Veröffenflichiiri^^^en
s Vereins für Hamburgische Geschichte
Band .
Die Entwicklung der
wichiigsten Schiffstypen
ois ins 19. Jahrhunderi
von
3ernhard Högedorn
Verlag von Karl Curlius in Berlin
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Veröffentlichungen
des
Vereins für Hamburgische Geschichte.
Band I.
Veröffentlichungen des Vereins
für Hamburgische Geschichte.
Erster Band:
Die Entwicklung
der wichtigsten Schiffstypen
bis ins 19. Jahrhundert
Von
Bernhard Hagedorn
BERLIN 1914
VERLAG VON KARL CURTIUS
HAMBURG: LUCAS GRÄFE.
Die Entwicklung
der
wichtigsten Schiffstypen
bis ins 19. Jahrhundert
Von
Bernhard Hagedorn
Mit 16 Abbildungen und 28 Lichtdrucktafeln
BERLIN 1914
VERLAG VON KARL CURTIUS
HAMBURG: LUCAS GRÄFE.
H'i
71f;iP8
DIETRICH SCHÄFER
in Dankbarkeit und Verehrung
zugeeignet.
Digitized by the Internet Archive
in 2010 with funding from
University of Toronto
http://www.archive.org/details/dieentwicklungde01hage
Vorwort.
Der hiermit der Öffentlichkeit übergebenen Schrift
liegt ein Vortrag zugrunde, den ich im Februar dieses
Jahres im Verein für hamburgische Greschichte gehalten
habe. Damals war es nicht meine Absicht, die Ergebnisse
meiner Studien über die älteren Schiffsformen alsbald
im Druck erscheinen zu lassen. Sie waren bisher als
Nebenfrüchte anderer Arbeiten mir bald hier, bald da zu-
gefallen und hatten sich allmählich von selbst zu einem
Bilde verdichtet. Ich konnte die Überzeugung nicht unter-
drücken, daß es am gedeihlichsten wäre, wenn sie in dieser
Weise langsam weiter wüchsen und ausreiften, zumal ich
mir nicht verhehlen durfte, daß ich gewisse Fragen, wo
meine Ansichten zu den herrschenden Meinungen in Ge-
gensatz traten, unbedingt aufzuklären hatte und dazu mehr
Zeit erforderlich schien, als mir neben meiner laufenden
Tätigkeit zur Verfügung stand. Nur den zahlreichen Auf-
forderungen zu einer Drucklegung, die nach dem Vortrag
an mich gerichtet wurden, und dem liebenswürdigen
Drängen guter Freunde habe ich schließlich nachgegeben.
Die Arbeit gründet sich ganz überwiegend auf eigene
Forschungen. Nur im ersten Kapitel hat sie Resultate aus
der gedruckten Literatur übernehmen müssen und können.
Die wichtigsten Quellenstellen sind zwar verschiedentlich
schon benutzt worden. Es hätte aber das vorliegende Buch
ganz unnötig belastet, wenn ich mich in eine Polemik
mit anderen Anschauungen eingelassen, oder auch nur
VIII Vorwort,
die abweichenden Ansichten mitgeteilt hätte. In meinem
Vortrag wollte ich Neues geben, Unbekanntes klären und
nichts weiter, nicht nacherzählen, was man in allen
Büchern finden kann. Hier habe ich einige, namentlich
die ersten Partien näher ausführen müssen. Aber es lag-
doch nicht in meinem Sinn, da, wo unsere Kenntnis vom
Schiffswesen dank der gleichzeitigen Literatur auf einer
soliden Basis ruht, d. h. von der Mitte des 17. Jahrhunderts
an, über die Umrisse hinauszugehen. Die Schrift sollte
auch keine Archäologie oder Rüstkammer werden, in der
man sich über alle Schiffstj'pen orientieren kann, sondern
nicht mehr, als was der Titel besagt.
Ich habe mich bemüht, meine Worte so zu fassen,
daß sie auch für einen Nichtfachmann verständlich sind,
und deshalb technische Spezialausdrücke möglichst im
Text erklärt oder vermieden. Das beigefügte Sachregister
bietet darum kein Glossar. Wer eines solchen bedarf, ziehe
A. Stenzel, Deutsches Seemännisches Wörterbuch, zu Rate.
Das Register bringt der besseren Übersicht wegen alle
Typennamen unter der Rubrik Schiffsbezeichnungen und
ebenso alle Segel unter diesem Stichwort, ohne sie in der
alphabetischen Folge nochmals aufzuführen.
Ich habe die mannigfaltigste Förderung von den ver-
schiedensten Seiten erfahren. Ich konnte ungedrucktes
Material der Staatsarchive von Lübeck, Bremen und Ham-
burg und des Emder Stadtarchives verwerten. Von der
hiesigen Stadtbibliothek und der Kommerzbibliothek bin
ich in jeder Weise unterstützt worden. Das Museum für
hamburgische Geschichte hat das Bild auf Tafel XXVII
freundlichst zur Reproduktion überlassen.. Den Leitern
und Beamten dieser Institute sei hiermit mein Dank aus-
gesprochen. Herr Professor Dr. A. Warburg stellte mir
in liebenswürdigster Weise das auf Tafel XVII wieder-
gegebene italienische Truhenbild zur Verfügung. Vielfache
Anregungen und Aufklärungen verdanke ich meinen Freun-
den Herrn Dr. Walter Vogel in Berlin - Friedenau und
Herrn Dr. Hermann Joachim in Hamburg, der sich auch
der mühevollen Arbeit des Korrekturlesens unterzogen hat.
Vorwort. IX
Ganz besonders aber bin ich Herrn P. H. Trümmer in
Hamburg verpflichtet, der mir rückhaltlos die reichen Schätze
seiner Siegelsammlung und Bibliothek zur freien Benutzung
zugängig machte und damit die Fertigstellung der Arbeit
in der Form, wie sie vorliegt, überhaupt erst ermöglichte.
Ihnen allen sage ich hiermit meinen herzlichsten Dank.
Das Buch durfte ich zu meiner Freude dem Manne
widmen, der wie kein anderer in der deutschen Gelehrten-
welt schon über vierzig Jahre als Bahnbrecher und Förderer
aller seegeschichtlichen Studien wirkt, meinem verehrten
Lehrer, Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr.
Dietrich Schäfer.
Hamburg, den 30. September 1913.
Bernhard Hagedorn.
Inhalts-Übersicht.
Seite
Vorwort VII
Inhalts -Übersicht X
Verzeichnis der Tafelbilder . . , XIII
Verzeichnis der Textbilder XV
Verzeichnis gebrauchter Abkürzungen XVI
Älteste Zeit 1—10
Bedeutung der atlantischen Küste Europas für das
Schiffswesen im allgemeinen 1. Nachrichten der antiken
Autoren 2. Schiffahrt der Nordseeküste, der Ost- und
Nordgermanen, Nydam-Boot 3. Wikinger, Gokstad-
boot 3. — Quellenmaterial und Forschungsprobleme 6.
Wanderungen der Typennamen 7—10.
Kogge 10—24
Bildermaterial 10. Bayeuxteppich, Siegel von Bergen
und Neustadt a. d. Ostsee 11. Verschwinden des nord-
germanischen Typs 12. Aussehen der Koggen 13. Ta-
kelung 14. Segelleistungen, Steuerung 15. Schiffsmaß:
Last, Tonne 16. Vermessung, Schiffsgrößen 17. Ver-
breitung der Koggen 18—20. Häufigkeit der Reisen 20.
Tiefgang, Fahrwasser, Seezeichen 21. Häfen, Leichter-
wesen 22. Herkunft des Namens Kogge, Cogsculd 23.
Ursprung des Typs des schweren Lastschiffes 24.
Nef 24—36
Weinfahrt von Westfrankreich nach Flandern und
England 24. Roles d' Oleron 25. Aufkommen des Namens
Kogge 25. Nef und Kogge, Verwandtschaft, Unter-
schied 26 — 28. Verdrängung des Nefs durch den Koggen
28—30. Nefbilder 30. Herkunft des Nefs 31. Kelten-
schiffe, Cäsars Bericht 34.
Inhalts - Übersiclit. XI
Seite
Die Lastschiffe des Mittelmeeres 36 — 41
Verbindung zwischen der atlantischen und der
Mittelmeerküste, Kreuzzüge 36. Lastschiff des Mittel-
meers 37—39. Einführung des Koggen 39, 40. Einheit-
lichkeit im Typ des großen Seeschiffs 41.
Hulk 41—56
Entwickelung des Koggentyps, Kastelle 41, 42.
Aufkommen neuer Typbezeichnungen 42. Herkunft des
"Wortes Hulk 43. Verdrängung des Namens Kogge 46.
Niederländische Binnenkoggen 47—50. Entwickelung
des Hulks 50. Aussehen 50, 51. Schiffsgrößen 52.
Eahrwasserschwierigkeiten , Beschlüsse des Hansetags
von 1412 53. Takelung 54, 55. Beplankung 55.
Kravel 56—78
Kravelsbeplankung 56. Karavellen 57. Einführung
der Kravelsbeplankung 58. Das große Kravel in Danzig
59 — 61. Aufkommen des Dreimasters 62, 63. Steigerung
der Schiffsgrößen, Ausbildung des Schiffsrumpfes 64.
Schiffbau der Franzosen, der Engländer 65. Spanien
und das Ostseegebiet als Führer im Schiffbau 66. Unter-
schied beider Typen 67. Danziger Schiffbau 68. Lübecks
Schiffbau 69. Englischer Kriegsschiffbau 70. „Stora
Krafveln" 70. „Der lübische Adler" 71. Ausbildung der
Takelung 72, 73. Kauffahrer um 1520 73. Rahsegel 74.
Spanier 75. Tiefgang 76. Fahrwasserschwierigkeiten 77.
Bojer 78—92
Wattenfahrwasser der deutsch - niederländischen
Nordseeküste, Überwattverkehr 78. Schiffsbild der Heures
de Turin 79. Sprietsegel, Fock 80. Bojer, Eindringen
in den großen Seeverkehr 81. "Wirtschaftliche Vorzüge
des Typs 83. Aussehen. Maße, Takelung 84—87. Emder
Kauffahrteiflotte 1575 88. Verbreitung der Bojer 90.
Boot . 92—102
Fischereifahrzeuge 92, 93. Doggboote 94. Boote
zur Kauffahrt 95. Vlieboote 96. Aufkommen, Größe 97.
Bremer Kauffahrteiflotte um 1600 98. Vorzüge des
Typs 99. \A^irkung auf den Sundverkehr 100.
Fleute 102—118
Fleutenbau in Hoorn 102. Name 103. Pinaß-
schiff 104. Bumpfform, Takelung 105. Proportionen 106.
Vorzüge des Typs 107. Ausbreitung 108. Spanienfahrt,
Mittelmeerverkehr 109. Sundstatistik 110—112. Krisis
in der Reederei 112 — 114. Annahme des Typs durch
XU Inhalts -Übersicht.
Seite
die verschiedenen Nationen 115, 116. Bremer Schiffs-
bestand 117. Verschwinden der Boote und Bojer 117.
Galiot, Kleinschiffahrt, Aufkommen des Gaffelsegels 118.
Grundzüge der weiteren Entwickelung 119 — 122
Wechsel der Prinzipien 120. Gang der Entwickelung
vom Pinaßschiff zum Voll- und Barkschiff 121. Größen-
verhältnisse 121. Einfluß der Amerikaner: Schuner und
Klipper 122.
Register 123—133
Verzeichnis der Tafelbilder,
Tafel I: Gokstad-Boot. Im Universitätsliof zu Kristiania.
„ II: Schiffsdarstellungen auf dem Bayeux - Teppich.
„ ni: Siegell): Bergen 1276.
Neustadt an der Ostsee 1351.
„ IV: Siegel: Lübeck 1230.
Winchelsea.
V: Siegel: Elbing 1242.
Stavoren 1246.
„ VI: Siegel: Wismar 1256.
Harderwijk 1280.
„ VII: Siegel; Danzig 1299.
Stubbekjöbing 1367.
„ VIII: Siegel: Kiel 1365.
Danzig 1871.
„ IX: Siegel: Stralsund 1306.
Wismar 1354.
„. X: Siegel: Stralsund 13292).
Elbing 1350.
„ XI: Siegel: Stavoren 1415.
I p s w i eil.
„ XII: Siegel: Danzig (Sekret) 1400.
Danzig (großes Stadtsiegel) 1400.
„ XIII: Siegel: Elbing 1424.
Wiericlisbarde.
„ XIV: Siegel: Amsterdam 1418.
'_ Eye.
1) Die auf Tafel IX abgebildeten Siegel stammen aus dem
Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Lübeck, alle anderen aus der
Sammlung des Herrn P. H. Trümmer in Hamburg.
2) Stempel von diesem .Jahre. Vgl. Chr. Reuter, Das Zweite
Stralsundische Stadtbuch (Stralsund 1896) Nr. 2.
^^^ Verzeichnis der Tafelbilder.
Tafel XV: Siegel: Vizeadmiral von England ]413.
John Holland als Admiral von England
1417.
Tenby.
„ XVI: Seeschlacht bei Guernsey 1342. Miniatur der
Froissart- Chronik. Bibliotheque Nationale in
Paris.
„ XVII: Italienisches Truhenbild von 1450— 1460. Kestner-
Museum in Hannover.
„ XVIII: Siegel: Louis de Bourbon 1466.
Miniaturbild der Grandes Chroniques de France.
Bibliotheque Nationale in Paris.
„ XIX: Siegel: Maximilian undMaria von Burgund 1478.
Maximilian als Präfekt von Burgund
1493.
„ XX: Carpaccio: Szene aus dem Leben der heiligen
Ursula. Real Academia di Belle Arti in
Venedig.
„ XXI: Die Santa Maria des Columbus. Moderne Nach-
bildung im Britischen Museum in London.
,, XXII: Der Untergang des lübischen Bergenfahrers
Hans Ben 1489. Votivbil d in der Brief kapelle
der Marienkirche zu Lübeck.
., XXIII: Der Jesus von Lübeck 1544. Aus einer Bilderhand-
schrift des Britischen Museums in London,
„ XXIV: Der große Adler von Lübeck. Gemälde in der
Schiffergesellschaft zu Lübeck.
„ XXV: Spanische Galeonen. Stich nach Bieter Breughel
dem Alteren.
„ XXVI: Die Meerfahrt der Heiligen. Aus Heures de Tui-in.
„ XXVII: Fleuten. Unbekannter niederländischer Badierer.
,, XXVIII: Pinaßschiffe. Gemälde von Willem van de Velde
dem Jüngeren in Budapest.
Verzeichnis der Textbiider.
Seite
1. Nydam-Boot. Aus Engelliardt, Nydam Mosefund (Kjöben-
havn 1865) 4
2. Siegel von la Roch eile (1308). Aus Les armoiries de la ville
de Paris II Tafel 5 31
3. Großes Mittelmeerlastschiff (12. und 13. Jahrhundert).
Aus Lapidario del Hey D. Alfonso X. [Madrid] 38
4. Siegel von Laredo. Aus Duro, La Marina de Castilla
(Madrid 1894) 51
5. Lübecker Kravel um 1530. Schnitzerei in der Schiffer-
gesellschaft in Lübeck 69
6. Schwedisches Kravel (Stora Krafveln?), auf dem Plan von
Stockholm, entworfen von Hieronymus Scholeus. Aus Braun
und Hogenljerg, Civitates orbis terrarum IV 71
7. Aufriß eines Kauffahrers (Kravels) um 1520. Aus Wit-
sen, Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier. Am-
sterdam 1671 73
8. Eahsegel. Aus Braun und Hogenberg, Civitates orbis ter-
rarum I (1572), Plan von Hamburg 74
9. Bojer und Binnenlandsfahrer. Aus Braun und Hogen-
berg, Civitates orbis terrarum III, Plan von Dordrecht ... 82
10. Bojer. Aus Aurigarius, Speculum Marini (1586), Küste von
Bergen in Norwegen 84
11. Enkhuizer Rahbojer. Aus Aurigarius, Speculum Marini
(1586), Küste von Marstrand 85
12. Boote auf der Dogge rbank. Aus Aurigarius, Speculum
Marini (1586) 94
13. Enkhuizer Boot. Aus Aurigarius, Speculum Marini (1586),
Küste von Ripen 95
•XVI Verzeiclmis der Textbilder. Abkürzungen.
Seite
14. Vlieboote. Aus Braun und Hogenberg, Civitates orbis ter-
rarum IV, Pläne von Stavoren, Hindeloopen und Harlingen 96
15. Flauten und eine Galiot. Aus Witsen, Aeloude en heden-
daegsche scheepsbouw (Amsterdam 1671) 104
16. Längsdurchschnitt eines Pinaßschif fes. Aus Witsen,
Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw (Amsterdam 1671) . 105
Abkürzungen häufiger zitierter Werke.
Hans. Gesch.-Bl.: Hansische Geschichtsblätter.
H. U.-B.: Hansisches Urkundenbuch, I— III bearbeitet von Konstantin
Höhlbaum, IV— VI von Karl Kunze, VIII— X von Walther Stein.
H. B.: Hanse - Rezesse, I (1256 — 1430) bearbeitet von Karl Koppmann,
II (1431 — 1476) von Goswin Freiherr von der Kopp, III
(1477—1530) von Dietrich Schäfer, von Bd. VIII an in Verbindung
mit Friedrich Techen.
MGrU.: Monumenta Germaniae Historica.
Älteste Zeit.
Die Anfänge der Seefahrt liegen in vorgeschichtliclier
Zeit. In den frühesten Spuren menschlichen Daseins finden
sich schon deutliche Anzeichen dafür, daß die damaligen
Bewohner der Erde Mittel und Werkzeuge zur Beherr-
schung des Wassers besaßen. Bei der Erschließung der
Welt durch die Westeuropäer seit dem Ausgang des
15. Jahrhunderts hat man nur wenige Naturvölker an-
getroffen, die, obwohl am Meere gesessen, doch nicht im
Besitz von Fahrzeugen waren, mit denen sie wenigstens
eine kürzere Wasserstrecke zu bewältigen vermochten, da-
gegen viele, die es zu außerordentlich hohen schiffbaulichen
und seemännischen Leistungen gebracht hatten. Wollte
man auf alle Formen von Schiffen und Fahrzeugen ein-
gehen, die jemals bestanden haben, so könnte man viele
Bände damit füllen. Für die Entwickelung der heutigen
Schiffstypen sind die meisten belanglos geblieben.
Die Urformen der Fahrzeuge, die seit dem 16. Jahr-
hundert sämtliche Meere der Welt beherrschen, sind ein
Erzeugnis der atlantischen Küste Europas. Auf der km^zen
Strecke vom Kap Finisterre in Nordspanien bis zum
Drontheimer Fjord, da, wo heute noch mehr als drei Viertel
der gesamten Handelsflotte der Welt ihre Heimat haben,
sind sie entstanden und fortgebildet worden unter nur ganz
geringen Einflüssen von anderen Grebieten her.
Als die Kulturnationen des Mittelmeeres zuerst an die
Gestade des Atlantischen Ozeans vordrangen und damit diese
Gegenden zu geschichtlichem Dasein erweckten, fanden sie
hier eine hochentwickelte Schiffahrt vor, für die der Ozean
Hagedorn, Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstyi)en. 1
2 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
niclit melir ein trennendes, sondern ein Länder und Völker
verbindendes Element war, die den Gewalten des Weltmeeres
besser gewachsen war als die Fahrzeuge des Mittelmeers.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, das Seewesen der nörd-
lichen Völker auf Ausstrahlungen der südlichen Kulturwelt
zurückzuführen. Jedoch die maritimen Leistungen von
Griechen und Römern können sich mit denen der Ger-
manen, Kelten und Basken in keiner Weise messen. Man
erinnere sich nur an die Mißgeschicke, die Cäsar auf seinen
britannischen Expeditionen und Germanicus auf seiner
Heimkehr vom Weserfeldzuge zu erleiden hatten. Schiffs-
katastrophen, wie sie die ältere Geschichte des Mittelmeeres
so zahlreich kennt, sind den atlantischen Seefahrern fremd.
.Es versteht sich übrigens von selbst, daß auf einem Binnen-
meere nicht die Schiffsformen erfunden werden konnten,
die dem Ozean angemessen waren; das konnte nur an den
Küsten des Weltmeeres selbst geschehen.
Die spärlichen und obendrein durch Stileigentümlich-
keiten und Manier der Schriftsteller verdunkelten Nachrichten
der antiken Autoren über das Seewesen an den atlantischen
Küsten geben kein Bild von dem Umfang und der Gestalt der
Verkehrsbeziehungen. Sie lassen aber so viel erkennen, daß
die Schiffsformen je nach der Art der natürlichen Be-
schaffenheit der Küsten verschieden waren. Man kann
drei Schiffahrtsgebiete unterscheiden: den keltischen Westen
mit seinen schweren hochbordigen Lastschiffen, die Watten-
küste der Nordsee, endlich das Bereich der Ost- und Nord-
germanen.
Über das Mittelgebiet sind wir am schlechtesten unter-
richtet. Es ist zweifellos, daß in den friesischen und deut-
schen Küstenland Schäften ein außerordentlich reger Wasser-
verkehr bestanden hati. Es wird auch richtig sein, daß
dabei der ausgehöhlte Baumstamm, der Einbaum, eine
große Rolle spielte. Aus den kühnen ßaubfahrten, die die
Bewohner dieser Gegenden in die westlichen Küstengebiete
1 Eine gewisse Vorstellung von dem Schiffswesen vermag immer-
hin der Bericht des Tacitus über Civilis" Flottenrüstung zu geben
(Historien V, 23).
Alteste Zeit. 3
macliten, und den umfangreichen Schutzmaßnahmen, zu
denen sie die römischen Behörden nötigten, muß man jedoch
schließen, daß sie auch wetterfeste seetüchtige Schiffe be-
sessen haben ^.
Über die Schiffahrt der Ostgermanen liegt zwar nur
ein kurzer Bericht bei Tacitus vor 2, wonach die Suionen
(Schweden) auch durch ihre Flotten mächtig waren, vorn
und hinten gleichförmig gebaute Ruderschiffe hatten, die
nach beiden Seiten fortbewegt werden konnten ; aber durch
archäologische Funde sind diese Schiffsformen uns voll-
kommen wieder erstanden. An der schwedischen und süd-
norwegischen Küste sind verschiedentlich alte Schiffs-
darstellungen auf Steinen und Bronzegeräten entdeckt
worden, die zum Teil noch der jüngeren Steinzeit an-
gehören und dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend zu-
geschrieben werden ^.
1863 ist im Nydam-Moor am Alsensund eins dieser
ostgermanischen Ruderboote in bester Erhaltung ans Tao-es-
hcht gebracht worden, das sich jetzt im Kieler Museum
vaterländischer Altertümer befindet. Es stellt dem tech-
nischen Können und der Sorgfalt seiner Erbauer das
glänzendste Zeugnis aus. Das Boot besteht aus elf starken
Eichenplanken: der Kielplanke, auf die beide Steven auf-
gesetzt sind, und fünf an jeder Seite, die klinkerförmig, d. h.
eine über die andere greifend aneinander genietet sind.
Es mißt fast 24 m von Steven zu Steven und 3,4: m in
der größten Breite. 19 Rippen oder Spanten stützen von
innen die Planken. Das Ruder befand sich auf der einen
Seite etwa 3 m vom Steven entfernt. Die Fortbewegung
1 Vgl. die Zusammenstellung von Einbaumfunden bei Keble
Chatterton, Sailing ships (London 1908), S. 95 ff. Alle diese Kähne
waren aber zu wirklichen Seefahrten nicht befähigt. Witsen, Ael-
oude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier (Amsterdam 1671),
S. 39, berichtet von dem Funde eines Einbaums mit Ruderbänken,
Vor- und Hintersteven bei Muiden.
- Germania, 44. Vgl. hierzu und zum folgenden Vogel, Von
den Anfängen deutscher Scliif fahrt, Prähistorische Zeitschrift IV
(1912), Heft 1/2 Seite 1 ff.
3 Vgl. Vogel a. a. O. S. 4, 5.
1*
4 Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypen.
geschali durch 28 Riemen, die auf der Bordwand befestigt
wurden. Das Boot führte keinen Mast, ist auch seiner
1. Nydam-Boot.
Aus Engelhardt, Nydam Mosefund (Kjöbenliavn 1865).
schlanken Bauart nach nicht zum Segeln befähigt. Man
hat in ihm römische Münzen aus den Jahren 69 bis 217 n.
Chr. gefunden und kann es danach datieren i.
Das Nydamboot ist ein Vorgänger der Fahrzeuge,
welche die Nordmannen gebrauchten auf ihren Zügen, diesen
letzten Bewegungen der germanischen Völkerwanderung.
Die Kriegsboote der Wikinger, die sogenannten Lang-
schiffe, sind durch die Funde mehrerer guterhaltener Exem-
plare der Jetztzeit wieder lebendig geworden. Das beste und
bekannteste ist das 1880 bei Gokstad am Kristianiafjord
ausgegrabene Boot, das jetzt im Universitätshof in Kristi-
ania aufgestellt ist (Abb.)2. In diesem Fahrzeug erscheint
der nordgermanische Typ in seiner Vollendung. Eine Nach-
bildung des Bootes wurde 1892 nach Amerika hinüber-
gesandt und hat seine außerordentUche Seetüchtigkeit
erwiesen. Gegenüber dem Nydamboot zeigt das Gokstad-
schiff, dessen Erbauung man um 900 ansetzt, manche Fort-
schritte. Es ist etwa ebenso lang, 20,1 m im Kiel und
23,8 m zwischen beiden Steven, dagegen 5,1 m breit und
1 Vgl. Conr. Engelhardt, Nydam Mosefund, Kjöbenhavn 1865.
2 Vgl. hierüber und über das folgende Vogel, Zur nord- und
westeuropäischen Seeschiffahrt im früheren Mittelalter, Hans. Gesch.-
Bl. 1907 S. 175 ff., wo auch die skandinavische Literatur nach-
gewiesen wird.
Älteste Zeit. 5
beträclitlich höher: namentlich an beiden Steven sind
die Planken hoch emporgeführt, was die Seetüchtigkeit
des Fahrzeugs sehr erhöht. Der Kiel ist viel mächtiger
und stärker. Die Riemen sind nicht auf' der Bordwand
angebracht, sondern in Löchern, die in die Beplankung
gebohrt sind. Ein Fußboden zieht sich über das ganze
Schiff hin. Darüber ist mittschiffs durch zwei schräge
Bretterwände eine Hütte errichtet. Das Ruder ist am
Steuerbord befestigt und wird um eine Vertikalachse be-
wegt. Die wichtigste Neuerung besteht darin, daß das
Boot einen Mast führt, an dem eine Rah mit einem vier-
eckigen Segel angebracht war. Allerdings konnte das
schlanke flachgehende Fahrzeug nur vor dem Winde segeln;
höchstens schwache seitliche Winde wußte man noch zu
nutzen.
Boote desselben Typs sind an verschiedenen Stellen
bald mehr, bald weniger gut erhalten aufgefunden worden.
Es muß jedoch nach den chronikalischen Berichten noch
wesentlich größere Fahrzeuge dieser Art gegeben haben.
So außerordentlich wertvoll es ist, daß hier einmal
ein Schiffstyp der Vergangenheit wiedererstanden ist, so
darf man doch die Tragweite dieser Tatsache nicht über-
schätzen. Von der gesamten Schiffahrt der Zeit haben wir
damit noch keineswegs ausreichende Kunde erlangt. Kennt
man auch das Leben und Treiben auf den Kriegsbooten der
Wikinger und ihre Leistungen aus den Schilderungen der
Sagas, so herrscht doch schon Unklarheit wenn wir nach
den Verschiedenheiten fragen, die zwischen den Lang-
schiffen und den Handelsfahrzeugen der Nordmannen be-
standen haben müssend Daß ihr Handelsverkehr eine
große Bedeutung hatte , ist durch archäologische Funde und
mannigfaltige Berichte sicher gestellt; jedoch scheint er
sich auf den Transport von feineren Waren beschränkt
und demgemäß auch keine großen Laderäume erfordert
zu habend. Wieweit neben der Schiffahrt der Nordmannen
1 Vgl. Vogel, Hans. Gesch.-Bl. 1907 S. 184 Anm. 1.
2 Vogel a. a. 0. S. 175 ff.
6 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
der Seeverkehr der anderen Nationen fortgelebt hat und
vor allem, welcher Art er gewesen ist, und wie die Fahr-
zeuge ausgesehen haben, darüber ist tiefes Dunkel verbreitet.
Wir wissen nur, daß Friesen und Angelsachsen Schiffe
von wesentlich anderer Gestalt besessen haben.
So wenig es möglich ist, auf Grund der geringen
Nachrichten aus der Zeit vor dem 13, Jahrhundert eine
einigermaßen brauchbare Handelsgeschichte zu schreiben
ohne eine genaue Kenntnis späterer Epochen, so kann man
auch für die Schiffahrt nur durch vorsichtige Rückschlüsse
aus Zeiten, für die ein reicheres Quellenmaterial vorüegt,
zu anschaulichen Vorstellungen gelangen. Was über das
Seewesen in früheren Jahrhunderten berichtet wird, be-
trifft fast nur Kriegs- und Raubfahrten. Der friedliche
Handelsverkehr hat sich der Überlieferung entzogen, bis
seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts bald hier, bald
da der Schleier sich lüftet und ein reich entwickeltes
blühendes Verkehrsleben vor den Blicken des Forschers
enthüllt wird. Es sind vor allem die seit Johann (1199
bis 1216) in ziemlich lückenloser Folge erhaltenen Register
der englischen Könige, die für lange Zeiten die wichtigste
Quelle für die Kenntnis der Schiffahrt überhaupt bilden.
Die Überlieferung ist seitdem nicht mehr unterbrochen
worden; anfangs noch spärlich fließend, ermöglicht sie
späterhin eine immer tiefer eindringende Erfassung des
gesamten Seelebens.
Es muß wenigstens mit einigen Worten auf die
Schwierigkeiten und Probleme eingegangen werden, die sich
der Forschung bei dem Bestreben, von den Schiffsformen
der Vergangenheit wieder eine lebendige Vorstellung zu
bekommen, in den Weg stellen. Archäologische Funde
von größerer Bedeutung liegen für die Folgezeit nicht vor.
Wir sind einmal angewiesen auf die bildnerischen Dar-
stellungen von Schiffen, wie sie vorzüglich auf den Siegeln
der Seestädte, auf Münzen und in Miniaturen auf uns
gekommen sind, und dann auf urkundliche und chroni-
kalische Nachrichten über das Seewesen. Die Bilder geben
Älteste Zeit. 7
wohl einen Begriff von dem Äußeren von Schiffen, aber
sie sagen nichts aus über die Größe, Leistungsfähigkeit
und Verbreitung eines bestimmten Types. Die literarischen
Zeugnisse enthalten viele Einzelheiten hierüber, vermögen
jedoch keine Anschauung von dem Aussehen der Fahrzeuge
zu vermitteln. Schiffsbilder mit einer begleitenden Text-
erklärung, und mag diese auch nur auf die Typbezeichnung
sich beschränken, finden sich erst seit dem Ausgang des
15. Jahrhunderts ^ Die Aufgabe der Forschung muß also
sein, eine Verbindung zwischen beiden Arten von Quellen
herzustellen, die in der Überlieferung erkannten Typen
mit erhaltenen Bildern zu identifizieren.
Das ist jedoch nur- in beschränktem Umfang möglich.
Denn erstens kommen zahlreiche Schiffsarten nebeneinander
vor und zweitens sind die Typenbezeichnungen nichts
Festes, sondern befinden sich in einem steten Fluß. Ein
Beispiel wird den Umfang der Wanderungen und
Wandlungen der Typennamen am besten veranschau-
lichen. 1629 ist in Ulm ein Werk über den Schiffbau der
Mittelmeervölker erschienen, die „Architectura Navalis" von
Josephus Furttenbach. Es behandelt in seinem ersten
Teile die Ruderf ahrzeuge , im zweiten die Segelschiffe.
Unter den Huderfahrzeugen wird zunächst eingehend die
Galeere (galea) beschrieben, darauf kürzer die Galeazza,
die große Galeere, und die Galeotta, die kleine oder halbe
Galeere. Dann folgen der Bergantino, wobei Furttenbach
erklärt: „Diß ist noch kleiner als die Galeotta und mag
für ein viertel Galea gehalten werden", die noch kleinere
Filucca und endlich als das kleinste seegehende Ruderfahr-
1 Eine Ausnahme macht das Siegel (Revers) von New-Shoreham
mit der Umsclirift HOCHVLCI SINGNO VOCOR OS SIC NOMINE
DINGNO: ein mondsiclielförmiger Schiffskörper, auf dem hochgezoge-
nen Bug und Heck kleine Aufbauten, Hecksteuer, Mast mit einer Rah,
über der Reeling halbkreisförmige Erhöhungen, die wohl Scliilde dar-
stellen sollen (Sammlung Trümmer). Über die „Mora" Wilhelms des
Eroberers, die auf dem Bayeuxteppich mit Namen bezeichnet ist, sind
wir zu schlecht unterrichtet. Die zahlreichen Abbildungen des Unter-
gangs des weißen Schiffes lassen sich mit den literarischen Zeug-
nissen nicht in Einklang bringen.
8 Die Entwickeluiif^ der wichtigsten Schiffstypen.
zeug die Fregata, ein schlankes Schiff, das zwei umlegbare
Masten mit lateinischen Segeln führte, die aber nur bei
ganz ruhigem Wetter gebraucht werden konnten, während
sonst die Fortbewegung durch 10 Riemen geschah.
Es ist noch nicht lange her, daß der stolze Name der
Fregatte, des Schlachtkreuzers aller großen Kriegsmarinen,
aus dem Verzeichnis der deutschen Reichsflotte verschwunden
ist. Unsere ältesten Panzerschiffe König Wilhelm, Fried-
rich Karl, Adalbert, Kaiser und Deutschland wurden der-
einst als Panzerfregatten geführt. Im neuesten „Handbuch
der deutschen Handelsmarine" finden sich Galeassen und
Galioten in vielen Exemplaren verzeichnet. Vor nicht all-
zu langer Zeit standen daneben auch Briggs ^ und Brigan-
tinen. Die Hamburger Handelsflotte zählte 1836 20 „Schiffe",
25 Barkschiffe, 42 Briggs, 19 Gallioten, 18 Schooner,
13 Galeassen, 2 Brigantinen, 3 Kuffs, 1 Barkantine,
1 Schmack und 2 Schaluppen^.
Alle diese Schiffe haben mit den ehemahgen Ruder-
fahrzeugen des Mittelmeers nichts als den Namen gemein.
Sie sind weder aus ihnen hervorgegangen, noch hat jemals
der geringste äußerliche Vergleichspunkt bestanden, der
einen rationellen Anlaß zur Übernahme der Bezeichnungen
hätte abgeben können. Mit absoluter Willkür sind diese ge-
wandert. Auch bei der Galeere (galeye) lassen sich ver-
einzelte Fälle nachweisen, wo der Name als Typbezeichnung
bei nördlichen Schiffen diente 2, ohne allerdings weitere
Verbreitung zu finden, so daß aus der ganzen Reihe der
von Furttenbach beschriebenen Ruderfahrzeuge nur die
Filucca ihren Namen nicht weitergegeben hat.
1 Brigg ist eine Abkürzung von Brigantine, in der englischen
Seemannssprache entstanden.
2 Insgesamt 146 seegehende Schiffe von 11 432 Kommerz- oder
17 148 gewöhnlichen Lasten (zu 4 000 Pfand Tragfähigkeit). Nach
Soetbeer, Statistik des hamburgischen Handels 1839, 1840, 1841.
Hamburg 1842.
3 Z. B. Emder Schiffskontraktenprotokoll IV Bl. 216; 1580
April 22 : Schiffer Bauke Eoertsen „tho Gast in Westfrießlandt" kauft
eine halbe „galeye" von 80 Lasten für 900 Gulden. Vgl. Oppenheim,
The Administration of the Boyal Navy (London 1896) S. 58, 59.
Älteste Zeit. 9
Solclie Wanderungen von Schiff sbezeiclinungen sind
zu allen Zeiten vorgekommen. Ohne eine äußere Ver-
anlassung, ohne daß ein Typ sich irgendwie verändert hat,
geht der alte Name verloren und büi'gert sich ein neuer
ein. So sind z. B. die Bezeichnungen Tjalk und Kuff
im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert aufgekommen.
Andere Artnamen überdauern alle Umwandlungen, die der
ursprünglich mit dem Xamen belegte Tj-p erfährt, wie
denn der Name Kraier schon im 14. Jahrhundert für ein
Hochseeschiff zweiten Ranges erscheint und diesen Platz bis
ins 19. Jahrhundert behauptet hat. Die eine Bezeichnung
wandert von einem kleinen auf ein großes Schiff, wie Fre-
gatte und Korvette, die andere nimmt den umgekehrten
Weg. Selbst die große Karacke der südlichen Nationen
hat es sich gefallen lassen müssen, daß ihr Name im 17.
Jahrhundert für einen Amsterdamer Leichter herhalten
mußte.
Aber noch schlimmer ist, daß die Artnamen sich
nicht allgemein durchzusetzen vermögen. Die einzelnen
Häfen haben ihre Sonderbezeichnungen und gebrauchen die
gleichen Namen füi^ verschiedene Schiffsformen. So ist
im 16. Jahrhundert der Name Kravel an der deutschen
Nordseeküste zur Spezialbezeichnung kleinerer Küstenfahrer
geworden, während er in Lübeck als Gemeinbezeichnung
aller mit Kravelsbeplankung versehenen Schiffe diente und
als solche gerade für die größten Segler häufig gebraucht
wurde. In Spanien aber waren die Karavellen seegehende
Kauffähiger zweiten Banges mit drei oder vier Masten, von
denen die Mehrzahl lateinische Segel führte. Dergleichen
findet sich allenthalben i.
Sehr häufig verbinden sich auch mit den allgemeinen
Schiffsbezeichnungen Kahn, Nachen, Boot, Schiff noch
Spezialbegriffe. Gerade die allergrößten Typen haben
oft keine bestimmten Namen und werden dann als Schiff,
Ship, Nef, Nave, Nao, Vaisseau bezeichnet. In zahl-
1 Vgl. z. B. die verscliiedenen Abbildungen von Pinken bei
de Polin, Bateaus et navires. Progres de la construction navale ä tous
les äges et dans tous les pays.
10 Die Entwickelung- der wichtigsten Schiffstypen.
reichen Fällen wird dieselbe Schiffsart verschieden, bald so,
bald so benannt. Beim Aufkommen neuer Typennamen
pflegen solche Doppelbezeichnungen aufzutreten, da es
immer einige Zeit dauert, ehe das neue Wort sich durch-
setzt. Ihr Nebeneinander kann jedoch auch sachlich
begründet sein. So konnte in Emden im ausgehenden
16. Jahrhundert ein und dasselbe Schiff einmal als Bojer
nach der Form des Rumpfes und der Takelung, dann als
Kravel nach der Beplankung, oder aber als Witschip im
G-egensatz zu den Schmalschepen, die durch die Schleuse
von Gouda passieren konnten, bezeichnet werden.
Zur Erkenntnis eines Types ist in früheren Jahr-
hunderten der Artname der einzige Anhaltspunkt. Man
kann daraus ermessen, von welcher Bedeutung für die Ergeb-
nisse die Unsicherheit der Bezeichnungen ist. In unge-
zählten Fällen wird man bei der Erwähnung eines Typs
damit doch nicht eine Vorstellung verbinden können. Na-
mentlich in älterer Zeit wii'd man sich mit der Bestimmung
der wichtigsten Typen begnügen müssen.
Kogge.
Wo sich zuerst tiefere Einblicke in das Verkehrsleben
eröffnen, da zeigen Urkunden und Chroniken einen Reich-
tum an Schiff stypen , große, mittlere, kleine, die für die
verschiedensten Aufgaben geschaffen waren. In dem er-
haltenen Bildermaterial herrscht dagegen eine große Ein-
förmigkeit. Wenn eine Stadt das Bild eines Schiffes zu
ihrem Siegel machte, so war es ganz natürlich, daß sie dazu
nicht einen beliebigen Küstenfahrer oder gar einen Leichter-
prahm wählte, sondern das stolze große Seeschiff, höchstens,
daß ein Fischereiplatz zu diesem Zwecke einmal ein Fischer-
boot vorzog. So ist es für die ganze ältere Zeit nur möghch,
den Typ des großen Lastschiffes im Bilde festzulegen.
Die literarische Überlieferung stellt sicher, daß um
1200 das Ruderboot der Nordmannen aus dem Handels-
verkehr bereits völlig verdrängt war, während im Kriegs-
Kogge. 11
wesen die Ruderschiffe nocli eine große Rolle spielten,
aber weniger die nordgermanischen Typen als die Galeeren
der Genuesen und Venezianer. In dem Bildermaterial be-
gegnet nun sichtlicli eine ältere Schicht, die auf den
ersten Blick noch sehr viel gemeinsame Züge mit den
"Wikingerschiffen zu besitzen scheint.
Die berühmten Schiffsdarstellungen auf dem Teppich
zu Bayeux, die den Zug Wilhelms des Eroberers gegen
England verherrlichen, zeigen deutlich die geschmückten
Häupter der alten Wikingerboote, die Schilde an den
Bordwänden und sonst noch viele Einzelheiten, die an die
Fahrzeuge erinnern, auf denen die Vorfahren der nor-
mannischen Krieger dereinst ins Frankenreich kamen.
Es fällt aber auf, daß die meisten Schiffe keine Riemen,
sondern nur Segel führen. Auch das auf dem prächtigen
Siegel^ von Bergen, das aus dem Jahre 1276 vorliegt,
abgebildete Fahrzeug weist starke Ähnlichkeiten mit dem
Gokstadtyp auf. Doch fehlen auch hier die Riemen. Das
Ruder zeigt ganz junge Formen. Das Schiff läuft bei seit-
lichem Winde, war also offenbar ein guter Segler. Neu-
krempe, heute Neustadt an der Ostsee, hat uns ein Schiffs-
bild im Siegel bewahrt, das auf das lebhafteste an das
Nydamboot erinnert. Aber die Stadt ist angeblich erst
124:-4 gegründet, zu einer Zeit, wo längst ein anderer Schiffs-
typ die Ostsee beherrschte. Es ist dies wohl einer der wenigen
Fälle, wo man ein Fischerfahrzeug ins Siegel nahm.
Daneben steht eine große Gruppe von Schiffsbildern,
die in den hochgezogenen Steven und in der Steuerung an
die Fahrzeuge der Nordmannen erinnern. In den deutschen
Gebieten ist sie allein durch das Siegel Lübecks, der ältesten
deutschen Stadt an der Ostsee, vertreten. Desto zahlreicher
kommt sie im Westen vor, wo beinahe jeder englische
Seeplatz ein Schiff dieser Art im Siegel führt. Indessen
was hier an die Wikingerboote gemahnt, ist doch nur recht
1 Sämtliche hier abgebildeten Siegel stammen aus der Sammlung
des Herrn P. H. Trümmer in Hamburg, nur dje auf Tafel IX wieder-
gegebenen sind vom Lübecker Staatsarchiv in dankenswerter Weise
zur Verfügung gestellt worden.
12 Die Ent Wickelung der wichtigsten Schiffstypen.
geringfügig. Tatsächlich gehören diese Fahrzeuge einem
völlig andern Typ an und haben, abgesehen von der rein
äußerlichen Ähnlichkeit der Steuerung und der hochge-
zogenen Steven, nichts mit den Schiffen der Nordmannen
gemein. Es wird später auf sie zurückzukommen sein.
Das schlanke leichte Boot der Nordgermanen war
seiner ganzen Bauart nach nicht zur Beförderung großer
Lasten geschaffen, sondern mehr zu Fahrten beutelustiger
Kriegerscharen und hausierender Kaufleute mit wenigen,
aber kostbaren Gütern. Je stärker der Massenverkehr
wurde, desto mehr ist seine Herrschaft beschränkt worden.
Auf der Ostsee, der Handelsdomäne der skandinavischen
Seefahrer, hat das Vordringen des deutschen Kaufmannes
das Wikingerboot vertrieben. Es lebt heute nur noch in
den nordischen Kirchgängerbooten und Fischerfahrzeugen
forti.
Es hat einem Schiff von völlig anderer Bauart, dem
Koggen 2, weichen müssen. In den ersten Jahrzehnten des
13. Jahrhunderts trifft man den Koggen als das herrschende
Lastschiff bereits an allen Küsten des atlantischen Euro-
pas, bei den Nordspaniern sowohP, wie auf der Ostsee.
Sein Aussehen ist uns in den Siegelbildern vieler deutschen
Städte getreulich überliefert worden. Zu den hier wieder-
gegebenen Bildern ist zu bemerken, daß die Jahreszahl das
Datum der Urkunde angibt, an der das abgebildete Siegel hängt,
nur in einigen sicheren Fällen, wann dieses zum erstenmal
erscheint. Wie lange es vorher schon im Gebrauch war,
wann es gestochen worden ist, darüber lassen sich nur
ungefähre Anhaltspunkte aus der Umschrift entnehmen.
Verschiedene Siegel sind nur in einem Exemplar erhalten.
^ Vgl. Vogel, Prähistorische Zeitschrift IV S. 15.
- Der Kogge, nicht die Kogge, ist die alte deutsche Bezeich-
nung, wenn auch anfangs in den englischen Quellen die lateinische
Übersetzung cogga, gogga lautet. Vogel hat diesen Sprachgebrauch,
Koppmann folgend, angenommen. Ich schließe mich ihm an.
3 Close Eolls, Henry III. I S. 413 : 2 Koggen und 1 Navis von
Castro Urdiales haben 1230 in St. Jean (südl. la Eochelle) Wein für
flandrische Eechnung geladen.
Kogge. 1 3
"Wiederholt ist es vorgekommen, daß man das Bild des
alten bei der Herstellung neuer Stempel nacligestoclien hat.
In einigen Fällen ist nur der Nachstich auf uns gelangt.
Alte Koggensiegel der Frühzeit besitzen wir von Elbing,
Danzig, Wismar, Stralsund i, Kiel, dem dänischen Ort Stubbe-
kjöbing, Stavoren und Harderwijk und schließlich auch von
Damme in Flandern-. Verschiedene dieser Städte haben
ehemals eine viel größere Bedeutung für den Seeverkehr
gehabt als späterhin. Elbing ist erst seit dem Anfang des
15. Jahrhunderts etwas zui'ückgetreten, Kiel nach der
Katastrophe im ersten hansischen Kriege gegen Walde-
mar IV. von Dänemark (1362). Harderwijk, heute eine
stille Binnenstadt, hat bis zum Ende des 14. Jahrhunderts
einen ganz hervorragenden Anteil an der Frachtfahrt be-
sessen, nicht minder das friesische Stavoren. Dammes Be-
deutung als Umschlagplatz von Brügge ist bekannt. Von
einzelnen technischen Unvollkommenheiten der Schiffs-
darstellungen wird man absehen müssen. Gerade die Zu-
sammenstellung der verschiedenen Siegel zeigt, daß man
kein konventionelles Gebilde vor sich hat, sondern daß
hier ein Schiffstyp nach dem Leben dargestellt worden ist'^.
Der Kogge erscheint hier als das gerade Gegenteil des
schlanken geschmeidigen Wikingerbootes, als ein mächtiges
schweres Schiff, kurz und gedrungen, halb so hoch wie
lang und wohl ebenso breit ausladend. Auf einem Spanten-
gerippe sind die gewaltigen Planken klinkerförmig, d. h.
1 Von Stralsund liegen außer dem hier (Tafel IXj abgebildeten
noch zwei ältere Koggensiegel von 1267 und 1278 vor. Beide sind
abgebildet bei Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstentums
Bügen III Tafel IV. Das von 1267 gibt nur den Schiffsrumpf mit
Steuer wieder, das von 1278 ähnelt ganz dem von 1307, ist nur gröber
in der Ausführung.
2 Letzteres ist häufig abgebildet, z. B. Jal, Archeologie navale II
(Paris 1840) S. 367. Les armoiries de la ville de Paris 11 Tafel 5.
Das Siegel liegt vom Jahre 1275 vor. Auch das Siegel der sciplude
in Brügge (14. .Jahrb.) zeigt einen Koggen.
3 Die Bedenken , die neuerlich noch Laird Ciowes in The
Hoyal Navy I S. 82 gegen die Naturtreue der alten Siegelbilder ge-
äußert hat, kann ich in keiner Weise teilen.
14 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
übereinandergreifend angebracht. Der Kiel tritt scliarf
hervor. Um sich einen Begriff von der wirklichen Größe
zu machen, muß man von den abgebildeten Personen ab-
sehen und die gelegentlich dargestellten Aufbauten und
Marsen oder Mastkörbe, die zur Aufnahme von Leuten
bestimmt waren, zum Maßstab nehmen. Das gleiche gilt
für alle späteren Abbildungen bis zum 16. Jahrhundert.
Auch die Brustwehren der Kastelle können brauchbare
Anhaltspunkte abgeben.
Die Takelung erkennt man am besten durch einen Ver-
gleich sämtlicher Siegel, wobei auch die gleichzeitigen
Schiffssiegel der englischen und anderen westlichen Hafen-
plätze heranzuziehen sind. In der Mitte des Schiffes stand
der Mast, der vom Bug her durch ein starkes Stag, von
beiden Bordwänden her durch mehrere Wanten, die ge-
legentlich wohl schon durch Webeleinen ^ zu Strickleitern
verbunden waren, und gewöhnlich durch zwei Backstage
aufrecht erhalten wurde. Der Mast führte eine einzige
Rah mit einem großen viereckigen Segel. Die Rah, die
durch eine starke Tauschlinge, das sogenannte Rack, am
Mäste befestigt war, wurde, wenn das Schiff in See gehen
wollte, emporgezogen ^, lag sonst auf dem Deck. Das Segel
wurde durch Brassen an den beiden Enden der Rah und
Schoten an den unteren Enden des Segels regiert. Bei
gutem Wetter verlängerte man es durch Ansätze, die so-
genannten Bonnets. Zum Vermindern der Segelfläche bei
schlechtem Wetter benützte man Reefs. Wer diese nicht
an seinem Segel hatte, heißte die Rah nicht zu voller
* Webeleinen sind angedeutet auf dem Siegel von Pevensey.
Doch ist auffällig, daß sowohl hier wie auf anderen alten englischen
Siegeln die Backstage zum Hinaufklettern benutzt werden. Deutlich
sind die Webeleinen zu erkennen auf dem Siegel von San Sebastian
(1335), abgebildet bei Demay, Etudes sigillographiques, Le type naval,
Revue Archeologique 1877, Tafel XXI.
2 H. U.-B. II N. 476; ZolkoUe für Wismar; 1328 Sept. 14:
Welik schippman sin seghel windet in dat krutze er, denne he
thollet heft, de schal dat betheren.
Kogge. 15
Höhe ^. Das Bugspriet diente allein zum Aussetzen und
Einlieben des Ankers.
Die Segelleistungen können nicht groß gewesen sein.
Am besten lief der Kogge vor dem "Winde. Er konnte
bei seitlichem Winde auch eine leidliche Fahrt machen
und vermochte sogar, gegen den Wind aufzukommen.
Wir haben ein einwandfreies Zeugnis dafür. Ein Bremer
Geistlicher, der 1189 die Fahrt der deutsch -friesisch -flan-
drischen Kreuzzugsflotte, die, wenn nicht aus Koggen, so
doch aus den unmittelbaren Vorläufern der Koggen bestand,
mitgemacht hat, berichtet, daß die Schiffe zwischen Cadiz
und Gibraltar Gegenwind antrafen und durch Kreuzen ihn
unwirksam machten : sicut solent nautae, in diversa veli-
ficantes contrarietatem flatus arte delusimus^. Gegen starken
Wind aber wird der Kogge sich schwerlich haben be-
haupten können, schon weil der hohe Rumpf zuviel Wind
fing. Man ging vor Anker und wartete bessere Windver-
hältnisse ab. Bei günstigem Wetter leisteten Koggen ge-
legentlich recht Tüchtiges. So haben 1418 Sendeboten
von Eeval, die zum Hansetag nach Lübeck gingen, noch
nicht sechs Tage von ihrer Stadt bis in die Trave gebraucht 3.
Eine große Veränderung ist mit dem Ruder vorge-
gangen. Es ruht nicht mehr am Steuerbord, sondern ist
in Gestalt einer großen schweren Bohlenwand am Heck in
starke eiserne Angeln, die sogenannten Fingerlinge, ge-
hängt und wird durch einen am oberen Ende befestigten
über die Achse weit hinausführenden Balken, die Ruder-
pinne, an der wieder kleinere Handhaben angebracht waren,
1 Vgl. Ch. de la Eonciere, Histoire de la Marine fran^aise I
S. 121, 122. Reefbande und Reefseisinge sind deutlich auf dem Siegel
von La Roclielle zu erkennen (unten S. 31), Seisinge auch auf dem
Siegel von Bergen.
2 F. Kurtli, Der Anteil niederdeutscher EJreuzfahrer an den
Kämpfen der Portugiesen gegen die Mauren, Mitt. d. Inst, für österr.
Gesch.-Forsch. Erg.-B. VIII S. 207 Anm. 1, nach dem Bericht eines
deutschen, wahrscheinlich Bremer Geistlichen (De itinere navali . . .
narratio) gedruckt bei J. B. da Silva Lopes , Eela^ao da derrota
naval e successos dos cruzados . . . 1189 (Lisboa 1844), S. 49.
a H. R I, VI N. 591: Juni 5 Auslaufen, Juni 11 Ankunft.
16 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypeii.
bewegt. Ein gewaltiger Fortschritt. Ein Scliiffsboot ge-
hörte notwendig zu jedem Koggen \ Die auf den Danziger
Siegeln sichtbaren Aufbauten, auf Balkengerüsten ruhende
Plattformen mit Brustwehren, und der Grefechtsmars wurden
nur zu Kriegszwecken errichtet.
Zur Kenntnis eines Schiffstyps genügt nicht, daß man
weiß, wie er ausgesehen hat, man will auch seine Größe,
Leistungsfähigkeit und Verbreitung kennen. Schiffs-
ausmessungen fehlen für die ältere Zeit völlig. Die Lastenzahl
der praktisch erprobten Ladefähigkeit bildete den Grrößen-
maßstab. Eine Last ist soviel, wie ein vierspänniger Wagen
oder zwei zweispännige Karren befördern können. Als
Schiffsmaß diente in späterer Zeit allgemein die Dan-
ziger Roggenlast. Sie füllt einen Raum von noch nicht
ganz 3^4 Kubikmetern und wiegt etwas mehr als 4000 Pfund
oder 2000 Kilogramm. Da der Schiffsraum größer war
als der Raum des vom Schiffe verdrängten Wassers, so
mußte das Ladegut spezifisch beträchtlich leichter sein als
Wasser, wenn man nicht einen Teil des Raumes 3er lissen
wollte. Gerade bei einer Roggenladung pflegte die Lade-
fähigkeit eines Schiffes sowohl räumlich wie gewichtlich
voll ausgenutzt zu werden. In den westeuropäischen Ge-
wässern diente als Schiffsmaß das dort am häufigsten
vorkommende Ladegut, das Weinfaß (Faß der Deutschen,
tonneau der Franzosen und ton der Engländer) von vier
Oxhofden. Es war zum Transport auf einem zweispännigen
Karren berechnet und entsprach dem Gewichte nach ziem-
lich genau einer halben Danziger Roggenlast, während der
Raum bei einer Weinladung nicht so vollkommen ausge-
nutzt wurde wie bei einer Kornladung. Schiffsausrüstung,
Proviant, Passagiergut, gewöhnlich auch Bootsleutegut
(Führung) wurden nicht als Ladung gerechnet.
Die Schiffsvermessung zum Zweck der Größen-
bestimmung hat sich zuerst im 16. Jahrhundert in Spanien
im Zusammenhang mit dem Verkehr nach der Neuen Welt ein-
1 Vgl. H. U.-B. II N. 667 § 6: neman scal den bot ofte espingh.
voran van deme cocghen bi nachtiden.
Kogge. 17
gebürgert. Die Amerikafahrer waren vorzüglicli Passagier-
schiffe. Die Ladefähigkeit gab für sie keinen wirklichen
Größenmaßstab mehr ab. Wenn solche Schiffe vom König
in Dienst genommen wurden, so konnte er sie gerechter-
weise nicht nach Tonnenzahl der Ladefähigkeit bezahlen.
Deshalb errechnete man durch Ausmessung des Schiffs-
körpers anstelle der tatsächlichen eine gedachte Tonnenzahl,
nach der diese Schiffe im Verhältnis zu den reinen Fracht-
fahrern richtig bewertet wurden. Von hier aus bürgerte
sich das Vermessungswesen in der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts ziemlich überall in Europa ein. Die Zuverlässig-
keit der Größenangaben ist deshalb aber um nichts besser
geworden.
In älterer Zeit sind Erwähnungen von Schiffsgrößen
sehr selten. Man kann jedoch gelegentlich aus der Ladung
unmittelbar die Größe des Schiffes erschließen. 1212 wurden
in England zwei für flandrische Rechnung mit 100 und 120
Faß Wein beladene Schiffe der englischen Hafenorte Eye
und Hythe arrestiert, die also 50 und 60 Lasten Tragfähig-
keit besaßen ^ Doch sind die mächtigsten Fahrzeuge
damals und noch lange danach schwerlich viel größer
gewesen. Als 1358 die Schiffsabgaben für die auf die
Maas kommenden großen Seeschiffe festgesetzt wurden,
schied man sie in zwei Klassen, solche, die 60 Lasten
Hering und mehr, und solche, die weniger zu führen ver-
mochten -. 60 Lasten Hering sind gleich 48 Eoggenlasten,
Erst von dem Zeitpunkt ab, wo allgemeine Zollhebe-
bücher vorliegen, erhält man einen besseren Begriff von
der Größe der Schiffe. Im hansischen Gebiet ist dergleichen
Material erst von 1368 an erhalten, seit dem zweiten Kriege
gegen Waldemar IV., als man zur Aufbringung der Kosten
einen allgemeinen Pfundzoll in den Seestädten erhob. Die
Schiffsabgabe wurde nun zwar nicht nach der Größe,
sondern nach dem Wert der Fahrzeuge erhoben. In ziem-
lichem Umfang läßt sich jedoch die Tragfähigkeit aus der
1 H. U.-B. I N. 9.3: königlicher Freilassungsbefelil.
2 H. U.-B. III N. 414.
Hagedorn, Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen. 2
18 Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypen.
verzeiclmeten Ladung errechnen, so besonders bei dem
erhaltenen Hamburger Pfundzollbuch von 1369 ^. Da Ham-
burg vornehmlich Massengüter exportierte und feinere
AVaren empfing, sind die Schiffe von liier in der Regel
mit voller Ladung ausgelaufen. Fahrzeuge von weniger als
18 Lasten Tragfähigkeit wird man als Überwattfahrer an-
zusehen haben, was späteren Zeiten entspricht. Von den
598 Ausgängen, an denen insgesamt 280 Schiffe beteiligt
waren, bleibt dann nur etwa ein Drittel für die eigent-
lichen Seeschiffe übrig. Nur bei 22 läßt sich eine Ladung
von mehr als 25 Lasten nachweisen, bei 7 weiteren durch
Vergleichung der Schiffswerte annehmen. Diese 29 Schiffe,
auf die 51 Ausgänge mit etwa 1600 Lasten bei einer Ge-
samtausfuhr von etwa 7000 Lasten und dazu noch schätzungs-
weise 2000 Lasten Holz entfallen, wird man als Koggen
anzusprechen haben. Drei Schiffe konnten bestimmt, zwei
wahrscheinlich mehr als 50 Lasten laden. Der höchste
Schiffs wert, 600 Mark oder 100 Pfund flämisch, ist bei
drei Schiffen verzeichnet. Eins von diesen führte auch,
die größte nachweisbare Lademenge von 60 Lasten.
Anderwärts begegnet man allerdings beträchtlich
höheren Schiffswerten und Schiffsgrößen. So übernahm
Lübeck 1362 von einem Schiffer von Harderwijk einen Koggen
für 15021/2 M. lübisch-. Das Schiff, wohl das mächtigste
der damals gegen Dänemark aufgebotenen Flotte, muß weit
über 100 Lasten groß gewesen sein. AVismar mietete zur
gleichen Zeit einen Koggen von seinen eigenen Bürgern
und einen anderen von einem Rostocker, die mit 450 und 800
Mark bewertet wurden l Einen Anhalt für die Größe gibt
der damals aufgestellte Rüstungsplan, wonach Kiel ein
Schiff von 40 Lasten — wohl Heringslasten — mit 30 Ge-
wappneten und 10 Schützen stellen sollte, während die Be-
satzung der Koggen durchweg auf 100 Mann festgesetzt
1 Nirrnheim, Das Hamburgisclie PfundzoUbucli von 1369. Ham-
burg 1910. Veröffentliclmngen aus dem Staatsarchiv der Freien und
Hausestadt Hamburg, herausgegeben von Dr. Anton Hagedorn, Band I.
2 Lübisches U.-B. IV N. 87.
3 Mecklenburgisches U.-B. XV N. 9052, 9059.
Kogge. 19
wurde \ Selbst wenn man 10 Mann für die als Begleit-
schiffe dienenden Snicken abrechnet, so müßte docli jeder
Kogge gegen 80 Lasten groß gewesen sein.
Auf der wichtigsten Schiffahrt sr oute des hansischen
Seeverkehrs, der sogenannten Baienfahrt, die von den
preußisch-livländischen Städten über Flandern nach der
Bai von Burgneuf südlich der Loire ging und von dort
mit Ladungen groben Seesalzes zurück, waren noch erheblich
größere Schiffe beschäftigt, die bis zu 1900 Maße Salz,
d. h, 133 Roggenlasten und daneben noch ansehnliche Mengen
flandrischer Waren führten. Schiffe von über 100 Lasten
sind in den Revaler Pfundzollbüchern der siebenziger und
achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts gar nichts Seltenes.
Hier entspricht auch ein Schiffswert von 100 Pfund flämisch
gelegentlich einer Schiffsgröße von 100 Lasten i.
Im Verkehr Lübecks tritt jedoch der Kogge noch
mehr zurück als in dem Hamburgs. Die kleinen Schiffe
beherrschen hier vöUig das Bild. Der überaus lebhafte
Verkehr mit den mecklenbiu'gischen, pommerschen, däni-
schen und Schleswig - holsteinischen Küsten wurde ziem-
lich ausschließlich durch kleine und kleinste Fahrzeuge be-
sorgt. Selbst nach Danzig sind noch viele kleine Schiffe
gesegelt, erst darüber hinaus im Verkehr mit Riga, Ber-
nau, Reval und mit Stockholm überwogen die größeren
Schiffe, während sie die Fahrt durch den Sund nach
Bergen und Flandern ziemlich völlig beherrschten. Lübeck
1 H. R. I, I N. 263. 1416 reclmete man allerdings bei Rostock
auf 1 „schip" von 60 Lasten und 2 Snicken 100 Gewappnete (H. R. I, VI
N. 319 § 1). Vgl. über die Rüstung von 1362 Dietrich Schäfer, Die Hanse-
städte und König V^' aldemar von Dänemark (Jena 1879), S. 288 f. u.
S. 298 ff.
1 Vgl. W. Stieda, Revaler Zollbücher und -Quittungen des
14. Jahrhunderts, Hansische Geschichtsquellen V, Halle 1887. Z. B.
S. 41 N. 909: „Hanne Wolderssone den ersten sin kogge und 1900
seit", N. 911—939 Kaufmannsposten, offenbar in Flandern in das
Schiff eingeladene Waren (1381). S. 43 N. 959: „Rosink 1400 soltes
und en kogen", folgen die Kaufmannsposten. Dieser Schiffer be-
v^ertete nach N. 2092 seinen Koggen auf 100 Pfd. flämisch. N. 975 :
„In Kerstancius sin schip 1700 solt", folgen die Kaufmannsposten.
20 Die Elitwickelung der wichtigsten Schiffstj-pen.
hatte damals übrigens im Verhältnis zu seiner Handels-
stellung nur sehr wenig große Schiffe. In Kriegsfällen
sah sich die Stadt regelmäßig genötigt, fremde Schiffe zu
heuernd Elbing, Danzig, Stavoren , Harderwijk haben
sicherlich beträchtlich mehr Koggen besessen.
Die Koggenfahrt war auf die großen Verkehrsrouten
beschränkt. Der Nahverkehr und die Ostseefahrt, die
Fahrt „binnen Landes", wie die Zeitgenossen sie im
Gegensatz zur Fahrt durch die offene Nordsee nannten,
wurden ganz überwiegend von kleinen Schiffen, Schuten,
betrieben-. Von diesen kleinen Fahrzeugen ist kein Bild
vorhanden. Die Ostseeschuten führten einen Mast, ein
Segel mit Bonnets l Im Kriegsfall bekamen sie Riemen
und hießen dann Snicken. Sie haben sich wohl wenig von
den kleinen Segelfahrzeugen unterschieden, die heute noch
an der mecklenburgischen, Schleswig - holsteinischen und
dänischen Küste dem Nahverkehr dienen.
Die Leistungsfähigkeit der Koggen, die Häufigkeit
der Reisen hing sehr von den Wetterverhältnissen ab, da
man nur bei günstigem Winde in See ging. Die Baien-
fahrer machten nur eine Reise im Jahr aus der Ostsee
nach Flandern, weiter in die Baie und zurück"^. Lü-
becker Koggen brachten es bis auf zwei Reisen nach
Flandern und drei über die Ostsee oder nach Bergen '^ Ein
Hamburger Kogge, der mit 600 Mark bewertet wurde, lief
1369 zweimal nach Flandern aus; kleinere Koggen machten
1 H. E. I, VIII N. 99, 1426 Sept. 27, Lübeck an Wismar be-
treffend die Eüstung gegen Erich den Pommer: Ok leven vrunde,
weret dat gii des koggen, de yn juweme depe licht, nicht en be-
dorften, zo bidde wü, dat gii uns densulven kogghen willen over-
geven unde bestellen, dat de schippher darvan by uns kome. An-
fang 1427 kaufte Lübeck in Danzig drei Hulke zum Kriege gegen
Dänemark (das. JST. 181).
2 Anscheinend auch der Verkehr von Danzig nach Schonen,
vgl. H. E. I, VI N. 64 § 2. Vgl. auch H. E. I, VIII N. 195.
3 Vgl. H. E. I, Vni N. 211.
4 Vgl. Stieda, Eevaler Zollbücher und -Quittungen des 14. Jalir-
h.un.derts.
5 Nach den Pfundzollbüchern im Lübecker Staatsarchiv.
Kogge. 21
die Reise dreimal, nach Amsterdam sogar viermal. Da«
sind bei der geringen Ausbildmig der Takelung recht be-
achtenswerte Leistungen, namentlich wenn man sie mit den
Eeisen in sj^äterer Zeit vergleicht, wo Schiffbau und Segel-
technik viel weiter fortgeschritten waren.
Die Längste Zeit lagen die Koggen im Hafen, auf der
AVarte nach günstigem AVind oder mit dem Löschen und
Laden beschäftigt. Diese Tätigkeit beanspruchte sehr viel
Zeit wegen der mangelhaften Hafenverhältnisse. Die
Koggen tauchten außerordentlich tief ein. Bei einem
Schiff von 50 Lasten Tragfähigkeit wird man einen Tief-
gang von 12 Fuß. über 3 m. wenn nicht noch mehr anzu-
nehmen haben, entsprechend der enormen Höhe. Die
Fahrwasserverhältnisse an den detttschen Küsten waren
aber damals, als man noch keine großen Strombauten und
Bagger kannte, bedeutend schlechter als heutzutage. So
traf man überall auf Schwierigkeiten.
Mit den bloßen Landmarken kam die Koggenfahrt
an den deutschen Küsten nicht mehr aus. Allenthalben
begann man Seezeichen aufzustellen, Türme und Baken,
die den Schiffen schon weit draußen auf dem Meere den
AA^eg zum Hafen weisen sollten. Um 1225 gab A\"aldemar II.
von Dänemark die Erlaubnis ztir Errichtung eines hölzernen
Seezeichens auf der weit vorspringenden Halbinsel von
Falsterbo an der Südküste Schönens \ da wo die aus der
Ostsee kommenden Schiffe zur Fahrt dtu'ch den Sund
ihren Kurs nach Norden zu nehmen hatten. 1226 wird
ztierst ein Seezeichen bei Travemünde erwähnt, dessen Besitz
Lübeck damals vom Kaiser verbrieft wurden 1286 plante
Hamburg die Anlage eines Seezeichens mit einer Laterne
auf Xeuwerk^, worauf man am Ende des Jahrhunderts
zum Bau des heute noch stehenden steinernen Turmes
schritt, der als Befestigung imd Seezeichen zugleich
1 H. r.-B. I X. 195.
- Lübisclies U.-B. I S. 47.
3 H. U.-B. I X. 1002.
22 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
dientet Kampen errichtete 1323 auf Terschelling ein See-
zeichen-. 1280 erhielt die Kirche im Briel Erlaubnis zur
Aufstellung von zwei Feuerbaken an der Maasmündung
und zur Erhebung einer Abgabe für deren Unterhaltung.
Seitdem werden die verschiedenen Seezeichen auf der Maas
wiederholt genannt '5. 1358 wurden hier die ersten Seetonnen
zur Bezeichnung des tiefen Fahrwassers ausgelegt^. Etwa
zur gleichen Zeit betonnte Kampen das Marsdiep''.
Hatte man durch die Seezeichen die Gefahren auf
den Zufahrtsgewässern etwas gemindert, so stand man
doch den Unzuträglichkeiten, die die Seichtheit der Häfen
verursachte, machtlos gegenüber. Es gab keinen deutschen
Hafen, in dem ein größerer Kogge ohne vorheriges
Leichtern an die Kajung anlegen konnte. Draußen auf
offener Reede gingen die Schiffe vor Anker und nahmen
hier aus Leichtern, Bordingen und Prahmen die Ladung
über. Schon vom Jahre 1278 liegt eine Stralsunder
Ordnung vor, aus der in allen Einzelheiten klar hervor-
geht, daß die Beladung größerer Schiffe regelmäßig durch
Leichter geschah ^.
1 H. U.-B. I N. 1323. Vgl. Ferber, Der Turm und das Leucht-
feuer auf Neuwerk, Zeitschrift des Vereins für hamburgische Ge-
schichte XIV S. 1 ff.
2 H. U.-B. II S. 192 Anm. 1, 1323 Sept. 28: Vertrag Kampens
mit der Gemeinde von Terschelling wegen der Errichtung von „eyn
voerhuys of ejn marke".
3 Das Quellenmaterial über die Seezeichen auf der Maas ist
zusammengestellt bei Ferber a. a. 0. S. 12, 13.
4 H. U.-B. III N. 414.
5 Ter Gouw, Geschiedenis van Amsterdam II (Amsterdam 1880)
S. 347.
6 H. U.-B. I N. 810: Ordnung für den Hafenverkehr in Stral-
sund. Vgl. die von W. Stein, Beiträge zur Geschichte der deutschen
Hanse bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts S. 28, mitgeteilten
Wassertiefen verschiedener Häfen und Zufahrtsstraßen. E. Daenell,
Der Ostseeverkehr und die Hansestädte von der Mitte des 14. bis zur
Mitte des 15. Jahrhunderts, Hans. Gesch.-Bl. 1902, S. 21, 22: Leichter-
verkehr in Lübeck, Stralsund, Danzig. Häpke, Brügges Entwicklung
zum mittelalterlichen Weltmarkt S. 140, 219: Leichtern im Zwin.
H. U.-B. I N. 1245 : Privileg für Greifswald zur Anlage eines Hafens
Kogge. 23
Mit der Koggenfahrt ist die Grenze der natürlichen
Leistungsfähigkeit der deutschen und niederländischen
Häfen und Zufahrtsstraßen nicht nur erreicht, sondern
eigentlich schon überschritten worden. Besonders zur Gre-
stalt der deutschen Nordseeküste mit ihren weiten Watten
und wandernden Seegaten passen diese tiefgehenden Schiffe
ganz und gar nicht. Man kann daher auch nicht an-
nehmen, daß dieser Schiffstyp hier erwachsen ist.
Allerdings ist sein Name friesischen Ursprungs und
mag soviel wie Kufe, Gefäß bedeuten i. Er begegnet
wohl schon in der Bezeichnung der Friesen, die den Dänen
Eorich aus ihrem Land verjagt hatten und, wie die An-
nales Bertiniani zum Jahre 867 berichten, mit neuem
Namen, d. h. seit kurzem, „Cokingi", was wohl Koggenleute
bedeuten soll, genannt wurden l Sicher trifft man das
Wort Kogge nicht ganz hundert Jahre später in Ver-
bindung mit einer Abgabe, als Cogsculd. Diese Cogsculd
war ein königlicher Zehnt, der auf der Zuiderzee, zweifel-
los von Fischerfahrzeugen, erhoben wurdet Als solche
hat man die ältesten Koggen anzusehen.
beim Dorfe Densche Wyk. Leichterverkelir auf der Elbe: Kopp-
mann, Kämmereirechnnngen der Stadt Hamburg I S. 81, 82.
1 Die Ableitung von Kugel, kogel (Jal, Archeologie navale II
S. 243) ist nach dem Artikel Kugel in Grimms Wörterbuch ausge-
schlossen.
2 Auf diese Stelle hat D. Schäfer, Der Stamm der Friesen
und die niederländische Seegeltung, Marine-Rundschau 1905 S. 1359,
zuerst hingewiesen. SCI. in usum scholarum, Annales Bertiniani (ed.
Waitz) S. 87: Inde revertens [Hlotharius] , hostem ad patriae defen-
sionem per regnnm suum, indicit quasi contra Normannos, putans
Rorigum. quem incolae, qui Cokingi novo nomine dicuntur, a Fresia
expulerant, cum auxiliatoribus Danis reverti.
3 MGH. Dipl. I S. 181; 948 April 1: Otto I. bestätigt dem Stift
Utrecht „decimam partem omnium regalium prediorum et theloneorum
et monetarum, que intra sui episcopatus terminos exiguntur, insuper
et tributorum, que huslatha et cogsculd dicuntur, res etiam in viUa
quondam Dorsteti, nunc autem Wik nomin ata" . . . Hier kann man
zweifeln, ob nicht für cogsculd clipsculd stehen muß. Doch ebenda
S. 195; 949 Juni 30: Otto I. schenkt dem Stift Utrecht „totam pisca-
tionem, quam hucusque in Amuson et in Almere ad nostrum regale
24 Die Entwickelung der wicMigsten Schiffstypen.
Ob sich aber aus den Fischerbooten der Zuiderzee ein
großes Handelsschiff wie der Kogge in langsamer Ent-
wickelung herausgebildet haben kann, diese Frage wird
man verneinen müssen; ebenso wie es völlig ausgeschlossen
ist, daß aus den schlanken Wikingerfahrzeugen das breite
hochbordige Lastschiff des Kaufmanns hervorgegangen ist.
Für die Gewässer der friesischen Küste ist der tiefgehende
Kogge so ungeeignet wie nur möglich und mißachtet der-
artig die natürlichen Verhältnisse des Wattenmeeres, daß
man auch nicht glauben mag, die Friesen könnten für ihren
frühbezeugten Verkehr mit England den Typ des schweren
tiefgehenden Lastschiffes geschaffen haben. Ihrer Natur
nach gehört diese Schiffsart an eine gegliederte, buchten-
reiche Küste mit tiefen geschützten Häfen, nicht an das
Flachufer der friesischen Nordsee.
Nef.
Als mit dem Beginn des 13. Jahrhunderts der See-
verkehr für das historische Erkennen mehr und mehr
faßbar wird, hebt sich als eine der wichtigsten Verkehrs-
routen die Fahrt mit Wein von Westfrankreich nach
England, und vor allem nach Flandern hervor. In ganzen
Flotten segelten hier die Schiffe. Hier ünden sich auch die
natürlichen Bedingungen zu einem Verkehr mit schweren
Lastschiffen, wie es die Koggen des 1-3. und 14. Jahr-
hunderts waren. Flandern mit seinen Häfen gehört zwar
noch zum Gebiet der Flach- und Wattenküste, hatte aber
ehedem außerordentlich günstige Zufahrtswege von der
ius habere videbamur, omneinque censum qui vulgarice cogsculd vo-
catur". Was man unter cogsculd zu verstehen hat, zeigt das G-üter-
verzeichnis von St. Martin in Utrecht um 960 (van den Berg, Oor-
kondenboek van Holland en Zeeland I N. 33). Darin werden aufge-
zählt: „In Dalmersce tota piscatio sancti Martini. In Amuthon vii
were ad piscandum. In Getzewald in flumine Venapa omnis piscatio
sancti Martini. In Almere regalis decima census, qui vocatur cog-
scult. In Nesse villa cum omni piscatione, decima etiam in Almere
de sagenis sancti Martini est" usw. Die Abgabe steht inmitten von
lauter Fischereigerechtsamen und läßt keine andere Deutung zu.
Nef. 25
See her. WeiterMn im Westen beginnt alsbald der Kanal,
die Hofden, wie der treffende deutsche Name lautet, die
häupterreiche Küste mit ihren weiten Buchten und ge-
schützten Reeden am englischen Ufer, und dann folgt das
reichgegliederte bretonische und westfranzösische Gestade.
Von dieser Route aus muß das große Lastschiff zu den
nordöstlichen Völkern gelangt sein.
Man wird seinen Ausgangspunkt, die Entstehung und
Ausbildung des Types nicht in Flandern, sondern viel-
mehr in Westfrankreich zu suchen haben. Denn seine
Existenz beruhte auf einem Verkehr mit Massengut. Dieser
ging aber nicht von Flandern aus, sondern es war der
westfranzösische Wein, der die Schiffe füllte, während die
Fahrt in der anderen Richtung häufig unter Ballast ge-
segelt wurde.
Es sprechen triftige Gründe für diese Annahmen.
Vor allen Dingen ist auf dieser Route das Schiffrecht er-
wachsen, das nachher von allen europäischen Nationen
der atlantischen Küste übernommen worden ist. West-
franzosen haben es geschaffen fiü' ihren Verkehr mit Wein
von la Rochelle und Bordeaux nach Flandern \ Wäre das
große Lastschiff anderen Ursprungs, so wäre wohl auch
das allgemeine Seerecht auf einer anderen Route entstanden.
Die Röles d'Oleron kennen den Namen Kogge nicht,
sie schreiben Nef, ein Zeichen dafür, daß bei der Kodifikation
der seerechtlichen Bestimmungen das Wort Kogge noch nicht
zur Bezeichnung des schweren Lastschiffs gebraucht wurde.
Tatsächlich tritt es auch erst mit dem Beginn des 13. Jahr-
hunderts als Typenname für große Schiffe auf. Beim Kreuz-
zug gegen Ägypten 1217—22, wo bei der Belagerung von
Damiette mehrfach friesische und deutsche Koggen in
Tätigkeit getreten sind % erscheint es schon im allgemeineren
^ Vgl. Theodor Kiesselbacli, Der Ursprung der roles d'Oleron
und des Seerechts von Damme, Hansische Gesch. - El. 1906 S. 1 ff.
Statt weiterer Literaturangaben sei hier auf Joachims Anzeige, Zeit-
schrift d. V. f. hamburgische Gesch. XHI S. 170, 171 verwiesen.
2 OHveri relatio de expeditione Damiatina, cap. 5 (ed. Waitz als
Anhang VI in Chronica regia Coloniensis SS. E. G.): Anno gratie
26 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Gebrauch. Die seit 1202 erhaltenen Register König Johanns
von England erwähnen 1206 zum ersten Mal einen Koggen
(coga)\ dann erst wieder 1210. Damals befahl der König
die Auszahlung von Geldern an die Schiffer von fünf
aus Friesland gekommenen Koggen ■'^. Hier und bei den
Deutschen muß damals schon dieser Schiffstyp allgemein
verwendet worden sein. 1211 verlieh Kaiser Otto IV. den
Bürgern von Ratzeburg das Recht, von Wismar aus mit
beliebig vielen kleinen und zwei großen Schiffen, die man
;„Cogken" nennt, Seefahrt zu treiben^. Seitdem wird die
Bezeichnung auch in den englischen Quellen immer häufiger
gebraucht, vornehmlich für Schiffe der deutsch-friesischen
Nordseeküste, weniger für die der anderen Nationen. Flan-
drische, friesische, Kölner und Bremer Koggen werden in
den folgenden Jahren wiederholt in englischen Häfen
erwähnt^.
Ganz besonders interessant ist eine Urkunde von
1226, in der König Heinrich III. die Freigabe eines ganzen
flandrischen Geschwaders befiehlt l Es waren sechs Koggen
(cogae) und sieben Schiffe (naves), die zusammen mit noch
zwei weiteren Schiffen in einer Flotte gesegelt waren.
Sie hatten in den damals vom französischen König be-
setzten Häfen la Rochelle, Saint Jean und einem Ort „Seno-
manum" Wein geladen und waren deshalb nach England
aufgebracht worden. Offenkundig werden hier Koggen und
Nefs voneinander unterschieden. Aber während sonst der
Gemeinname „Schiff" allenthalben, wo er zur Bezeichnung
1217, postquam coggones (so die ganze Kli-euzfahrerflotte bezeichnet)
ad portum Acontanum applicuerunt . . . Unde accidit, ut in ascen-
sione Domini, quando naves ingredi debebant inrati, ex insperato
viginti tres coggones subsequentes applicarent. — Ex historia expe-
ditionum in terram sanctam 1217—1219 cap. 6, 7 (ebenda VII); ferner
MG. SS. XVII (Annales Colonienses maximi), 833 !■% ^o^ 83420.
1 Th. Dnffus Hardy, Rotuli Htterarum clausarum in turri Londi-
nensi asservati I (London 1833) S. 72.
2 H. U.-B. I N. 82.
3 Das. N. 87.
4 H. U.-B. I N. 95, 104, 125, 140, 166.
5 Das. N. 201.
Nef. 27
eines besonderen Typs dient, für die größte Schiffsart
angewandt wird, stehen hier die Nefs an zweiter Stelle,
hinter den Koggen. Zweifellos ist das sekundär und haben
die Nefs einstmals den ersten Platz eingenommen, von dem
sie jetzt durch den Neuauf kömmling, den Koggen, ver-
drängt werden. Auch das anfangs spärliche, dann immer
häufigere Vorkommen dieser Schiffsbezeichnung in den
Registern der englischen Könige zwingt zu dem Schluß,
daß die Koggen erst seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts
in dem Überseeverkehr erschienen sind.
Beide Typen Kogge und Nef stellten schw^ere Last-
schiffe dar. Aus englischen Quellen können wir entnehmen,
daß sie an Größe und Tragfähigkeit einander nichts nach-
gaben. Sie hatten auch die gleiche Takelung i. Schiffe
beider Gattungen segelten außerdem in Geschwadern ver-
eint, nicht nur zu kriegerischen Unternehmungen, sondern
auch als gewöhnliche Kauffahrer. Hätten die Nefs nun
andere Grundformen und Proportionen als die Koggen be-
sessen, so wären sie auch auf andere Fahrtbedingungen
angewiesen, vielleicht schneller und dafür w^eniger seetüchtig
gewesen. Eine gemeinsame Reise hätte dann keinen prak-
tischen Zweck gehabt. Daher bildet das Zusammensegeln
von Kauffahrern beider Typen den unwiderleglichen Beweis
für ihre innige Wesensverwandtscliaft.
Wodurch beide Arten sich voneinander unterschieden,
auch das läßt sich mit völliger Sicherheit sagen: es war die
Art der Steuerung. Das Nef führte das Ruder noch an
Steuerbord, der Kogge am Heck. Da der Kogge sich
bereits in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts
allenthalben an der deutschen und friesischen Küste durch-
zusetzen vermochte, so zeigen auch die Schiffe auf den
Siegeln der deutschen und friesischen Städte sämtlich das
Hecksteuer. Eine Ausnahme macht allein das älteste Siegel,
das von Lübeck. Das auf ihm in groben Formen abge-
bildete Schiff stellt wohl den aus dem Westen gekommenen
' Vgl. über beides die folgenden Ausführungen, sowie die Bilder.
28 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen,
Vorgänger des Koggen dar^ Die Einführung des Heck-
ruders bei dem Typ des schweren Lastschiffes ist sicherlich
an der friesisch - deutschen Küste erfolgt. Wahrscheinlich
ist diese Form der Steuerung zuerst bei den kleinen Fischer-
booten der Zuiderzee angewandt und von diesen dann auf
die großen Nefs übertragen worden, wobei der Name mit-
wanderte.
Auch in Flandern ist das Heckruder schnell in Auf-
nahme gekommen. Ein einfaches Nefsiegel liegt noch für
Nieuport vom Jahre 1237 vor, ein weniger gutes für Gra-
velingen von 12442. In der Dammer Zollrolle von 1252^
wird das Seitenruder nur bei kleineren Fahrzeugen er-
wähnt und gilt hier als ein Grrund zu geringerer Be-
wertung gegenüber anderen Schiffen der gleichen Klasse,
die ein Hecksteuer hatten.
Bei den westlichen Völkern, Engländern, Franzosen
und Spaniern, hat sich jedoch die Neuerung nur sehr lang-
sam einbürgern können. Die Ausbreitung läßt sich an
Hand der englischen Quellen am besten verfolgen.
1210 wurden für den Dienst des englischen Königs
ein Kogge und fünf Nefs geheuert^. Eustache le Meine
soll 1216 in Calais und den benachbarten Häfen eine Flotte
von 600 Schiffen und 80 Koggen zur Überfahrt nach
1 Daß dies Siegel kein Nordmanneuschiff wiederzugeben braucht,
lehrt der Vergleich mit dem ähnlich gehaltenen Siegel der englischen
Stadt Lyme Regis. Das Siegel von Tondern, das ebenfalls ein
bauchiges Schiff mit Seitensteuer darstellt, liegt erst aus so sj)äter
Zeit vor, daß man es hier nicht heranziehen kann.
^ Abgebildet in Les armoiries de la ville de Paris II, Tafel 5.
Das älteste Siegel von Damme (von 1226), das nach Jal, Archeologie
navale II S. 367, sehr grob gehalten sein soll, habe ich nicht zu
Gesicht bekommen können. Ob das von Demay, Revue archeologique
1877 Tafel XXI, abgebildete Nefsiegel von 1307, bei dem die KasteUe
auf dem Schiffsrumpfe aufliegen, Nieuport zugehört, bleibt dahin-
gestellt.
3 H. U.-B. I N. 432 : Navis que dicitur envare, que habet remex
retro j)endens, debet comiti 4 d. et feodatis 4 d. , si vero remex in
latere navis pendeat, navis debet comiti 2 d. et feodatis 2 d.
4 Laird Clowes, The Royal Navy I, S. 112, nach Issue Rolls, 154.
Nef. 29
England znsammengebraclit liaben^. Noch um die Mitte
des Jalirliunderts waren Koggen in England selten. Die
Elotte, mit der König Heinrich III. 1242 den königlichen
Schatz von England nach Bordeaux bringen ließ, bestand
aus dreizehn Nefs, zwei Koggen und einem unbezeichneten
Schiff. In den königlichen Zahlungsanweisungen für die
Schiffer- wird auch die Stärke des Bootsvolks, das jeder
an Bord hatte, genannt. Daraus läßt sich auch ein Bild
von der Größe der beiden Schiffsarten im Verhältnis zuein-
ander gewinnen. „Die große Kogge" von Southampton^
führte 26 Bootsleute, zwei Nefs und das unbezeichnete
Schiff je 23, „die Kogge" von Eye 21, je zwei Nefs 18
und 19, vier je 17, je eins 16, 15 oder mehr^ und 13.
Man sieht also, daß beide Schiffsklassen sich in der Größe
kaum unterschieden haben können. Erst gegen Ende des
Jahrhunderts wird der Neftyp verdrängt. Eine Liste der
Flotte, die von den Fünfhäfen 1299 und 1300 gegen die
Schotten gestellt wurde ■% nennt zwar bei den meisten
Schiffen nur den Namen und nicht den Typ, zeigt aber
auch so den Fortschritt, den die Koggen gemacht hatten.
Zum Hastings-Kontingent stellte Hastings zwei Fahrzeuge,
eins davon als ;,Schiff" bezeichnet, mit je 20 Mann außer
dem Schiffer, Pevensey eins. Eye drei, Winchelsea fünf
Fahrzeuge, nämlich vier Koggen und eine Snake, mit je
41 Mann. Die beiden Fahrzeuge von Romenhale mit je 41 und
drei von Hythe mit je 20 Mann, sind nicht bezeichnet, das
vierte von Hythe mit 41 Mann ist dagegen als Schiff aufge-
führt. Im Dover -Kontingent war Dover selbst mit acht
Fahrzeugen von 34 bis 41 Mann, darunter einem Koggen
mit 41 und einem Schiff von 36 Mann vertreten. Faversham
1 Eoger of Wendover, Chronica III S. 367, 368: Venientes igi-
tur universi ad Caleis portum, inveneruut ibi sexcentas uaves et quater
viginti coggas bene paratas.
2 Roles Gascons (CoUection de documents üiedits sur Thistoire
de France) I N. 254—257.
3 N. 255 lies „magistro magne coge Southamtonie" statt „ma-
gistro magecoge Soutbamtonie".
■* Die Zahl ist nicht völlig lesbar.
5 Laird Clowes, The Royal Navy I S. 181.
30 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
stellte ein Fahrzeug mit 39, Folkestone einen Koggen von
24 Mann Besatzung. Unter den drei Fahrzeugen von
Sandwich mit je -il Mann, wird eins als Schiff, eins als
Kogge bezeichnet.
Die Angaben über das Kontingent von Winchelsea
zeigen klar die Vorherrschaft des Koggen. Immerhin hat
es noch tief im 14. Jahrhundert Nefs gegeben ^
Die Bilder bestätigen diese Entwickelung. Sämtliche
englischen und französischen Schiffssiegel des 13. Jahr-
hunderts zeigen Nefs, schwere Lastschiffe mit Seiten-
steuer-. Eins der besten, das von Winchelsea ist oben^
abgebildet. Es ist nur eines aus einer großen Zahl. Fast
jede der einst so wichtigen und heute vergessenen Seestädte,
die zum Kreis der „Fünfhäfen" gehörten, hat ein Schiff
im Siegel geführt und daneben noch viele andere englische
Hafenstädte. Solche Nefsiegel liegen vor von Yarmouth
(1280), Dunwich (1269), Ipswich, Faversham, Sandwich (1238),
Fordwich, Dover (1281), Hythe, Romney, Lydd, Hastings,
Pevensey, Portsmuth, Southampton, Poole (1315), Newtown
ai^f Wight, Melcombe Regis, Lyme Eegis, Dartmouth,
Bristol und noch anderen Orten, bald in schlechterer, bald
in besserer Ausführung'*.
1 1338 hatte der größte englische Kogge 240 Tonnen, das größte
Nef 180 Tonnen Tragkraft (Laird Clowes, The Royal Navy I S. 144).
" Das Koggensiegel von Ipswich (s. Tafel XI) setze ich in das
14. Jahrhundert.
3 Tafel IV.
■1 Daß diese Siegel keine Nordmannenschiffe wiedergeben, wird
bei einiger Aufmerksamkeit jeder erkennen. Die Gleichartigkeit von
Bug und Heck, das Fehlen des Ankerhebebalkens (Bugspriets) bei den
älteren — bei einigen liegt er neben dem Vordersteven — können
vielleicht dazu verführen. Die Aufbauten, die auf dem Siegel von
Faversham zu regelrechten Kastellen geworden sind, liefern den Beweis
für den wahren Charakter der Schiffe. Ob das Siegel von Poole ein
Nef darstellen soll, mag dahingestellt sein. Abbildungen der meisten
dieser Siegel finden sich bei Gale Pedrick, Borough Seals of the Gothic
Period (London 1904), andere bei Jal, Archeologie navale, E. Paris,
Le Musee de Marine du Louvre (Paris 1883).
Nef.
31
2. Siegel von la Eoclielle (1308).
Aus Les armoiries de la ville de Paris II. Tafel 5.
Französische Nefsiegel sind von Calais, Paris und la
Eochelle, spanisclie von San Sebastian (1335) und Santander
erhalten ^. —
Aus alledem
geht hervor, daß
der T}^ des großen
Lastschiffes älter
ist als das Auf-
kommen des Heck-
ruders und älter
als die damit ver-
bundene Einfüh-
rung der Bezeich-
nung Kogge. Will
man aber ihn
weiter hinauf in
ältere Zeiten ver-
folgen, so stößt
man alsbald auf
Schwierigkeiten. Es läßt sich noch behaupten, daß die
Ki^euzzugsflotte, die 1147 Lissabon erobert hat, eine ein-
heitliche Seglei-flotte gewesen sein muß-. Darüber hinaus
versagt das Material. Wo einmal bestimmtere Nachrichten
über ein Schiff vorliegen, betreffen sie stets ein Ruder-
fahrzeug.
Ob das aber als ein Beweis für das Fehlen großer Last-
schiffe in früheren Zeiten gelten kann, wird man doch
bezweifeln müssen. Man muß berücksichtigen, daß alle
1 Das von Calais (s. Demay, Le costume au moyen äge d"apres
les sceaux, S. 260) schließt sich eng an die englischen an, zu denen
es auch eigentlich zu rechnen ist. Das Pariser Siegel soll nach dem
Herausgeber von Les armoiries de la ville de Paris, Comte de Coet-
logon, ein Flußschiff darstellen. Doch ist das wohl kaum anzunehmen
da späterhin die Mercatores aque Parisius stets das Bild eines großen
Seeschiffes im Siegel führten. Auch gleicht das Siegel ziemlich dem
von Nieuport. Das vortreffliche Siegel von San Sebastian ist abge-
bildet von Demay in Eevue archeologique 1877 Tafel XXI.
- Vgl. Kurth, Mitteil. d. Instituts f. österr. Gesch. -Forsch., Erg.-
Bd. VIII S. 134 ff.
32 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
älteren Nacliricliten über das Seewesen an den englischen
und westeuropäischen Küsten lediglich die Kriegsflotte be-
treffen. Es ist nun aber einmal das bewegliche Ruderboot
dem vom Winde abhängigen Segler überlegen. Ein Land, das
sich der Angriffe feindlicher Ruderbootsflotten erwehren
will, kann dies nur wieder durch Ruderschiffe. So mußte
König Alfred von England Ruderfahrzeuge gegen die
Dänen in See bringen, so holten die Bewohner der Küste
von Galicien, um den maurischen Korsaren entgegentreten
zu können, einen Galeerenbaumeister aus Genua ^. Daß die
Bevölkerung dieser Länder vorher keine Seefahrt getrieben
hat, wird man nie und nimmer daraus schließen können.
Durch das ganze Mittelalter hindurch geht das Bestreben, die
Galeere auf dem Ozean einzubürgern. Namentlich in den
Kriegen zwischen den Königen von England und Frank-
reich haben die Ruderschiffe, die häufig von Italienern
geführt wurden, eine außerordentliche Bedeutung besessen^.
Selbst Oleron und Bayonne hatten dem englischen Könige
mit Ruderschiffen zu dienen^. Die hansischen Frede-
koggen hatten stets Snicken, Schuten mit Riemen, als
Begleitschiffe. Die Einführung der Feuerwaffen hat die
taktische Überlegenheit der Ruderschiffe ausgeglichen.
Aber noch bei den Vorbereitungen Parmas zum Übergang
nach England 1587/88 und denen Napoleons 1804 spielten
sie eine große Rolle. Erst das Aufkommen der Dampfschiffe
hat die von Menschenhand bewegten Fahrzeuge aus den
Kriegsflotten verdrängt. Die chronikalische Überlieferung
der älteren Zeit ist nun aber einmal so gestimmt, daß sie
1 Duro, La Marina de Castilla (Historia General de Espana,
Madrid 1894), S. 19.
2 Vgl. Laird Clowes, The Royal Navy I u. a. S. 236, 237, 245.
In Westfriesland, Holland und Zeeland waren noch am Anfang des
15. Jahrhunderts zu Kriegszügen von den Bewohnern vieler Ort-
schaften Ruderer zu stellen. (Vgl. van Mieris, Groot Charterboek der
Graaven van Holland III S. 664, 681, 688, 689, 720, 795.)
3 Roles Gascons I N. 2, 1242 Juni 6 : (De galeis faciendis) Rex
majori et probis hominibus suis insule Oleronis: Mandamus vobis, quod
fieri faciatis bargias nostras, que nobis de feodo debentur in insula
Olerone. Das. N. 26: ähnlich an Bayonne. Vgl. N. 39, 157, 314.
Nef. 33
von den Kriegsfahrzeugen viel, von anderen wenig oder
nichts zu berichten weiß.
La Rochelle, Bordeaux und Bayonne waren zu dem
Zeitpunkt, wo die historischen Nachrichten reichhaltiger
werden, längst mächtige Handelsstädte, die Insel Oleron
emer der hervorragendsten Reedereiplätze des englischen
Königs. In der Kreuzzugsflotte von Richard Löwenherz
fungierten neben drei anderen der Bischof von Bayonne
und em Oleroner als Geschwaderführer i. Die besten Zeugen
dafür, daß die Seefahrt mit großen Lastschiffen an der
westfranzösischen Küste uralt ist, sind aber die seerecht-
lichen Kodifikationen, das Schiffsstatut von Bayonne aus
dem Anfang des 13. Jahrhunderts und die noch älteren
Roles d'Oleron. Solche Bestimmungen erwachsen nicht
mnerhalb weniger Jahre, sondern setzen eine Übung und
langsame Entwickelung durch viele aenerationen voraus ^
Ebensowenig kann ein solcher Massenverkehr mit Wein wie
ei" am Anfang des 13. Jahrhunderts von Westfrankreich nach
Flandern und kaum minder stark nach England«^ ging
innerhalb weniger Jahrzehnte emporgekommen sein-^.
Man muß sehr weit zurückgehen, bis man wieder
einen Embhck in das Schiffswesen dieser Gegenden machen
1 Chronica magistri Rogeri de Hovedene (Rerum Britamiicarum
medn aevi scriptores) III S. 42: Willelmus de Forz de Ulerun Die
oberste Führung hatte der Erzbischof von Auch, ebenfalls ein
Aquitanier.
2 Vgl. A. Kiesselbach, Die wirtschaftlichen Grundlagen der
deutschen Hanse und die Handelsstellung Hamburgs (Berlin 1907)
b. 74ft. ^Die Constitutio navium Bajonensium ist gedruckt bei Par-
dessus, Collection de lois maritimes IV S. 283 ff,
3 Auf die Bedeutung des Verkehrs nach England hat P. Studer
The Oak Book of Southampton (Publications of the Southamptoi^
Eecord Society) n S. XXXIV, mit vollem Recht hingewiesen
^ Vgl. H. U.-B. III N. 603. Die viel zitierte Stelle der Lütticher
Annalen des Mönches Reiner (MG. SS. XVI65in), worin zum Sommer
1198 bemerkt wird: „vinum de Rochella primum in hanc civitatem
est advectum" besagt gar nichts über das Alter des Handels mit west-
französischem Wein in Flandern, da Lüttich selbst in einer Weinbau-
gegend liegt und derselbe Chronist im Herbst (65450) notiert: Vinum
carum". "
Hagedorn, Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstj^ien. 3
34 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
kann, bis an den Anfang unserer historischen Kenntnis
überhaupt. Cäsar hat bei der Unterwerfung Galliens die
Völker der westlichen Küstenlandschaften zur See be-
kämpfen müssen und bei dieser Gelegenheit eine anschau-
liche Schilderung von ihren Schiffen gegeben. Es waren
mächtige kielgebaute Fahrzeuge, ganz aus Eichenholz, von
solcher Festigkeit, daß ihnen die Römergaleeren mit den
Sporen keinen Schaden zufügen konnten, und so hoch, daß
sie sich nicht gut beschießen ließen, da sogar die auf den
Römerschiffen errichteten Türme von dem hochgezogenen
Bug und Heck der Barbarenfahrzeuge überragt wurden.
Die Anker lagen an eisernen Ketten. Die Segel waren
aus Leder, entweder weil man die Verwendung von Leinen
nicht kannte, oder weil man, „was wahrscheinlicher ist",
meinte, daß Leinensegel der Gewalt der Winde des Ozeans
nicht gewachsen sein würden, oder daß sich mit ihnen „so
schwere Schiffe" nicht gut fortbewegen ließen. Die Römer
überwanden die Keltenilotte , indem sie Sicheln an langen
Stangen befestigten und mit ihnen die Taue zerschnitten,
die die Rahen oben am Mast hielten, so daß sie herabfielen.
Die Schiffe, die allein auf ihre Segelkraft angewiesen
waren, verloren so ihre Bewegungsfreiheit und wurden
einzeln überwältigt ^
Die Beschreibung, die Cäsar von ihnen gibt, könnte
mit ganz geringfügigen Änderungen auch für die Nefs
und Koggen gelten. Man betrachte nur das eine cha-
rakteristische Merkmal, das der Römer erwähnt, die hoch-
1 Caesar, De hello Gallico III, 13, 14. „Die Kiele etwas flacher
hergestellt, damit sie desto leichter Untiefen und Ebbe begegnen
könnten". Diese Worte dürfen nicht dahin ausgedeutet werden, daß
die Schiffe nicht tief eintauchten. Die Höhe erfordert naturgemäß
einen entsprechenden Tiefgang. „Transtra pedalibus in altitudinem
trabibus confixa clavis ferreis digiti j)ollicis crassitudine" ist wohl zu
übersetzen: Die Überlauf sbalken (Deckbalken) mit den Spanten durch
eiserne Nägel von Daumenstärke verbunden. Es mag dem entsprechen,
was man später „doerbalct scip" (H. IT.-B. I N. 1033) oder „magna
navis trabeata" (das. N. 432) bezeichnete.
Nef. 35
gezogenen Bug- und Heckbalken auf dem oben abgebildeten
Siegel von La Rochellei.
Von dem Handel der keltischen Seefahrer berichtet
Cäsar keine Einzelheiten, nur daß eine lebhafte Fahrt nach
Britannien unterhalten wurde. Das Vorhandensein solcher
mächtiger Seeschiffe setzt aber einen großen Massengüter-
verkehr voraus. Worin dieser bestanden hat, weiß man
nicht, wie ja überhaupt die Beschreibung der großen Kelten-
schiffe bei Cäsar einzig dasteht und ohne sie beinahe
völliges Dunkel über dem älteren Seewesen dieser Küsten
ruhen würdet Eine Nachi^cht aus Julians Zeit besagt
daß damals noch 800 Schiffe in der Getreidefahrt zwischen
G-allien und Britannien tätig waren 3.
Ob der Verkehr auf diesen Gewässern später zugrunde
gegangen ist, oder ob er nicht vielmehr auch unter den
ärgsten Piratennöten immer, wenn auch in beschränktem
Umfang fortbestanden hat, und ob die Kenntnis vom Bau
der starken hochbordigen eichenen Segelschiffe, deren
nautische Überlegenheit über die Eömerfahrzeuge Cäsar
nicht genug zu betonen wußte, jemals den Bewohnern dieser
Küsten verloren gegangen ist, darauf läßt sich bei dem
Schweigen der Quellen keine sichere Antwort geben *
Aber über wie viel Dinge fehlt nicht jede Über-
heferung. Was wüßten wir von Wisbys Größe und Be-
deutung, wenn nicht die Ruinen und die Schätze des
Bodens Zeugnis von der Vergangenheit ablegten. Man
muß sich immer vergegenwärtigen, daß unsere ganze
^ 1 S. 31. Auf dem Siegel von Winchelsea (Tafel IV) sind dahinter
die kriegsmäßigen Aufbauten errichtet, die bei einem einfachen Kauf-
fahrer fehlten.
2 Vgl. die Zusammenstellung älterer Quellennachrichten bei
Francisque-Michel, Histoire du commerce et de la navigation ä Bordeaux
(iiordeaux 1867) I Kap. 1.
3 Vogel, Prähistorische Zeitschrift IV S. 13, nach Zosimus III 5
(Mon. Hist. Britt., S. LXXVId).
■* Vgl. Vogel, Hansische Geschichtsblätter 1907 S 161- Zeug
nisse irischen Seeverkehrs an den westfranzösischen Küsten im frühen
Mittelalter. Laird Clowes, The Royal Navy I S. 60.
3*
36 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Kunde von den großen Gallierschiffen auf einem einzigen
zufällig erhaltenen Berichte, dem Cäsars, beruht^.
Wenigstens später haben Westfrankreich und die Bre-
tagne eine hervorragende Bedeutung für die Entwickelung
des Schiffswesens in Europa besessen. Von hier aus ist
auch der Kogge ins Mittelmeer eingeführt worden.
Die Lastschiffe des Mittelmeeres.
Wo sich die Schiffahrtsleistungen der südlichen Natio-
nen mit denen des atlantischen Europas zu messen hatten,
da haben die Mittelmeervölker stets den kürzeren gezogen.
Sie haben allein den Typ der Galeere, das Ruderschiff, zu
einer gewissen Vollkommenheit ausgebildet. Doch ist die
Galeere trotz vieler Versuche nie auf dem Ozean heimisch
geworden. Sie hat auch nicht die Seefestigkeit des leichten
nordgermanischen Ruderbootes besessen. Die Segelschiff-
fahrt des Mittelmeerbeckens ist stets den Einflüssen, die von
der atlantischen Seite herkamen, unterlegen. Diese Ein-
wirkungen äußerten sich nicht in der Form eines stetigen
Austausches von Fähigkeiten und Kenntnissen, sondern
ruckweise und hatten regelmäßig eine völlige Rezeption
der nordischen Typen zur Folge.
Die Verbindung zwischen den beiden Seiten Europas
ist wohl seit der Römerzeit nie ganz unterbrochen gewesen.
862 haben die Normannen einen Raubzug ins Mittelmeer
unternommen. Später haben sie dann wiederholt als Pilger
und, um gegen die Sarazenen in Unteritalien zu kämpfen,
die Straße von Gibraltar passiert. Die Kreuzfahrten
schließen sich unmittelbar daran. Sie haben schon zur
Zeit des ersten Kreuzzugs, dann wieder 1147, 1189, 1190
1 Was daneben z. B. bei der ersten Expedition gegen Britannien
(Lib. III cap. 21ff.), auf der Cäsar requirierte Gallierschiffe als Trans-
portfahrzeuge benutzte, bO für zwei Legionen, von den Schiffen gesagt
wird, gibt kein klares Bild.
Die Lastschiffe des Mittelmeeres. 37
und 12171 größere nordisclie Flotten ins Mittelmeer geführt.
Auf der letzten Fahrt, bei der Belagerung von Damiette,
werden auch die Koggen zuerst im Mittelmeer genannt.
Späterhin haben die italienischen Galeeren vielfach in
englischen oder französischen Diensten den Atlantischen
Ozean aufgesuchte Trotzdem stand das Seewesen beider
europäischen Küstengebiete lange Zeit selbständig mit
eigenen Typen nebeneinander.
über das Schiffswesen der südlichen Nationen sind
wir weit besser unterrichtet, als über das des Atlantischen
Ozeans. Unsere Kenntnis geht hier in frühere Zeiten zurück.
Die Seegesetzgebung der italienischen Stadtrepubliken ist
viel reichhaltiger und beschäftigt sich viel mehr mit allen
Einzelheiten der Schiffsausrüstung und des Verkehrs, als
das im Norden je geschehen ist. Während in der Klein-
schiffahrt hier wie an den atlantischen Küsten eine große
Mannigfaltigkeit der Formen gewaltet haben mag, fanden
sich die beiden Haupttypen, die Galeere und das große
Lastschiff, gleichmäßig bei Sarazenen und Christen, an den
Küsten der iberischen Halbinsel sowohl wie in Ägypten.
Aus der Zeit der Kreuzzüge liegen Bau- und Heuerverträge
vor, auf Grund deren man mit Erfolg eine Rekonstruktion
des Typs der großen Mittelmeerlastschiffe hat vornehmen
können^.
1 Noch 1270 ist eine größere Flotte vom Atiantischeu Ozean
ins Mittelmeer gegangen. Kleinere Eahrten haben zwischendurch
stattgefunden.
2 Z. B. 1295 eine sehr starke Flotte von Genua und Marseille
im Dienste Philipps IV. von Frankreich (vgl. Laird Clowes, The Royal
Navy I S. 207).
3 Vgl. Jal. Archäologie navale II Memoire 7: Sur les vaisseaux
ronds de Saint Louis, wo die Verträge abgedruckt, erklärt und dann
danach die Schiffe im Längs- und Querdurchschnitt entworfen worden
sind. Jal zeichnet die vorderen Masten fälschlich senkrecht, während
sie tatsächlich schief nach vorn geneigt waren. Vgl. die umstehende
Abbildung, ferner bei Duro, La Marina de Castilla Tafelt, 10 und 11,
sowie S. 61.
38
Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Es waren große kastenförmige Fahrzeuge^ mit kurzem
runden Vorder- und Hinterteil und einem langen, gleich-
mäßig gestalteten Mit-
telschiff. Einige von
ihnen trugen drei Decks
übereinander und an
beiden Enden noch Auf-
bauten darüber. An je-
der Seite hatten sie ein
Steuerruder , das aus
einer Öffnung der Bord-
wand schräg herabhing.
Sie führten in der Regel
zwei Masten. Doch gab
es auch Dreimaster. Ein
solcher ist auf einem
Mosaik des 12. Jahr-
hunderts im Markus-
dom in Venedig abge-
bildet. Die Masten
Großes Mittelmeerlastschiff
(12. und 13. Jahrhundert).
Aus Lapidario del Rey D. Alfonso X.
[Madi-id.]
trugen je ein dreieckiges, sogenanntes lateinisches Segel
an einer aus zwei Stücken zusammengesetzten Rah.
Für jeden Mast wurden Ersatzrahen und zwei bis vier
Segel von verschiedener Größe mitgeführt, die je nach der
Stärke des Windes ausgespannt wurden. Für damalige Ver-
hältnisse waren die Schiffe kolossal. Wiederholt hört man
von Fahrzeugen, die 1000 und mehr Mann an Bord hatten^.
Richard Löwenherz vernichtete auf seiner Fahrt nach
Palästina in den syrischen Gewässern ein gewaltiges Sara-
zenenschiff, das mit 1500 Mann besetzt gewesen sein soll^.
^ Navis ist die allgemeine Bezeichnung dieser Lastschiffe ge-
wesen. Daneben finden sich bussa, buza, bucca, bucia, buscia, auch
butium (MG. SS. XVIII S. 64, 65) und dromunda.
2 Vgl. Jal II S. 142 ff.
3 Chronica Rogeri de Hovedene III S. 112: Erant autem in
buscia illa pagani numero mille et quingenti. Matthaei Parisiensis
monachi sancti Albani chronica majora II S. 373: . . . apparuit illis
navis quaedam permaxima, quam dromundam appellant . . . robus-
toruni hominum mille et quingenti.
Die Lastschiffe des Mittelmeeres. 39
Man ist wolil geneigt, solchen Angaben nicht vollen Glauben
zu schenken. Aber wenn man in den Verträgen Ludwigs
des Heiligen mit den Reedern und Schiffbauern liest, daß
zur Bedienung des einen Schiffs allein 110 Seeleute er-
forderlich waren 1, daß in einem anderen Stallungen für
100 Pferde eingebaut werden mußten-, so wird man doch
annehmen müssen, daß solche Schiffe gelegentlich 1000
Mann an Bord hatten.
Gegenüber diesen kastenartigen Ungetümen war der
Kogge allerdings nur ein kleines Schiff. Aber mit der
Größe waren auch alle Vorzüge der südlichen Riesen er-
schöpft. Ihr roher Bau hielt keinen Vergleich mit dem
durchgebildeten Rumpf des Koggen aus. Das eine viereckige
Segel mit seinen Bonnets war viel handlicher als die mächtigen
lateinischen Segel, die zu ihrer Bedienung unverhältnismäßig
viel Leute erforderten, von den Vorzügen der Steuerung
und Seetüchtigkeit nicht zu reden. Aber die Größe bot
damals im Zeitalter der Kreuzzüge Vorteile, die alle
anderen aufwogen. Der gewaltige Passagierverkehr erforderte
große Räume, und die Schiffe mußten zur Verteidigung
gegen feindliche Angriffe viel Leute an Bord haben. Darin
wird man die Gründe zu suchen haben, weshalb die Last-
schiffe des Nordens sich nicht bei ihrem ersten Erscheinen
im Mittelmeer einzubürgern vermochten.
Erst hundert Jahre später, als mit dem Abflauen der
Kreuzzugsbegeisterung auch der Passagierverkehr gegen-
über der Lastfahrt an Bedeutung verlor, obsiegten die
Schiffe des Nordens über die des Südens. Der Florentiner
Chronist Giovanni Villani berichtet zum Sommer 1304 3:
„In dieser Zeit kamen Leute von Bayonne in der Gascogne
mit ihren Schiffen, die sie Koggen nannten, durch die
Straße von Gibraltar auf Freibeut ins Mittelmeer und
richteten genug Schaden an. Seitdem fingen Genuesen,
1 Jal II S. 355.
2 Jal II S. 389. Die Ställe befanden sich im untersten Deck.
3 Vorher hat er den Sieg geschildert, den Einieri di Grimaldi,
der mit 16 Galeeren in französischen Diensten durch die Straße nach
Flandern gekommen war, über die flandrische Flotte erfochten hatte.
4:0 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Venezianer und Katalanen an, sich auch des Koggen für
ihre Schiffahrt zu bedienen, und gaben den Verkehr mit
ihren großen Schiffen auf wegen der größeren Seetüchtigkeit
und der geringeren Kosten der Koggen. Dadurch wurde
in unserem Seewesen ein großer Wandel der Schiffsformen
herbeigeführt^."
Größere Seetüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit ver-
schafften dem Koggen den Eingang in die südlichen
Handelsflotten, Sein Sieg war ein vollkommener. Inner-
halb weniger Jahre waren die kastenartigen Ungetüme
verschwunden-. Die Italiener haben den Koggen alsbald
nach ihren Bedürfnissen ausgestaltet. Es wurden Schiffe
von bedeutender Größe mit zwei und drei Decks überein-
ander gebaut^. Jedoch bedeutete diese Größenentwicklung
keinen wirklichen Fortschritt. Ja sie machte vielmehr
einige Vorzüge des Koggen wieder wett. Die unruhigen
Verhältnisse im Mittelmeer zwangen aber zum Bau großer,
starkbemannter Schiffe.
1 Giovanni Villani, Historia Fiorentine seu cronica (Muratori,
Herum Italiarum scriptores XIII S. 412 D, E) VIII cap. 77 : In questo
medesimo tempo certi di Bajona in Guascogna con loro navi, le
quali si chiamavano cocche Baonesi , passaro per lo stretto di Sibilia,
e vennero in questo nostro mare corseggiando, e fecero danno assai;
e d'all hora inanzi i Genovesi e Vinitiani e Catalani usarono di na-
vicare con le cocche, e lasciarono il navicare delle navi grosse per
piü sicuro navicare, e perche sono di meno spesa. E questo fue in
queste nostre mai'ine grande mutatione di navilio. Vgl. Jal II S. 244;
Duro, La Marina de Castilla S. 55; Häpke, Die Entwicklung Brügges
zum mittelalterlichen Weltmarkt S. 138, 160; C. Eandaccio, Storia
navale universale I (Roma 1891) S. 234.
- Das genuesische Statut von 1316 (Pardessus , Collection de
lois maritimes IV S. 440) erwähnt den Koggen noch an zweiter Stelle:
„aliquam navem, cocham et taridam, galeam vel lignum cohopertum,
vel de terjis . . ." Doch wurde der Name „navis" alsbald auf die
größten Koggen verpflanzt.
3 Das genuesische Statut von 1341 (Pardessus IV S. 457) be-
stimmt, daß keine Wertwaren nach Syrien verladen werden dürfen:
super aliqua galea que non sit armata de longo, nee super aliqua
navi, cocha vel ligno que non sit duarum copertarum vel abinde
supra. Vgl. Jal II S. 246: Kogge von Barcelona mit drei Decks und
500 Mann Schiffsvolk und Soldaten 1331.
Hulk. 41
Die Verbindung zwischen dem südlichen Europa und
den atLantischen Küsten ist durch die von den italienischen
Seerepubliken im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts
eingeführten jährlichen Staatsgaleerenfahrten ^ nach Flan-
dern zu einer dauernden geworden. Damit wurden für
einen langen Zeitraum auch die Errungenschaften der Schiff-
bautechnik Gemeingut der europäischen Nationen. AVenn
auch die südlichen Völker, unter denen als Schiffbauer
fortab die Spanier die Führung übernahmen, späterhin den
Koggentyp selbständig weiterentwickelten, so hatte doch
bis zum Ende des 15. Jahrhunderts der große europäische
Seeverkehr, soweit der Schiffstyp in Frage kommt, ein
einheitliches Gepräges In der Kleinschiffahrt jedoch
pflegte jedes Land und vielfach jeder Hafen seine eigenen
nationalen Formen,
Hulk.^
Während der zwei Jahrhunderte von 1200 bis 1400
ist der Koggentyp nicht stehen geblieben. Die Entwickelung
läßt sich an Hand von Bildern verfolgen. Verschiedene
deutsche Städte haben sich noch während der Koggenzeit
neue Siegel stechen lassen; so Elbing, Stralsund, Stavoren.
Auch das älteste englische Koggensiegel, das der Barone
von Ipswich, zeigt den fortgeschrittenen Koggentyp*,
1 Vgl. darüber Häpke, Brügges Entwickelung zum mittelalter-
liclieu Weltmarkt S. 155 £.
2 Ein Zeichen dafür sind die häufigen Fälle, wo gekaperte
Sclüffe der südlichen Nationen von Engländern und Holländern in
ihre Flotten eingereiht wurden, als w-ären es Schiffe, mit denen sie
längst vertraut seien, auch der Bau von Schiffen für italienische
Eechnung im Norden. Vgl. H. R. I. VII N. 800 § 25; H. R. II,
II N. 401 S. 320.
3 Vgl. Ernst Daenell, Der Ostseeverkehr und die Hansestädte
von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahi-hunderts , Hansische
Gesch.-Bl. 1902 S. 17ff.
4 Wir besitzen ein älteres Siegel von Ipswich, das der Bailiffs,
mit der Figur eines Nefs. Gale Pedrick, Borough seals of the Gothic
Period, setzt das Koggensiegel ins 13. Jahrhundert. Gründe hierfür
gibt er nicht an.
42 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
ebenso der Goldnobel, den Eduard III. nach dem Seesieg
über die Franzosen bei Sluis (1340) 1344 prägen ließ^
Die gerüstartigen Aufbauten sind verschwunden. Statt
dessen sind kastellförmige Schutzwehren auf das Vorder- und
Hinterschiff gestellt worden, einstweilen noch ohne rechten
Zusammenhang mit dem Schiffskörper. So zeigt der Gold-
nobel Eduards III. ein Vorderkastell von sechseckiger
Gestalt, das nur auf den Vordersteven aufgestützt ist, sonst
aber frei in der Luft schwebt'^. Die Ruderpinne ging
nicht mehr frei über Bord, sondern kam in den neugebil-
deten Raum zwischen dem Überlauf und dem Boden des
Kastells, wodurch die Steuerung bei schlechtem Wetter
sehr erleichtert wurde. Allein um dieses einen Vorzugs
willen wird man vielfach das Kastell auf dem Hinterschiff
errichtet haben, während bisher der Kogge gemeinhin gar
keine Aufbauten besaß, sondern nur zu Kriegszwecken mit
einem Vor-, Top- und Achterkastell versehen wurde ^. Die
Schiffsgefäße sind mit der Zeit gewachsen. Namentlich
im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts griff auch in den
nördlichen Gewässern eine beträchtliche Größensteigerung
Platz, die wohl nicht unwesentlich dazu beigetragen hat,
daß der Name Kogge hier aufgegeben wurde, während
er in den spanisch-italienischen Meeren schon etwas früher
hatte weichen müssen.
War die Bezeichnung Kogge allgemein gebraucht wor-
den, so hat in der Folgezeit kein Typenname dieselbe
Geltung wieder erreicht. In den Mittelmeerhäfen bürgerte
sich für den fortgebildeten Koggentyp der Name Karacke
(carraque) ein. Die nordischen Völker haben ihn aufge-
griffen — Krake sagten die deutschen Seefahrer — und
volle zwei Jahrhunderte von etwa 1350 bis 1550, vielfach
aber noch weit darüber hinaus, alle großen spanischen und
italienischen Schiffe so benannt, während die Bezeichnung
1 Die Reihe der englischen Eosennobel gibt eine ziemlich gute
Übersicht über die Entwickelung der Schiffsformen in der Folgezeit.
2 Auch die jüngeren Nefsiegel zeigen derartige Kastelle.
3 Vgl. Laird Clowes, The Royal Navy I S. 146. Topkastell
gleich Gefechtsmars.
Hulk. 43
im Süden selbst sich nie völlig hat durchsetzen können und
sehr bald durch andere Namen (nao, nave) verdrängt wor-
den ist. Das Wort ist arabischen Ursprungs ^ und haftete
vordem an einem kleinen Mittelmeerschiffstyp. Der einzige
Unterschied zwischen den nördlichen Lastschiffen und den
Karacken bestand wohl darin, daß diese beträchtlich höher
waren.
Im Norden wurde der Name Kogge durch die Be-
zeichnung Hulk ersetzt. Die Verwendung des Wortes Hulk
für einen Schiffstyp ist ebenso alt wie die des AVortes Kogge.
Man leitet den Namen von dem ausgehöhlten Baumstamm,
dem Einbaum, her und hat in den ältesten Hulken wohl
Fahrzeuge des Rheinmündungsgebietes zu sehen, also der-
selben Gegend, aus der die Bezeichnung Kogge stammt.
In dem Londoner Stadtrecht König Aethelreds aus der
Zeit um 1000 erscheint der Hulk zuerst, und zwar schon
als Seeschiff 2.
Seitdem begegnet er öfters als ein die See befahrendes
Schiff neben dem Koggen, jedoch minderen Ranges. Als
Graf Wilhelm III. von Hennegau und Holland 1315 von
den benachbarten und eigenen Städten eine Kriegsflotte
gepreßt hatte, da waren Dordrecht und der Briel zusammen
mit einem Hulk vertreten neben 25 Koggen, von denen
Kampen allein 18 hatte herleihen müssend In Dord-
rechter Verordnungen werden die Seeschiffe wiederholt
1 Vgl. eil. de la Ron^iere, Histoire de la Marine fraiK^aise
I S. 246 Anm. 4.
2 H. U.-B. I N. 2: Ad Bilingesgate si advenisset una navicula,
unus obolus thelonei dabatur, si major et habet siglas, unus denarius,
si adveniat ceol vel hulcus et ibi jaceat, 4 denarii ad teloneum.
Das. III N. 602: Verordnung betreffend die Lothringer, Untertanen
des Kaisers u. a. in England: Abgabe von den Weinschiffen: Et si
ceo est kiel, il prenrdont ... Et si ceo est hulk ou autre neif , un
tonel devaunt et autre derere. Vgl. dazu II N. 252. Duffus Hardy,
Kotuli litterarum patentium in turri Londinensi asservati S. 186:
Ptes Omnibus etc. Sciatis, quod dedimus dilecto nobis Hemüco filio Ee-
ginaldi de Winchelese navem quam ducit que vocatur Hulloc de
Tykesflete ad eundum nobiscum in ea usque in terram Jerolomitanam.
3 H. U.-B. II N. 262.
44 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
in der Reihenfolge Koggen, Ever, Hulke ^ aufgezählt. Brüg-
ger Gesandte, die 1358 nach Lübeck reisten, mußten für
ihren Koggen 603 Pfund, für einen Hulk 318 und für
zwei „Houkeboote" 147 Pfund flämisch vom Zwin bis
1 H. U.-B. III N. 41 : alle coggen. evers, hulcken (1344). Das.
N. 414: elc scip , het si cogghe, eever of hulc. Im Amsterdamer
Keurboek werden als Seeschiffe, „die buyten duynen varen" genannt
„kogghen, hulcs, crayers, evers" (J. ter Gouw, Geschiedenis van
Amsterdam II S. 345). Ewer, m-sprünglich „envar", also wohl auch
soviel wie Einbaum bedeutend, erscheint bis ins 16. Jahrhundert
wiederholt als großes Seeschiff. Die Dammer Zollrolle von 1252
(U. H.-B. I N. 432) setzt ihn (navis que dicitur envare) gleich einem
Drittel Lastschiff an, wenn er Heckruder führt, sonst nur halb so hoch.
Im Tarif des Feuerbakengeldes auf der Maas von 1321 (das. II N. 384)
wird er (yver) gleich einem halben Koggen belastet. 1408 wird ein
„ever van Campen van 70 lesten" erwähnt (H. E. I, V N. 514). Da-
neben bezeichnet der Name schon die kleinen Schiffe der Niederelbe.
Erste Erwähnung 1299 im Liber pignorum et pactorum der Stadt Ham-
burg: Hermannus de Bisle impignoravit de consensu sociisuimediampar-
tem navis sue, que envar dicitur, . . . pro 13 g' et 7 /? denariorum. Kopp-
mann, Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg I, LXXVII. Das.
S. 190: 8 ß pro 6 remen ad parvum ewar. 41/2 ^ 9 ^ pro reparacione
de lutteken ewar. S. 192: 6 ß pro una mala to dem groten eware.
S. 211 (1375) : 6 /? to therende 10 rotas unde den envar et pontem
Alberti. S. 263 (1378): 1 <^ pro 10 remen tho dem eenvare. S. 315
(1381): 8 ß pro una masta ad magnam navem que dicitur een ghrot-
ever. Die Preise zeigen, daß es sich um Fahrzeuge kleinster Art
handelt. Von dem Aussehen dieser Schiffe und ebenso fast aller
sonstigen Tj^pen, die neben dem Koggen und später neben deur Hulk
vorkommen, kann man sich keine klare Vorstellung machen. Eine
gute Zusammenstellung der verschiedenen Schiffstypen, zugleich
Anhaltspunkte für ihre Größenschätzung gibt die Schiffsordnung- im
Zwin von 1401 (H. U.-B. V N. 509): „men legge langhes den ströme
te wetene de cogghen, schepen, crayers, evers ende barghen dre schepe
dicke de en neffens den anderen, plej^ten, cleene cogghen, schepen
van Brabant, de Hollandesche, Zeelandesche unde van anderen
vre[m]den steden viere schepe dicke de en neffens den anderen , ende
de sehnten ende soyen 6 schepe dicke de en neffens den anderen, wel
gheankert voren ende bachten." Von einem preußischen ,,k r e y g e r"
von 34 bis 36 Heringslasten liegt eine Beschreibung vor (H. U.-B. V
N. 812; 1407), die einige Einzelheiten erkennen läßt. Dieser Typ
(kreer, kreger, kreyer, craera, cayerius, kraier) war von 1300 bis 1400
neben dem Koggen und dann bis etwa 1460 neben dem Hulk das
gebräuchlichste seegehende Schiff; er hatte bis zu 100 Lasten Trag-
Hulk. 45
Hamburg Fracht bezahlen i. Der Hulk wird demnach
halb soviel Tragkraft besessen haben wie der Kogge. In
den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts findet sich je-
doch unter den Schiffen des englischen Königs ein Hulk
„Christoffer vom Tower", der zu den allergrößten und
mächtigsten Schiffen gehörte 2. In England tritt seit der
Mitte des 14. Jahrhunderts „Schiff" wieder als Bezeich-
nung für die größten Fahrzeuge vor „Kogge". „Hulk"
hat sich hier nie völlig durchsetzen können. Das ist aber
auch ganz erklärlich bei der Zerrüttung, der das englische
Seewesen infolge des Krieges mit Frankreich anheimfiel. Die
großen Schiffe, die das Land besaß, waren zur Hälfte ge-
raubte genuesische und spanische Karacken und andere
allen möglichen Nationen abgenommene Fahrzeuge. Wenn
die Engländer selbst Schiffe bauten, so ahmten sie bald
dies, bald jenes Vorbild nach^.
fähigkeit. und war in Frankreicli und England ebenso zu finden wie in
den niederländisclien , deutschen und skandinavischen Häfen. Vgl.
Laird Clowes, The Royal Navy I S. 143, 144 (hier eine Zusammen-
stellung der in englischen Quellen vorkommenden Schiffätypen), 263,
264, 286. Ch. de la Eonciere, Histoire de la marine fran^aise I
S. 478, 521. In deutschen Gewässern erscheinen seit 1400 häufiger Busen
als große Seeschiffe, zugleich aber auch als Fischerfahrzeuge und
Küstenfahrer. Bei dem Namen „barge",,,bardze^' ist in jedem einzelnen
Falle zu untersuchen, ob man es mit einem großen Kauffahrer (eine
englische „bartzee" von 80 Lasten auf der Ostseefahrt, H. E. I, VIII
N. 418) oder einem kleinen Euderschiff zu tun hat. Auch Pleite
ist gelegentlich Bezeichnung für einen großen Kauffahrer H. U.-B.
Vin N. 215 § 64: „ene pleyte van 1500 soltes" 1451, X N. 191: ein
„pleiteschip" in Kampen zur Fahrt nach Danzig beladen (1473). Für
diesen Schiffst^-p oder für die verwandten Bargen läßt sich vielleicht
eine Abbildung nachweisen in einer für Philipp den Guten um 1450
verfertigten Miniaturhandschrift der Chronik von Jerusalem (Jahrb.
der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses
XX [Wien 1899] Tafel XXVII: Abfahrt der Kreuzfahrer mit Dar-
stellung von Schiffen).
1 H. E. I, III N. 246 § 21.
2 Laird Clowes, The Eoyal Navy I S. 146, 148. Eduards IIL
Flaggschiff war der Kogge „Thomas".
3 Vgl. bei Laird Clowes, The Eoyal Navy I S. 346, die Liste
der 1417 Aug. in See gesandten englischen Flotte: 3 great sliips,
46 Die Entwickelung der wichtigsten ScLiffstypen.
Seit den achtziger Jahren des 14. Jahrhunderts wird
die Bezeichnung Hulk oder Holk in den deutschen Ge-
wässern häufiger und fortab gerade für die allergrößten Schiffe
angewandt. Die Anregung dazu ging sichtlich von den
preußischen Städten aus, die damals im Bau von großen
Schiffen den anderen deutschen Seeplätzen weit voraus
waren. Hier ist gegen 1400 der Name Kogge bereits fast
völlig verschwunden, während andere deutsche Häfen,
namentlich Lübeck, noch lange an ihm festgehalten haben.
Im Rezeß vom Februar 1400, der eine große Flottenrüstung
gegen die Vitalienbrüder vorsah, wurde nur von Koggen
geredet^, und noch zwei Jahrzehnte später wurden hier
immer wieder die größten Schiffe als Koggen bezeichnet.
Wir haben deutliche Zeichen dafür, daß mit dem
Namen Hulk kein eigentlich neuer Typ aufkommt. Das-
selbe Schiff wird einmal Hulk, das andere Mal Kogge
genannt -. Doch läßt sich so viel erkennen, daß zum Hulk
als wesentliche Bestandteile die beiden Kastelle gehörten,
während sie beim Koggen fehlen konnten. So kam es,
daß die Bezeichnung Kogge allmählich nur noch für See-
schiffe gebraucht wurde, die keine Kastelle besaßen. Da
aber die Entwickelung zu immer allgemeinerer Einführung
dieser Aufbauten hindrängte, so sank der Name schnell
in die Region der kleineren Fahrzeuge hinab.
In den Handelsrechnungen des Deutschen Ordens
wird von 1399 bis 1432 nur ein einziger Kogge, und zwar
in den ersten Jahren, erwähnt neben mehreren Dutzend
Holken ■^. Im 6. Bande des hansischen Urkundenbuchs, der
die Jahre 1415 bis 1433 umfaßt, findet sich die Bezeichnung
Kogge zweimal, Hulk dagegen neunzehnmal. Späterhin
8 carracks, 6 ships, 1 bärge, 9 ballingers. Unter den ships sind noch
2 Spanier verzeichnet. VgJ. dazu S. 297, 298, 301: geheuerte portu-
giesische Schiffe, S. 363 (1470): der „Martin Garcia" in Portugal er-
worben.
1 fl. E. I, IV N. 570.
2 z, B. H. E. I, VI N. 509 §33: holk, 528 § 5: cocgen für das-
selbe Schiff.
3 Sattler, Handelsrechnungen des Deutschen Ordens (Leipzig
1887) S. 9 und 20. Das Schiff war 1403 gebaut und 150 Lasten groß.
Hulk. 47
hört man gelegentlich zwar nocli von Koggen, doch handelt
es sich dann in der Regel um kleinere Schiffe ^ Das letzte Mal
läßt sich der Name als Bezeichnung eines größeren Schiffes
bei einem lübischen Bergenfahrer, der 1449 von den
Engländern gekapert wurde, bestimmt nachweisen 2. Es
werden allerdings noch späterhin wiederholt Koggen o-e-
nannt-^ die recht gut große Schiffe gewesen sein können,
so insbesondere holländische Ostseefahrer. Aber allem
Anschein nach hat man es in diesen Fällen nicht mit dem
alten Typ, sondern mit einer Neubildung zu tun, wobei
Eigenschaften der niederländischen Binnenfahrzeuge auf
die großen Lastschiffe übertragen wurden. Es sind offen-
bar Schiffe von der gleichen Art wie ein Kamper See-
fahrer, der in einem Zertifikat als Koggenpleyte be-
zeichnet wiu'de'^.
In den niederländischen Binnengewässern hat sich der
Name Kogge noch lange erhalten. Der zeeländische
Chronist Johann Eeygersberg, der um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts lebte, berichtet in seiner Beschreibung von Brou-
wershaven, hier sei ehedem das meiste Bier aus Holland
angekommen: man habe es dann mit Schuten und kleinen
Schiffen über die Fähren der Eilande weitergeführt, obwohl
damals noch keine sonderliche Binnenlandsfahrt mit Heuden
oder „Koggeschepen" bestanden hätte wie zu seiner Zeit°.
1 Vg]. Caspar Weim-iclis Danziger Chronik, herausgegeben von
Th. Hirsch und F. A. Vossberg (Berlin 1855), S. 6; H. U.-B. VIII
N. 215 § 36, 66, N. 674; IX N. 39, 667; X N. 104, 218, 381.
2 H. Ü.-B. VIII N. 84 § 21, N, 215 § 28.
•^ Lübisches U.-B. IX N. 919 (1452); H. U.-B. X X. 185 (1473),
458 (1475), 778 (1479).
^ H. U.-B. X N. 1185 (1485): coggenpleyte. Vgl. oben S. 45
Anm. Pleyten.
s Beschryvinge van Zeelandt, bare antiquiteyt ofte ouderdom.
Eertijdts beschreven door den Heer Johan Reyersbergen ende daer
na vermeerdert door Marcus Ivereus van Boxhorn. Amsterdam 1646.
S. 16: Ende in dien tijden plachmen t' selve hier, dat uyt Hollandt te
Brouwershaven aenquam, met schuyten ofte kleyne scheepkens over
die veerkens van de eylanden te brengen, hoewel datter nochtans
geenen Sonderlingen vaert binnen den lande van heuden ofte kogge-
48 Die Entwickeluiig der wichtigsten Schiffstypen.
Es braucht hier nicht untersucht zu werden, wie
weit diese letzte Behauptung zutrifft. Jedenfalls sind die
von Reygersberg genannten Koggeschiffe Binnenfahrzeuge.
Man findet diese nun keineswegs in Zeeland allein, sondern
ebenso auf der Zuiderzee. So heißt es bei einem Verhör
über den Einmarsch des Dänenkönigs Christian II. in Holland
(1531), der König habe ursprünglich nicht beabsichtigt ins
Land zu kommen, sondern er habe mit „Coggescepen" von
der Zwarte Sluys (Zwartsluis in Oberijssel) aus einige große
Schiffe überfallen und mit diesen in See gehen wollend
Nach einer offiziellen Erklärung zählte 1514 die Amster-
damer Kauffarteiflotte 27 Seeschiffe, 13 Bojer und 83 oder
84 Binnenlandsfahrer, nämlich Koggeschiffe und Ehein-
schiffe"^. Diese Binnenkoggen betrieben auch Küstenfahrt
nach Bremen, Hamburg und Dithmarschen^.
Aber an einigen Stellen taucht der Name auch in
seiner ursprünglichen Bedeutung für ein Fischerfahrzeug
auf. So waren im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts
Koggen und Koggeschiffe die gewöhnlichen Fahrzeuge der
Bewohner der ostfriesischen Inseln. Es waren kleine und
schepen en was, als 't op den daegh van huyden is. Die Ausgabe von
1551 war mir unzugäugiicli.
1 Häpke, Niederländische Akten und Urkunden zur Geschichte
der Hanse und zur deutschen SeegescMchte 1 N. 52 § 13. Das. N. 115
S. 119: Ladung eines Hamburger Bojers in ein „coggescip" umge-
schlagen (1533).
" Informacie up den staet faculteyt ende gelegentheyt van de
steden ende dorpen van Hollant ende Vrieslant, om daernae te reguleren
de nyeuwe schiltaele. Gedaen in den jaere MDXIV (Uitgegeven van
wegen de Maatschappij der Nederlandsche Letterkonde door E. Fruin,
Leiden 1866) S. 182: hebben in als 27 zeescepeu ende 13 bo^^eren,
daerof datter 2 noch in Vranckrijk gearresteert liggen, die genouch
geperst ende gebuyt zijn. Ende hebben 83 of 84 binnenlantsvaerders
als coggescepen ende Rijnscepen, die in Brabant, Viaenderen ende
alomme vaeren om vracht. S. 208. „Zuyderwoude" hat „3 cogge- ende
3 waterscepen".
3 Häpke I N. 794 (1557 Feb. 21) : Der Hof von Holland erlaubt,
daß die gewöhnlich mit „smackzeylen", Koggen oder anderen kleinen
Schiffen nach Bremen, Hamburg, Dithmarschen segelnden Schiffer ohne
Konvoi fahren dürfen.
Hulk. 49
kleinste Schiffsgefäße. Das größte, das von ihnen erwähnt
wird, hielt 8 Lasten \ Koggen dieser Art haben die Helgo-
länder noch im 19. Jahrhundert besessene
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hat sich der Name
im niederländisch-ostfriesischen Gebiet in „Kaghe" ge-
ändert l Diese Kaagen kennen wir ganz genau. Man
sieht sie allenthalben auf niederländischen Seestücken ab-
gebildet. Es sind niedrige, breite, flachbodige Fahrzeuge
mit einem Mast^. Kaagen ganz ähnlicher Art gibt es
noch heute auf der Zuiderzee.
Daß die Koggen eine Rückbildung bis zu dem Punkte
durchgemacht haben sollten, von dem sie ausgegangen
sind, ist unwahrscheinlich. Es liegt näher anzunehmen,
daß ihr Name bei seinem Übergang auf die großen Last-
schiffe seine alte Bedeutung nicht verloren, sondern da-
neben weiter behauptet hat. Man kann auch tatsächlich in
emigen Fällen den Gebrauch des Wortes für ausgesprochene
Binnenfahrer schon in älterer Zeit nachweisen. In der
Ankerordnung im Zwin von 1401 ^ werden zunächst die
1 Emder Schiffskaufprotokoll III 25 (1576 März 31): ein klein
koegke schip 8 last grodt.
2 Dietrich Schäfer, Die Hansestädte und König Waldemar
b. SOL Anm. 1. Ders., Der Stamm der Friesen und die niederländische
beegeltung, Marine-Rundschau 1905 S. 1359.
3 Gerade die Emder Schiffskaufprotokolle, die kogheschip
und kagheschip nebeneinander hahen, zeigen den Wandel Die Bremer
Seebriefregister verzeichnen 1605: „Meinert Meiners ein cage von
10 lasten"; 1607: „Meinertt Meinertts ein cageschute von 10 lasten"-
„Berendt Harmens ein kageschute von 10 lasten". Die Dehnung
kogge in koghe hat nichts auffallendes, da sie sich ebenso bei cogge"
(Polder) in Koog findet. Vgl. die S. 18 zitierte Informacie S. 126 147
(Nyedorpper cogge). '
4 Verscheyden schepen en gesichten van Amsterdam naer t
leven afgetekent en opt cooper gebracht door Beinier Nooms alias
Zeeman. C. Danckerts excudit. Derde Deel. (c. 1655.) Hierin sind
abgebildet „een Vriesche kaegh" und „een Gelderse kaegh". Witsen
Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier (Amsterdam 1671)
S. 174 f., gibt eine Abbildung nebst Querschnitt einer „Kaagh", eines
flachbodigen, geklinkerten Fahrzeuges mit einem Spriet- und Focksegel.
5 Möglicherweise ist jedoch die hier in Betracht kommende
Bestimmung viel älter.
Hagedorn, Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen. 4
50 Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypen,
großen Seescliiffe, darunter an erster Stelle die Koggen,
auffi-ezählt und bestimmt, daß sie zu dreien in einer Reihe
nebeneinander ankern sollen. Dann heißt es weiter: Pleyten,
kleine Koggen (cleene cogghen), Schiffe von Brabant,
holländische, zeeländische und anderer fremder Städte
Schiffe sollen zu vier, Schuten und Soyen zu sechs in
einer Reihe ankernd Die kleinen Koggen stehen hier
offenkundig mitten unter den Binnenfahrern. In den 1387
t eingereichten Artikeln der preußischen Städte über die
ihnen in Flandern zugefügten Schädigungen liest man u. a. :
„Die Bürger von &ent nahmen ein Koggenschiff binnen
Landes zwischen Vlissingen und ,Walsinghen' und führten
Gut, Schiff und Kaufleute nach Gent 2."
Das Zeitalter des Hulks bedeutet keine besonders
'glänzende Epoche des Schiffbaues. Außer der Größen-
steigerung beruhte der einzige Fortschritt in dem Anpassen
der Kastelle an den Schiffskörper. Sie verwuchsen orga-
nisch mit ihm und wurden zu notwendigen Bestandteilen
des Schiffes. Sie dienten fortab nicht mehr nur zu Kriegs-
zwecken, sondern sie bargen die Unterkunfts- und Proviant-
räume. Der Schiffskörper wurde so in drei Teile gegliedert,
das niedrige Mittelschiff und die beiden Kastelle, und
-hatte oft ein abenteuerliches Aussehen gleich einem schwanen-
artigen Tiere, als dessen Kopf das auf dem halsähnlich
ausgestreckten Vorderschiff ruhende Kastell erschien.
Das Abbildungsmaterial dieser Zeit ist bereits be-
trächtlich reicher und mannigfaltiger. Danzig hat um 1400
für nötig befunden, seine Siegel entsprechend den Ver-
änderungen der Schiff bautechnik erneuern zu lassen. Sein
großes Stadtsiegel ist ein wahres Prachtstück der Siegel-
schneidekunst; der Stecher hat sich wohl den größten
1 H. U.-B. V. N. 509. Vgl. oben S. 44 Anm.
2 H. R. I, in N. 448 § 7: Item namen de porters van Ghent
en coggenschip binnen landes tusschen Vlessinglien unde Walsinghen,
unde vurden dat gut unde schip unde coplude binnen Ghent. Leider
ist bisher nicht festgestellt, wo Walsinghen zu suchen ist. Es muß
jedoch ein Schiff, das nach Gent gebracht werden konnte, ein kleiner
Binnenfahrer gewesen sein.
Hulk.
51
Hulk im Hafen dabei zum Vorbild genommen. Elbing
ist etwas später nachgefolgt. Während bei den Danziger
Siegeln die Kastelle noch unvermittelt auf den Bordwänden
liegen, ist auf dem Elbinger der Heckaufbau schon orga-
nisch als Achterschiff ausgestaltet worden. Die unter-
gegangene Wierichsharde in Nordfriesland hat auch einen
Hulk im Siegel geführt. Ein sehr schönes Stück liegt für
Amsterdam vor^. Die englischen Siegel derselben Zeit
zeigen vielfach eine etwas abweichende Kastellausbildung.
Einige der hervorragendsten Stücke sind hier abgebildet.
Das Siegel von Tenby läßt den Endpunkt der Entwickelung
am besten ersehen. Es entspricht dem von Elbing in der
deutschen Reihe-.
Die Miniaturmalerei, die seit dem Anfang des 15. Jahr-
hunderts schnell eine außerordentliche Bedeutung für die
Kenntnis des Seewesens gewinnt, bestätigt nur den Inhalt
der Siegelbilder. Die auf Tafel XVI abgebildete Seeschlacht
bei Guernsey ist zwar schon 1342
geschlagen. Aber die Darstellung
ist über ein Jahrhundert jünger
und gibt die Schiffsformen ihrer
Zeit wieder. Daß die Entwicke-
lung sämtliche europäische Küsten
umfaßte, beweisen die beigefügten
Abbildungen aus spanisch-italie-
nischen Gewässern. Die kleinen
Fahrzeuge des Siegels von Laredo 4. Siegel von Laredo.
in Nordspanien zeigen mit nicht AusDuro, La Marina de Castilla
minderer Klarheit die Dreiteilung (Madrid, 1894).
des Schiffskörpers als die mit größter Sorgfalt ausgeführten
Segler des bolognesischen Truhenbildes (Tafel XVII), dem
1 Die älteren Amsterdamer Siegel sind stereotj'p und für die
Erkenntnis der Schiffsformen wertlos. Weniger gute Hulksiegel be-
sitzen wir vom Segler- und Gewandhaus in Stettin und von Tönning.
Veere (1475) zeigt den mäclitigen Rumpf eines Hulks ohne Takelung.
2 ^ii- haben weitere Hulksiegel von Yarmouth, Boston, den
Bailiffs von Ipswich, von Tenterden, Newport (auf Wight), Sout-
hampton, Lymington, Edward de Rutland als Admiral von England
(1395), Richard Herzog von Gloucester als Admiral (1469).
4*
52 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
nur Schiffe des Mittelmeers zum Vorbild gedient haben
können.
Hier sind die größten Schiffsformen erreicht worden.
Fahrzeuge bis zu 400 Lasten Tragfähigkeit waren schon
vor 1400 in spanischen und italienischen Häfen anzutreffen.
Bei den mächtigsten mußte man die Rah wieder aus zwei
Stücken zusammensetzen, weil es keine geeigneten Rund-
hölzer gab. Aus dieser Tatsache allein kann man sich
eine lebhafte Vorstellung von der Schwierigkeit der Be-
dienung dieser Ungetüme machen. Auch die Engländer
besaßen gewaltige Schiffe. Das königliche Schiff „Jesus"
ist angeblich 1000 Tonnen groß gewesen, was aber stark
übertrieben sein muß, der 1414 erbaute „Holigost" 760Tonnen,
die „Trinity Royal" von 1416 540 Tonnen. Unter den 1416
und 1417 von den Engländern eroberten und in ihre Flotte
eingereihten genuesischen Karacken sollen zwei 600 Tonnen
Tragkraft gehabt haben ^. 1428 wird ein englischer Hulk
von 250 Lasten erwähnt, der in die Ostsee segelte'^.
Die deutschen Hulke haben sich in bescheideneren
Maßen gehalten. Die größten Fahrzeuge hatten die Preußen,
Fast sämtliche Hulke, in denen der Deutsche Orden Anteile
besaß, hatten 1400 bis 1435 über 100 Lasten Tragfähig-
keit^. 1416 konnte man zum erstenmal einen Hulk von
200 Lasten vom Stapel lassen"^. Doch ist man schwer-
lich darüber hinausgegangen ^
1 M. Oppenheim, History of the Administration of the Royal
Navy I (London, 1896) S. 12.
2 H. R. I, VIII N. 418.
'^ Ein Hulk von 50 Lasten wird 1402 erwähnt; zwei von je
90 Lasten sind 1402 und 1411 zuerst in See gegangen. Sattler, Han-
delsrechnungen des Deutschen Ordens (Leipzig 1887) S. 7, 9, 64.
•* Sattler S. 61, 65: Es ist wahrscheinlich, daß beide Ein-
tragungen das gleiche Schiff betreffen, das in den beiden Jahren
durch verschiedene Schiffer geführt wurde.
5 Der Angabe H. R. II, VII S. 734 § 77, mit der Umrechnung
des Brouagesalzmaßes in flämisches oder bayisches Maß (desse i600
[Burwasis saltes] maken Bagessche off Swenssche hunderde 2800) stehe
ich skeptisch gegenüber, zumal sie nur in einer Handschrift vorkommt.
Hulk. 53
Daß diese Größensteigerung die ünzuträglichkeiten und
Schwierigkeiten, die das Fahrwasser an den deutschen Küsten
bisher schon bot, nur noch vermehrte, hegt auf der Hand. Den
Ratsversammhingen der Städte hat die Entwickeking manche
Sorge bereitet. 1412 hat sich auch der Hansetag in Lüne-
burg mit der Frage befaßt und für nötig erachtet, ener-
gische Bestimmungen gegen den Bau von großen Schiffen
zu treffen. Fortab sollte man kein Schiff mehr auf Stapel
legen, das mehr als 100 Lasten Hering — das sind etwas
mehr als 80 Roggenlasten — führen könnte und bei voller
Ladung mehr als 6 lübische Ellen '31/2 Meter) eintauchte.
Zur Beaufsichtigung des Schiffbaues sollten überall ver-
eidigte Wracker angestellt werden, die jedes Schiff vorn
und hinten zu zeichnen hatten 1. Fiele ein Schiff größer
aus, so sollte man es nicht verkaufen, auch nicht in See
gehen lassen. Jedes Schiff aber, das zwei Jahre lang un-
verkauft im Hafen liegen blieb, sollte wieder abgebrochen
werden''.
1 Lademarken waren im Mittelmeer längst bekannt. Vgl. Jal I
S. 261 ff.
2 H. R. I, VI N. 68 § 41 : Vortmer uppe de ladinge unde bu-
winge der scliepe is vorramet, dat man nen schip groter buwen schal,
wen van hundert last heringes, unde dat de nicht deper ghan schullen,
wan se geladen sin, dau 6 Lubesche eleu deep. Unde islik schip
schal ghetekent sin vor unde achter by ghesworen wrakers, dar dat
uppe der lastade steit, er dan id iqt water kumpt, myt der stat tekene,
dar dat gebuwet is. § 42: Vortmer in jeweliker stad, dar men de
schepe buwet, schal de stad setten twe ghesworen wrakers; unde de
schullen dar bii wesen, wan men de schepe beghynnet to buwende,
unde dar bii bliven, wente tor tut dat dat schip rede is, unde be-
waren dat up eren eed, dat dat schip truwliken unde wol gebuwet
werde van holte unde van iserne, unde dat id nicht to zee lud en
werde, wente dar gebrek inne gevunden is. Unde weret sake, dat
jennich tymmerman jennich schip buwede, dat groter worde edder
deper ghinge, den alse vorscreven is, dat schal bii der stad also vor-
waret sin, dat id neman en kope. Hedde ok en schipher en schip
tovoren vordinget van der mate to buwende, alse vorscreven is, unde
dat schip groter volle edder deper ginge, wen also vorgescreven is,
so schal de kop van neuer werden wesen. Item welk schip, dat ge-
buwet is unde blifft uppe der lastade ofte int water liegende twejar
lang, dat schal men wedder tobreken unde nicht tor see wart laten
ghan.
54 Die Entwickelung der wicKtigsten Schiffstypen.
Es waren radikale Vorschriften. Aber sie sind nicht
durchgeführt worden. Es ist auch fraglich, ob man je ihre
strenge Befolgung hat erzwingen wollen. Denn schwerlich
wird sich damals ein Schiff gefunden haben, das bei
80 Lasten Tragfähigkeit nur 6 lübische Ellen tief ging.
Die Macht der Entwickelung war stärker. In die 1417
genehmigten Statuten der Hansestädte sind gerade diese
Bestimmungen nicht aufgenommen worden. Man ist jedoch
von selbst wieder etwas von den größten Schiffen abge-
kommen. 1449 ist die hansische Baienflotte, d. h. die
Kauffahrteiflotte, die in der Salzfahrt von Westfrankreich
nach den baltischen Häfen tätig war, worin notorisch
gerade die größten Schiffe gebraucht wurden, von den
Engländern weggenommen worden. Die Schadenverzeich-
nisse ^ ergeben nur für wenige Schiffe eine Ladung von
mehr als 150 Lasten. Keins führte über 170, die über-
wiegende Mehrzahl zwischen 100 und 140 Lasten.
Die Entwickelung des Schiffbaus war schon am Be-
ginn des 15. Jahrhunderts auf einen toten Punkt gelangt.
Man kann sich von ihrem ganzen bisherigen Verlauf seit dem
Aufkommen des Koggen schnell einen Überblick verschaffen,
indem man die verschiedenen Siegel von Elbing und
Danzig, die fast alle Menschenalter je nach dem Stande
der Schiffbautechnik erneuert wurden, nebeneinander stellt.
Da ergibt sich denn, daß die Takelung in dem Zustande
verblieben war, den sie schon vor der Existenz des Koggen
erreicht hatte, daß der eine Mast mit dem einen großen
Rahsegel nach wie vor das einzige Bewegungsmittel des
Schiffskörpers bildete. Man konnte aber die Leineniläche
nicht ins Unendliche vergrößern. Die Riesensegel erfor-
derten eine unverhältnismäßig starke Bedienungsmannschaft,
so daß eine weitere Steigerung das Schiff unrentabel machen
mußte. AVohl hat man im einzelnen manche praktische
Neuerungen getroffen. Insbesondere ist hier auf die Ein-
führung der Blöcke, der Elaschenzüge, hinzuweisen, die
eine wesentliche Erleichterung in der Handhabung der
1 H. U.-B. VIII N. 84, 215.
Hulk. 55'
Takelung bedeutete. Statt z, B. eine Brasse unmittelbar
am Nock der Rah zu befestigen, brachte man dort einen
Block, eine in einem Gehäuse rotierende Scheibe, an und
ließ die Brasse darüberlaufen. Man schor sie durch einen
Block, lautet der seemännische Ausdruck. Aus dem ein-
fachen wurde dadurch ein doppeltfahrendes Tau und durch
die Verlängerung des Weges eine entsprechende Vermin-
derung der zur Regierung des Segels erforderlichen Kräfte
erzielt. Allem Anschein nach ist diese wichtige Neuerung
vom Mittelmeer zu den nördlichen Seefahrern gelangt. Ihre
allgemeine Verbreitung und weitere Ausbildung fällt jedoch
erst in eine spätere Zeit. Die Reef Vorrichtungen sind ver-
vollkommnet worden. Auch Halsen und Bulienen für das
Segeln beim AVinde muß man damals eingeführt haben.
Die Schwierigkeit der Bedienung der gewaltigen Segel-
fläche, namentlich bei schlechtem Wetter, konnte durch
diese technischen Verbesserungen nicht überwunden werden.
Aber auch die Ausbildung der Beplankung, der Haut
des Schiffskörpers, hatte mit der Größenentwickelung nicht
Schritt gehalten. Die strengen Bestimmungen des Lüneburger
Hansetags sind keineswegs nur wegen der schlechten Fahr-
wasserverhältnisse erlassen, sondern vor allem wegen der
häufigen Schiffskatastrophen, die man auf mangelhafte
Bauweise zurückführte. Die Handelsrechnungen des
Deutschen Ordens bieten hierfür eine wahrhaft erschreckende
Illustration. „Liebe Herren", schreibt 1412 der deutsche
Kaufmann in Brügge an die preußischen Städte, „wir bitten
Euch von ganzem Herzen, wollet doch Vorsorge tragen
gegen den großen Schaden des Kaufmanns, der aus der
schlechten Bewahrung und ruchlosen Erbauung der Schiffe
erwächst, die in den Häfen, ohne Not von Wetter, Wind,
Wogen und Grund, trotzdem leck werden und versinken,
was jetzt häufiger vorkommt als je in vergangenen Zeiten,
wie bei den Schiffern Säbel und Bernd Johansson, die vor
kurzem, im Zwin liegend, verdorben sind" ^.
1 H.R.I, VIN. 77. Vgl. Sattler, Handelsrechnungen des Deutsclien
Ordens S. 293, wo die Anteile des Ordens in beiden Schiffen ge-
tilgt sind.
56
Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypan.
Der Klinkerbau war ebenfalls an der Grenze seiner
Leistungsfähigkeit angelangt. Ebensowenig wie die Maße
des einen Segels, konnte man die Größe und Stärke der
Eiclienplanken ins Ungemessene steigern.
Kravel.
In Westfrankreicli sind am Ende der fünfziger
Jahre des 15. Jahrhunderts gleichzeitig beide Hemmnisse
überwunden worden. Damals muß ein bretonischer Schiff-
bauer zuerst auf den Gedanken gekommen sein, die bisher
bei den großen Schiffen übliche Art der Beplankung durch
eine andere zu ersetzen, bei der die Planken nicht dach-
ziegelartig übereinander griffen, sondern mit scharfen
Kanten aufeinander saßen und nach außen eine glatte
Fläche bildeten. Dies neue System bot viele Vorzüge. Die
Rippen wurden weit mehr als bisher Träger des ganzen
Baus. Die Außenhaut konnte den Bedürfnissen ent-
sprechend beliebig stark hergestellt, die Planken auf alle
möglichen AVeisen durch Fugen oder Nägel miteinander
verbunden werden. Bei größeren Schiffen brachte man
zwei Plankenlagen übereinander an. Sehr bald ist man
auch dazu geschritten, der Haut an den Stellen, wo sie am
meisten angegriffen wurde, besonders unmittelbar über der
Wasserlinie, durch die Einfügung von sogenannten Berg-
hölzern erhöhte Festigkeit zu geben i. Das waren stärkere
Plankengänge, die über die anderen hervorragten und ge-
wöhnlich das ganze Schiff umliefen. Bei kleineren Fahr-
zeugen hatten sie auch das Überbordgehen der See zu ver-
hindern und den Wogenschlag zu brechen. Man nennt
diese Art der Beplankung Kravelsbeplankung zum Unter-
schied von dem Klinkerwerk.
Das Wort stammt aus dem Romanischen. Caravela
findet sich schon im 13. Jahrhundert als Bezeichnung kleiner
1 Kaspar Weinriclis Danziger Chronik (herausg. von Hirsch
und Voßberg, Berlin 1855) S. 57, erwähnt „barkholtzer" zuerst 1488.
Kravel. 57
Fischerboote an der portugiesischen Küste i. Späterhin ge-
brauchte man den Namen dort für einen Kauffahrer zwei-
ten Ranges mit überwiegend lateinischer Takelung. In
dieser Bedeutung ist das Wort durch die beiden Karavelen
des Kohimbus weltbekannt geworden.
A^orher jedoch haben die Bretonen die Bezeichnung
übernommen und sie für ihre eigenen kleinen Schiffe, die
zum Fischfang und zur Handelsfahrt dienten, angewandt.
Dieser Typ hat sich dann weiter verbreitet. Philipp der
Gute von Burgund hat 1438—14:4:0 in Brabant ein großes
Schiff und dazu als Begleitfahrzeug neben anderen kleinen
Schiffen eine Karavele bauen lassen-. JSTach einer um 1460
in Sluis veranstalteten Erhebung befanden sich damals eine
schottische Karavele von 28 Tonnen, eine „kleine" nord-
spanische von 50, eine aus der Normandie von 25 Tonnen
und 41 bretonische Karavelen von 30 bis 130 Tonnen im
dortigen Hafen 3. 1458 wird auch ein englisches Kravel
1 Henrique Lopes de Mendonca, Estudos sobre navios portu-
guezes nos seculos XV e XVI (Lisboa 1892) S. 43 : Item mando, quod
piscatores dent maiordomo de unaquaque caravela nnum piscem (Priv.
Affonsos III. 1255).
'- Jal, Archeologie navale II S. 140: le fait des ouvrages de
la nave, d'une carveille et autres moiens vaisseaux servans ä icelle
nave. Nach Chroniken der deutschen Städte XIII (Köln II) S. 183
wurde dies Schiff von Philipps Gemahlin als ein Geschenk für ihren
Bruder König Alfons V. von Portugal erbaut.
3 Finot, Inventaire sommaire des archives departementales,
anterieures k 1790, Nord VIII S. 291, setzt das Schriftstück schon
um 1457 an. Außer den Karavelen befanden sich in Sluis 3 vene-
tianische Galeeren, 1 portugiesischer Hulk (une hulcque) von 150
Tonnen, eine [portugiesische] Karavelle (une petite nef caravelle) von
40 Tonnen, 3 schottische Bargen (baerge) von 500, 350 und 150 Tonnen,
ein kleiner schottischer Balinger (une petite baleiniere) von 20 Tonnen,
2 Bargen von 100 und 50, sowie 4 Balinger von 30 bis 36 Tonnen
aus der Normandie. Ferner lagen auf dem Strande 12 Hamburger
Fahrzeuge, „coghes, boyers, crasyers et eevers" (Vorl.: ceuers), „pesans
vasseaulx et mais ä la volle'-, und 40 Busen (buisses), die nur zum Fisch-
fang brauchbar waren. Die Zählung hängt mit den Kreuzzugsplänen
Philipps des Guten zusammen. Ein etwas älteres Projekt (um 1455,
ebenda) fordert füi- die Unternehmung 3 „caraques, 12 grosses nefs et
12 caravelles" und schätzt den Preis der Karacken auf 40000 der
58 Die Entwickeluug der wichtigsten Schiffstypen.
erwähnt ^ Alle diese Fahrzeuge bildeten offenbar einen
einheitlichen Typ. Nicht um seine Übernahme handelt es
sich, wenn in der Folgezeit der Kravelbau im Osten Ein-
gang findet, sondern lediglich um die Einführung einer
neuen Beplankungsweise.
Daß bei diesen kleinen Schiffen die Kravelsbeplankung
zuerst eingeführt wurde, ist wohl zweifellos. Wann? läßt
sich nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls wird es nicht
allzu lange vor 1460 geschehen sein. Der Chronist von
Zeeland Johann Reygersberg berichtet, daß 1459 in Holland
und Zeeland der Kravelschiffbau begann. Das erste dieser
Schiffe wurde in Zierikzee von einem Bretonen namens
Julian gebaut und danach der Julian genannt^. Es
muß ein großes Schiff gewesen sein. Sonst würde es
schwerlich soviel Aufsehen gemacht haben, daß man sich
den Namen seines Meisters merkte.
Nach Velius sind 1460 in Hoorn die ersten Kravele
gebaut worden^. In den nächsten Jahren trifft man dann
Nefs auf 24000 und der Karavelen auf 6000 Dukaten. 1464 besaß der
Herzog selbst 19 Karavelen (caravelles).
1 H. U. -B. IX N. 541, IV § 1 : dat kravel was utemaket van
Nygekasteel.
■^ Chroniick van Zeelandt, eertijdts beschreven door d'heer Jo-
han.Keygersbergen, nu verbetert ende vermeerdert door Marcus Zu-
erius van Boxhorn (Middelburch 1644) II S. 233: „Omtrent dese
tijden (1459) begonstmen in Zeelandt ende in HoUandt eerst die cra-
veelschepen te maecken, daermen mede over zee voer om koopman-
schap. Want daer te vooren en waren gheen schepen in dese landen,
daermen mede grootelijkx om koopmanschap voer, dan met hulcken
ofte reezeylen ofte craej^ers. Dat waren die ghemeynste schepen,
diemen doen gebruyckte ter zee om koopmanschap" usw. Die Er-
klärung von „Want daer" an ist mit Rücksicht auf die spätere Be-
deutung von Kravel nachgetragen.
3 D. Velius, Chroniick van Hoorn (Hoorn 1617) S. 42: „f Jaer
1460 werden hier de eerste carvielschepen ghemaeckt, als boeyers,
smacken en diergelijcke, daermen te vooren niet hadde dan hulcken,
raseylen en crayers, en die altemael gewracht crapschuytswijse met
de plancken op malcander. Welcke maniere van werc op dese tijt
ooc verändert wert. En men begonst voortaen cravielwerc te maken,
te weten de plancken te voegen niet op malcander, maer deen teghen
dander aen met een naet tusschen beyden, gelijck noch hedensdaeghs
Kravel. 59
derartige Schiffe in allen Grewässern. 1462 werden unter
den Ausliegern, die von Danzig Kaperbriefe erhielten, ein
Danziger und „das Königsberger" Kravel aufgezählt i.
Der englische König ließ 1463 ein Schiff dieser Art für
80 Pfund Sterling ankaufen-. Hamburg bezog 1466 ein
solches zum Preise von 370 Mark aus Flandern und führte
damit die neue Bauweise bei sich ein 3. 1470 wui'den
hier zum Kriege gegen England zwei Kravele gebaut^.
In der Mehrzahl sind das alles kleine und mittelgroße
Schiffe gewesen. Die preußischen Kravele stehen zwischen
Snicken, Balingern und Bardzen. Jedoch für kleine Fahr-
zeuge war die Neuerung von geringerem Wert; sie konnten
ebensogut geklinkert sein. Die entscheidende Bedeutung
des Fortschritts liegt in der Einführung der Kravelsbeplan-
kung bei den großen und größten Schiffen.
Im Sommer 1462 ist Marot Boeff von La Rochelle
mit einem gewaltigen Kj-avel nach Danzig gekommen, einem
Schiff, das einen Markstein bildet in der Geschichte der
Schiffbaukunst und das in der damaligen Welt unter dem
Namen das Große Kravel oder der Peter von La Eochelle,
der Peter von Lebarn oder der Peter von Danzig bekannt
geworden ist. Es wurde auf der Reede vom Blitz getroffen.
Der Mast sprang in Stücke. Größere Ausbesserungsarbeiten
wurden nötig. Der Schiffsherr reiste nach Frankreich, sein
Vertreter starb, dessen Nachfolger, ein Bretone aus Nantes,
nahm eine größere Geldsumme bei Danziger Bürgern auf
und verpfändete ihnen dafür Schiff und Schiffsgerät. Die
Reeder wollten die Pfandschaft nicht lösen unter dem Yor-
in meest aüe timmeragien van schepen het gebruyck is." Auch diese
Stelle („als boeyers — verändert wert") ist vollkommen beeinflußt, diircli
die spätere Spezialbedeutung von „carviel".
1 H. IJ.-B. VIII N. 1150.
2 Laird Clowes. The Eoyal Xavy I S. 353: a caravel.
3 Koppmann, Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg II
S. 286:296 g' 1 ,^ pro cravele empta in Flandria. Vgl. auf S. 399:
2 ^ 16 ß pro 5 ulnis panni Campensis pro mertzecledinge ad cravelam.
^ Das. S. 438 : 881 g" 2 /? 2 d. pro 2 navibus per nos noviter f abri-
catis cum botis, takel, tow, ungeldo et correquisitis. 3 g" 10 ß pro
custodia duarum cravelarum.
60
Die Entwickeluiig- der wichtigsten Scliiffstypen.
geben, der Bretone habe untreu gehandelt. Sie klagten
ö'
beim französischen König und traten ihm schließlich das
Eigentum an dem Schiffe ab. Die Danziger beharrten
indessen auf ihrem Rechte und gaben es nicht heraus.
So kam es, ckiß das Kravel in Danzig blieb, wo es
im engen Fahrwasser der Mottlau verwahrloste und nicht
nur den Verkehr behinderte, sondern auch zu einer Gefahr
für alle anderen Schiffe wurde. Es sollte schließlich ab-
gebrochen werden. Wir haben noch das Notariatsprotokoll
über die Besichtigung \ bei der das Gutachten zweier Rat-
mannen durch die Notare und Zeugen, unter denen viele
Angehörige fremder Nationen waren, bestätigt wurde. Da-
nach war das Schiff altersschwach und völlig baufällig:
dem Hafen und der Schiffahrt der Stadt drohe großer
Schade, wenn es nicht beseitigt würde. Das war im
Jahre 1470. Damals lag bereits die Hanse in offenem
Kriege mit England wegen der 1468 erfolgten Gefangen-
setzung des hansischen Kaufmanns in London. Deshalb
hat sich der Danziger Rat bald eines anderen besonnen.
Der Abbruch unterblieb. Das Schiff wurde vielmehr aus-
geschöpft, auf die Kielbank gezogen, neu aufgezimmert
und zum Streite ausgerüstet.
Im August 1471 ist es mit einer Besatzung von 350
Mann nach dem Westen gesegelt und hat dann in den
folgenden Jahren den hansischen Waffen im Seekriege
Achtung verschafft, weit und breit gefürchtet als das
mächtigste Kriegsschiff seiner Zeit. Am meisten machte es
von sich reden durch die Überwältigung der großen von
Flandern nach Italien bestimmten, überreich beladenen
Galeere der Portinari, wobei auch das Jüngste Gericht
Hans Memlings in die Hände Paul Benekes und seiner
Genossen fiel und so nach Danzig kam 2. 1475 hat das
1 H. U.-B. IX S. 703; 1470 Feb. 16.
2 Vgl. Caspar Weinrichs Danziger (^lironik, herausgegeben und
erläutert von Theodor Hirsch und F. A. Voßberg (Berlin 1855),
S. 92 ff. : Das große Krawel, die Galeyde und das Bild vom Jüngsten
Gerichte. W. Stein, Die Hanse und England, Ein hansisch-englischer
Seekrieg im 15. Jahrhundert, Pfingstblätter des Hansischen Geschieh ts-
Kravel. , 61
große Kravel noch eine Fahrt nach dem westfranzösischen
Salzhafen Broiiage gemacht, ist dort aber, anscheinend
wegen Baufälligkeit, liegen geblieben und abgebrochen
worden ^.
Entsprechend der Berühmtheit, die das Schiff besessen
hat, haben auch alle Chronisten von ihm Notiz genommen,
und außerdem ist es zum Glegenstand eines großen diplo-
matischen Schriftwechsels geworden. Darum sind wir über
dieses Schiff ausnahmsweise gut unterrichtet. Es maß von
dem „Rodergat" bis zur ,,Grope", d. h. auf dem Deck unter
den Kastellen von dem einen Ende, wo das Ruder herab-
führte, bis zum andern, wo das Bugspriet herausragte,
25 Faden. Auf dem Überlauf, d. h. dem durchgehenden
Deck, betrug die größte Breite 21 Ellen und 3 Finger^.
Das sind 43 Meter Länge und ein wenig über 12 Meter Breite.
Man wird danach die Ladefähigkeit auf gegen 400 Lasten
bemessen müssen.
Bei der Verpfändung an die Danziger Bürger wurde
ein Schiff sin ventar aufgenommen 3. Aus diesem geht her-
vor, daß auf dem großen Kravel 17 Geschütze, Steinbüchsen,
mit 48 Kammern, 15 AVindearmbrüste, eine Wallbüchse und
eine Bleibüchse vorhanden waren, ferner zahlreiche Harnische,
Spieße und anderes Kriegsgerät. Ein großes Boot und ein
kleinerer Esping, sowie 6 Anker gehörten zu seiner Aus-
stattung. An Segeln aber besaß es „dat schonefarerssegel
und twe bonnytte und noch eyn bonnyth", d. h. das große
Hauptsegel mit seinen Ansätzen, durch die es bei schwachem
Winde verlängert wurde, daneben aber noch „eyn moy-
sanssegel myt dem bonnytte und eyn vockensegel", und
unter dem Tauwerk wird dann auch aufgeführt „dat takel
Vereins I, 1905. Eemus, Die Hanse und das Kontor zu Brügge am
Ende des 15. Jahrhunderts , Zeitschrift des Westpreußischen Ge-
schichtsvereins, Heft 30. Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hanse
I S. 471, n S. 108 ff., 119, 120.
1 Caspar \A^einrichs Chronik S. 17.
2 Das. S. 1, 2: Das war von rodergat bisz in die grope 25 faden
und auf dem uberloff von einer pupelne tom andern 21 ele und
3 finger bret.
3 H. U.-B. IX N. 95.
62 Die Elitwickelung d^r wichtigsten Schiffstypen.
to der moyzan- und fockemast''. Es tritt uns mithin liier
der erste sicher bezeugte Dreimaster in nördhchen Meeren
entgegen.
Im Mittelmeere kannte man mehrmastige Schiffe be-
reits seit langem. Die großen Galeeren trugen zwei, aus-
nahmsweise auch drei Masten ; auch die kleineren Fahr-
zeuge, Barken und dergleichen hatten zwei Masten. Aber
seit der Einführung des Koggen war das große Lastschiff
der südlichen Länder ebenfalls ein Einmaster^. Als man
dazu überging, die vom Koggen herstammenden Last-
schiffe mit mehr als einem Mast auszustatten, ahmte man
keineswegs die Takelung der Galeeren und Barken mit
ihren zwei ebenbürtigen Masten nach, sondern bildete die
Besegelung selbständig im Einklang mit der Schiffsform
aus. Die Entwickelung ging auch nicht vom Ein- zum
Zwei- und dann erst zum Dreimaster. Nur vereinzelt findet
man ein Schiff abgebildet das neben dem großen noch
einen kleinen Mast auf eineixi der beiden Kastelle führt ^,
so z. B. auf dem italienischen Truhenbilde auf Tafel XVII.
Im allgemeinen ist man sofort zum Dreimaster über-
gegangen. Man stellte auf jedes der beiden KasteUe einen
kleinen Mast mit einem kleinen Segel. Auf südliche Ein-
flüsse weist allein der Name des dritten Segels „mezzana,
moysan, mesan, besan" und auch die Gestalt, in der sich
dies Segel schließlich durchgesetzt hat, die Form des drei-
1 Die italienischen Seestädte haben dabei ihren Brauch, Ersatz-
stücke an Bord mitzuführen, beibehalten. Vgl. das „Statut de 1' office
de Gazarie" in Genua von 1441 Gap. 11 (Pardessus, Collection de lois
maritimes IV S. 466), wo Bestimmungen über die Ausrüstungen von
Schiffen getroffen werden : Et primo in qualibet nave seu cocha
portatae cantarioi'um viginti millia tempore pacis sint et esse debeant
ac habere teneantur homines 120, in quibus hominibus 120 sint et
esse possint famuli 32 ... . Item meistra una nova cum suis bonetis
sub poena librarum tricentarum Januinorum. Item alia meistra, pro
respectu, sub poena librarum centum Januinorum. Item, vellum unum
de medio .... Item antemnam uuam pro respectu, sub poena libra-
rum quinquaginta Januinorum ....
2. Gewöhnlich auf dem Vorderkastell. Oft diente als Mast das
aufgerichtete Bugspriet. Vgl. z. B. die Abbildung in dem Manuskript
der Eroissardchronik (Breslau, Stadtbibliothek) I, B1..60, , _
I^ravel. 63
eckigen lateinischen Segels des Mittelmeers. Doch, trifft
man in den ersten Jahrzehnten wiederholt Schiffe, die
auch am dritten Mast ein rechteckiges Segel führten, so
auf dem ältesten datierten Bilde eines Dreimasters, dem Sie-
gel des Admirals Louis de Bourbon von 1466 (Tafel XVIII) \
das zugleich die Anordnuno; der beiden Mastchen und ihre
ganz sekundäre Bedeutung recht gut erkennen läßt, während
die Schiffsforni selbst wenig gelungen ist.
Das große Kravel hatte wahrscheinlich ein dreieckiges
Besansegel-. Wie das Schiff ausgesehen haben mag, kann
man aus dem Miniaturbild auf Tafel XVIII entnehmen, das
dem Hofmaler Ludwigs XL von Frankreich, Jean Foucquet
(gestorben um 1480), zugeschrieben wird, und das in der
Sorgfalt des Details wohl unübertroffen ist, auch Schiff und
Menschen im richtigen Verhältnis wiedergibt. Wie hier, so
muß auch beim großen Kravel das Großsegel die Takelung
noch völlig beherrscht haben; nur ganz nebenher wurde es
durch die beiden anderen Segelchen unterstützt. Während
auf dem Danziger Speicher jede einzelne Gruppe des Takel-
werks des Großmastes ein 'Hahband^ für sich füllte,
konnte man die gesamte Takelung von Fock- und Besan-
mast unter ein Rahband bringen.
Aber der Anstoß zu einer folgenreichen Umwälzung
war gegeben. Wie eine Offenbarung muß es für die
Schiffer gewesen sein, wenn sie einmal das große Segel
fallen ließen und nun sahen, was sie alles mit den kleinen
anfangen konnten. Das große Kravel hat, als es 1472 von
Downs gegen schweres Wetter die hohe See gewinnen
wollte, nur mit Hilfe des Besansegels an den Wind gehen
können"^. In der Weiterbildung der Takelung liegen denn
auch die Hauptfortschritte der Folgezeit.
1 Auf dem Titelbild zum Schiffreclit im Hamburger Stadtrecht
von 1497. Vgl. auch Tafel XIX.
- Darauf deutet das Vorhandenseüi eines Bonnets beim Besan-
segel.
3 Band, mit dem das Segel an der Rali befestigt wurde,
4 Darnae an; frj^dage vor oculi (1472 Febr. 28) qwam eyn stark
f arwedder. alzo dat wy de Dwnisz rumen mosten, und luchteden unsze
64
Die Eiitwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Die Einführung der Kravelsbeplankung bei den großen
Seefahrern brachte eine nochmalige allgemeine Steigerung
der Schiffsgefäße. Schon das große Kravel ist ja ein ganz
enormes Schiff gewesen. Durchgehends wurden im letzten
Viertel des 15. Jahrhunderts Schiffsgrößen erreicht, wie sie
in der Handelsflotte bis zum 19. Jahrhundert nur in weni-
gen Ausnahmefällen übertroffen worden sind. Die Kravels-
beplankung hat sich nur ziemlich langsam durchzusetzen
vermocht. Tief im 16. Jahrhundert trifft man noch wieder-
holt große geklinkerte Schiffe an^ Bei kleineren Fahr-
zeugen hat man diese Art der Beplankung bis auf den
heutigen Tag beibehalten.
Auf der Ausbildung der Formen des Rumpfes und
der Takelung beruht die ganze fernere Entwickelung.
Was für Fortschritte darin in einem Vierteljahrhundert
gemacht worden sind, das veranschaulichen am besten
die beiden nebenstehenden Siegelbilder. Das erste, das
Maximilian und Maria von Burgimd sich kurz nach ihrer
Vermählung stechen ließen, zeigt noch die Formen des
Hulkes. Zwar gab es damals schon große Kravele in
ziemlicher Anzahl, aber die Masse der Schiffe waren noch
Hulke. Das andere Siegel hat Maximilian fünfzehn Jahre
später anfertigen lassen, ein Meisterstück; nur von dem
überreichen Schmuck der Segel darf man sich nicht ver-
wirren lassen. Es sind durchgebildete Formen, die bereits an
Schiffe der jüngsten Vergangenheit erinnern, das mächtige
Batteriedeck, die mit dem Schiffsrumpf zu einem harmo-
nischen Ganzen verwachsenen Kastelle. Aus den kleinen
Trabanten des Grroßmastes sind fast ebenbürtige Gesellen
geworden.
ancker und felden de focke, do wolde dat schip nicht kamen; do
felde wy dat schonf ersegel , do wolde dat gude schip nach szo vort
nicht kamen, alszo dat wy landewert andreven. Thom latsten halp
uns God van hemmele und de grote here sunte Jacob, dat dat gute
schip upp qwam. Do segelde wy bym love nae boven (H. R. II, VI
S. 50U.)
^ Carpaccio hat auf seinen Bildern noch überwiegend geklinkerte
Schiffe dargestellt.
Kravel. Q^
Die Franzosen und Bretonen haben sicli anscheinend
mit dem letzten großen Antrieb, den sie dem europäischen
Schiffbau durch die Emführung der Kravelsbeplankung
verliehen, ausgegeben. Sie haben allerdings in den sech"^
ziger Jahren noch manch gewaltiges Kravel gezimmert.
Zu besonderer Berühmtheit ist noch zu Zeiten des großen
Kravels die Columbe, das Schiff des französischen Ad^'mirals
Guillaume de Casenove genannt Coulon, das nach ihm den
Namen Coulon trug, gelangt. Es hat dem großen Kravel
an Größe nicht nachgestanden und unter seinem energischen
Führer eine außerordentliche Seetüchtigkeit und Manövrier-
fähigkeit bewiesen 1. Späterhin aber traten die Franzosen
als Schiffbauer völlig zurück.
Das gleiche gilt von den Engländern. Unter
Heinrich VII. und Heinrich VIII. schufen sie mächtige
Kriegsschiffe, so den Regent^, der eine Kopie der Columbe,
jedoch längst nicht so brauchbar war, und das berühmte
Riesenschiff Henry Grace a Dieu, ein Fahrzeug, das mehr
durch seine Größe als dm-ch seine Seefähigkeit Aufsehen er-
regte 3. Im großen und ganzen waren alle englischen Bauten
dieser Zeit Nachahmungen fremder Muster. Vielfach hat
man Schiffe aus Portugal und den Mittelmeerstädten bezogen.
1520 äußerte ein Franzose, die Schiffe von England, Sch'^tt-
land und Irland glichen völhg den französischen, zum
größeren Teil seien sie auch in Franki'eich und in Biscayen
erbaut*. Tatsächlich gehörte damals die enghsche Flotte,
1 Vgl. Charles de la Ronciere, Histoire de la Marine francaise'H
(Paris 1900) S. 333 ff., ferner Held. Die Hanse und Frankreich von
der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Eegierungsantritt Karls VHI
Hansische Geschichtsblätter 1912 S. 222 u. a. Finot, Inventaire som-
maire des archives departementales. Nord VIII S. 297, Gutachten über
die zum Kreuzzug erforderlichen Schiffe c. 1464: Monsieur l'amiral
de Bretaigne a une nef de IXc tonne aus, savoir est XVHIc pipes,
tonte neuve la plus belle et la meillere qui soit sur les mers de par
de sa.
'■^ 1487 vollendet, 600 Tonnen groß. Vgl. Oppenheim. A History
of the administration of the Royal Navy S. 36.
3 Das. S. 49. Angeblich 1000 Tons groß.
■ * Ch. de la Sondiere 11 S. 467.
Hagedorn, Die. Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen. 5
66 Die Entwickelung der wiclitigsten Schiffstypen.
was die großen Last- und Kriegsschiffe anbetrifft, ganz
zum Kreis des westlichen Schiffbaus ^
Die Fortbildung erfolgte im wesentlichen auf zwei
Gebieten, der Ostsee, die den nördlichen Typus ausgestaltete,
und in der Pyrenäenhalbinsel, die für alle südlichen Länder
im Bau von großen Lastschiffen maßgebend wurde. Auf
beiden ist man noch in den achtziger Jahren des 15. Jahr-
hunderts zum Viermaster gelangt.
Ein sehr gutes Bild des südlichen Schiff typs, den
wie schon erwähnt, die nördlichen Nationen Krake nannten,
hat der niederländische Kupferstecher W^, von dem wir
eine ganze Anzahl Schiffsbilder besitzen'^, mit allen tech-
nischen Einzelheiten uns bewahrt. Es ist das älteste brauch-
bare Bild, auf dem die Schiffsart angegeben ist. Hier,
wie auf den prachtvollen G-emälden des Venezianers Car-
paccio in der Real Academia di Belle Arti in Venedig, die
das Leben der heiligen Ursula darstellen sollen, dabei aber
das Seewesen der großen italienischen Handelsstadt sich
zum Hauptmotiv genommen haben, erscheint noch der-
selbe Rumpf, den die früheren Karacken, die Verwandten des
Hulks, zeigten, jenes abenteuerliche Gebilde mit dem wie auf
einem Halse vorgereckten Vorderkastell. Die Bezeichnung
dieser großen Lastschiffe war in Italien noch eine Zeitlang
Karacke, dann Nave, in Spanien Nao. Späterhin hat man
in Spanien und Portugal den Galeonentyp ausgebildet, der
sich lediglich durch etwas schlankere und leichtere Bau-
art vom Nao unterschied. Ein kleineres Fahrzeug vom
Naotyp war die Santa Maria, mit der Columbus 1492 seine
erste Reise nach der Neuen Welt machte. Die Takelung
war unterdessen schon bedeutend vervollkommnet worden.
Der Großmast der Santa Maria trug über dem Großsegel noch
ein kleines Topsegel. Fock- und Besansegel waren größer
geworden. Außerdem hatte man das Bugspriet, das bisher
nur zum Aussetzen und Einheben des Ankers diente, mit
1 Vgl. Oppenheim, A History of the administration of the
Royal Navy S. 49 f. Danach hat Heinrich VIII. 1509 und 1512 von
Genua 2 Karacken von je 700 Tonnen erworben.
2 Vgl. über ihn Lehrs, der Meister W/^. Dresden 1895,
Kravel. 67
einem Rahsegel, der Blinde, versehen i. Es hat nicht
lange gedauert, da erhielt der Fockmast auch ein Topsegel.
Aus den Topsegeln sind schließlich die Marssegel erwachsen,
über die man wieder die Bramsegel als neue Topsegel
setzte.
Der portugiesische Schiffskonstrukteur Fernando Oli-
veira hat um die Mitte des 16. Jahrhunderts erklärt, die
Italiener nennten dieselben Schiffe Carracas, die die Spanier
als Naos, die Deutschen als Hulke bezeichneten 2. Danach
müßten eigentlich keine besonderen Unterschiede zwischen
den verschiedenen Typen bestanden haben. Doch lassen
sich einige deutlich erkennen. Die spanischen Schiffe,
namentlich die Graleonen, waren schmaler, leichter, aber
viel höher als die des Ostseetyps und segelten auch weit
besser, wogegen die Fahrzeuge der nördlichen Gewässer
plumper, aber auch viel widerstandsfähiger waren. Die
Schiffer der Ostseestädte sind in der Ausbildung des Fock-
mastes vorangegangen und haben den Mastfuß auf den
Kiel gestellt, während er bei den Spaniern auf dem untersten
Deck ruhte. Die Angehörigen beider Gruppen hatten
übrigens stets nur Verachtung für die gegenseitigen Lei-
stungen. Jeder hielt seine Bauart für die richtige. Ein in
der Sache uninteressierter Mann, der niederländische Staats-
rat Cornelis Scepper, hat 1553 sein Gutachten dahin ab-
gegeben, daß die spanischen Schiffe und die niederländi-
schen Hulke 3 völlig verschieden wären. Die ersteren seien
schöne und gute Fahrzeuge und treffliche Segler, die Hulke
dagegen schwer, schlecht besegelt, dafür aber fester und
mit allem besser versehen als die Spanier. Sie könnten
sich den ganzen Winter über auf der See halten, ohne,
1 Columbus notiert in seinem Tagebuch 1492 Okt. 24: llevaba
todas mis velas de la nao, maestra y dos bonetas, y trinquete (Fock),
y cebadera (Blinde), y mezana, y vela de gavia (Topsegel). Navarrete,
Coleccion de los viages y descubrimientos I (Madrid 1825) S. 39.
2 Fernando Oliveira, Livro da fabrica das naus. Angeführt bei
Henrique Lopes de Mendon^a, Estudos sobre navios portuguezes nos
seculos XV e XVI (Lisboa 1892) S. 19.
'^ Hiermit (hulques) sind in diesem Fall die großen niederländi-
schen Lastschiffe gemeint.
68 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen,
außer in dringender Not, einen Hafen anzulaufen, was die
spanischen Schiffe, wie die Erfahrung lehre, nicht ver-
möchten. Die Niederländer gingen mit dem ersten guten
Winde in See, mag es Dezember, Januar oder Februar sein,
und brauchten drei oder vier Monate für Ausreise, Aufent-
halt und Rückfahrt. Es könnten daher die spanischen
Konvoifiotten , die frühestens im März ausliefen und im
September heimkehrten, ihnen keinen Schutz gewährend
Diese den niederländischen Schiffen zugeschriebenen
Eigenschaften hatten auch alle anderen Kauffahrer des
nördlichen Typus. Die Führung im Bau von großen
Lastschiffen hatten damals nicht die Niederlande, sondern
das Ostseegebiet. Nicht umsonst hatte das große Kravel
fast ein Jahrzehnt im Danziger Hafen gelegen. Die
dortigen Schiffbauer hatten an ihm gelernt. Und als es
1475 zu seiner letzten Reise nach Brouage in See ging,
segelten in derselben Flotte bereits zwei andere große
Danziger Kravele^, 1473 hat ein Lombarde hier ein Schiff
von 51 Ellen Kiel bauen lassen 3. 1488 legte ein Danziger
für eigene Rechnung ein Schiff von 55 Ellen (31,5 m) Kiel
auf Stapel, das an Ladefähigkeit dem großen Kravel nichts
nachgegeben haben kann. Die Länge auf Deck betrug
23 Faden oder 39,6 Meter, 31/2 Meter weniger als beim
großen Kravel. Dafür aber war die Breite des Schiffes
um fast 1 Elle größer: 22 Ellen oder 12,63 Meter^,
1 Scepper an die Eegentin Maria von Ungarn, Veere, 1553 Fe-
bruar 16, Häpke, Niederländische Akten und Urkunden I N. 646.
2 Vgl. Caspar Weinreichs Chronik S. 17 Anm. 5.
3 Italiener haben übrigens vielfach Danziger Schiffe erworben.
1425 hatte bereits der deutsche Kaufmann in Brügge gegen den
Schiffbau für Lombarden in den Ostseestädten Stellung genommen
(H. R. I, VII N. 800 § 25). Ein Lombarde wollte auch das große
Kravel nach seiner Neuauf Zimmerung kaufen (H. E. II, VI S. 498).
1495 berichtet Wein reich (S. 87) wieder von dem Bau eines großen
Kravels für italienische Rechnung.
4 Weinreich, S. B7 : Disz krafel war zwischen beyden grifen
23 faden, ein krafel bisz an das niderste barkholtz und auf dem
uberloff mit den beissersten barkholtzern 22 elen weit.
Ki'avel.
69
Neben Danzig hat vor allem Lübeck den Bau großer
Lastschiffe gepflegt. Das nebenstehende Bild, das den
Untergang des lübischen Bergenfahrers Hans Ben mit 33
Mann im Jahre 1489 darstellt, ein Votivbild in der Brief -
kapeile der Marienkirche, zeigt bereits einen Viermaster, der
aber noch geklinkert ist. Eecht gut sind im Vergleich zu
dem arg verzeichneten Hauptschiffe die kleineren Fahr-
zeuge am Ho-
rizont getrof-
fen. Ganz
ähnlieh geben
auch die
Schnitzereien
der Schiffer-
bank in der
lübischen
Schifferge-
sellschaft das
Aussehen der
damaligen
Kauffahrer
wieder. xA.ber
nicht durch
solche kleine-
ren Fahrzeu-
ge, sondern
durch seine mächtigen Kriegsschiffe ist Lübecks Schiff-
baukunst bekannt geworden.
Bereits 1514 hat König Heinrich VIII. ein lübisches
Schiff von angeblich 900 Tons für seine Flotte ange-
kauft i. Als dann 1533 Marcus Meyer mit der gegen die
Niederlande aufgebotenen Flotte nach England kam, müssen
die massigen seefesten Schiffe einen gewaltigen Eindruck
gemacht haben. Späterhin hat Heinrich VIIL seine Flotte
weniger durch Neubauten, als durch Ankäufe von Schiffen
1 Oppenlieiin, A History of the Administration of the Royal
Navy (London 1896), S. 49 Anm. 25: Der „Salvator von Lübeck",
später genannt „Great Elizabeth", für £ 2333, 6 s., 8 d.
5. Lübecker Kravel um 1530.
Schnitzerei in der Schiffergesellschaft in Lübeck.
70 Die Entwickelun^ der wichtigsten Schiffstypen.
der Ostseestädte vermehrt \ namentlich, als 1544 England
von einer französischen Invasion bedroht war. Die Schiffe
haben nachher englischen Neubauten zum Vorbild gedient
und den Einfluß des südlichen Types aus der königlichen
Marine verdrängt. Im Kriegschiffbau ist England dann
selbständig weitergeschritten zum Dreidecker. Auf diesem
Gebiete hatte das Inselreich schon zu Elisabeths Zeit alle
anderen Nationen überflügelt, während seine Handelsflotte
einen Vergleich mit den niederländischen und deutschen
Schiffen nicht aushalten und sich überhaupt nur dank
einer monopolistischen Schutzgesetzgebung gegenüber ihren
Konkurrenten in der Fahrt behaupten konnte.
Schweden und Dänen verfügten auch über gewaltige
Schiffe. Unter Gustav Wasa wurde systematisch an der
Schöpfung einer starken Handels- und Kriegsflotte ge-
arbeitet. Von dem größten schwedischen KraveP, das 1532
gebaut wurde, sind uns die Maße überliefert^:
Kiellänge .... 130 Fuß (Tyska fot) = 37,375 Meter
Länge von Galion bis Heck* . 174 Fuß =50 „
Länge auf dem obersten Deck . 153 „ = 44 „
Größte Breite 40 „ = llVa „
Höhe 38 „ = 10,93 „
Länge des Großmasts .... 126 „ = 35 ^4 „
1 Es wurden angekauft: 1539 der Lübecker „Matkew" von
600 Tonnen, die Hamburger „Less Galley" und „Great Galley" von
400 und 500 Tonnen, 1544 die hamburgische „Mary Hambro" von 400,
der „Jesus of Lübeck" von 600, der „Struse of Dawske" (Danzig)
von 400, 1545 der „Morian von Danzig" von 500 und der „Christopher
von Bremen" von 400 Tonnen. Vgl. Oppenheim, The Administration
of the Royal Navy S. 50, 51. Von den meisten dieser Schiffe haben
sich Bilder erhalten in einer Handschrift mit dem Titel: „The Rolle
declaryng the Nombre of the Kynges Maiestys owne Galliasses" 1546,
zum Teil im British Museum , zum Teil in der Pepysian Library in
Cambridge befindlich. Vgl. darüber Keble Chatterton, Sailing Ships
S. 186, 187, Fig. 48, 49. Siegel, Die Flagge (Berlin 1912), Tafel 9 ff.
2 Das Schiff wurde auch „Stora Krafveln" genannt.
3 A. Zettersten, Svenska Flottans Historia Aren 1522—1634,
Stockholm [1890], S. 331. Die Richtigkeit der Angabe über die Kiel-
länge (längd under kölen) erscheint fraglich.
4 längd midt i skeppet.
Kravel.
71
Länge der Großrah 102 Fuß = 29,325 Meter
Länge der Fockrah ..... 74 „ = 21,28 „
6. Schwedisches Kravel (Stora I&afveln?), auf dem Plan von
Stockholm, entworfen von Hieronymus Scholeus.
Aus Braun und Hogenberg, Civitates orbis terrarum IV.
Es mag von dieser Gruppe nicht gescliieden werden,
ohne ihres hervorragendsten Vertreters zu gedenken, des
„großen Adlers von Lübeck", der im September 1565 als
Ersatz für das im Kriege mit den Schweden verlorene
Admiralschiff auf Stapel gelegt wurde und Ende März des
folgenden Jahres ablief. Peter von der Horst, der die
Bauzerter noch gesehen hat, gibt folgende Maße an:
Länge des Kiels
Länge von Steven zu Steven .
Länge von Gallon^ bis Galerie
Breite binnen Bordes ....
Höhe des Vorderstevens ^ . . .
Höhe des Achterstevens ^ . . .
Hintere Höhe von Kiel bis Heckbord
Länge des Ruders 21
62 Ellen
36 ]
85
49
111
64
48 Fuß
13,84
241/2 EUen
14,13
20
11,55
37V2 „
2IV2
21
12,13
Meter
1 Das Galion war 18 Ellen lang.
2 Hängt 16 Ellen über.
3 Häng-t 7 Ellen über.
7;2 Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypen.
Der Großmast bestand aus vier Stücken : Mast, große
Stenge, Bramstenge und Flaggenspiel von 19, 10, 7 und
4 Faden Länge, und war zusammengesetzt 108 Ellen oder
62,15 Meter liocli. Die große Eali war 57 Ellen oder fast
34 Meter lang, das Großsegel 54 Ellen oder über 31 Meter
breit.
Der große Adler war als Kriegsschiff gebaut, daher
rührt seine enorme Höhe. Nachdem 1570 mit Schweden
Friede geschlossen war, wollte man ihn als Kauffahrer
benutzen und überließ ihn 1574 unter gewissen Vorbehalten
einem Reederkonsortium. Das Schiff nahm in Langesund
eine Holzladung für Lissabon ein, wurde aber in See leck
und kehrte nach Lübeck zurück. Hier brach man die
Oberbauten in der Höhe von 7 Ellen, das sind 4 Meter, ab.
Dann konnte der Adler seine Reise glücklich vollführen.
Er ist aber nicht wieder heimgekommen, sondern in Lissabon
abgebrochen worden. Er war von dort mit einer Salz-
ladung in See gegangen, wiederum leck gesprungen und
zur Umkehr genötigt. Eine Untersuchung ergab, daß der
Unterbau für . eine volle Ausnutzung des Laderaums nicht
schwer genug war. Nach der lübischen Tradition soU das
Schiff in Lissabon 1000 Lasten Salz geladen haben und
dabei 27 bis 28 Fuß, d. h. etwa 8 Meter, eingetaucht sein.
Nach den Maßen muß die Ladefähigkeit ungefähr 700 Lasten
betragen haben.
Die Takelung, die man auf dem sonst nicht gerade
gut gelungenen zeitgenössischen Bilde des Adlers in der
lübischen Schiffergesellschaft in allen Einzelheiten erkennen
kann, ist bald darauf durch eine Erfindung des Schiffers
Kryn Wouterß von Enkhuizen noch ergänzt worden.
Dieser — es ist das erstemal, daß der Name eines Er-
finders auf schiffbautechnischem Gebiet genannt wird^ —
richtete als erster die Toppen der Masten zum Auf- und
Abnehmen ein 2, so daß man sie fortab nur bei schwachem
Winde einsetzte.
^ Alle früheren gehören dem Eeich der Tabel an.
2 Witsen, Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier
(Amsterdam 1671) S. 258.
Kravel.
73
Die Tragweite der während des einen Jalirliunderts in
der Takelung gemachten Fortschritte Läßt sich kurz dahin
kennzeichnen, daß die Schiffe jetzt besser bei etwas seit-
lichem als bei rückwärtigem Winde segelten. Damit war
zugleich die Möglichkeit einer viel größeren Ausnutzung
des Windes gegeben. Durch die Teilung der Segelfläche
in mehrere kleinere Segel ersparte man Bedienung: die ein-
zelnen Verrichtungen wurden nacheinander durch dieselben
Leute vorgenommen. Bei stürmischem Wetter konnte man
die Segelfläche ganz anders einschränken als ehedem und
andrerseits bei ruhigem Wetter eine viel größere Fläche dem
Winde darbieten. Die Rahen wurden nicht mehr, wenn
das Schiff vor Anker ging, herabgelassen, sondern blieben
hängen.
über die Bauweise mittelgroßer Schiffe dieser Art hat
uns der Amsterdamer Ratsherr Witsen eine Beschreibung
und einen Aufriß aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts
überliefert i. Das Aussehen seines Schiffes gleicht einiger-
> Seif
i«L
tW^tW:
.sT h'ei'tn 7<-ipi
7. Aufriß eines Kauffahrers (Kravels) um 1520.
Aus Witsen, Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier.
Amsterdam 1671.
maßen denen auf den Reliefs in der lübischen Schiffer-
gesellschaft. Witsen berichtet, daß damals Breite und
Höhe ziemlich gleich bemessen wurden, nämlich gleich
einem Drittel der Kiellänge, ebensoviel hing der Vorder-
1 Witsen, Aeloude en hedendaegsclie scheepsbouw en bestier
(Amsterdam 1671) S. 47 ff.
74
Die Eiitwickelung der wicliti^'sten Schiffsfcypen.
Steven über, während der Achtersteven fast senkrecht
stände Der Überlauf verlief wagerecht. Unterlcimfts-,
Proviant- und Wirtschaftsräume befanden sich in den Auf-
bauten auf dem Überlauf. Das Schiff lud vorn Ijreit aus
„nach Art der Wasservögel, die auch beim Schwimmen
ihre breite Brust nach vorn kehren". Die Haut war nach
außen vollkommen glatt und nicht mit Berghölzern ver-
sehen; sie war vier oder fünf Finger stark. Die Spanten
wurden je aus einem Krummholz gebildet.
Von den Durchschnittskauffahrern des späteren Jahr-
hunderts findet man Abbildungen auf allen Atlanten und
Bilderwerken dieser Zeit in Hülle und Fülle. Sie haben
die von Witsen beschriebenen Hauptzüge beibehalten. Nur
ist man allgemein zur
Anbringung von Berg-
hölzern übergegangen.
Die Aufbauten haben
ihren Charakter als
solche fast ganz ver-
loren und sind zu
Teilen des Schiffs-
körpers geworden. Die
Takelung war bei den
kleineren Schiffen des
Types selbstredend
viel einfacher als beim
großen Adler, der in
der Teilung der Segel-
fläche seiner Zeit weit
vorausgeeilt war.
Eine einheitliche Bezeichnung hat sich für den nörd-
lichen Typ des großen Lastschiffs nicht durchzusetzen
vermocht. Die Italiener nannten ihn Berten, wohl in
Erinnerung daran, daß die Bretonen die Kravelsbeplankung
eingeführt hatten. Spanier, Franzosen und Engländer —
letztere jedoch nur für die fremden Schiffe — haben den
8. Balisegel.
Aus Braun und Hogenberg, Civitates orbis
terrarum I (1572), Plan von Hamburg.
1 Er fiel nur l/■^ der Weite.
Kravel. 75
Namen Hulk (urca, hourque, liulk) beibehalten. Vereinzelt
wurde dieser auch in den Gebieten des nördlichen Typs
selbst gebraucht. In Lübeck hat sich der ISTame „Kravel"
lange behauptet. Im allgemeinen aber sagte man im Ost-
seegebiet in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein-
fach „Schiff", im ISTordseegebiet dagegen Rahsegel (raseyl).
Am Ausgang des 15. Jahrhunderts wurde auch der Name
Bardze für kleinere dreimastige Schiffe verwendet^.
Auf der Ostsee waren Schiffe von 300 Lasten Trag-
fähigkeit keine Seltenheit. In Spanien und Portugal aber
hat man eine beträchtlich höhere Durchschnittsgröße für
die großen Lastfahrer im Vergleich zum Ostseegebiet er-
reicht. Hier haben aber die Verkehrsbedürfnisse die
Entwickelung bereits um 1550 auf einen toten Punkt ge-
bracht. Als ein Charakteristikum der spanischen Galeonen
erscheinen stets die enormen Aufbauten. Der starke Pas-
sagierverkehr erforderte große Räume über Wasser: so
baute man denn ein Stockwerk über das andere, steigerte
aber die übrigen Teile des Schiffs nicht im gleichen Ver-
hältnis, so daß schließlich die Höhe viel größer war als die
Breite. Der niederländische Geschichtsschreiber Emanuel
van Meteren berichtet 1592 von einer Galeon „Madre de
Dios'', die angeblich 1600 Tonnen hielt, daß sie im Kiel
100 Fuß, von Bugspitze bis Laterne 175 Fuß lang war,
48 Fuß größte Breite und 31 Fuß Tiefgang hatte und
7 Decks besaß-. Als ein Niederländer einmal einen großen
Portugiesen bei Sankt Helena überwältigt hatte, meldete
er nach Haus, die Kastelle des Schiffs wären ebensohoch
wie sein Fockmast^.
Diese Höhenentwickelung hatte die schwersten Schat-
tenseiten und glich alle Vorzüge aus, die vielleicht diese
südlichen Schiffe jemals vor den nördlichen besessen haben.
1 Eine solche Bardze hat der Meister W/^ abgebildet.
2 Niederländische Historien XVI S. 687. Das sind 34,50, 50,31,
13,80 und 8,91 Meter. Demnach übertraf das Schiff nur im Tiefgang
den lübischen Adler, erreichte ihn beinahe in der Weite, stand aber
in den anderen Maßen hinter ihm zurück.
3 E. van Meteren (1614) S. 480.
76 Die Elitwickelung- der wichtigsten Schiffstypen.
An den Aufbauten fing sich der Wind, und je höher sie
wurden, desto schwerer wurde es dem Schiff, gegen den
Wind aufzukommen. Der enorme Tiefgang der Galeonen
hatte auch seine Unzuträglichkeiten im Gefolge, wenngleich
die meisten südlichen Buchten und Reeden sehr tiefe
Ankergründe besaßen. 1583 erklärte der päpstliche Legat
am polnischen Hofe, daß die großen spanischen Schiffe
kaum in die Ostsee gelangen könnten, weil sie wegen ihres
Tiefgangs schwerlich den Sund passieren könnten ^ Eine 1605
von den Staatischen genommene jDortugiesische „Karacke"
hat man in kein niederländisches Seegat bringen können
und deshalb auf die Ems gesandt.
Die letzte Größensteigerung, die das Aufkommen der
dreimastigen Kravele zur Folge hatte, hat die schon be-
stehenden Fahrwasserschwierigkeiten in den deutschen
Gewässern noch erhöht. Die deutsch-niederländische ISTord-
seeküste hat bei der Entwickelung nicht mit Schritt zu halten
vermocht. Man konnte hier schlechterdings nicht noch
größere Schiffe gebrauchen. In Hamburg bestimmte der
1529 zwischen Rat und Bürgerschaft getroffene Rezeß:
Kein Schiffer soll in Zukunft hier Schiffe bauen, die
nicht geeignet sind, täglich auf dem hamburgischen Fahr-
wasser verwendet zu werden -. 1603 hat man die Bestim-
mung erneuert^. Die Sorge um die Stromtiefe, die Be-
mühungen, das Fahrwasser wenigstens einigermaßen den
Anforderungen gewachsen zu machen, beschäftigten fort-
gesetzt Rat und Bürgerschaft. In Stettin hat die Kauf-
mannschaft 1556 beim Rate beantragt, daß man hinfort
nur Schiffe von höchstens 2-1 Ellen Kiellänge und 6 Ellen
Höhe, die man auf dem Oder- Fahrwasser verwenden konnte,
bauen und für jede Überschreitung dieser Maße eine ent-
^ Vgl. ^Mitteilungen des Westpreußischen Geschiclits Vereins I
S. 75.
"^ § 107. Vgl. Baasch, Beiträge zur Geschichte des deutschen
Seeschiffbaues und der Scliiffbaupolitik (Hamburg 1899) S. 9.
3 § 52.
Kravel. 77
«precliende Abgabe erlieben sollte. Der Rat hat diese
Vorschläge 1558 in der Schiffsordnung durchgeführt \
Man macht sich heute schwerlich einen Begriff, wie
es damals mit den AVassertiefen bestellt war. Nach Ham-
burg selbst kam kein großes Schiff mit Ladung. Vor
Neumühlen wurde gelöscht und geladen. Noch aber gab
es weiter unten Bänke im Strom, vor allem der gefürchtete
Stader Sand, über den größere Schiffe von über 100 Lasten
nur bei Hochflut hinwegkamen. Sie haben daher meisten-
teils den Rest der Ladung erst unten vor Freiburg ein-
genommen und dort auch zu löschen begonnen. Nach
Bremen konnten Schiffe von 100 Lasten überhaupt nicht
hinaufsegeln. Auf der Ems lagen die Verhältnisse unver-
gleichlich besser. Desto schlimmer war es bei den Hol-
ländern. Texel- und Vliestrom bildeten hier die Anker-
plätze, wo zunächst die Wieringer Leichter ihre Arbeit
verrichteten. Sollte ein großer Kauffahrer wirklich bis
Amsterdam herauf, dann konnte er oft wochenlang vor dem
Pampus auf eine hohe Flut warten, die ihn über die
Untiefen hinwegführte. Hier hat man dann im 17. Jahr-
hundert die seltsame Erfindung der Kamele gemacht, eigent-
lich der ältesten Form der Schwimmdocks, zweier großer
Hohlräume, die an beide Seiten eines Schiffs gelegt, dann
leergepumpt wurden und so den Schiffskörper hoben, jedoch
nicht, um ihn zu kalefatern, sondern lediglich, um ihn über
die Untiefen hinwegzuführen, damit man nicht erst draußen
auf der Reede von Texel bei stürmischem Seegang, Ge-
schütze, Munition, Takel, Tau, Anker, kurz und gut alles
in das Schiff laden mußte, wie es vorher geschehen war.
Auf der Scheide waren die Zustände sehr viel besser.
Aber auch hier blieben die großen Kauffahrer vor Middel-
burg und Arnemuyden liegen und verkehrten mit Antwerpen
durch Leichter.
Von den deutsch - niederländischen Gewässern der
Nordsee ist denn auch im 16. Jahrhundert eine Reaktion
1 Baascli a. a. O. S. 166. Die Stettiner Elle war größer als die
Hamburger. Die Zahlen geben 15,62 und 3,9 Meter.
78 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
gegen den herrschenden Typ der großen Seeschiffe aus-
gegangen und damit eine neue Phase der Entwickelung
eingeleitet.
Bojer.
Vor der deutschen und niederländischen Nordseeküste
zieht sich als ein schützendes Bollwerk die friesische Insel-
kette hin. Zwischen ihr und dem Festland liegt ein ver-
hältnismäßig sehr ruhiges Wattenmeer, das die natürliche
Fahrstraße für den Verkehr längs der Küste bildet. Von
den Seegaten zwischen den Inseln her strecken sich nach
beiden Seiten tiefere Fahrtrinnen in das Watt hinein, die
Balgen; an verschiedenen Stellen vereinigen sie sich, so
daß hinter einigen Inseln eine tiefere Fahrstraße bleibt; in
der Regel aber liegt zwischen den Enden der Balgen hohes
Watt, das bei Ebbe trocken läuft. Der Verkehr ist mithin
auf die Flutzeit beschränkt, soweit er sich nicht in den
Balgen vollzieht. Er erfordert ein inniges Vertrautsein mit
aUen örtlichen Verhältnissen. Auf die Ausnutzung der
Gezeitenströme kommt sehr viel an. Zur Fahrt über Watt
sind nur Schiffe mit flachem Boden und etwa I1/2 Meter,
allerhöchstens 2 Meter Tiefgang befähigt. Im 16. Jahr-
hundert hatten die Überwattfahrer höchstens 5, gewöhnlich
41/2 Fuß Tiefgang. Die Hamburger Lotsenordnung ließ
daher Schiffe von 4^2 Fuß Tiefgang und darunter abgaben-
frei. Es ist nicht anzunehmen, daß sich seit dem 12. Jahr-
hundert wesentliche Veränderungen im Gesamtcharakter
dieser Fahrstraße vollzogen haben.
Der Verkehr im Wattenmeer muß uralt sein, so alt,
wie an der Küste Menschen wohnen. Es verlautet aber
außerordentlich wenig von ihm. Wenn man das Hamburger
Pfundzollbuch von 1369 mit späteren Quellen ähnlicher
Art vergleicht, die allerdings um ein Vierteljahrtausend
jünger sind, so wird man doch den Eindruck haben, daß
sich nur sehr wenig in der Zeit geändert hat, daß aUein
die Häufigkeit der Fahrten sich ein wenig gemehrt hat.
Im Anfang des 17. Jahrhunderts hörte eigentlich schon
Bojer. 79
bei einer Tragfähigkeit von 20 Lasten die Mögliclikeit der
Überwattfahrt auf. In älteren Zeiten kann das nicht an-
ders gewesen sein. Beachtet man dies, so ergibt sich, daß
1369 die deutschen Schiffer überwiegend die Fahrt durch
die offene See, die friesischen dagegen den "Weg hinter der
Inselkette gewählt haben müssen. Doch gilt das nur für
weitere Fahrten wie z. B. von Hamburg nach Amsterdam.
Der Nahverkehr ging ganz über Watt. Allerdings waren die
Überwattfahrer nicht an ihre Route gebunden; bei gün-
stigem Wetter nahmen sie gelegentlich auch ihren Weg
durch die offene See außerhalb der Inselkette, weil sie hier
schneller vorwärts kamen. AVir haben aus dem Jahre 1636
eine anschauliche Schilderung von einer solchen Fahrt, die
eine niederländische Konvoiflotte von Hamburg nach der
Zuiderzee machte ^. Fünf Tage brauchte man wegen Gegen-
windes, um von der Elbe bis zur Weser zu gelangen.
Dann aber segelte man mit Ostwind außerhalb der Insel-
kette an einem Tage bis Schiermonnikoog. Zwischen dieser
Insel und Ameland bog man am Abend ins ruhigere
Wasser ein. Am nächsten Tage fuhr man über Watt, kam
aber wegen AVindstille erst nach Toresschluß nach Har-
lingen. Auch in früheren Zeiten wird man bei günstiger
Witterung gelegentlich außen herum gefahren sein.
Kein Bild ist uns von diesen Küstenfahrern aus
älterer Zeit bewahrt. Erst die aufblühende Miniaturmalerei
des 15. Jahrhunderts hat ausnahmsweise auch ein Fahrzeug
dieser Art abgebildet. In der berühmten niederländischen
Bilderhandschrift, die unter dem Namen Heures de Turin
bekannt ist und vielfach den Gebrüdern van Eyck zu-
geschrieben wurde, befand sich auch die umstehend
wiedergegebene Darstellung der Meerfahrt des heiligen
Julian und der heiligen Marta. Der Herausgeber ^ setzt
1 Bericht des französischen Gesandten Ogier, K. SchottmüUer,
Eeiseeindrücke aus Danzig, Lübeck. Hamburg und Holland 1636,
Zeitschr. des Westpreußischen Geschichtsvereins 52 S. 253, 254. Nach
Ogier wurden die holländischen Überwattfahrer ,,oeffs" genannt.
2 [Comte Paul Durrieu] , Heures de Turin. Quarantecinq feuil-
lets a peintures provenant des tres belies heures de Jean de France,
'80 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen,
das Bild in die bayrische Periode, wonach es kurz vor oder
um 1420 entstanden sein muß. Es zeigt ein offenes kleines
klinkergebautes Fahrzeug mit etwas hochgezogenem Bug
und Heck und einem Heckruder. Das Auffallende an ihm
ist die Takelung, die von allem abweicht, was wir bisher
gesehen haben. Hier zum ersten Male tritt das Segel auf,
das man mit vollem Recht als das friesische National-
segel bezeichnen kann, das ehemalige Schmack-, heutige
Sprietsegel. Es ist ein rechteckiges Segel, das an einer
Seite mit Bändern am Mast befestigt ist, in der Diagonale
aber einen Baum, das Spriet, führt, der unten wieder be-
weglich am Mast angemacht ist. Regiert wird es durch
eine Geer am Sprietende und eine Schot; ein Stag und ein
Bakstag neben ein paar Wanten halten den Mast aufrecht.
Wie alt diese Form des Segels ist, wissen wir nicht.
Es dauert fast ein Jahrhundert, ehe es wieder auf einer
Abbildung erscheint. Möglich, daß es sich um eine jüngere
Erfindung handelt. Aus den Hamburger Kämmereirech-
nungen des 14. Jahrhunderts geht hervor, daß damals die
kleineren Schiffe der Stadt Rahsegel hatten \ Vom Anfang
des 15. Jahrhunderts bis 1461 fehlen die Rechnune:en.
1466 aber ergeben sie, daß das Tonnenschiff der Stadt ein
Spriet- und außerdem noch ein Focksegel führte 2. Mit
diesen beiden Segeln, dem dreieckigen mit der Langseite
am Stag angemachten Focksegel (Klüver), das offenkundig
auch hier an der Nordseeküste zuerst aufgekommen ist,
und dem Sprietsegel, sind im 16. Jahrhundert, wo das Ab-
bildungsmaterial dank der großen Kupferstichwerke und
Atlanten reicher ist, alle kleinen Fahrzeuge der deutsch-
niederländischen Nordseeküste ausgerüstet. Auch im Ost-
duc de Berry. Paris 1902. Das Original ist beim Brande der Turiner
Bibliothek mit verloren gegangen.
1 Koppmann, Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg, I S. 440
(1386): 1 ^ pro malo et pro raa [ad hukboet]. S. 465 (1387): 141/2 S"
6 ß pro velo novo et 2 bonant ad snickas.
2 Koppmann, das. II S. 286: 31 ß pro malo et sprete ac con-
sucione vocken veli ad navim tunnarum.
Bojer. 81
seegebiet ist das Sprietsegel im 16. Jahrhundert bereits
eingebürgert,
Bezeichnungen sind für die älteren Überwattfahrer
wenig überliefert und bis zum Ende des 15. Jahrhunderts
nicht so, daß man den Charakter und die Bedeutung des
Types feststellen kann. Von diesen Überwattfahrern ist
die Umwälzung im Schiffahrtswesen ausgegangen.
Der Hamburger Chronist Bernd Gyseke berichtet:
1525 zu Ostern segelte Herman Evers als Erster auf einem
Bojer mit einem Schmacksegel nach England, was man
zuvor nie gehört hat. Im Vorjahr hatte man sich damit
zuerst nach Seeland gewagt. Danach 1527 und 1528 traute
man sich mit Schmacksegeln nach Schottland, Norwegen,
nach Riga und Dublin, 1531 nach Island, 1534 nach
Brouage ^ Das ist mit dürren Worten die G-eschichte des
Einbruchs der friesischen Kleinschiffahrt in den großen
Seeverkehr.
Es mag wohl sein, daß vereinzelt schon vorher kleine
Überwattfahrer größere Seereisen gemacht haben 2, vor
allem Holländer. Aber die Chronik hat doch im Grunde
völlig recht, denn mit Herman Evers Fahrt begann die
große Entwickelung.
1 Lappenberg, Hambiirgische Chroniken in niedersäclisischer
Sprache (Hamburg 1861) S. 47: Anno 1525 im Pasken segelde Herman
Evers ersten mit enem bojer mit enem smaksegel in Engelant, dat
do tovorne angehört was. Und des vorjars hadden se it erst darmede
in Selant gewaget. Darna anno 27/28 wageden se it mit smaksegelen
in Scotland, Norwegen, to Rige, to Dublin. Darna anno 31 in Islant,
darna anno 34 in Borwasie, dat tovorne ungehort was.
2 1480 trifft man auch einen Kamper Boyer auf der Fahrt von
Kampen nach der Ostsee und von dort nach Frankreich. Doch
scheint hier einer der häufigen Fälle einer Bezeichnungsübertragung
von einem kleinen auf ein größeres Schiff vorzuliegen. (H. U.-B. X
N. 799.) Vgl. oben S. 48 Anm. 2 und S. 57 Anm. 3. Informacie op
den staet, faculteyt ende gelegentheyt van de steden ende dorpen
van Hollant ende Vrieslant . . . gedaen in den jaere 1514 (ed. Fruin,
Leiden 1866). S. 157 : VHelands Schiff bestand : 12 pincken, die vaeren
om schol, scelvisch ende cabbelliau, SEijnscepen, die om vracht varen
Overall, ende hebben noch eenen halven boyer, die oostwaerts vaert
om cooimanscip.
Hagedorn, Die Entwickehmg der wichtigsten Schiffstypen. 6
82
Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Der Name Bojer ist anscheinend niclit sehr alt. Er
begegnet zuerst um die Mitte des 15. Jahrhunderts, und
zwar vornehmlich im Verkehr zwischen Hamburg und
Amsterdam^. Das Schiff, mit dem Herman Evers seine
Fahrt nach England machte, w-ar ein kleiner niedriger,
flachbodiger Überwattfahrer mit einem Sprietsegel. Er
wird den heutigen Tjalken ähnlich gesehen haben.
Man hat aber bald die für den Verkehr auf der freien
See bestimmten Bojer etwas größer und höher gebaut, und
zu dem einen Mast noch einen kleinen Besanmast mit einem
lateinischen Segel hinzugefügt. Seit etwa 1540 bezeichnete
9. Bojer und Binuenlandsfahrer.
Aus Braun und Hogenberg, Civitates orbis terrar^^m III,
Plan von Dordrecht.
Bojer ein Schiff, das wegen seines Tiefgangs nicht mehr
über AVatt fahren konnte und zwei Masten führte. Für
die Überwattfahrer, aus denen sich der neue Typ entwickelt
hatte, wurden andere Benennungen gebraucht. In ganz
ähnlicher Weise bildete sich in Zeeland der Typ der
1 H. U.-B. Vin S. 437 Anm, 1 ; 1458 Juni 4, Riga ; Hinr. Mey
an Albert Bischof in Lübeck: De Bayvar bryngen uns seer quade
tydynge unde seggen, dat tusschen Amsterdam unde der Elve syn
6 boyerde genomen niyt droghen gode.
Bojer. 83
Hoyen aus, die sich nur unwesentlich von den Bojern
unterschieden. Es ist aber das Vordringen der Klein-
schiffahrt in den großen Seeverkehr keineswegs auf diese
beiden Arten beschränkt geblieben, sondern seitdem er-
scheinen immer wieder kleine und kleinste Schiffe auf
Eouten, die sie weit über die hohe See führten. Einmastige
Schmacken haben ja auch als Jachten im Gefolge der
großen Kauffahrer die Reisen nach Ost- und Westindien
mitgemacht.
Mut und Tüchtigkeit haben auch die Seefahrer früherer
Zeiten in kleinen offenen Booten bewiesen. Das Bedeutungs-
volle dieser Entwickelung lag darin, daß die kleinen Fahr-
zeuge in Routen eindrangen, die bisher im Alleinbesitz der
großen Lastschiffe, Hulke, Ki'avele und Rahsegel gewesen
waren. Der gesamte Verkehr der Niederlande mit Ronen
und ebenso mit London und vielen anderen englischen und
französischen Häfen ist innerhalb weniger Jahrzehnte von
den Bojern und Hoyen erobert worden. Die Bojer haben
sich ebenso in der Ostsee- und Norwegenfahrt eingenistet.
Ihre Erfolge hatten sie ihrer größeren Wirtschaft-
lichkeit zu verdanken. Zur Regierung eines Sprietsegels
gehören weniger Leute, als zur Bedienung eines gleich-
wertigen Rahsegels erforderlich sind. Ein Dreimaster von
100 Lasten hatte eine Besatzung von nicht unter 14 Mann,
oft bedeutend mehr; ein Bojer von 50 Lasten aber behalf
sich mit 5 bis 6 Mann. Die niederländischen Rahsegel
machten im Jahr nur eine Reise in die Ostsee mit an-
schließender Brouagefahrt oder zwei Reisen zwischen den
Niederlanden und Preußen; die Bojer brachten es ge-
meinhin auf drei Ostseefahrten. Sie segelten kaum besser
als die Rahsegel und waren nicht so seetüchtig; aber sie
gingen nicht so tief und konnten das Lösch- und Lade-
geschäft viel schneller verrichten. Kleinere Bojer legten
allenthalben sogleich an die Kajung an und luden vom
Land ins Schiff, sparten Leichter- und Prahmgeld. In
Emden bestimmte die Hafenordnung, daß Schiffe, die über
10 V2 Fuß tief gingen, bis auf solchen Tiefgang auf dem
6*
84
Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Strome leichtern sollten ^ AVir haben aber die Bauzerter
eines Schiffes mit ausbedungenem Tiefgang von 10 Y2 Fuß,
das nachher
als Bojer von
50 Lasten in
den Schiffsli-
sten erscheint.
Dieses
Schiff war von
Steven zu Ste-
ven 68 Fuß 3
oder 20 Meter
lang, inner-
halb der Haut
221/2 Fuß oder
6,66 Met. breit,
der Raum hat-
te 111/2 Fuß
oder 3,4 Meter
lichte Höhe.
Darüber befand sich ein durchgehendes Deck, in dem vorn
das sogenannte Vorunter und hinten das Durk, Aufenthalts-
räume, eingebaut waren. Die Geschützbank ward wohl in
der Mitte angebracht. Über diesem Deck lag — die Höhe
ist nicht angegeben — der Überlauf, das eigentliche Deck
des Schiffes ■*. Das Schiff hatte einen flachen Boden. Drei
Berghölzer waren in die Haut eingefügt.
10. Bojer.
Aus Aurigarius, Specuhim Marini (1586) 2, Küste von
Bergen in Norwegen.
1 Emder Stadtarchiv 447 El. 3—6 § 1: Anfenghlich, dat alle
geladene scliepen, so boven elftehalf voet diep gahen , up die stroem
sollen setten und oire schepen lichten up solliche diepte.
2 Die erste 1583 erschienene Ausgabe war mir nicht zugänglich.
Daß bei den auf Karten und Plänen abgebildeten Schiffen die Takelung
nicht in allen Einzelheiten genau wiedergegeben ist, muß man in
Kauf nehmen , da andere Darstellungen dieser Schiffstypen nicht
vorliegen.
3 1 Emder Fuß = 29,61 cm.
4 Emder Schiffskaufprotokoll III Bl. 94: Anno 78 ahm 19 Au-
gust! is ein koep geschehen twischen Bruen van Haren an einen und
Hinrich Kypen am anderen, in gestalt alse folget:
Bojer.
85
Kleinere Bojer waren in der einfachsten Art einge-
richtet. Sie bestanden nur aus einem Räume, der durch,
den Mast in zwei Teile geschieden wurde. Hinten auf
dem Überlauf befand sich das ;,Roof", d. h. der Unter-
kunftsraum für die Besatzung, der zugleich Küche und
Vorräte umschloß. Der Raum selbst wurde für die Fahrt
luftdicht abgeschlossen. Die Takelung bildeten das Spriet-
segel, das Besansegel und ein dreieckiges Stagsegel, Fock
genannt. Große Bojer hatten unter dem Überlauf ein
durchgehendes Deck und außerdem ein Roof hinten auf
dem Überlauf, gelegentlich auch noch wie der vorhin ange-
führte Emder Bojer ein Vorunter und Durk. Es kam vor,
daß solche Schiffe eine Armierung von bis zu acht Ge-
schützen aufwiesen.
Die Takelung ist nicht bei den einfachen Formen
stehen geblieben, hat sich vielmehr zu großer Mannigfaltig-
keit entwickelt.
Das dreieckige
Besansegelfindet
sich überall. Grö-
ßere Fahrzeuge
takelte man als
Rahbojer mit
einem großen
Rahsegel am
Hauptmast. Viel-
fach wurde dar-
über noch ein
Topsegel gesetzt
an einer zweiten
Rah. Ein solches
führten häufig
auch Bojer mit
Sprietsegel. Am Bugspriet wurde eine Blinde angebracht.
Ein 1591 erbauter Hamburger Tonnenbojer erhielt Spriet-,
Bruen lieft angenomen, Hinricli vorg. tlio leveren ein karviel-
schip, genomet ein pylstael, lanck sinde over sein steven 68 foet, wytli
binnen sein liuedt 221/3 foet, holl 11 V2 foet, darup gedecket soll
11. Enkhuizer Ralibojer,
Aus Aurigarins, Speculum Marini (1586), Küste
von Marstrand.
86 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Top-, Besansegel, Blinde, Fock, dazu aber noch eine Breitfock,
ein Segel, das bei günstigem Winde an der unteren Rah
geheißt wurde und gewissermaßen das Sprietsegel nach der
Gegenseite verlängerte^. Diese Freiheit in der Takelung
griff übrigens auch auf die kleinen Überwattfahrer über.
Auch bei ihnen begegnet man schon im 16. Jahrhundert
gelegentlich einem Topsegel oder einer Blinde.
Die einzelnen Schritte dieser Entwickelung lassen
sich nicht verfolgen. Man lernt sie nur aus den Schiffs-
bildern kennen, wie sie sich auf Karten und Plänen des
16. Jahrhunderts in großer Zahl finden. Ebensowenig läßt
sich das erste Auftreten eines der wichtigsten Hilfsmittel
der kleinen flachbodigen Küstenfahrer, der Schwerter, und
ihre allgemeine Verbreitung bestimmen. Die Schwerter
sind ovale Scheiben , deren schmalere Enden oben an der
Bordwand um einen starken Bolzen drehbar befestigt sind.
Wenn das Schiff beim AVinde segelt, werden sie mit den
sein. Unde dat schip soll up lO^/g foet uthwateren und sali hebben elf
overlopsbalcken, elcke balcke wall bekneet, und ider balcke sal hebben
ein foet bucht. Dat schip sal hebben 3 barcholter mit ein bussebanck
in de huet. Dat underste barcholt sali sin 1^2 foet breet nnd elck
barcholt 1/2 voet dicke und de overlop mit gude Pruissche delen ge-
streken. Dat schip soll hebben liggende flack 18 foet, darup i/o foet
rysens. Die achtersteven sali hebben bucht 2^;^ voet. Summa Brun
soll dat schiji leveren gantz rede, wat dat holt belanget, mit vorunder
und durck und de laningen mit die beschotten und pumpkakers,
wyntkoppelen , anckerstocken, alles, wat die bile eisschet, nichtz
uthbesundert. Des sali Hinrich dat groß iserwerck betalen. Dariegens
sali Bruen entfangen, wen die steven overende sein, 200 gl., unde
wen dat schip gantz rede is, noch 800 gl., de gülden tho 10 schapen
gerekent. Darenboven sali Bruns huesfrowe hebben 1 ^ grote.
1 Staatsarchiv Hamburg, Kämmereiarchiv: Item de holter alse
grotte holdt, sprett, bocksprett, meysan, meysan sprett, brede fockerae
blynde rae, Stengen, topsegelrae, yn alles 90 mark. Item Hans Mey-
mers maket up den thünnenboyert en segel unde focke unde blynde,
dartho 9 rul puddavel, so neyet myt platnede, vor de rul tho arbeyt
8^/2 ß, ys 24 mark, noch 8 rul tho brede focke unde topsegel unde mousan,
vor de rul tho arbeyt 1 mark, ys 8 mark, noch dat segel vorbredet 1
kledt myt 2 bonnyt, darvor tho arbeyt 24 (i. Suma 24. Jochym de segel-
macker. Dieser Bojer war 54 Fuß lang im Kiel und 24 Fuß breit auf
dem Überlauf.
Bojer. 87
breiten Enden ins Wasser herabgelassen. Sie sollen den
nicht vorhandenen Kiel ersetzen und ein Abtreiben ver-
hindern ^. Man möchte eigentlich annehmen, daß sie schon im
16. Jahrhundert allgemein in Grebrauch waren. Aber auf den
niederländischen Städteplänen von Braun und Hogenberg
findet man immer wieder neben vereinzelten Schuten und
anderen kleinen Fahrzeugen mit Schwertern solche, die
ihrer entbehren. Auch läßt sich kein einziges Bild eines
Bojers mit Schwertern aus dem 16. Jahrhundert auftreiben.
Im 17. Jahrhundert ist auch bei ihnen die Einrichtung
in Aufnahme gekommen, wenigstens sind die kleineren Bojer
seitdem durchweg mit Schwertern ausgerüstet.
Der Bojertyp hat sich nur langsam eingebürgert.
Die großen Rahsegel waren einmal da und nutzten sich
auch nicht so schnell ab. Dann ist sicherlich nicht von
vornherein der neue Schiffstyp in seiner vollen Leistungs-
fähigkeit ausgenutzt worden. Seine Einführung fällt in
kriegerische Zeiten, die namentlich die Ostseefahrt in Mit-
leidenschaft zogen. Man segelte in Geschwadern schon
wegen der eigenen Sicherheit. Endlich aber bedeutete die
Übernahme eines Bojers für einen Schiffer, der vordem
ein großes Rahsegel geführt hatte, eine Verschlechterung
seiner Stellung. All das wird zusammengewirkt haben,
daß erst nach dem Frieden zu Speier (1544) die Bojer
ernstlich die Herrschaft der Rahsegel zu bedrohen be-
gannen 2. Namentlich in den sechziger Jahren müssen sie
immer stärker in Gebrauch gekommen sein.
Ein glücklicher Zufall läßt etwa zu der Zeit, wo die
Bojerfahrt ihren Höhepunkt erreicht hatte, einmal einen
klaren Überblick über die Verbreitung der einzelnen Schiffs-
typen an einem der wichtigsten Schiffahrtsplätze, in der
o-tfriesischen Stadt Emden, gewinnen. Für die Erhebung
des Imposts, einer Einfuhrabgabe von allem von außer
Landes eingebrachten ostfriesischen Gut hat dort 1574 ein
1 Vgl. auf Tafel XXVII die kleineren Fahrzeuge.
2 Auf der großen Karte von Amsterdam, die Kornelis Antonis-
zoon 1544 gezeichnet hat, sind fast nur Eahsegel und einmastige
Schmacken, sehr wenig zweimastige abgebildet.
88 Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypen.
ZoUschreiber ein sogenanntes Anzeiclienbuch für die Schiffer
angelegt, in dem er auf jedem Blatt oben den Namen
eines Schiffers, Größe und Typbezeichnung seines Schiffes
und darunter dann die einzelnen Einlaufe der beiden Jahre
1574 und 1575 mit den eingebrachten Waren gebucht hat.
Emden überragte damals durch den Umfang seiner Reederei
sämtliche anderen deutschen und niederländischen See-
plätze ^ Dies Impostanzeichenbuch enthält nun keineswegs
eine vollständige Liste des damaligen Emder Schiffs-
bestandes, sondern nur die Schiffe, die mit ostfriesischem
Gut nach Emden kamen und an deren Ladung der Schiffer
selbst irgendwie beteiligt war-. Es fehlen alle reinen Fracht-
fahrer, ferner alle Schiffe, die nur mit Ballast einliefen
oder nur zwischen fremden Häfen verkehrten. Dafür er-
scheinen wieder verschiedene Segler nur in einem der
beiden Jahre. Immerhin ist die Gesamtzahl etwa gleich
dem Schiffsbestande von 1575, wenigstens bei den größeren
Schiffstypen. Die Zahl der Fahrzeuge zwischen 10 und 16
Lasten war beträchtlich größer. 1574 war die Reederei
der Stadt viel bedeutender^.
Der Schiffsbestand , wie er sich aus diesem Buche
ergibt, war folgender:
75 Rahsegel (rhaseil) von 5864 V* Last. Tragf.
10 Busen (buesse) „ 594 „
3 „Furblasen" (furblase) . . . „ 186 „
1 Hulk (hulck) „ 30 „
7 Boote (bodt) „157 „
3 Kraier (kreyer) „ 110 „
99 Schiffe von 69411/* Last. Tragf.
1 Vgl. Hagedorn, Ostfrieslands Handel und Seeschiffahrt im
16. Jahrhundert (Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschichte, im
Auftrage des Hansischen Geschichtsvereins herausgegeben von Dietrich
Schäfer III) I S. 251.
2 Die Bezahlung des Imposts wurde dem Schiffer bis zur
nächsten Ausreise gestundet, und wenn sie geschah, die Eintragung
getilgt
3 Vgl. über die Bewegungen, welche die Emder Eeederei in
diesem Jahre durchzumachen hatte, meine obige Schrift I S. 333 ff.
Bojer 89
99 Schiffe von 69411/4 Last. Tragf.
4 Ealibojer (rliaboyer) . . . . „ 187 „
128 Bojer (boyer) „ 4802 „
3 Weitschiffe (wydtschip) . . . „ 781/2 „
1 Hoye „ 34
1 Kravelshoye (kherfielhoye) . . „ 24 „
128 Kravels (kherfiel, kherfielschip) „ 2354 „
31 Schuten (schuite, sehnte) . . „ 416 „
1 Pinke (pincke) „ 9 „
396 Schiffe von 14845^/4 Last. Tragf.
Das größte Emder Schiff, das sich damals nachweisen
läßt, konnte 220 Lasten laden. Nur wenige Rahsegel be-
saßen über 100 Lasten Tragfähigkeit. Das kleinste führte
38, eins 40, zwei 45, die meisten jedoch über 60 Lasten.
Auch der Hulk wird wohl als ein kleines Rahsegel anzu-
sehen sein. Die „Furblasen" sind vielleicht gleich den meisten
Busen außer Dienst gestellte Heringsfänger, die nun nur
noch in der Holzfahrt von Norwegen her beschäftigt waren
und gelegentlich noch eine Fahrt um Salz nach Spanien
oder Portugal machten. AVas der Name zu bedeuten hat
und woher er stammt, läßt sich schwerlich ergründen.
Einige Busen waren im Heringsfang tätig. Über sie und
die meistenteils im Fischfang auf der Doggerbank be-
schäftigten Boote wird im nächsten Abschnitt gehandelt
werden. Wodurch die Kraier sich von den Rahsegeln
unterschieden, ist nicht erkennbar. Einer von ihnen war
nur 20, die beiden andern 36 und 54 Lasten groß. Darhit
schließt das Register der dreimastigen Schiffe. Auf sie ent-
fällt ein Viertel der Schiffszahl und fast die Hälfte der
Lasten (99 und 69 W U).
AVitschiff und Smalschiff sind keine Typenbezeich-
nungen, die die anderen ausschließen. Ein Smalschip war
ein Schiff, das die Schleuse von Gouda passieren konnte;
ein Witschip war zu weit dazu. Auch die Grenze zwischen
Kravel und Bojer ist nicht fest bestimmt. Kleinere Bojer
werden wiederholt Kravele genannt und umgekehrt größere
90 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen,
Kravele Bojer^ Es ist auch anzunehmen, daß die größeren
hier aufgeführten Kravele einen Besanmast hatten. Der
größte Bojer hatte 64, der kleinste 24, das größte Kravel
36, das nächste jedoch nur 29, das kleinste 1 1 Lasten Trag-
fähigkeit. Die größeren Kravele fuhren gleich den Bojern
nach der Ostsee, Norwegen und anderen Ländern durch die
offene See. Die kleineren waren Überwattfahrer. Sie
glichen im Aussehen den heutigen Tjalken. Ihren Namen
führten sie zum Unterschied von den derselben Größen-
klasse angehörenden Schuten, die klinkergebaut waren.
Die größte Schute war 26, die nächste jedoch nur 20, die
kleinste hier aufgeführte 8 Lasten groß. Es gab aber
noch viel kleinere Fahrzeuge, die den Namen trugen. Ihre
Zahl war erheblich größer, als die Liste angibt, da sie auch
den ganzen Emsverkehr und die Fahrt nach den benach-
barten niederländischen Häfen vermittelten. Die Pinke
war ein Typ, der in Zeeland und an den benachbarten
flandrisch-nordfranzösischen Küsten sowie der Dünenseite
von Holland zu Hause war. Das Fahrzeug muß außer-
ordentlich seetüchtig gewesen sein. Es vollführte Reisen
bis nach Norwegen und Calais.
Die Dreimaster beherrschten allein die Fahrt nach
Westfrankreich und der Pyrenäenhalbinsel. Auf allen
anderen Routen hatten sie mit der Konkurrenz der Klein-
schiffahrt zu kämpfen. Und gerade dies Anzeichenbuch
spricht für die Vorzüge der kleinen Typen. Nur wenige
Rahsegel machten im Jahr drei Reisen in die Ostsee,
während das bei den Bojern die Regel war.
Der Bojertyp ist auf die deutsch-niederländische Nord-
seeküste beschränkt geblieben. Wie die Emder Flotte
nach dem Anzeichenbuch zusammengesetzt war, ganz
ähnlich muß die Reederei der meisten nordholländischen
1 Vgl. oben S. 84 Anm. 4. Der Sondergebraucli des Wortes Kravel
an der Nordseeküste zur Bezeiclinung von Überwattfahrern darf nicht
verwirren. Diese flachbodigen Fahrzeuge bilden den nationalen Schiffs-
typ der Friesen. Sie stammen selbstredend weder von den bretonischen,
noch von den lübischen oder gar den portugiesischen Kravelen ab.
Vgl. oben S. 9.
Bojer. 91
Städte ausgeselien Laben. Emden hatte keinen besonders
großen Schiffbau und hat wohl die Hälfte seiner Schiffe
aus den Niederlanden bezogen. Für Hamburg weisen
die vom Ende des 16. Jahrhunderts vorliegenden Schiffer-
bücher ^ einen großen Bestand an mittleren und Ideinen
Schiffen nach. Der wichtige Verkehr mit Antwerpen
und Amsterdam wurde im 16. Jahrhundert nachweislich
durch Bojer besorgt. Im Elbemporium hat denn auch
die Gruppe der Bojerschiffer einen beträchtlichen Einfluß
besessen und sich korporativ betätigt.
In den Ostseestädten hat sich der Typ nicht einge-
bürgert. Schon ein Blick in die lübischen Lastadienbücher,
die alle in der Stadt gebauten Schiffe verzeichnen-, lehrt,
daß hier die mittleren Typen fehlten. Unmittelbar neben
den Schuten stehen die großen Dreimaster. Nur ganz ver-
einzelt begegnet man einem Bojer. Ahnlich lagen die Ver-
hältnisse in den anderen Ostseehäfen. In Dänemark ist
der Bojer im 16. Jahrhundert häufiger anzutreffen. Daß
die kleineren Typen der deutsch-niederländischen Nordsee-
küste in der Ostsee nicht heimisch geworden sind, braucht
kaum erwähnt zu werden. Sie sind es ja auch heute noch
nicht.
England hat von den Zeeländern die Hoye über-
nommen. Für seinen Auslandverkehr bediente es sich aber
fast nur der Rahsegel. 1572 ist eine größere englische
Getreidefiotte von insgesamt 74 Schiffen nach Emden ge-
kommen mit einer Ladung von etwa 2000 Lasten, also
durchaus keine großen Fahrzeuge ^. Darunter waren vier
Hoyen, alles andere Dreimaster^. Überhaupt war die eng-
1 Vgl. darüber Baasch, Hamburgs Seeschiffahrt und Waren-
handel vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Zeit-
schrift des Vereins für hamb. Gesch. IX S. 295 ff.
2 Baasch, Beiträge zur Geschichte des deutschen Seeschiffbaues
und der Schiffbaupolitik (Hamburg 1899) S. 44 ff.
3 Vgl. Hagedorn, Ostfrieslands Handel und Seeschiffahrt im
16. Jahrhundert I S. 201.
■* Der Emder Ruderzoll wurde in zwei Stufen erhoben, je nach-
dem die Schiffe drei und mehr oder weniger Masten hatten. Bei
92
Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
lische Handelsflotte dieser Zeit das gerade Gegenteil der
leistungsfälligen Kriegsflotte des Landes, zurückgeblieben
und schwerfällig in hohem Grade.
Im allgemeinen hat man die Bojer nicht über 55 Lasten
groß gebaut. Bei einer weiteren Steigerung gingen die
Vorzüge des Typs zum Teil wieder verloren. Vor allem
wurden die Segelleistungen schlechter. Im Emder See-
briefregister von 1576 wird sogar ein Bojer von 110 Lasten
aufgeführt ^ Aber das war ein Ausnahmefall. Größere
Schiffe baute man nach wie vor als Rahsegel.
Boot.
In den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts ist
jedoch ein neuer Schiffstyp in der Handelsfahrt empor-
gekommen, der noch viel mehr, als es die Bojer vermocht
hatten, die Herrschaft der Rahsegel beschränkte, zugleich
aber auch der weiteren Ausbreitung der Bojer ein Ende
machte. Es sind dies die Boote. Dieser Name wurde
ehedem wie heutzutage in den verschiedensten Bedeutungen
gebraucht. Hier ist er von den Doggbooten, den Fahrzeugen,
die auf der Doggerbank Kabeljau fingen, entlehnt.
Über die Entwickelungsgeschichte der niederländischen
Hochseefischerei sind wir sehr mangelhaft unterrichtet.
Wir wissen, daß bereits im ersten Viertel des 15. Jahr-
hunderts der von Busen betriebene Heringsfang auf der
Nordsee eine hohe Bedeutung besaß -. Ob die Bezeichnung
Büsemitder „bucia", „buza", „bucca" des Mittelmeeres zu-
sammenhängt oder von den Niederländern selbständig
größeren Schiffen der zweiten Klasse notierte der Zollschreiber ge-
legentlich den Typ.
1 Bei einem späteren Verkauf (1578 März) wird dasselbe Schiff
als ein „boyerschip" von 120 Lasten bezeichnet.
2 1428 berichtet der deutsche Kaufmann in Brügge an den
Hansetag über die Holländer und Zeel ander, „zie hedden ute in der
zee wal 50 off 60 busen, die to V3'sche varen, die zie ghemannet
hedden, darmede, als zie anders niclit en wüsten, dan dat zie darmede
den unsen schaden wolden doen". H. U.-B. VI N. 747.
Boot. 93
gebildet, vielleicht von „butte", „botte", dem heutigen
Bottich, also aus derselben Wurzel wie Boot hergeleitet
ist, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls hatten diese
Busen nicht das geringste mit den Mittelmeerschiffen zu
schaffen. Busen erscheinen zu gleicher Zeit auch als
Kauffahrteischiffe^, kleinere Busen als Küstenfahrer- im
deutschen Nordseegebiet. Wie diese Fahrzeuge ausgesehen
haben, ist nicht bekannt. Die Einführung mehrerer Masten
kann auch bei ihnen erst erfolgt sein, nachdem die Hulke
sie erhalten hatten. Im 16. Jahrhundert waren die Busen
dreimastige Schiffe. Sie haben auch damals Wandlungen
durchgemacht. Bis in die siebziger Jahre waren sie durch-
weg größer als späterhin. Die Emder besaßen noch 1572
eine Büse, die 70 Lasten Hering von einer Fangreise
einbrachte. Auch die außer Dienst gestellten in der Holz-
fahrt beschäftigten Busen waren durchweg über 50 Lasten
groß. Gegen Ende des Jahrhunderts konnten die Herings-
büsen nur selten 30 Lasten oder mehr einholen; die
meisten waren kleiner, viele führten nur 15 bis 18 Lasten.
Während um 1550 die Besatzung einer Büse 18 bis 30 Mann
betrugt, hatten die Heringsfänger am Ende des Jahr-
hunderts gemeinhin nur 12 bis 14 Mann an Bord. Auch
im 17. und 18. Jahrhundert hielten sie sich in dieser Grröße^,
1 Vgl. z. B. H. U.-B. V N. 655: „buys" 1405; VI N. 824; N.
920 Danziger „buse" nach Stockholm befrachtet 1431.
2 Das. VI N. 606 : Groninger nehmen 1425 den Hamburgern
auf der Weser „ene clene buczen", die mit etwa acht Last Gut be-
laden ist. Koppmann, Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg I
S. 336 (1382): ob ß pro reformacione navis dicte butzen et veli ad
dictam butzen. 1432 (das. II S. 55) erwarb Hamburg eine große Büse,
ein Heringsfangschiff, wie aus dem 1448 (das. II S. 79 lies „buesse"
statt „briesse") erfolgten Verkauf hervorgeht.
3 Eeygersberg, Beschryvinge von Zeeland (ed. Boxhorn, Amster-
dam 1646) S. 5 : buysen , die men met twintich ofte dertigh mannen
in de zee zendt, elck na syn groote. In einem anderen Bericht von
1538 (Häpke, Niederländische Akten und Urkunden I S. 389 Anm. 2)
heißt es: Ende in elcke buyssche vaeren gemeenlicken achtien ofte
twintich mannen.
* Das ergeben die von Wätjen, Hansische Geschichtsblätter
Jahrg. 1910 S. 159 ff. mitgeteilten Statistiken und die Ausführungen
das. S. 178, 179.
94
Die Entwickelung- der wichtigsten Schiffstypen.
Wagenaer, der Enkhuizer Seekartenzeichner, hat ver-
schiedentlich an der schottischen Küste und im Bereich
der Nordsee Heringsfänger abgebildet. Es sind dreimastige
Schiffe mit einem mittelgroßen, etwas nach vorn geneigten
Fockmast und einem sehr kleinen Besanmast. Fock- und
Großmast wurden während des Fanges niedergelegt. Ge-
nauso sind auch die auf der Doggerbank fischenden Fahr-
zeuge gezeichnet. Es ist daher wohl anzunehmen, daß die
Doggboote, wie man sie zum Unterschied von den an der
zeeländischen Küste fischenden Houckbooten^ nannte, nicht
^-^_
12. Boote auf der Doggerbank.
Aus Aurigarius, Speculum Marini (1586).
von diesen letzteren, sondern von den Busen herstammen.
Es ist im 16. Jahrhundert, ebenso wie heute, vielfach vor-
gekommen, daß Busen vor oder nach der Heringskampagne
1 Reygersberg berichtet a. a. O. S. 6: Desgelijcks zijnder noch
ander visschers, die 't heele jaer door den daghelijckschen vaert varen
uyt om visschen met kleynder schepen , die men pincken of houck-
boots noemt, daermede dese landen eensdeels ghespijst werden. Houck-
boote sind sehr früh nachweisbar, möglicherweise schon 1274 im Akzise-
privileg für Haarlem (H. U.-B. I N. 745), wenn hier statt hoicbort
Boot.
95
mit anderem Fanggerät auf die Doggerbank gingen und
Kabeljau fingen^.
Wiederholt findet man aber auch, daß Fischereifahr-
zeuge, bevor sie zum Fange ausliefen, erst eine Kauf fahrt
machten. So wurde im März 1555 von Amsterdamer Kund-
schaftern aus Emden berichtet, daß einige Busen nach
Osten, d. h. in die Ostsee, gesegelt wären, daß man sie
jedoch zum Beginn des Fanges wieder zurückerwarte 2. 1575
hat auch eins der Emder Boote von 30 Lasten erst eine
Getreideladung von Danzig geholt und dann auf der
Doggerbank Kabeljau gefischt. Auf solchen Reisen muß
sich die A-^erwendbarkeit des Schiffstypes zur Kauffahrt
ergeben haben. In den siebziger Jahren ist man dazu
übergegangen, Schiffe
dieser Art nur für die
Frachtfahrt zu bauen.
Die Besonderheiten,
die der Fischfang not-
wendig machte, die
Vorrichtungen zum
Umlegen der Masten,
sowie das Geländer-
werk und der hohe
Vordersteven kamen
in Fortfall. Die Take-
lung wurde durch Ein-
setzung eines Bug-
spriets ergänzt. Der
Rumpf und die innere Einrichtung der Boote hat sich nicht
13. E n k li u i z e r Boot.
Aus Aurigarius. Speculum Marini (1586),
Küste von Rijien.
hoicboot zu lesen ist. Hamburg liat 1386 (Koppmann, Kämmerei-
reclinungen, I S. 439) ein ^liukboet" bauen lassen, das außer einem
Babsegel auch Biemen führte. Beygersberg gibt auch an (Chronick
van Zeelandt ed. Boxhorn, Middelburcli 1644, S. 183), daß die ersten
Bewohner von Vlissingen überwiegend dem Schiffer- und Fischer-
gewerbe angehörteu, ..haer besieh houdende met Doggevaert, Tessel-
vaert, Houckvaert, Harinckvaert".
' Vgl. Hagedorn, Ostfrieslands Handel und Seeschiffahrt II
S. 373, 374 Anm. 1.
- Häpke, Niederländische Akten und Urkunden, I N. 762.
96
Die Entwickelang der wichtigsten Schiffstypen.
wesentlich, von der der Bojer unterscliieden. Nur trat der
Kiel stärker hervor. Größere Boote hatten gleich den
größeren Bojern ein durchgehendes Deck unter dem Über-
lauf, kleinere nur ein Roof hinten auf dem Deck. Der
Unterschied lag lediglich in der Takelung i.
Bilder von Booten sind nur in ganz geringer Zahl
auf uns gekommen. Wagenaer bietet einige wenige, von
denen das beste, ein Boot mit der Enkhuizer Flagge, das
auf der Karte der dänischen Küste bei Ripen abgebildet
ist, hier wiedergegeben ist, Braun und Hogenberg bringen
die ersten Boote erst nach 1590 im 4. Bande der „Civitates
14. Vlieboote.
Aus Braun und Hogenberg, Civitates orbis terrarum IV,
Pläne von Stavoren, Hindeloopen und Harlingen.
orbis terrarum" und zwar bezeichnenderweise auf den
Plänen der friesischen Städte Stavoren, Hindeloopen und
Harlingen. In den Seeplätzen, deren Hauptverkehr durch
das Vlie ging, ist offenbar der Typ zuerst in Aufnahme
gekommen. Man bezeichnete daher auch Schiffe dieser
1 Witsen (Aeloude en hedendaegsche scheepsbouw en bestier,
Amsterdam 1671, S. 164) bemerkt noch 1671: Maer 't is te raden iu
stee van galjoots of boeiers van 70 last boots met drie mästen te
bouwen, welck bequamer te redden, gemackelijcker te beheeren, min
afdrijven en meer weg spoeden, die na alle weer en windt zeil können
minderen en vermeer deren.
Boot. 97
Art zum Unterschied von den Houck-, Dogg-, Lotsmanns-
und anderen Booten als Vlieboote.
Die Einführung der Boote läßt sich in Emden ziem-
lich gut verfolgen. Im Januar 1578 verkaufte ein Ame-
lander Schiffer ein Boot von 36 Lasten an Emder Leute.
Im Juni verhandelte ein Schiffer der friesischen Stadt
Workum ein Vlieboot („flieboet") von 20 Lasten an einen
Emder Schiffer. Im gleichen Monat ging ein Amsterdamer
Boot von 60 Lasten in ostfriesischen Besitz über. Weih-
nachten 1578 erstand der Emder Schiffer Esau Bastiansen
in Enkhuizen ein neugebautes großes Boot, das in seiner
Art ein Meisterstück gewesen sein muß; denn es diente
den ostfriesischen Schiffbauern zum Vorbild, als sie selbst
sich dem Bau von Booten zuwandten ^ Die Emder Schiffs-
kaufprotokolle zeigen für die folgende Zeit, wie schnell
die Boote in Gebrauch kamen. Man baute sie gleichmäßig
auf Kosten von Bojern und Rahsegeln, Fahrzeuge von 20-
und von 90 und 100 Lasten. Doch hatte ihre Einführung
ein Steigen der Durchschnittsgröße der Schiffe zur Folge.
Die in der Ostseefahrt tätigen Emder Boote hatten zum
größeren Teil eine Ladefähigkeit von 50 bis 70 Lasten,
während die Bojer im Durchschnitt viel kleiner waren. Das
Ende dieser neuen Entwickelungsphase läßt sich leider
in Emden nicht feststellen, weil in den Seebriefregistern
die Typbezeichnungen fehlen. Dafür liegt über den Schiffs-
bestand Bremens am Ausgang des 16. und Anfang des
17. Jahrhunderts recht gutes Material vor. Bremen hat
damals allerdings nur eine sehr geringe Bedeutung im
Seeverkehr besessen, jedoch auch die allgemeine Ent-
wickelung des Schiffswesens an der deutsch-niederländischen
Nordseeküste voll und ganz mitgemacht. Größere Schiffe
fehlten der Stadt völlig. Insofern sind die Zahlenangaben
über die Rahsegel nicht ganz bezeichnend für die anderen
Eeedereiplätze.
1 Emder Ratsarchiv, ScKiffskaufprotokolle III 75, IV 54, 139,
147, V 115 (Bauzerter).
2 Das. VII 291 (1587): ein boet, so twinticli lasten roggen oder
veerundtwiutich lasten heringes over see foeren kann.
Hagedorn, Die Entwickelung der ■wichtigsten Schiffstypeu. '
98
Die Entwickelunf;- der wichtigsten. Schiffstypen.
Die Bremer Eauffalirteiflotte war etwas größer, als
die Zahlen der Seebriefregister dartun. Da nicht jedes
Schiff jährlich einen neuen Seebrief nahm. Doch kann
man durch Vergleiche der einzelnen Schiffernamen in den
vorhergehenden und nachfolgenden Jahren und Heran-
ziehung der Tonnengeldbücher, aus denen sich die Namen
der Schiffer aller auf die Weser gekommenen Bremer Schiffe
entnehmen lassen, leicht den gesamten Schiffsbestand er-
rechnen. Es ist das hier für das Jahr 1600 geschehen.
Die 18 Schiffer, die nur im Tonnengeldbuch genannt sind,
waren größtenteils in der Fahrt nach Hamburg beschäftigt^
wie Namensvergleiche mit den Hamburger Schifferbüchern
ero-eben. Man wird ihre Durchschnittsgröße mit mindestens
12 Lasten ansetzen müssen. Das Tonnengeldregister zählt
100 Schiffer auf. 6 Schiffer i, die Seebriefe erhalten haben,
werden im Tonnengeldbuch nicht genannt, sind also ent-
weder nur zwischen fremden Orten gefahren oder haben
ihre Schiffe, bevor sie Bremen wieder anliefen, verloren.
Die Seebrief register 2 ergeben folgenden Schiffsbestand:
Gesamtbestand
1599 1600 1600 1601
Schiffe Lasten Schiffe Lasten Schiffe Lasten Schiffe Lasten
Rahsegel
Gradung
Boote
Rahbojer
Bojer
Kravele
„witschepe"
Schuten
unbe-
zeichnet
2: 77
11:
3:
10:
21:
13:
5
517
118
339
488
276
80
1
1
12
2
15
25
11
11
27
60
566
99
529
545
251
160
1
1
13
3
17
29
11
13
27
60
611
]49
596
642
251
192
9
2
12
27
6
9
97
428
80
459
614
138
142
18: ca. 216
Summa
65:1895 78:2237 106:ca.2744 68:1958
1 Diese führten zwei Boote von 50 und 40, einen Bojer von 30,
ein Kravel von 26, ein Wytschip von 20 und eine Schute von
10 Lasten.
2 Diese sind für die Jahre 1592 bis 1621 erhalten. 1592 ist
unvollständig. 1593 verzeichnet: 2 Rahsegel von 20 und 30, 12 Boote
Boot. 99
Ein Vergleicli der Bezeiclinungen lehrt, daß liier eine
große Willkür lierrsclit. Sechs Fahrzeuge von zusammen
133 Lasten, die 1600 als „witschejDe" eingetragen sind, er-
scheinen 1599 oder 1601 als Kravele, ein als Kravel auf-
gefülrrtes Schiff von 28 Lasten als Bojer. 1601 sind sogar
drei sonst als Bojer bezeichnete Fahrzeuge von 30 bis
36 Lasten unter die Kravele gestellt. Streng gehalten
wurden nur die Glrenzen zwischen Schute und Kravel und
zwischen Bojer und Boot. Das jedoch zeigen die Listen
Mar, daß in Bremen die Rahsegel durch die Boote und
Bojer aus der Fahrt gedrängt worden sind.
Die Boote besaßen alle Vorzüge, die die Bojer hatten.
Sie hatten einen verhältnismäßig viel geringeren Tiefgang
als die Rahsegel i. Sie waren aber obendrein noch besser
besegelt als diese und die Bojer. Zu den Segeln, die auf
den Doggbooten üblich waren, kamen noch Topsegel am
HaujDt-, vielfach auch am Fockmast und die Blinde am
Bugspriet hinzu 2. 1589 wurde ein Boot als das schnellste
aller Schiffe gerühmt 3. Wiesen schon die Bojer größere
Leistungen auf als die Rahsegel, so sind die Boote noch
beträchtlich darüber hinausgegangen. 1565 hat ein nieder-
ländisches Schiff achtmal den Sund passiert, d. h. vier
Reisen in die Ostsee gemacht, 1575 taten dasselbe drei.
von 567, 15 Bojer von 483, 37 Kravele von 941, 1 „witscliip" von 30
und 6 Scliuten von 114, zusammen 73 Schiffe von 2175 Lasten. Zwei
Schiffe von je 50 und eins von 60 Lasten sind als Kravele bezeiclinet,
gehören aber zweifellos zu den Bojern.
1 1598 Nov. 16 : Verkauf eines „vlyeboet, so tho Dantzigh laden
und innhemen kan viffundviertich lasten rogge Hollandisch gudt,
darmede idt faret, dat idt berchholt tuschen beiden somtides water
roeret und somtides gien water roeret, gaende darmede achter tein
voet und voer teindehalf voet diep." 1594 Feb. 21 : Verkauf eines
Bootes von 40 Lasten, „welche he tho Danschke kann innemen,
lychlastich seynde, tein voet und ein duembrett redende und liggende".
(Emder Eatsarchiv, Schiffkaufprotokolle.)
2 Die Doggboote besaßen keinen Bugspriet.
3 Abel Eppens, Chronik Bl. 459. S. Hagedorn. Ostfrieslands
Handel und Schiffahrt II S. 178.
7*
100 Die Entwickelung der wiclitigsten Scliiffstypen.
1585 aber 25 Schiffe, während sechs es sogar auf 9 und
10 Durchfahrten brachten^.
Die SundzoUregister^ bieten überhaupt die beste Illu-
stration zu dieser ganzen Entwickelung. In Helsingör hatten
die Schiffer der nordwestdeutschen Küste von Harburg an
und die der Niederlande einen Schiffszoll zu entrichten, der
in drei verschiedenen Klassen erhoben wurde, je nachdem die
Fahrzeuge unter 30, 30 bis 100 Lasten oder über 100 Lasten
laden konnten. In den Jahren 1537 bis 1510 zählte man im
Sunde 3890 Durchfahrten niederländischer Schiffe; von
diesen entfielen 1506 auf Schiffe von über 100 Lasten.
Am stärksten war ihr Anteil 1538, nämlich 423 von 945.
Von da ab gestaltete sich das Verhältnis dann folgender-
maßen:
1537—1540 beinahe 2/5,
1546 — 1547 etwas mehr als 1/4,
1557 — 1560 nicht ganz 1/4,
1562—1565 beinahe 1/7,
1566 — 1568 noch nicht 1/10,
1577—1599 1/2 bis 3 Prozent.
1588, im Jahre der großen Armada, sind nur vier
Niederländer von über 100 Lasten durch den Sund gelaufen.
Die Staaten hatten damals aufgeboten, w^as sie an größeren
Schiffen besaßen, und neben ihren gewöhnlichen Kriegs-
schiffen, unter denen vier von 100 und zwei von 80 Lasten
waren, 35 Kauffahrer von 80 und mehr Lasten in Dienst
gestellt, darunter eins von 200 und eins von 260 Lasten^.
Auch wenn man die Zahlen der am Verkehr durch
den Sund beteiligten Schiffe, die leider erst von 1565 an
1 Diese und z. T. die folgenden Zahlen verdanke ich der Liebens-
würdigkeit von Herrn Geh. R. Prof. Dr. Dietrich Schäfer, der mir die
Aushängebogen der demnächst erscheinenden Warentabellen der Sund-
zollregister (vgl. die folgende Anmerkung) zur Vei-fügung stellte.
2 Tabeller over Skibsfart og Varetransport gennem Öresund
1497—1660. I.Del. Bearbeitet von NinaEUinger Bang. Kopenhagen 1906.
3 Bor, Nederlandtsche Oorloghen III, XXV Bl. 5 ff. Allerdings
fuhren auch einige größere Niederländer im Urcageschwader der Ar-
mada, darunter der David von 450 Tonnen (Duro, La Armada in-
vencible II S. 64).
Boot. 101
für jedes zehnte Jahr vorliegen i, mit den Gesamtpassagen-
zahlen vergleicht, so offenbart sich ein erheblicher Fort-
schritt. 1565 betrug die Gresamtzahl der Durchfahrten
niederländischer Schiffe 2996. Daran waren 999 verschiedene
Schiffe beteiligt. Es kamen also auf jedes Schiff 3 Passagen.
Die Zahlen stellen sich für die folgende Zeit:
Gesamt- Zahl der Auf jedes Schiff ent-
passagenzahl beteiligten Schiffe fallen Durchfahrten
1565 2996 999 3
1575 1672 531 3,15
1585 2007 555 3,62
1595 3725 1036 3,6
Allerdings gibt diese Liste nicht eine Statistik der
Tätigkeit der Schiffe überhaupt, da sehr viele Schiffe neben
der Ostseefahrt noch andere Routen befuhren. Aber sie
bietet doch Anhaltspunkte.
AUes in allem zeigen die Zahlen der Sundzollregister
aufs klarste, daß hier der Fortschritt mit einer Verkleine-
rung der Schiffsgefäße verbunden war. Nicht so deuthch
läßt sich die Verschiebung der Schiffstypen erkennen.
Wenn wir eine Statistik der einzelnen Schiffsarten besäßen,
so würde sie wohl besagen, daß in den Jahren 1537 bis 1540
fast nur Rahsegel an der Fahrt durch den Sund beteiligt
waren. Vordem wenigstens ist das sicherlich der Fall ge-
wesen 2. Nun haben auch die Rahsegel keineswegs ent-
sprechend dem Rückgang der Schiffe von über 100 Lasten
oder den Zahlen der Bremer Register abgenommen. In
Emden gab es in den neunziger Jahren noch eine statt-
liche Rahsegelflotte. Aber die Schiffe waren in der Mehr-
zahl zwischen 70 und 100 Lasten groß. In den Niederlanden
war das nicht anders. In Hamburg haben die Boote nur
geringen Zuspruch gefunden. Die Ostseeplätze und alle
fremden Nationen hatten den Typ überhaupt nicht ein-
1 In den oben S. 100 Anni. 1 angeführten Aushängebogen.
2 Vgl. H. E. III, I S. 372: 1449 in Bremen beschlossener
Pfundzoll, den die Holländer, Zeeländer und Friesen in Preußen und
Livland erlegen sollen, bei Schiffen von 60 Lasten und darunter 2 Pfund,
von 60—100 Lasten 3 Pfund, von über 100 Lasten 4 und 5 Pfund.
102 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
geführt. Den wichtigen Verkehr nach Spanien und Portugal
und die aufkommende neue Fahrt nach dem Mittehiieer,
wo man wegen der Seeräubergefahren starke kampffähige
Schiffe nötig hatte, beherrschten auch bei den Nieder-
ländern und Nordwestdeutschen die Rahsegel. Die schnell
zunehmende Fahrt nach fremden Erdteilen hat gegen
Ende des 16. Jahrhunderts dem Rahsegelbau sogar noch
einmal zu einem großen Aufschwung verhelfen. Man baute
damals in den Niederlanden Schiffe von bis zu 500 Lasten
Größe.
Im Konkurrenzkampf mit den neu erwachsenen Typen
haben auch die Rahsegel ihre Leistungen erhöht. Aber
sie haben sich doch nicht gegen die jungen kleineren
Konkurrenten zu behaupten vermocht. Gerade die Gebiete,
die die neuen Typen pflegten, haben im Laufe des 16. Jahr-
hunderts eine starke Belebung ihres Verkehrswesens er-
fahren. Man wird das wohl nicht allein der persönlichen
Tüchtigkeit ihrer Bewohner und der Gunst der politischen
Verhältnisse, sondern zu einem guten Teil auch dem Besitz
dieser leistungsfähigen Fahrzeuge zuzuschreiben haben.
Fleute.
Kaum zwei Jahrzehnte nach dem ersten Auftreten
der Vlieboote bahnte sich eine neue Reform auf dem Ge-
biet des Schiffbaues an. Sie ging von dem niederländischen
Platz aus, der bisher noch am stärksten die Reederei mit
großen Rahsegeln gepflegt hatte, von der westfriesischen
Stadt Hoorn in Nordholland. Hier legte 1595 ein Schiff-
bauer den Kiel zu einem völlig neuen Typ, der im wesent-
lichen die Vorzüge der Boote mit den Eigenarten der Rah-
segel vereinigen sollte, aber in dem Zuschnitt der Pro-
portionen über die Maßverhältnisse der Boote hinausging.
Velins, der Chronist der Stadt, berichtet darüber: „1595
wurden hier in Hoorn zuerst die Schiffe gebaut, die man
Hoornsche Gaingen oder Fluiten nennt, die viermal so lang
als weit waren, einige noch länger. Sie waren zur Fahrt
rieute. 103
sehr dienlich, wegen der Fähigkeit, am Wind zu segeln,
und wegen ihres geringen Tiefgangs. Darum wurden sie
so gesucht, daß in acht Jahren mehr als 80 solcher Schiffe
hier in Hoorn ausgereedet worden sind zum großen Ge-
winn der Bürger 1."
So stehen die AVorte in der 1604 in Hoorn gedruckten
Chronik. Als Velins dreizehn Jahre später eine neue Auf-
lage herausgab, da konnte er noch einiges hinzufügen:
„Man machte sie späterhin noch viel länger, fünf-, ja sechs-
mal so lang als weit. Pieter Janfz. Lioorne war der Fülirer
bei dieser Neuerung. Die Nachbarn haben anfangs sehr
abfällig darüber gesprochen, als wäre es eine törichte uad
übel ersonnene Bauweise. Aber sie sind nachher noch
selbst gezwungen gewesen, diese Eroportionen nachzu-
ahmen, oder es wäre geschehen, daß sie allzumal aus
der Fahrt geraten wären" 2.
Der Name Fleute, Fliete, Fluit hängt mit dem Wort
fließen zusammen und soll wohl soviel wie das dahin-
fließende, dahingleitende Schiff bedeuten. Ahnliche Be-
zeichnungen begegnen schon in viel früherer Zeit'l Gaing.
bedeutet soviel wie wohlbehagend , angepaßt. Die nieder-
deutsche Form hierfür lautete Gading, Gadung. Diese
Bezeichnung hat sich übrigens nicht lange behaupten
können.
1 Velius, Chronijk van de stadt van Hooren (1604V S. 215:
Dit selve iaer werden hier de scepen, die men Hoorensche gaings oft
fluijten noemt, eerst gliemaeckt, zijnde de selve viermal so lang als
wijt, sommige noch langer, en seer beqiiaem tot de zeevaertj soo om
de zeylagie aende wint , als omt ondiep gaen ; dies sy soo ghesocht
werden, dat in 8 iaeren tijts meer als 80 snlcke scepen hier tot Hoorn
uytgei'eet zijn tot groot profijt van de burgers,
2 Velius (Hoorn 1617) S. 260: Men maeckte die achterna noch
veel langer, als tot vijf ende sesmael soo langh als sy wijt waren.
Zijnde Pieter Jansz. Lioorne de principaelste hanthaver ende aen-
binder van dese vernieuwinge, daer seer int eerste vande nabuyren
op gesproken wert, als zijnde een sot en ongefondeert gebou. Maer
zijn achtei-nae noch selfs ghedwongen glieweest, dese proportie te
volgen, of was gesien, dat sy temet uyt het vaerwater geraeckt souden
hebben.
3 Vgl. Laird Clowes, The Royal Navy I S. 144, 262, 266
104
Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Der Scliiffstyp, der hier neu auftritt, war nicht von
vornherein fertig. Er hat vielmehr eine Entwickelungszeit
von über zwanzig Jahren gebraucht, ehe er zu festen Formen
und Maßen ausreifte. Dann allerdings ist man zu einer
Art Kanon im Schiffsbau gelangt, der fast ein Jahrhundert
beobachtet wurde. Die einzelnen Phasen der ersten Ent-
wickelung entziehen sich der Forschung. Aber so viel
steht fest, daß die ersten Fleuten in ihren Grundformen
sich nicht allzusehr von den Booten unterschieden. Sie
waren so einfach wie nur möglich und bestanden aus einem
großen Laderaum mit einem Roof auf dem Achterdeck.
Sie führten auch im allgemeinen keine Greschütze. Für
Stückgutfahrer hat man sich später mehr an die alten
Rahsegelausstattungen gehalten, sie mit einem durchgehen-
den Batteriedeck versehen und für größere Unterkunfts-
räume gesorgt und dazu auch das Hinterschiff nicht rund,
sondern mit einem Spiegel abgeschlossen. Für Schiffe
dieser Art stellte sich die Bezeichnung Pinaßschiff ein,
während die rund abschließenden Lastfahrer den Namen
Fleute weiter trugen.
Das Wort Pinasse entstammt dem romanischen Sprach-
gebiet und hat schon vorher alle möglichen Gattungen
von Schiffen u.
Fahrzeugen be-
zeichnet. Auch
jetzt behielt es
die verschie-
densten Bedeu-
tungen neben-
lier. Als Art-
name der größ-
ten Kauffahrer
hat es sich nur
bei den Nieder-
ländern, Deut-
schen und Skandinaviern durchzusetzen vermocht und etwa
ein Jahrhundert behauptet, während Fleute bis ins 19. Jahr-
hundert in Geltung: blieb.
l.j. Eleu teil und eine Ualiot.
Aus Witsen, Aelonde en hedendaegsche scheepsbouw
(Amsterdam 1671).
rieute.
105
Die wesentlichsten Züge des neuen Scliiffstypes be-
standen, abgesehen von dem schmaleren Bau, darin, daß
die Bordwände nach oben hin stark zusammengezogen
waren, und zwar bei den Fleuten viel mehr als bei den
Pinaßschiffen. Die Decks verliefen nicht wagerecht, sondern
von vorn nach hinten ansteigend. Kleinere Fleuten hatten
ein Roof auf dem Achterschiff und bestanden sonst nur
aus einem Laderaum, der zur Fahrt über See verschlossen
wurde. Größere besaßen ein durchgehendes Deck, die
größten Pinaßschiffe zwei. Die Kastellaufbauten der Rah-
segel waren geschwunden, die Schiffe allgemein beträcht-
lich niedriger geworden. Bei kleineren Fleuten war der
Bug ebenso wie bei den Booten gestaltet. Bei den größeren
und sämtlichen Pinaßschiffen lief er über Wasser in einen
weit hervorra-
genden Ga-
lionsbalken aus,
hinter dem der
Schiffskörper
viereckig ab-
schloß.
Die Take-
lung glich in ih-
ren Hauptzügen
der der Rali-
segel. Doch sind
Schiffe dieses
^V
■ss^sE^fEi^g'^^r--
16. Längsdurcliscliiiitt eines Pinaßschif fes.
Alis Witsen. Aeloude enhedendaegsclie scheepsbouw
(Amsterdam 1671).
neuen Typs konsequent als Dreimaster getakelt worden. Mit
ihrem Aufkommen wurde der Yiermaster wieder aus dem See-
wesen verdrängt. Sogar das 1637 gebaute große englische
Kriegsschiff „The Sovereign of the Seas", dessen Größe auf
1522 Tonnen berechnet wurde, hat späterhin seine Viermast-
gegen eine Dreimasttakelung eingetauscht. Pinassen und
größere Fleuten führten an Fock- und Großmast je drei Rali-
segel, Fock- beziehungsweise Großsegel, darüber je ein Mars-
und ganz oben je ein Bramsegel. Der Besanmast trug
ein dreieckiges Besansegel und darüber ein Rahsegel, das
sogenannte Kreuzsegel. Unter dem Bugspriet befand sich
106 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstyjien.
die Blinde. Das zweite Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts
brachte noch eine Erweiterung. Man setzte auf die Spitze
des Bugspriets einen kleinen Mast mit einem Rahsegel,
der Bovenblinde. Kleinere Fleuten waren kaum anders
besegelt als die größeren Boote.
Die wirtschaftlich wichtigsten Neuerungen waren die
Veränderung der Proportionen des Schiffsrumpfes und die
Verbesserungen der Takelung. In den lübischen Lastadien-
büchern\ den Heberegistern, die über die Abgabe von allen
in der Stadt neugebauten Schiffen geführt wurden, ist
seit 1601 regelmäßig, vorher gelegentlich die Kiellänge der
Schiffe verzeichnet. Aus den Zahlen ersieht man, daß
vor dem Aufkommen des Fleutenbaus auf einen Kiel von
33 Ellen ein Schiff von etwa 100 Lasten kam, auf 30
Ellen Kiel^ ein Schiff von 80 Lasten, während man bei
35 bis 38 Ellen Kiel schon 170 Lasten und darüber hatte.
Es gab aber dabei ziemlich große Unterschiede, da das
Entscheidende nicht die Kiellänge, sondern der Tiefgang
war und hier ein Abweichen vom Üblichen um einen
halben Fuß schon große Differenzen schuft.
Granz anders sieht das Bild 30 Jahre später aus. Da
hatte man mit 30 Ellen Kiel nur noch ein Schiff von 40
bis 50 Lasten. Kauffahrer von 60 Lasten hatten 34 und
35 Ellen Kiellänge, solche von 100 Lasten 36 und 37. Auf
1 Vgl. darüber Baasch, Beiträge zur Geschichte des deutschen
Seeschiffbaues und der Schiff baupolitik (Hamburg 1899) S. 44ff.
2 Z. B. 1590 März 19: Hans Bruns ein schiff uffzusetzen un-
gever van 30 ehln kehels, thuet 80 last ungeverlich. Dagegen 1604
Juni 4 wird auf 30 Ellen Kiel ein ,,boyert" von 35 Lasten erbaut.
3 Verschiedene Maße 1601 :
35 Ellen: 110 Last,
22-28 Ellen: 35 Last,
37 Ellen: 175 Last nach der ersten Reise bezahlt,
" n )) 11 11 11
,, vor „ ,, ,. „ , tatsächl. 100 Last,
)) 1
170
)) 11 11 11 )) 11 1 11 X1\J ,, ,
)) 11 11 51 11 1- 1
120 Last nach der ersten Beise bezahlt.
38
170
34
90
351/2
130
38
147
36
150
1604 33 Eilen
Fleute. 107
40 Ellen Kiel baute man Schiffe von 160 Lasten. Es
kamen allerdings aucli jetzt große Abweichungen vor. Ein
Schiff von 48 Ellen Kiel hatte nachweislich nur etwa 220
Lasten Tragfähigkeit, ein anderes von gleicher Kiellänge
jedoch 300 Lasten^.
Aus älterer Zeit sind uns in den Handelsrechnungen
des Deutschen Ordens ^ die Kielmaße von drei 1404 gebauten
Hulken mitgeteilt: 34, 27 und 28 Ellen. Man kann indessen
nur zwei von diesen Schiffen nachweisen, die 130 und
140 Lasten fassen konnten. Ein Vergleich dieser Zahlen
mit den oben angeführten vervollständigt die Entwicke-
lungsreihe. Die verhältnismäßig größere Länge kommt
einer Verringerung des Tiefgangs und der Breite zugute.
Man sieht, daß in beidem schon die Rahsegel wesentlich
besser gestellt waren als die Hulke. Überhaupt hatte eine
ganze Anzahl der für das Aufkommen der Fleuten bedeut-
samen Verbesserungen sich bei den Rahsegeln angebahnt.
Die Fleuten und Pinaßschiffe segelten dank ihres
schmaleren Baus weit schneller und vermochten aus dem
gleichen Glrunde auch näher an den Wind heranzugehen,
als ihre Vorgänger es gekonnt hatten. Ferner bot der neue
Typ wegen der geringen Höhe und des Fehlens aller Auf-
bauten dem Winde viel weniger Fläche und segelte auch
deshalb besser beim Winde als die Rahsegel.
Die Neuerungen in der Takelung bestanden darin,
daß man die Masten im Verhältnis zur Schiffsgröße höher
als früher nahm, die Rahen aber kürzer. Der Fockmast
lag etwas nach vorn über, jedoch längst nicht so viel, wie
es bei den Booten gewesen war. Groß- und Besanmast
waren ziemlich stark nach hinten geneigt. Während auf
den Rahsegeln Groß- und Focksegel, riesige quadratische
Vierecke, noch die eigentliche Segelstärke des Schiffes
bildeten, wurden sie jetzt kleiner und handlicher, dafür
aber die Marssegel ihnen fast ebenbürtig gemacht. Auch
die Bramsegel wuchsen. Die Segel wurden schmaler und
1 Staatsarchiv Lübeck.
2 Sattler, Handelsrechnungen des Deutschen Ordens (Leipzig
1887), S. 12, vgl. dazu S. 10.
108 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
länger geschnitten und nahmen die Gestalt von Trapezen
an, die unten breiter als oben waren. Das größte Segel
eines Schiffs des neuen Types war beträchtlich kleiner,
vor allem schmaler und daher leichter zu regieren, als das
Großsegel eines der älteren Schiffe. Da sich aber die
Stärke der Besatzung im wesentlichen nach der zur Be-
dienung des größten Segels erforderlichen Leutezahl rich-
tete, so konnte der neue Typ mit viel weniger Mannschaft
auskommen.
Hierin, in der größeren Schnelligkeit und Segelfertig-
keit, sowie in der höheren Wirtschaftlichkeit, lag das
Übergewicht der Fleuten begründet. Die niederländischen
Schiffer aber haben sich nicht damit begnügt, daß sie den
besseren Schiffstyp besaßen, sondern im Konkurrenzkampf
ihre Leistungen bis an die Grenze des Erreichbaren ge-
steigert. So ist das Vordringen der Fleuten in den See-
verkehr zu einem Siegeszug ohnegleichen geworden. Inner-
halb weniger Jahre hat der neue Typ sich alle Meere
erobert. Was sich neben ihm behauptete, vermochte das
nur durch staatlichen Schutz, nicht aus eigener Kraft.
Höchstens bei der Einführung der Schiffsschraube hat sich
etwas Ahnliches wiederholt.
Als 1604 Velius' Chronik von Hoorn zuerst erschien,
war der Typ in der Hauptsache noch auf Hoorn beschränkt
und wohl auch über das Entwickelungsstadium noch nicht
hinaus. Die Schiffe fanden Verwendung in der rasch auf-
blühenden Salzfahrt nach Punta Araya in Westindien und
im Verkehr nach anderen überseeischen Gebieten und dem
Mittelmeer. Erst als 1609 der zwölfjährige Waffenstillstand
zwischen den unierten niederländischen Provinzen und
Spanien geschlossen wurde, gewannen die Fleuten schnellere
Verbreitung. Sie begleiteten und ermöglichten eine Ent-
wickelung, die ihresgleichen nicht wieder findet in der
Verkehrsgeschichte. Längst hatte die Kampfliteratur gegen
Spanien die Schiffahrt und den Handel zu einem nationalen
Gewerbe gestempelt. Jetzt gab der Eintritt der Waffenruhe
auf einmal die durch den Krieg bisher gefesselten Kräfte
frei. Die im Kampf und im Verkehr mit fernen Ländern,
rieute. 109
besonders durch die Ostindienfahrt erworbenen Kapitalien
standen ungeschmälert der wirtschaftlichen Expansion zur
Verfügung. Und es schien den Niederländern, als könnten
sie den Handel der ganzen Welt an sich reißen. Der neue
Schiffstyp aber sollte ihre stärkste Waffe sein, sollte das
Mittel und Werkzeug bilden, um alle Konkurrenten aus
dem Felde zu schlagen.
In kürzester Frist haben sie sich der Spanienfahrt
bemächtigt. In Lübeck, damals der bedeutendsten Reederei-
stadt der Ostsee, forderten die Schiffer 1612 Ausnahme-
gesetze gegen die Holländer, die von lübischen Kaufleuten
sogar aus Spanien nach der Travestadt befrachtet wurden,
während sie selbst keine Ladung finden konnten i. Der
hansische Konsul in Lissabon schrieb später darüber: „So-
lange der niederländische Friede und Stillstand gedauert
hat, insonderheit aber wegen der neu erdachten Schiffe,
die von den Niederländern mit wenig Volk und ohne
Geschütz geführt wurden , haben die Lübecker wenig
Schiffahrt nach Spanien gehabt. Die Schiffe, die noch
gefahren sind, wurden größtenteils von den türkischen
Seeräubern erobert, w^odurch die Fahrt ganz zurückge-
kommen ist"^. Der wichtige Verkehr mit Zucker aus
Brasilien nach Lissabon, Viana und Oporto geriet fast völlig
in den Besitz der Holländer. Daß sich die spanische Ga-
leonenfahrt nach Amerika behau|)tete, lag allein an den
königlichen Ordiuanzen, die von diesem Verkehr alle
Fremden ausschlössen.
Katastrophenartig brach die Großschiffahrt des Mittel-
meers zusammen. Innerhalb weniger Jahre haben hier die
Fleuten alle Konkurrenten aus der Fahrt gedrängt. In
einer Denkschrift der Amsterdamer Kaufmannschaft, in der
die Generalstaaten aufgefordert w^erden, keinen Frieden mit
den Algeriern zu schließen, sondern unentwegt den offenen
Krieg gegen sie fortzusetzen, wird ausgeführt, daß man die
1 Lübeck, ArcMv der Kaufmannscliaft, Spanische Kollekten.
2 Bremen, Staatsarchiv: Ivampfferbecke an Lübeck; Lissabon,
1623 Nov. 4/14.
110 Die Entwickelung der wichtigsten 8chiffst\'pen.
Diirclisuchung der niederländisclien Schiffe nacli fremden
Waren nicht zulassen könne, „da durch Gottes gnädigen
Segen die allermeisten Schiffe, die das Mittelmeer be-
fahren, aus diesen Landen sind und alle fremden Kaufleute
und Negotianten, Italiener, Griechen, Spanier, Portugiesen
und andere Nationen, neben den Niederländern selbst sich
ihrer bedienen und den Seehahdel pflegen, zum großen
Nutzen der Reederei und des Schiffbaus dieser Lande und
was davon abhängt" ^ Wii' haben ähnliche Zeugnisse in
Hülle und Fülle. Furttenbach- hat in seiner 1629 er-
schienenen Architectura Navalis an der Spitze der Segel-
schiffe als „Nave" ein niederländisches Pinaßschiff abge-
bildet und beschrieben. Der selbständige Schiffbau des
Mittelmeers hatte zum zweitenmal, wie drei Jahrhundert
früher bei der Annahme der Koggen, vor den Fleuten der
nördlichen Gewässer kapituliert.
Die beste Illustration zum A^ordringen des neuen
Schiffstypes geben die SundzolLregister. Von 1600 an war
der Anteil der Schiffe von über 100 Lasten an den Durch-
fahrten niederländischer Schiffe im Steigen begriffen. 1602
waren es 10 Prozent, 228 von 2211. An dieser Zunahme
war aber noch ein Aufschwung des Rahsegelbaus beteiligt,
der unter der Einwirkung der Ost- und Westindienfahrt
und der Bestellung gewaltiger Kriegsschiffe von bis zu
500 Lasten Größe durch die Staaten in den letzten Jahren
des 16. Jahrhunderts einsetzte. Bis 1614 blieb das Ver-
hältnis im wesentlichen gleich, wenn auch 1607, 1608 und
1609 auf die Schiffe von über 100 Lasten beträchtlich
mehr Durchfahrten kamen: 406 von 3162, 562 von 4362
und 392 von 2866. Erst 1615, als der Fleutenbau in
höchster Blüte stand, begann eine schnelle Vorwärtsbe-
wegung.
1 Heeringa, Bronnen tot de Geschiedenis van den Levantsclien
Handel I S. 805.
2 Vgl. oben S. 7.
Fleute. 111
Die Gesamtzahl der Durchfahrten Davon entfielen auf Schiffe
niederländischer Schiffe betrug: von über 100 Lasten:
1615: 3336 397
1616: 3220 436
1617: 3058 530
1618: 4316 1266
1619: 3849 1598
1620: 3843 1990.
Leider ist diese Statistik durch die 1618 erfolgte
Einführung der Schiffsvermessung in den Niederlanden
e;etrübt. Da man im Sunde mit 100 Lasten eine neue
Abgabenklasse erreichte, so waren Schiffe von 98 und
96 Lasten außerordentlich beliebt^. In Emden ist es
geradezu auffällig, wieviel Schiffe diese Größe hatten. Die
Schiffer hüteten sich wohl, mehr Lasten Eoggen in Danzig
zu laden, als ihr Seebrief auswies, brauchten aber unge-
wöhnlich viel Eichenholz zur Garnierung des Getreides und
brachten dazu noch einige Lasten Teer und Asche oder
Hanf und Flachs in den Raum. Es war auch gar nichts
Seltenes, daß sich bei der Ausmessung der Ladung am
Bestimmungsort eine größere Lastenzahl ergab, als angeblich
geladen war. Alle diese Fahrzeuge wanderten mit der
Einführung der Schiffsvermessung in die höhere Klasse.
Jedoch kann nur ein kleiner Teil der Steigerung auf
ihre Rechnune; entfallen. 1620 kommt auf die Schiffe von
über 100 Lasten im Sunde die Hälfte aller Durchfahrten.
In dieser Höhe hielt sich das Verhältnis über ein Jahrzehnt.
1635 aber begann eine neue Verschiebung zugunsten der
großen Schiffe, die mit der fast vollständigen Verdrängung
der kleineren endete. In den drei letzten Jahren, in denen
die Niederländer noch den dreiklassigen Schiffszoll zu
entrichten hatten , war der Anteil der Schiffe von über
100 Lasten folgendermaßen:
1 Ganz analoge Verhältnisse trifft man in England im 18. Jahr-
hundert, wo in der Zeit von 1735 bis 1775 fast alle Ostindienfahrer
.495 bis 499 Tonnen groß waren, kein einziger aber 500.
112 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Gesamtzahl der Davon entfielen auf Schiffe
Durchfahrten: von ülier 100 Lasten:
1642: 2036 1815
1643: 2391 2217
1644: 2009 1826.
Nicht nur die Rahsegel haben vor den Fleut- und
Pinaßschiffen vom Meere weichen müssen, sondern auch
die Bojer und Boote. Die Fahrt nach der Ostsee, der
Versorgungskammer aller westhchen Länder, damals die
wichtigste Verkehrsroute, war damit in den Besitz des
neuen Schiffstyps gelangt.
Die Verbesserung aber, die der Fleutentyp darstellt,
zeigen die Durch gangszif fern der einzelnen Schiffe am
klarsten. 1595 und 1605 sind 31 und 32 niederländische
Schiffe achtmal, 1595 zwei noch öfter durch den Sund
gesegelt. Das bedeutet gegen 1585 keine Zunahme. 1615
aber fuhren 85 Niederländer, darunter neun von über
100 Lasten, achtmal, fünf neunmal, 45, unter ihnen zwei
von über 100 Lasten, zehnmal, eins elfmal und zwei zwölf-
mal durch den Sund. Auf jedes Schiff entfielen im Durch-
schnitt 41/2 Passagen gegen 3,8 1605, 3,6 1595 und 3 1565.
Auf jedes Schiff von über 100 Lasten kamen 1565 2,2,
1595 274, 1605 3,5, 1615 3,7, 1625 4,2 Durchfahrten.
Es war ein beispielloser Fortschritt. Gegenüber den
Schiffen am Anfang des 16. Jahrhunderts, die höchstens
zweimal eine Reise in die Ostsee und zurück machten,
hatten sich die Leistungen mehr als verdoppelt. Aber die
Entwickelung war zu gewaltig gewesen. Sie mußte auch
von schweren Nachteilen begleitet sein. Selbst in den
Niederlanden hat es nicht an Stimmen gefehlt, die ernste
Bedenken gegen das Vordringen der Fleuten und die durch
sie geschaffene Umwälzung äußerten.
1616 haben die ersten maritimen Fachleute der General-
staaten, die Admirale von Holland und Zeeland Opdam und
Haultain, in einem Gutachten über die zum Schutz der
niederländischen Kauffahrt zu ergreifenden Maßnahmen
sich entschieden gegen die neue Schiffsart ausgesprochen.
Hierin heißt es, „daß durch die schädliche Gierigkeit einiger
Fleute. 113
weniger Personen von Tag zu Tage mehr praktiziert wird,
wie man die Kauffahrteischiffe nach Art von Fleuten oder
Gaingen mit den geringsten Kosten und dem wenigsten
Volk in See bringen kann. Viele sorgsame Schiffer werden
dadurch um ihre Nahrung gebracht und dem Dienst des
Kaufmanns entzogen. Das Volk läuft ohne Beschäftigung
herum und kann keine ausreichende Heuer bekommen, um
ehrlich sein Brot zu gewinnen, und begibt sich, um Weib
und Kind zu unterhalten, auf ungehörige Fahrten, in fremde
Dienste und gar in den Sold der Feinde des niederlän-
dischen Wohlstandes. Der Zudrang zum Seemannsberuf
nimmt ab, da man dort so kümmerlich ein Fortkommen
findet. Ebenso werden viele ehrliche Kaufleute, die ihren
Handel mit etwas größerer Sicherheit zu treiben suchen,
nicht wenig in ihrem Geschäft entmutigt, in Anbetracht,
daß die Güter, die mit so geringer Beschwernis in Fleuten
und Gaingen 1 über See gebracht werden, den gemeinen
Markt verderben und aller Gewinn ihnen allein zufällt."
Sie erachten daher zum gemeinen Wohl, zur Aufrecht-
erhaltung des Handels und zur Auferziehung eines zahl-
reichen seefahrenden Volkes den Erlaß eines Mandates für
nötig, daß solche Fleuten oder Gaingen nicht mehr so
schlecht mit Volk versehen zur Seefahrt auslaufen dürfen,
sondern entsprechend ihrer Lastenzahl gehörig bemannt
sein sollen, gemäß früheren darüber gefaßten Beschlüssen 2.
Die Generalstaaten haben das Gutachten gebilligt.
Allzuschnell war die Entwickelung fortgeschritten, all-
zuglänzend erschienen dem Niederländer die Verkehrsmög-
lichkeiten, die Aussichten, die sich seinem Handel und seiner
Schiffahrt boten. Eine große Überproduktion an Schiffen
war erfolgt. Die fremden Kauffahrer hatte man auf ihre
privilegierten Routen beschränkt. Nun aber machten sich
die niederländischen Schiffer gegenseitig die Fahrt streitig.
Anfang 1621 berichtete der niederländische Konsul in
1 caingen.
2 Heeringa, Bronnen tot de Geschiedenis van den Levantschen.
Handel I S. 679 ff.
Hagedorn, Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen. 8
114 Die Entwickelung der wichtigsten Scliiffstypen.
Venedig an die Generalstaaten: „Die Schiffahrt im Mittel-
ländischen Meer geht jetzt für die niederländischen Reeder
mit Verlust ab, weil überall die Frachten verdorben sind
durch die große Menge der Schiffe, und weil die Räuber-
gefahren größer als vor diesem sind"^. Der staatische
Konsul in Konstantinopel warnte auf das eindringlichste
vor der Frachtfahrt für Fremde. Die Venezianer hätten
den Levantehandel wegen der Trägheit, Ungeeignetheit
und Abnahme ihrer Schiffe beinahe ganz verloren gehabt;
nachdem sie aber angefangen hätten, sich der niederlän-
dischen Frachtfahrer zu bedienen, hätten sie ihn wieder
zurückgewonnen und bedrängten jetzt die Niederländer mit
ihren eigenen Waffen^.
In einem Amsterdamer Gutachten zu dem Projekt
einer allgemeinen Versicherungskompanie aus dem Anfang
der dreißiger Jahre wird ziemlich unverblümt erklärt, daß
mit Reederei kein Geschäft zu machen wäre, es sei denn,
daß jemand aus Lieferungen von Schiffsausrüstungsmaterial
seinen Gewinn zöge. Wenn jemand Mittel in Reedereien
stecke, so geschehe es aus Unverstand. Das täten Bauern,
die mit ihrem Gelde nichts Besseres anzufangen wüßten.
Vielfach geschehe es auch, um einen guten Freund zum
Schiffer zu befördern^. So offenbart sich neben dem
glänzenden Bilde eines raschen erfolgreichen Aufstiegs
unmittelbar die Not der wirtschaftlichen Krisis. Aber trotz
dieser Schattenseiten bezeichnet der Siegeszug der Fleuten
,doch den Höhepunkt der niederländischen Wirtschafts-
^geschichte.
Die unsicheren Verhältnisse auf der See haben bald
dazu geführt, daß ein großer Teil der ökonomischen Vor-
züge des neuen Typs nicht mehr zur Geltung kommen
konnte. Der Wiederbeginn des spanisch- niederländischen
1 Heeringa a. a. (.). S. 75.
2 1626 Dez. 18/28. Das. S. 532, 533: De Venetiaensclie scLepen
sijn seer schars ende onbequaem.
3 Vgl. Blök, Koopmansadviezen aangaande het plan tot ojirich-
ting eener compagnie van assurantie, Bijdragen en Mededeelingen van
liet Historisch (renootschap te Utrecht XXI S. 48.
rieiite. 115
Krieges hatte die Kaperfalirten der Dünkircher Freibeuter
im Gefolge, und dann reihte sich, bis zum Ende des Spani-
schen Erbfolgekrieges immer ein Krieg an den anderen
während in den südlichen Gewässern bis 1830 die algeri-
schen Korsaren ihr Unwesen trieben. Zum Schutz gegen
die legitime und illegitime Seeräuberei hat man Flotten-
fahrten organisiert i. Die niederländische Konvoiordnung für
die Ostseefahrer mit ihrer ausgesprochenen Bevorzugung
großer gutgerüsteter Schiffe hat zweifellos stark dazu bei-
getragen, daß die Bojer und Boote aus der Fahrt gedrängt
wurden. Bei dem Segeln in Flotten kamen die Vorzüge
der Schnelligkeit nicht zur Geltung. Das langsamste Schiff
gab das Marschtempo an. In den Häfen mußte das eine
auf das andere warten. Zugleich ist man auf schwermontierte
und starkbemannte Schiffe zurückgekommen. Je besser ein
Kauffahrer gegen Kapergefahren geschützt war, desto
leichter wurde ihm wertvolles Stückgut anvertraut, desto
höhere Frachten konnte er erzielen, um so niedriger wurde
auch die Versicherungsprämie bemessen.
Der Typ des Fleut- und Pinaßschiffes war nicht so
beschaffen, daß er einfach von allen Nationen übernommen
werden konnte. Schiffe dieser Art sind an den Großtürken
sowohl, wie an die nächsten Konkurrenten der Niederländer,
an Franzosen und Engländer gelangt und nachgebaut
worden. Wie der Amsterdamer Senator Witsen ganz richtig
betont, genügte das nicht, um die Leistungen der Nieder-
länder zu erreichen. Es steckten Erfahrungen und Kennt-
nisse in dem Schiffstyp, die sich nicht einfach abgucken
ließen. So haben die anderen Nationen sich lange gegen
ihn zu wehren gesucht, am längsten die Spanier. Eng-
länder und Franzosen haben nur die Grundzüge sich zu
eigen gemacht, Proportionen und Takelung. Sonst zeigte
ihr Schiffbau nationale Eigenheiten. Nur die Deutschen
und Skandinavier haben den Typ völlig übernommen, was
1 Vgl. Wätjen, Die Niederländer im Mittelmeergebiet zur Zeit
üirer höchsten Machtstellung (Abhandlungen zur Verkehrs- und See-
geschichte II) S. 196 ff.
8*
116 Die Entwickelung der wiclitigsten Schiffstypen.
ihnen auch viel leichter fiel, da sie in viel engeren Be-
ziehungen zu den Niederlanden standen als die anderen
Nationen. Ihr Schiffbau ist seitdem für lano;e Zeit von
dem niederländischen abhängig geworden.
Um 1618 ist in Lübeck die erste Fleute vom Stapel
gelaufen. Es dauerte nicht lange, dann baute man über-
haupt nur noch Schiffe dieser Art. Von den Nordsee-
städten waren Emden und Bremen von jeher auf den
niederländischen Schiffbau angewiesen. Hamburg muß
auch sehr schnell zum Fleutenbau übergegangen sein.
Eine gleichartige Bezeichnung hat sich nicht durch-
zusetzen vermocht. Engländer, Franzosen, Spanier nannten
späterhin ihre großen Kauffahrer nur „ship", „vaisseau",
„navio", während bei den Deutschen und Niederländern
der Name Pinaßschiff bis ins 18. Jahrhundert herrschend
blieb. Als die Fleuten aufkamen, da wurden sie von den
Italienern weiter als „Bretonen" (Bertoni), von Spaniern
und Portugiesen einfach als „Holländer", von Engländern
und Franzosen weiter als „Vlieboote" bezeichnet. Über-
haupt scheint man nur in Holland verstanden zu haben,
eine wirkliche Grrenze zwischen Fleuten und Booten zu
ziehen. Auch in Bremen sind offenkundig die Fleuten lange
Zeit Boote genannt worden. Während des spanisch-nieder-
ländischen Waffenstillstands haben hier nur die größeren
Schiffe Seebriefe genommen. Das Register von 1621 ist
leider nicht vollständig. Es zeigt indessen zur Genüge,
wie sich die Dinge entwickelt haben. Ein Gadung von
60 Lasten kommt 1600 zuerst vor, wird aber in den folgen-
den Jahren als Rahsegel von 50 Lasten verzeichnet. 1607
und 1609 wird dann wieder ein Gadung^ aufgeführt.
1614 erscheint die erste Pinasse von 75 Lasten, die dann
in allen folgenden Jahren wiederkehrt. Die Seebriefregister
verzeichnen :
1 Beidemal dasselbe Schiff: gadung, gahding.
Fleute.
117
Pinasse
1619 1620 1621
Schiffe Lasten Schiff e Lasten Schiffe Lasten
1 : 70 ~ _
Rahsegel
—
2 : 108
2
140
Boote ....
14 : 806
9:665
21
1280
Bojer ....
1 :24
2 : 70
4
160
Witschiffe . .
2 :41
—
1
•28
Kravele . .
—
—
22
404
Schmacke . .
—
1
16
Sehraalschepeken
—
—
1
16
Summe . . .
18 : 941
13 : 843
52
: 2044
Die Pinasse ist 1621 zu den Rahsegeln gerechnet, ebenso
ein Schiff von 70 Lasten, das 1619 unter den Booten steht,
1620 aber auch als Rahsegel bezeichnet ist. Es ist zweifels-
frei, daß die sogenannten Boote in der Mehrzahl als Fleuten
anzusprechen sind. 1620 befanden sich unter den 9 auf-
geführten allein 3 von 100 Lasten Tragfähigkeit. 1621
ist allerdings auch eine ganze Anzahl kleinerer Boote von
30, 35, 40, 45 Lasten gebucht worden.
Tatsächlich waren die Vlieboote die allerersten, die
auf den Aussterbeetat kamen. AVitsen, dessen Werk 1671
erschienen ist, erwähnt sie noch einmal, indem er erklärt,
daß man an Stelle von Bojern und Gralioten von 70 Lasten
besser dreimastige Boote derselben Größe baut. Sonst
macht er keinerlei Angaben mehr über den Typ. Er war
anscheinend damals schon verschwunden.
Die Bremer Liste zeigt deutlich, wie sehr die Ent-
wickelung den Bojern Abbruch getan hat. Sie haben sich
auf einigen Routen jedoch noch lange zu behaupten ver-
mocht. Reinier Nooms hat auf seinem Stich „De Roo-
waensche Kaey" in Amsterdam Bojer an Bojer abgebildet.
Auf dieser Route, als Börtfahrer von Amsterdam nach
Ronen, kennt und schätzt auch Witsen den Typ noch.
Bei Cornelis van Yk, dessen Nederlandsche Scheepsbouw-
konst 1697 erschien, kommen Bojer nur noch als kleine
Binnenfahrer vor. Als solche findet man sie heute noch
auf der Zuyderzee und auf der Eider.
XXo Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
Der Typ ist auch keineswegs im 17. Jalirliundert
ausgestorben, sondern nur durcli einen völlig wesensver-
wandten Sprößling, die Galiot, abgelöst worden. Es ist
bekannt, daß mit dieser Schiffsart, die nebenbei bemerkt
eine große Mannigfaltigkeit der Formen umschloß, noch
einmal im 19. Jahrhundert ein Vorstoß der Kleinschiffahrt
in den großen Seeverkehr erfolgte, daß Galioten von 40
und 50 Lasten nach allen amerikanischen und ostasiatischen
Häfen ihren Weg fanden und sogar den Erdball um-
kreisten.
Der Name Kravel ward im Anfang des 17. Jahrhun-
derts allmählich mit dem Namen Schmack^ vertauscht,
der späterhin wieder den Bezeichnungen Tjalk und Kuff
zum größeren Teil das Feld einräumen mußte. Das
Sprietsegel ist seit etwa 1620 mehr und mehr durch eine
ebenfalls in friesischen Gewässern zuerst auftretende neue
Segelform, das Gaffelsegel ersetzt worden. Dieses Segel
ist gleichzeitig auch auf den Bojern eingeführt worden.
Die niederländischen Küstenfahrer zeigten übrigens eine
außerordentliche Vielseitigkeit der Formen und Takelung.
Von größerer Bedeutung ist der Typ der Huker oder
Hoeker geworden, ein Nachkömmling der alten Houk-
boote ^, der seit etwa 1630 langsam sich einbürgerte und
mit den Galioten in die Erbschaft der Bojer teilte. Die
Huker des 17. Jahrhunderts führten einen großen Mast mit
zwei, gelegentlich sogar drei Rahsegeln und zwei oder drei
Stagsegeln und einen kleinen Besanmast mit einem Gaffel-
segel. Der Typ bewahrte sich aber gleich den Galioten
eine große Freiheit der Formen^.
^ In England heute noch gültig für fast alle kleineren Fahrzeuge.
2 Vgl. oben S. 94, Anm. 1.
3 Brauchbare Statistiken über die Verbreitung der einzelnen
Typen in späterer Zeit fehlen gänzlich. In Hamburger Verkaufs-
protokollen der Jahre 1687 bis 1691 werden gelegentlich die Schiffs-
arten angeführt, so 5 Pinaßschiffe, darunter eins von 107 Fuß Länge,
28 Fuß Breite und 190 Lasten Tragfähigkeit, 2 Fleutschiffe, 1 Buys-
schiff, 4 Galliothschiffe, 1 Galliot, 1 Huker von 40 Lasten, 4 Schmack-
schiffe, darunter 1 von 40 Lasten, 1 Schute mit einem Bergholz
von 12 Lasten. Bei 23 Schiffen fehlt jegliche Bezeichnung.
G-rundzüge der weiteren Ent wickehing. 119
Grnmdzüge der weiteren Entwickeluiig.
„De geslacliten van schepen werden dikmael zeer ver-.
mengt." Dieser Ausspruch von Witsen kann als Leit-
motiv für die Greschichte der Scliiffsformen im weiteren
Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts gelten. Man war
rastlos tätig, entwickelte immer neue Abarten, kombi-
nierte und spezialisierte. Mode und äußere Motive, Ab-
gaben, Subsidien und Prämien übten ihren Einfluß auf die
Formengestaltung aus. Der Gesamtfortschritt war dabei
aber gering.
So anziehend es wäre, die Greschichte der einzelnen
Typen auch weiterhin zu verfolgen, so ist dies doch eine
Aufgabe, die eine ganz andere Basis erfordert, als der
bisherige Teil dieser Arbeit. Ein außerordentlich reiches
Material an Bildern und Druckwerken über Schiffe und
Schiffbau liegt bereits aus dem 17. Jahrhundert vor. Sogar
brauchbare Modelle sind aus dieser Zeit auf uns gekommen,
Bauzerter, nach denen man die Fahrzeuge heute jederzeit
nachbauen kann, Anweisungen für den Schiffer zur Auf-
takelung und Ausrüstung seines Schiffes, die alle Einzel-
heiten berücksichtigen, jeden Block, die Stärke jedes Taus^.
Dabei muß aber doch das Wichtigste, die Kenntnis der
Leistungen einer bestimmten Schiffsart, erst aus Archivalien
erarbeitet werden. Es fehlen die Statistiken, die eine Gre-
schichte der Verbreitung der einzelnen Typen einfach
ablesen lassen. Und doch kann eine Darstellung nur Leben
gewinnen, wenn sie die verschiedenen Schiffsformen in
ihrer Wirksamkeit zu erfassen vermag, wenn sie sie mitten
in das Verkehrsleben hineinsetzen kann. Denn das wird
jedem klar, der sich eingehender mit den Schiffstypen der
zweiten Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts beschäftigt,
daß hier keine gerade Linie des Fortschritts herrscht,
1 Z. B. De volmaakte bootsman, vervattende, lioe men uit een
gegeven sclieepslengte de voornaamste sclieepsdeelen zal vinden, de,
bemasting Te Amsterdam [ohne Jahr]. By de wed. Hulst van
Keulen, ein Buch, das in ungezählten Exemplaren abgesetzt worden ist.
120 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypen.
sondern ein Auf und Ab. Einmal gilt dieses, dann wieder
jenes Prinzip. In einigen Jahrzehnten erlangen die kleinen
Schiffe größere Bedeutung, um dann in anderen wieder
zurückzutreten.
Ganz bezeichnend ist die versteckte Polemik Cornelis
van Yks gegen seinen Vorgänger, den gelehrten Amster-
damer Senator Witsen, der ein eifriger Fürsprecher von
schmalen, scharfgebauten Schiffen war. Van Yk, der sich
Witsen gegenüber gern als den Praktiker aufspielt, was
ihn jedoch nicht hindert, seitenweis seinen Vorgänger aus-
zuschreiben, erklärt u. a.: „Wie man hierzulande mit allzu
eng gemachten Schiffen viele Jahre lang hat ,worstelen'
und Ungemach und großen Schaden erleiden müssen, werden
die noch wohl im Gedächtnis haben, deren Schiffe, als sie
bei einer Marssegelkühlte, d. h. einem Winde, bei dem man
die Marssegel noch beibehält und nur die Bramsegel birgt,
in See kamen, auf die Seite fielen und wieder binnen ge-
bracht werden mußten, worauf die sonst wohlproportionierten
Masten und Rahen verkürzt und ,verdünnt', die Ladung
umgestaut, halbe oder ganze Decks abgebrochen, ja ein
Bauch um die Seiten zur Verbreiterung des Schiffs gebaut
wurde." Breite Schiffe sind nach ihm das einzig Emp-
fehlenswerte für die niederländischen Gewässer, weil man
dann den Tiefgang verringern konnte^.
Später ist man wieder anderer Meinung geworden.
So wechselten die Auffassungen. Die besten technischen
Leistungen wurden auf dem Gebiet des Kriegsschiffbaus
erzielt. Hier brauchte man nicht auf die Kosten zu sehen,
wenn es nur gelang, den Gegner zu überholen. Für den
Kauffahrer aber war die Rentabilität das wichtigste. Daher
haben viele bei Kriegsfahrzeugen erprobte Neuerungen bei
der Kauffahrteiflotte keinen Eingang gefunden. Die großen
Linienschiffe konnten ihre Segelfläche bei ruhigem Wetter
durch Lee- oder Stagsegel außerordentlich vergrößern.
Der Frachtfahrer mußte rechnen, ob sich die Anschaffung
und Mitnahme solcher Segel auch lohnte.
^ Cornelis van Yk, De Nederlandsche Scheepsbonwkonst open
gestelt (Delft 1697) S. 14.
Grundzüge der weiteren Entwickelung. 121
Große Umwälzungen gab es erst im 19. Jahrhundert
wieder. Mit der Einführung der Fleuten war ein Höhe-
punkt erklommen; man hatte eigentlich erreicht, was sich
mit den Materialien, aus denen die Schiffe und ihre Takelung
bestanden, schaffen ließ, ohne die Rentabilität in Frage zu
stellen. Auch insofern hat die Folgezeit keine Änderung
gebracht, als der Typ des dreimastigen Schiffes herrschend
blieb, wenn auch seine wirtschaftliche Bedeutung Schwan-
kungen unterlag. Der Name Pinaßschiff ist im Anfang des
18. Jahrhunderts durch die Bezeichnung Fregattschiff ab-
gelöst worden. Im 19. Jahrhundert nannte man die erst-
klassigen Dreimaster nur „Schiff", späterhin Vollschiff.
War der Besanmast nicht voll getakelt, d. h. mit Rahsegeln
versehen, so wurden sie Bark oder Barkschiff genannt.
Es soll hier wenigstens der Weg vom Pinaß- zum Voll- oder
Barkschiff skizziert werden. Anfang des 18. Jahrhunderts
sind unter englischem Einfluß die ansteigenden Decks durch
wagerechte ersetzt worden. Das Mastchen auf der Spitze
des Bugspriets wurde abgeschafft, dafür das Bugspriet
durch eine Stenge, den sogenannten Klüverbaum, verlängert
und mit dreieckigen Stagsegeln an Stehe der Bovenblinde
besegelt. Etwas später ist die Blinde in Fortfall ge-
kommen. Um 1720 begann man statt des lateinischen
Besansegels ein Gaffelsegel anzubringen. Damit war auch
die Möglichkeit gegeben, den Besanmast unten mit einem
Rahsegel auszustatten. Nelson endlich hat den viereckigen
Abschluß des Vorderschiffs beseitigt und die Bordwand
bis zur Galion fortgeführt, um den schweren Verlusten
vorzubeugen, die eintraten, wenn eine Kugel die dünne
gerade Wand durchschlug und nun das ganze Deck abfegte.
Bis 1770 hat bei den Kauffahrern keine wesent-
liche Größensteigerung, sondern eher ein Rückgang statt-
gefunden. Nur ausnahmsweis war ein Handelsschiff im-
stande, mehr als 300 Lasten zu laden. Dann aber schritt
man allmählich zum Bau von größeren Schiffen. Zur
napoleonischen Zeit hatten die größten britischen Ost-
indienfahrer ein Fassungsvermögen von 1200 Tonnen.
Das ist auch nicht mehr, als im 16. Jahrhundert die
122 Die Entwickelung der wichtigsten Schiffstypeu.
größten spanischen und italienischen Karacken laden
konnten. Immerhin war die Durchschnittstragkraft der
überseeischen Kauffahrer etwas größer als damals. Die
Maße der Linienschiffe allerdings gingen beträchtlich über
das hinaus, was das 16. Jahrhundert bei seinen mächtigsten
Schiffen hatte leisten können.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat der Segelschiff-
bau noch einmal große Fortschritte gemacht. Man hat
die Proportionen geändert. Die Schiffe sind länger, schmaler,
vor allem größer geworden und viel reicher besegelt. Die
wichtigsten Anregungen dazu sind nicht mehr von Europa,
sondern von den Amerikanern ausgegangen, deren Handels-
flotte zur Zeit der napoleonischen Kriege einen gewaltigen
Aufschwung nahm und vielfach für die europäischen Schiff-
bauer vorbildlich wurde, zunächst durch ihre Schuner
und seit den vierziger Jahren durch ihre Klipper, scharf-
geschnittene, tiefladende Fahrzeuge mit vier oder fünf
Eahsegeln an jedem Mast. Das Aufkommen dieses Types
hat zeitweilig sogar eine regelrechte Krisis im englischen
Schiff baugewerbe hervorgerufen, bis die Briten selbst die
Formen nachahmten und weiter entwickelten. Aber der
Abstand der berühmten Teeklipper von den Fleuten ist
doch längst nicht so groß, wie es der der Fleuten von den
Rahsegeln war.
Man hat den Viermaster wieder eingeführt und sogar
Fünfmaster gebaut mit sechs Rahsegeln an jedem Mast.
An Stelle des Holzes ist Eisen und später Stahl verwendet
worden. Hilfsmaschinen sind eingebaut. Trotzdem scheint
heute das Verschwinden des Segelschiffs aus dem großen
Seeverkehr nur noch eine Frage kurzer Zeit zu sein.
Sachregister.
Abgaben 119.
Abtreiben 86, 96.
Achter -deck 104, -schiff 104, 105,
-Steven 71, 74, 86.
Anker 15, 22, 34, 61, 66, -hebe-
balken 30, -Ordnung 49, -stock 86.
Armada 100.
Armierung 61, 85, s. Geschütze.
Aufbauten 7, 14, 16, 30, 35, 38, 42,
46, 74, 75, 76.
Anfenthaltsraum 84 — 86.
Ausrüstung 16, 119.
Bagger 21.
Baken 21.
Bakstag 14, 80.
Ballast 25, 88.
Batteriedeck 64, 104.
Bauzerter, -vertrage 37, 39, 71, 84,
119.
Bedienung der Segel, s. das.
Beplankung 3, 10, 55, 56, 58, 59,
s. Klinker, Kravel.
Bergholz 56, 68, 74, 84, 86, 99, 118.
Besan-, s. Mast, Eah, Segel, Spriet.
Besatzung, Bemannung 18, 19, 29,
39, 40, 60, 62, 83, 85, 93, 108, 113.
beschotten 86.
Bier 47.
Bünde, s. Rah, Segel.
Block 54, 55, 119.
Boden 84.
Bonnets 14, 20, 39, 61, 62, 63, 67,
80, 83.
Bootsleute 16.
Bord, Bordwand 4, 14, 121.
Bram-, s. Eah, Segel, Stenge.
Brassen 14, 55.
Breitfock-, s. Rah, Segel.
Brustwehr 14, 16.
Bug 7, 14, 30, 34, 35, 75, 80, 105.
Bugspriet 15, 30, 61, 62, 66, 85,
86, 95, 99, 106, 121.
Bulienen 55.
bussebank (Geschützbank) 86.
Cogge (Koog) 49.
Cogsculd 23, 24.
Cokingi 23.
Deck 14, 38, 39, 40, 61, 67, 68, 75,
84, 85, 96, 105, 120, 121.
Durk 84—86. '
Eisen, iserwerck 86, 122.
Fahrwasser 21—24, 53, 55, 76—79.
Feuerbaken 22, 44.
Feuerwaffen 32.
Fischerei. Fischfang 89, 92, 94, 95.
Fingerlinge 15.
Flaggenspiel 72.
Flaschenzug 54.
Fock-, s. Mast, Rah, Segel.
Fracht 45, 48, 114, 115.
124
Sachregister.
Tührung 16.
Fußboden 5.
Galerie 71.
Galion 70, 71, 105, 121.
Garnierung- 111.
Geer 80.
Geländerwerk 95.
Geschütze 61, 84—86, 104, 109.
Geschwaderfahrt 27, 87.
Getreide 35, 91, 95.
grope 61.
Groß-, s. Mast, Eah, Segel.
Hafen, -Verhältnisse 21, 22, 23,
-Ordnung 83.
Halsen 55.
Haut 55, 56, 74, 84, 85.
Heck 7, 15, 27, 30, 34, 35, 70, 80,
-auf bau 51, -bord 71, -rüder
(Steuer) 7, 27, 28, 30, 80.
Heringsfang 92, 93, s. Last.
Heuer 37, 39, 113.
Heures de Turin 79.
Hilfsmaschinen 122.
Holzfahrt 72, 93.
Hütte 5.
Kajung 22, 83.
Kalefatern 77.
Kamele 77.
Karren 16.
Kastell 14, 30, 42, 46, 50, 51, 61,
62, 64, 75.
Kabeljau 81, 92, 95.
Kiel 3 — 5, 14, 34, 67, 68, 70, 71,
73, 75, 76, 86, 87, 96, -bank 60,
-länge 106, 107.
Klinker, -beplankung, -werk 3, 13,
56, 58, 64, 80, 90.
Klüver, s. Segel, Stenge.
Konvoi 48, 68, 79, 115.
Korsaren 32.
Kravelsbeplankung 9, 56, 58, 59,
64, 65, 74.
Kreuzzüge 15, 25, 26, 31, 33, 36,
37, 39.
Krumholz 74.
krutze 14.
Laden 21, 77, 83; Ladefähigkeit 8,
16—18, 21, 27, 44, 54, 61, 72, 75,
79, 88, 89, 97, 107, 117, 121,
-marken 53, -räum 5, 104, 105.
Landmarken 21.
loningen 86.
Last, Herings-, Kommerz-, Rog-
genlast 8, 16—19, 44, 53, 93, 97,
99.
Lastadie, Lastadienbücher 53, 91,
106.
Laterne 21, 75.
Leistungsfähigkeit 20, 21.
Lotsengeld 78.
Löschen 21, 77, 83.
marke 22.
Mars 14, 16, 59, Gefechts- 42.
Maße, Schiffsmaße 3/4, 14, 16, 17,
61, 68, 70-76, 83—86, 118.
Mast 4, 5, 7—9, 14, 20, 37, 44, 49,
54, 59, 61-63, 72, 80, 82, 91,
93—96, 106, 107, 120-122, -fuß
67, -korb 14, Besan- 62, 63, 82,
86, 91, 94, 105, 107, 118, 121,
Fock- 62, 63, 67, 75, 94, 99, 105,
107, Groß- 63, 64, 66, 70, 72, 85,
86, 94, 99, 105, 107, 118.
Miniaturen 6, 51, 79.
Modelle 119.
Münzen 4, 6.
Naturvölker 1.
Nock 55.
Oberbauten 72.
Oxhofd 16.
Passagiere 16, 17, 39, 75.
Pfundzoll 17—20, 78, 101.
Pipe 65.
Planken 3, 5, 13, 56, 58.
Plattform 16.
Prämien 119, s. Versicherung.
Sacliregister.
125
Proportionen 27, 103, 105—107,
115, 122.
Proviant 16, 50, 74.
puddavel (= Poldavel, grobes Se-
geltuch) 86.
pumpkakers 76.
Back 14.
Rah. 5, 7, 14, 34, 38, 52, 55, 62,
63, 73, 80, 85, 86, 105, 107, 120,
-band 63, Blinde- 86, Breitfock-
86, Fock- 71, Groß- 71, 73, Top-
segel- 86.
Eaom 16, 84—86.
Peeder, Reederei 59, 72. 114.
Peef , -bände, -seisinge 14, 15, 55.
Peeiing 7.
Peisenzahl 20, 21, 83. 101, 112,
115.
Pentabilität 120, 121.
Piemen 4, 5, 8, 11, 20, 32, 44, 95.
Pippen 3, 56.
Poles d'Oleron 25, 33.
Poof 85, 96, 104, 105.
Puder (Steuer) 3, 5, 11, 13, 15, 27,
38, 61, 71, -gat 61, -pinne 15,
42, -zoll 91, Seiten- 30.
Puderbänke 3.
Puderer 32.
Pumpf 10, 39, 51, 64, 95.
Salz, Salzmaß 19, 45, 52, 54, 72, 89.
Scbelfiscli 81.
Schiffbau 40, 41, 46, 50, 52—55,
58, 59, 65-70, 76, 84 — 86, 91,
97, 104, 110, 115, 116, 120, 122.
Schiffer 8, 53, 87, 88, -bücher 98.
Schiffrecht 25, 63.
Schiffsbestand (Statistik) 88, 89,
98, 101, 117.
Schiffsbezeichnungen , Typenna-
men 7—10, 99.
Auslieger 59.
BaHnger, balinger, baleiniere
46, 57, 59.
Bardze, Bärge, bargia 32,
44—46, 57, 59, 75.
Bark, Barkschiff 8, 121.
Barkantine 8.
Barke 8.
Bergantino 7.
Berton 74, 116,
Binnenfahrer , Einnenlands-
fahrer 47—50, 117.
Bojer 10, 48, 57—59, 81—92,
96 — 99, 106, 112, 115, 117,
118.
Boot 9. 16, 59, 61, 83, 88, 89,
92, 94—99, 101, 102. 104—107,
112, 115-117.
Bordiug 22.
Börtfahrer 117.
Brigantine 8.
Brigg 8.
bucca, bucia, buscia, hussa,
butium , buza 38, 92, s.
Mittelmeerlastschiff.
Büse, buisses, buvsschip 45,
57, 88, 89, 92—95, 118.
ceol 43.
Dampfschiffe 32.
Dreidecker 70.
Dreimaster 38, 62, 63, 83,
89—91, 105, 121.
dromunda 38.
Doggboot 92, 97, 99.
Einbaum 2, 3, 43, 44.
Einmaster 62.
Esping 16, 61.
Ewer, eever, envare, yver,
ghrotever 28, 44, 57.
Filucca 7, 8.
Fischerboot, -fahrzeug 10 — 12,
23, 24, 28, 45, 48, 57, 95.
Fleute, Fliete, Fluite, Fleut-
schiff 102—110, 112—118,
121.
Frachtfahrer 17, 88.
Fredekogge 32.
Fregatte, Fregattschiff 8, 9,
121.
126
Sachregister.
Fünfmaster 122.
Furblasen 88, 89.
Gadiing, Gaing 95, 102, 103,
113, 116.
Galeasse 7, 8.
Galeere, galea 7, 8, 11, 32,
34—37, 40, 41, 57, 60, 62.
Galeon 66, 67, 75, 76, 109.
Galeotta, Galiot 7, 8, 96, 104.
117, 118.
Gokstadboot 4, 5, 11.
Hering-sfänger 89, 92 — 94.
Heuden 47.
hoicbort 94.
Holländer 116.
Houkeboote, hukboet 44, 80,
94, 97, 118.
Hoye 83, 89, 91.
Huker, Hoeker 118.
Hulk, Holk 7, 20, 41, 43—46,
50—52, 57, 58, 64, 67, 83, 88,
89, 93, 107.
Jacht 83.
Kaag, Kaghe, cage 49.
Kahn 3, 9.
Karacke 9, 42, 43, 45, 46, 52,
57, 66, 67, 76, 122.
Karavele 9, 56—58, 90.
Kauffahrteischiff 98, 120.
kiel 43.
Kirchgängerboot 12.
Kleinschiffahrt 40, 47, 81, 83,
90, 91, 118.
KUpper 122.
Kogge 10, 12—16, 18-31, 34,
36, 37, 39—50, 55, 57, 62,
100, kleine K. Binnenkog-
gen , koggeschepen 47 — 50.
Koggenpleyte 46.
Korvette 9.
Kraier 9, 44, 57, 58, 88, 89.
Krake 66.
Kravel 9, 10, 57—61, 63—65,
68, 70—74, 83, 85, 89, 90,
98, 99, 117, 118.
Kravelshoye 89.
Kriegsschiffe, -fahrzeuge 32,
33, 66, 68, 70-72, 92, 100,
105, 120.
Kuff 8, 9, 118.
Küstenfahrer 9, 10, 45, 48, 86,
93, 118.
Langschiffe 4.
Lastschiff 2, 10, 24, 25, 27, 28,
30, 31, 33-40, 43-45, 47,49,
62, 66, 78, 83.
Leichter, Leichtern, 9, 22, 23,
77, 83, 84.
lignum cohopertum 40.
Linienschiffe 120, 122.
Lotsmannsboot 97.
Mittelmeerlastschiff 36—40.
Nachen 9.
Nao 9, 43, 66, 67.
Nave 9, 43, 62, 66, 110.
navicula 43.
Navio 116.
Navis 12, 26, 38, 40, 43.
Nef 9, 24-31, 34, 41—43, 57,
58.
Nydamboot 3, 4, 11.
Panzerfregatte 8.
Pinasse, Pinaßschiff 104, 105,
107, 110, 112, 115-118, 121.
Pinke 9, 81, 89, 90, 94.
Pleyte, pleiteschip 44, 45, 49.
Prahm 22, 83.
Rahbojer 85, 89, 98.
Eahsegel 58, 74, 75, 83, 87—89,
91 , 97 — 99 , 101 — 103,
105-107, 110, 112, 116, 117.
Eheinschiffe, rijnscepen 48,
81.
Puderboote, -fahrzeuge 3 — 5,
7, 8, 10—13, 24, 31, 32, 36,
45. ■
Schaluppe 8.
Schiff, schip, ship 8, 9, 19, 26,
29, 45, 46, 49, 75, 121.
Sachregister.
127
Schmack, smack, smackzeyl 8,
48, 58, 83, 87, 117.
Schmalschiff, smalschip 10, 89,
117.
ScLinicke. snicke 19, 32, 59,
80.
Schmier, Schooner 8, 122.
Schute 20, 32, 44, 47, 49, 87,
89—91, 98, 99, 118.
Seeschiff 10, 44, 48, 50.
Snake 29.
soyen 44, 49.
tarida 40.
Teeklipper 122.
Tjalk 9, 82, 90, 118.
Tonnenbojer 85, 86.
Tonneuschiff 80.
Überwattfahrer 18, 78, 79, 81,
82, 86, 90.
urca 75, 100, s. Hulk.
Vaisseau 9, 57, 121.
Viermaster 66, 68, 105, 122.
Vheboot 97, 99, 102, 116.
Vollschiff 121.
Avaterscepen 48.
Weitschiff, witschip 10, 89,
98, 99, 117.
Zweimaster 62.
Schiffsbilder 6, 7, 50, 84.
Schiffsgrößen 18, 19, 27, 29, 40,
42, 44, 52—54, 64, 65, 72, 89, 92,
93, 97—99, 101, 105—107, 111,
118, 121, s. Ladefähigkeit.
Schiffsinventar 61.
Schiffsnamen 7, 8, 45, 46, 52, 65,
66, 69, 70, 71 ; das große Kravel
59—61, 63, 64, 68, 75, 100, 105;
der große Adler von Lübeck 71,
72, 74, 75.
Schiffsordnung 44, 77.
Schiffsschraube 108.
Schiffsvermessung 16, 17, 111.
Schiffsvolk 40.
Schiffswert 18. 19.
Schiffszoll 111.
Scholle 81.
Schoten 14, 80.
Schwerter 86, 87.
Schwimmdock 77.
Seebrief, -register 49, 92, 97, 98,
111, 116.
Seerecht 25, 33.
Seetonnen 22.
Seezeichen 21, 22.
Segel 4, 5, 11, 14, 20, 34, 43, 55—57,
61, 63, 64, 73, 96, 99, 107, 108,
120, 122.
Besan- 61-63, 66, 67, 85,86,
105, 121.
Elinde 65, 85, 86, 99, 106,
120.
Bovenblinde 106, 121.
Bram- 67, 105, 107, 120.
Breitfock 86.
Fock- 49, 61, 64, 66, 67, 80,
85, 86, 105, 107.
Gaffel- 118, 121.
Groß- 61-64, 66, 67, 73, 105,
107, 108.
Klüver 80.
Kreuz- 105.
lateinisches Segel 8, 9, 38, 39,
57, 62, 63, 82, 85, 121.
Lee- 120.
Mars- 67, 105, 107, 120.
Rah- 5, 14, 39, 54, 67, 80, 83,
85, 95; 105, 106, 118, 121,
122.
Schmack- 80, 81.
schonefarers- 61, 64.
Spriet- 49, 80—83, 85, 86, 118.
Stag- 85, 118, 120.
Top- 66, 67, 85, 86, 99.
Segelbedienung 39, 54, 55, 73,
-leistungen 15, 83, 92, -macher
86.
Siegel 6, 7, 10—16, 27, 28, 30, 31,
41, 50, 51, 64.
128
Spanten 3, 13, 34, 74.
Spiegel 105.
Spriet 80, Besan- 86, Bug-, s. da-
selbst.
Stag 14, 80.
Stallungen 39.
Stenge 86, 121, Bram- 72, große
72, Klüverbaum 121.
Steuer, s. Ruder.
Steuerbord 11, 12, 27, 28, 39.
Steuerung 5, 15, 27.
Steven 3—5, 11, 12, 71.
Stückgut 115.
Subsidien 119.
Takelung, -werk 10, 14, 27, 54, 55,
62-64, 66, 72—74, 80, 84-86,
95, 96, 105—107, 115, 118, 119.
Tauwerk 61, 119.
Tiefgang 21, 22, 34, 53, 54, 72, 75,
76, 78, 82-84, 86, 99, 103, 106,
107, 120.
Tonne 16,65,Tonnengeldbüclier98.
Topkastell 42, s. Mast, Segel.
Tragfähigkeit, s. Ladefähigkeit,
Schiffsgröße.
Sachregister.
Turm 21, 34.
Überlauf 34, 42, 61, 68, 74, 84—86,
96.
Unterkunftsraum 50, 74.
Versicherung 114, 115.
voerhuys 22.
Vorderkastell 66.
Vordersteven 30, 42, 71, 73, 74, 95.
Vorunter 84—86.
Votivbild 69.
Wagen 16.
Wanten 14, 80.
Webeleinen 14.
Wein 12, 24, 25, 33, 43.
Weinfaß 16, 17.
Wind, Segeln beim, vor dem usw.
5, 15, 21, 55, 63, 76, 86, 102, 107.
wyntkoppelen 86.
Wracker 53.
Zimmermann 53.
Zollrolle, Zollschreiber 28, 44, 88.
Orts- und Personenregister.
Accon 26.
Ägypten 25, 37.
Algier 109, 115.
Almere (Zuiderzee) 23, 24.
Alsensund 3.
Ameland 79, 97.
Amerika 4, 16, 17, 109, 118, 122.
Amsterdam 9, 21, 44, 48, 51, 73,
77, 79, 82, 87, 91, 95, 97, 109,
114, 115, 117, 120.
Angelsaclisen 6.
Antoniszoon, Kornelis (Planzeicli-
ner) 87.
Antwerpen 77, 91,
Aquitanien 33.
Araber 43.
Arnemiiyden 77.
Atlantischer Ozean 1, 2, 25, 32,
36, 37, 41, 83.
Auch 33.
Baie, Bai von Bourgneuf, Baien-
fahrt 19, 20, 52, 54, 82.
Barcelona 40.
Basken 2.
Bayeux, -teppich 7, 11.
Bayonne 32, 33, 39, 40.
Been, Hans, lübischer Bergen-
fahrer 69.
Beneke, Paul 60.
Bergen 11, 15, 19, 20, 47, 69.
Hagedorn, Die Entwickelung der
Biscayen 65.
Boeff, Marot, von la Eochelle 59.
Bologna 51.
Bordeaux 25, 29, 33.
Boston 51.
Bourbon, Louis de, Admiral, 63.
Brabant 44, 48, 49, 57.
Brasilien 109.
Braun und Hogenberg 87, 96.
Bremen 15, 26, 48, 49, 70, 97—99,
101, 116, 117.
Bretagne 25, 36, 56—60, 65, 74,
90, 116.
Briel 22, 43.
Bristol 30.
Britannien 2, 35, 36.
Brouage 52, 61, 68, 81, 83.
Brouwershaven 47.
Brügge 13, 44, 55, 68, 92.
Bui'gund: Philipp der Clute 45, 57,
Maria und Maximilian 64, Maria
von Ungarn 68.
Cadiz 15.
Cäsar 2, 34-36.
Calais 28, 29, 31, 90.
Carpaccio 64, 66.
Casenove, G-uillaame de, genannt
Coulon 65.
: Castro Urdiales 12.
I Civilis 2.
wichtigsten Schiffstypen. 9
130
Orts- und Personenregister.
Damiette 25, 36.
Damme 13, 28, 44.
Dänemark, Dänen 13, 18—21,23, 70,
91, 96; Könige : Waldemar II. 21,
Waldemar IV. 13, 17, Ericli der
Pommer 20, Christian II. 48.
Danzig 13, 16, 19, 20, 22, 45, 50,
61, 55, 59—61, 63, 68, 70, 93, 95,
99, 111.
Dartmouth 30.
DentscMand , Deutsche 2, 8, 12,
15, 16, 21, 23, 25—28, 41—43,
45, 46, 53, 67, 68, 70, 76—80, 88,
90—93, 97, 104, 115, 116; Kaiser
und Könige: Otto I. 23, Otto IV.
26.
Deutscher Orden 46, 62, 55, 107.
Dithmarschen 48.
Doggerbank 89, 92, 94, 95.
Dordrecht 43, 44.
Dover 29, 30.
Downs 63.
Drontheimer Pjord 1.
Dublin 81.
Dünkirchen 116.
Dunwich 30.
Eider 117.
Elbe 23, 79, 82, 91.
Elbing 13, 20, 41, 51, 54.
Emden 8, 10, 49, 83, 87—93, 95,
97, 99, 101, 111, 116.
Ems 76, 77, 90.
England 6, 8, 11, 14, 16, 17, 24-30,
32, 33, 37, 41—43, 45, 47, 51, 52,
54, 57, 69, 60, 65, 69, 70, 74,
81—83, 91, 92, 105, 111, 115,
116, 121, 122; Könige: Alfred 32,
Aethelred 43, Wilhelm der Er-
oberer 7, 11, Pichard Löwenherz
33, 38, Johann 6, 26, 43, Hein-
rich III. 26, 29, Eduard III. 42,
46, Heinrich VII. 65, Hein-
rich VIII. 65, 66, 69, Elisabeth
70.
Enkhuizen 72, 94, 96, 97.
Evers, Härmen, Hamburger Schif-
fer 81, 82.
Falsterbo 21.
Paversham 29, 30.
Pinisterre 1.
Plaudern 13, 15, 17, 19, 20, 24-26,
28, 33, 39, 41, 48, 50, 62, 59, 60,
90.
Florenz 39.
Polkestone 30.
Pordwich 20.
Pouquet, Jean, 63.
Prankenreich 11.
Prankreich 16, 26, 28, 30—32, 37,
39, 42, 45, 48, 59, 60, 63, 65, 70,
74, 81, 83, 115, 116; Könige:
Ludwig der Heilige 37, 39,
Philipp IV. 37, Ludwig XI. 63.
Nordfrankreich 90, Westfrank-
reich 24, 25, 33, 36, 36, 54, 56,
61, 90.
Preiburg 77.
Priesland 2, 6, 13, 15, 23—28, 49,
78—81, 90, 96, 97, 101, 118.
Pünfhäfen 29, 30.
Purttenbach, Josephus, 7, 8, 110.
Gtalicien 32.
Gallien 34—36.
Gascogne 39.
Gast 8.
Geldern 49.
Gent 60.
Genua 11, 32, 37, 39, 40, 45, 52,
62, 66.
Germanen 2.
Germanicus 2.
Gibraltar 15, 36, 39, 40.
Gloucester, Eichard, Herzog von,
51.
Gokstad 4.
Gouda 10, 89.
Gravelingen 28.
Greifswald 22.
Griechen 2, 110.
Orts - und Personenreoister.
131
G-rimaldi, Einieri di, 39.
Groningen 93.
Guernsey 51.
Gyseke, Bernd, 81.
Haarlem 94.
Hamburg 8, 18-21, 23, 44, 45, 48,
57, 59, 63, 70, 74, 76—82, 85,
91, 93, 95, 98, 101, 116, 118.
Hanse 13, 15, 17, 19, 32, 46, 53,
54, 60, 92, 109.
Harburg 100.
Harderwijk 13, 18, 20.
Harlingen 79, 96.
Hastings 29, 30.
Haultain, Admiral von Zeeland,
112.
Helgoland 49.
Helsingör 100.
Hindeloopen 96.
Hofden 25.
Holland 32, 41, 44, 47, 48, 50, 58,
77, 79, 81, 90, 92, 101, 109, 112,
116; Graf Wilhelm III. 43.
Hoorn 58, 102, 103, 108.
Horst, Peter von der Horst, Lübek-
ker Navigationsscbrif tsteller, 71.
Hytlie 17, 29, 30.
Ipswich 30, 41, 51.
Irland 35, 65.
Island 81.
Italien 32, 36, 37, 40, 41, 43, 51,
52, 60, 62, 66—68, 74, 116, 122.
Jerusalem 43.
Julian, bretonischer Schiffbauer,
58.
Kampen 22, 43, 45, 47, 59, 81.
Kanal 25.
Katalanen 40.
Kelten 2, 34, 85.
Kiel 3, 13, 18.
Köln 26.
Kolumbus 57, 66, 67.
Königsberg 59.
Konstantinopel 114.
Kristiania 4.
Langesuud 72.
Laredo 51.
Levante 114.
Lioorne, Pieter Janß, Schiffbauer
in Hoorn, 103.
Lissabon 31, 72, 75, 109.
Livland 19, 101.
Lombarde 68.
London 43, 60, 83.
Lothringen 43.
Lübeck 9, 11, 15, 18—22, 27, 44,
46, 47, 69—73, 75, 82, 90, 106,
109, 116.
Lüneburg 53, 55.
Lüttich 33.
Lydd 30.
Lyme Regis 28, 30.
Lymington 51.
Maas 17, 22, 44.
Marsdiep 22.
Marseille 37.
Mauren 32.
Mecklenburg 19, 20.
Melcombe Pegis 30.
Memling, Hans, 60.
Meteren, Emanuel van, 75.
Meyer, Marcus, 69.
Middelborg 77.
Mittelmeer 1, 2, 7, 8, 36, 37, 39—43,
52, 53, 55, 62, 63, 65, 92, 93, 102,
108—110, 114.
Moine, Eustache le, 28.
Mottlau 60.
Muiden 3.
Nantes 59.
Napoleon 32, 121, 122.
Nelson 121.
Neumühlen 77.
Neustadt an der Ostsee 11.
Neuw^erk 21.
Newport auf Wight 51.
9*
132
Orts- und Personenregister.
Newtown auf Wight 30.
New - Shoreham 7.
Niederlande 23, 45, 47, 49, 67, 68,
70, 76—80, 83, 87, 88, 90—92,
99-102, 104, 108-116, 118, 120.
Nieuport 28, 31.
Nooms, Eeinier, genannt Zeeman,
49, 117.
Nordfriesland 51.
Nordgermanen 2, 4, 11, 12, 36.
Nordholland 102.
Nordmannen 4, 5, 10—12, 23, 28,
30.
Nordsee 2, 9, 20, 23, 24, 26, 75-80,
90—94, 97, 116.
Normandie 11, 36, 57.
Nydammoor 3.
Nyedorpper cogge 49.
Oberijssel 48.
Oder 76.
Oleron 25, 32, 33.
Oliveira, Fernando, 67.
Opdam, Admiral von Holland, 112.
Oporto 109.
Ostasien 118.
Ostfriesland 48, 49, 87, 88, 97.
Ostgermanen 2, 3.
Ostindien 83, 109—111, 121.
Ostsee 11, 12, 20, 21, 45, 47, 52,
54, 66-68, 70, 75, 76, 79-81,
87, 90, 91, 95, 97, 99, 101, 109,
112, 115.
Palästina 38.
Pampus 77.
Papst 76.
Paris 31.
Pernau 19.
Pevensey 14, 29, 30.
Polen 76.
Pommern 19.
Poole 30.
Portinari 60.
Portmouth 30.
Portugal 46, 57, 65-67, 75, 89, 90,
102, 110, 116; Könige: Af-
fonso III. und V. 57.
Preußen 19, 44, 47, 50, 52, 55, 59,
83, 101.
Punta Araya 108.
Pyrenäen-Halbinsel 37, 66, 90.
Ratzeburg 26.
Reval 15, 19.
Reygersberg, Johann, 47, 48, 58,
94, 95.
Rhein 43.
Riga 19, 81, 82.
Ripen 96.
La Rochelle 15, 25, 26, 31, 33, 35,
59.
Rom, Römer 2, 3, 4, 34—36.
Romenhale 29.
Romney 30.
Rorich 23.
Rostock 18, 19.
Ronen 117.
Rutland, Edward de, 51.
Rye 17, 29.
Saint Jean 12, 26.
Sandwich 30.
Sankt Helena 75.
San Sebastian 14, 31.
Santander 31.
Sarazenen 36 — 38.
Scepper, Cornelis, 67, 68.
Scheide 77.
Schiermonnikoog 79.
Schleswig -Holstein 19, 20.
Scholeus, Hieronymus, 71.
Schonen 20, 21.
Schottland 29, 57, 65, 81, 94.
Schweden 3, 70—72; Gustav Wasa
70.
Senomanum 26.
Skandinavien 12, 45, 104, 115.
Sluis 42, 57.
Southampton 29, 30, 51.
Orts- und Personenresrister.
133
Spanien 1, 9, 12, 16, 17, 28, 31,
41, 42, 45, 46, 51, 52, 57, 66—68,
74—76, 89, 102, 108 — 119,
114-116, 122.
Stader Sand 77.
Stavoren 13, 20, 41, 96.
Stettin 51, 76, 77.
Stockholm 19, 71, 93.
Stralsund 13, 41.
Stiibbekjöbing 13.
Suionen 3.
Sund 19, 21, 76, 99—101, 110-112.
Syrien 38, 40.
Tacitus 2, 3.
Tenby 51.
Tenterden 51.
TerscheUing 22.
Texelstrom 77, 95.
Tondern 28.
Tönning 51.
Trave 15, 109.
Travemünde 21.
Türken 109, 115.
Utrecht 23, 24.
Veere 51, 68.
Velins 58. 102, 103, 108.
Venedig 11, 38, 40, 57, 66, 114.
Viana 109.
Villani, Giovanni, 39.
Vitalienbrüder 46
VHe 77, 96.
Vlieland 81.
Vlissingen 50.
W/^ 66, 75.
Wagenaer 94, 96.
Walsinghen 50.
Watten 2, 23, 24, 78, 79, 82.
Weinreich, Kaspar, 68.
Weser 2, 79, 93, 98.
Westfriesland 8, 32, 102.
Westindien 83, 108, 110.
Wierichsharde 51.
Wieringen 77.
Wikinger 4, 5, 11—13, 24.
Winchelsea 29, 30, 35, 43.
Wisby 35.
Wismar 13, 14, 18, 26.
Witsen 3, 73, 74, 96, 115, 117,
119, 120.
Workum 97.
Wouters, Kryn, 72.
Yarmouth 30, 51.
Yk, Cornelis van, 117, 120.
Zeeland 32, 44, 47, 48, 58, 81, 82,
90—91, 94, 101, 102.
Zierikzee 68.
Zuiderwoude 48.
Zuiderzee 23, 24, 28, 48, 49, 79.
117.
Zwartsluis 48.
Zwin 22, 45, 49, 52, 55.
Tafelbilder.
Tafel I
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CO
o
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Tafel II
Tafel III
Bergen 1276
rr ^
Neustadt an der Ostsee 1351
Tafel IV
Lübeck 1230
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Elbing 1242
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Tafel V
Stavoren 1246
Tafel VI
Wismar 1256
Härder wijk 1280
Tafel VII
Danzig 1299
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f^'^-y^ \ —y ^■,'^^'.
Stubbekjöbing 1367
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Tafel VIII
Kiel 1365
Danzig 1371
Tafel IX
Stralsund 1306
Wismar 1354
Tafel XI
■s^a
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Stralsund 1329
Elbing 1350
Tafel XI
Stavoren 1415
Ipswich
Tafel XII
Danzig 1400
Danzig 1400
Tafel XIII
Elbing 1424
Wierichsharde
Tafel XIV
Amsterdam 1418
Rye
Tafel XV
Tafel XVI
Tafel XVII
Tafel XVIII
Louis de Bourbon 1466
Miniaturbild der Grandes Chroniques de France
Tafel XIX
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S/n
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Maximilian und Maria von Burgund 1478
Maximilian als Präfekt von Burgund 1493
Tafel XX
Tafel XXI
T3 x:
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Tafel XXII
Der Untergang des lübischen Bergenfalirers Hans Ben 14ö9
Votivbild der Marienkirche in Lübeck
Tafel XXIII
Tafel XXIV
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Tafel XXV
Talrl WVI
op»cnüfcpifnuiciaijfHii:c«.mu(uiu6
Die Mci.'i lullt I ilci I Icili^cii
Aus I Ifiircs (If 1 III hl
Tafel XXVII
Tafel XXVIII
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