegen  widerspricht  wenigstens  nichts  der  Annahme 
einer  der  Eruptionsspalte  gleichzeitigen  Entstehung. 

Mögen  die  westlichen  Theile  der  drei  parallelen  nördlichen 
Verwerfungslinien  in  ihrer  ersten  Anlage  bis  in  die  Triaszeit  (als 
Parallellinien  der  Eruptionsspalte)  zurückreichen  oder  nicht,  so  ist 
es  andererseits  sicher,  dass  die  Hauptverschiebungen  nicht  vor  dem 
Ende  der  Kreidezeit  eintreten  konnten,  da  Kreidebildungen  an 
mehreren  Stellen  an  die  Bruchränder  herantreten. 


r|g  Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

Auf  die  nach  dem  heutigen  Stande  der  Wissenschaft  nahezu 
selbstverständlich  erscheinende  Thatsache,  dass  alle  in  unserem  Gebiete 
in  Sedimentschichten  auftretenden  gangförmigen  Erzlagerstätten  an 
die  Bruchlinien  gebunden  sind,  wurde  bereits  mehrfach  hingewiesen. 
Der  Villnosser  Linie  gehören  Klausen  im  Westen  und  Auronzo  im 
Osten  unseres  Gebietes  an.  An  der  Valsugana-Spalte  liegen  ausser 
mehreren  aufgelassenen  Bauen  im  Phyllite  von  Valsugana  und 
Primiero  die  bekannten  Erzlagerstätten  von  Vallalta,  Imperina 
(Agordo)  und  Arsiera  (Val  Infema). 


2.  Das  Gebiet  der  Faltungen  und  der  Faltungsbrüche. 

Während  in  dem  tirolisch-venetianischen  Hochlande  wahre 
Bruchlinien  die  herrschende  Störungsform  sind  und  Fältelungen  nur 
als  locale  Nebenerscheinung  an  den  Rändern  verworfener  Schollen 
(vgl.  z.  B.  S.  293)  auftreten,  begegnen  uns  in  dem  südlich  der 
Valsugana-Spalte  liegenden  Depressionsgebiete,  sowie  in  dem 
tektonisch  und  historisch  mit  demselben  zusammenhängenden 
Gebiete  der  Etschbucht  vorwiegend  Faltungen.  Dicht  an  die 
Valsugana-Spalte  angepresst,  folgt  im  Süden  derselben  eine  schmale, 
stark  gefaltete  Zone,  in  deren  westlichem  Theile  liegende  Falten 
und  in  deren  östlichem  Theile  lange  fortstreichende  Gewölbe 
dominiren.  Der  Belluneser  Bruch,  welcher  diese  Zone  im  Süden 
begrenzt,  besitzt  zum  grössten  Theile  den  Charakter  einer 
gequetschten  oder  zerrissenen  Falte.  Nur  im  Westen,  in  Valsugana,. 
wo  er  sich  der  Valsugana-Spalte  sehr  nähert,  tritt  er  in  der  Form 
echter  Verwerfungen  auf  Der  Gebirgsstreifen  zwischen'  dem 
Belluneser  Bruch  und  der  venetianischen  Ebene  besteht  zunächst 
aus  einer  Synclinale  (Thal  von  Belluno,  Sette  Communi*)  und 
einem  sich  daran  schliessenden  Anticlinalgewölbe,  dessen  Süd- 
schenkel sich  am  Rande  der  Ebene  häufig  steil  aufrichtet,  manch- 
mal sogar  (S.  Orso  bei  Schio)  widersinnisch  zurückbiegt**).  Eine 
scharfe  knieförmige  Beugung,  welche  allerdings  häufig  gebrochen 
ist,  vermittelt  sodann  das  flache  Auswärtsfallen  der  unter  die 
Schottermassen  der  Ebene  untertauchenden  Tertiärschichten. 

Greifen  wir  zur  Vervollständigung  des  Bildes  noch  weiter 
über  das  Gebiet  unserer  Karte  hinaus  und  betrachten  wir  den  Bau 
des   im  Westen   anschliessenden    Gebirges    der  Etschbucht   bis   zur 


I 


*)  Vgl.  Vacek,  Verh.  Geol.  R.-A.  1877,  S.  3oi. 
*♦)  Vgl.  A.  Bittner,  Verh.  Geol.  R.-A.   1878,  S.   i3o. 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  qig 

Judicarien-Spalte  *).  Für  die  südliche  Hälfte  dieses  Districtes 
liegen  die  im  Laufe  der  letzten  beiden  Jahre  ausgeführten  Auf- 
nahmsarbeiten der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  vor,  für  die 
nördliche  Hälfte  liefert  die  Arbeit  von  Lepsius  genügende 
Anhaltspunkte,  um  die  Uebereinstimmung  des  Bauplanes  mit  dem 
südlichen  Faltensysteme  zu  erkennen. 

Der  merkwürdige  einspringende  Winkel  der  venetianischen 
Ebene  bei  Schio  wird  durch  die  bekannte  Bruchlinie  Schio-Vicenza 
bedingt,  deren  Verlängerung  gegen  Süd-Südost  die  Euganäischen 
Berge  von  der  Ebene  bei  Padua  trennt.  Bittner's  Untersuchungen 
haben  gezeigt,  dass  eine  Zone  stark  aufgerichteter,  gegen  die 
Ebene  von  Schio-Vicenza  abfallender  Schichten  den  Bruchrand 
begleitet,  dass  mithin  hier  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein 
Faltenbruch  vorhanden  ist.  Ein  Blick  auf  Blatt  V  der  v.  Hauer'- 
schen  Uebersichtskarte  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie 
lehrt  nun,  dass  der  in  das  Innere  der  Alpen  fortgesetzt  gedachte 
Bruchrand  mit  der  Grenze  des  tirolisch-venetianischen  Hochlandes 
auf  der  Strecke  Caldonazzo-Lavis  zusammenfallt.  So  scheint  eine 
gewisse  Correlation  zwischen  den  Verhältnissen  im  Innern  der 
Alpen  und  den  Erscheinungen  am  Aussenrande  zu  bestehen,  inso- 
feme  die  hohe  Emporstauung  des  Hochlandes  dem  Untertauchen 
des  venetianischen  Tieflandes  entspricht  und  der  geöffnete  Winkel 
der  Etschdepression  mit  dem  weit  in  die  Ebene  vorspringenden 
Hügellande  von  Vicenza  und  den  Berischen  und  Euganäischen 
Hügeln  correspondirt. 

Wie  die  Falten  im  Süden  der  Valsugana-Spalte  dieser  parallel 
streichen,  so  folgen  die  Faltungen  im  Gebiete  der  Etschbucht  der 
Judicarien-Spalte.  Der  westlichen  Ablenkung  der  letzteren  bei 
Lodrone  entspricht  die  Drehung  der  Streichungsrichtung  in  den 
südlichsten  Ausläufern  der  Alpen  bei  Verona,  am  Südgehänge  des 
Monte  Baldo  und  in  den  lombardischen  Voralpen.  Eine  der  Süd- 
falte der  Sette  Communi-Masse  homologe,  meistens  in  einen 
Faltungsbruch  ausartende  Falte  bildet  die  Grenze  zwischen  dem 
tiefliegenden  und  unter  die  Ebene  hinabtauchenden  Hügelvorlande 
und  der  höher  ansteigenden  ersten  Bergkette.  Das  hohe  Grenz- 
gebirge   zwischen  Recoaro-Schio  und  dem  Etschthale  bei  Rovereto 


*)  Lepsius  gebraucht  in  seinem,  während  der  Publication  des  vorliegenden 
Buches  erschienenen  Werke  (Das  westliche  SOdtiroI,  S.  322)  fQr  diese  Bruchlinie 
die  Bezeichnung  Idrosee-Spalte,    offenbar  von    der  Voraussetzung  ausgehend,    dass  i 

I 

das  Seebecken  in  die  Verlängerung  der  Judicarien-Spalte  fällt.  Es  zeigt  aber  die 
Karte  von  Lepsius  selbst,  dass  die  durch  Judicarien  herabstreichende  Bruch linie 
bei  Lodrone  scharf  westlich  umbiegt  und  in  das  obere  Val  Trompia  weiterzieht. 


520  Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

bildet  ein  breites  tonnenformiges  Gewölbe,  dessen  Ostschenkel  durch 
die  Erosionsrinnen  von  Recoaro  und  Valle  dei  Signori  bis  auf 
die  Phyllit-Unterlage  entblösst  ist.  Auf  dem  rechten  Etsch-Ufer 
folgen  nun  etliche  kleinere,  meist  liegende,  gegen  Südosten  über- 
schobene  Falten  ♦)  und  das  Gewölbe  •  des  Monte  Baldo  und  des 
Stivo.  Westlich  reiht  sich  die  Mulde  Gardasee-Vezzano  an,  welche 
durch  einen  Faltenbruch  im  Westen  begrenzt  wird.  Einfache 
wellige  Biegungen  halten  nun  an  bis  zur  Judicarien-Spalte,  welche, 
wie  die  Valsugana-Spalte,  ein  wahrer  Verwerfungsbruch  ist.  Der 
hier  geschilderten  tektonischen  Anlage  conform  ist  auch  das  nörd- 
liche, in  der  Gegend  von  Meran  in  einem  spitzen  Winkel 
zusammenlaufende  Depressionsgebiet  höchst  einfach  gebaut.  Die 
Zahl  der  Falten  vermindert  sich  in  nördlicher  Richtung,  ohne  durch 
grössere  Intensität  der  Faltung  ersetzt  zu  werden.  Der  Gesammt- 
betrag  der  Zusammenschiebung  ist  im  Norden  ein  minimaler. 

Auf  der  Strecke  zwischen  Lavis  und  Meran  wird  die  Grenze 
gegen  das  tirolisch-venetianische  Hochland  durch  eine  westliche 
Hinabbeugung  der  Schichten  von  bedeutender  Sprunghöhe  gebildet. 
(Vgl.  S.  133).  Dieselbe  vertritt  hier  die  Stelle  der  das  Depressions- 
gebiet sonst  begrenzenden  Verwerfungsbrüche  und  zeichnet  sich 
dadurch  aus,  dass  sie  ein  Bogensegment  beschreibt,  dessen  Con- 
cavität  dem  Depressionsgebiete  zugewendet  ist. 

Jüngere,  nordsüdlich  streichende  Verwerfungsspalten  von  geringer 
Sprunghöhe  durchschneiden  nach  Vacek's  Beobachtungen  das 
Faltensystem  der  Etschbucht.  Die  gleichfalls  meridional  verlaufende 
Erdbebenspalte  des  Lago  di  Sta.  Croce  im  Südosten  unseres  Ge- 
bietes gehört  vielleicht  dem  gleichen  Spaltensystem  an. 


3.  Vulcantektonik. 

Man  ist  seit  langer  Zeit  geneigt,  Gebirgsbildung  und  Vulcanismus 
als  zusammengehörige,  einander  bedingende  Erscheinungen  zu 
betrachten.  Die  ältere  Geologenschule  L.  v.  Buch's,  welche  noch 
heute  unter  den  Alpengeologen  offene  und  verschämte  Anhänger 
besitzt,  sah  im  Vulcanismus  die  bewegende  Kraft  der  Gebirgs- 
bildung;   sie   schrieb   den  vulcanischen  Gesteinen  eine  active  Rolle 


*)  Vacek  (Verh.  Geol.  R.-A.  1878,  S.  343)  berichtigte  die  Profile  von 
Be necke  und  Lepsius,  welche  hier  Verwerfungen  annehmen,  und  zeigte,  dass 
die  von  den  beiden  genannten  Forschern  als  Intrusivmassen  gedeuteten  Basalte 
von  Brentonico  regeltnässig  dem  Schichten  verbände  eingeschaltete  eodline  EfFusiv- 
decken  und  TufFe  sind. 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  C2I 

bei  der  Hebung;  Faltung  und  Stauung  der  Gebirgsschichten  zu 
und  unterschied  vulcanische  (,plutonische*)  Centren  verticaler 
Schichtenhebung,  von  welchen  aus  lateraler  Druck  gegen  die 
peripherischen  Regionen  sich  fortpflanzen  sollte.  Der  Hauptsitz  der 
vulcanischen  Kraft  concentrirte  sich  nach  der  Meinung  dieser  Schule 
in  der  mittleren  Längszone  der  Alpen. 

Eine  andere  neuere  von  Poulett  Scrope  begründete  Richtung 
erblickte  in  den  langen  Vulcanreihen  an  den  Rändern  tiefer 
Senkungsfelder  und  hoher  Kettengebirge  nur  eine  die  Gebirgsbildung 
begleitende,  secundäre  Erscheinung.  Diese  Anschauung  kam  in 
neuerer  Zeit  immer  mehr  in  Aufnahme  und  wurde  weiter  fortgebildet 
und  geklärt.  Suess  wendete  dieselbe  zuerst  in  lichtvoller  Weise 
auf  das  Alpensystem  an  und  zeigte,  dass  die  erloschenen  wie  die 
thätigen  Vulcane  auf  die  concave,  von  Bruchrändern  begrenzte 
Innenseite  der  Kettengebirge  beschränkt  seien.  Er  betonte  nach- 
drücklichst, dass  die  älteren  Eruptivmassen  der  Alpen  sich  völlig 
passiv  zur  Emporstauung  des  Gebirges  verhalten  und  ebenso  wie 
sedimentäre  Formationen  von  der  gebirgsbildenden  Bewegung  er- 
griffen wurden. 

Gleich  Heim*),  welcher  nachwies,  dass  die  wenigen  Eruptiv- 
gesteine der  Finsteraarhom-Masse  sämmtlich  älter  als  die  Faltung 
dieser  Gebirgsgruppe  sind,  kann  auch  ich  auf  Grund  der  in  diesem 
Buche  niedergelegten  Erfahrungen  constatiren,  dass  die  eruptiven 
Massen  sich  in  Bezug  auf  die  Gebirgsbildung  als  vollkommen  starre, 
bewegungslose  Körper  verhalten.  Dieser  Satz  gilt  nicht  nur  für  die 
Effusivdecken,  für  welche  er  selbstverständlich  ist,  sondern  auch 
für  die  intrusiven  Stöcke  und  Gänge,  wie  die  Lagerungsverhält- 
nisse in  Fassa,  Fleims  und  an  der  Cima  d'Asta  unzweifelhaft  beweisen. 

Gleichwol  besteht  im  Sinne  der  oben  angedeuteten  Anschau- 
ungen ein  klarer  und  bestimmter  Zusammenhang  zwischen  der 
Gebirgsbildung  und  dem  Auftreten  und  der  Vertheilung  der  alten 
Eruptivcentra,  und  werden  wir  im  letzten  Abschnitte  auf  die  Dar- 
legung dieser  Beziehungen  zurückkommen. 

Man  begegnet  selbst  in  der  allemeuesten  Literatur  über  die 
Alpen  so  häufig  einer  gewissen  Unsicherheit  und  Einseitigkeit  in 
der  Beurtheilung  des  tektonischen  Charakters  und  des  Alters  von 
eruptiven  Gesteinen,  dass  einige  Bemerkungen  über  diesen  Gegen- 
stand hier  Platz  finden  mögen. 

Wir  wollen  zunächst  an  die  bei  vielen  Beobachtern  wieder- 
kehrende Verwechslung  von  Ausläufern  der  Lavaströme  mit  Gängen 


*)  Mechanismus  der  Gebirgsbildung,  II.  Bd.,  S.    119. 


^22  Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

erinnern.  Man  ist  so  sehr  gewöhnt,  die  Ausflussstelle  von  Eruptiv- 
gesteinen am  Orte  ihres  Vorkommens  zu  vermuthen,  dass  man  es 
unterlässt,  die  Lagerung  näher  zu  untersuchen,  und  die  durch  das 
Zusammenvorkommen  mit  Tuffen  gegebene  Andeutung  des  wahren 
Sachverhaltes  völlig  ignorirt.  Die  richtige  Beurtheilung  des  tek- 
tonischen  Charakters  von  eruptiven  Gesteinen  erfordert  in  vielen 
Fällen  eine  grosse  Umsicht  und  die  genaue  Kenntniss  der  tektoni- 
sehen  und  stratigraphischen  Verhältnisse  eines  grösseren  zusammen- 
hängenden Gebietes.  Die  im  Laufe  der  letzten  Jahre  in  den  Süd- 
alpen gemachten  Erfahrungen  haben  uns  gelehrt,  dass  Gänge  kaum 
vereinzelt,  sondern  in  der  Regel  in  grösserer  Zahl  vorkommen.  In 
Folge  dieser  Häufung  bietet  sich  dann  vielfache  Gelegenheit,  das 
wirklich  gangförmige  Durchsetzen  verschiedenartiger  Schichten  zu 
beobachten  und  man  kann  unklare  Aufschlüsse  nach  benachbarten 
unzweifelhaften  Vorkommnissen  beurtheilen.  Die  Gänge  häufen  sich 
um  die  Eruptionscentra  und  verschwinden  allmählich  mit  der  Ent- 
fernung von  diesen.  Vereinzelte  Gänge  deuten  daher  auf  die 
Peripherie  einer  Gangregion. 

Die  vorstehenden  Erfahrungen  haben  in,  allgemeiner  Fassung 
nur  für  Gebiete  von  annähernd  gleichen  stratigraphischen  Niveaux 
Geltung,  denn  es  scheint  der  Umfang  der  Gangregion  mit  der  Tiefe 
allmählich  zuzunehmen.  Das  Vorkommen  von  Melaphyrgängen  im 
Phyllit  und  Quarzphorphyr  bei  Theiss  in  Villnöss,  sowie  das  Auf- 
treten von  Melaphyrgängen  im  Phyllit  bei  Mis  zwischen  Agordo  und 
Primiero,  beide  in  Gegenden,  welche  der  oberflächlichen  Gangregion 
entrückt  sind,  lassen  kaum  eine  andere  Deutung  zu*),  als  dass 
daselbst  ursprünglich  blinde,  blos  durch  die  nachträgliche  Denudation 
entblösste  Gänge  vorhanden  sind.  Selbst  in  der  Haupt-Gangregion 
von  Fassa  und  Fleims  scheinen  die  ältereren  der  dort  entblössten 
Schichtgruppen  viel  häufiger  von  Gängen  durchsetzt  zu  werden,  als 
die  jüngeren,  der  Eruptionszeit  näher  stehenden  Sedimente. 

Es  bedarf  keiner  weiteren  Auseinandersetzung,  dass  eine  gegen 
die  Tiefe  fortschreitende  extensive  und  intensive  Zunahme  von 
Gängen  mit  den  theoretischen  Vorstellungen  über  den  Vulcanismus 
im  besten  Einklänge  steht.  In  praxi,  bei  der  Bestimmung  des 
Alters  von  Eruptivgängen,  wird  aber  nicht  nur  häufig  gegen  diesen 
Satz  gefehlt,  sondern  überhaupt  der  tektonische  Grundcharakter  der 
Gänge  völlig  ignorirt  —  und  dies  ist  der  zweite  der  oben  angedeuteten 
Punkte,    welcher   einer   kritischen    Bemerkung   bedarf     Ebenso    wie 


*)   Für  das  Vorkommen  bei  Mis  wurde  die  Möglichkeit    eines    anderen  Ver- 
hältnisses Seite  342  erwähnt. 


1 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  C2X 

man  sofort,  ohne  nähere  Untersuchung,  bereit  ist,  isolirte  Vorkomm- 
nisse von  Eruf)tivgesteinen  fiir  Gänge  zu  erklären,  so  verfallt  man 
auch  sehr  häufig  in  den  Fehler,  das  Alter  der  Ganggesteine  nach  dem 
zufällig  entblössten  Nebengestein  zu  bestimmen*).  Man  verfährt,  in 
sonderbarer  Verkennung  der  wesentlichen  Merkmale,  wie  mit  Ein- 
schlüssen organischer  Fossilien.  Bei  Lagergängen  ist  ein  solcher 
Irrthum  begreiflich  und  verzeihlich,  weil  dieselben  die  Gestalt  ein- 
geschichteter Decken  annehmen  können;  aber  auch  hier  wird  die 
Ausdehnung  der  Beobachtungen  in  der  Regel  bald  zur  Erkennung 
der  Gangnatur  fuhren.  Wenn  unsere  obigen  Betrachtungen  über  die 
Zunahme  blinder  Gänge  in  der  Tiefe  richtig  sind,  so  kann  in  tief 
denudirten  Gegenden  nicht  einmal  die  Beobachtung  der  jüngsten 
Contact-Sedimente  für  die  Altersbestimmung  von  Eruptivgängen 
benützt  werden.  Wo  es  die  Umstände  nicht  gestatten,  Gänge  auf 
unzweifelhafte  Lavensysteme  zu  beziehen,  kann  an  eine  zuverlässige 
Altersbestimmung  nicht  gedacht  werden.  In  unseren  Südalpen 
kennen  wir  bisher  nur  drei,  durch  bestimmte  Laven  gekennzeichnete 
Eruptionsperioden,  und  zwar  i.  die  permische,  2.  die  norische  und 
3.  die  tertiäre.  Die  Möglichkeit  des  Vorkommens  blinder  Gang- 
massen anderen  Alters  muss  zwar  zugegeben  werden.  Doch  scheint 
es  rationeller  anzunehmen,  dass  die  auf  dem  Südgehänge  der  Alpen 
vorhandenen  Eruptivstöcke  und  Gänge  einer  dieser  drei  Eruptions- 
perioden angehören**). 


*)  Vgl.  a.  die  treffenden  Bemerkungen  von  Judd.  (The  ancient  Volcanos  of 
Europe.  Geol.  Magazine  1876,  pag.  (3i.) 

**)  Nachdem  erst  in  jüngster  Zeit,  insbesondere  durch  Judd's  geistvollen 
Vorgang  veranlasst,  die  Altersfrage  der  grobkrystallinischen  Eruptivstöcke  auf  die 
Tagesordnung  gesetzt  wurde,  ist  dass  Widerstreben  der  conservativen  Geologen  gegen 
die  Annahme  jugendlicher  Granit-  und  Syenitstöcke  begreiflich.  Eingelebte  An- 
schauungen werden,  selbst  wenn  dieselben  unerwiesene,  mit  den  alten  Kataklysmen- 
Hypothesen  zusammenhängende  Vorurtheile  wären,  nur  ungerne  und  zögernd  ver- 
lassen. Es  ist  deshalb  fQr  den  baldigen  Eintritt  eines  allgemeinen  Umschwunges 
der  Anschauungen  sehr  förderlich,  dass  Zirkel  kürzlich  jurassische  Granite  aus 
dem  Westen  Nordamerika*s  beschrieben  (Report  of  the  Geological  Exploration  of 
the  Fortieth  Parallel,  by  Clarence  King,  Vol.  VI,  Microscopical  Petrography  by 
Ferdinand  Zirkel,  Washington,  1876)  und  nachgewiesen  hat,  wie  sich  die  jüngeren 
Eruptivgranite  durch  bestimmte  petrographische  Merkmale  sowol  von  den  älteren 
Eruptivgraniten,  als  auch  von  den  sogenannten  metamorphischen  Graniten  unter- 
scheiden. Zirkel  selbst  warnt  vor  einer  Benützung  seiner  Erfahrungen  für  die  Alters«» 
bcstimmung  der  Granite  anderer  Länder,  und  dies  mit  gutem  Grunde,  denn  es  erscheint 
sehr  wol  möglich,  dass  die  erkannten  Differenzen  im  Sinne  der  Reyer'schen  An- 
schauungen auf  bestimmte  Tiefenzonen  beschränkt  sind,  so  dass  es  nur  von  dem 
Betrage  der  Denudation  abhängen  würde,  ob  ein  Granitstock  die  Charaktere  des 
jüngeren  oder  des  älteren  Eruptivgraniis  besässe. 


£24  ^^"  ^"^  Entstehung  des  Gebirges. 

Wir  notiren  noch  die  folgenden  Ergebnisse  unserer  Unter- 
suchungen in  vulcantektonischer  Beziehung: 

1.  Der  Umfang  der  Lavengebiete  ist  bedeutend  grösser,  als 
der  Umfang  der  Gangregion.  Dieser  Satz  dürfte  für  viele  der 
modernen  Vulcane  nicht  gelten. 

2.  Die  Eruptionsstellen  unseres  Gebietes  liegen  excentrisch 
(vgl.  S.  408  und  506)  zum  Lavengebiet 

3.  In  der  Gangregion  des  Avisiogebietes  kommen  neben  den 
Gängen  diesen  parallele,  aber  durch  Eruptivmassen  nicht  injicirte 
Gangspalten  vor,  ein  neuerlicher  Beweis,  dass  das  eruptive  Magma 
blos  durch  bereits  vorhandene  Risse  oder  klaffende  Spalten  auf- 
steigt. 

4.  Der  Monzoni  und  der  Fleimser  Eruptivstock  liegen  auf  einer 
und  derselben  Spalte  (Fleimser  Eruptionsspalte),  welche  zum  Gebiete 
der  stärkeren  Senkung  (vgl.  S.  506)  senkrecht  steht. 

5.  Der  ältere  Vulcan  im  oberen  Fassathal  liegt  am  Rande  des 
Gebietes  stärkerer  Senkung. 

6.  Die  Gänge  und  Gangspalten  in  der  Umgebung  der  beiden 
jüngeren  Vulcane  stehen  senkrecht  zum  jeweiligen  Verlaufe  der 
Eruptionsspalte.  (Eine  radiale  Anordnung  der  Gänge  ist  daher  bei 
Vulcanen,  welche  aus  kesselförmigen  Einstürzen  hervorgetreten  sind, 
vorauszusetzen.  Die  Anordnung  der  Gänge  in  den  bei  unseren  alten 
Vulcanen  nicht  mehr  vorhandenen  Aschenkegeln  kann  immerhin, 
wie  bei  den  recenteren  Vulcanen  eine  radiale  gewesen  sein.) 

7.  Die  Eruptionsstellen  zeichnen  sich  durch  bedeutende 
Differenzirungen  der  Schlieren  aus.  Grosse  Manigfaltigkeit  der 
Gesteine.  Das  grobkrystallinisch  erstarrte  Magma  nimmt  die  tieferen 
Stellen  des  Eruptionsschlotes  ein  *). 

8.  Der  Eruptionsschlot,  welcher  am  oberen  Rande  des  durch- 
brochenen Gebirges  die  grösste  Weite  besitzt,  verengt  sich  birn- 
fbrmig  gegen  die  Tiefe.  In  den  oberen  Regionen  des  Eruptions- 
schlotes breiten  sich  daher  die  Ergüsse  stromähnlich  aus.  Wo  die 
Ränder  des  Eruptionsschlotes  durch  Denudation  bereits  stark  aflicirt 
sind,  kann  dann  der  Schein  einer  überquellenden  Lagerung  hervor- 
gebracht werden. 

4.  Die  Entstehung  der  Alpen. 

Wenn  ich  es  hier  unternehme,  der  bahnbrechenden  Dar- 
Stellung    von  Suess  *)    und    den    scharfsinnigen   Erörterungen    von 


*)  Vgl.  Ed.  Reyer,  Physik  der  Eruptionea  und  der  Eruptivgesteine. 
**)  Die  Entstehung  der  Alpen.     Wien,  1875. 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  C2C 

Heim"'*)  eine  gedrängte  Betrachtung  über  die  Entstehung  der  Alpen 
folgen  zu  lassen,  so  geschieht  dies  zunächst  in  der  Absicht,  die  orogene- 
tischen  Verhältnisse  unseres  Gebietes  zu  erläutern,  deren  Ver- 
ständniss  uns  nur  durch  einen  Ueberblick  über  das  Gebirgsganze 
vermittelt  .werden  kann. 

Da  das  historische  Moment  in  den  Vordergrund  gestellt  werden 
soll,  so  kann  dieser  Versuch  auch  als  das  Gerippe  zu  einer  Chrono- 
logie der  einzelnen  Ketten  betrachtet  werden.  Um  Wieder- 
holungen zu  vermeiden,  verweise  ich  zur  Begründung  der  historischen 
Daten  auf  das  IL  und  XVI.  Capitel. 

Wir  greifen  in  der  Geschichte  der  Ostalpen  zurück  in  jene 
Zeit,  wo  sich  die  ersten  Andeutungen  der  alpinischen  Individualisirung 
zeigen.  Nachdem  zur  Carbonzeit  das  ostalpine  Territorium  sich  von 
dem  böhmischen  Gebirgsmassive  getrennt  hatte  und  im  Gebiete  der 
Tauem  und  der  Oetzthaler  Gruppe  bereits  insulare  Gestaltungen 
eingetreten  waren,  begann  zur  permischen  Zeit  eine  Aufstauung  der 
mittleren  Längszone,  welche  von  einer  allmählichen  Senkung' der 
äusseren  Zonen  und  von  der  Bildung  grosser  Vulcane  am  Südrande 
begleitet  war.  Die  vulcanische  Thätigkeit  manifestirte  sich  namentlich 
in  der  Gegend  der  heutigen  Etschbucht,  welche  den  concaven 
Innenrand  des  entstehenden  ostalpinen  Inselgebirges  bildete.  Zur 
Triaszeit  stand  dann,  wie  die  Geschichte  der  triadischen  Riffmassen 
uns  lehrte,  der  beschleunigten  Senkung  der  äusseren  Regionen 
eine  Verzögerung  der  Senkung  am  Saume  des  Inselkernes  gegen- 
über, und  haben  wir  sogar  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  in 
der  Axe  des  Inselgebirges  die  Aufstauung  fortdauerte.  Unsere 
norischen  Vulcane  stehen  am  Rande  des  Gebietes  stärkerer  Senkung 
und  ist  es  sehr  bezeichnend,  dass  die  auf  das  Südgehänge  der 
Alpen  beschränkten  Vulcane  in  einer  parallelen  Linie  dem  Saume 
des  Inselgebirges  folgen.  Die  Verbindungslinie  zwischen  den  Avisio- 
Vulcanen  und  den  gleichzeitigen  Vulcanen  bei  Recoaro-Schio  streicht 
parallel  der  westlichen  Begrenzung  der  Etschbucht,  und  ebenso  ge- 
stattet die  Vertheilung  der  intrusiven  Massen  und  selbst  die  Ver- 
breitung des  vulcanischen  Detritus  den  Schluss  auf  einen  analogen 
Parallelismus  in  den  übrigen  Theilen  der  Südalpen. 

So  spielen  die  gebirgsbildenden  Bewegungen  in  den  Ostalpen 
bereits  in  Zeiten  zurück,  ^vo  die  mächtigsten  Formationen  der  Neben- 
zonen gebildet  wurden  und  die  ganze  spätere  Anlage  und  Glie- 
derung erscheint  bedingt   durch   die  am  Beginne  des  mesozoischen 


*)  Untersuchungen  über  den  Mechanismus  der  Gebirgsbildung  im  Anschlüsse 
an  die  geologische  Monographie  der  Tödi-Windgällen-Gruppe.     Basel,  iSyS. 


C26  ^^^  ^^^  Entstehung  des  Gebirges. 

Zeitalters  von  der  Gebirgsbildung  vorgezeichneten  Contouren.  Man 
wird  uns  den  Einwand  entgegensetzen,  dass  diese  alten  Boden- 
bewegungen verschieden  seien  von  den  gebirgsbildenden  Faltungen 
und  in  die  Kategorie  der  sogenannten  säcularen  Hebungen  und 
Senkungen  gehören.'  Es  hat  aber  bereits  Suess  die  Unhaltbarkeit 
der  in  letzterer  Beziehung  herrschenden  Anschauungen  berührt  und 
überzeugt  uns  eine  ruhige  Ueberlegung  und  Vergleichung,  dass 
namentlich,  wie  in  unserem  Falle,  die  Bewegung  beschränkter  Gebiete 
nichts  anderes,  als  eine  wellenförmige  Biegung  von  grösserer  Spann- 
weite ist.  Es  ändert  an  dem  Charakter  der  ganzen  Erscheinung  I 
nichts,  ob  dieselbe  am  Rande  eines  Continentalgebietes  submarin 
oder  subaerisch  vor  sich  geht.  Die  Triasperiode  war  in  Mitteleuropa 
eine  Continentalperiode.  Die  sogenannten  Massengebirge  waren  zum 
grössten  Theile  bereits  vorhanden.  Eine  Landbrücke  verband  das 
böhmische  Festland  mit  dem  westrheinischen  continentalen  Alpen- 
gebiete. Dieser  Festlandssaum  war  bestimmend  für  die  Richtung 
der  an  ihm  sich  stauenden,  submarinen  Faltenbiegung.  An  den 
heutigen  Küsten  der  Continentalmassen  sehen  wir  häufig  ähnliche 
linear  gestreckte  Inselgestaltungen. 

In  der  Geschichte  der  Südalpen  gelangt  die  Abhängigkeit  der 
späteren  chorologischen  Verhältnisse  von  dem  Süd-Süd- West  ver- 
laufenden Aste  des  Inselgebirges  im  Westen  der  Etschbucht  wieder- 
holt zur  Geltung.  Abgesehen  von  dem  parallelen  Verlaufe  der  hete- 
ropischen  Grenze  des  grossen  westlichen  Wallriffes  von  Südtirol 
kehren,  wie  im  III.  Capitel  gezeigt  worden  ist,  annähernd  meridian 
verlaufende  heteropische  Grenzen  auch  während  der  Jura-  und  Kreide- 
Periode  wieder. 

Es  lässt  sich  heute  noch  nicht  bestimmen,  zu  w^elcher  Zeit  die 
Mittelzone  der  Otsalpen  über  den  Meeresspiegel  emportauchte.  War 
dies  nicht  bereits  zur  Triaszeit  der  Fall,  so  darf  wol  angenommen 
werden,  dass  dies  wenigstens  im  Verlaufe  der  Jurazeit  eintrat  *).  Denn 
vom  Beginne  der  Kreidezeit  an  sehen  wir  in  der  Seite  26  an- 
gegebenen Reihenfolge  allmählich  das  Gebiet  unserer  nördlichen 
Kalkalpen,  dann  die  Karnischen  Alpen  und  die  Karavanken  über 
den  Meeresspiegel  auftauchen. 

Die  auffallende  Erscheinung,  dass  in  den  nordöstlichen  Alpen 
Verwerfungsbrüche,  welche  concentrisch  den  Contouren  des  böh- 
mischen  Massivs    folgen,    die    vorherrschende    Störungsiorm    sind, 


•)  Inwieferne  Wasserscheiden  und  Querthäler  in  vielgliedrigen  Kettengebirgen 
zur  Altersbestimmung  der  Gebirgsketten  benützt  werden  können,  haben  Heim 
(Mechanismus  der  Gebirgsbildung,  I.  Bd.,  5.  32o)  und  Tietze  (Jahrb.  Geol.  R.-A. 
1878,  S.  58 1)  gezeigt. 


1 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  C27 

erklärt  sich  vielleicht  durch  den  frühzeitigen  Eintritt  der  Gebirgs- 
stauung.  In  diesem  Theile  der  Alpen  sind  Transgressionen  jurassischer 
Ablagerungen  nicht  selten.  Die  zwischen  dem  heutigen  Rande  des 
böhmischen  Festlandes  und  den  Kalkalpen  durchstreichende  Flysch- 
zone,  welche  (vgl.  Seite  28  und  102)  aus  einer  ununterbrochenen 
Reihe  von  cretaceischen  und  alttertiären  Bildungen  besteht,  lässt 
keinerlei  Parallelismus  mit  den  Contouren  des  böhmischen  Gebirges 
erkennen,  sondern  schneidet  im  Gegentheil  die  Störungscurven 
der  Kalkalpen  ab.  Es  darf  daher  vielleicht  gefolgert  werden, 
dass  die  Stauungsbrüche  der  nordöstlichen  Kalkalpen  älter  als 
neocom  sind. 

Es  mag  hier  am  Platze  sein,  eine  kurze  theoretische  Reflexion 
einzuschalten. 

Sowie  die  historische  Analyse  zur  Erkenntniss  des  hohen 
Alters  der  Alpenfaltung  fuhrt,  so  lehrt  dieselbe  auch  die  grosse 
Constanz  und  Einheitlichkeit  dieser  Bewegung  kennen.  Die  so 
häufig  gemachten  Annahmen  von  altemirenden  Hebungs-  und 
Senkungsperioden  entsprechen  weder  bei  allgemeiner  Ausdehnung 
derselben  über  das  ganze  Ostalpen-Gebiet,  noch  bei  Beschränkung 
auf  einzelne  Striche,  dem  historischen  Gange  der  Entwicklung. 
Vom  Beginne  der  Permzeit  an  können  wir  alle  derartigen  Hilfs- 
mittel zur  Erklärung  der  alpinen  Verhältnisse  entbehren.  Das  ein- 
fache Bild  der  Alpenfaltung  zur  Perm-  und  Triaszeit  kann  mit 
grossem  Vortheil  als  der  wahre  Ausdruck  des  durch  die  späteren 
secundären  Fältelungen  und  Zerreissungen  gewissermassen  blos 
verzierten  oder  verdeckten  Bauplanes  der  Ostalpen  betrachtet 
werden.  Die  einzelnen  Gebirgsfalten  und  GebirgsschoUen  repräsen- 
tiren  im  Grossen  blos  die  im  Kleinen  bei  thonhältigen  Schichten- 
complexen  wolbekannten  secundären  Fältelungen,  Knickungen  und 
Verschiebungen.  Das  Gebiet  der  Mittelzone  fallt  mit  einer  lang- 
gestreckten, in  ihrem  Verlaufe  von  den  vorhandenen  älteren  Erd- 
rindenfaltungen Mittel-Europa's  abhängigen  Anticlinalwölbung  zu- 
sammen. Die  Faltungsbewegung  kann  zeitweise  beschleunigt 
oder  verlangsamt  werden.  Erweitert  sich  die  Wölbungs-Amplitude, 
was  nur  auf  Kosten  der  mit  jüngeren  Sedimenten  erfüllten 
Synclinalmulden  geschehen  kann,  so  erfolgt  die  Angliederung 
neuer,  aus  jüngeren  Ablagerungen  bestehender  Ketten,  welche 
im  Kleinen  vielfach  gefältelt  und  zerrissen  sein  können.  Oertliche 
Hindemisse,  wie  z.  B.  die  grosse  Nähe  eines  älteren  Gebirgs- 
massivs  können  zu  Ungleichmässigkeiten  in  den  nebensächlichen 
Erscheinungen  und  zu  zeitweiligen  oder  dauernden  partiellen 
Trockenlegungen  führen. 


C28  ß^u  u"^  Entstehung  des  Gebirges. 

Wir  fahren  in  der  unterbrochenen  Darstellung  des  historischen 
Verlaufes  der  Alpenbildung  wieder  fort. 

Während  am  Nordsaume  der  Ostalpen  die  Kalkalpen-Zone 
der  breiten  Mittelzone  angegliedert  wurde,  entstanden  in  Folge  des 
allmählichen  stufenweisen  Emporzerrens  der  Unterlage  auf  der 
Südseite  die  langen  Verwerfungsbrüche  und  bildeten  sich  namentlich 
die  beiden  fiir  Südtirol  so  bedeutungsvollen  Brüche,  welche  das 
Depressionsgebiet  der  Etschbucht  und  der  venetianischen  Alpen 
vom  tirolisch-venetianischen  Hochlande  trennen.  Einschlüsse  von 
Gerollen    permischen   Quarzporphyrs    und   Sandsteins,    welche    im  | 

Laufe  der  letzten  Jahre  wiederholt  in  den  durch  grosse  Steinbrüche 
aufgeschlossenen  oberjurassischen  Ammonitenkalken  von  Trient 
gefunden  worden  sind*),  scheinen  anzudeuten,  dass  die  Trocken- 
legung des  Hochlandes  stellenweise  bereits  zu  Ende  der  Jurazeit 
begann.  Aber  erst  am  Schlüsse  der  Kreidezeit  war  das  Hochland 
gänzlich  dem  Meeresniveau  entrückt.  Die  Brüche  in  den  Südalpen 
sind  daher  keine  Versenkungsbrüche,  sondern  Zerrungs-  oder 
Schleppungsbrüche.  Die  Versenkungsbrüche  haben  eine  voraus- 
gehende Hochlage  zur  nothwendigen  Voraussetzung;  solche  Brüche 
dürften  aber,  wenn  wir  locale,  durch  Auslaugung  oder  Unter- 
waschung (Karst)  herbeigeführte  Einstürze  ausnehmen,  Gebirgs- 
regionen  überhaupt  fremd  sein**). 

Es  ist  nun  die  Ursache  des  spitzwinkligen  Eingreifens  des 
Depressionsgebietes  der  Etschbucht  zu  besprechen.  Wenn  man  die 
v.  Hau  ersehe  Uebersichtskarte  zu  Rathe  zieht,  so  erkennt  man 
leicht,  dass  die  Fortsetzung  der  Valsugana-Spalte  gegen  Südwest 
auf  die  bei  Lodrone  westlich  umbiegende  und  in  das  obere  Val 
Trompia  ziehende  Judicarien-Spalte  trifft.  Es  muss  demnach  in  den 
Verhältnissen  der  Etschbucht  begründet  sein,  dass  sich  hier  ein 
nordnordöstlich  streichender  Gebirgskeil  einschiebt,  welcher  die 
Regelmässigkeit  der  tektonischen  Anlage  wol  zu  unterbrechen, 
aber  nicht  zu  unterdrücken  vermag.  Sowie  das  Hindemiss  über- 
spnmgen  ist,  kehrt  die  alte  Ordnung  wieder.  Die  Erklärung  liegt 
in  der  mit  der  Etschbucht  zusammenfallenden  concaven  Oeffnung 
der  ostalpinen  Centralkette.  Im  Westen  von  der  Etschbucht  wendet 
sich   das  Streichen   der   krystallinischen  Mittelzone,   welches   bis   in 


*)  Ich  selbst    habe    mehrere    derartige    Geröile    im   Jurakalk    eingeschlossen 
gesehen. 

**)  Im  Sprachgebrauche  sind  die  Ausdrücke  Hebung  und  Senkung  als  com- 
parative  Bezeichnungen  nicht  zu  entbehren.  Hat  man  sich  einmal  von  den  alten, 
mit  diesen  Worten  verbundenen  Begriffen  der  verticalen  Activität  emancipirt,  so 
können  dieselben  anstandslos  bei  geologischen  Schilderungen  verwendet  werden. 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  C2Q 

die  Gegend  des  Brenners  nahezu  ostwestlich  war,  scharf  gegen 
Süd-Südost  und  erst  im  Veltlin  kehrt  allmählich  die  westliche 
Richtung  wieder  zurück.  Die  Gebirge  des  Engadin  zeigen  deutlich, 
wenn  auch  in  geringerem  Masse,  die  gleiche  südliche  Ablenkung 
des  Streichens.  Die  Grenze  zwischen  den  Ost-  und  Westalpen 
auf  der  Linie  Feldkircli-Lago  maggiore  läuft  der  Etsch-Depression 
parallel.  B.  St u der*)  hat  bereits  vor  langer  Zeit  auf  das  Vor- 
kommen meridionaler  Streichungsrichtungen  im  Adula-  und  Suretta- 
Gebirge,  sowie  in  der  Silvretta-Gruppe  hingewiesen,  und  die  neueren 
Untersuchungen  von  Rolle**)  und  G.  A.  Koch***)  haben  die 
Angaben  Studer's  bestätigt.  Der  nordsüdliche  Umbug  der 
Streichungsrichtung  im  Rhätikonf)  gehört  in  dieselbe  Kategorie 
von  Erscheinungen.  Ohne  den  hier  dargestellten  Zusammenhang 
zu  kennen,  deutete  Studer  die  auffallenden  Meridionalketten  des 
Adula-  und  Suretta-Gebirges  als  Reste  eines  älteren  Gebirgssystems. 
Wir  pflichten  dieser  Auffassung  des  hochverdienten  Alpengeologen 
bei  und  erblicken  in  der  angeführten  Reihe  paralleler  Erscheinungen 
den  Beweis  einer  älteren,  der  Entstehung  des  Halbbogens  der 
Westalpen  vorangehenden  bogenförmigen  Krümmung  der  Ostalpen, 
deren  Concavität  der  Etschbucht  zugewendet  war.  Dieser  Bogen 
war,  wie  gezeigt  worden  ist,  zur  Perm-  und  Triaszeit  bereits  vor- 
handen, und  die  permischen  und  norischen  Vulcane  häuften  sich 
an  dessen  concavem  Innenrande.  Bei  der  gegen  Nordwest 
gerichteten  fortschreitenden  Emporschiebung  des  gekrümmten 
Gürtels  mussten  nun  auf  der  Innenseite  der  stärksten  Krümmung 
weitere  Zerreissungen  entstehen,  welche  bedeutende  Niveau- 
Differenzen  veranlassten. 

Die  hohe  Auftreibung  des  südwestlichen  Theiles  des  Hoch- 
landes ist  vielleicht  durch  die  Divergenz  der  Richtungen  bedingt, 
welche  zwischen  dem  Laufe  der  Valsugana-Spalte  und  dem  in  der 
Tiefe  zurückbleibenden  Depressionsgebiete   der   Etschbucht  besteht. 

Während  unser  Hochland  mit  den  ihm  gleichwerthigen  Theilen 
der  Südalpen  zugleich  mit  der  Hauptmasse  der  Ostalpen  empor- 
stieg, verharrten  die  südalpinen  Depressions-Districte  unter  Meeres- 
bedeckung und  lagerten   sich    daselbst  die    alttertiären  Schichten  in 


♦)  Physikalische  Geographie    und  Geologie    II.  Bd.,    p.  232.  —  Geologie  der 
Schweiz,  I.  Bd.,  p.  234,  242  u.  s.  w. 

♦*)  Ueberskht    der    geolog.    Verhältnisse    der    Landschaft    Chiavenna.     Wies- 
baden  1878. 

*♦*)  Verh.  Geolog,  R.-A.   1876,  S.  345,  ibidem   1877,  S.   140. 

t)  E.    V.    Mojsisovics,    Beitr.    z.    topischen    Geologie    der    Alpen.     Jahrb. 
Geolog.  R.-A.  1873. 

Alojsisovics,  Dolomitritfe.  3a 


e^O  ^^u  ^^^  Entstehung  des  Gebirges. 

concordanter  Reihenfolge  bis  zu  den  Schio-Schichten  incl.  ab.  Im 
Süden  war  Land  in  der  Nähe,  wie  die  wiederholten  Einschaltungen 
von  Kohlen  und  von  Pflanzenschichten  beweisen.  Auf  einer  Linie, 
welche  mit  dem  später  gebildeten  Faltungsbruche  Schio-Vicenza 
nahezu  die  gleiche  Direction  hatte,  entstanden  der  Vulcan  von 
Schio'*)  und  der  Euganeen  Vulcan. 

Dem  südalpinen  Depressions-District,  welchem  noch  die 
lombardischen  Voralpen,  der  Karst,  Istrien,  die  quamerischen  Inseln 
und  die  dalmatinischen  Küstendistricte  angehören,  entsprechen  in 
den  Nordalpen  die  Flyschzone  und  die  äussere  oder  nördliche  Zone 
der  westalpinen  Centralmassen.  Die  Faltungen  im  Süden  der  Val- 
sugana-Spalte  sind  jünger,  als  die  Bildung  dieser  Spalte. 

Alle  diese  Gebiete  auf  der  Süd-  und  Nordabdachung  der 
Alpen  sind  nahezu  zur  gleichen  Zeit  emporgerichtet  worden.  Es 
war  dies  die  miocäne  Phase  der  Alpenfaltung,  in  welche  so  häufig 
in  Folge  zu  weit  gehender  Verallgemeinerung  die  Entstehung  des 
gesammten  Alpengebirges  verlegt  wird.  Für  die  Ostalpen  bedeutet 
die  miocäne  Faltungsphase  nur  die  Angliederung  je  einer  neuen 
Kette  am  Süd-  und  Nordrande  des^  Gebirges.  Was  die  Westalpen 
betrifft,  so  wissen  wir  mit  Sicherheit  blos,  dass  die  äussere,  nörd- 
liche Zone  der  Centralmassive  um  diese  Zeit  den  so  wunderbaren, 
grossartigen  Zusammenschub  erlitten,  welchen  Heim  in  seiner 
grossen  Arbeit  über  die  Tödi-Windgällen-Gruppe  eingehend  geschildert 
hat.  In  welchem  Verhältnisse  die  südliche  Zone  *  der  westalpinen 
Centralmassen  zu  dieser  nördlichen  steht,  ist  noch  vollständig  un- 
bekannt. Es  wird  sich  zunächst  darum  handeln,  die  Reihenfolge 
der  älteren,  krystallinischen  Schieferformationen  zu  ermitteln,  um  mit 
deren  Hilfe  die  Architektur  des  Gebirges  zu  entziffern.  Sodann 
wird  der  Altersbestimmung  und  der  Verbreitung  der  jüngeren,  von 
den  verschiedenen  Autoren  so  abweichend  gedeuteten  Schieferbil- 
dungen eine  grosse  Aufmerksamkeit  geschenkt  werden  müssen.  Die 
grosse  Analogie  im  Bau  der  südlichen  Centralmassiv-Zone  der 
Westalpen  mit  unseren  Tauern  hat  Peters**)  schon  vor  Jahren 
erkannt,  und  in  der  That  können  bei  Vergleichen  zwischen  den 
West-  und  Ostalpen  nur  die  südlichen  westalpinen  Zonen  in  Frage 
kommen. 

♦)  Die  Vertheilung  der  den  Eocänschichten  eingelagerten  Basaltstr^me  weist 
nach  den  freundlichen  Mittheiiungen  Dr.  A.  Bittner's  auf  ein  Eruptionscentrum 
in  der  Gegend  von  Schio.  Die  Verbreitung  der  Basaltgänge  in  den  umgebenden 
Theilen  der  venetianischen  Alpen  steht  mit  dieser  Annahme  im  besten  Einklänge. 
**)  Schriften  des  Vereins  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse 
in  Wien,  3.  Band  (Wien   1864)  S.  212. 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges.  53 1 

In  die  Zeit  der  miocänen  Faltung  fällt  auch  wahrscheinlich 
die  Untertauchung  eines  alten,  an  der  Stelle  der  heutigen  Adria 
und  des  Unterlaufes  des  Po  (von  Mantua  abwärts)  bestandenen 
Festlandstückes,  dessen  Contouren  sich  möglicherweise  am  Ostrande 
des  Apennin  wiederspiegeln.  Die  einstige  Existenz  dieses  versunkenen 
^Adrialandes*  geht  nicht  nur  aus  der  wiederholten  Einschaltung 
von  Pflanzenschichten  am  Südrande  der  Alpen  bei  Verona  (Muschel- 
kalk von  Recoaro,  graue  Liaskalke,  vicentinisches  Tertiär),  sondern 
auch  aus  dem  Vorkommen  von  ausgedehnten  Süsswasserbildungen 
am  östlichen  Rande  der  Adria  (Cosina-Schichten  von  Istrien  und 
Dalmatien,  Kohlen  des  Monte  Promina  bei  Sebenico)  hervor*).  Der 
Nachweis  eines  versunkenen  Landes  stimmt  in  trefflicher  Weise  mit 
den  Voraussetzungen  von  Suess*)  über  das  Nachsinken  der 
,adriatischen  Mulde*. 

Das  südalpine  Depressions-Gebiet  wurde  aber  durch  die  miocäne 
Faltung  keineswegs  vollständig  dem  Meeresspiegel  entrückt.  Trans- 
gredirend  gelagerte  und  häufig  auch  steil  aufgerichtete  Miocän- 
bildungen  finden  .  sich  noch  im  Innern  der  Alpenthäler.  Auch  die 
vom  pannonischen  Tertiärbecken  in  den  vielfach  zerfranzten  öst- 
lichen Alpenrand  hineinreichenden  Miocänschichten  sind  auf  der 
Südabdachung  der  Alpen  in  der  Regel  mehr  weniger  stark  zusammen- 
gefaltet. Am  Nordrande  der  Alpen  beschränkt  sich  die  nach- 
miocäne  Schichtenstörung  auf  die  bekannte  AnticUnalwölbung  der 
schweizerischen  und  bayerischen  Molasse  und  auf  das  Nachsinken 
der  Schichten  längs  der  Bruchlinie  von  Wien. 


Bei  flüchtiger  Durchsicht  wird  man  aus  der  vorangehenden 
historischen  Darstellung  der  Alpenstauung  vielleicht  einen  Wider- 
spruch mit  den  Vorsaussetzungen  der  Suess'schen  Theorie  der 
Gebirgsbildung  herauslesen.  Dieser  Widerspruch  ist  nur  ein  schein- 
barer, und  stimme  ich  mit  den  Grundgedanken  der  Suess'schen 
Theorie,  dem  horizontal  wirkenden  Zusammenschube,  der  einseitigen 
Ausbildung  und  der  Stauung  der  Alpenmasse  an  den  vorgelagerten 
alten  Massiven  vollständig  überein.  Ich  bin  sogar  der  Ansicht,  dass 
meine  Darlegung  des  .historischen  Vorganges,  die  Richtigkeit 
derselben  vorausgesetzt,  einen  wichtigen  Beweis  zu  Gunsten  der 
Suess'schen  Auff"assung  liefert. 

*)  Weiter  landeinwärts  herrscht  eine  ausschliesslich  marine  Entwicklung. 
**)  Entstehung  der  Alpen  S.  92. 

^  34» 


C72  Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 

Was  insbesondere  die  Einseitigkeit  der  Ausbildung  betrifft, 
welcher  das  Vorhandensein  einer  gleichaltrigen  südlichen  Nebenzone 
am  meisten  zu  widersprechen  scheint,  so  sei  daran  erinnert,  dass 
bereits  in  den  ersten  Phasen  der  ostalpinen  Faltung  am  concaven 
Innenrande  Zerreissungen  entstanden,  aus  welchen  die  permischen 
und  norischen  Vulcane  hervortraten.  Als  dann  später  die  nord- 
tirolischen  Kälkalpen  enge  gefaltet  und  zusammengeschoben  wurden, 
während  die  nordöstlichen  Alpen  wegen  ihrer  bereits  ursprünglichen 
Nachbarschaft  zu  dem  böhmischen  Massive  nur  geringe  Pressungen 
erlitten,  bildeten  sich  in  der  ganzen  Länge  der  Südalpen  Sprünge, 
längs  welcher  das  Gebirge  stufenweise  gegen  Norden  emporgezerrt 
wurde,  und  brachen  aus  einer  vom  concaven  Rande  auslaufenden 
Querspalte  die  tertiären  Vulcane  Venetiens  hervor.  Die  ein- 
tretenden Zerreissungen  waren  häufig  so  stark,  dass  auf  lange 
Strecken  hin  mitten  zwischen  den  mesozoischen  Sedimenten 
die  palaeozoische  und  selbst  die  archaeische  Unterlage  zum  Vor- 
schein kam,  wodurch  im  Kleinen  das  Bild  des  Alpenbaues  wieder- 
holt wurde.  Sowie  überhaupt  unserer  Ansicht  nach  der  Process  der 
Alpenfaltung  seit  der  permischen  Zeit  unausgesetzt  vor  sich  gieng 
und  wahrscheinlich  selbst  heute  noch  fortdauert,  so  wollen  wir  auch 
nicht  behaupten,  dass  die  Faltung  der  nordalpinen  Zone,  oder  die 
Bildung  der  südalpinen  Verwerfungsbrüche  in  einer  bestimmten,  eng 
umgrenzten  Zeit  vollendet  war.  Beide  Vorgänge  dauerten  wahr- 
scheinlich auch  nach  der  allmählichen  Angliederung  der  äusseren, 
jüngeren  Ketten  noch  fort.  Der  Gegensatz  zwischen  Nord-  und  Süd- 
abdachung der  Alpen  prägt  sich  auch  in  diesen  äusseren  Ketten 
in  klarer  Weise  aus.  Der  stark  zusammengeschobenen  nordalpinen 
Flyschzone  stehen  die  schwachen  Falten  und  die  Faltungsbrüche 
der  südalpinen  Depressionsgebiete  gegenüber.  Es  liegt  der  Annahme 
nichts  im  Wege,  dass  auch  hier  vorzugsweise  Emporzerrungen  der 
Unterlage,  dann  aber  auch,  wie  in  der  engen  Etschbucht,  Zusammen- 
schiebungen wirksam  waren.  Die  Verschlingung  des  Adrialandes 
am  concaven  Alpenrande  möchte  ich  als  eine  die  miocäne  Faltungs- 
phase begleitende,  aber  nicht  bedingende  Erscheinung  angesehen 
wissen. 

So  vermag  auch  die  in  der  geologischen  Entwicklungsgeschichte 
der  Ostalpen  begründete  symmetrische  Anlage  das  Bild  des  con- 
stant  einseitig  und  im  selben  Sinne  wirkenden  Gebirgsschubes  nicht 
zu  verwischen. 

Die  verschiedenen  Aeusserungen  einer  und  derselben  grossen 
Kraft  —  der  in  Folge  der  zunehmenden  Contractiori  des  Erdkernes 
bedingten   partiellen   Erdkrustenfaltung    —  haben   die   Nebenzonen 


Bau  und  Entstehung  des  Gebirges. 


533 


unserer  Alpen  unter  den  Meeresspiegel  getaucht  und  dadurch  die 
Bildung  unserer  grossartigen  Korallenriffe,  sowie  den  Absatz  der 
vielgestaltigen  anderen  Sedimentschichten  ermöglicht,  sie  haben  die 
Ausbrüche  der  grossen  südalpinen  Vulcane  veranlasst  und  endlich 
bei  weiterem  Fortschritte  der  Bewegung  den  ganzen  herrlichen 
Bau  unseres  Alpengebirges  emporgethürmtl  —  Wir  stehen  am 
Beginne  des  Erkennens  und  Begreifens,  ein  weiter  Weg  liegt  noch 
vor  uns! 


I 


Ind 


e  X. 


(Von  Ortsnamen  enthält  dieser  Index  blos 
schaftliches,  politisches  oder 

A. 

Abteyer  Mur,  217. 

Acanthoceras    (AmmonitesJ     angulicostatum , 

215. 
„  äff.  consobrinum,  215. 

„  mammillare,   104. 

Acanthotheutis  bisinuata^  64. 

Acetabtdaria,  493. 

Acrostichites  Lunzensis,  69. 

Acttuofiella  t^tgantea,   105. 
„  iodZ'is,   105. 

Adamello,  407. 

Adnether  Kalk,  86. 

Adrialand,  das  versunkene,  531,  532. 

At'ger  crassipt's,  64. 

Aegoceras    AmmoniUsJ  incultum,  48. 
„  „  Palmai,  48. 

„  „  planorboides ,  75. 

Afers-Thal,   118,  122. 

Agassiz,  497.  501,  502.  503. 

Agnellezze,  Monte,  464. 

Agnello,  Monte,  384,  388. 

Agordo,  Umgebung  von,  325  fg.,  331, 
343,  436,  443. 

Aletfiopteris  Lunzensis,  69. 
^  Meriani,  69. 

AUeghe,  322  fg.,  352. 

AUgäu-Schichten,  86. 

AUuvionen  des  Piave-Flusses,  459. 

Alpago,  451,  456,  458. 

Alpenkalk,   i. 

Alpine  Formationen,  Eigenthümlichkeiten 
derselben,  i ;  Weite  allgemeine  Ver- 
breitung, 2;  Verbreitung  in  den  Alpen,  3 ; 
Wechsel  der  Facies,  3. 

Alpine  Triasfaunen ,  theoretische  Bedeu- 
tung derselben,  2. 

Altbrags,  275. 

Alter  der  Eruptivstöcke  von  Fassa  und 
Fleims,  364,  391  fg. 

Alter  des  Cima  d'Asta-Granitstockes,  406. 
„     .  „    Adamello-Stockes,  407. 

Altersbestimmung  der  Sediment  -  Forma- 
tionen, II  fg. 

Altersbestimmung  der  Eruptivgesteine,  523. 


n 


jene,  an  welche  sich  ein  besonderes   wissen- 
touristisches Interesse  knüpft.) 

Alto  di  Pelsa,  Monte,  325. 

Alttertiäre  Bildungen,   Verbreitung   in  den 

Alpen,  27  fg. 
Amaltheus  (Ammonitcsj  dttx,  44. 

„  megalodiscus ,  48. 

„  Sanstwinii,  48. 

Ammergauer  Schichten,  94. 
V.  Ammon,  25. 
Ammonitico  rosso,  95. 
Ampezzo,  257,  295,  308. 
AnanchyUs  ovata,  loi,  104. 
AtMtifM  praecursor,  74. 

„        Suessi,  74. 
Ancillaria  glatuiiformis ,  467,  468. 
Andraz.  243, 

Angliederung  der  Gebirgsketten,  527. 
Anomia  alpina,  74. 
Ancplophora  Münsteri,  263,  264. 
Ansicht   des  Kosengarten-   und  Langkofel- 
Riffes,  200. 
Ansicht  der  Zwischenkofel- Wände,  219. 

.,         des  Peitlerkofels,  224. 

„        des  Sett  Sass,  250. 

j,        des  Lagatschoi-Riffes,  259. 

j,        tler  rechten  Thal  wand  von  Abtey, 

262. 
Ansicht  des  Sarikofels,   279. 

„        des  Nockboden   und   des   Dürren- 
stein,  280. 
Ansicht  der  beiden  Tofana-Gipfel,  290. 
des  Anteiao,  310. 
des  Gebirges  am  linken  Cordevole- 

Ufer  bei  Agordo,  327. 
Ansicht     der    Gruppe     des    Cimon     della 

Pala,  336. 
Ansicht  der  Moränen  von  Val  Canali,  341, 
Ansicht  der    Schichtenwiederholungen    bei 

Falcade,  348. 
Ansicht  der  Moränen  bei  Vedana,  477. 
Anteiao,  303  fg. 
Antkracosia  ladina,  224. 
Anticlinale  der  Molasse,   29,  531. 
Anti  Sass,  248. 
Antruilles-Thal,  288. 
Aonschiefer,  61,  62. 
1    Aphanit,  321. 


7» 


53Ö 


Index. 


ff 


ff 
f* 
ff 
}> 


Aptychen-Kalke,  92,  94,  100,  214,428,  430. 
Aptychus  dcprcssus,  441. 
„  lineatus,  288. 

„  Menet^hinii,  441. 

Araba,  235,  238. 

Aragonitabgüsse  von  Daonellen,   155. 
Aragonitbänkchen,   155,  230,  246. 
Aragonit-Oehäuse  und  Skelette,    498. 
Araucarites  alpinus.   72. 
Area  cf.  iiiiu7n'i,  462. 
^     nuiis,  71. 
f,      Songavatina,  307. 
A)\\'stes  (Ammonitcsj  Ausscanus,   179. 
„  ^  Barrandd,  62. 

batyolcus,  53. 
„  ^  Hcarinatus,  O2. 

„  ßöckhi,  56. 

„  Rramantei ,  48. 

„  ^  Cimmensis,  53. 

fr»/f>/i/ (Gruppe  der),  58, 
cytttbifonnes     (Gruppe 
der),  58. 

Arcesti's    Ammonitcs,  cymhiformis,    68,    179. 

Eschen,  48. 
extrahbiatus ,  48. 
Gaytani,  62. 
yohannis  Austriag,  62. 
^  „  Klipsteini,  62,    179. 

„  „  Marrhenanus,  53. 

„  „  panfwnicus,  56. 

subtridentimts ,  56. 
,,  /^^«/»/»'(Gruppeder),  58. 

tridcntinus,  56. 
„  trompianus,   53. 

ArictiUs  (Amnionites)  giomctricus,  89. 
Armentara-Berg,  265. 
Armenterra,  Monte,  411   fg. 
Arsiera,  319. 
Aschkler-Alpe,  208. 
Aspidoceras  (Atnmomtcs    acanthictim ,    287, 

441. 
Aspidoceras  f Ammonitcs    cf.  Az'elianum,  440. 

^  cy c/o/u m,  2Sy,  ^o, 

„  //ayna/di,  287. 

„  liparum,  287. 

n  w  hmgispinttm,    287, 

441. 
Aspidoceras  ^Ammonitcs}   Ocgir^,  286. 

,,  „  Raphaeli,  441. 

„  „  sesquinodosnm,z%'j. 

,,  .,  Vhlandi,  287. 

Asplenites  cf.  Roeserti,  58. 
Asta.  Cima  d',  395,  399  fg. 
Astarte  cf.  Neumayri,  462. 
Atolls,  506,  513, 
Augensteine,  289. 
Augitfels,  372,  373,  387. 
Augitporphyr-Decke  des  Schiern,   175,508. 
Augitporphyr-Laven,  54,  143, 151  fg.,  157  fg. 
Augitporphyr ,    Verbreitung    der    verschie- 
denen Ergüsse,  160,  508. 
Atilacoceras  Ausseeanum,   179. 
„  ObeliscMs,  48. 


»* 
« 

?♦ 


Aulacoceras  retindatum,  58,   179. 
„  secundum,  48. 

j/.,  62. 
Auswürflinge,   151,  389. 
Avicula   cinguiata,  36,  298. 
contorta,  24,  72,  74 
,,        ßlicosta,  36. 
filosa,  298. 
^xi7/j,  69,  70,  71. 
Kossenensis,  75. 
„         phaiaenacea,  462. 
,,         striatocostata,  36,  298. 
Aviculopecten  comelicanus,  36,  298. 
,,  <r/".   CoxantiSf  207. 

Gümbeli,  36,  298. 
„  Trinken,  36,  298. 

B. 

Bactrites,  58. 

„         undulatus,  62. 
-  Baculiten-Schichten,   103» 
Bamlites  anceps,   103. 

„         Neocomiensis,  288. 

,,         vertebralis,  103. 
Badioten-Hochplateau,  240  fg. 
Badiotisches  Mergelbecken,  263,  311. 
Bänderkalk  der  Buchensteiner  Schichten,  1 50. 
Baieria  digitata,  34. 
Bakei'cliia  cf.  ceratopht^a,  36,  37,  207. 

„  iadina,  cf  bicarinata,  224. 

Balancn-Sandstein,  466. 
Baltzer,  408. 

Barri^re-Kiffe,  s.  Wallriffe. 
Barrois,   10 1. 

Basaltgänge,  107,  410,  412,413,416.530. 
Basaltströme,  460,  520,  530. 
Basalttuffe,  520. 
Basis  der  Riffe,   183,   191,    211,    224,  337, 

346,  368.  382,  485.  487. 
Becchei,  Col,  288. 
Beche,  de  La,  497,  503. 
Begrenzung  der  Riffe,  486. 
Belemnites  cf.  semihastatus,  287. 
Belemmtella  mucronata,  loi,  102,  103,  105. 
Bellamonte,  397. 
Bcllerophon  ccuiorictts,  36,  298. 

Comelicanus,  36,  298. 
fallax,  207. 
Gümbeli^  36. 
Jacobi,  ^b,  207. 
Janus,  36,  223. 
Mojs7'dri,  36,  298. 
pcregrinus,  36,  207. 
pseudohelix,  36,  298. 
Sextcnsis,  36,  298. 
L'lrici,  36,  207. 
Bellerophonkalk ,    35,    fg.;    Fossilien    36; 
Alter,  38. 
^  Belluno,  468,  Mulde  von,  429,  458. fg. 
Belluneser  Bruch,  s.  Bruchlinien. 
Belonorhynchus  strioiatus,  64. 
Belvedere  (Primiero),  340  fg. 


Index. 


537 


» 


n 


n 


Benecke,  40,  42,  43,  47,  56,    71,   90,  91, 

93.  178,  179.  285,  415,489,497,  520. 
Bergstürze,  139. 
Bergsturz  der  Tofana,  257. 
„         des  Anteiao,  308. 

des  Monte  Forca  bei  Alleghe,  352. 
bei  S.  Martino  di  Castrozza,  399. 
des  Monte  Calmandro,  405. 
bei  Sta.  Croce,  473,  478. 
bei  Vedana,  474,  476,  478. 
„         bei   Mori    im   Etschthal    (Slavini 

di  Marco),  478. 
Berrias,  Fauna  von,  98,   100,   103. 
Bianco,  Gruppe  des  Sasso,  346  fg. 
Biancone,   103,  105,  428,  453  fg. 
Bildungsmedium,  ö. 
Bildungsräume,  6. 

Bindemittel  des  Korallenriff-Kalkes,  497  fg. 
Bittner,  93,   104,   177,  396,  399,  401,  403, 

419.  450»  S'8,  519,  520,  530. 
Blockstructur    der  Riffe,     s.    Conglomerat- 

structur. 
Blöcke  von  Cipitkalk,   170  fg.,    238,    239, 

358,  362,  500. 
Bloslegung  der  Riffe,  486. 
Bocche,  335,  337,  368,  380,  397. 
Boeckh,  34,  47,  53,  273. 
Böhmisches  Festland,  21,  526. 
Böschungsfläche  der  Riffe,  S.  Riffböschung, 
Bohnerze  der  Raibler  Schichten,  178,247,265. 
Bolzano  (bei  Belluno),  461. 
ßombur  Aonis,  64. 
Bonebed,  rhätisches,   74. 
Borca,  308. 

Boreale  Juraprovinz,  97. 
Borgo  di  Valsugana,  400,  ^12  fg.,  419  fg. 
Bos,   Col  dei,  258,  260.  \ 

Bosco  Nero,  Sasso  und  Val  di,  445. 
Bovai-Alpe  235. 
Bovai,  Punta  di,  239. 
Bovo,  Canal  San,  403,  405. 
Bozen,  Kalvarienberg  (Virgl),   127,   13 1. 
Bozener  Porphyrplateau,   107,  108,   124  fg. 
Bozen,  Umgebung  von,  126,  131  fg.,  136  fg. 
Brachiopoden-Facies  des  Lias,  87,  89. 

•     n  „des  Dogger,  93. 

y,  „       des  Callovien,  94, 

Brags,  45,  270,  lg.,   274  fg. 
Breccien,    von    Kalk    und    Augitporphyr- 

tuff,   150,  151,  157,  313,  362,  364,  507. 
Breda,  467. 

Brenner-Depression,   107. 
Brocone,  424. 
Bronn,  65. 
Bruchlinie  von  Judicarien,  106,  519, 520,  528. 

„         des  Drau-Thales,   108. 

y,         des  Porphyrplateau 's,   135. 

„         am  Nordrand  der  Fassa-Grödener 

Tafelmasse,  145  fg. 
Bruchlinie    von   Villnöss,    121,    206,    220, 

255,   265,   288,  289,    291  fg.,  294  fg., 

301,  308,  516,  517. 
Bruchlinie  von  Kolfuschg,  216. 


Bruchlinie  von  Falzarego,  252,   253,   256, 

261,  295,  312,  516. 
Bruchlinie    des    Anteiao,    254,    303,    305, 

308,  314,  315.  3^3^  51Ö. 
Bruchlinie  von  Valsugafta,   107,    303,  308, 

310,    318    fg.,    329,    340,    39b,    399, 

409  fg.,  516  fg.,  528. 
Bruchlinie  von  Belluno,  416  fg.,  518, 
v.  Buch,  120,   174,  520. 
Buchenstein,  251   fg. 
Buchensteiner  Dolomit,  162,  482,  4S9. 
Buchensteiner     Schichten ,     Charakteristik, 

52  fg.,  143. 
Buffaure-Gebirge,  364. 
Burgstall  (Schiern),   180. 
Buntsandstein  (Haupt-),  38;  (Roth)  s.  Roth. 

c. 

Cadore,  Pieve  di,  303,  307,  310. 
Calamento,  Val  di,  430. 
Calamites  arcnticeus,  57. 

Mcriatii,  57,  69. 
Calaz,  Cima  di,  365. 
Calderuola,  Val,  428. 
Callovien,  94. 
Calmandro,  Monte,  405. 
Cambrische    Bildungen,    genetischer    Cha- 
rakter derselben,   9;    in  Beziehung    zur 

Descendenzlehre,   11. 
Campedie,  Monte  di,    183. 
Campestrin,   190. 
Campil,  220,  226. 
Campiler  Schichten,  43. 
Campitello,   159,  188,  190,  366. 
Campo  torondo,  440. 
Canalbildungen,  501,  502. 
Canali,  Val  (Primiero),  341. 
Canalriffe,  s.  Wallriffe. 
Canazei,   188,   189,   190. 
Cansiglio,  Bosco  del,  451,  453,  455,  457. 
Canzacoli,  2t^%y  389. 
Caoria,  403,  405. 
Capello,  Sasso  di,  236,  360,  363. 
Capo  di  Ponte,  s.  Ponte  nell'  Alpi. 
Caprile,  254,  322  fg.,  351. 
Carbonische  Bildungen,  Verbreitung  in  den 

Alpen,   22. 
Cardiaster  itaiicus,  104. 

„  Zi^toanus,   104. 

Cardinia  problcmatica,  68. 
Cardita  austriaca^  60,   74- 

„       crenata,  60,  63. 

Gümbeli,  60,  66,  67,  68. 

„       scahn'costa,  462. 
Cardita-Oolithe,  67. 
Cardita-Schichten,  66,  67. 
Cardium  anomalum,  462. 

„        fa/iax,  462,  464. 

„         cf.  htans,  462. 
Caressa-Pass,  184,   185,  187,  382,  21^2' 
Camera-Riff,  253,  311   fg.,  506. 
Cartutes  fAmmcmites)  ßoridus,  67,  68. 


53« 


Index. 


Carpolithet  Eiselianus,  34. 
„  fovcoiatus,  34. 

Gänitzi,  34. 
,,  hunnisus,  34. 

„  Klockeanus,  34. 

„  libocedroidc's,  34. 

St.  Cassian,  240,  244,  264,  494,  500. 
St.  Cassians-Capelle  auf  dem  Schiern,   1 74. 
Cassianella  gryphaeata^  63. 
Cassianer  Dolomit,   177,  485,  490,  509. 
Cassianer  Schichten,  59  fg. 
Castelruth,   130,   160,   173. 
Catinella  dcprcssa,  223. 
CatuUo,  308,  461. 
Cavalese,  394. 
Cenceaighe,  323,  349  fg 
Cephalopoden,     Monographie     der     medi- 
terranen   Trias-,  von  E.    v.    Mojsiso- 
vics,  45. 
Cereda-Pass,  342,  430. 
Challenger  Expedition,   10,  76. 
Cheirotherien-Sandstein,  34. 
Chemnitzia,  57. 

,,  alpina,  68,  69,   178. 

eximia,  öS,   71. 
forntosa,  68. 
,,  gradatti,  68. 

Rosthorni,  <)8. 
„  tt't't'bra,  90,  411. 

Cherzberg,  251. 
Chiropteris  JJpoldi,  58. 
„  phifuitü,  58. 

Choffat,  97. 
Choristoceras  (Ammonitcs,'  Bucht,  63. 

Eryx,  60,  63. 
glaucum,   60,  63, 
Marshi,   75. 
Chorologie,   4,    5;   Tabelle   der  chorologi- 

schen  Abstufungen,  7 ; 
St.  Christina  (Gröden),   191,  207. 
Christiner  Ochsenweiden,  191,   195. 
Chronologie,  11  fg.,  der  Gebirgsketten,  525. 
Chronologische  Normal- Vergleichungstypen, 

17. 
C'hronologische  Terminologie,   18. 

Ciavazes-Alpe,   192,  201. 

Cidaris  alata,  63. 

,,       Braunii,  63. 

,,        dorsata,  63. 

,,      ßexuosa,  Ü3. 

„        Römeri,  63. 

„        Wissmanni,  63. 
Cima  d'Asta,  s.   Asta, 
Cimon  della  Pala,  339. 
Cinque  Torri,  253. 
Cipit,   154,   156,   165,   167  fg. 
(Ipitkalk,  155,  150,  164,  170  fg.,  195,  197, 

202,  211,  217,  229,  230,  232,  234,  236, 

238,  239,  248,  249,  253,  260,  273,  276, 

2791  30O1  30S1  310,  353,  358,  362,  493, 

494,  499^  500,  503,  508. 
Cipitkessel,   170. 
Cipiter  Och.(;en\vald,   164. 


Cislon,   133  fg. 

Civaron,  Monte,  411,  416  fg. 

Civetta-Gruppe,  323  fg. 

ClassiHcation    der    sedimentären    Gesteins- 

bildungen  reformbedürftig,   15. 
Clathropteris  reticulata,  69. 
Claus,  498. 
Cochloceras  50. 
Coldai-Pass,  325. 
Colfosc,  399. 
Colonisten,   17,  82. 
Concave  Innenseite  des  Gebirges,  521,  528, 

529,  532. 
Conglomeratstructur  der  Riffe,  173,  185, 186, 

210,  229,  230,  231,  234,  235,  238,  258, 

Zn^  318,  325,  328,  358,  490,  491,  503. 
Contact-Erscheinungen,   120,    370  fg.,  373, 

389  fg.,  407. 
ContactÜächen    der    Eruptionsschlote,  388. 
Continuität   der   Meeresbedeckung    in    den 

Ostalpen,  85 
Contractionsfonnen  des  Augitporphyrs,  152, 

153. 
Contrin-Thal,  353,  365. 
Cofius  deperditus,  402. 
Coppolo,  Monte,  424. 
Corallien,  96. 
Corbis  Mellingi,  68,   179.  203,  265. 

„       cf.  Mellingi,  281. 
Corbula  Richthof eni,   179. 

„        Rosthomi,  68. 
Corvara,  232,  234,  240,   244. 
Costa-Mühle,  217. 
Costalunga-Pass,  S.  Caressa-Pass. 
V.  Cotta,    248,    345,    388,    389,  390,  391, 

438,  439- 
Crasa,  Val,  445,  446. 
Crcusatella  carcarensis,  462. 

„  ncglecta,  462. 

Credner,  H.,  99. 
Creppa  (Ampezzo),  256,  312. 
Cretaeeische  Bildungen,  97  fg. 
Crioceras,  99. 

„         Duvalianum,  215. 
Cristallo,  Monte,  294  fg. 
Croce,  Santa,    450,   451,    452,    455,    456, 

457,  470,  472,  473- 
Croda  Rossa,  291,  293. 
Cualba,  Val,  418. 
Curioni,  89,  105,  407. 
Cycadites  Stiessi,  65. 
Cymopolia,  493,  501. 

;,         barbata,  493. 

,,  rosarium,  493. 

Cypricardia  incun'ota,  90. 

„  RabUnsis,   179. 

Cythcrea  pcdcmontana,  461. 

D. 

Dachsteinkalk,  69  fg.,  74  fg. 

„  lithologische  Beschaffenheit, 

284,  307,  31Ö.  413»  439.  447- 


Index. 


539 


>» 


ß> 


Dactyloporideen,  493. 
Dam,  Sasso  di,  364  fg.,  393. 
Dana,  496,  497,  501.  503,  505. 
£>anaeopsis  Marantacea,  58,  69. 
„  cf.  Marantacea,  65. 

„  Simplex,  69. 

Daofulla,  50. 

baäiotica,  $4,  251,  265. 
Böckhi,  54. 

Cassiana,  59,  63,  245,  248,  263. 
dubia,  57. 
ehngata,  54,   150. 
fluxa,  63,    155. 
„  Giimbdi,  48. 

„         hungarica,  54. 
„         Liftdsirömi,  57, 

Lommeli,  56,  57,   155,  195,  208, 
217,   244,   251,    261,    267,    276,    29s, 
312,    328,  379. 
Daonella  Moussoni,  56. 
obsoieta,  54. 
partkanensis,  48,  488. 
Ruhthofeni,    59,    63,    245,     248, 
263,  295. 

Daandla  Sturi,  48. 

„  Taramdlii,  54,   150,  219,  251. 

M         tyrolensis,  54,  251,  265. 
Daonellenschiefer,   52,    53,   150,  155,  488. 
Darwin,  4,  496,  501. 
Delphinula  diadema,   72. 
„  Escheri,  72. 

pygmaea,  72. 

Deniaiium  cf.  grande,  462. 
Denudations-Stadien    der  Riffe,    168,    169, 

171,  23s,  486. 
Depressionsgebiete  der  Südalpen,  107, 5  J8  fg., 

529  fg- 
Dcscendenzlehre    und    Geologie ,     4,     15; 

Beziehungen  der  Primordialfauna,   ii. 
Devonische  Bildungen,  Verbreitung  in  den 

Alpen,  21. 
Dicerocardium   Curiomi,  71. 

JatU,  71. 
Jiagazzonti,  71. 
Wulfcni,  71. 
Didymitcs  fAmmonitesJ,  50. 

„  „  globosuSy  488. 

Dioonites  pachyrrhadiis,  65. 
Diploporen,   178,  493,  501,  507. 
Diplopora   annulata,  57. 
debilUy   192. 
multiserialis ,   134. 
,,         paudforata,    47,    49,    192,    270, 
275,  270. 
Diplopora  triasina^  49,   192. 
Diorit,    120,  372,  387. 
Dioritporphyr,  403,  405. 
Diphyakalk,  95. 

Discordanz  der  Kreide  in  den  salzburgisch- 
Österreichischen  Alpen,   100  fg. 
Discordanz  der  permischen  Bildungen,  118. 
Ditmar,  A,  v.,  78. 


TJ 


n 


J7 


Doelter,  53,  157,  158,  191,  211,  297,  345, 
354,  364,  367,  370,  371,  372,  373,  377t 

379,  387,  389,  390.  391,  396,  403,  492. 
Dogger,  92  fg. 

Doleritischer  Sandstein,  54,  143. 

Dolomit.  Bildung  des,  504,  505. 

Dolomit  in  landschaftlicher  Beziehung,  iio. 

Dolomit  im  unteren  Muschelkalk,  253,  272. 

DolomitrifTe,  Allgemeines,  481   fg. 

Dolomitriff  des  Schiern,  160  fg. 

^  des  Kosengarten,   181   fg. 

„  des  Langkofels,    191    fg.,  240, 

506. 

Dolomitriff  der  Geisslerspitzen,  210  fg. 

„  des  Peitlerkofels,  219  fg. 

des  Sella-Gebirgcs,  230  fg. 

des  Sett  Sass,  246  fg. 

Richthofen-Riff,  248  fg. 

des  Monte  Camera,  253,  311  fg.^ 

506. 

Dolomitriff  des  Lagatschoi,  258  fg. 

„  der  Hochalpe,  267  fg.,  282. 

^  des  Dürrenstein,  276  fg.,    282. 

„  von  Sexten,  296  fg. 

„  von  Primiero,  311,  323,  329  fg. 

„  der  Civetta,   325. 

„  der  Marmolata,  236,  254,  282, 

353  fg. 
Dolomitriff  von  Valsugana,  410,  412. 

Dolomitzungen,  153,  162,  1Ö5,  169,  171, 
173,  197,  205,  226,  236,  238,  240, 
246,  247,  249,  253,  260,  279,  29s, 
300,  316,  318,  350,  351,  356,  358, 
360,    362,    365,    411,    446,    508,  509. 

Donna,  Monte,  184,  187,   190. 

Dont,  45,  318,  320,  321. 

Dosaccio,  397. 

Dosinia  cf,  cxoleta,  462. 

Dosso  Capello,  379  fg.,  384. 

Dräsche,  R.  v.,  503,  504. 

Drau-Spalte,   108. 

Draxlehner  Plattenkalk,  80. 

Dreifinger-Spitze,  268. 

Drei  Zinnen,  301. 

Druscie,  Col,  257. 

Durchschnitt,  s.  Profil. 

Dürrenstein,  276  fg. 

Duron- Alpe,   188. 

Duron-Thal,   183,  187,  188,   189,   190. 

E. 

Edmondia  cf.  rudis,  224, 

Einseitigkeit  des  Gebirgsbaues,  531   fg. 

Einsturz  des  Gardenazza- Gebirges,  212  fg., 

517;  von  Antruilles,  289. 
Eisackgletscher,   136  fg. 
Eisack-Thal,   127  fg. 
Eisenerze  der  Bellerophon-Schichten,    247, 

253,  432. 
Emmrich,   149,   152. 

Emscher  Mergel,  loi. 

Encrinus  Cassianus,  63. 


540 


Index. 


Encrinus  gracilis,  47. 

„         granuhsus,  63. 
Endogene  Typen,   17. 
Kntolium  tiroUme  3Ö. 
Kntrocfnts  Uliiformis,  270. 
Entstehung  der  Alpen,  524  fg. 
Eocäne  Bildungen,  419,  459,    Verbreitung 

in  den  Alpen,  27  fg. 
Equisetites  annaceus,  57,  O4,  69. 
hm'ivaginatus ,  O9. 
gamingiamts ,  69. 
,,  twn'oso  vagitMius,  09. 

stn'gatus,  Ö4. 
Erdbeben,  450,  451,456,  468,  517.  520. 
Erdpyramiden,   139,  329. 
Erhöhte  Lage  der  Kiffe,  211,  485,  487. 
Erneuerung  der  Faunen  und  Floren,  17. 
Erosion,     geringer     Fortschritt     seit     der 

Glacialzeit,   139. 
Erosions-Wirkungen,  282. 
Erratische  Blöcke,    137,   170,  343,  469. 
Eruptionsperioden  der  Südalpen,  523. 
Eruptionsschlote,  523. 
Eruptivtuff,   157. 

Eruptivstöcke,  3Ö7,  fg.,  378  fg.,  393,  401. 
Erzlagerstätten  405,  51S. 
Escher  v.  d.  Linth,  407. 
Esino,  Fauna  des  Kalks  von,  56,  57,  493. 
Ksinokalk,  9Ö. 
Etschbucht,  tektonische  Bedeutung  der,  525, 

Etschthal  zwischen  Neumarkt  und  Mcran,  i  ^^. 
Euganeen,  519,  530. 
Evinospongien,  355,  497. 
Exogene  Typen,  17. 

F. 

Facies,  häufiger  Wechsel  der  Facies  in  den 
Alpen,  3 ;  Definition,  5;  Beziehungen  der 
biologischen  und  lithologischen  Facies,  7. 

Falb,  450,  473. 

Falcade,  347  fg. 

Faltungsbrüche,  515,  518  fg. 

Faltungsregionen,  518  fg.,  530. 

Falzarego-Pass,  252. 

Falzarego-Strasse,  257,  258,  2Ö0. 

Fanis,  285,  fg. 

Fassa-Grödener  Tafelmasse,  141,  fg.,  187,  fg. 

Fassa-Joch,   195,   197,   199,  201. 

Fauna  des  perniischen  Bellerophonkalks, 
36;  der  W^erfener  Schichten,  42;  des 
unteren  Muschelkalks,  46;  des  oberen 
Muschelkalks,  48;  der  Buchensteiner 
Schichten,  53 ;  der  Wengener  Schichten, 
50;  der  Cassianer  Schichten,  59 — 64; 
des  Fischschiefers  von  Raibl,  64;  der 
Raibler  Schichten,  68;  des  karnischen 
Dachsteinkalks,  7 1 ;  der  Seefclder  Asphalt- 
schichten, 72;  der  Kössener  Schichten, 
74 1  %>i  der  grauen  Linskalke  von 
Südtirol,  90. 

Fauna  von  Berrias,  98,   100,  103. 


Fauna  der  Scaglia,   104. 

^       des  Biancone,   103. 

y,       der  Schio-Schichten,  462,  464, 

^       der  Riffe,  493. 
Favre,  Ernest,  97. 
Fedaja-Pass,  356  fg. 
Felseckhof  (Tierser  Thal),   180. 
Feltre,  452,  453,  454,  4O0,  461,  470. 
Fernazza,  Monte,  322  fg. 
Festlandsperioden,    mitteleuropäische,  97. 

y,  nordostalpine,   100. 

Fiorentina-Thal,  313  fg.,  322. 
Fischburg  ((»roden)  205, 
Fleckenmergel,  80,   100. 
Fleimser   Eruptionsspalte,    383 — 385,  389, 

394.  507.  5' 7,  5H 
Fleimser  Eruptivstock,  378  fg. 

Flora,  permische  von  Val  Trompia,  2ö  •  ^'^n 
Fünfkirchen,  34;  des  unteren  Muschel- 
kalks, 47 ;  der  Wengener  Schichten,  57 ; 
der  Cassianer  Schichten  (Raibler  Fisch- 
schiefer), 64 — 65  ;  der  Raibler  Schichten, 
68;  liasische  von  Rotzo,  90. 

Flora  der  Riffe,  493. 

Flysch,  Alter,  Verbreitung  und  Genese,  27, 

459  fg- 
Flyschzonc,  27  fg.,  99  fg.,  527,  530,  532. 

Fontanazzo  di  sopra,   190. 

^  di  sotta,   190. 

Fontannes,  97. 

Fonzaso,  426,  428 

Forca  Rossa,  346,  fg. 

Forn^,  432. 

Fomo  (Fleims),  379. 

„       di  Canale,  349. 
Framont,  Monte,  325,  fg. 
Fredda,  Val,  346,  fg. 

Fretschbach  (Seisser  Alpe),  153,   161,   162. 
Frombach  (Seisser  Alpe),    153,    156,    161, 

170,   171. 
Fuchs,  C.  W.  C,   125. 

„       Th.,  27,  AO,  öo,  92,  418,  464.  504. 

.       W.,  320,  321,  343,  438,  474. 
Fuchiada-(*ebirgc,  369. 
Füreder-Kalk,  bi. 
Fustilina   GümhcU,  37. 
Fusulinen-Kalk,  GeröUe,  ^t^. 

G. 

Gabbro,  372,  373. 
Gangrichtungen,  369,  373,  389. 
Gangspalten,  369,  370,  377,  524. 
Gangthonschicfer,  434. 
Gäns-Alpel,   195,  2o4,  205. 
Garda-See,  88,  bio. 
Gardenazza-Gebirge,  212  fg. 
Gasteropoden  des  Dachsteinkalks,  307. 
Gault,   102. 

Gebirgsschollen ,      losgerissene      und     ein- 
geklemmte, 426. 
Geinitz,  i^t* 
Geissler  Spitzen,  211  fg. 


Index. 


541 


Geister-Spitzen,  s.  Geissler  Spitzen. 

Gemellaro,  97. 

Genetische  Verhältnisse  der  Korallenriff- 
Kalke,  496  fg. 

Geognosie  (geographische  Geologie),  20. 

Geographische  Geologie  (Geognosie),  20. 

Geographische  Zonen  der  rhätischen  Bil- 
dungen der  Nordalpen,  77. 

Geologische  Geographie  (Palaeogeographie), 
20. 

„Geologische  Urkunde'',  4;  Wesen  der 
Lückenhaftigkeit  derselben,  8. 

(j ermanischer  Trias-See,    40,    44,    49,    67, 

73»  81. 
Gen'illia  angusta,  O3. 

,,  Bitchii,  90. 

hifiata,  74. 

„         pcracuta,  224. 

,,  salraia,   71. 

Geschichte    der   Entstehung   der  Ostalpen, 

524  %• 
Geschichte  der  südtirolischen  Korallenriffe, 

505  %• 
(Jeschiebe,    gekritzte    und    geglättete    der 

Schlammslrom-Moränen,  243. 
Gesteinsbeschaffenheit  der  Riffe,  492. 
Gesuretta,  Forcella  di,  332. 
CJiau,  Monte,  312. 
Gipfelhöhe  der  Berge,   109. 
Giacialbildungen,   13b  fg.;    205,  329,  340 

%•;    394.    405.    413.    414,    420,    42S, 

443.  457>  4Ö9.  47»   %• 
Gletscher,    alte,    des    Eisack-Thales,    136; 

des  Pitz-Thales,  136;  des  Oetz- Thaies, 

136;    des  Zillerthales,   13b;    des  Enns- 

Thales,  13O;  des  Cordevole-  und  Piave- 

Thales,  470  fg. 

Gliederung  der  Triasbildungen  in  der  medi- 
terranen Triasprovinz,  79 ;  Gliederung  in 
der  juvavischen  Triasprovinz,  80 ;  Gliede- 
nmg  im    germanischen   Trias-See,  81. 

Gliederung  des  oberen  Jura  und  der 
unteren  Kreide  in  der  mediterranen 
und  mitteleuropäischen  Provinz,  98. 

Globigerinen-Schlamm,   10. 

Globigerinen  im  Dachsteinkalk,  71,  76,  77. 

Gneissphyllit,  403. 

(iomberto-Schichten,  419. 

Goniatites  LAsteri,  37. 

Gosau-Schichten,  20,  99  fg.;   102. 

Grande,  Val,  295,  29Ö. 

Granit  der  Cima  d'Asta,  400. 
„       von  Predazzo,  385  fg. 

Granite,  jüngere,  523. 

Graphitkieselschiefer,  118. 

Graph iunis  cnllopUrus,  Ö4. 

öraue  Kalke   von    Südtirol  (Lias),    88    fg. 

Grazer  Devonbucht,  Bedeutung  derselben, 
21  ;   Kreidebildungen  in  derselben,  26. 

Gredler,  127,  131,  130.  137,  138,  152,  385. 

Grenze  der  Ost-  und  Westalpen,  30. 

Grenze  zwischen  Perm  und  Trias,  ^^. 
„  „    .    Trias  und  Jura,  73. 


Grenze  zwischen  Jura  und  Kreide,    95  fg. 

Gressly,  5,   15. 

Grestener  Schichten,  25,  88. 

Gries  (Fassa),   188,   189. 

Grigno,  Val,  401. 

Grimm,  Joch,   133  fg. 

Gröden,    147    fg.;    191,    201,    205,    207, 

2i6,  228. 
Grödener  Joch,    216,  228,  229,   230,  231, 

483.  509. 
Grödener  Sandstein,  34. 

Grones,  22Ö. 

Grüner  Fleck  bei  Plön,  228,  240',  509. 

Grunserbühel,  171. 

Gümbel,    35,   37,    38,  42,  Ö4i  ^8,  71,  90, 

loi,    102,    120,    125,    12O,    129,    131, 

149»  389- 
Gyroporella,  71,  493. 

„  vesiculi/i'ra,  72. 

Gyps,     permischer,      35;      der     Werfener 

Schichten,  42;    der  Raibler   Schichten, 

66,  247,  257,  300,446,  510;  secundär 

auf  Klüften,  434. 

H. 

Häckel,   5. 

Hallstätter  Kalk,  96. 

Hallstätter  Schichten,  52,  66,  öS,  69. 

Halolu'a,  50,  58- 

„         ruf^osa,  67,  68,  245. 
Hatorites  (AmmomtesJ ,  50. 
Hammatoceras  (AmnwniUsj  insigfie,  28b. 
NtiniiUs,  99. 

„         altentatus,   103. 
Hansel,  345,  387. 
ilapioceras  (AmmonitcsJ ^  99. 

cf.  Emerici,  215. 
„  Grasianum,  215. 

cf.  h'gatum,  215. 

cf.  MaÜuroni,  215. 

NisHS,  288. 

Stazyczii,  287,  440. 
I/arpoceras  {Ammonitesj  bi/rons,  448. 

bor  etile,  448. 

discoides,  89,  280, 

Murchisonae,  92, 93. 

opalinum^  92. 

Hauer,  Fr.  v.,  68,  %%,  99,   139»  3i8,  321, 

343i  519.  528. 
Hauptbuntsandstein,  38. 

Hauptdülomit,  s.  Dachsteinkalk. 
Hubert,  24,  96. 
Heer,  22,  34. 
Heiligenkreuz-Schichten,   263,  264. 

„  Kofel,  264,  2Ö5. 

Heim,  408,  521,  525,  526,  530. 
Hemicardinm  dolomüicum^   71. 
Hercynische  Kreidebucht,  103. 
Heteromesische  Formationen,  Definition,  6. 
„  Grenzen,  38. 

„  Grenze  zwischen  Jura  und 

Kreide   in   der  mitteleuropäischen  Pro- 
vinz, 97,  98. 


tt 
tt 
tt 
tt 


542 


Index. 


Heteromesische  Zonen,  i8. 
Heteropische  Formationen,  7. 
Heteropische    Grenze    der    Riffe,    s.    Riff- 
böschung und  Cipitkalk. 
Heteropische  Kreide-Zonen    der    Südalpen, 

103  fg. 
Heteropische  Lias-Districte    der    Südalpen, 

88  fg. 

Heterotopische  Formationen,  6. 

„  Grenze  zwischen  Trias  und 

Jura,  82. 
Heterotopische  Triasfaunen,  50. 

„  Typen,  58. 

^  Zonen,   17. 

Hexenfelsen,  247. 
Hierlatz-Schichten,  87. 
HinniUs  crinifer,  3Ö,  207. 
Hippurites  cormwaccinum,   loi. 

,,  organisans  105. 

Hipparitenkalk,  452  fg. 
Hochalpe,  Dolomitriff  der,  267  fg. 
Hochland  von  Südtirol  und  Venetien,  107  fg., 

515  f&,  519.  520,  529. 
Hochstetter,  F.  v.,   103. 

Hoefer,  450. 

Hoemes  M.,  56. 

„  R.,  70,  89,  93,  III,  121,  123, 
201,  202,  20Ö,  207,  214,  217,  219, 
223,  224,  228,  265,  267,  268,  272, 
274,  275,  270,  283,  285,  287,  288, 
29s»  297,  303,  416,  418,  439,  442,  443, 
4^6,  447,  448,  450  fg.,  462,  467,  492. 

Iloernesia  yohannis  Austriae,  68,    178. 

V.  Hoff,  4. 

Höhlungen  des  Cipiter  Schierngehänges,  1 69. 
„         im  Mendoladolomit,   185. 
„  „    Marmolata-Riff,  358. 

Hohenegger,  27,  95,  9Ö. 

Honzontale  Ausdehnung  der  Dolomit-Rifle, 
482. 

Homer-Schichten,  467. 

Horizontale  Verschiebungen    des  Gebirges, 

319- 
Hydatopyrogene   Entstehung   der   krystalli- 

nischen  Schiefer,  9. 

I. 

Idro-See,   519. 

Imer,  424. 

Imperina,  Val,  434,  43Ö,  518. 

Individualisirung  der  Gebirgsmassen,    108, 

HO. 

Infema,  Val,  45,  319,  320,  518. 
Infralias.  72,  73. 
Inoceramus  Cuvieri,   104. 

,,  iMtfiarcki,   104. 

Inselgebirge  der  Ostalpen,  523. 
Intermittenz     der     Ammoniten  -  Gattungen 

Aegoceras  und  Amalthtus^  49,  82, 
Intermittenz  der  Bruchlinien,  517. 
Isocardia  suhtranri'ersa,  418. 

„  cf.  sttbtransi*ersa,  462. 


Isomesische  Formationen,  Definition,  6. 
Isopische  Formationen,  7. 
Isotopische  Formationen,  6. 
^  Triasfaunen,  50, 

Ivano,  Castell,  470. 

J- 

St.  Jacob,  207, 

Janira  fallax,  462,  464. 

Judd,  375,  391,  523. 

Judicarien-Spalte,  106. 

Jukes,  Beete,  501. 

Jura  der  Ostalpen,  24,  78  fg. 

Jura  der  Schweizer  Alpen,  74. 

Juraprovinzen,  24,  78  fg. 

Jurassische  Bildungen,  78  fg.^  Verbreitung 

in  den  Alpen,  24. 
Juribello,  337,  338.     ♦ 
Juvavische  Triasprovinz,  3,  50,  58,  80. 

K. 

Kalkalpen,  493. 

Kalktuff,  307. 

Karavanken,  66,  77. 

Karnische  Stufe,  58  fg. 

Karrer,  192. 

Karrenfelder,  283. 

Karpathische  Facies  der  rhätischen  Stufe,  75. 

Karpathen-Sandstein,  s.  Flysch. 

Kartenskizze  des  Porphyrgebietes  zwischen 

dem  Kisack  und  Castelruth,  130. 
Kartenskizze   der  Umgebung   von  Vallalta, 

433- 
Kartenskizze   der  Verschiebung   von  Santa 

Croce,  455. 
Keuper,     Charakter    desselben,     40,     67 ; 

Unanwendbarkeit    der  Bezeichnung  iiir 

die  alpinen  Bildungen,  41 ;  Beginn  der 

Keuperepisode,  49. 
Kiesstock  von  Val  Imperina,  436  fg. 
Kimmcridge-Stufe,  98. 
Klausen,   120  fg.,  518. 
Klaus-Schichten,  93. 
Klima-Zonen,  82,  97,  99. 
Klippen  der  Flyschzone,  27. 
v.  Klipstein.   62,    63,  214,  220,  226,  242, 

245,  355.  3K'  362. 
Kner,  65. 
Koch,  G.  A.,  529. 

Kössener  Facies  der  rhätischen  Stufe,    75. 
Kössener  Schichten,  74  fg. 
Kohle  im  Grödener  Sandstein,  133. 

^       in  Miocänschichten,  418. 
Kolfuschg.  216. 
Konninckina  Lfonhardi,  63. 
Korallen   in  den  Dolomitriffen,    164,    170, 
172,    177,    201,   202,    230,    23b,  238, 

248,  249,  250,  :iZ3.  493,  499- 
Korallenriffe    der    Ostalpen    zur    Triaszeit, 

505  %• 
Korallenriff-Theorie,  494  fg. 


Index. 


543 


Korallinen,  493,  501,  502,  507. 
Kreide,  97  fg. 

„        Schweizerische  Entwicklung,  loi  fg. 
Kreidebildungen,  Verbreitung  in  den  Alpen, 

2t). 

Kreideflysch,   loi,   105. 

Kreuzberg  in  Sexten,  298. 

Kryptogene  Typen.   82. 

Krystallinische  Schiefer,    117  fg. 

„  Entstehung  derselben,  9,  10. 

„  Gliederung  derselben,    119. 

Kühwiesenkopf,  270. 

Küsten  des  Liasmeeres,  25;  der  Perm- 
bildungen  23;  des  ostalpinen  Trias- 
meeres, 28. 

Küstenriffe,  505. 

Kugeldiorite  von  CoUe  Santa   Lucia,   242. 

Kugeltuffe,  153,  254. 

L. 

Lagatschoi-Riff,  258  fg. 

I^gergänge,  3Ö9,  377,  388,  523. 

Lagorai-Kette,  39b  fg. 

Lagoschell-Häuser,  22b. 

I^marck,  4. 

I^mouroux,  493. 

Lampicaner  Bach,   192,   193,  201,  204. 

Lana,  Col  di,  250,  251.  1 

Landschaftlicher   Charakter    des    Gebirges, 

108  fg. 
Lange  Thal  (Gröden)  212. 
Langkofelriff,   191  fg.,  506. 
I^ngkofel-Thal,  202. 
Lapparent,  345. 
Lardschen-Alpe,  215. 
Latemar-Gebirge,   379,  382  fg. 
Laterit,  23. 

Laube,  61,62,64,245,246,  248,  249,  264. 

Lavarella,  263. 
Lefre-Berg,  422. 

Lemberg,  345,  371,  373,  374,  388,  389,390- 

S.  Leopolde,  452,  469,  472. 

l^pidotus  omatus,  64,   72. 
„         panfidius,  72. 
,,  sfiriosus,   72. 

LepsiusR.,  135.407,484,488,489,519,520. 

I^ptaena  sp.,  37. 

Lettenkohle,  Ö7. 

Leydoldt,  498. 

Leythakalk,  Bildung  des,  49S. 

Lias,  86  fg. 

Lias  der  Schweizer  Alpen,  26. 

Liasmeer,  Küsten  desselben,  25, 

Libano,  461. 

Lienz-Villacher  Gebirge,  66,  77,  91.  511. 

Lima  lineata,  272,  275. 

Lingula,  43. 

i.ingula-Sandsteine,  42. 

Lithiotis  problematica,  90,  285,  41 1. 

Lithodendronkalk,  rhätischer,   75. 

Lithologische  Beschaffenheit  des  ostalpinen 
Jura,  %2»^  92,  94. 


I, 


Lithologische  Beschaffenheit  der  ostalpinen 

Kreide,  99 — 105. 
Lithothamnium  cf.  ramosissimum,  464. 
Livinalongo,  s.  Buchenstein, 
Lohnes  (Ammonitcsj ,    58,  60. 

ellipiicoidfs,  63. 
,,  ,,  monilis,  62. 

pisttm,  62. 
Longarone,  91.  446,  447,  448,  471. 
Loretz,  47,   7',    250,  260,  270,  272,  273, 

275,  287.  492. 
Lucano,  Falle  di  San,  330  fg. 
Lückenhaftigkeit    der    alpinen    Sedimente, 

84,  104. 
Lückenhaftigkeit     der      geologischen     Ur- 
kunde, 8. 
Lüsen,  120. 

Lunzer  Sandstein,  s.  Raibler  Schichten. 
Lycopodites  sp.,  58. 
Lycopodiolithcs  arboretis,  436. 
Lyell  4,  139,  497. 
Lytoceras  (Ammonites) ,  50,  99. 

cf.  Honoratiqnum  ,214. 
montanum,    2S7,  288, 
440. 
Lytoceras  fÄjnmonites)  cf.  municipale  440. 
„  „  spaerophyllum ,  47,  48, 

320,  321. 
Lytoceras  fAmmonites)  subfimbriatum,  2  88. 
„  „  sutiie,  440. 

IVengeftse,  56, 155,21 9, 
244,    261,    2T)7,    312,  328,  355. 
L^ytoceras  fAmmonites}  cf.  Wengense,  53,  150, 
208. 

M. 

Mächtigkeit  der  Formationen  untergeordneter 

Factor.  iS. 
Mächtigkeit  der  Riffmassen.  483  fg. 
Mächtigkeit,      wechselnde,      der     alpinen 

Sedimente,  84. 
Mahlknecht,  160,  172. 
Majolica,   105. 
Malgola,  380,  390,  397. 
Mallet,  408. 
Malm,  94  fg. 
Mandelsteine.   124. 
Mangel  der  Fossilien,  85. 

„        des  Sediments,  85. 
Manzoni,  A.  de,  432. 
Marande.  Alpe,  422  fg. 
Marco,  Slavini  di,  478. 
Margherita,  Sasso  della,  343. 
Marinello,  308. 
Marmarole.  303. 
Marmolata-Riff,  236. 
St.  Martin,  223.  267. 
S.  Martino  di  Castrozza,  399. 
Maso,  Torrente,  419,  fg. 
Mazzin,   183. 
Mazzuoli,  474. 

Mediterrane  Juraprovinz,  24.   78  fg. 
„  Triasprovinz,  53.  58,  79. 


544 


Index. 


Mediterrane  Kreideprovinz,  97,  98. 
Mediterran-Stufe,   miocäne,  418,  463,  467. 
Mediterrane     Trias-Cephalopoden,     Mono- 
graphie von  E.  V.  Mojsisovics,  45. 
Medolo,  88. 

Meerenge  von  Wien,  100,  527. 
Megalodus,  66,  70, 

„  carinthiacus ,  68. 

,,  complanatus ,  71. 

„  Dßtnesi,  71,  284. 

>*  gryphoides,  284. 

„  Gümbeli,  71. 

,,  iMojs7'än,  71,  284. 

pttmilus,  88, 90, 91 , 2 1 2, 285,41 1. 

„  Tofanae,  71,  284. 

Megaloduskalke,  70,  74. 
Mi'galopterus  raiblamts,  Ö4. 
Mi'gaphyllites  (Ammonites/  yarbas,  63. 

,,  „  sandaliHHS,  48. 

Melaphyr,   158. 
Melaphyrgänge,   123,    124,   135,  188,    189, 

190.  19^  Z3^^  342,  353.  354,  3K 
304,  3^5.  3Ö6,  3Ö7.  3Ö9,  373,  377, 
385,    388,    389,   394,    399,    522. 

Mendola-Dolomit,  47,   162,   181,   192,  224, 
488  fg.;  490. 

Mendola-Gebirge,   133,  393,  484,  485. 

Meneghini,  88. 

Meridionale  Gänge,  389. 

heteropische  Grenzen,  526. 
Streichungsrichtungen,  529. 
„  Verwerfungen,  322  fg.,  520. 

Merzbacher.  337,  339. 

Mesules,  228  fg. 

Metamorphismus,  9. 

Metaporhinus  Gümbeli,  441. 

Mezzodi,  Sasso  di,  363. 

Mezzogiomo,  Sasso  di,  366. 

Michelotti,  462. 

Micrastcr  coranguinum,   loi. 

Miocän-Schichten,  412,  416,  418,  462,  463, 

Miocänzeit,  Die  Alpen  in  der,  29. 

Mittagskofel  (Schiern)   175. 

Mitteleuropäische  Juraprovinz,  24,  82. 

„  Kreideprovinz,  97, 98, 102. 

Mösch,   25,  26,  92,  96. 

Mojsisovics,  E.  v.,  30,  45.  51,  52,  53,  64, 
Ö7,  Ö9,  74,  89,  208,  245,  510,  529. 

Molignon,   i8ö. 

Monoiis  attrita,  43,   149,   190,   19^. 

Clarai,  43,   149,   192,  412,  41S. 

Montesora  (Seisser  AlpeJ,    191,    193,    202. 

Monzoni-Stock,  367  fg. 

Monzonit,  S.  Syenit. 

Moränen,   alte,    130  fg.;  340  fg.;   471    fg. 
S.  a.  Glacialbildungen. 

Mortitsch-Thal,   188,   189. 

Moscosin.  Pass,  443. 

Mougeot,  35. 

Münster,  Graf,  62,  63. 

Munde villa,  217. 

Munier  Chalmas,  443. 

Murchisonia  tramontana,  298. 


Muschelkalk,     Charakteristik     des     mittel- 
europäischen, 40 ;  unterer  der  Alpen,  43 ; 
rothe  Sandsteine  und  Conglomerate,  4O ; 
oberer  der  Alpen,  47 ;  Parallelen  des,  49. 
Muschelkalk,    Gliederung   des,    252,    253. 

268 — 272. 
Myoconcha   Curionii,  68. 

iombardüa,  68. 
„  Brunner i,  71. 

Myophoria,  S.   Trigonia. 
MytiUts  Comaliae,  71. 
minutus,  74. 
rtuiians,  74. 

N. 

Natica,  47,  57,  252,  493,  494. 
hninea,  öo,  Ö4. 
,,       cadorica  223,   29S. 
comelicana,  298. 
longittscula,  71. 
maculosa,  60,  64. 
,,       plumbea,  68. 
,,       pusiuncula,  224. 
Naticella  costata,    43,    149,   192,  226,   299. 
Nautilus  Acis,  62. 

,,         Ampezzanus,  260. 
„         Breunneri,  204. 
crux,   36,  298. 
fugax,  36,   207. 
granuloso-striutus,  62. 
,,  Hoerndsi,  36,  298. 

,,  Klipstcini,  62, 

linearis,  62. 
,,  Palladii,  48. 

PichUri,  48,  321. 
ijuadrangulus ,  48. 
,,  cf,  Schlönbachi,  62. 

St'bcdinus,  36. 
Tintoretti,  48. 
„  Wulfeni,  68,  260. 

Nerinca  prisca,  68. 
Nerineenkalke,  tithonische,  94. 
Neubrags,   275. 
Neumarkt  im  Etschthal,   35. 
Neumayr,    16,    17,    78,    82,    85,    89,    93, 

96,  97,  285,  504. 
Neuropteris  cf.  elegans,  57. 

„  cf.    Gaillardoti,  57. 

„  rcmota,  69. 

cf  Kütimeveri,  57,  65.  244. 
Nierenthal-Schichten,   loi. 
Nordalpiner  Jura,  86  fg. 
Nordalpine  Kreide,  99  fg. 
Nordkalkalpen, '  ostrheinische,   100  fg. 
Norische  Stufe,  49  fg. 
Noritfs  ( Ammonites I   Caprilensis,  43. 

,,  „  Gofulola,  48. 

Nucula  cf.  Beyrichi,  207. 

„       sulcellata,  68. 
Nullipora  ramosissima^  464. 
Nummulitenkalke,  4 19,  459  fg. 
Nuvolau-Gruppe,  252  fg.,  312. 


Index. 


545 


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^5. 


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Oberalm-Schichten,  94. 

Oberbozen,   127,  138,  139. 

Obliteration  der  organischen  Structur  in 
den  Korallenriffen,  497  fg. 

Ochsenwaldbach  (Cipit),  167. 

Olc^stcphanus  ( Ammonites)   cj.  Heeri^    288. 

Oligocän,  462. 

Ombert,  Col,  365,  367. 

Ombretta-Pass,  353  fg. 

Oolithe,  rothe  .Gasteropoden-,  42;  des 
Lias,  88  fg. ;  der  Raibler  Schichten, 
67,  178,  des   Cassianer  Dolomits,  248, 

491,  503,  504,  509- 
Oppel,  5,   15,  16,  19,  95,  96. 

»  Oppelia  (Ajnmonites/  compsa,  287. 

„  Hoibctnif  287. 

,,  platyconchay  440. 

.,  Strom beck/y  287. 

d'Orbigny,  97. 

Orbitulitcs  circumvulvata  90. 

„  praeatrsor,  90. 

Orobias  Gürnbeli,  37. 

Orthis  5p.,  yj. 

„        ladina,  299. 

OrthoccraSy  39. 

Böckhi,  53. 

Campanile,  48. 

.,  eit'gans,  62. 

ellipticum^  62. 

.,  politum,  62. 

„  iriadicunty  204. 

Orthoklasporphyr,  373,  388. 

Orthurus  Siuri,  64. 

Orzes,  461. 

Ostalpen,    Begrenzung  und  Eigenthümlich- 

keiten,  3,  24,  25,  28,  30. 

Ostalpcn,  Entstehung  der,  524. 

Osterhorn  (Salzburg),  Profil  des,  74  fg. 

Ostrca  Montis  Caprilis,  68,  263,  265. 

Oten,  Val,  307. 

Otozamites,  90. 

P. 

Packycardia  Ilaueri,  66,  68,   178. 

rugosa,  55,  57,  156,  178,  238, 
281,  328. 

Padello,  Sasso  della,  432. 

Palaeogeographie ,    20;    pal.     Verhältnisse 
der  Alpen,  20  fg. 

Palaeozoische  Bildungen  der  Alpen,  Ver- 
breitung derselben,  21  fg. 

Palaeozoische  Bildungen,  ältere,  von  Süd- 
tirol, 118. 

Palissya  Massaiongt,  35. 

Paneveggio,  337  fg.,  397. 

Panopaea  decUvis    462. 
„  Gastaldii,  462. 

Pape,  Cima  di,  331. 
A  Parallelismus  der  geologischen  Entwicklung 
der  alten  und  neuen  Welt,  9. 

Mojsisovics,  Dolomitriffe. 


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Paresberg,  265. 
Partnach-Schichten,  79. 
Pascolet,  Monte,  454,    455.  451). 
Paul,   17,  27,  51. 
Pechsteinporphyr,   129. 
Pecopterh  gracilis,  58. 
„  triasica,  58. 

Picten  acttUaun'tus,  75. 
„       arcuatuSj  462.  4O4. 

deli'tus,  462.  464.  40 b. 
cf.  denudattis,  462. 
discites,  270,  275. 
cf.  Euthymi,  215. 
filosus,  68. 
Hatieri,  464. 
Hellity  68. 
„       cf.  inctequutriatus ,  270. 
„       parduluSy  36. 

praecursoKy  36,   298. 
tirolensjs,  36,  298, 
Peitlerkofel,  219  fg. 
Pelmo,  315  fg. 
PeitopU'urtts  splendens,  64. 
Penna,  Monte,  316. 
Pcntacrinus  propinquus,  63. 
Peravuda,  263. 
Perdiabach,   157. 

Peripherische  Lage    der   grossen    Dolomit- 
riffe, 482. 
Perisphinctes  (Ammonites/  cf.  Albertinus  440. 
„  „  acer,  287. 

„  »»  C/-    Championcttiy 

287. 
Perisphitutes  (Ammonites)  colubrimiSy  440. 
,.  ,.  cf.  colubrinuSy  287. 

cf.  contiguusy  440. 
cf  Geron ,  440. 
rcctefurcatuSy  287. 
cf  progeron,  287. 
Perledo,  Fisch-  und  Saurier-Schichten,  56. 
Permbildungen,  Verbreitung  in  den  Alpen, 

22,  Gliederung  ^^  fg. 
Permischer  Quarzporphyr,  ^y 
Permocarbonbildungen,  37. 
Pema  aviculaeformiSy  68,  265. 

„       Bouii,  68.  ^ 

Peron,  Monte,  442. 
Perrarolo,  446,  447,  451. 
St.  Peter  (Villnöss),   123. 
Peters,  71,  76,  530. 
Petrographie  der  Riffgesteine,  492. 
Peutelstein,  287. 
Pfunderer  Berg,  122. 
Pholadomya  trigonulay  461,  462. 
Pholidophams  Bronni,  64. 
,,  dorsaiiSy  72. 

furcatus,  72. 
latiuscttluSy  72. 
microUpidotuSy  64. 
pusiiius,  72. 
Phyllit,   117  fg. 

Phyllitgebirge,  329,  332,  340,  343,  399  fg. 
Phylloceras  (Ammonites) y  50,  99. 

35 


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546 


Index. 


PhvlUoceras (Ammonitcsj  Benaunse^z^'j ,^^\o. 

,.  ,.  cf,   Guettardi,    215. 

„  ,.  heierophyllum,  448. 

„  .,  isotypum,  287. 

„  , ,  mediterraneumy  287, 

440. 
Phylloceras  'Ammomtes;  Moretlianum ^  288. 

„  . .  Rmtyanum  .215,288. 

„  ..  poiy oleum,  440. 

„  ,,  ptychoicum,  287. 

,,  ..,  if.  ptychoicum, /^o. 

ptyckostomum,   287. 
Satyrus,  440. 

,,  „  semistriatuniy  288. 

,  cf.  silt'siacum ^  440. 

„  „  Thi'tis,  215. 

Phylogenetische    Reihen,    8,     14,    50;    als 
Kriterien   der  Altersverschiedenheit  der 
Zonen,   16. 
Phylogenetische  Lücken,  61,  69. 
Physiognomik  des  Gebirges,   108  fg. 
Piactdel,  Monte,  443,  445,  446. 
Pian  (Fassa),  189. 
Pian  de  Sass,  234,  235. 
Pian,  Monte,  300. 
Pichler,  A.,  120,   126,   134. 
Picosta,  Monte,  426. 
Pictet,  96. 

Pietra,  Castell  (Primiero),  341. 
Pielra  verde,  53,  318,  506. 
S.  Pietro  in  Tuba,  459,  460. 
Pinacoceras  (AmmoititcsJ  daonictim,  56. 

Pkilopater,  63. 
Pinna  Brochii,  462. 

„       reticularis ^  71. 
Pirona,  450. 

Pitschberg  (Gröden),   208. 
Pitschi,  Sasso  (Pordoi-Joch),  238,  362. 
Pitzberg  (Seisser  Alpe)   191. 
Pizzon,  Monte,  436. 
Plan  (Gröden),  S.  Plön. 
Piassenkalk,  94. 
Plateaubildung,  108. 
Plattkofel,    193,    194,   195,   197,  198,  199, 

201. 
PUurophortis  yacobi,  207. 
Plcurotomaria  InzitUy  71. 
Plicatula  intusstriata,  75. 
Pliocänzeit,  die  Alpen  in  der,  29. 
Plön  (Gröden),  205,  216,  228. 
Pomagagnon,  295. 

Ponte  nelP  Alpi,  450,  454,  455,  456,  469. 
Pordoi-Joch,  236  fg. 

Porphyrtufl'e  von  Kaltwasser  bei  Raibl,  484. 
Portland,  98. 
Posalz,  247. 
Posewitz,  315. 
Posidonomya  sp.,  54. 

alpina,  286. 

VVenginsis,  57,  155,  195,  219, 
245.  207. 
Postglaciale  Schuttkegel,  418,  470. 
Pourtal^s,  501,  502. 


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Pozza-Thal,  365,  366. 
Praecarbon-Bildungen,    Verbreitung  in  den 

Alpen,  22. 
Praeglaciale  Geröllablagerungen,  468. 
Prags,  s.  Brags. 
Predazzo,  379  fg..  397. 
Predazzit,  373. 
Prelongei,  245. 
Pr^vost,  4. 
Primärtuff,   157. 
Primiero,  340,  424,  430  fg. 
Primiero-Riff.  311,  323,  329  fg. 
Primolano,  425. 

Primordialfauna,     lo;     scheinbarer    Wider- 
spruch gegen  die  Descendenzlchre,    1 1 . 
Productus  sp.  (triadisch),  39,  57. 
cadoricus^  37,  223. 
cf.   Cora^  223. 
„         Stotterig  223. 
Profil  durch  das  Villnöss-Thal  -bei  Theiss, 

123. 
„    Villnöss-Thal  bei  St.  Peter , 

123. 
^    linke  Eisackgehänge  unter- 
halb Waidbruck,   129. 
„    Quarzporphyrgebirge,  süd- 
lich von  Bozen,  132. 
die   Pufelser  Schlucht,   148. 
das  Schiernriff  und  die  Seisser 
Alpe,   163. 
„    Schiernriff,   166. 
„    Cipiter      Schierngehänge, 
167. 
P     (schematisches)  durch  die  Uebei^ss- 

Schichtung,   169. 
„      durch  die  Rosszähne,   172. 
^      über  das  Tierser  Alpel,   175. 
„      durch  die  Schlemklamm,  176. 
„      über     den     Schiernrücken     an     der 

Rothen  Erde,  179. 
,,         „        das       Schiern  -  Rosengarten- 
Gebirge,  182. 
„       das  Udai-Thal  bei  Mazzin,  184. 
das      südliche      Rosengarten- 
Gebirge,  185. 
,,       die  Schichtenbeugung  vor  dem 

Plattkofel  194. 
„       die  Schichtenbeugung  vor  dem 

Langkofel,  196. 
„       den  Plattkofel,  198. 
„       die  Langkofelmasse,    von   X. 
nach  S.,  203. 
Profil    über    den  Sotschiada  nach  St.  Chri- 
stina, 209. 

die  Geissler-Spitzen  zum  Garde- 
nazza-Gebirge,  211. 
^       das  Gardenazza- Gebirge.   213. 
„       den  Schoatsch,  218. 
„       das  oberste  Villnöss,  221. 
„      des  Höhenrückens   zwischen  Campil 
und  Gaderthal,  222. 
„    Peitlerkofel-Riflfs,  225. 
„    Grünen  Flecks  bei  Plön,  228. 


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Index. 


547 


Profil 


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des  Hügels  auf  dem  Grödener  Joch, 

231.      , 
„    Plan  de  Sass  bei  Corvara,  234. 

über    das  Sella-Gebirge,  237. 

j,     das     Langkofel-Riff    und     das 

Sella- Gebirge,  241. 

„     die  Sett-Sass-Gruppe,  246. 

„     den    Rücken    zwischen    Gader- 

und  Rauh-Thal,  2Öö. 

„     den  Kühwiesenkopf  bei  Brags, 

271. 

„     den  üürrenstein  und  Sarnkofel, 

277. 

„     die  Sari- Alpe,  278. 

der  Croda  del  Becco,  288. 

von  Antruilles,  289. 

durch  das  Faniser  Hochgebirge,  292. 

der  Croda  Rossa,  293. 

der  Cristallo-Masse,  296. 

des  Sextener  Hochgebirges,  302. 

„    Anteiao  und  der  Sorapiss,    304. 

„    Monte  Rosiana,  306. 

„    Anteiao,  309. 

„    Camera-Riffes    und    der    Croda 

del  Lago.  314. 

der  Pelmo-Masse,  317. 

„    Civetta-Masse,  324. 

des  Monte  Framont,  326. 

der  Falle  di  San  Lucano,  332. 

„    Riffböschung  am  Monte  Campo 

Boaro,  334. 

des  Cavallazza,  338. 

„     Cimon  della     Pala,  339. 

von  Falcade  auf  die  Forca  Rossa,  347. 

jy    Fomo  di  Canale  nach  Sottoguda, 

349- 
des    Marmolata-Riffes,  357. 

vom  Pellegrin-Thal     über     die    Mar- 

molata,  359. 
vom  Pellegrin  -  Thal     bis    zur    Sella- 

Gruppe,  361. 
des    Sasso  di  Mezzodi,  363. 
„     Fuchiada-Gebirges,  369. 
der    Ricoletta-Spitze,  374. 
längs  durch  den   Monzoni-Stock,  376. 
quer  durch  den  Monzoni-Stock,  377. 
über  den  Fleimser  Eruptivstock,  381. 
über  das   Latemar-Gebirge    und   den 

Fleifüser  Eruptivstock,  386. 
vom  Monzoni  bis  zum  Monte  Tatoga, 

398. 
von  Bellamonte  zur  Alpe  Marande,402. 

der  Schrumspitze   zum  Torrente 

Maso,  404. 

Roncegno  zur  Cima  Dodici,  415. 

V^alpiana  auf  die  Cima  Dieci,  417. 

der  Prima  Luna  nach  Val  Tesino, 

421. 

Monte  Orenna  auf  die  A.  Agaro, 

422. 

Val  Sternozzena    auf  das   C.  di 

Campo,  423. 

Imer  nach  Fonzaso.  427. 


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Profil  von  Croce  d'Aune  nach  Vette  piccole, 

428. 
„       „     Col  d'Isciago  zum  Sasso  di  Mur, 

429. 
„       „     der   Cima  d'Ollio   nach    S.  Vit- 

tore,  431. 
„       „     Vallalta  zum  Col  del  Moi,  435. 
„       „     Val  Imperina  nach  S.  Leopoldo, 

437- 
„     des  Kiesstockes  von  Val  Imperina,  438. 

„  vom  Monte  Moscosin  nach  Belluno,  444. 
„  der  Verwerfungen  bei  Longarone,  447. 
„  des  Monte  Pascolet  bei  Sta.  Croce,  45b. 
„     von  Belluno  nach  der  venetianischen 

Ebene,  463. 
„     der    Tertiär-Schichten  bei  Serravalle, 
465. 
Provinzen  im  Allgemeinen,  6. 

des  Jura,  24,  78,  97. 
der  Kreide,  97. 
„  der  Trias,  3,  50. 

Psephoderma  alpinum,  72. 
Pterigopterus  aptis^  64. 
Pterophyllum  bm>ipenne^  69. 
Bronni^  65. 
giganteum  58,  65. 
„  Gümbeii,  69. 

Haidingeri,  69. 
Haueriy  69. 
Jafgcri,  58,  69. 
cf.  Jaegeri,  65. 
Lipoldi,  69. 
iunznise,  69. 
Meriani,  69. 
Pichleri,  69. 
,.  Riegeri,  69. 

.,  Sandbtrgeriy  65. 

Ptychites  i^AmmonitesJ ,  50. 

angustO'UmbiiicatuSy  53. 
domatus,  46,  321. 
DontiatiHSf  46,  321. 
fusomus,  48. 
gibbus,  48. 

Stttderi,    45,    46,    48, 
275'  276.  320. 
Ptychohpis  avus,  64. 

„  ratblensis,  64. 

Ptychostoma  pUurotomoide ,  264. 
Ptychostoma  Santa e  Cruds,   264. 
Puez-Alpe,  212  fg. 
Pufelser  Schlucht,   146,   147.   148  fg. 
Puflatsch,   14^,   145,   146,   152,   191. 
Puntscher-Kofel,   128,   129, 
Purbeck,  98. 
Purgametsch-Thal,   181. 
Pyruia  condita^  461. 

Q. 

Quarzphyllit,    401   fg.,    412,    414,    418,  s. 

a.  Phyllit. 
Quarzporpliyr-Conglomerate,  126,   129. 
n  Gänge,  403  fg. 

35* 


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548 


Index. 


Quarzporphyr-GeröUe  in  den  oberjurassischen 
Kalken  von  Trient,  528. 
permischer,  23^  124  fg. 
„  System,  Gliederung,   126. 

„  Tafel  der  Lagorai,  396  fg. 

^  Tuffe,  126  fg. 

Quecksilber,  432. 

R. 

Radein,  133. 

Radiolarien-Schlamm,   10. 

Radiolitcs  cornu  pastoris^   105. 

Radstädter-Tauem-Gebilde,  22. 

Ragazzoni,  407,  420. 

Raibl,  fischführender  Schiefer  von,  61, 62, 64. 

Raibler  Schichten,  45,  65  fg.,  504,  510. 

Ramsay,  37. 

Raschötz,  123,   126. 

Rath,  G.  vom,    345,    395,  399,   400,  403, 

405,  432,  439,  450- 
Ratzes,  139,   146,  153,   154. 

Rebrut,  Lago  di,  405. 

Recoaro,  45,  47,  48,  318,  519,  520. 

Redtenbacher,   loi. 

Reibungs-Conglomerate  und  Breccien,  120, 

126,  128,  150,  158,  370. 

Reibungswärme,  408. 

Reiflinger  Plattenkalk,  80. 

Reuss,  Ö4,  65,   120. 

Ritzia  irigonella,  47,  273. 

Reyer,  208,  228.  239,  295,  315,  355.  379, 

387,  405.  523.  524- 
Rhabdoccras,  50. 

Rhätische  Stufe,  72  fg. 
Rheinbucht,  23, 
Rheinlinie,  24,  26,  28. 
Rhynckondla  altaplecta,   273. 
Atta,  286. 
bilobata,  93,  411. 
BriseiSy  286. 
coarctata^  286. 
decurtata,  44,  47. 
ßabellum,  286. 
fissicostata,  75. 
cf.  Meneghiniiy  286. 
McntzeK,  44. 
sanipUcta^  60,  63. 
subrimosa,  75. 
tetractis,  253,   270,  273. 
„  toblachcnsis ^  276. 

v.  Richthofen,  23,  43,  61,  117,  118,  I20, 
121,  122,  123,  124,  125,  126,  128, 
129,  J30.  149,  151,  157,  161,  162, 
164,  210,  216,  226,  247,  250,  261, 
345,    364,    3Ö9,    371.    374,    379,  389, 

390,  39^  393,  494,  495,  5^2- 
Richthofen-Riff,  248  fg. 

Riffböschung,    167,    168,    170,    183,    197, 

210,  224,  225,  233,  234,  235,  236,  239, 

246,  282,  312,  313,  325,  326,  izi,  335, 

350,  351,  358,  3^5.  3ÖÖ,  486,  508. 
Riffe,  Rechtfertigung  der  Bezeichnung,  49$, 
496. 


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Riff- Facies  des  unteren  Muschelkalks,  4b; 
des  oberen  Muschelkalks,  47;  der 
Buchensteiner  Schichten,  54;  der  Wen- 
gener  Schichten,  55;  der  Cassianer 
Schichten,  64;  der  Raibler  Schichten, 
65,  66,  68;  des  Dachsteinkalks,  70. 

Riffsteine,  s.  Cipitkalk. 

Riffwall,  491. 

Riffzungen,  S.  Dolomitzungen. 

Ri'ssoa  alpina,  72. 

Ritten,   127,  128,  138,  139. 

Rocchetta-Masse,  312  fg. 

Rodella,  Col,  188,  189. 

Rodel wald.  223. 

Römer,  F.,  99. 

Roth.  38,  43- 

Röthi-Dolomit,  23,  36. 

Rolle,  529. 

Roncegno,  405. 

Ronch,  363. 

Rosengarten,  181  fg. 

Rosiana,  Monte,  302. 

Rossfelder  Schichten,  26,  99  fg.,  442. 

Rossi,  Cima  di,  238,  362. 

Rosszähne,   171  fg. 

Rothe  Erde  (Schlemrücken)   179. 

Rothe  Liasmergel,  448. 

Rothe  Neocommergel,  104,  288,  441,  442, 
448. 

Rothe  Sandsteine  und  Conglomerate  des 
Muschelkalks,  46. 

Rothe  Thone  der  Raibler  Schichten,  178. 
504,  510. 

Rothe  Wand  (Rosengarten),  185. 

Rother  Tiefseeschlamm,   10. 

Rothliegend,  33. 

Rotzo,  Schichten  von,  90, 

Rozes-Alpe,  260. 

Ruaz,  251. 

Rudisten,  99. 

Rudistenkalke,  105. 

Ruefenberg,  223. 


s. 


Säculare  Hebungen    und  Senkungen,    506, 

526,  527. 
Säulenförmige     Absonderung     des     Augit- 

porphyr,  152,   153. 
Sageceras  (AmmonitesJ ,  50. 

Walten,  56. 

„  „  Zsigmondyi,  53. 

Sagenopteris  Lipoldi,  57. 
Saltaria-Schlucht,  154,   156,   191,  195. 
Saiten,   127. 

Salzburgcr  Facies  der  rhätischen  Stufe,  75. 
Sandberger,  57. 

Sandstein  von  Belluno,   459,  460. 
Sari- Alpe,  276. 
Satteljoch,  384,  387. 
Scaglia,   103  fg.,  454. 
Schallphänomen  des  Monte  Tomatico,  452. 
Schauroth,  v.,  90. 


Index. 


549 


Scheerer,  345. 

Schenero,   Castello,  424,  429. 

Schenk,  65,  436. 

Schichten  der  Avicuia  cxilis  und  des  Turbo 

solitaritis,  69  fg. 
Schichtenfall  des  Tierser-Thales    127,     131, 

517;  des  Rosengarten,  1 8 1 — 183;  vor  der 

Langkofel-Masse,  193,  517. 
Schichtfugen,  zackige,    in  den  Riffen,  Iö8, 

229.  233.  239,  249,  509. 
Schilfsandstein,  67. 
Schimper.  35. 

Schio,  Tektonik  der  Gegend  von,  519. 
Schio-Schichten,  419,  460. 
Schizodus  cf.  truncaius,  36,  37.  298. 
Schizolepis  permensis,  34. 
Schizopteris  fasciculata,   var,  Zwickaviensis^ 

Schlammströme,  242,  243,  257,  264,  276, 

281,  295. 
Schiern,   160  fg. 

Schlerndolomii,  55,  96,   161,  484,  485. 
Schlemklamm,  174,  178. 
Schlemplateau,  177. 
Schlemplateau-Schichten,  67,   178. 
Schlemrücken,  180. 
Schlemspitze   180. 
Schlemzacken,   167. 
Schloenbach,  U.,  91,  93. 
Schloenbachia  fAmmomtesJ  inßata,  104. 

M  »  Roissyana,    103. 

Schlüter,  loi. 

Schneid,  auf  der,   159,   197. 
Schoatsch,  217,  fg. 
Schöpfungscentra,  6. 
Schrambach-Schichten,   100. 
Schrattenkalk,   102. 
Schuttkegel,  postglaciale.  418. 
Schwäbische  Facies  der  rhätischen  Stufe,  74. 
Schwager,   120. 
Schwatzer  Kalk,  23,  36. 
Schweizer  Centralmassen,  530. 
Schweizerische  Kalkalpen- Zone,  Fortsetzung 

der  ostalpinen  Flyschzone,  28. 
Schweizerische  Kreide-Entwicklung,  loi  fg. 
Scrope,  Poulett,  521. 
S.  Sebastiano,  Monte,  328,  445. 
Seeland-Thal.  281. 
Seewen-Schichten,  102. 
SeisserAlpe,    137,    141   fg.,    154  fg.,   191, 

19s.  197.  205- 
Seisser  Schichten,  43. 

Sella-Gebirgs- Gruppe,  227  fg. 

Sella-Joch,  202.  229,  230,  233. 

Sella,  Val  di  (Valsugana),  411   fg. 

Seile,  Le  (Monzoni),  370,  371. 

Sfmionotus  latus,  72. 

„  macroptcrus^  72. 

.,  stn'atus^  72. 

Senon-Kreide,   loi. 
Serravalle,  455,  457,  462  fg..  472. 
Sette  Communi,  411   fg.,  428,  518. 
Sett  Sass,  245,  246  fg. 


Sextener  Dolomit-Riflf,  296  fg. 

Thal,  297  fg. 
Siau,  503. 
Silurische  Bildungen,   Verbreitung    in    den 

Alpen,  21. 
Simoccras  (AmmoniteS'  Agrigentinum,    287. 

„  Volanense,  287,  440. 

Soccher,  469. 
Solen  caudatus,  68. 
Somma,  Monte  (Vesuv),  375. 
Soracrep,  2!^^. 
Sorafrena,   193. 
Sorapiss,  303  fg. 
Sorasass-Alpe,  208. 
Sordelli,  56. 

Sospirolo-Schichten,  89,  428,  440,  442. 
Sotschiada,  207  fg. 
Sottoguda,  351. 
Spatangenkalk,  102. 

Species,  Enge  Begrenzung  vom  chronologi- 
schen Standpunkt  erfordert,   16. 
SphaeruUtes  Ponsiana,   105. 
Sphettopteris  oxydata,  34- 
„  Suessi,   34. 

tndactyiites,  34. 
Spirifer  caduricus,  37,  299. 
„        Concors.  299. 
„         crux,  299. 
„         disscctus,  37,  299. 

Hauen,  37,  299. 
„        insanuSy  299. 

ladinus.  36,  223. 
megalotis,  36,  299. 
„         Sextensis,  37,  299. 
„         vuliur,  36,  207. 
Spiriferina  fragilis,  273. 

hirsuta,  44,  47. 
cf.  Kövcskalliensis,  270. 
Äfentzeh\  47,  54. 
cf.  Mentzeliy  253. 
paiaeotypus^  273. 
Spin'gera  Archimedis,  299. 
„  ftipartita,  299. 

„         confinaiis,  299. 
„         faba,  299. 
„         Jam'ceps,  37,  299. 
oxycolpos,  75. 
papilio,  299. 
peracuta,  299. 
Spitz,  Monte.  48. 
Spondylus  cf.  crassicosta,  464,  466. 

cisaipinus,  464.  466. 
S(iualodon  Catulli,  461. 
Stäche,    22,    36,   37,    117,   118,  207,    208, 

223,  298,  403. 
Starhemberger  Schichten,  75. 
Stauungsbriiche,  527. 
Steilwände  des  Dolomits,  486,  495. 
Steinhauser,  30. 
Steinmann.  498. 
Steinsalz,  133. 
Stencchelus  triasicus.  64. 
Stenonia  tuberculata,   104. 


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550 


Index. 


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f  ♦ 


Stephanoceras  'Ammonites/  BayUanwn,  93. 

BroccKii,  93. 

Humphrusianum, 

94,  440. 

Vindobonense^  94, 

440. 
Stoppani,   56.  57.  71,  73. 
Strada  tra  i  Sassi,  247,  261. 
Strandriffe,  s.  Küstenriffe. 
Stratigraphische     Forscliungen,     Ziel     und 

Methode  derselben,  3  fg. 
Streptorhytichus  Pichleri,  yj,  223. 

tirolensis,  37,  223. 
Stria,  Sasso  di,  247,   250. 
Strigno,  419,  420. 
Stromenden  des  (^uarzporphyrs,    122,  297, 

340.  342,  434. 
Stromenden  der  vicentinischen  Basaltdecken, 

460,  520,  521. 
Strophomena  sp,^  37. 

„  alpitMy  299. 

Structurverliältnisse  der  Riffe,  488. 
Studer,  B.,  139,  529. 
Stürzenbaum,  53. 
Stuorcs  (Ampezzo)  257. 

„        (St.  Cassian),  59,  245. 
Stur,  44,   57.  65,   68.  Ö9,  91,    149,   208, 

230,  243.  244,  245,  250,  253,  264. 
Stuva,  La,  287,  288. 
Südalpine  Kreide.   103  fg. 
Suess.  9,  20,  11,,  39,  05.  74,  93,  125,  127, 

289,    396,    420,  422,  498,    51 6,    521, 

524t  526,  531. 
V.  Sutner,   134,  214,  286. 
Syenit,  371,  372,  387,  403,  405. 
Syenitgänge.  371,  377,  388. 

T. 

Taeniopteris  jr/.,  58. 
Taramelli,  91,  450. 
TaxodiUs  saxoivmpiat,  47. 
Tektonik  der  Südalpen,  515,  fg. 
Tektonische  Verhältnisse  der  alpinen  Miltel- 

zone,,   119,  120, 
Terebratula  an^^usta^  47,  253,  272.  275. 

antiplecta,  94. 

Aspasia^  89,  285. 

Bilimeki^  287. 

diphya^  78,  95,  287,  441. 

diphyotdes,  215. 

^rtgaria,  74,   75. 

itidistituta^  63. 

piUa,  94. 

f\'ccfmnii\  285. 

pyriformis,  75. 

Renierii^  90. 

Rotzoana,  90,  4 1 1 . 

rtiSs^  285. 

securiformis^  286. 
,.  Taramellii^  285. 

triangulns^  287. 

vulgaris,  47,  253,  272.  275. 
Tergoler  Brücke,  128,   130. 


11 


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Terminologie,  chronologische,  18. 
Terra  Rossa,  504. 
Terrassendiluvium,  468. 
Tertiärbildungen,   107,  310. 
Tesino,  405,  424,  425,  426,  428. 
Tetrachda  Raihiana,  Ü4. 
Tetragonolepis  Bouii^  72. 
Theiss,  123. 
Theisser  Kögel,   123,   124. 

„        Mugeln  ( Achat mandeln),  124. 
Thinnfeldia  Rühthofeni^  58,  244. 
Thomson,  Wyville,   lo,  502,  503,  504. 
Thoracoptents  Niderristi^  64. 
Tiefen  des  Oceans,  10. 
Tierscr  Alpel,  172,   173,  175.   186. 
Tierser  Thal,   127,  130  fg.,  181. 
Tietze,  27,   103,  526. 
TiroUtes  (AnimoniUsJ  Casst'anus,  45,  226. 

da/matinus,  43. 
idnamts^  43, 
Muchianus^  43, 
Tithonische  Stufe,  94  fg. 
Torkele,   128,   130. 

Tofana,  257,  258,  283,  284,  290,  295. 
Tomatico,  Monte,  452,  453,  454. 
Tonalit,  407. 
Torf,  470. 

Torri  di  Avcrau,  253. 
Toula,  493. 
Trachyceras  fAmmonites'  atquinodosum^  60. 

altum,  244. 
„  antecedens^  44. 

Aon,   60,   öl,    63. 
488. 
Trachyceras  (Ammonites)  Aoncides,  60,  66. 

Archelans,  n,  zw, 
267,  328,  355, 
Trachyceras  fAmmonitesJ  Arpadis,  57. 

Avisianum,  379- 

halatonicum,  44, 46. 
„  „  cf.       balatonicum, 

275- 
Trachyceras  ^Atnmonites)  binodosum,  44,  45, 

46,  48,  27s.  321. 

Trachyceras  ^Amtnonitcs)  bipunctatum,  63. 

Böckhi,  53. 

Bragsense,/^b,  275. 

brez'icostatuniy  63. 

Brotheus,  63. 

Busiris,  60,  63. 

cadoricum^j^t,  32!. 

Carinihiacum,  355. 

Cordez<olicum  ,252. 
„  Corz'ariense ,      57, 

219,  244. 
Trachyceras  fAmmonitesJ  Cuccense,  47. 

Curioniiy  53,   150. 

dichotomum^  63. 

doleriticum ,       57. 

245,  328. 
Trachyceras  (Ammonites}  Epolense,  57,  244. 
,,  ,,  curvomphalum,  48. 

488,  489. 


11 


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1« 


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Index. 


551 


Trachyceras(AmmonitesJ  Fchö  Örsensf,  54. 

„  furcalum.  63. 

Golsensc,  275. 
Gosai'iensf^  48. 
GredUri,    57,   156. 
Hirschi^  63. 
.,  ,,         infundibiiiforme^b^. 

,,        judnani'UM,  57. 
,.  „         Imänum^    56,  219, 

244,261,267,328. 
Irackyceras  (Avtmonites)  laricum^  57. 

Liccanum^  43. 
Liepoldti^   54. 

•i  M  lofigobardicum^  56, 

244. 

Trachyceras  (AmmonitesJ  lA>retzi^    275,  321. 
.,  ,.  Mutuferiilac,    219, 

AW/wfl)^/,  57,245. 
Ottonis^  44,  46. 
</.   Ottonis^  275. 
pscudo  Archclaus,  57. 
«,  pustericum,  275. 

.,  Rccttbariinsc^  53. 

Rcgoledamim ^  57. 

</.  Keitzi^   150. 

Kctittenscy  48. 

Riccardi^  48,  488. 

Richt/to/cnt\  244. 

,.  Rüppeli,  63. 

,  ,,  Rtttoranum,     244, 

245. 

Trachyceras  (AmmonitesJ  Saulus,  63. 

Sesostris^  63. 

Szaboi^  57. 

Taramellii^  47. 

Thuilleri^  48. 

Zalaense,   53. 

Zezianum,  54. 

Zoldmnum,  46,275, 


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321. 

Transaqua,  432. 
Transgression  des  Dogger-Meeres,  92. 

„  der  mittleren  Kreide,  9,  100. 

„  der  fClaus-Schichten,  93. 

Trautwein,  474. 

Travernanzes,  Forcella  di,  260. 
Travemanzes-Thal,  283,  284. 
Tre  Sassi,  S.  Strada  tra  i  Sassi. 
Trias,  Kritik  des  Namens,  40. 
^       der  Bukowina,  51. 
„       Siebenbürgens,  51. 
der  Dobrudscha,  51. 
des  Bakonyer  Waldes,   51. 
„      des    westlichen    Südtirol     und     der 
Lombardei,  488,  489. 
Triasbildungen,  Verbreitung   in  den  Alpen 
23;   Uebersicht   und  Charakteristik  der 
alpinen,  39  ig.;  ausseralpine,  39,  40. 
Tnasfaunen,  alpine,  theoretische  Bedeutung 
derselben,    2;     Zusammensetzung    der- 
selben,  39  fg. 

Triasprovinzen,  3,  50. 


Iridacna,    70. 
Trigonia  Baisami ^   71. 

costata^  43. 

elongata^  68. 

Kefersteini,  66,  68,   178,  316. 
Irigonodus  superior^  71. 
Trinker,  120,   124,   125,  405. 
Trompia,  Val,  519,  528. 
Tropitcs  {AmmonitesJ^  50,  58. 

»'  ,,  subbullatus,  58. 

Trostburg,   129. 

Truden-Thal,   135, 
Trümmerlaven,   158. 
Tschafatsch,   175. 
Tschamin-Thal,   182. 
Tschanberg,   122. 
Tschermak,   121,   125,   157,  345. 
Tschisler  Alpe,  211. 
Turbo  rectecostatus,  43. 
Scgucttzae,  71. 

solitarius,  69,  70,  71,  180,  284,  413. 
Suessi^  68. 
subcoronahts ,  68. 
Taramellii^  71. 
Turbonilla  Montis  Cntcis^  298. 
Turmalingranit  von  Predazzo,  378,  385  fg. 
Turon-Stufe,    100,   10 1,   102,   105. 
TurriUlla  Archimcdis,  418. 
cf.  asperula^  462. 
gradata,  462,  464. 
lombardica^  71. 
rotifera,  462,  467,  468. 
Trompiana^  71. 


11 
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11 


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M 


u. 

S.  Ubaldo,  S.  S.  Leopoldo. 

Uebergang  des  Dolomits  in  den  Cipitkalk, 

J71,    172,    173,   231,    236,    238,    247, 

249.   316,    362. 
Uebergang   des  Dolomits  in  Buchensteiner 

Schichten,  191. 
Uebergreifen    der  DolomitrifTe,    202,    211 

240,  2Ö3,  268,  282,  300,  351,  362,  365.' 
Ueberguss-Schichtung,   168,   169,  184,  185, 

i86,    189,    197,    199,    201,    210,    226, 

233,   234,    235,   236,    238,    248,    313, 

326,   328,   332,    m^    335.    350,    356, 

362,   490,   491,    502,    503. 
Ueberschiebung   der  Schichten,    420,    424, 

425,  426,  441. 
Uebersetzung  der  Bruchlinien.  516. 
■Udai-Thal.   184,   187. 
Ulbnanfiia  ßronni,  35. 
„  Geinitzi^  34. 

St.  Ulrich,  207,  228. 
Umberto,  Colle,  472. 

V. 

Vacek,  90,  93,  396,  399,  403,  412,  418,  426, 

518,  520. 
Vajolett-Thal,   183,  186,  187. 
Vallalta,  340,  432  fg.,  518. 


552 


Index. 


»1 


Valles,  Passo  di,  335,  337. 
Valparola.  24Ö  fg. 
Valsorda  (bei  Tricnl),  493. 
Valsugana,  411   fg. 
Valsugana-Spalte,  s.  Bruchlinie. 
Varcnna,  Kalke  von,  56. 
Vedana,  474  fg. 
Venus  dubia  ^  462. 

intermedia  ^  462. 
islandicoides^  418,  467. 
,,       multilamella^  462. 
Verhältniss     der    Riffe    zu    den  Eruptions- 
stellen, 506  fg. 
Verhältniss  der  Riffe  zu  den  heteropischen 

Bildungen,  486  fg. 
Verrucano,  23,   iz- 

Verschiebung,  horizontale,  450,45 1 ,  455, 457. 
Verticale  Erstreckung  der  Dolomit- Riffe,  48 1 . 
Vertschin,  Col,  226. 
Verwerfungsbrüche,  515  fg.,  528. 
Vesuv,  375. 
Vezzan,  461. 
Vicentin,  Col,  450. 
Viezzena-Gebirge.  380  fg.,  383,  389. 
St.  Vigil.  265,  267  fg. 
Vigo  di  Fassa,   185,   187.^ 
Villa  di  Villa,  454. 
Villnösser  Bruchlinie,  S.  Bruchlinie. 
Villnöss-Thal,    118  fg.,   121   fg.,  220,  221. 
Vilser- Schichten,  94. 
Virgloria-Kalk,  79. 
S.  Vito  (Cadore),  308,  310. 
V^ola  praecursor^  3Ö. 
Voltzia   Agordictty  47,  436. 

Böckhiana^  34. 

Foetterlei^  56,  65. 

Hauen\  65. 

hungaHca,  34,  35. 

raiblensis^  65. 

Recubaricmis^  47,  436. 

J/.,  58. 
Voluta  appenniniea^  46 1,  4O2. 

Vulcanreihe,  triadischc,  der  Alpen,  525. 
Vulcanlektonik,  520  fg. 

w. 

Waagen,  96. 

Waagcnia  ^Amvionites)  hybonc/a,  441. 
Waidbruck,   128,   129. 
IVaiekia  filiciformis,  2tZ' 
piniformis,  n. 
W'aldheimia^  S.    Terebratula. 
Wallnöfer,   i^^%. 
Wallrifi'e,  501.  506  fg. 
Wandernde  Wiesen  und  Wälder,  242,  258. 
Wealden,  98. 

Wechselnde  Mächtigkeit    der  alpinen  Sedi- 
mente, 84. 
Weiss,  E.,  34. 
Welienkalk,  42,  43. 
Wengen,   2O4.  ^65.  267. 


»> 

M 


Wengener  Dolomit,   177,  484,  485,  490. 
Wengener  Schichten.  Charakteristik,  54  i'i., 

143. 
Werfener  Schichten,  Charakteristik,  42fg.45. 
Westalpen,     Begrenzung    und    Eigenllmm 

lichkeiten,  3,  24,  25,  28,   30. 
Wettersteinkalk,  9Ö,  512. 
Wiener  Sandstein,  S.  Flysch. 
Woltschacher  Kalk,   105. 

z. 

Zaccon,  Monte,  399,  400,  413. 
Zamites^  90. 

,,         /unzensis,  69. 
Zechstein,  37,  38. 

Zeitmass  der  palaeontologischen  Zonen,  ii> 
Zerreissungsbrüche,  528. 
Zersplitterung  der  Bruchlinien,  3iö. 
Zigno,  90,   103,  104,   105,  461. 
Zinnober,  434. 
Zirkel,  528. 
Zittel,  20,  26,  90,  96,   97,  214,  215,  2S5. 

286,  355. 
Zlambach-Schichtcn,  52. 
Zoldü,  Val  di,  31Ö  fg..  445. 
Zone  des   Trachyceras  .-tonoides,  S.  Raiblcr 
Schichten. 
„      der  Az'iaila    cxiiis    und    des    Turl 

solitarius,  69  fg. 
„        „    Avicula  eontarta,  72  fg. 
des  Aegoceras  plmtorbis^  8ö. 

„    Aegoceras  angulatum^  80. 
der  Arietiten,  86. 
.,      des  Amalthetis  margaritatiis,  80. 
,.        „    Simoceras  sdssum^  92,  93. 
„    Stephancceras  Sauzei^  93. 
„    Stephatioc.  Humphriesianum,  «)4- 
.,      der  Oppelia  fusca,  93. 

des  Stephanoceras  macrocephalum,  i)\ 
„    Peltoceras  transversarium^  95 
„    Aspidociras  acanthicum^    94,  05 
,,      der   Oppelia  tenuilobata^  95. 
des  Aspidoceras  Becken^  95. 
„    Perisphinetes  Eumeius^  98.     * 
.,      der   Oppelia  lithographica^  95. 
,,      des  Perisphinctes  transitorius^  95. 
„    Belemnites  latus ^  98,    100. 
„    Hippurites  comu-niccinum^    loi 
„    Micraster  coranguinum^   10 1. 
,,      der  Belemnitella  vtucronata^  loi,  i<>- 
Zoncngliederung  in  heterotopischen  Gebictcri. 
17;    in  heteroraesischen    Gebieten.    K^. 
Zonen,   palaeontologische,    15    fg.,    Dctm' 

tion,  ib,  als  Zeitmass,   16. 
Zonia.  Val,  253. 
Zuel,  rizzo,  320,  321. 
Zugmayer,  39,  74,  7Ö. 
Zusammenhang    zwhchcn    Gebirgsbau  on'' 

Vulcan-Vertheilung,  525  fg.,  532. 
Zwischcnkofcl.  214,  219,  509. 


To  avoid  fine,  this  book  should  be  retumed  on 
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