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Full text of "Die Entstehung der römischen Limesanlagen in Deutschland"

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DIE ENTSTEHUNG 



DER 



RÖMISCHEN LIMESANLAGEN 



IN 



DEUTSCHLAND. 



VORTRAG 

GEHALTEN VOR DER 46. VERSAMMLUNG DEUTSCHER PHILOLOGEN UND 
SCHULMÄNNER IN STRASSBURG AM 3. OKTOBER 1901 



VON 

ERNST FABRICIUS 

PROFESSOR A. D. UNIVERSITÄT FREIBURG L BR. 



■IT EINER TAFEL. 




TRIER.1 

VERLAGSBUCHHANDLUNG VON JACOB LINTZ. 

1902. 



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JJie Ergebnisse der Ausgrabungen, die das deutsche Reich seit 
dem Jahre 1892 durch die Limeskommission hat ausführen lassen, sind 
fortlaufend, wie sie gewonnen wurden, und mit einer Beschleunigung 
veröffentlicht worden, die bei Unternehmen dieser Art nicht häufig ist. 
Der Austausch der Meinungen über die vielen schwierigen Fragen, die 
sich während der Arbeit ergeben haben, wurde so kräftig angeregt. 
Aber auch manche Nachteile waren dabei unvermeidlich. Gar vieles 
hat sich im Laufe der fortschreitenden Untersuchung wesentlich anders 
gestaltet, als man anfangs glaubte, und der Eindruck, den die Veröffent- 
lichungen auf den Fernerstehenden machen, ist wohl kaum für die Sache 
nur durchaus günstig. Es könnte scheinen, als handele es sich bei der 
Limesforschung zumeist nur um Einzelheiten, die sich mit belangloser 
Abwechselung unendlich oft wiederholen, als erschöpfe sich das Interesse 
der Limesforscher an deren Feststellung und an der Vervollständigung 
der Limeslinien und Strassen, der Wachtstationen und Kastelle in dem 
Eartenbilde des römischen Germanien. 

Allein dem ist nicht so. Allerdings war der Reichtum an wert- 
vollen Funden und schönen Beobachtungen so gross, dass auch die Freude 
am Einzelnen sich wohl begreifen lässt, aber der Reiz der Limesforschung 
beruht doch vielmehr darauf, dass alles auf allgemeine historische Pro- 
bleme hinleitet. Wie sehr die Nächstbeteiligten den grossen geschicht- 
lichen Zusammenhang stets im Auge behalten haben, kann ich, der ich 
erst nach dem Abschlüsse der Hauptarbeit in ihre Reihen eingetreten 
bin und nun das Gewonnene teile, nicht dankbar genug rühmen. Und 
wenn ich der Aufforderung unseres Vorsitzenden folgend den Versuch 
mache, Ihnen in Kürze zu zeigen, wie sich die Entstehung des Limes 
im Zusammenhange mit der Geschichte der Römerherrschaft in Ober- 
germanien und Rätien nunmehr darstellt, so ist es das Verdienst der 
Männer, die alle die Jahre hindurch mit entsagungsvoller Hingabe sich 
den Aufgaben der Limeskommission gewidmet haben, dass dafür so 
manche neue, gesicherte historische Thatsache zu Gebote steht, während 
ich selbst für Auswahl und Deutung im Einzelnen und für das Wagnis 
der Zusammenfassung die Verantwortung trage. 



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— 4 — 

Die Ausgangspunkte für das Vordringen der Römer über den Rhein 
bilden in Obergermanien die drei Legionslager zu Mainz, Strassburg 
und Windisch. An der Mündung des Mains hatten sie den rechtsrheinischen 
Besitz der augusteischen Zeit nicht so vollständig wie am Niederrhein 
aufgegeben. Die Funde in der bürgerlichen Niederlassung zu Wiesbaden, 
von Höchst und von Hofheim, wo wir ein frühzeitiges Erdlager entdeckt 
haben, beweisen, dass die julisch-claudische Zeit hindurch und auch nach 
den Wirren des Dreikaiserjähres das Gebiet am Südabhange des Taunus 
bis zum Main und aufwärts bis zur Mündung der Nidda von den Römern 
festgehalten worden ist. 

Am Oberrhein dagegen und nördlich der Donau war, wie wir aus 
Xacitus wissen, das von den Germanen geräumte, grösstenteils ödliegende 
Land, dubiae possessionis solum, einzelnen Abenteurern aus Gallien zur 
Occupation um den Zehnten überlassen worden. 

Hier nun geschah in frühflavischer Zeit der erste Schritt zur 
dauernden Besitznahme der Landstriche jenseits der beiden Ströme. Von 
Strassburg und Windisch aus sind die Römer in das obere Neckargebiet 
vorgedrungen. Das Einzigthal bildete den einen natürlichen Zugang. 
Nach einem Offenburger Meilensteine ist die Strasse in Baetiam, deren 
Entfernungen ab Argentorate gezählt sind, bereits um das Jahr 74 
unter Vespasian erbaut worden. Die andere Operationslinie führte von 
Vindonissa über das Plateau zwischen dem Schwarzwald und der Rauhen 
Alb an der Donauquelle vorüber zu dem gleichen Ziel. Diese Strasse 
ist noch auf der Peutingerschen Tafel verzeichnet. Bei Rottweil trafen 
beide Linien zusammen, und das unregelmässig geformte Lager am 
Neckar, das hier unter den Flaviem bestand, an Grösse das Legions- 
lager von Camuntum fast um das Doppelte übertreffend, diente nach 
allem Anscheine den Legionen in jener frühen Zeit als aestiva. Der 
Name arae Flaviae aber bekundet die Bedeutung, die man der Stelle 
für die Entwickelung jener Gegend beilegte. 

Die Legionen haben damals so wenig, als später, ihre hiberna am 
linken Rheinufer dauernd verlassen, um an der Besetzung des neu- 
eroberten Gebietes teilzunehmen. Für die hierzu bestimmten Auxilien 
mussten also kleinere praesidi-a errichtet werden. In Waldmössingen, 
wo die von Argentorate kommende Strasse die Wasserscheide zwischen 
Einzig und Neckar überschreitet, und in Sulz unterhalb von Rottweil 
haben wir Gohortenkastelle aus dieser Periode festgestellt, während 
Limesanlagen hier so wenig als in der Maingegend gefunden werden 
konnten. Nicht anders war auch im nördlichen Britannien vor den 



— 5 — 

Feldzügen des Agricola der römische Besitz geschützt, paucis admodum 
castellis in ulteriora pramotis. 

Ähnlich wird man sich das ungefithr gleichzeitige Vorgehen der 
Römer auf der Nordseite der Donau denken, wo in dem grossen Kastell 
Heidenheim zwischen Faimingen und Aalen das gleiche frühzeitige Thon- 
geschirr, wie in Waldmössingen und Sulz gefunden worden ist. 

Während nun die weitere Entwickelung hier im Süden noch der 
Aufklärung bedarf, steht es fest, dass die Erweiterung der römischen 
Herrschaft vom unteren Main aus im Jahre 83 durch den Chattenkrieg 
Domitians herbeigeführt wurde. Die römische Überlieferung stellt diesen 
Feldzug als ein rühm- und erfolgloses Unternehmen hin. Nach unseren 
Funden war er der zweite, der entscheidende Schritt zur Eroberung 
der rechtsrheinischen Lande. 

Der Hauptstützpunkt am Main wurde bis in die Gegend von 
Hanau vorgeschoben, wo zu Kesselstadt das grösste aller regelmässig 
angelegten Kastelle des gesammten Limesgebietes entdeckt worden ist. 
In der reichen Ebene der Wetter und Nidda nördlich von Frankfurt 
entstanden neben Wiesbaden und Hof heim die Hauptkastelle Heddernheim, 
Okarben und Friedberg. Gleichartige quadratische Form und über- 
einstimmende Funde, namentlich von Ziegeln aus den Ziegeleien zu Nied 
bei Höchst mit den Stempeln der allein zu Domitians Chattenkrieg hier 
vereinigten Legionen beweisen, dass diese Lager eben damals angelegt, 
oder wie es bei Friedberg anzunehmen ist, an der Stelle ehemaliger 
praesidia der augusteischen Zeit erneuert worden sind. Von diesen 
Kastellen aus wurden die Truppen strahlenförmig bis über die Kamm- 
höhe des Taunus hinaus und an den Fuss des Vogelsbergs vorgeschoben 
und hier mit der Anlage des Limes begonnen. Unsere Funde gestatten 
einigermassen, ein Bild des Verfahrens zu entwerfen. 

Im Lauf der vielleicht nach bereits bestehenden Völkerschafts- 
oder Gaugrenzen projektierten Linie wurden kleine Verschanzungen an- 
gelegt, die, unregelmässig geformt und augenscheinlich nur für vorüber- 
gehende Zwecke bestimmt, die impedimenta der am Limesbau beschäf- 
tigten oder zur Deckung der Arbeiten kommandierten Mannschaften 
aufgenommen haben mögen. Alsdann wurde der eigentliche limes, 
der Grenzweg, unter sorgfältiger Berücksichtigung des Geländes zumeist 
über die Höhen oder die äusseren Abhänge des Gebirges hinweg gelegt. 
Seine Trace ist daher oft gewunden und geknickt. An den Punkten, 
die zugleich für den Ausblick in das Vorland und wenn möglich für 



— 6 — 

den Signaldienst nach den Kastellen im Rücken geeignet waren, errichtete 
man die Wachttürme, einfache quadratische Holzbauten, deren Eckpfosten 
tief in den Boden versenkt wurdem Man umgab sie mit breiten und 
tiefen Spitzgräben und erhöhte nicht selten mit der ausgehobenen Erde 
die Fläche in der Mitte, wo die Turmpfosten standen. In diesen Hügeln 
glaubte einer unserer ausgezeichnetsten Mitarbeiter allerdings nur eigen- 
artig konstruierte Grenzmale zu erblicken. Bei den weiteren Ausgrabungen 
hat es sich indes gezeigt, dass diese Anlagen häufig durch Feuer zerstört 
waren, und in dem massenhaften Brandschutt fanden sich so viele Überreste 
von Gebrauchsgegenständen, namentlich von irdenem Geschirr, zuweilen 
centnerschwere Mengen, dass man wohl über die Höhe und Konstruktion 
des Oberbaues, aber nicht über den Zweck der Gebäude füglich in 
Zweifel sein kann. Diese Holztürme erhielten oft einen massiven Sockel 
aus verschränktem Balkenwerk, das im Innern mit Lehm oder Kies 
ausgefüllt, aussen aber mit Steinen ausgemauert war, genau in der Weise, 
wie es Caesar als charakteristisch für den Festungsbau der Gallier 
beschreibt. Endlich wurden die Türme mit Zaunwerk oder Palissaden, 
die man gern in die tiefen Ringgräben selbst setzte, umgeben. 

Zugleich mit der Errichtung der Türme muss die Herstellung der 
kleinen Grenzkastelle begonnen worden sein, die hinfort als geschützte 
Standquartiere für die zum Wachtdienst bestimmten Mannschaften dienen 
sollten. Sie erhielten die rechteckige Form des Lagers, wurden mit 
Spitzgräben und einem vallum aus Holz und Erde umgeben, und die 
Dienstgebäude im Innern hat man gleichfalls aus vergänglichem Material 
erbaut, wie auch die Mannschaft in leichten Baracken oder in über- 
dachten Gruben untergebracht wurde. Von späteren Steinbauten bedeckt, 
haben sich solche Erdkastelle auf der Saalburg, der Capersburg, am 
Feldberg und auf dem Zugmantel nachweisen lassen, andere sind auf- 
gegeben und bereits von den Römern selbst eingeebnet worden; es ist 
anzunehmen, dass noch viele dieser frühesten Werke unter späteren 
Bauten oder unter Waldboden und Ackerland verborgen liegen. 

Wie die Stationen unter einander durch den Limes verbunden 
waren, so war jede für sich durch gebahnte Wege an die Hauptkastelle 
im Hinterland angeschlossen, die ihrerseits an den von Mainz ausgehen- 
den grossen Militärstrassen lagen. Man kann sich danach leicht vor- 
stellen, wie der Dienst organisiert war: In Moguntiacum die Legion 
als Hauptmacht für den Kriegsfall, bei dem alles auf rasche und 
energische Offensive ankam, jenseits des Rheines in den zurückgelegenen 
grossen Kastellen die Auxiliarcohorten und Alen, und oben in den Grenz- 




— 7 — 

kastellen vorgeschobene AbteiluDgen der Anxilien, die, den Feldwachen 
vergleichbar, den Wachtdienst am Limes selbst besorgten. 

Das ganze reiche Strassen- und Wegenetz aber haben die Römer 
nicht durchaus neu angelegt, sondern vielfach konnten ältere, nach den 
an ihnen gelegenen prähistorischen Gräbern zu schliessen, sogar sehr 
alte Wege dabei benutzt werden, wie denn auch die kleinen Grenz- 
kastelle zumeist an deren Ereuzungsstellen mit dem Limes gelegen sind, 
sichtlich bestimmt, den auf diese Punkte beschränkten Genzverkehr zu 
überwachen. Denn schon in dieser frühen Zeit scheint sich das Bedürf- 
nis nach einer zusammenhängenden mechanischen Absperrung der Grenze 
in einzelnen Gegenden herausgestellt zu haben. An dem ältesten Limes 
in der Wetterau haben sich nämlich deutliche Reste von einem ein- 
fachen Flechtwerkzaun gefunden, der, militärisch ohne Bedeutung, nur 
dazu bestimmt gewesen sein kann, dem Einzelnen das Überschreiten 
der Grenze an unbewachter Stelle zu wehren. Das ganze System ist 
einfach und klar. 

Die Zusammengehörigkeit aller dieser Anlagen wird zudem durch 
Einzelfunde bewiesen. In den unregelmässigen Verschanzungen sind es 
Gegenstände aus dem Anfange, in den Wachttürmen und Lagern zu- 
meist solche aus dem Ende der Periode, in der diese Organisation be- 
standen hat: von der domitianischen Zeit nämlich bis in die Zeit 
Hadrians. 

In der Wetterau und zwischen Ems und dem Hochtaunus zeigen 
fast sämtliche Holztürme, die wir ausgegraben haben, deutliche Spuren 
gewaltsamer Zerstörung, so dass die Annahme zufä^lliger Ereignisse 
und kleiner Grenzverletzungen zur Erklärung nicht ausreicht. Nach 
der Überlieferung ist aber nur ein Mal in der in Betracht kommenden 
Periode das rechtsrheinische Gebiet in der Gewalt der Germanen 
gewesen, im Winter 88 auf 89 bei dem Aufstande des Antonius 
Saturninus. Wenn damals die Chatten nur durch den Eisgang auf 
dem Rhein davon abgehalten wurden, den Strom zu überschreiten, so 
werden sie die domitianischen Limesbauten nicht verschont haben. Eine 
Bestätigung dieser Vermutung über Zeit und Anlass der weitgehenden 
Zerstörungen an der Grenze ergibt sich aus der Thatsache, dass auch 
das domitianische Kastell Okarben Spuren frühzeitiger Zerstörung und 
Wiederherstellung zeigt. Jene Strecken müssten also zwischen den 
Jahren 83 und 88 angelegt worden sein, während die entsprechenden 
Bauten im Hochtaunus, an denen die Spuren gewaltsamer Zerstörung 
fehlen, eben im Jahre 88 noch nicht ausgeführt waren. An Stelle der 



— 8 — 

niedergebrannten Wachttürme aber entstanden nach der Unterdrückung 
des Aufstandes neue, zum Teil grössere Bauwerke gleicher Art. 

An diese ersten Limesanlagen im Taunus und in der Wetterau 
schloss sich im Norden die Einbeziehung des Neuwieder Beckens und 
der Abhänge des Westerwaldes, die nach den Einzelfunden gleichfalls 
in domitianischer, spätestens frühtraianischer Zeit erfolgt ist. Auch 
hier im alten übierlande fanden die Römer ein reiches Wegenetz vor. 
Die Hauptkastelle am Rhein, Heddesdorf bei Neuwied, Bendorf an der 
Mündung des Saynbaches und Niederberg bei Ehrenbreitstein, beherrschen 
die grossen Verkehrswege, die an die Thäler der Wied, der Sayn und 
der Lahn sich anlehnend aus dem Innern Deutschlands nach dem 
Rheinthale führten. Der Limes selbst aber folgte den Höhenwegen, 
die, begleitet von zahllosen Hügelgräbern, dem Strome annähernd 
parallel von Thal zu Thal über das Gebirge zogen, und die Wacht- 
türme liegen zumeist an den Stellen, wo alte Zugänge aus dem Rhein- 
thal den Höhenweg erreichten oder kreuzten. 

Aber auch nach Süden musste das neuoccupierte Land mit dem 
römischen Gebiet am Neckar und mit Rätien in Verbindung gebracht 
werden. Zu diesem Zweck wurde das linke Mainufer südlich von 
Kesselstadt besetzt, und von Wörth aus ein Limes über den Odenwald 
hinweg bis zur Mündung der Jagst nach dem Neckar gezogen. Weiter 
aufwärts bildet der Fluss dann wieder die Grenze, und zwischen 
Benningen und Cannstadt wird der Limes ostwärts abgezweigt haben, 
der die Verbindung mit der Nordgrenze Rätiens herstellte. Hier zeigen 
unsere Arbeiten wieder eine empfindliche Lücke : diese Verbindung auf- 
zufinden, ist bisher nicht gelungen. 

Um so reicher waren die Funde im Odenwald. Noch in diesem 
Sommer ist bei Seckmauern zwischen Wörth und Lützelbach ein 
Erdkastell aus dieser ersten Periode entdeckt worden. Dieser Fund, 
die Xfacierung der Linie nach dem Gelände, der Grenzweg, die Bau- 
art der Wachttürme aUernis trahibus ac saxis, ihre tiefen Ringgräben, 
alles gleicht so sehr den entsprechenden Anlagen nördlich vom Main, 
dass an der annähernd gleichzeitigen Entstehung nicht zu zweifeln ist, 
und die Erzeugnisse der Keramik reichen bis in den Ausgang des 
1 . Jahrhunderts hinauf. Alles bestätigt somit die Angabe . der Germania 
über die damals vor Kurzem vollzogene Umwandlung des Dekumaten- 
landes in Provinzialgebiet. Die Verlegung der praesidia und der 
Bau des Limes, von denen Tacitus spricht, fallen folglich kurz vor 
d$i$ J9.br 98. 



— 9 — 

Nur in einer Hinsicht weichen die Anlagen hier an der Oden- 
wald-Neckarlinie von den domitianischen nördlich vom Maine ab: die 
Cohortenkastelle liegen nicht bloss da, wo der Fluss die Grenze bildet, 
sondern auch im Odenwalde mindestens zum Teil (Oberscheidenthal, 
Neckarburken) unmittelbar am Limes. Nur am Nordende der Oden- 
waldlinie, wo es bisher noch nicht gelungen ist, das Cohortenkastell 
zu finden, könnte die Haupttruppe weiter zurück im Mümlingthal 
(Amheiter Hof?) gestanden haben. Die auffallende Erscheinung lässt 
sich vielleicht durch die auch an sich wahrscheinliche Annahme erklären, 
dass hier das Hinterland des Limes am Ende des ersten Jahrhunderts 
noch unbewohnt und unzugänglich war. 

Denn die Entwickelung des Binnenlandes südlich vom Main, die 
das Bestehen gesicherter Grenzen zur Voraussetzung hat, gehört erst 
dem Anfange des zweiten Jahrhunderts an. Zwar die Kastelle Gross- 
Gerau und Neuenheim, aus denen wir Ziegel mit den Stempeln der 
zum Chattenkriege Domitians vereinigten Legionen haben, sind gewiss 
gleichzeitig mit den Cohortenlagern in der Wetterau entstanden. Aber 
die Strasse von Mainz über Lopodunum nach Offenburg ist nach einem 
Meilensteine von Bühl erst im Jahre 100 erbaut worden. Und der 
Name der civüas ülpia Suehorum Nicretum, deren Vorort Lopodunum 
gewesen ist, zeigt, dass die bürgerlichen Niederlassungen hier unter der 
Fürsorge Traians politisch organisiert worden sind. Das Legionslager 
von Vindonissa dagegen wurde nunmehr aufgehoben. In der Luftlinie 
gemessen, sind von Windisch bis zu der jetzt so weit hinausgeschobenen 
Grenze 180 km. 

Auch in Rätien wird spätestens unter Traian der Abschluss der 
Grenze durchgeführt worden sein. Die Kastelle Weissenburg und Pfünz 
haben unter diesem Kaiser, wenn auch vielleicht nur als Erdwerke, 
bestanden. Sie liegen an einer Strasse, die, trefflich erhalten, sich 
westlich bis Theilenhofen, östlich über Kösching und Pförring bis zum 
Donauübergange bei Eining verfolgen lässt. Der Limes hält sich von 
diesen Kastellen in dem durch die Organisation des Grenzdienstes be- 
dingten Abstände, und sein Bestehen in der ersten Zeit Hadrians ist 
überdies durch die Reste der datierbaren Grenzsperre gesichert. 

In der Vita wird nämlich zum Aufenthalte dieses Kaisers in Tarraco 
im Winter 122 auf 123 berichtet, dass Hadrian damals und sonst 
häufig in vielen Gegenden, wo die Barbaren nicht durch Flussläufe, 
sondern durch Limites vom Reiche geschieden worden seien, sie habe 
durch Palissaden ausschliesgen lassen: st^üms magnis ^durch grosse 



■/ 



— 10 — 

PMle^, in modum murälis saepis fundUus iactis atque ccnnexis „die 
wie eine mauerartige Schranke tief in den Boden gesetzt n&d unter- 
einander verbanden waren." Man hatte längst angenommen, dass diese 
Nachricht sich besonders auch auf Obergermanien und Eätien beziehe, 
wo Hadrian wahrscheinlich im Jahre 121 verweilt hat, als bei unseren 
Ausgrabungen die Reste der Palissaden, zuerst in Bayern, später am 
ganzen rätischen und obergermanischen Limes gefunden wurden. Die 
tief in den Boden eingelassenen, oben abgefaulten Pfähle, zuweilen mit 
schwalbenschwanzförmigen Einschnitten für verbindende Querhölzer, sind 
begreiflicherweise allerdings nur in feuchten Wiesen erhalten, immer aber 
findet sich ein etwa metertiefes Gräbchen vor, in dem die Pfä^hle auf- 
gereiht waren. Da nun dieses Gräbchen oft nur die zusammengesunkenen 
Steine enthält, mit denen die Pfähle verkeilt waren, so ist es begreiflich, 
dass man sich über Bedeutung und Zweck der Anlage anfangs täuschen 
und an eine Absteinung der römischen Grenze denken konnte. Seitdem 
wir aber auf der rheinischen Strecke, im Odenwald, in der Wetterau, 
auch im Hochtaunus z. B. gleich hinter der Saalburg, sowie am ganzen 
rätischen Limes, überall, an hundert und aberhundert Stellen, die un- 
verkennbaren Reste des in Eohle übergegangenen Holzes festgestellt 
haben, ist über den Zweck des Grenzgräbchens jeder Zweifel ausge- 
schlossen. Nach meiner Überzeugung giebt es am Limes überhaupt 
keine römische Grenzabsteinung, und ich glaube bestimmt, dass auch 
der geistreiche Urheber der Absteinungstheorie, wie bereits alle andern 
selbständigen Mitarbeiter, die sich ihm anfangs angeschlossen hatten, zu 
der Überzeugung gelangen wird, dass unsere Funde lediglich die Über- 
lieferung des grossen hadrianischen Palissadenbaues bestätigen. Der 
obergermanische und der rätische Limes mit seiner hohen Pfahlmauer 
und den hinter ihr gelegenen gleichfalls verpalissadierten Wachttürmen 
bot nunmehr ein Bild, wie es am Anfange des Relief bandes der Marcus- 
Säule dargestellt ist, dort als ein Stück gleichartiger Anlagen an der 
mittleren Donau. Die Darstellung auf der Marcus-Säule starrt förmlich 
von Pfä^hlen und Palissaden, gerade wie unsere Limesberichte von Pfosten- 
löchern und Gräbchen. 

Annähernd gleichzeitig mit der Ausführung der hölzernen Grenz- 
sperre wurden noch andere für die Geschichte des Limes bedeutungsvolle 
Neuerungen vollzogen, die ebenfalls auf die Anordnungen Hadrians um 
so mehr zurückgeführt werden dürfen, als es bezeugt ist, dass die Grenz- 
verteidigung im ganzen Reiche von ihm neuorganisiert wurde. 

Mit den in oft gekrümmter Linie nach dem Gdände tracierten 



k 



— 11 — 

strecken der domitianischen Zeit fällt in der Wetterau der in grossen 
gradlinigen Abschnitten geführte Limeszug annähernd zusammen, der, fast 
ohne Kücksicht auf das Gelände angelegt, häufig an überhöhender Berg- 
lehne entlang oder durch tiefe Schluchten hindurchführt. Da die Pa- 
lissaden an diesen gradlinigen Strecken angebracht waren, während sie 
an jenen zumeist fehlten, so muss die Umlegung des Limes hier in 
der Zeit Hadrians begonnen worden sein. Möglichste Abkürzung der 
Entfernungen und Erleichterung des Signaldienstes längs der Grenze 
selbst wurden also jetzt der Sicherheit im militärischen Sinne, dem 
Ausblick in das Vorgelände und einer raschen Signalverbindung nach 
dem Binnenlande vorgezogen. Es ist ein Systemwechsel in der Anlage 
des Limes, der nur mit einer Neuorganisation des Grenzdienstes in 
Zusammenhang stehen kann. In der That lässt dieser Zusammenhang 
sich noch deutlich wahrnehmen. 

Bei der Sichtung der Funde hat sich herausgestellt, dass die weit 
zurückgelegenen domitianischen Kastelle in der Wetterau nur bis in die 
Zeit Hadrians bestanden haben. Die Gehörten müssen damals an die 
Grenze selbst vorgeschoben worden sein, wo nunmehr an Stelle der alten 
Erdwerke bedeutend grössere Kastelle in Steinbau ausgeführt wurden. 
Nur die Lagerdörfer, die sich in der Nachbarschaft der alten Präsidien 
gebildet hatten, blieben bestehen, und einige von ihnen entwickelten 
sich, wie man es am besten in Heddemheim beobachten kann, zu 
grossen bürgerlichen Niederlassungen. 

Während in dem Zusammenhalten der Haupttruppen in den zurück- 
gelegenen Kastellen sich ein bekanntes Gesetz der Strategie und damit 
für die erste Periode die Rücksichtnahme auf den Krieg bekundet, so 
verräth das Hinausverlegen der ganzen Gehörten in die viele Meilen 
lange ehemalige Yorpostenstellung unmittelbar am Limes, dass die ad- 
ministrativen Zwecke jetzt das militärische Interesse vollkommen verdrängt 
hatten. Die Neuorganisation scheint mir ein beredtes Zeugnis für den 
friedlichen Zustand zu sein, der unter Hadrian an der Reichsgrenze 
bestanden hat. 

Auch am Nordende des Limes, wo das Kastell Bendorf aufgegeben 
wurde, und in Rätien, wo das weit zurückgelegene Kastell Heidenheim 
geräumt worden ist, während am Limes selbst die Kastelle Buch, Ruffen- 
hofen und Dambach jetzt entstanden sein mögen, ist die Durchführung 
des Hadrianischen Systems wenigstens angebahnt worden. An der Oden- 
wald-Neckarlinie dagegen, wo die Gehörten so wie so unmittelbar an 
der Grenze standen, hat man im Anfange der Regierung des Antoninas 



— 12 — 

Pius noch eifrig an dem Ausbau der älteren Limeslinie gearbeitet. 
Dann aber wurde auch hier die Verlegung des Limes beschlossen, und 
dabei zeigt es sich besonders deutlich, dass nicht die militärischen, sondern 
administrative Gründe, Gründe der inneren Keichspolitik, massgebend 
gewesen sind. 

Ungefähr gleichzeitig nämlich mit den Kämpfen in Britannien, die 
nach dem Jahre 142 zur Anlage des Antoninuswalles zwischen Edinburg 
und Glasgow führten, summotis harbaris, wie es in der Überlieferung 
heisst, treten am obergermanischen Limes, namentlich südlich vom Main, 
in überraschend grosser Zahl Brittonen auf. Diese Brittonen waren, 
wie man an ihrer Formation nach numeri mit verschiedenen, ihren 
Standorten in Deutschland entlehnten Beinamen ersieht, britannische 
dedUicii, die die Römer in Mengen nach Obergermanien verpflanzt 
haben, um sie hier in den dünn bevölkerten Gebieten am Limes unter- 
zubringen — wir könnten mit einem Taciteischen Ausdruck sagen : non 
ut arcerentf sed ut custodirentur. 

Zu Neckarburken am Ufer der Elz musste der numerm Brittonum 
Elantiensium sein Kastell 200 m vor der Front des dreimal so grossen 
Lagers der Cohors III AquUanorum erbauen, und wie die Mannschaften 
beschäftigt wurden, lehren noch jetzt die mit augenfälligem Luxus er- 
bauten Steintürme des Odenwaldlimes, von denen wir eine Reihe gleich- 
lautender Bauinschriften der Brittones Triputienses aus den Jahren 145 
und 146 besitzen. 

Aber die inschriftlichen Zeugnisse für die Anwesenheit der eigent- 
lichen Auxiliarcohorten an der Odenwald-Neckarlinie reichen nur wenig 
über dieses Jahr hinaus. Nach dem Jahre 148, indes noch unter 
der Regierung des Antoninus Pius sind die Truppen aus den Gehörten - 
lagern, wo im Gegensatz zu den Kastellen der Brittonen nur früh- 
zeitige Funde gemacht werden, verlegt worden. Es geschah durch 
Errichtung eines neuen Limes, der annähernd parallel zur Odenwald- 
Neckarlinie von Miltenberg am Main über Walldürn nach Welzheim 
führt. Längs dieser Linie finden wir von nun an dieselben Gehörten, 
die zuvor in den entsprechenden Neckarkastellen gelegen, hatten, wäh- 
rend die 'Brittonen an der alten Linie blieben, auch so noch genügend 
durch die übrigen Truppen in Schach gehalten. Als Limes wurde die 
innere Linie aber aufgegeben, und zu beiden Seiten entstanden kleine 
Bauernhäuser, die sich durch ihre einfache Bauart von den übrigen 
villae rtisticae im ehemaligen Decumatenlande auffällig unterscheiden. 
Als Insassen werden wir^uns angesiedelte Brittonen denken dürfen. 



— 13 — 

Der neue Limes aber zeigt das unter Hadrian eingeführte System 
in voller Ausbildung: zwischen Walldürn und dem Haghofe bei Welz- 
heim ist die Palissadenlinie 80 km weit mit brutaler Verachtung des 
Geländes kerzengrade über Berg und Thal gezogen, und die Kastelle 
liegen sämtlich unmittelbar an der Grenze. Am Haghofe mündet der 
neue Limes aber in die ältere Grenzlinie wieder ein. Denn südlich von 
diesem Punkte bis über Lorch und Gmünd hinaus ist der Limes in der 
für die domitianisch-traianische Zeit charakteristischen Weise angelegt. 

Die Provinz Germania superior hatte so bald nach dem Jahre 
150 ihre grösste Ausdehnung erlangt. Auch in Rätien sind erheb- 
liche Verschiebungen am Limes nicht mehr vorgekommen. Wie die 
Wachttürme zwischen Miltenberg und Welzheim von vornherein in 
Steinbau ausgeführt worden waren, so wurden anderwärts die Holztürme, 
wo es nicht schon vorher geschehen war, durch Steintürme ersetzt. An 
den aufgegebenen Linien geschah es natürlich nicht, und dies wird der 
Grund sein, warum die ehemalige Verbindung der Neckarlinie mit dem 
rätischen Limes zwischen Benningen oder Cannstadt und dem Haghof 
bei Welzheim bisher nicht gefunden werden konnte. Die älteren An- 
lagen waren zur Zeit der Verlegung des Limes hier offenbar noch nicht, 
wie von den Brittonen im Odenwald, durch Steinbauten ersetzt worden, 
und die Spuren der Holztürme und Palissaden sind verwischt. Auch 
CJohortenkastelle wurden unter Pius mit massiven Mauern und Thoren 
versehen, — das lehrt z. B. die Inschrift von der porta prindpalis 
sinistra in Pfünz — , wie wir denn überhaupt nur ein grösseres Erd- 
kastell, Marienfels in Nassau, kennen, das nach der Ansicht des Ent- 
deckers bis in das 3. Jahrhundert besetzt war. 

In Zeiten der Ruhe hat gewiss der Zufall in diesen Dingen eine 
grosse Rolle gespielt. Wo eben die alten Holztürme, die hölzernen 
valli und die muri caespiticii der Lager in Verfall geraten waren, 
wurden sie durch Steinbauten ersetzt. Aber als mit den Marcomanen- 
kriegen eine Zeit der Unsicherheit auch für Rätien und Obergermanien 
begann, mehren sich wieder am Limes die Zeugnisse gesteigerter 
Bauthätigkeit. 

Für die Verteidigung der Grenze gegen feindliche Heeresmassen 
bot freilich die 550 km lange Holzpalissade keinen Vorteil, waren die 
1000 und mehr Wachtürme, die 100 grossen und kleinen Kastelle 
ohne Wert, war die Verzettelung der Truppen in eine Cordonstellung 
von so ungeheuerer Ausdehnung so ungünstig als möglich. Man hätte 
zurückkehren müssen zum domitianischen System. In der That lehrt 



— 14 — 

die Errichtung der legio III Italica zwischen 166 und 170 für Rä- 
tien, wo zuvor nur Auxiliartruppen standen, dass Marc Aurel noch die 
beste Schutzwehr in der Offensive erblickt hat. Aber Coramodus hat 
nicht allein den Marcomanen gegenüber mit den militärischen Grund- 
sätzen des Vaters gebrochen. Die Verstärkungsbauten am Limes be- 
weisen, dass dieser nunmehr in ganz anderer Weise als zur Zeit Domi- 
tians und Traians dazu bestimmt wird, als militärische Schutzwehr 
gegen feindliche Durchbrechungsversache zu dienen. 

Unter Commodus wurde durch Mannschaften der achten Legion 
von Strassburg dem Kastell Osterburken ein grosser Anbau hinzugefügt. 
Es scheint, dass damals die Brittonen aus ihren Quartieren im Oden- 
walde und am Neckar an den eigentlichen Limes vorgezogen worden 
sind, wo wir im 3. Jahrhundert ihre zahlreichen numeri und explo- 
rationes finden. Auch mögen jetzt, wie einst am inneren Limes zu 
Neckarburken, die Doppelkastelle an der äusseren Linie entstanden sein, 
von denen in Welzheim und Oehringen Beispiele, gewiss nicht die ein- 
igen, festgestellt worden sind. Gehörten und Numeri oder Exploratoren 
haben bei uns . wohl nirgends in denselben ungeteilten Kastellen ge- 
legen, und wo wir beide Truppengattungen an einer Stelle finden, sind 
immer Doppelkastelle vorauszusetzen. 

Auch am rätischen Limes hat sich unter Commodus Ähnliches 
vollzogen. Nach der kürzlich entdeckten Bauinschrift des Kastells 
Böhming bei Pfünz aus dem Jahre 181 mussten dort Mannschaften der 
legio III Italica und der Gehörte von Pfünz Mauern, Thore und Türme 
erbauen, und zwischen 183 und 185 haben auch in Pfünz selbst ent- 
sprechende Umbauten stattgefunden. Und ungefähr in dieselbe Zeit 
fällt am Nordende des germanischen Limes die Gründung des grossen 
Kastells Niederbieber, wo zum Schutze des Neuwieder Beckens zwei 
Numeri unmittelbar an der Limeslinie aufgestellt wurden. 

Aber während es bei diesen Anlagen, die militärisch vielleicht 
als Sperrforts gedacht waren, sich doch nur darum handelte, einzelne 
Punkte zu verstärken oder lokale Verteidigungsstellungen zu schaffen, 
haben die Römer schliesslich am ganzen germanischen Limes Graben 
und Wall und am rätischen die fortlaufende Mauer errichtet, die beiden 
grossen zusammenhängenden Werke, die, wie ursprünglich die Palissade, 
noch heutzutage vom Volk mit germanischem GoUectiv-Singular Pfahl 
oder Pohl genannt, von allen Limesanlagen die augenfälligsten Spuren 
hinterlassen haben. 

Die rätische Mauer folgt durchaus der früheren Limesrichtung, 



— 15 — 

überschneidet aber nicht selten den Palissadengraben, hat die Beseitigung 
der Pfähle also zur Voraussetzung. Grössere Unterbrechungen haben wir 
an ihr nicht beobachtet. Der tiefe Graben mit dem dahinter gelegenen 
Erdwall am germanischen Limes bleibt dagegen stets auf der Innenseite 
des Palissadengräbchens und setzt sehr oft, zuweilen etliche Kilometer 
weit, aus. Hier ist die Palissade also nicht ersetzt, sondern beibehalten 
und lediglich verstärkt worden, um berittenen Horden das Überschreiten 
des Limes zu erschweren. Denn für Pferde ist ein breiter und tiefer 
Spitzgraben, über den Fussgänger leicht hinwegkommen, ein erhebliches, 
nicht ganz einfach zu beseitigendes Hinderniss. 

Welche Zeitabstände zwischen der Errichtung der Mauer in Rätien 
und der Anlage des Wallgrabens in Germanien liegen, und ob man nicht 
nur der Bodenverhältnisse wegen dort das eine und hier das andere 
bevorzugt hat, wissen wir nicht. Aber dass sie die jüngsten Anlagen 
an den Limites sind, Hess sich wiederholt konstatieren. Die Mauer ist 
fast durchweg an die bereits vorhandenen Wachttürme angebaut und 
oft überdeckt der Wall nicht bloss die alten Holzturmhügel, sondern 
auch die Eulturschichten in der Umgebung der Steintürme. Die Ge&sse, 
deren Scherben im grossen Graben gefunden werden, gehören zu den 
jüngsten Erzeugnissen der römischen Keramik im Limesgebiet, und in 
Eätien ist eine Bronzeübel aus dem Anfange des 3. Jahrhunderts 70 cm 
tief im Palissadengraben gefunden worden, wohin sie spätestens bei der 
Beseitigung der P&hle gekommen sein kann. 

Die Steinmauer ist 175 km lang, massiv mit Kalkmörtel gebaut, 
über einen Meter dick und hatte mindestens 2*/« m Höhe. Der ger- 
manische Graben ei-streckt sich über 320 km und war durchschnittlich 
6 m breit und gegen 2V2 m tief, oft geradezu in den Fels gebrochen. 
Beide Anlagen sind also gewaltige Werke, die doch wohl, wie die 
Palissaden Hadrians, aus der persönlichen Entschliessung des Kaisers 
hervorgegangen sind. 

So führen verschiedene Erwägungen auf die Zeit des grossen An- 
griffes der vereinigten Chatten und Alamannen, der im Jahre 213 
Caracalla nach Deutschland rief. Im August drang der Kaiser nach den 
Arvalakten per limitem Baetiae ad hostes exstirpandos in das Land der 
Barbaren vor und trug im September am Main einen wenigstens viel 
gefeierten Sieg davon. Die Spuren wiederholter Zerstörung des Kastells 
Pfünz erklären es vielleicht, warum der Kaiser sich zuerst nach Rätien 
wandte. Aber in demselben Jahre 213 ist das in Nassau hart am Limes 
gelegene Kastell Holzhausen von der Cohors Antoniniana Treverarum 



— 16 — 

bezogen worden; (Jie prächtigen Ehreninschriften auf den Kaiser, dessen 
Namen die Truppe zu tragen scheint, müssen unmittelbar nach dem 
germanischen Siege an den Thoren angebracht worden sein. Die Treverer 
waren also zum Schutze der Reichsgrenze im Taunus aufgeboten worden. 
Und 10 Jahre später hat dieselbe Cohorte auf dem Zugmantel Eastell- 
mauer und Wall erneuert. Hier aber bringt jeder Spatenstich die 
Spuren gewaltiger Kämpfe, die Anzeichen wiederholter Zerstörung an's 
Licht. Und da auch der Wall der benachbarten Saalburg Massen von 
Brandschutt enthält, in dem Münzen des Septimius Severus und des 
Caracalla gefunden worden sind, also auch dieses Kastell unter dem 
letzteren zerstört und erneuert worden zu sein scheint, so lässt sich dies 
alles dahin vereinigen, dass bei dem Kriege im Jahre 213 nicht bloss 
Bätien heimgesucht, sondern auch der germanische Limes von den 
Deutschen durchbrochen worden war. 

In jener Schlacht am Main hatten die Körner die wunderbare 
Geschicklichkeit der alamannischen Reiter kennen gelernt. Gegen ihre 
beweglichen Horden boten Äe alten Pälisäaden nicht den geringsten 
Schutz. Und so mag de^ Kaiser damals di^ Verstärkung der Grenz- 
sperre angeordnet haben. ' Ihren Zweck koijfiten Mauer und Wallgraben 

. • •• 
freilich nur so lange einigerirKtssen-"erfüllen, bis der eigentliche Krieg 

wieder ausbrach. 

Noch im Jahre 232 sehen wir die Besatzung des Kastells Wall- 
dürn, Abteilungen von gentiles und dediticii, bei friedlicher Arbeit an 
ihrem Badegebäude. Dann aber erhob sich der Sturm, der Severus 
Alexander und Julia Mamaea an den Rhein rief und mittelbar im 
Frühjahre 235 den Untergang beider in Mainz herbeigeführt hat. Die 
zweite Zerstörung von Pfünz, durch die Münzfunde datiert, lehrt, dass 
auch in Rätien wieder der Limes durchbrochen war. Gerade bis Severus 
Alexander reichen ferner die Münzen des grössten 550 Stück umfassen- 
den Massenfundes aus dem Lagerdorfe der Saalbürg, das Kastell selbst 
wird damals standgehalten haben, aber gewiss beruht es nicht auf 
Zufall, dass die Münzreihen einer Anzahl anderer Gohortenkastelle 
und kleinerer Präsidien mit Prägungen des Severus Alexander und der 
Julia Mamaea schliessen. 

Die grosse Mehrzahl der Kastelle an beiden Limites ist dagegen 
bis in die Zeit des Gallienus gehalten worden. In Oehringen wird 237 
noch der Sieg des Maximinus gefeiert, aus den vierziger Jahren besitzen wir 
Inschriften von Jagsthausen und Osterburken, und die Münzreihen reichen 
zumeist einige Jahre über 250 hinaus bis Valerianus und Gallienus. 



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Viele Kastelle mögen freiwillig geräumt worden sein, andere 
wurden von den Germanen erobert. Untergrabene Mauern und Tbore, 
Brandschutt im Innern, zerstreute Waffen und Gebeine der Gefallenen 
beweisen, dass sie erst nach verzweifelter Gegenwehr der Verteidiger 
erstürmt worden sind. Mit einem Bilde aus der Katastrophe selbst 
lassen Sie mich schliessen. 

In dem Kastell Niederbieber lag unter Brandschutt auf dem Lebm- 
estrich eines zerstörten Gebäudes ein kleiner Schatz, Schmucksachen und 
192 Silberstücke, der Inhalt eines Kästchens, das ein römischer Soldat 
bei der Erstürmung des Kastells vermutlich zugleich mit dem Leben 
verloren hat. An anderer Stelle fand sich ein Häuflein von 389 Denaren 
und Antoninianen unter den gleichartigen Spuren der Zerstörung. So 
Hess sich hier das Jahr der Katastrophe selbst, 259 oder 260, bestimmen. 
Kein zuverlässiges Zeugnis der Existenz des Limes führt über diese Zeit 
hinaus. 




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Das der Karte zu Grunde liegende Glicht ist soeben von der Reichs- 
iimeskommission für ihre Zwecke hergestellt. Wir verdanken die Erlaubnis zu 
seiner Benutzung dem Ausschuss der Reichslimeskommission. 



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