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Full text of "Die Erdbeben nieder-österreich's"

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ERDHEHEJN MEDER-ÖSTERREICH'S. ^ 






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1873. 



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DIE 



ERDBEBEN NIEDER ÖSTERREICHS 



VON 



EDUARD SUESS, 

WIRKLICHEM MITOT.IKDE I>F.R KAIS. AI^AnEKIE PER WISnCNSClIAFTEN. 



Iltit 2 t/tavteu. 



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VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 19. JUNI 187 3. 



WIEN. 

AUS DFk KAISERIJCHKÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDKUCKKHEI. 
IN COMMISSION BEI KARL GEROLO'S SOHN, 

HUCHHÄMDLKK DKli KAI8KKJ.IC1IKN AKADSMIK 1>£K Wltt^KMiCIlAFTEN. 

1873. 



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314072 



llESONDUKS ABGEDRUCKT AlTS DEM XXXIII. HA.NDE DEK DENKSCIIKIFTEN DER MATHKMATISCH-N A l'URWISSENSCHAFTIJCHEN 

CTiASSE DER KAISERrJCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 



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DIE ERDBEBEN NIEDER-ÖSTERREieS^ 



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VON 



EDUARD SUESS, 

WIRKLICHEM MITOUEDE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 



t)lLU 2 DCal^iv. 



VORGELEGT IN DER SITZUNG DER MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN CLASSE AM 19. JUNI 1873. 



JJie letzten Jahre haben viele, zum Theile vorzügliche Untersuchungen über die Natur der Erdbeben gelie- 
fert ; ein Theil derselben beschäftigt sich mit der Feststellung der Art des Einflusses anderer Himmelskörper 
auf die seismischen Erscheinungen unseres Planeten, andere suchen die Dynamik des Phänomens in ein- 
zelnen Fällen aufzuhellen, nur wenige befassen sich mit dem Zusammenhange, welcher zwischen dem Baue 
der Erdrinde in einer bestimmten Gegend und der Richtung und Natur der Stösse besteht. Ich habe mir nun 
die Aufgabe gestellt, in zwei Gebieten, von welchen das eine ferne von thätigen Vulkanen und mitten im 
Festlande, das andere innerhalb eines ausgedehnten Bezirkes vulkanischer Thätigkeit liegt, nämlich in Nie- 
der- Osterreich und im südlichen Italien , die Spuren dieses Zusammenhanges aufzusuchen. So unähnlich 
diese beiden Regionen auch sonst erscheinen mögen , so umfasst doch jede von ihnen einen Theil eines 
grossen Senkungsfeldes, welches hier das stetige Fortstreichen der Alpen, dort jenes des Appennin unter- 
bricht, und ist dadurch die Möglichkeit geboten, zu untersuchen, ob die grossen Bruchlinien, welche diese 
Gebirgslücken begrenzen, auf die Verbreitung der Erdbeben von Einfluss sind oder nicht. 

Die vorliegende Schrift umfasst nur die Darlegung der in Nieder-Osterreich gesammelten Erfahrungen. 
Während ich mit ihrer Ausarbeitung beschäftigt war, trat am 3. Jänner d. J. eine kleine Erderschütterung ein, 
über welche durch planmässig vorgenommene Erhebungen eine grosse Anzahl von Daten gesammelt wurde. 
Sie sind in dem ersten Abschnitte niedergelegt; ich bin auf die Gefahr hin, eintönig zu werden, ziemlich aus- 
führlich in ihrer Mittheilung gewesen, weil sie die sicherste Grundlage für die Beurtheilung älterer Erdbeben 
*• 

in Nieder-Osterreich bilden. 

Der zweite Abschnitt ist dem Erdbeben vom 16/16. September 1590 gewidmet, dem heftigsten, wel- 

•• •• 

ches nach geschichtlichen Überlieferungen jemals Nieder-Osterreich getroffen hat. 

Der dritte Abschnitt handelt von dem Erdbeben vom 27. Februar 1768, welches dem früheren an ver- 
heerender Wirkung zunächst steht. 

Den vierten Abschnitt bildet eine Aufzählung der mir bekannt gewordenen Angaben über Erderschütte- 
rungen in Nieder-Osterreich überhaupt. 

(Sness*) ' I 



2 Eduard Suess. [62J 

Der fünfte Abschnitt endlich ist einer Darstellung der seismischen Stosspunkte und Linien gewidmet, 
welche sich durch die aufgezählten Beobachtungen verrathen. An diese schliessen [sich einige allgemeine 
Bemerkungen über den muthmassirehen Zusammenhang mit dem Baue dieses Stückes der Erdoberfläche. 

Weitere Schlussfolgeruugen werden sich aus dem Vergleiche mit Süd- Italien ergeben. 



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I. Abschnitt. 



Das Erdbeben Tom 3. Jänner 1S73. 






Freitag, den 3. Jänner 1873, kurz vor 7 Uhr Abends wurde in vielen Häusern Wien's eine schwache 
ErdcrschUtterung verspürt. Ich selbst bemerkte während des Schreibens einen Ruck , der beiläufig von West 
gegen Ost ging, und reiste den nächsten Morgen über Abtsdorf nach Krems, am 5. aber von Krems über 
St. Polten und Rekawinkel zurück. Auf der ganzen Linie dieser Reise erhielt ich Nachrichten über die Er- 
scheinung, welche auf einen Stosspunkt im Süden oder Südosten der bereisten Gegend hindeuteten. Um nun 
ein genaueres Bild zu schaffen, erliess ich eine öffentliche Aufforderung, mir etwaige Beobachtungen mitzu- 
theilen , und wandte mich unmittelbar an viele einflussreiche Personen in den betroffenen Gegenden. Aul 
diese Weise sind zahlreiche schriftliche Berichte und mündliche Mittheilungen vereinigt worden. Wie umfang- 
reich das gewonnene Materiale ist, mag aus dem Umstände erhellen, dass 

a) vom äusseren Rande des östlichen Abfalles der Alpen aus .... 54 Ortschaften 
b^ von den in diesen Theil der Alpen einschneidenden Thälem aus . 40 ,. 

c) vom nördlichen Abfalle der Alpen bis an die Donau aus 79 ,, 

dj vom Schütterkreise nördlich von der Donau aus 35 ,, 

zusammen aus 203 Ortschaften 

Berichte eingelaufen sind. 

Es ist nicht möglich, allen jenen Personen, welche mich auf diesem Wege unterstützt haben, hier 
namentlich Dank zu sagen, ich darf mir aber nicht versagen, wenigstens den hochw. Prälaten Heidmann 
zu Lilienfeld, Bezirkshauptmann Hufnagel in Hörn, die Herren Realschul-Directoren Schramm in Neu- 
stadt und Eberle in Krems, so\vie die Herren k. k. Bezirks-Schul-Inspectoren Naglcr in Baden, Pöschko 
in St. Polten und Schwetz in Hom dankend zu erwähnen. 

Nachdem so durch vereinte Bemühungen die Region der stärksten Erschütterung ermittelt war, hat 
Herr Rudolf Hörn es dieselbe über mein Ersuchen zweimal besucht und nähere Erkundigungen eingezogen, 
sowie einzelne Angaben über die Stossrichtung mit der Magnetnadel controlirt. Seine Beobachtungen sind 
dem nachfolgenden Berichte gleichfalls einverleibt. 

Endlieh ist zu erwähnen, dass Herr Bergrath Stäche erst in öffentlichen Blättern, dann in den Ver- 
handlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt (1873, S. 13—18) mehrere Angaben veröffentlicht hat, 
welche sich grösstentheils auf Wien beziehen. 

A. Der Sstliche Abfall der Alpen. 

aj Der äussere Rand. 

Im Gusswerke zu Mariazell, in der Eisenbahnstation Scmmering, in Nass wald, in den Tunnel- 
bauten für die Wiener Wasserleitung im Höllenthale und bei Stixenstein, im Thalkessel von Buch- 
berg, in den Kohlenbergwerken zu Grünbach ist, wie übereinstimmende Berichte melden, gar keine 
Erschütterung bemerkt worden. Auch das Wechselgebirge wurde nicht betroffen, wie die Nachrichten aus 
Kirchberg am Wechsel, Hochwolkersdorf und Bromberg beweisen. Aus der Ebene reichen die 
negativen Berichte noch bis Neunkirchen herab; auch Ebenfurth gegen Nordost scheint nicht berührt 



[63J Die Ei'dbeben Nieder-Österreichs. 3 

worden zu sein. 'Aus Sehottwien wird gemeldet, dass allerdings die Erschütterung vom 3. Jänner nicht 
verspürt, dass jedoch im Laufe des verflossenen Jahres eine bedeutende Erschütterung wahrgenommen wurde 
(Oberlehrer Schwartz). Einzelnheiten über die letztere sind noch nicht zu erreichen gewesen. 

Die südlichsten Punkte, welche die Erschütterung erreicht hat, sind in der Ebene die Stadt Wr. Neustadt 
und im Gebirge Guttenstein. 

In Neustadt wurden im 2. Stockwerke eines Privathauses am Hauptplatze wenige Minuten vor 7 Uhr 
drei schnell aufeinanderfolgende wellenföi-mige, aber sehr schwache Erschütterungen wahrgenommen, welche 
mit leichtem Getöse beiläufig von Nord gegen Süd zogen. Die grosse Mehrzahl der Bevölkerung hat jedoch 
diese Erscheinung nicht bemerkt ; auch auf dem Telegraphenamte wurde keine Erschütterung bemerkt (Dir. 
Schramm). 

In Pottendorf wurden in den Häusern Nr. 77 und Nr. 149 frei liegende oder hängende Gegenstände 
leiclit bewegt. Die Richtung der Erschütterung war Nordwest — Südost oder umgekelirt ^ 

Die an dem Baue der Wasserleitung beschäftigten Ingenieure melden , dass auf der ganzen Linie bis 
Wcikcrsdorf und Fischau am Steinfelde nichts Ahnliches bemerkt wurde, wohl aber inLeobersdorf, 
wo ein von Nord gegen Süd gehender Stoss, dem heftigen Zuschlagen einer Thür vergleichbar, das Erzittern 
von Gläsern in den höheren Stockwerken der Häuser herbeiführte. Der Abhang einer Schottergrube bei En- 
zesfeld stürzte in Folge des Stosses ein, und der Schotter selbst, welcher vor der Erschütterung fest war, 
soll nach derselben ganz locker gewesen sein. Der Stoss kam nach Enzesfeld etwa aus Nordwest und war 
von einem dumpfen Rollen und einem Rütteln kleinerer Gegenstände begleitet; ein Windrad an einer gegen 
West gelegenen Wand begann sich heftig zu bewegen. Im Sclilosse Enzesfeld, welches höher liegt und schon 
dem Rande des Gebirges angehört, war die Erscliütterung noch heftiger ; Leuchter schwankten u. s. w. (Leh- 
rer Niederhofer und Lohner). 

In Hirtenberg meinte man, es sei eine Pulverfabrik am Steinfelde explodirt. In zwei an den Ausläu- 
fern des Gebirges auf Felsen erbauten Häusern war aber die Erschütterung so bedeutend, dass selbst Kästen 
ins Schwanken geriethen, und der Fussboden sich wellenförmig bewegte (Lehrer Sicharcz). Auch in Lin- 
dabrunn zitterte der Fussboden in manchen Häusern ; Sessel und eiserne Ofen begannen zu schwanken ; 
der Stoss kam aus Nord oder Nordwest (Lehrer Winter). 

In den Orten, welche nur um ein Geringes entfernter vom Fusse des Gebirgen liegen, wie in Schönau, 
Teesdorf und Ginseisdorf, wurde gar keine Bewegung bemerkt. Im Pfarrhofe zu Kottingbrunn trat 
dagegen eine merkliche Erschütterung ein, und zwar mit der Richtung Ost — West oder umgekehrt (Pfarrer 
Philipp). In Grossau fühlte man einen einzigen Stoss, und zwar von West gegen Ost (Lehrer Alb er). 
Im SchuUiause zu Gainfahrn begann in Folge des Stosses eine Hänglampe sich zu bewegen und war die 
Erscheinung von einem Getöse begleitet, welches man für den Einsturz einer Mauer hielt; die Richtung war 
von Südwest gegen Nordost oder umgekehrt (Lehrer Lair). In Vöslau bemerkte man vier aufeinanderfol- 
gende Stösse, von welchen der zweite der stärkste war; die Richtung war von Nordwest gegen Südost; Thü- 
ren sprangen auf, freie Gegenstände schwankten u. s. w. (Lehrer Polster). 

In Sooss war die Erschütterung heftiger; Zimmerthüren wurden aufgerissen, die Fenster klirrten, 
Kästen wurden gerüttelt und viele Leute vernahmen ein unterirdisches Sausen wie Sturmwind (Lehrer Gärt- 
ner). Pfarrer Graf in Sooss berichtet: „Es war Abends, 4 — 6 Secunden vor 7 Uhr, als ich ein Rollen, wie 
das eines herannahenden Eisenbahnzuges, vernahm. UngefUhr 4 Secunden nach Beginn des Rollens erfolgten 
zwei Stösse schnell nach einander, innerhalb 3 Secunden, die mich am Schreiben, womit ich eben beschäftigt 
war, verhinderten. Das Rollen dauerte fort und mag das ganze Naturoreigniss 10 — 12 Secunden gedauert 



< Hier mag hervorgehoben werden , dass es in der Regel sehr schwer wird , aus der Richtung eines leichten beweg- 
ten Gegenstandes auf den Ursprung des Stosses zu schliessen , denn die Erscheinung wird zugleich von der Trägheit des 
bewegten Gegenstandes becinflusst, und bleibt z. B. hier die Frage offen, ob der Stoss aus NW. oder aus SO. kam. 

1* 



4 Eduard Suess. [64] 

haben; es folgte auch nichts mehr nach. Es kam von Nordosten und verbreitete sich nach Südwesten. Gerade 
während der zwei vernehmbaren Stösse schlug mein Pendel, der sehr richtig geht, 7 Uhr." 

Es geht aus diesen Nachrichten mit ziemlicher Gewissheit hervor, dass in dieser Gegend ganz verschie- 
dene Stossrichtungen beobachtet wurden ; so stehen die Richtungen von Gainfahrn und Sooss senkrecht auf 
jenen von Leobersdorf und Vöslau. 

Aus Baden liegen viele, aber nicht über einstimmende Nachrichten vor. Auffallend und von mehreren 
Seiten bestätigt ist das ungleichförmige Aufti'eten der Erschütterung. In der auf die Ausläufer des Gebirges 
gebauten Weilburg , in der Jägerhaus- und Karlsgasse, im Theater, in der Eathhausgasse Nr. 97, in der 
Neugasse, in der Villa St. Genois wurde sie deutlich, stellenweise sogar als ein heftiger Stoss oder Schlag 
vernommen ; im DoblhoflF'schen Schlosse dagegen, sowie in den Stollen der Wasserleitung wurde gar nichts 
verspürt. Auch über die Richtungen gehen die Meldungen aus Baden weit auseinander ; einige sprechen sich 
für Süd — Nord, die meisten aber für West — Ost aus. 

Auch in Traiskirchen war der Stoss heftig genug, um frei stehende Gegenstände ins Schwanken zu 
bringen; die Richtung war Nord — Süd (Lehrer Hör ak). Ahnliche Erscheinungen traten in Pfaff statten 
ein, doch blieb hier die Richtung ganz unbestimmbar (Lehrer Winkler). 

In Gumpoldskirchen wurde der Erdstoss in den höheren Stockwerken heftiger gefühlt, als in den 
tieferen; die Gegenstände schienen von Nordost gegen Südwest bewegt, doch bleibt diese letztere Angabe 
unsicher, weil Viele, von Schrecken ergriffen, das Zimmer verliessen , ohne Beobachtungen anzustellen. Im 
südöstlichen Theile des Marktes war die Erschütterung heftiger (Lehrer Hofmeister). 

In Thallern und namentlich in der gegen die Ebene hinaus liegenden Bleirohr- und Kapselfabrik trat 
eine sehr merkliche Erschütterung ein, so zwar, dass die wenigen Arbeiter, welche während der Feierstunde 
anwesend waren, erschreckt ins Freie flüchteten. Die Steinbrecher am Abhänge des Anninger wollen ihre 
Werkzeuge beim Wiederbeginne der Arbeit in der Steinhütte in veränderter Richtung lehnend vorgefunden 
haben, was sie dem Erdstosse zuschrieben. Überhaupt hat in der Umgebung von Guntramsdorf der Stoss 
mehr auf das Gebirge und seine Ausläufer, als auf die Ebene gewirkt (Lehrer V. Schmid). 

In Mödling wurde in mehreren Häusern ein Rütteln der Zimmereinrichtung, Klingen der Gläser u. s. f. 
bemerkt. Herr Kerbler, Streckenbcgebcr der Südbahu, befand sich etwa 1000 Schritte südlich vom Bahn- 
hofe, als ihm schien, es nehme die Erde etwa drei Schritte vor ihm eine hüpfende Bewegung an (Lehrer 
Perl). 

In Neudorf bemerkte man nur eine leichte Bewegung von Nord gegen Süd (Lehrer Karch). 

In Giesshübl wurde im Schulhause ein Klirren an der Wand und ein Schlag wie auf eine Trommel 
beobachtet (Lehrer Pichle r). 

In M. Enzersdorf trafen zwei Stösse ein; der erste war etwas stärker, die Zwischenzeit etwa eine 
Minute (Lehrer Schmolz). In Brunn wurde die ganze Erscheinung nicht bemerkt; auch inPerchtolds- 
dorf trat nur ein ganz leichtes Beben ein, welches nur einzelne Personen beobachteten, und das von Nord 
her zu kommen schien (Lehrer Rupp). 

In Rodaun wurden Tische und Einrichtungsstücke von Süd gegen Nord bewegt, und zugleich will man 
ein eigenthümliches Tönen, wie von einer Aeolsharfe, vernommen haben, das gleichfalls von Süd gegen 
Nord zog. Gegen das Gebirge, in Breiten furth, Wolfs graben und La ab war die Erschütterung merk- 
licher (Lehrer Z a n k 1). 

In den höheren Stockwerken zu Laxenburg vernahm man ein ungewöhnliches Geräusch, welches von 
Süd gegen Nord zu ziehen schien ; zugleich trat eine fühlbare Bewegung der Einrichtungsstücke ein (Lehrer 
Hierz). 

Aus Biedermannsdorf, Vösendorf und Siebenhirten liegen nur negative Berichte vor. 

Aus Wien selbst sind mir zahlreiche und sehr mannigfaltige Mittheilungen zugekommen, welche zei- 
gen , dass die Erschütterung in verschiedenen Theilen der Stadt mit sehr verschiedener Intensität aufgetreten 
ist. An mehreren Orten, wie z. B. ausserhalb des ehemaligen Stubenthores, war der Stoss so heftig, dass er 



[65] Di^ Erdbeben Nieder-Österreichs. 5 

allgemein von den Personen auf der Strasse bemerkt wurde und Einzelne einen Anfall von Sehwindel ver- 
spürten ; auch in der Vorstadt Neubau war die Erschütterung bedeutend ; in einem Hause der Neustiftgasse 
wurden die Einwohner sehr erschreckt; aber während z. B. im ersten Stockwerke des bischöflichen Gebäudes 
und im dritten Stockwerke des Domhermhofes , sowie in anderen Häusern des Stephansplatzes ein Beben 
frei stehender Gegenstände, wohl auch ein leichter Stoss bemerkt wurde, beobachtete der Wächter auf dem 
Stephansthurme nicht die geringste Störung. Es mögen wohl die fortdauernden Vibrationen des Thurmes hin- 
reichend gewesen sein, um die Erderschütterung so ganz unbemerkt vorübergehen zu lassen. 

Nur in wenigen Fällen war es möglich, für Wien mit Sicherheit die Richtung des Stosses zu bestimmen; 
in Döbling, Hauptstrassc, schien sie von Westsüdwest nach Ostnordost (H. F. Karre r), und in dem unteren 
Theile der Wollzeile von Westnordwest nach Ostsüdost zu gehen (Dr. Brauer). 

Eine grössere Anzahl von einzelnen Beispielen aus Wien hat Herr Stäche aufgezählt '. 

Näher am Gebirge, in Grinzing (z. B. im neuen Schulhause), in Ottakring und Hernais, war die 
Erschütterung stärker als in Wien. Einzelne Thüren sprangen auf, Fenster klirrten u. s. w. In Grinzing soll 

die Richtung von Südost gegen Nordwest gewesen sein. 

f 

In einem Hause zu Heiligenstadt sprang eine Frau, welche schon im Bette lag, erschreckt auf, die 
Pendeluhr blieb stehen, ein Vogel im Käfig war herabgefallen, das Klavier tönte u. s. w. (Lehrer Köck). 

bj Thal der Schwarza. 

Der ganze untere Theil des Schwarza-Thales bis zum Kaiserbrunnen und der Singerin wurde von der Er- 
schütterung nicht betroffen; auch in den Stollen der Wasserleitung hat man, wie schon erwähnt worden ist, 
dieselbe nicht verspürt (Ingen, v. Seenuss). 

Im obersten Theile des Thaies, in Schwarzau, hörten viele Personen ein deutliches Rollen. Der Be- 
richterstatter lief aufgeschreckt zum Fenster. In den nördlicher liegenden Häusern war die Erscheinung deut- 
licher ; in einem der gegen Südwest liegenden Häuser wurde sie auch bemerkt. 

c) Thal der Sieding. 

In diesem Thale wurde gar keine Erschütterung verspürt, weder an der Oberfläche noch in den Stollen 
der Wasserleitung (Ingen. Gonzenbach). 

Auch in den Kohlenbergwerken bei Grünbach wurde, wie erwähnt, nichts Ahnliches bemerkt (Ver- 
waltung der dortigen Werke). 

dj Thal des Kalten Ganges. 

Im unteren Theile des Thaies, insbesondere der Umgebung von Piesting, wurde nichts bemerkt; im 
mittleren Theile, in der Drahtzugfabrik in der Oed, wurde eine leichte Erschütterung beobachtet (Hr. Hauer), 
ebenso inPernitz; inGuttensteinan der Steinapicsting erfolgten zwei donnerähnliche Schläge, begleitet 
von Fensterklirren (Forstdir. Hauck). 

In der Steinapicsting (gegen Nordwest) wurde das Erdbeben bis an den Fuss des Untersberges hin 
gefühlt; deutlich war es in mehreren Häusern des Plätterthaies (Nordost), ebenso im Orte Guttenstein 
selbst, z. B. in einigen kleinen Häusern, welche östlich vom Schlosse liegen. Ein Stein löste sich hier von 
einer Felswand ab. Auch imKlosterthale (Südwest) wurde die Erschütterung bemerkt, aber nicht in der 
Lengapiesting (gegen Süd) (Hr. Steiner). 

ej Thal der Triesting. 

Die heftigeren Erscheinungen am Ausgange dieses Thaies und ihre abweichenden Richtungen wurden 
bereits erwähnt (Schloss Enzesfeld, Leobersdorf u. s. w.). 



1 Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, Jahrg. 1873, S. 13—18. 

(Sucss.) 



6 Eduard Suefts. [66] 

In Hörnstein war die Erschütterung so bedeutend, dass der Bürgermeister, Herr Steiner, meinte, 
das Zimmer stürze ein; Personen, welche schon im Bette lägen, standen erschreckt auf; die Richtung wird 
mit einigem Zweifel als von Nordwest gegen Südost gehend angegeben (Lehrer Hof er). 

In Kleinfeld wurde das Erdbeben deutlich bemerkt; die Richtung war nicht zu ermitteln (Lehrer 
Ehrenfried). 

Bei weitem am stärksten in dieser Gegend trat das Phänomen zu C4rillenberg auf, wie folgende Stel- 
len eines der vorliegenden Berichte zeigen : 

„Der Müller hörte ein Poltern , als wenn viele Leute auf dem Dachboden herumrumorten und zugleich 
schwankte der Fussboden . . . Seiner Behauptung nach war die Erschütterung so stark, dass seine Mühle 
dieselbe in gleicher Stärke nicht eine Minute lang ausgehalten hätte. — In dem Hause der Frau Grois 
glaubte man ebenfalls, es seien Leute auf dem Boden, wie denn allgemein die Leute den Eindruck hatten, 
als käme das Erzittern ihrer Behausungen von oben her. Die Stockuhr begann zu schwanken , die Thüre 
der Commode sprang auf u. s. w. (Hr. P a p e). 

Es wird sich später zeigen, dass fast allenthalben, wo dieses Erdbeben besonders heftig auftrat, das 
Gefühl vorherrschte, als sei der Hauptstoss von oben gegen unten erfolgt. 

Im Steinhofe eilten die Bewohnerinnen des ersten Stockwerkes über die Treppe hinab. 

Aus Berndorf meldet Herr Pape Folgendes: ,, Die Erderschütterung äusserte sich in zw^ei unmittel- 
bar aufeinanderfoli: enden, ziemlich bedeutenden Stössen, von denen der zweite um ein Weniges nachdrück- 
licher w^ar, als der erste; jeder dauerte eine knappe Secunde. Die Wirkung war an selbst nahe aneinander 
gelegenen Orten eine ganz ungleiche. Im Schulhause wurde von keinem der Inwohner etwas anderes ver- 
spürt , als ein leises Erbeben des Bodens , wie es etwa bei dem Geräusche eines schnell vorbeifahrenden 
schweren Wagens zu entstehen pflegt. Dagegen zitterten im chemischen Laboratorium der Fabrik die Tische 
und Repositorien dergestalt, dass die Flaschen und Gläser laut klirrend aneinander klappten . . . Am be- 
deutendsten war die Erschütterung im Hause Nr. 77; hier wurde ein Tisch etwa zwei Zoll weit von der Wand 
fortgerückt ... Im Orte Berndorf selbst ist die Erschütterung fast noch stärker gewesen." 

In St. Veit und Pottenstein hörte man ein unterirdisches Sausen und Rollen, welches dem Fahren 
eines schweren Wagens verglichen wird. Es trat dasselbe in verschiedenen Häusern mit sehr verschiedener 
Stärke auf. In Pottenstein wollen Einzelne schon 6 Tage früher einen leichten Erdstoss bemerkt haben ; dort 
schien das Rollen von Nordost gegen Südwest zu gehen (Lehrer Laichbaume r und Oedendorfer). 

In Fahrafeld trat nur ein leichtes Erbeben der Einrichtimgsstücke und Fenster ein; ein grosser Theil 
der Bevölkerung bemerkte dasselbe gar nicht (Lehrer Kunerth). Um so auffallender waren die Erscheinun- 
gen indem nahegelegenen Neuhaus. Es schreibt von dort Lehrer Kreuz: ,,Obwohl das Erdbeben im 
Thale viel stärker hauste und von einem donnerähnlichen Rollen begleitet war, so wurde es doch auch im 
ganzen Schlosse stark bemerkt, begleitet von einem Sausen wie von einem plötzlich daherbrausenden 
Sturme. Das ganze Schlossgebäude begann zu wanken. . .Ich sass eben beim Klaviere, welches sich sammt 
der ganzen Zimmereinrichtung zuerst hob, dann wieder stark senkte, so dass ich zu thun hatte, um die 
darauf stehenden Leuchter vor dem Herabfallen zu bewahren. Einige grosse Steine, welche am Fasse des 
Kirchthurmes lagen , rollten von der Höhe herab . . . Die Richtung schien von Nordost gegen Südwest zu 
gehen. ^ 

In Fürth trat ein unterirdisches Getöse ein, dem Rollen des Donners ähnlich; es dauerte dasselbe etwa 
3 Secunden und ging von Südost gegen Nordwest (Lehrer Luze). 

In der Gegend von Thenneberg, Dornau und Altenmarkt trat ein einziger, kurzer Stoss ein und 
scheint sich dieser auf eine ziemlich scharf begrenzte Linie beschränkt zu haben , welche die Pfarrhöfe von 
Hafnerberg und Altenmarkt, mehrere Häuser von Altenmarkt, dann die beiden Hänser Nr. 55 und 56 zu 
Thenneberg schneidet und von Nordost gegen Südwest verläuft (Lehrer Stryeck). 

Im Pfarrhofe zu Altenmarkt hörte man ein solches Getöse auf dem Dachboden und an der Decke der 
Zimmer, dass man meinte, es müsse irgend ein Gegenstand herabgefallen sein (Pfarrer Fichna). 



j(i7J Die Erdbebeii Niede?- Österreichs. 7 

In den Zimmern des Pfarrhofes zu Hafnerberg war der Sto^ss sehr heftig, während die Hausgenossen, 
welche im Hofe beschäftigt waren, denselben gar nicht bemerkten. „Die Richtung des Stosses kann ich nicht 
genau angeben, denn mein Entsetzen war zu gross; die Dauer des Stosses kann nur auf Secunden ange- 
nommen werden, denn hätte der Stoss Minuten gedauert, so müssteu die festesten Häuser in TrUmmer gefal- 
len sein.^ Auch andere Häuser, besonders die höher als der Pfarrhof liegenden Gehöfte, empfanden diesen 
heftigen Stoss; die eisernen Ofen erzitterten und gaben einen Ton u. s. w. (Pfarrer Flager). 

In Klein-Mariazell trat ein donnerähnliches Rollen ein, wobei die ganzen Häuser gerüttelt wurden. 
Die Fenster zitterten wie bei einem heftigen Sturme. Eine nahe an einem Fenster sitzende Person wurde 
sammt dem Sitze weiter gerückt. Der Stoss kam von Ost und schien gegen Südwest zu gehen (Lehrer 
Riedl). 

In St. Corona wurde Lehrer Schachinger durch zwei heftige und mit geringer Unterbrechung 
aufeinander folgende Schläge erschreckt , welche mit einem rollenden Dröhnen verbunden waren und etwa 
4 — 6 Secunden währten. Die Richtung der Erschütterung war von West gegen Ost. Dieselben Wahrnehmun- 
gen machte der k. k, Unterförster Lengstfeid. In Neuwald beobachtete Forstwarr Müller nur einen 
mit Getöse verbundenen Stoss. 

fj Thal der Schwechat. 

In Alland wurden zwei Stösse bemerkt, begleitet von dumpfem, donnerähnlichem Rollen; der zweite 
Stoss war der stärkere. Besonders heftig verspürte man diese Erschütterung an den Decken derZim- 
mer; in' manchen Häusern liefen die beherztesten Einwohner auf die Dachböden, um nachzusehen. In den 
südlich und westlich von Alland liegenden Häusern und in den sogenannten Berghäusern war die Erscheinung 
am heftigsten; die Richtung des Stosses schien gegen Nord oder Nordwest. In einem Neubaue soll eine Mauer 
einen Riss erhalten haben, im Forsthause wurden die Thüren aufgerissen (Lehrer Wall n er). 

In geringerem Masse wurde Heiligenkreuz getroffen, doch wurden auch hier in einzelnen Häusern 
und in einzelnen Theilen des Stiftes zwei Stösse und das unterirdische Rollen verspürt. Die Angaben über 
die Richtung sind widersprechend, am wahrscheinlichsten ist Nord — Süd. Frei hängende Gegenstände 
schwankten; Kinder begannen zu weinen; Grub, P rein erf cid und Siegeufeld wurden ebenfalls er- 
schüttert (P. Stefan, Lehrer Pol zer). 

In Sittendorf wurde das Erdbeben allenthalben verspürt , ebenso in Dornbach, Spar b ach und 
Füllenberg, besonders in den hoch gelegenen Häusern; es ging von Nord gegen Süd (Lehrer Harter). 

Viel heftiger aber war das Phänomen in Klausen -Leopoldsdor f. Es schreibt Cooperator Streinz: 
..Ich stand eben im Zimmer, als durch den ganzen Pfarrhof ein Rollen ging, und dabei war die Luft so stark 
bewegt, dass ich ganz verblüfft auf das Fenster hinschaute, denn es war, als ob die ganze Welt durch das 
Fenster hereinstürzen wollte. Zugleich erzitterte der Schrank , in welchem die Gläser auil)ewahrt werden, 
heftig. . .Wir glaubten alle, es sei im ersten Stockwerke etwas eingestürzt, und gingen mit einem 
Lichte, um nachzusehen. Es waren nach Mittheilungen von vielen Seiten und nach meinen eigenen Wahr- 
nehmungen drei heftige Erdschwankungen. In einem Hause wurde Geschirr hinabgeworfen; ein Kasten tiel 
um. Um 10 Uhr Abends wurde noch eine leichte und momentane Erderschütterung bemerkt... 
Die Erschütterungen gingen von Nordwest gegen Südost.^ 

f/J Brühl- Thal. 

In Hinterbrühl wurde gar keine Erschütterung bemerkt (Lehrer Hauser); in Gaaden wurde nur 
da und dort ein Bewegen des Bettes oder ein leichtes Klirren der Gläser beobachtet (Lehrer Diem). Dage- 
gen machte sie sich in der ganzen Gemeinde Sulz (Sulz, Stangen, Wöglerin und Grubenau) sehr bemerk- 
bar. Am heftigsten war das Erdbeben in den nordwestlichen höher gelegenen Theilen derselben (Wöglerin), 
wo sogar leichte Gegenstände zu Boden fielen. „In den meisten Häusern war die Erschütterung so, als ob 



o * 



8 Eduard Suess. [68J 

auf dem Hausboden ein sehr schwerer Gegenstand umgefallen wäre." Gegen Osten merkte 
man die Erschütterung nicht mehr, so z. B. im Pfarrhofe und im Schulhause in Sulz (Lehrer Thumer). 

ij Thal der Liesing. 

In Kaltenleutgeben wurde der Stoss nur in einzelnen Häusern und nur als ein schwaches Erzittern 
wahrgenommen ; die Richtung schien von Süd gegen Nord zu gehen (Lehrer Schneider). 

B. Die nördliche Abdachung der Alpen bis zur Donau. 

aj Abhänge des Wiener Waldes bis Pressbaum. 

In Klosterneu bürg bemerkten nur wenige Personen das sehr leichte Erzittern des Bodens (Freih. v. 
Babo). Im PfrUndnerhause zu Mauerbach war die Erschütterung viel stärker ; Gypsstttckchen fielen von 
den Plafonds herab; eine Hänglampe begann zu schwingen. ^Die PfrUndner lagen meistens schon im Bette 
und verspürten in manchen Zimmern die Erschütterung so stark, dass Einzelne in Angst geriethen und zu 
beten begannen. Im Pfarrhofe läutete die Thürglocke. Im Gasthause meinten die Gäste, ein Lastwagen sei 
an die Mauer angefahren und liefen auf die Gasse um nachzusehen (Dr. Nader). 

Im Schulhause zu Königstetten hörte man ein Poltern, ähnlich dem eines schnell fahrenden, schwer- 
beladenen Wagens, welches sich über den Hansboden fortpflanzte; gleichzeitig war ein Stoss von unten 
auf deutlich bemerkbar. Der Stoss schien von Osten zu kommen (Lehrer Wall). 

In Tulbing erfolgten zwei heftige Stösse von Süden oder Südosten her. Frei stehende Gegenstände 
geriethen in Bewegung; in manchen Häusern schienen sogar das Dach und der Boden einzustürzen, 
so dass die Leute erschreckt auf die Strasse liefen (Lehrer Höller). 

bj Das TuUner Feld. 

InLangenlebarn fielen frei stehende Gegenstände gegen Nord; der Erdstoss war von einem donner- 
ähnlichen Getöse begleitet (Lehrer Lex). In Tüll n hörte man zuerst ein donnerähnliches EoUcn , worauf 
sogleich der erste ziemlich heftige Stoss eintrat, welcher nach übereinstimmenden Nachrichten aus Südsüd- 
west kam ; diesem folgten rasch noch ein zweiter und dritter Stoss , welche aber nicht allgemein verspürt 
wurden (Lehrer Wein köpf). In den Caissons unter der Donau, in welchen an der Fundirung der Eisen- 
bahnbrücke gearbeitet wurde, fühlte man die Erschütterung ebenfalls; die Arbeiter schrieben sie einer Stö- 
rung an der Luftpumpe zu (Bauunternehmung Fi v es- Lille). 

In Langenrohr verspürte man nur einen Stoss , angeblich aus West (Lehrer Hu ska). In Judcnau 
schien die Erschütterung von Süd gegen Nord zu gehen (Hr. Dunkler). 

In Michel hausen beobachtete man eine Schwingung, die von einem dumpfen Rollen und einem don- 
nerähnlichen Schlage begleitet war. Im ganzen Orte eilte die Bevölkerung auf die Strasse; Einzelne meinten, 
der Kauchfang ihres Hauses sei eingestürzt ; ein Mädchen aber , welches an eine Maner gelehnt war , be- 
merkte deutlich eine Erschütterung von unten her, welche sich an der Maner nach oben fortpflanzte und oben 
mit einem Bollen und Zittern der Mauer endete. Die Richtung der Sch>vinguug war Nordost — Südwest (Leh- 
rer Aumann). 

In Sieghartskirchen will man drei Stösse, scheinbar aus Nord, bemerkt haben (Lehrer Hoch- 
ricder). 

c) Die Gegend zwischen Neulengbach und Pressbaum. 

Diese Gegend habe ich darum aus den sonst grösstenthcils nach den Flussgebieten gesonderten Ab- 
schnitten ausgeschieden, weil sie den Bereich der heftigsten Wirksamkeit dieses Erdbebens umfasst, weil 
nur hier ernstlichere Beschädigungen von Gebäuden eingetreten sind, und es wünschcnswerth erschien, dass 
diese Gruppe in einheitlicher Weise beschrieben werde. 



[69] 



Die Erdbeben Nieder^ Östen-eichs. 9 



In Johannesberg (NO. von Neulengbach) kam der Stoss „von oben nach unten , als ob ein zent- 
nerschwerer Stein mit grosser Gewalt auf den Dachboden geworfen worden wäre". Diesem folgte ein unter- 
irdisches Rollen , gleichsam als würden drei oder vier Kugeln von Osten gegen Westen dahingeroUt ; dabei 
klirrten Fenster und Gläser , Gegenstände , welche auf den Tischen standen , wurden um einige Zolle ver- 
schoben u. s. w. Nicht in allen Ortschaften war die Richtung des Stosses dieselbe. So kam in Od und Burg- 
stall, welche an der Südseite des 1460' hohen Buchberges liegen, die Erschütterung von Norden, also von 
diesem Berge her. Im Berge selbst soll ein Getöse und Gepolter gehört worden sein, als ob alles zu Grunde 
gehen sollte (Lehrer Janausck). 

Der Buchberg besteht aus einem ziemlich lang gezogenen Rücken von mitteltertiärem Conglomerat, an 
seinem Fusse aus Schlier; ein Thal trennt ihn von den gegen Süden folgenden Abhängen der Sandsteinzone 
der Alpen. 

In Innbach bei Neulengbach ging die Erschütterung von Nord gegen Süd (Oberlieut. Hof i na). In 
Neulengbach selbst lief Alles erschreckt auf die Strasse ; mau glaubte drei rasch aufeinander folgende 
Stösse unterscheiden zu können (Hr. Hörn es). An der Eisenbahnstation zu Neulengbach scheint die ganze 
Erscheinung sonderbarer Weise nicht bemerkt worden zu sein. In Weinberg lief der Stoss ebenfalls von 
Nord gegen Süd (Major Matzak). 

InAnzbach gingen die Erdstösse von Ost gegen West, mit einem fürchterlichen Getöse gegen oben. 
In den Orten Eichgraben, Schwarzlacken und Oberndorf entstanden Sprünge in einzelnen Häusern. 
In Anzbach und Umgebung wurden einzelne Personen vom Sessel herabgeworfen, andere stiessen mit dem 
Kopfe an die Mauer u. s. w. (Lehrer Posch). 

Den Erhebungen des Herrn R. Hörn es in Betreff der Beschädigungen an Häusern in Oberndorf 
und Eichgraben entnehme ich folgendes: 

1. Haus in Oberndorf. Der Aufsatz eines Rauchfanges, der nahe an dem First eines Ziegeldaches steht, 
wurde herabgeworfen; ein Theil, und zwar der grössere, fiel auf die Seite gegen Nordnordost und beschä- 
digte im Niederfallen das Dach, der andere Theil fiel in entgegengesetzter Richtung gegen Südsüdwest und 
Hess auch eine Spur des Falles auf dem Dache zurück. 

2. Gasthaus im Eich graben. Eine fast genau gegen West blickende Wand des Tanzsaales ist an ihrem 
oberen Rande durch einen fortlaufenden Sprung von der Zimmerdecke getrennt ; zwei kurze Sprünge laufen 
nahe der Mitte an ihrer Innenseite von oben herab. Eine gegen Süd blickende Mauer in der Wirthsstube ist 
ebenfalls durch einen fortlaufenden Sprung von der Zimmerdecke getrennt. 

3. In einem anderen Hanse in Eichgraben ist eine gegen Ost gerichtete Mauer nicht nur durch einen 
horizontalen Sprung ihrer ganzen Länge nach von der Decke, sondern auch durch zwei verticale Sprünge 
von den beiden anschliessenden Querwänden getrennt. 

4. Von einem dritten Hause im Eichgraben, welches nur aus schlecht verbundenen Bruchsteinen erbaut 
ist, wurde ein Eck abgeworfen ; dieses Eck war gegen Ostsüdost gerichtet. 

5. Das Haus Nr. 3 in Eichgraben ist nach vielen Richtungen von Sprüngen zerrissen; es lässt sich aber 
nicht genau unterscheiden, welche von denselben schon älteren Ursprunges sind. Das Haus wurde in Folge 
des Erdbebens bis zur Wiederherstellung der Schäden verlassen. 

5. In der Wohnung des Ver^valters in der hochgelegenen Villa WimpfiFen im Eichgraben wurde eine 
nach West blickende Mauer an ihrer Innenseite durch einen langen Sprung von der Zimmerdecke abgetrennt 
und an der Mitte ihrer Innenseite bildete sich ein verticaler Sprung der fast bis zum unteren Rande der 
Mauer herabläuft. 

6. Am Hummelhofe, welcher an dem Gebirgsabhange westlich gegenüber vom Eichgraben liegt, 
wurde ebenfalls die gegen West liegende äussere Wand an ihrem inneren oberen Rande der ganzen Länge 
nach durch einen Sprung von der Zimmerdecke getrennt und bildete sich zugleich in ihrer Mitte ein Sprung, 
welcher bis fast zum unteren Rande der Wand vertical herablief. Das Haus wurde für längere Zeit von seinen 
Bewohnern verlassen. 



10 Eduard Siiess. [70] 

Im Schulhauge zu Ollersbach, dessen Zimmer von Süd gegen Nord liegen, fühlte man zwei heftige 
StOsse, ähnlieh einem furchtbaren Sturme, und zwar jeden derselben zuerst an der Südseite, nämlich im 
Lchrzimmer; von hier pflanzte sich derselbe in das mittlere, dann in das nördliche Zimmer fort. Sitzende 
Kinder wurden von ihren Sesseln in die Höhe gestossen. 

In Kirchstetten war die Erscheinung eine ganz ähnliche; Bilder und Spiegel drohten herabzufallen 
u. s. w. (Lehrer Semmelmayer). 

In der Brückelmühle zwischen Neulengbach und Christophen meinte der Knecht, die Mühle stürze 
zusammen (Hörn es). 

In Christophen hörten Personen im Freien gar nichts, in den Häusern dagegen hörte man ein 
Geräusch, wie das eines heranziehenden Donners; plötzlich erzitterten Thüren und Fenster und es war als 
ol) auf den Dachböden Personen herumliefen. Der Arzt, welcher auf der Strasse war, hörte etwas wie einen 
von Südost kommenden Donner; seine Familie im Hause verspürte aber das Erdbeben so stark, dass sie ins 
Freie herauslief (Lehrer Redl). 

In Manzing, Neustift und Altlengbach wies man übereinstimmend auf die Gegend des Eich- 
grabens; dort sei der Stoss am heftigsten gewesen (Hörn es). 

An der Eisenbahnstation Rekawinkl wurden deutlich zwei Stösse beobachtet; der Stationschef, 
welcher im ersten Stockwerke zu Bette lag, dachte zuerst an einen Zusammenstoss zweier Züge, wurde aber 
durch den zweiten Stoss um so mehr eines Bessern belehrt , als sein Bett um zwei Zoll von der nördlichen 
Wand abgerückt wurde. Im Orte Rekawinkl selbst wurden die Decken der Zimmer in mehreren Häusern 
beschädigt. Im Keller des Wirthshauses fielen die Flaschen gegen Südost; ein an der nördlichen Kellerwand 
mit eisenien Klammern befestigtes Gestell wurde losgerissen. 

d) Gegend zwischen dem Gölsenthale, der Traisen und der Westbahn. 

Aus Kasten melden einzelne Berichte einen deutlichen Stoss aus Südost (St. Pölteuer Wochenblatt), 
während andere die Erschütterung hier nur als eine ganz geringe darstellen (Lehrer Senoner). 

InStössing dagegen wurden die Bewohner des Schulhauses durch einen Stoss, der das ganze Ge- 
bäude erschütterte, aufgeschreckt; diesem ersten folgte nach 4 — 5 Secunden ein zweiter, welcher noch hef- 
tiger war. Die Mauern schienen sich von West gegen Ost zu bewegen. Ein an der Wand lehnendes Mädchen 
wurde um einen Schuh gegen Ost vorgedrängt und vom Boden emporgehoben. Auch sitzende Personen 
ttlhlten sich emporgehoben. Auf die Stösse folgte ein donnerähnliches Getöse, welches von Westen her unter 
dem Fussboden fortzog. Der Tisch wurde heftig geschüttelt und die Lampe war dem Umstürzen nahe. In den 
Nachbarhäusern waren die Erscheinungen dieselben ; insbesondere fühlten sich auch dort die Personen in die 
Höhe gehoben. Die genauere Richtung dürfte Nordwest-Südost sein (Lehrer Hör mann). 

In Stolberg kann kein heftigerer Stoss erfolgt sein, denn das ganze Phänomen wurde gar nicht 
bemerkt (Werk-Direction). — In Wald war die Erschütterung ebenfalls nur gering; die Erscheinungen 
beschränken sich auf das Klirren von Gläsern; Vögel in Käfigen fielen von den Spangen herab (Lehrer 
Filier). 

InPyhra erfolgte ein starker Schlag von West gegen Ost, welchem ein allgemeines Schw<inken der 
Lampen u. s. w. folgte. Der Schlag pflanzte sich allmälig aber schnell durch die einzelnen Zinmier von 
West gegen Ost fort (Bürgermeister Funk). 

An dem Wächterhäuschen der Eisenbahn südlich von Böheimkircheu schlug der schwere Hammer des 
Signal-Apparates an die Glocke. 

Im Orte Böheimkircheu hörte man nur ein Gerassel wie von einem schnellfahrenden Wagen, u. zw. 
war dasselbe in den tieferliegenden Häuseni stärker ; an der Eisenbahn-Station schien ein Stoss aus Südwest 
zu ertblgen. Am Stössingbache war die Erschütterung stärker (Lehrer Schmidl). 

In St. Polten machte sich das Erdbeben namentlich in den höheren Stockwerken bemerkbar; Thüren 
sprangen auf, die Fenster klirrten u. s. f. Im Hause des Herrn Bürgermeisters Ofner traf die wellenförmige 



71] Die Erdbeben Nieder-Österreichs, 11 

Bewegung deutlich aus Südost ein und setzte sich rasch durch die einzelnen Zimmer gegen Nordwest fort. 
Der Stationschef notirte genau 6 Uhr 54 Minuten Bahnzeit; man meinte, es fahre ein Expresszug durch. 

In Bezug auf die Eichtung wurden sehr zuverlässige Nachrichten aus Wilhelmsburg erlangt; sie 
war dieselbe wie in St. Polten. In manchen Häusern fühlte man hier die Erschütterung von oben her, in 
anderen vom Keller her. Aus einem Milchtopfe wurde ein Theil der Milch gegen Nordwest herausgeworfen, 
dann fiel der Topf gegen Südost um (Lehrer Macha; Schulinspector Posch ko). Hier wurde am nächst- 
folgenden Tage, nämlich am 4. Jänner um 5 Uhr Morgens abermals eine starke, schaukelnde Bewegung 
beobachtet. 

<?^ Gegend zwischen der Westbahn, dem Traisenf hisse und der Donau. 

In Unter- Grafendorf (zwischen Böheimkirchen und Jeutendorf) wurden im Bette liegende Personen 
nahezu aus demselben herausgeworfen; hier und in Jeutendorf war die Erschütterung sehr heftig und 
schien von Süd gegen Nord gerichtet zu sein. Viele Fenster klirrten ; in einzelnen Häusern veniahm man ein 
Gehen auf dem Dachboden; Mörtel fiel von den Zimmerdecken herab. Von zwei benachbarten Häusern 
empfand das eine den Stoss sehr stark, das andere gar nicht. Personen, welche sieh im Freien aufhielten, 
verspürten nichts (Lehrer Schreiber). 

In Herzogenburg waren die Erschütterungen viel gelinder; sie wurden fast nur in den höheren 
Stockwerken bemerkt. Ein an einer westlichen Wand stehender Kasten gerieth mit allen auf demselben 
stehenden Gegenständen in Bewegung, und es folgten die an der östlichen Wand befindlichen Einrichtungs- 
stücke; die Richtung schien also westöstlich zu sein (Schulinspector Buxbaum, Katechet Schmolk). 

Auch im städtischen Versorgungshause zu St. Audrä a. d. Traisen schien der Stoss aus West zu 
kommen ; im zweiten Stockwerke der Westseite war derselbe heftiger als in anderen Theilen des Gebäudes 
(Verwalter F o r t n e r). 

In Hametten und Heiligenkreuz bemerkte man nur ein leichtes Erbeben; stärker war dasselbe in 
dem etwas nördlicher gelegenen Adletzberg (Lehrer Hödl). 

In Traismauer und der nächsten Umgebung fühlte man einige aufeinanderfolgende Stösse, welche 
ein Klirren der Lampen und Gläser hervorbrachten. Heftiger und andauernder war die Erderschütterung 
in Preuwitz, wo ein ungefähr 30 Secunden langes, von Osten gegen Süden (?) sich bewegendes donner- 
ähnliches, von einigen starken Stössen unterbrochenes Rollen die Bewohner in Angst und Staunen versetzte 
(Lehrer FL Müller). 

f) Gegend westlich von derTraisen sammt dem Pielachthale. 

In Mautern, Unter- und Ober-Bergern und Rossatz wurde die Erschütterung deutlich bemerkt; 
schwächer war sie in dem hochgelegenen Stifte Göttweih, viel stärker zu Baudorf am südlichen Fusse 
des Göttweiher Berges (Schulinsp. Eberle). 

In Ober- Wölbung glich das Erdbeben einem ferne dahin rollenden Donner; etwas nördlicher, in 
Unter- Wölbling, war es heftiger (Lehrer Rockenbauer). 

InObritzberg bemerkte man mehrere, von donnerähnlichem Getöse begleitete Stösse; Tische und 
Sessel wurden gerückt; hier, wie inKlein-Rust und Fugging, wo die Heftigkeit beiläufig die gleiche war, 
gingen die Stösse scheinbar von West gegen Ost ; nach Aussage eines Mannes, der sich unter freiem Himmel 
befand und den unterirdischen Donner herankommen hörte, wäre die Richtung südöstlich gewesen (Lehrer 
Greil). 

In Gansbach und Geyersberg bemerkte man das Erdbeben gar nicht; in dem Orte Pimmenhofen 
südlich von Gansbach traten leichte Erschütterungen ein (Lehrer Wald). — Auch in Prinzers dorf und 
Markersdorfan der Westbahn waren sie nur unbedeutend (Lehrer Enengl). 

In Loosdorf dagegen trafen so starke, wellenartige Erdstösse ein, dass sie allgemein verspürt wurden, 
die Zimmereinrichtung verrückt wurde, Thüren anschlugen und sitzende Personen in eine schwankende 



12 Eduard Suess. [72] 

Bewegung geriethen. Die RichtuDg war SUdwest-Norclost oder umgekehrt (Lehrer Stitz). — Im Stifte und 
Orte Melk aber konnten nur wenige Personen ein leichtes Erzittern , das Ansehlagen der Feder einer Stoek- 
uhr u. dgl. bemerken (Lehrer J o k 1). 

InPechlarn wurde von der ganzen Erscheinung nicht das Geringste verspUrt. — Li Rabenstein 
erfolgte eine ganz leichte Erschütterung (Dr. Diegelmann, Lehrer Hippel). — Loich und Schwarzen- 
bach blieben unberührt. — Zu Franken fei s will man am selben Tage, jedoch zu einer ganz anderen 
Stunde, nämlich schon um 1 — 2 Uhr Nachmittag, ein Erzittern des Bodens und ein donnerähnliches Getöse 
wahrgenommen haben (Lehrer Vrack), nordwestlich davon, zu Wieselburg im Erlafkhale, sollen dagegen 
erst am G.Jänner, zwischen 10 und 11 Uhr Vormittags während des Gottesdienstes so heftige Erdstösse 
vorgekommen sein, dass die Leute aus der Kirche fluchteten (Lehrer Katzen berger). 

In diese Gegend haben die Erschütterungen des 3. Jänner, 7 Uhr Abends nicht gereicht; Kirchberg 
mag als die äusscrste Grenze desselben im Pielachthale gelten. 

gj Thal der Traisen oberhalb Eschenau. 

Mitterbach und Ttirnitz liegen ausserhalb des Schütterkreises vom 3. Februar. 

Über die Einzelnheiten, mit welchen das Erdbeben im Stifte zu Lilienfeld auftrat, verdanke ich ein- 
gehende Beobachtungen dem hochw. Abte Heidmann. „Ich stand, schreibt derselbe, eben an meinem 
Schreibpulte, als ein kleines Getöse, ein stärkerer Stoss mit einem dumpfen Knall und schwachem Nach- 
rollen erfolgte." Die Richtung Hess sich, insbesondere aus Beobachtungen in dem Hause des Rentmei- 
sters, durch das Schaukeln freihängender Gegenstände als Westnordwest gegen Oststidost bestimmen. Ein 
Kranker im Stiftsgebäude wurde zw^eimal in die Höhe gestossen, das erstemal stärker, viel schwächer das 
zweitemal. 

In der Wohnung des Bezirkshauptmannes, welche sich in einem alten und mit sehr dicken Mauern 
versehenen Gebäude befindet, fiel ein Stückchen Mörtel von der Zimmerdecke herab (Bezkshptm. Köck). 

Im Allgemeinen wurde die Erscheinung in Lilienfeld in den ebenerdigen Geschossen nur ausnahmsweise 
verspürt, nahm aber gegen Nord und Nordost zu; in dem ebenerdigen Hause am Mitterlehen im Jung- 
herrnthal klirrten die Fenster stark; in Mark tl fiel ein irdenes Geschirr von der Wand herab (Bezirks- 
richtcr Hausner). 

In St. Veit a. d. Gölsen wurde eine Weckeruhr von Messing, welche auf glatter Unterlage ruhte, von 
Südsüdost gegen Nordnordwest gerückt; eine gegen Südsüdost befindliche Glasthüre wurde geöfinet. In 
Kerschenbach bemerkte man eine Erschütterung, begleitet von dumpfem Donner und Fensterklirren, in 
Reinfelden eine kurze Erschütterung (Lehrer Dworzak). 

In Hain fei d war das Erzittern so schwach, dass die meisten Personen es gar nicht bemerkten ; dagegen 
wurden in R am sau in einigen Häusern die eisernen Ofen gerüttelt und klirrten die Fenster (Bürgermeister 
Ossberger). — 

Endlich ist weit westlich von diesem Gebiete dieselbe Erschütterung an einem vereinzelten Punkte 
von einem zuverlässigen Beobachter bemerkt worden, nämlich zu Sipbachzell unweit von Kremsmünster 
von dem dortigen Pfarrer Ernest Wurm (Mitth. d. Herrn Prälaten Rcslhuber). 

C. Gegenden nOrdlich von der Donau. 

In Krems war die Äusserung der Erschütterung eine sehr ungleichartige; in manchen Häusern wurde 
sie sehr deutlich bemerkt, so namentlich in der Kaserne; ein Theil eines Holzstosses fiel herab; die Rich- 
tung schien annähernd Nordsüd zu sein; aber in dem hochliegenden Piaristen-Gebäude verspürte man gar 
nichts davon, auch der Thürmer der Piaristenkirche bemerkte nichts (Landesingenieur Rosner). 

In Betreff der Umgegend von Krems entnehme ich den Erhebungen des Herrn Schulinspectors Director 
Eberle folgendes: 



^ 



[73] Die Erdheben Nieder- Österreichs. 13 

Zu Grafen Wort h trat ein dumpfes Rollen ein, ähnlich dem Geräusche eines schwer beladenen 
Wagens ; die Fenster klirrten ; die Zimmer-Einrichtung wurde gerüttelt ; die Richtung war von Südost gegen 
Nordwest. In Hadersdorf am Kamp hörte man einen stark rollenden Donner^ beiläufig von Süd gegen 
Nord ziehend. In Strass klirrten die Fenster , Gläser schlugen aneinander, Uhren blieben stehen; in 
manchen Häusern wurden die Einrichtungsgegenstände gerüttelt. Die Bewegung schien sich in der Richtung 
des Kampthaies fortzupflanzen. 

In den höheren Theilen des Mannhart's scheint man gar nichts von diesen Erscheinungen bemerkt zu 
haben. Über die Eisenbahnstation Abtsdorf waren ursprünglich Nachrichten verbreitet, welche sich dann 
als sehr übertrieben herausgestellt haben. Dr. Reinberger berichtet von dort: „Ich sass bei Tische und 
schrieb; da machte sich im Freien ein dumpfes Rollen bemerkbar; ein unsanftes Schütteln der Hausthttre 
folgte, welches sich in die beiden benachbarten Zimmer fortpflanzte und die Zimmergegenstände sehr stark 
rüttelte , so dass Gläser und Fenster klirrten. Diesem folgte im Freien ein Geräusch, ähnlich dem eines 
schwerbeladenen Wagens, jedoch sehr kurz, dann ein fernes donnerähnliches Getöse. Das Ganze dauerte eine 
halbe Minute, kam factiseh aus Südsüdost, ging nach Nordnordwest und der Ton verlor sich dahin, woher 
er gekommen war, nämlich gegen Südsüdost" 

An der Eisenbahnstation trat nur eine leichte Erschütterung des Gebäudes ein ; man meinte anfangs, es 
fahre ein Zug ein. Der Stationschef schreibt : „Mir war es, als ob der Stoss von Südost komme und sich 
unter meinen Füssen momentan verliere". — 

Die Erscheinungen in der Linie des Kampthaies waren sehr auffallend. 

In Neustift am Kamp wurde durch den Stoss die Bedachung eines Kamines herabgeworfen. 

In Schönberg vernahm man deutlich einen unterirdischen Donner (Direct. Eberle, Lehr. Neu hold). 
In Buchberg hielt man das Rollen für ein nahendes Gewitter. 

Besonders heftig war die Erschütterung inGars. „Das Gelöse", so lautet ein Bericht, „welches dem 
Schlage folgte , war recht schauerlich ; da ich nach dem ersten Schlage , welcher das Haus erbeben machte, 
dieses Getöse hörte, öffnete ich die Thtire in der Meinung, einige nachstürzende Ziegel hätten diesen Lärm 
verursacht, denn ich war überzeugt, eine Trennungsmauer auf dem Dachboden des Hauses sei einge- 
stürzt**. — „Ich stand", sagt ein zweiter Bericht, „an die Mauer gelehnt, da fühlte ich von unten herauf 
einen schweren, dumpfen Fall, worauf sich die Mauer nach auswärts neigte und wieder zurück ; ich erschrack 
darüber, dass der Fall eines schweren Gegenstandes eine solche Schwankung eines so festen Gebäudes wie 
es das Rathhaus ist, zur Folge haben könne". — Der Herr Spiritual hörte im Kloster ein Gerassel, als würde 
ein Wagen mit scheuen Pferden vorbeistürmen. Ein Bewohner der Schlossruine in Gars fühlte ein so heftiges 
Schwanken der Mauera, dass er entsetzt ins Freie lief (Mitth. d. Herrn Nadeniczek). 

In Neunkirchen verspürte Pfarrer Joseph Koller, an einer gegen Südost gerichteten Wand sitzend, 
einen heftigen Ruck nach aufwärts. Die Bewegung dauerte nicht über drei Secunden und war von einem 
heftigen Windgebrause begleitet, wie wenn ein Windstoss in ein Feuer filhrt, und die Leute liefen in die 
Küche hinaus, um nach dem Kamin zu sehen. Der Stoss erfolgte von Südost gegen Nordwest; leichtere 
Gegenstände fielen von der Wand herab. 

In Sitzen dorf und Messern vernahm man ein dumpfes, dounerähnliches Rollen; die Häuser und die 
Einrichtungsstücke der Zimmer erzitterten. Ein Mann, welcher sich in einem unbeleuchteten Gemaehe befand, 
will eine momentan dem Rollen vorhergehende Lichterscheinung, wie einen schwachen Blitz, bemerkt haben. 
In dem hochgelegenen Schlosse Wildberg, zwischen den beiden genannten Orten, bemerkte man zwei 
Stösse und man wollte wegen des heftigen Rütteins der ThUren und Fenster dasselbe verlassen. In einem 
Hause neben dem Schlosse fielen Mörtelstücke von der Wand (Lehrer H. Brand). 

In Meissau, Hörn, Dreieichen und Eggenburg haben nur einzelne Personen ein leichtes 
Erbeben und das unterirdische Rollen bemerkt. 

Die Berichte aus Nordwest, z. B. aus Grossau, Raabs, Siegharts, Waidhofen a. d. Thaya etc. 
lauten Alle negativ. Nur bei Sc brems will ein Müller in seiner tiefgelegenen Mühle um dieselbe Zeit ein 

(Sncss.) 3 



14 Eduard Suess. [74] 

Erzittern bemerkt haben. In Waidhofen beobachtete man in derselben Nacht ein intensiv geröthetes 
Nordlicht. 

In Hardegg hörte man ein Rollen, wie von einem schwer beladenen Wagen, welches von einem 
Stosse begleitet war; die innere Zimmerwand des Schnlhauses erzitterte und die Saiten des Clavieres 
tönten (Lehrer Worell). 

In Ret z wurde der Stoss ebenfalls von mehreren Personen bemerkt; er schien von Nordost gegen 
Südwest zu gehen; die Mauern krachten, Thüren wurden gerüttelt; in einem Falle meinte man, es sei ein 
Theil des Kellers eingestürzt (Bürgermeister Liebl). 

In Jetzelsdorf bei Haugsdorf wurde ein im Bette schlafender Mann so stark gerüttelt, dass er erschreckt 
aufwachte und meinte, es wolle jemand Hand an ihn legen. 

In Haugsdorf fühlte man im ersten Stockwerke des Hauses Nr. 3 plötzlich ein Schwanken des 
Fussbodens und der Decke, Thüren wurden stark gerüttelt, im Erdgeschosse wurde nichts bemerkt. Im 
ersten Stockwerke des Schlosses zu Haugsdorf vernahm man einen heftigen, donnerähnlichen Schlag, als 
wäre daneben im ebenerdigen Geschosse ein schwerer Gegenstand zu Boden gefallen; die durch den 
Schlag entstandene Erschütterung war auch am Fussboden bemerkbar; die Richtung dürfte Südnord gewe- 
sen sein. 

Am Bahnhofe zu Guntersdorf klirrten die Fenster. Gegen Mailberg hin soll die Erschütterung 
etwas stärker gewesen sein. 

Aus der Richtung gegen Ernstbrunn habe ich nur negative Berichte erhalten. 

Die Erschütterung ist, wie schon aus ihrer merklichen Stärke an der Grenze bei Hardegg hervor- 
geht, nicht auf Nieder -Osterreich beschränkt geblieben; leider sind meine Nachrichten aus dem Norden 
ziemlich unvollständig. 

Am stärksten dürfte in Mähren der Stoss zu Frain, unweit von Hardegg, gewesen sein. Er erschien 
als eine horizontale Bewegung von Südost gegen Nordwest, etwa zwei Secunden dauernd, mit einem Unge- 
heuern Getöse, ähnlich dem Durchgehen von Pferden mit einem Wagen, und wurde in den höher gelegenen 
Häusern stärker verspürt, so zwar dass die Gläser in den ^Kästen klirrten, Pendeluhren stehen blieben 
und Personen, welche im Bette lagen, heraussprangen mit dem Gefühle eines Schaukeins des ganzen 
Hauses sammt dem Bette. Im Schlosse, das auf einem 42 Klafter hohen, schroffen Felsen steht, wurde 
der Stoss so heftig verspürt, dass der Verwalter aus seinem Zimmer lief in Angst vor einem Einstürze 
(Pfarrer Zastera). 

In Iglau bemerkte man das Erdbeben nicht (Prof. W. Schmidt). 

In Gross-Meseritsch wurde in den höheren Stockwerken jener Häuser, welche nahe an dem Flusse 
Oslowa liegen, eine zitternde Bewegung frei stehender Gegenstände oder ein heftiger, kurzer Stoss bemerkt 
(Lehrer Kalb 1) ^ In der Kallab'schen Tuchfabrik vernahm man zwei schnell aufeinanderfolgende Stösse 
von solcher Intensität, dass Personen hinausliefen in der Yermuthung, es sei am Wasserrade etwas gebrochen 
(^Direct. Vsetecka). 

Auch der Postmeister zu Stegers an der Strasse nach Iglau bemerkte das Erdbeben. 

InTrebitsch ist in einzelnen Fällen von Personen, welche sich in ruhigen Zimmern befanden, ein 
Zittern des Bodens, ein leichtes Klirren der Fenster, wohl auch ein starkes Sausen, einer heftigen Zugluft 
ähnlich, bemerkt worden (Lehrer Jelinek). 

D. Übersicht. 

Es ergibt sich aus diesen Einzelbeobachtungen, dass am 3. Jänner d. J. die Erschütterung einerseits 
von Wiener- Neustadt bis Meseritsch und Trebitsch, anderseits von Laxenburg bis Pechlarn gereicht hat und 
ausserdem weit im Westen zu Sipbachzell in Ober- Osterreich bemerkt wurde. 



MitgetheUt von der Direction der k. k- meteorologischen Central- Anstalt. 



[75 J Die Erdbeben Nieder- Österreichs. 15 

Ein kleiner Theil der Kalkzone der Alpen, bis Gnttensteiu hinab, ein sehr schmaler Streifen der östlich 
vorliegenden Ebene , die Sandsteinzone von der Donau bis über das Traisenthal hinaus, der westliche Theil 
der ausseralpinen Tertiär-Ebene und ein Stttck des böhmischen Massivs haben gezittert, und der Umriss des 
Schttttergebietes verräth auf den ersten Blick keinerlei Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Felsarten 
der Oberfläche oder dem Verlaufe der Gebirge. 

Die Erscheinung trat am heftigsten im Eichgraben und am Hummelhofe, unweit von der grossen Curve 
der Westbahn zwischen Neulengbach und Rekawinkl auf. Nach der Art der Beschädigung der Häuser dtirfte 
der Hauptstoss noch ein wenig westlicher oder südwefc^Mcher im Gebirge erfolgt sein. 

Von dieser Stelle aus hat sich aber die Erschtitterung keineswegs gleichförmig nach allen Richtungen 
fortgepflanzt, sondern es hat die seismische Thätigkeit nach einer langen geraden Linie gewirkt. 

Wenn man innerhalb der einzelnen Theile des erschütterten Gebietes jene Punkte aufsucht, welche die 
relativ stärksten Wirkungen erfahren haben, so findet man die Namen: Grillenberg, Bemdorf, Neuhaus, 
Klausen -Leopoldsdorf, Hnmmelhof und Eichgraben, Preuwitz a. d. Donau, Neustift im Kampthale, Gars, 
Neukirchen und Wildberg bei Messern. Diese Punkte bezeichnen eine 12 1/2 Meilen lange, von Sttd- 
sttdost gegen Nordnordwest sich hinziehende gerade Linie, welche zahlreiche Thäler und Berge 
quer durchschneidet und ohne sichtbare Ablenkung durch die Kalkalpen, die Sandsteinzone, das Donauthal 
u id das altkrystallinische Gebirge hinläuft. 

Wo diese Linie in der Nähe des Maximums in die Kegion der Htigel und der Ebene aus den Alpen heraus- 
tritt, scheint eine stellenweise Erweiterung einzutreten, wenigstens reichen sehr heftige Stösse mit steilen 
Emergenzen unter einem Theile des sogenannten Tullner Bodens ziewMch weit nach Ost Ober dieselbe 
hinaus (z. B. Buchberg, Tulbing, Königstetten). 

Gegen Nordnordwest über Wildberg hinaus lässt sich diese Linie schwer verfolgen; die Erschütterungen 
bei Haugsdorf liegen zu weit östlich und auch Hardegg und Frain liegen östlich von der geraden Fortsetzung. 
Dort, wo sie zu suchen wäre, bei Baabs und Grossau, ist nach zuverlässigen Berichten keine Spur des Erd- 
bebens wahrgenommen woiden. 

Auch an dem südlichen Ende lässt sich die Fortsetzung von Grillenberg gegen Brunn am Steinfelde 
nicht verfolgen, sondern ist ein ähnliches Ablenken der Hauptwirkung, hier gegen Ost und Südost, bei 
Enzesfeld und Leobersdorf, angedeutet. 

Es zeigt sich aber im Allgemeinen , dass die eben genannte Axe wohl die Längenaxe des erschütterten 
Gebietes bildet , der Breite nach aber ganz ausserhalb der Mitte und zwar viel näher dem westlichen Rande 
liegt. Dieser Umstand, so wie die Natur der Stösse selbst deuten darauf hin, dass trotz der Steilheit der 
Emergenz die Kraft doch mehr aus West oder Südwest gegen diese Hauptlinie gewirkt hat; auch sind auf- 
fallenderweise nur auf der Westseite vereinzelte Angaben schwacher vorangegangener oder nachfolgender 
Erschütterungen zu treffen. Die Angaben über die einzelnen Stösse sind : 

1. S.Jänner 1873, zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags zu Frankenfels im oberen Pielachthale, westlich 
ausserhalb des späteren Schütterkreises (eine einzige Angabe). 

2. Am selben Tage kurz vor 7 Uhr Abends der Hauptstoss längs der seismischen Hauptlinie. 

3. Am selben Tage um 10 Uhr Abends zu Klausen - Leopoldsdorf auf dieser Hauptlinie (eine einzige 
Angabe}. 

4. Am 4. Jänner um 5 Uhr Morgens zu Wilhelmsburg; diese Erschütterung wurde auch in Statzendorf 
und an mehreren Punkten südlich von Mautern wahrgenommen. Alle diese Punkte liegen innerhalb des 
Schütterkreises des Hauptstosses, j -loch westlich von der Hauptlinie. 

5. Am 6. Jänner zwischen 10 und 11 Llir Vormittags zu Wieselburg im Erlafthale, westlich ausserhalb 
des Schütterkreises vom 3. und 4. Jänner; eine einzige Angabe, jedoch von grosser Bestimmtheit und auf 
einen ziemlich starken Stoss hinweisend. 

Wenn es gestattet wäre, aus so beschränktem Materiale einen Schluss auf die Gesammtheit der Bewe- 
gungen zu ziehen, so müsste derselbe dahin lauten, dass die unterirdische Kraft aus Westsüdwest wirkte, 

3* 



16 Eduard Suess. [76] 

einen leichten Stoss im Westen 5 — 6 Stunden vor ihrem Anlangen an der seismischen Hanptlinie zu Franken- 
fels abgab , am Abend desselben Tages bei ihrem Anlangen an der Hauptlinie zugleich das Maximum ihres 
östlichen Fortschreitens erreicht hatte , drei Stunden später noch eine leichte Erschtttterung an einer Stelle 
der Axe veranlasste und dann, wieder allmälig gegen West zurttckschreitend, wieder Stösse in der westlichen 
Region erst bei Wilhelmsburg und Statzendorf , dann zwei Tage später noch westlicher bei Wieselburg her- 
vorrief. Nach dieser Anschauung hätte die seismische Hauptlinie den wenig wahrscheinlichen Charakter eines 
Hindernisses , welches sich einer aus Westsüdwest wirkenden Kraft entgegenstellt. 

Dieser Annahme entspräche auch der Charakter der Sprünge und Risse an den Wänden des Hummel- 
hofes und im Eichgraben und die kräftige Fortsetzung des Stosses unter den Buchberg hm. Die Erscheinung 
in Sipbachzell bei Kremsmttnster, wo die Erschtttterung ziemlich gleichzeitig mit dem Hummelhofe war, 
scheint ihr zu widersprechen. 

Als bestimmt kann nur angenommen werden, dass der Hauptstoss nicht auf einen einzelnen Punkt con- 
centrirt gewesen ist, von welchem aus allein er sich verbreitet hätte; denn wenn auch an einzelnen Punkten 
der Hauptlinie die Stösse in der Richtung der Linie selbst erfolgten , war doch die Intensität an verschie- 
denen Stellen derselben eine zu ungleiche, als dass man glauben könnte , es handle sich nur um irgend eine 
locale unterirdische Explosion, die sich nach den Wänden einer Spalte fortgepflanzt hätte. 

Was die Richtung der Erschütterung an einzelnen Stellen des Schütterkreises betrifft, so unterliegen die 
betreflFenden Beobachtungen allerdings einer Reihe von beirrenden Einflüssen, welche schwer zu beseitigen 
sind. Wird diese Richtung durch die erfolgte Verrückung freistehender Gegenstände oder ihr Herabfallen 
bestimmt, so wird nicht selten der Einfluss der Trägheit dieses Körpers übersehen und die der Wirklichkeit 
entgegengesetzte Richtung, so z. B. Ostwest anstatt Westost, angeführt. Oft auch tritt ein Schwanken ein, 
welches zwischen den beiden entgegenstehenden Richtungen nicht unterscheiden und nur die Lage der Bahn 
des Stosses erkennen lässt. 

Wo die Richtung des Stosses mit Zuverlässigkeit ermittelt war, schien sie mir meistens von der seis- 
mischen Axe nach aussen zu gehen, abgesehen von einer Anzahl nordsüdlicher oder südnördlicher Angaben 
aus der Nähe der Thermenlinie. 

Die Oscillationen des Bodens sind stellenweise sehr bemerkbar gewesen, so an der Südbahn südlich 
von Mödling und in allen jenen Fällen , in welchen die Erschütterung verhältnissmässig langsam von einem 
Zimmer zum andern allmälig durch das Haus wanderte (z. B. St. Polten). 

An vielen Punkten und insbesondere auf der Axe selbst oder in ihrer Nähe hat man das Erdbeben in 
der Form eines heftigen Schlages von oben herab verspürt; so insbesondere in Grillenberg, Altenmarkt, 
AUand, Klausen -Leopoldsdorf, Johannesberg, Christophen, Königstetten, Tulbing und Wilhelmsburg. Bringt 
man dies mit dem Umstände in Verbindung, dass an den Punkten stärkster Wirksamkeit die meisten Sprünge 
in den Häusern sich rings um die Zimmerdecke finden, so wird es wahrscheinlich, dass der Schlag von oben 
wirklich durch die Erhebung und das daraufiblgende Fallen des Dachstuhles oder eines Theiles desselben 
verursacht wurde; es ist dies um so wahrscheinlicher, als an denselben Orten an den Wänden lehnende 
Personen den Stoss von unten gegen aufwärts fühlten. Deutlich steil von unten herauf waren Stösse 
z. B. in Michelhausen, Gars und Neukirchen. Diese Erscheinungen beweisen zugleich die steile Emergenz 
der Erschütterung in der Umgegend der seismischen Hauptlinie, während für die entfernteren Stellen, bei 
flacherer Emergenz, das Aufschrecken von zu Bette liegenden Personen bezeichnend ist. 

In seinen allgemeinen Zügen reiht sich dieses Erdbeben in die Gruppe jener, welche von Rogers als 
Transversal-Erdbeben bezeichnet wurden K 



1 Sillim. Jouru. of Sience and Art, vol. 45, p. 341 



[77J Die Erdbeben Nieder- Österreichs. 17 



IL Abschnitt. 
Das Erdbeben Tom 15. und 16. September 1590. 

Nachdem am 29. Juni 1590 eine ziemlieh heftige Erschütterung alles Land von Iglau bis Wien und 
Neustadt erschüttert und zu Ebreichsdorf das Wasser aus den Brunnen geworfen hatte, wurde am 15. und 
16. September desselben Jahres Nieder -Osterreich von dem verheerendsten Erdbeben getroffen, welches 
jemals in diesen Gegenden gefühlt worden ist. Fast jeder Stand im Lande, so berichtet der niederösterrei- 
chische Landtag am 13. Juli 1591 in einem Rückschreiben an Kaiser Eudolph ü., empfing nach Gelegenheit 
seines Wesens grossen Schaden, indem viele ansehnliche Schlösser und Häuser theils ganz zu Boden 
gegangen und bis in den Grund übereinandergefallen , theils aber dermassen conquassirt, zerschüttelt 
und zu BaufUlligkeit gebracht worden, dass sie ohne grosse und merkliche Unkosten nicht wiederum zu 
erheb en seien. 

Die wichtigste Quelle für das Studium dieses grossen Erdbebens bilden die im niederösterreichischen 
Landesarchive (Fase. G. 2. 1.) aufbewahrten Gesuche der am härtesten betroffenen Gutsherren um Steuer- 
nachlass fUr sich und ihre Unterthanen, welche die Möglichkeit einer zuverlässigen Ermittlung des Maximums 
geben ^ 

Als eine weitere Hauptquelle sind die gleichzeitigen Fugger'schen Relationen im Cod. Mss. 8963 der 
kais. Hofbibliothek zu nennen, welche mir durch Herrn Hofrath v. Birk zugänglich gemacht wurden. Die 
drei Berichte über dieses Erdbeben, welche in der Wiener Zeitung vom 27. October 1 842 abgedruckt wurden, 
umfassen nur einen kleinen Theil der hier aufbewahrten Nachrichten. 

Diese Relationen werden in einer sehr erwünschten Weise durch die Berichte des damaligen venetiani- 
schen Gesandten am Hofe zu Prag, Giovanni Dolfiu ergänzt, aus welchen mir Herr Hofrath v. Arneth 
gütigst die betreffenden Stellen mitgetheilt hat. Von gedruckten Quellen sind femer zu nennen: 

1. Johann Caspar (Neubeck), Bischoff zu Wienn: Zwo Cathol. Predigen wider das schröckliche Erd- 
bidem so sich Anno 1590 den 15. September vnd nachmals vilfeltig erzeigt «. 

2. Johann Rasch: Erdbidem- Chronic, Nach art eines Calendcrs, darinn allerley Erdbidem vnd Erd- 
klüffteu, vor Christi Geburt 1569 vnd sovil deren bisz auff disz 1591 Jar her beschrieben. München «. 

3. Hederici Joh. Oratio de Horribili et Insolito Terrae Motu, qui rccens Austriam vehementer concussit 
etc. Helmstadii, 1591 *. 

Endlich soll noch ein anonymer Bericht im Drucke erschienen sein *, den ich aber bei aller Mühe nicht 
im Stande war aufzufinden. 

Im Zusammenhalte mit zerstreuten Nachrichten in anderen Werken ergibt sich nun folgendes Bild. 

1. Aufeinanderfolge der Stösse. Nach den Berichten aus Wien begann die Reihe von Erschüt- 
terungen am 15. September gegen 5 Uhr Abends mit einem ziemlich heftigen Stosse, um 6 Uhr wiederholte 
er sich in verstärktem Masse und nun folgten die ganze Nacht hindurch viele Stösse ; ein besonders heftiger 
trat zwischen 12 und 1 Uhr Nachts ein; etwas schwächer war ein Stoss um 2 Uhr Morgens des 16. Sep- 
tember. An diesem 16. September folgten weitere Stösse um 9 und um 11 Uhr Vormittags und um 2 Uhr 



* Ich bin Herrn Landes- Archivar König für die viele Mühe verbunden, mit welcher er durch Sicherstellung der Grund- 
besitze im alten Gültbuche und weitere Verfolgung der Nachweise mich unterstützt hat. 

2 Wiener Stadt-Bibliothek. 

3 Bibliothek des Herrn Haidinger. 

* Kais. Hofbibliothek. 

5 Erwähnt in Vogel, Specim. Bibl. Germ. Auatr. 8», 1779; I, S. 248. 



18 Eduard Suess. [78] 

Nachmittags. Der 17. scheint ruhiger gewesen zu sein; am 19. u. 20. erbebte der Boden neuerdings, dann am 
1. Oct. um 9 und 10 Uhr Morg., den 7. Oct. nach Mittern., den 27. Oct. (zuTuUn). Noch durch viele Wochen 
erzitterte die Erde von Zeit zu Zeit und noch am 12. Nov. um 9 Uhr Abends trat ein merklicher Stoss ein. 

2. Das Maximum. Die erste der im Landes- Archive enthaltenen Bitten um Steuernachlass rtlhrt von 
Herrn Hannsen Reikher zum Thurn vnnd Walckherstorff her, welcher in beredten Ausdrücken schildert, wie 
den Unterthanen „der ortten zum Thurn" durch dieses Erdbeben grosser und fast erschrecklicher Schaden 
sei zugeführt worden, „Innen Ire Heuser vnd wonungen Ybeni Hautfen geworflfen, Also, dass sy sich In der 
wahrhait Khaum des druckhnen Prots behelffen Khünen**. 

Der Ort zum Thurm besteht nicht mehr; die Ruine dieser Veste aber liegt unweit von Lengbach, östlich 
von St. Christophen. 

Das nädiste Einschreiten stammt von Franz von Prösing her, welcher schreibt: „Vnnd ist meniglich 
wissent, wie mir durch den gerechten Zorn Gottes vmb vnsers woluerdienen willen, mit den erschreckhlichen 
Erdbidem mir mein Pfarkhirchen, Gschloss vnnd Mayrhoflf zu Rappoltenkhirchen, alles in den Grund 
verdorben, zerrissen und vber einen hauffen gelegt. Darneben meinen Armen Undterthannen alle Ire Heusser 
zerschmettert, verderbt und nider geworffen, alss das mir ain sollicher hochnachtailliger schaden eruolgt, das 
' ich den (das Gott geclagt und E. gn. vnd frd. ftlrgetragen) leider hart verwinden, weniger mein Arme Leutt 
ausser meiner hilflf wider aufbauen vnd behausst werden khünen. Dann wissentlich (wie Ich mich dessen zu 
getreuem Christlichen mitleiden beclage) das im ganczen Lanudt so grosser schaden als eben der ortten herumb 
auf ain halbe meill wegs weidt vnd braidt sich niergendts befinden würdet" .... 

Ein drittes ähnliches Einschreiten liegt von Heinrich von Oedt von Sieghardtskirchen vor, ein 
ferneres von Hanns Gerhab, der zu Judenau und Dietersdorf (V. 0. W. W.) begütert war, und ein letztes 
von Christoph Geyer zu Wolfstein (bei Gurhof, V. 0. W. W.). 

Dass das neue Schloss zu Judenau niedergeworfen worden sei, bestätigt Khevenhiller i. 

Die Historia Cartusiae Maurbacensis von Brenner 2 meldet: Septimo Idus Septembris 1590 terra 
horrendum infremuit, concussisque imis visceribus dire. multumque trepidavit: quo motu Ecclesiae turris, 
quae vastatione Turcica flammas propter altitudinem respuerat, stupendo cum fragore procubuit. Crepuerunt 
Ecclesiae atque ambitus fornices, Cellarumque parietes, atque muri extimi, qui olim ab incendio vitium acce- 
perant, pro magna parte corruerant: frustratis omnibus velut in momento sumptibus, qui plus dimidio saeculo 
in res taurationem Monasterii sunt collati. 

Bischof Neubeck führt in seiner zweiten, am 19. October 1590 in der Domkirche gehaltenen Predigt 
(S. 34) die folgenden Orte als den Hauptsitz des Erdbebens an: „zu Mauerbach an dem Kloster, auf dem 
Tullnerfeld, zu Tulln, Tulbing, Langenlebarn, Königstetten, Judenau, Püchsendorf, 
Tiefendorf, Sieghardskirchen, Abstetten, Ror, Rappoltskirchen, Galbern, Dotzenbach, 
Michelsh'ausen and anderen Orten^. 

An einem Punkte, 4 Meilen oberhalb Wien, wurde eine Mühle aus dem Wasser gehoben und auf das 
Trockene gesetzt, und zahlreiche Fische wurden an das Ufer geworfen. — 

Diese Angaben beweisen, dass die grösste Zerstörung am Rande der Alpen über das Tullnerfeld hin 
eintrat, also genau dort, wo am 3. Jänner 1873 gleichsam eine Erweiterung der Stosslinie angedeutet war, 
und sussultorische Stösse in grösserer Entfernung von der Axe bemerkt wurden. Ein Rückblick auf den vor- 
hergehenden Abschnitt zeigt, dass z. B. zu Johannsberg, Christophen (Thurm), Reka winke), Königstetten, 
Tulbing und Michelhausen dieser sussultorische Charakter entweder durch Schläge von oben herab oder 
von unten gegen oben angedeutet ist und dass auch in Mauerbach die Erschütterung von nicht geringer 
Heftigkeit war. 

Innerhalb dieses Gebietes lehren uns aber die aus dem nieder-österreichischen Landesarchive angeführ- 
ten Actenstücke das Maximum in der Gegend von Rappoltenkirchen und Thurm suchen; nun läuft aber 

1 Annales Ferdinande], col. 787. 

3 Pez, Script. II, col. 365; siehe auch Mari an, Geschichte d. österr. Clerisey, IV, 8, S. 413. 



[79] Die Erdbeben Nieder-Österreichs. 19 

gerade zwischen diesen Orten die Axe von 1873 mitten durch und liegt der mehrfach genannte Hammelhof 
3000 Klafter östlich von Tborm und 4200 Klafter südwestlich von Rappoltenkirchen. 

Es ist daher die Behauptung wohl gerechtfertigt, dass die Maxima des verheerenden Ereig- 
nisses vom 15. September 1590 und der kleinen Erschütterung vom 3. Jänner 1873 zusa m- 
men fallen. Auch darin, dass die Zerstörung sich hauptsächlich oder ausschliesslich östlich von diesem 
Maximum zeigt, erinnern die in diesem Abschnitte bisher angeführten Daten an die Angaben des vorher- 
gehenden Abschnittes. 

Es wurde aber an diesem Schreckenstage zugleich weit von dieser Stelle, auf der anderen Seite des 
Gebirges ein vereinzelter Ort auf das Heftigste erschüttert, nämlich Traiskirchen bei Baden, wo dreissig 
Häuser einstürzten und mehrere Menschen getödtet wurden. Diese Angabe ist um so bemerkenswerther, als 
am 29. Juni desselben Jahres, wie schon erwähnt wurde, zu Ebreichsdorf, nahe bei Traiskirchen eine ähn- 
liche Erscheinung, gleichsam ein zweites, locales Maximum hervorgetreten war und ich werde an einer spä- 
teren Stelle auf diese scheinbare Anomalie zurückzukommen haben. 

3. Verbreitung des Erdbebens südlich von der Donau. Wien erlitt in der Nacht vom 15. auf 
den 16. September sehr grossen Schaden. Der Stephansthurm wurde sehr schwer beschädigt, stürzte jedoch 
nicht ein, dagegen wurde der obere Theil des Michaelsthurmes bis zur Uhr herabgeworfen. Bei den Schotten 
wurden die Gewölbe der Kirche zerrissen und fiel der Dachstuhl ein; in der einzigen Herberge zur gol- 
denen Sonne in der Rothenthurmstrasse ^ wurden neun Personen erschlagen. Das Entsetzen der Bevölkerung 
war allgemein. Sehr Viele flohen aus der Stadt. Die Königin Witwe Isabella von Frankreich, Erzherzog 
Ernst und viele wohlhabende Bürger schlugen ihre Wohnungen in hölzernen Häusern in den die Stadt um- 
gebenden Gärten auf; die Zurückbleibenden lagerten zumeist auf den offenen Plätzen der Stadt. 

An einer nicht näher bezeichneten Stelle „unterhalb Wien^ öfihete sich der Boden und ging aus dem- 
selben ein „grosser Gestanckh" hervor (Khevenhiller, Fugger' sehe Relationen aus Prag). Hedericus 
schreibt darüber : „Praeterea infta Yiennam, terra dirupta et dehiscens, adeo gravem et pestilentem edidit 
vaporem, ut homines illi ob tantum foetorem diutius snbsistere non possent. Hiatus ille, qui latitndine sua 
dicitur excedere spatinm, quo rotae curruum dissident, adeo profundnm reliquit voraginem ut nemo abys- 
sum illius scire possit, ac nulli absque periculo ibidem transire aut iter facere liceat". 

Baden und Neustadt wurden auf das Heftigste getroffen ; das Unglück von Traiskirchen wurde 
bereits erwähnt; in Ebreichsdorf war die Erschütterung geringer als am 29. Juni. 

Mit besonderer Kraft langten die einzelnen Schläge zu Brück a. d. Muran, wie aus der eingehenden 
Fugger'schen Relation aus Brück von 19. September hervorgeht. Die Zeit der einzelnen Schläge wird, 
übereinstimmend mit Wien, folgendermassen angegeben: der erste um 5 Uhr Abends am 15. September; 
ein viel stärkerer um 6 Uhr, dann zwischen 12 und 1 Uhr Nachts. Die stärkste Erschütterung erfolgte hier 
eine halbe Viertelstunde vor 1 Uhr Morgens des 16. September „nit allein inn den Heussern, sondern auch 
auf freyen Veldt, Inn Hölzern vnd Waiden, dass sich die Bäum vnnd wurrzel erhebt, vnd gekracht haben, 
dergleichen inn diesen Landen nie erhört^. Die analogen Erscheinungen , w^elche z. B. in Unter- Italien bei 
Erdbeben in Waldungen eintreten , sind bekannt. 

In Wels soll schon sechs Wochen früher eine solche Erschütterung eingetreten sein, dass die Thürmer 
den Thurm verlassen mussten. 

In Ungarn wurden die Erschütterungen nicht nur zu Pressburg und Tyrnau bemerkt, sondern es liegen 
auch einige Angaben über sehr starke Stösse in einer fernen Gegend vor. Die Festungswerke von Kanisza 
sollen umgestürzt worden sein «, und Agram und Zengg wurden getroffen K Diese Punkte liegen auf einer 



» PlatteD8teiner*8che8 Haus, Nr. 726. 

«Khevenhiller, a. ii. 0., Perrey, Bass. du Dambe, p. 345. Die Regio Canisae bei Perrey fiJ. 336 und Hoff, IV, 
8. 189, ans welcher im Jahre 518 ein vulcanischer Ausbruch geschildert wird, liegt nach Auskünften, welche Prof. Bttdinger 
mir zu geben die Güte hatte, in Klein -Asien. 

» Isthvanfi, Hist. de rebus Hungar. XXVI, p. 589; Jeitteles, S. 302. 



20 Eduard Suess. [80] 

von Südwest gegen Nordost laufenden Linie, welche einem anderen seismischen Systeme angehört und ist 
insbesondere Zengg von Interesse , wo in der neuesten Zeit eine Reihe von Erschütterungen begonnen hat 
und wo seit uralter Zeit jährlich eine Messe zur Abwendung der Erdbebengefahr gelesen wird, ohne dass 
der Zeitpunkt der Veranlassung bekannt wäre *. 

Es fehlt aber nicht an Angaben, nach welchen die Zerstörung von Kanisza schon am 5. September 
erfolgt wäre ». 

4. Verbreitung nördlich von der Donau. Jenseits der Donau liegen die ersten Nachrichten aus 
Iglau vor. Hier wurden nicht nur die Stösse der Nacht zwischen dem 15. und 16. September verspürt, 
sondern wiederholten sich dieselben am 18. und 19. September und am 7. und 13. October; sogar im nächst- 
folgenden Jahre, den 17. und 21. Februar, dann am 15. October 1592 zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags 
und am 9. Februar 1593 um 1 1 Uhr Nachts trafen Stösse zu Iglau ein ». 

Von dieser Gegend verbreiteten sich die Erschütterungen weit über Mähren und Schlesien bis in die 
Lausitz. 

Prag wurde von mehreren starken Stössen getroflfeu und zwar zuerst am 15. zwischen 5 und 6 Uhr 
Abends, ein zweites Mal in der Nacht, dann wieder gegen den Tag „die haben die heusser dermassen 
erschittert, das vil Leuth auss Iren Henssem Inn die Gassen heraussgelauffen, vermainden, das sie versunck- 
hen mochten" *. 

In Leitmeritz wurde die grosse Thurmglocke in's Schwingen gebracht, als wenn einer der stärksten 
Männer sie bewegt hätte; alle Dächer krachten erbärmlich s. 

5. Übersicht. Es geht hieraus hervor, dass das grosse Erdbeben vom 15. und 16. September 1590, 
wie gesagt, seine grösste Wirkung an derselben Stelle äusserte, welche als das Maximum des 3. Jänner 
1873 erkannt worden ist. Die Punkte Iglau, Prag, Leitmeritz entsprechen, wie ein Blick auf die Karte 
lehrt, sehr genau der weiteren Fortsetzung jener Linie, welche im Jahre 1873 von Grillenberg bis 
Wildberg durch den heftigeren und sussultorischen Charakter des Stosses sich auszeichnete. Auch diesesmal 
verbreitete sich die Erschütterung nicht gleichmässig um den Punkt oder die Axe des Maximums, sondern 
äusserte sie sich hauptsächlich gegen Nordost d. h. gegen das Tullnerfeld und bis an die äusseren Abhänge 
des Wiener Waldes hin. 

Verschieden von dem kleinen Erdbeben von 1873 ist jedoch diese grosse Erscheinung durch die grössere 
Länge der Hauptlinie, die heftige Mitleidenschaft von Wien, das Auftreten der localen Verheerung zu Trais- 
kirchen und endlich möglicher Weise durch die Gleichzeitigkeit von Stössen zu Kanisza, Agram und Zengg. 



IIL Abschnitt 
Das Erdbeben Tom 27. Februar 1768. 

Durch ein volles Jahrhundert, bis zum Jahre 1868, hat man in Neustadt durch eine kirchliche Feier in 
der Bevölkerung die Erinnerung an die schreckliche Erschütterung erhalten, welche den Boden unter dieser 
Stadt am 27. Februar 1768 traf und welche die heftigste ist, welche seit dem Jahre 1590 in Nieder- Öster- 
reich erlebt wurde. Sprechende Zeugen dieses Natur-Ereignisses bleiben bis zum heutigen Tage die ver- 



* Zindler, Zeitschrift für Meteorologie, 1869, IV, S. 233. 

< Hormayr und Mednyansky, Taschenbuch filr vaterl. Geschichte, Jahrg. 1820. — Im Aufsatze: Histor. Tagebuch 
f&r Ungani. 

» Vgl. die fleissige Arbeit von Jeittele8,S. 303. 

* Fugger'sche Relation aus Prag vom 18. September 1590; auch Dolfin's Berichte vom 18. und 25. September. 
5 Jeitteles e. d. S. 303 nach Strnadt und nach Bechowsky's Chronik von Leitmeritz. 



[81 j Die Erdbeben Nieder- Österreichs. 21 

Behobenen Pfeiler und die Risse der Kirche im Neakloster; so wie die parallelen Sprünge in der Decke des 
Klosterganges ^ welche einen Schluss auf die Richtung der Stösse gestatten. 

Die Hauptquellen für die Kcnntniss dieses Erdbebens bilden, in sofeme es sich um Neustadt handelt, die 
Anfschreibungen ; welche an mehreren Orten in dieser Stadt aufbewahrt werden, namentlich das alte Stadt- 
bnch auf dem Rathhause, die Historia domus im Capuziner- Kloster und die Baurechnnngen und sonstigen 
technischen Berichte in der k. k. Militärakademie n 

Von Druckwerken ist vor Allen zu nennen: Joseph NageTs k. k. Hofmathematici Ausführliche Nachricht 
von dem am 27. Homung dieses laufenden Jahres 1768 in und um Wien erlittenen Erdbeben auf A. H. 
Befehl überall an Ort und Stelle eingezogen «. Dieser vortreffliche Bericht gestattet mir über viele Einzel- 
heiten hinauszugehen. 

Weiters sind in den gleichzeitigen Blättern des Wienerischen Diarium Berichte von P. H e 1 1 , die sich 
insbesondere auf Wien beziehen, von Chemnitz u. A. so wie mehrere Angaben enthalten, welche für die 
Verbreitung gegen Nord von Wichtigkeit sind. 

Andere Quellen werden von Fall zu Fall angeführt werden. 

1. DasMaximum, Nach irrigen Berichten, welche in den ersten Tagen nach dem Ereignisse nach 
Wien gelangt waren, dachte man dass der Hauptstoss in der Nähe des Schneeberges erfolgt sei, nach 
welcher Richtung man auch Lichterscheinungen gesehen haben wollte. Andere suchten das Centrum am 
Neusiedler See, dessen Wässer heftig bewegt worden waren. Nagel setzt den Focüs nach Brunn am 
Stein felde, einem kleinen an der Thermal -Linie gelegenen Orte, welcher eine Anzahl von warmen 
Quellen besitzt. 

Viele Umstände sprechen fUr die Richtigkeit dieser Ansicht. Zunächst war in Brunn die Verwüstung 
eine ausserordentliche. Das Schloss wurde dermassen beschädigt, dass nach wiederhergestellter Ruhe fast 
Niemand Herzhaftigkeit genug besass, um das Hausgeräthe herauszuholen. Die Rauchfänge und das Haupt- 
gesims stürzten herab , die Gewölbe wurden auseinandergetrieben u. s. f. Sonderbarerweise hatte das nur 
60 Schritte davon entfernte Gebäude des Verwalters viel weniger gelitten. 

Wohl hatte man bei späteren StOssen wiederholt einen aus der Gegend des Schneeberges kommenden 
unterirdischen Donner zu Brunn gehört, doch haben alle gegen den Schneeberg hin gelegenen Orte, wie 
Stixenstein und Puchberg, unvergleichlich viel weniger gelitten und waren dort nur kleine Risse in den 
Mauern entstanden. 

Weiters ist zu bemerken, dass man in WöUersdorf schon zwei Tage früher ein unterirdisches Getöse 
beobachtet haben will, und Manche wollen unter der Langen Wand bei Brunn durch etliche Tage „ein 
beständiges Sausen und Brausen gleich eines im Sude brodelnden Wassers^ gehört haben. 

Allerdings waren in Neustadt die Verheerungen so gross, dass man in dieser Stadt selbst den haupt- 
sächlichsten Stosspunkt suchen müsste , wenn nicht die noch sichtbaren Risse im Neukloster auf einen mit 
steiler Emergenz aus West also von unterhalb Brunn herkommenden Stoss deuten würden. Der südöstliche 
Thurm der alten Burg, in welcher sich schon damals die Militärakademie befand, stürzte sofort ein und das 
ganze Burggebäude wurde schwer beschädigt. Die Gewölbe der meisten Kirchen wurden zerrissen und zahl- 
reiche Häuser mussten gestützt werden, weil sie den Einsturz drohten. Die Mehrzahl der Einwohner wagte 
noch durch längere Zeit nicht in die Wohnungen zurückzukehren ». — 

Das von Nagel angeführte Abstürzen des äusseren Hauptgesimses zu Brunn deutet auf eine ähnliche 
Ursache wie der Schlag von oben her, welcher entlang der Hauptlinie im Jahre 1873 bemerkt wurde, nämlich 
auf ein Aufwerfen und Herabfallen des Dachstuhles. 



* Professor Jelinek hat die Güte gehabt, alle diese Schriften für mich in ausführlicher Weise zu excerpiren; Director 
Schramm hat die Beschädigungen der Neuklosterkirche aufgenommen. 

s 80, Wien 1768. Abgedruckt im Kalender Austria, 1859. 

» Böhaim, Chronik von Wiener-Neustadt, 2. Aufl. I, S. 295 und a. a. 0. ; Leitner, Geschichte der Neustädtt.-Militür- 
Akademie I, S. 103. 



(Sneta.) 



n 



n 



22 Eduard Suess. [82] 

2. Aufeinanderfolge der StÖBse. Die nachfolgenden Angaben sind für Neustadt den Berichten des 
P. Hell und Anderer, für Gainfam der von Nagel mitgetheilten Relation des Pfarrers Palucci entnommen. 
Sie stimmen nicht vollständig Uberein. 

a^ Neustadt: i^ Gainfarn: 

26. Februar 1 1^*30 Nachts, Stoss. 26. Februar nach 8*^ Abends, Donner. 

„ nach 9**, ebenso. 

„ 27. Februar kurz vor 1'' Morgens, leichter Stoss. 

vor 2*'35 Morgens, beginnt unterirdisches 

Getöse und dauert bis 
2Hb Morg., Hauptstoss (gegen Nord 

27. Februar 2M5 Morgens, Hauptstoss. gerichtet). 

„ etwa 2*^30 Nachm., 2 schwache Stösse. 

„ 8'*30, schwacher Stoss. „ 9*' Abends, Stoss. 

28. Februar „ gleich nach P Morg., schwacher Stoss. 

„ 3** Morgens, schwacher Stoss. „ zwischen 3 u. 4** Morgens (gegen Nord). 

In Neustadt ging jedem Stosse ein lautes Brüllen der Erde voran. 

S.Verbreitung. In Schottwien schienen die Berge zu wanken; die Glocken schlugen an, die 
Richtung schien von Ost gegen West. In Eisenerz bildeten sich Risse in einigen wenigen Häusern; in 

Gratz wurden einige kleine Glocken am Schlossberge zum Läuten gebracht, die Richtung soll Westost 

.* 

gewesen sein. In Odenburg läuteten ebenfalls die Glocken, Kamine stürzten herab, der See gerieth in 
heftiges Schwanken. In Pressburg war die Bewegung nicht bedeutend; in Tirnau trat eine Schwankung 
von Süd gegen Nord ein. 

Die Hauptmauern des Schlosses zu Enzesfeld wurden zerrissen und die Quelle am Fusse des Schloss- 
berges zeigte plötzlich einen stärkeren Ablauf. In Gainfam wurden Gewölbe zerrissen und Schornsteine 
herabgeworfen; in Baden trübte sich die Ursprungstherme. In Leesdorf bei Baden, von wo ein ausführ- 
licher Bericht vorliegt i, war die Erschütterung nicht so stark. 

In Wien begannen schon um P30 Morgens des 27. Februar die Fensterrahmen zu krachen; die Luft 
war still, aber etwa eine Viertelstunde darauf erhob sich jählings ein heftiger Wind aus Westsüdwest mit 
vielen schnell aufeinanderfolgenden, doch unterbrochenen, gewaltigen Stössen. Um 2 Uhr war die Luft 
wieder still, doch wenige Minuten nach */^'d fing der astronomische Thurm an schrecklich zu beben; die 
Schellen tönten u. s. w. Man hörte ein unterirdisches Sausen und Brausen, ähnlich siedendem Wasser. Die 
Erschütterungen waren nicht ein Schwanken, sondern rührten von zahlreichen rasch aufeinanderfolgenden 
Verticalstössen her «. 

Die Donau zerbrach ihre Eisdecke und warf grosse Mengen von Wasser und viele Eisschollen über die 
Leopoldstadt hin, zerstörte die Brücken und richtete grosse Verheerungen an «. 

In Krems barsten viele Gewölbe; hier wurde auch der erste Stoss von Neustadt (gegen Mitternacht) 
heftig verspürt. Auch in Ybbs hatte man vor Mitternacht einen Stoss gefühlt; der Hauptstoss erfolgte 
hier angeblich um 2*'50 Morgens und der letzte am 28. Februar um 9 Uhr Abends. — InSteyer war das 
Erdbeben so stark, dass man ein öffentliches Gebet veranstaltete. 

Aus der Gegend von St. Polten, so wie aus jener von Lengbach und dem TuUner Felde liegen Ober 
ähnliche Vorgänge in den letzten Tagen des Februar keine Berichte vor und es kann mit Bestimmtheit ange- 
nommen werden, dass die Hauptregion von 1590 und 1873 von diesen Stössen nur sehr wenig oder gar 



* Vom Verwalter Kropf in Keiblinger^s Geschichte von Melk, II a, S. 467. 
3 P. II c 1 1 im Wiener Diarium und Gensau, IV, 419. 

* Ebends.; Des vcnetianischen Botschafters Polo Renier Relation vom 5. März 1768. 



[83] Die Erdbeben Nieder- Österreichs. 23 

nicht betroffeo wurde. Dies ist um so auffallender als auch auf der ganzen übrigen Strecke der seismischen 
Linie von Brunn über Gars hinaus, wie sie im I. Abschnitte geschildert worden ist, keinerlei Erschütterun- 
gen bemerkt wurden, während in gerader nordnordwestlicher Fortsetzung über das Ende der Linie von 1873 
hinaus an sehr vielen Orten die Stösse eintraten. 

Zu Li spitz (N. von Frain in Mähren), zu Pulitz und Znaim wurde die Zimmereinrichtung gerüttelt. 
In Kromau verspürte man das Erbeben des Bodens deutlich; ebenso in I gl au i. 

In Po^atek (in Böhmen, SW. von Iglau) warf der Stoss Dachziegel vom Stadtthurme herab. Im Dorfe 
Willimetsch brach eine mächtige Quelle aus dem Boden hervor. In Pilgram wurden zur Zeit des Haupt- 
stosses drei aufeinanderfolgende Erschütterungen beobachtet, begleitet von lautem Hasseln a. 

Nach diesen Nachrichten dürfte die heftigste Bewegung in PoCatek und Willimetsch stattgefunden 
haben, zwei Punkten, welche, wie gesagt, genau der Fortsetzung der Hauptlinie von 1873 entsprechen. Alle 
anderen erwähnten Orte liegen östlich von dieser Linie, so dass auch in diesem Falle, wie 1590 und 1873, 
die Stösse aus einer westlichen oder südwestlichen Gegend gekommen zu sein scheinen. 

Am 5. März um 9*^30 trat eine merkliche Erschütterung in der Zwischenstrecke zu St. Polten ein, 
welche sich auch an der Wiener Sternwarte bemerkbar machte. — Am 21. und 24 März und noch durch 
mehrere Monate erfolgten leichte Erschütterungen in Neustadt. 

4. Übersicht. Das grosse Erdbeben vom 26. und 27. Februar 1768 weist zwei von einander getrennte 
Regionen der grössten Wirksamkeit auf. Diese beiden Regionen liegen in den beiden Fortsetzungen der 
Linie von 1873, während auf dieser Linie und insbesondere an der Stelle des Maximums von 1590 und 1873 
Ruhe herrschte. 

Die erste dieser Regionen, welche bei weitem heftiger erschüttert wurde als die andere, umfasst Brunn 
und Neustadt, wo die Verheerungen gross waren. Von hier breiteten sich die Erschütterungen nach verschie- 
denen Richtungen aus ; auf der Thermalspalte und bei Wien scheinen sie auffallender gewesen zu sein. 

Die andere Region liegt in Mähren und Böhmen, hauptsächlich bei PoCatek und Willimetsch. 

Nur am 5. März trat vorübergehend ein einzelner Stoss zwischen diesen beiden Regionen auf; zahl- 
reiche schwächere Stösse folgten später bei Neustadt. 



IV. Abschnitt. 

Yerzelchniss von Erdbeben in Xleder-Osterrelch und einigen zunächst angrenzen- 
den Landestheilen. 

Die nachfolgende Aufzählung macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit; immerhinist sie viel reicher 
als irgend eine bisher über die seismischen Erscheinungen dieser Gegenden veröffentlichte Liste. Die Be- 
nützung localer Berichte hat eine grosse Anzahl von Erdbeben erkennen lassen^ welche bisher übersehen 
wurden, während andererseits Angaben, welche in den bisherigen Listen (so insbesondere auf Grund der 
Verzeichnisse von Cotte in den Annales de Physique) wiederholt aufgeführt werden , als ganz zweifelhaft 
angesehen werden müssen, weil die sonst genauen localen Überlieferungen ihrer gar nicht erwähnen. 

Bei vielen älteren Erdbeben lässt sich allerdings oft nicht erkennen, ob sie ihren Ursprung innerhalb 
dieses Gebietes hatten oder nur Undulationen waren, welche von entfernten Katastrophen heiTÜhrten, sobald 
aber genauere Angaben beginnen, nämlich vom Jahre 1267 an, findet man dieselben Punkte genannt, 
welche auch heute von Erdbeben besonders häufig getroffeo werden. 



1 Heinrich im BrüDner Wochenblatt 1825; Jeitteles, Zeitsch. deutsch, geol. Ges. 1860, S. 318. 
« Wienerisches Diarium J. 1768. 



4* 



24 Eduard Suess. [84] 

1021. Terrae motus factus est magnus IV idus mai. seria VI (Chron. Garst, bei Rauch Script. I, 9, 
Chron. Ciaastron. und Anon. Chron. Austr.). In diesem Jahre war ein Erdbeben zu Basel und in Baiem 
(Hoff IV, 201). 

1116. Terrae motus factus est magnus per totam teutonicam et italicam terram FV. non. Januarii (Chron. 
Garst. Claustron. u. Anon.). 

1152. Terrae motus factus est V. Kai. nov. circa vesperam (Chron. Garst.). 

1163. Terrae motus factus est magnus V. Kai. octob. vespere (Chron. Garst.). 

1182. Terrae motus factus est IL Kai. May. tribus vicibus una nocte (Chron. Claustron.). 

1195. Die Angabe, dass um diese Zeit ein Erdbeben in Nieder-Osterreich stattgefunden habe (z. B. 
Pilgram, Untersuch. I, S. 283) rührt wahrscheinlich daher , dass um diese Zeit, während Herzog Leopold die 
englischen Geisel zurückhielt und in Bann erklärt war, englische Mönche die wunderbarsten Nachrichten über 
Unglücksfälle verbreiteten, welche Nieder-Osterreich betroflfen haben sollten (siehe die Darstellung in Fast. 
Campolil. I, p. 473 und 484). 

1198. 4. Mai. Ein grosses allgemeines Erdbeben in aller Welt, in Bayern, Böhmen, Osterreich währt es 
wohl anderthalb Jahre; das Volk floh aufs Feld und wohnte nicht in Häusern, so im Winter als Sommer 
(Rasch, Erdbidem-Chronik, auch Lycosthenes p. 400, welcher jedoch Osterreich nicht erwähnt, sondern 
nur „Beyerland, dort im Norgskaw, an den Behemerwald"). 

1201. Terrae motus factus est magnus IUI. Nonas Maji (Chron. Claustroneuburg. bei Rauch, Script I, 
S. 68, Chron. Garst, ebend. S. 25). Wien wurde sehr erschüttert; in Böhmen war es schrecklich. Es fing 
diesen Tag nur an, verwüstete viele Städte und Kircheu und erschlug viele Menschen (Pilgram, Untersuch, 
ü. d. Wahrscheinl. d. Wetterkunde I, S. 283, nach verschiedenen Quellen; Rasch, Erdb. Chron.). 

1260. Factus est nocte terrae motus hoc anno (Anon. Chron. Austr.). Nächtliches Erdbeben in Osterreich 
(Rasch, Chron.). 

1264. 29. October. Ein Erdbeben zu Wien (Chron. Zvetl.). 

1267. Eodem anno factus est terrae motus in Styria ut castrum Chynberch (Kindberg) corrueret et 

ecclesiae tremcrcnt in tantum ut campanae sonarent (Chron. Claustron. 1. c. S. 97) (An einer späteren 

Stelle): Item eodem anno terrae motus factus est Wienne proxima die post Symonis et Jude in media nocte 
sive in galli cautu. — Pilgram (S. 284) fügt nach dem Chron. Salisb. hinzu: das Erdbeben war um die 
dritte Stunde ; hernach kam eine Sonnenfinsterniss. Diese war den 25. Mai ; das Erdbeben dürfte am 8. Mai 
eingetreten sein. — Chron. Paltrami (Fez, Script. I, col. 716) citirt das Erdbeben „in die S. Petri Tharen- 
tasiensis" und die Sonnenfinsterniss „in die Urbani Papac*. 

1281. Item terrae motus est factus circa novam civitatem XV. Kalendas Junii (Anon. Chron. Austr. 
ap. Rauch, II, S. 276; auch Anon. Leob. ap. Pez, I, col. 855). 

1282. 18. Mai Erdbeben in und bei der Neustadt in Osterreich (Rasch, Chron.), 

1285. Xn. Kai. Septembris circa horam vespertinam subito cepit ventus validissimus qui per di versa 
loca austriae plura edificia et etiam muros validissimos dejecit. Eodem etiam anno diversis temporibus et per 
diversa loca terremotus facti sunt magni (Chron. Claustron.). — 

1295. 8. Aug. Erdbeben in Osterreich; Wien wird dreimal erschüttert am Tag Cyriaci. — 15 Städtlein 
und Schlösser fallen ein im Churer Gebirg. Langwieriges Erdbeben zu Costnitz und Chur (Rasch, Chron.; 
Chron. Osterhov. ; Chron. Paltrami). — 

1342. Juni. In Osterreich und an mehreren Orten (Rasch, Chron.). 

1348. 25. Jänner, um die Vesperzeit. In conversione S. Pauli factus est terraemotus ita magnus quem 
quis hominum meminerit. Nam in Karinthia, Stiria, Camiolia usque ad mare plusquam XL firmissima castra et 
Civitates subvertit, et mirum in modum mons magnus super montem cecidit et aquani quamdam fluentem 
obstrnxit quae etiam post se villas plures subvestit et subversit (Chron. Zvetl. ap. Rauch, Script. II, S. 324). 
Es ist dies das grosse Erdbeben von Villach, bei welchem ein Theil des Dobracz in das Gailthal herab- 



[85 J Die Erdbeben Nieder- Österreichs, 25 

stürzte. — Der Sage nach soll das alte Babenberg'sche Schloss in Neustadt versunken sein; man bat diese 
Überlieferung mit dem Erdbeben von Villach von 1348 oder mit jenem von Basel von 1356 in Verbindung 
gebracht (Boehaim, Chron. v. Wiener-Neustadt, II, S. 117). 

1349. Factus est iterum terrae motus in Purificatione S. Mariae (Chron. Paltr. ap. Pez, col. 728), 

1410. Factus est terrae motus in nocte Pentecostes, sicut cantabatur matntinas ante diem (Chron. Paltr., 
col. 731; Fuhrmann, I, S. 572). 

1411. Früh Morgens am S. Petronillä-Tag ein neuerliches Erdbeben (Fuhrmann, Alt- und Neu- Wien, 
I, S. 572). 

1443. Venit terrae motus valde magnus, in die S. Bonifacii et Sociorum ejus, modicum ante decimam 
faoram et durat quasi per totam Austriam; et in Ungaria fecit magna damna, ita quod subvertit castra et 
domos et concussit montes in üngariae (? partibus) (Chron. Paltrami ap. Pez, col. 735). — A. D. 1443 factus 
terrae motus feria quarta post Erasmi Decima die mensis Junii (Anon. Viennens. Chron. ap. P e z, 11, col. 550 ; 
Pilgram, Untersuch. S. 285; Fuhrmann Alt- und Neu-Wien, I, S. 582). 

?1468. Februar. Ein Erdbeben in Wien (Hoff, IV, 240 cit. Chron. Haselberg). 

1484. Am S. Aegydi-Tage wurde in Melk ein Erdbeben bemerkt „ita quod stalla in choro fuerant mota 
perceptibiliter, et castra in oppido (Itinerar. Wolfgangi de Styra, ap. Pez, II, col. 456). 

1485. 1. Juni, am Abend vor Frohnleichnamstag, wurde nach langer Belagerung die Stadt Wien dem 
Könige Mathias geöfliiet, welcher alsbald seinen Einzug hielt. Während des Einzuges erfolgte ein Erdbeben 
(Fuhrmann, I, S. 687) „Diesen folgten eine Menge Wägen mit allen Bedürfnissen von Lebens- 
mitteln, die allsogleich vertheilet wurden und das hungrige Volk in so grosses Frohlocken setzten, dass es 
vor Freude über diese Hilfe flir jeden anderen Gegenstand, ja selbst für die eben sich ereignende schreck- 
liche Erderschütterung und den darauf erfolgten fürchterlichen Sturmwind unempfindlich wurde (Geus au, 
Gesch. d. Belag. Wiens durch Mathias, S. 52). 

1509. 14. September. Ein weit verbreitetes Erdbeben, welches auch in Osterreich verspürt wurde 
(vgl. Pilgram, I, S. 286). 

1536. Ein nächtliches Erdbeben zu Wien (Rasch, Erdbidem Chronik). 
? 1556. 24. Jänner. Vgl. Hoff, IV, S. 256 (fehlt bei Rasch). 

1560. 13. December. Starkes Erdbeben zu Wien, zugleich Gewitter; der Blitz schlägt bei St. Stephan 
ein (Fuhrmann, Gesch. v. Wien, HI, 267). 

1581. 21. Juli. Ungefähr eine Viertelstunde vor Mitternacht ein ziemlich heftiges Erdbeben zu Wien; 
jenseits der Donau nicht so heftig als diesseits; der Strom gerieth in heftige Bewegung, als ob er die Stadt 
überschwemmen wolle (Rasch, von Erdbidem, Etliche Tractät, 4» München, 1581 ; in der Einleitung, auch 
Bischof Johann Caspar, zwo Cathol. Predigten, S. 17). 

1583. 26. Februar. Um halb 5 Uhr Abends, im Vollmond, ein ziemliches Erdbeben zu „Schadwien 
vnterm Semering« (Rasch, Erdbeben-Chronik). 

1587. 20. September „bidmet oder zittert Newstat in Osterreich von einem grossen wunderbarlichen 
Wetter*' (Rasch, ebend.). 

1589. 17. April. 4 Uhr Morgens oder bald darnach „ein kleiner schupflfend Erdbiden mit einem gächen 
Strausswind, allhie zu Wien*' (Rasch, ebend.). 

1590. 29. Juni. Ein heftiges Erdbeben gegen 6 Uhr Abend, dessen Maximum jedoch schwer zu ermitteln 
ist, welches aber wahrscheinlich der Hauptsache nach mit der Lage der grossen nachfolgenden Erschütterung 
vom 15. und 16. September zusammenfiel, da es auch in Iglau beobachtet wurde (vgl. Jeitteles, S. 302). 
In Wien wurden „Stühle und Bänke emporgehoben, Fenster und Häuser erschüttert, das Wasser aus Krügen 
und Schaffen geworfen und die iungen Kindtlein in der Wiegen erweckt und erschröckht" (Fugger'sche 
Relat. V. 30. Juni 1590). Bischof Neubeck und Rasch geben keine näheren Nachrichten; in Bezug auf die 
Zeit sagt der letztere, der Stoss sei erfolgt zwischen 7 und 8 Uhr Nachts, zwei Tage vor dem Neumond. 



26 Eduard Suess. [86] 

Sehr bemerkenswerth ist dagegen die folgende im Wienerischen Diarium vom 5, März 1768 durch P. Hell 
abgedruckte Inschrift > zuEbreichsdorf: 

^Anno post partum Virg. M . D . XC . die XXIX. Mens. Junii, terribili terrae motu aedificia arcis Ebres- 
dorf ingenti cum fragore et strepitu contremuere, a£fixa muro campanula intinuit^ aqua putei ad aedes Parochi 
ita commota, ut quasi in faciem haurientis exiliret. Eodem anno die XV. Sept. validiorib. terrae motib. Vrbis 
Viennae templa, turres et domus quam plurimae maxima damna sensere, longoque inde tempore Austria 
frequentcr concutitur, et ideo ad divinum nurocn placandum, factae sunt supplicationes et Processiones 
publicae. Hieronymus Beckh a Leopoldstorf Marci filius m. h. f. f." «. 

Es geht nun hieraus hervor, dass das Herauswerfen des Wassers aus den Brunnen, das in Unter-Italien 
öfters bei steiler Emergenz der Stösse eintrat, hier beobachtet worden ist. Ebreichsdorf liegt aber ganz nahe 
von Traiskirchen , welches bei dem folgenden Erdbeben, am 15. September desselben Jahres in so fürchter- 
licher Weise verheert wurde. — 

Am 15. September desselben Jahres und in der folgenden Nacht trat das im IL Abschnitte oben bespro- 
chene Erdbeben mit dem Maximum zu Thurm bei Altlengbach und Rappoltenkirchen ein, verbunden mit 
grosser Zerstörung zu Traiskirchen. 

Am 27. September 3 Uhr Morgens ein neuer Erdstoss am Tullnerfelde (Rasch). 

Am 1. October zwischen 9 und 10 Uhr Morgens zu Wien, ebenso am 7. October nach Mitternacht, am 
27. October zu Tulln und so fort durch 5—6 Wochen ein wiederholtes Erschüttern dieser Gegenden (Rasch, 
Fugger's Relat. u. s. w.). 

1615. 20. Febr., halb 4 Uhr Morgens, wurde Osterreich von einem Erdbeben erschüttert (Keiblinger I, 
S. 848 nach den Hausschriften zu Melk); dasselbe soll zu Wien und Prag am heftigsten gewesen sein 
(Seyffarl, Gesch. d. Erdb. S. 27). — Es ist dies wohl dieselbe Erschütterung, welche Steinbach (Dipl. 
Sammig. bist. Merkwürd. aus dem Archive zu Saar, I, S. 267) vom 20. Februar 1616 in den Gegenden von 
Saar, Iglau und Gr. Meseritsch erwähnt. 

1620. Februar, soll ein zu Boppart, Oberwesel und St. Goar am Rhein eingetretenes Erdbeben auch in 
Wien merklich verspürt worden sein (Dresd. gel. Anz. 1756, S. 24, auch Seyffart, S. 28). 

1626. 23. April, Nachmittag ungefähr zwischen 3 und 4 Uhr, entsprang in einer Vertiefung auf einem 
Krautacker beiLeobersdorf eine Quelle. Die Besitzer vernahmen während ihrer Arbeit einige Tage vorher 
ein lautes Getöse unter der Erde. Am Tage des Ursprunges vermehrte sich dasselbe, die Erde bebte , es 
erhob sich ein Sturmwind, während dessen eine klafterhohe, armsdicke Wassersäule auf dem erwähnten 
Acker hervorbrach, die sich aber sogleich senkte und ein rundes Becken formte (Keiblinger 11 a, S. 631). 
— Die Quelle, welche ganz auf der Linie der Thermen steht, ist heute noch mitten in den Feldern, von einer 
Capelle überdeckt, sichtbar und heisst beim Volke „der heilsame Brunnen". Ihre Temperatur beträgt 
9® R. und sie lieferte Anfangs April d. J. nach einer Messung des Herrn Ingenieurs La ho da, nur etwa 
1000 Kubikfuss im Tage. 

1654. S.Juli. Erdbeben in Wien, heftig, mit einem schrecklichen Winde von 5 Uhr bis um Mitter- 
nacht (Theatr. Europ. VII, S. 696; Seyffart, S. 40.) 

1668. 27. August. Erdstoss zu Neustadt, welcher Häuser umwirft (Hofl, IV, S. 316). 

1690. 4. December war ein so fttrchterliches Erdbeben zu Wien, dass nebst vielen anderen Gebäuden 

auch der Stephansthnrm sehr stark beschädigt wurde, so dass viele Zeit zur Ausbesserung der Schäden 

«. 

verwendet werden musste (Fuhrmann II, S. 1152; Geusau IV, S. 188). Es war dies nur eine locale Äus- 
serung eines grossen Erdbebens, welches sein verheerendes Maximum zu Villach hatte und durch Kärnten 



1 Siehe auch Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, VIII. S. 233. 

* Nach einer freundlichen Mittheilung des Herrn Pfarrers Roth zu Ebreichsdorf sind daselbst mehrere Platten aus der 
Zeit des Beck vorhanden , an einzelnen derselben ist jedoch die Inschrift unleserlich geworden ; auch diese Inschrift ist nicht 
mehr aufzufinden. 



■ • 

[87J Die Erdbeben Nieder-Osterreichs. 27 

und Steyermark sich auf einer langen Linie bis Wien bemerkbar machte. — Zu gleicher Zeit trat entfernt 
davon ein heftiges Erdbeben in Sachsen und Thüringen ein, welches am stärksten in Meissen war; in 
Leipzig, Dresden, Wittenberg, Naumburg und Dtiben sollen die Glocken angeschlagen haben. — Endlich trat 
noch eine halbstündige Erschütterung im schwäbischen Jaxtkreise bei Schloss Rechberg ein, welcher wohl 
die aus Augsburg gemeldeten Erdbewegungen zuzuschreiben sind (Theatr. Europ. XIII, S. 1356; Seyffart, 
S. 71,- Dresdener gel. Anz. f. 1756, Col. 307; Höpffner, Das erschütterte und bebende Meissen und Thü- 
ringen, 4o, Leipzig 1690 *; Hoff IV, 341 ; Volger I, S. 118). 

1712. 10. April. Mittags ein so starkes Erdbeben zu Neustadt, dass Gewölbe zerrissen wurden und meh- 
rere Kamine einstürzten (Stadt. Aufschreibungen; Behaim Chron. I, S. 277; Theatr. Europ. XIX, S. 556). 
In Wien wurde es nur von Einzelnen bemerkt (Fuhrmann II, S. 1295; Geusau IV, S. 223). 

?1718. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni sollen in Neustadt durch einen Erdstoss Häuser umge- 
worfen worden sein (Perrey p. 349 nach Coli. acad.). Sehr zweifelhaft. 

1734. In der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner, gleich nach 3 Uhr Früh zu Baden, Gumpoldskirchen 
und an mehreren anderen Orten gegen das Gebirge ein Erdbeben „etwa eines halben Vaterunsers lang", 
welches jedoch mehr Schrecken als Schaden verursachte. Am nächsten Vormittage ein überaus heftiger 
Sturmwind in Wien (Fuhrmann II, S. 1478). 

?1749. S.Juni angeblich Erdbeben in Wien; den 9. und 12. weitere Stösse; zu Neustadt soll ein 
Kloster eingestürzt sein (Perrey p. 406 nach dem Joum. bist.). Ich kenne auch in diesem Falle keine locale 
Bestätigung aus Neustadt; auch Pilgram nennt dieses Datum nicht, doch erwähnt Jeitteles (S. 314) am 
9. Juni 1749 ein Erdbeben in Brunn. 

?1750. (Ohne Datum.) Erdstoss zu St. Polten (HofiF, IV, S. 410 nach Keferstein). 

?1751. 3. oder 5. Juni. Erdstösse zu St. Polten (Hoff, ebend.). 

?1760. 13. August. Gegen 7 Uhr Abends ein leichter Stoss in Wien (Perrey, S. 407). 

1763. 28. Juni Erderschütterung in Wien (Geusau, IV, S. 400) wahrscheinlich hervorgerufen durch das 
heftige Erdbeben, welches am selben Tage Komorn traf (Jeitteles, S. 315). — In diesem Jahre (am selben 
Tage?) ereignete es sich, dass der Kirchthurm zu Leobersdorf durch einen heftigen Erdstoss so sehr 
erschüttert wurde, dass er, obwohl bis zur Spitze aus Quadern erbaut, mit vieler Gefahr abgetragen werden 
musste (Keiblinger, II a, S. 624). 

1766. 5. und 16. August. Leichtere Erderschütterungen in Nicder-Osterreich, welche nach der Darstel- 
lung Perrey's (Tremblem. de terre du Bass. du Danube, S. 355 und 407) mit stärkeren Erdbeben im Osten 
zusammenzuhängen scheinen. Auffallend bleibt die Angabe, dass sie zu Margare then an der ungarischen 
Grenze heftiger gewesen sein sollen und dass in Laxen bürg Mauern beschädigt worden seien. Ihr Auftreten 
in Wien ist beschrieben bei Geusau (IV, S. 408), in Leesdorf bei Baden in Keiblinger II a, S. 466). 

1768. 26. Febr., leichter Erdstoss in Neustadt; 27. Febr. 2M5 Morgens, sehr heftiger Stoss zu Brunn 
am Stein felde und Neustadt der sich bis Böhmen fortpflanzt (siehe Abschnitt HI). — Am 28. Febr. zu 
Neustadt; am .^. März zu St. Polten; am selben Tage sieben leichte Stösse in Wien (Geusau IV, S. 422); 
am 21. und 24. März, 6. April Früh 4 Uhr und 1. Mai schwächere Erschütterungen in Neustadt. 

1769. 5. Febr. neuer Erdstoss in Neustadt (Perrey, S. 356). 

?1773. 8. August 4**30 Abds. Erschütterung in Wien, etwas stärker in Laxenburg (Perrey, p. 357) 
(ohne weitere Bestätigung). 

1774. 15. Jänner P38 Nachmittag ein starkes Erdbeben in Wien, welches auch in Neustadt und bis 
Pressburg verspürt wurde. P. Hell hat einen sehr ausführlichen Bericht über die einzelnen Erscheinungen 
in Wien veröffentlicht (Wiener Diarium; Geusau, IV, 444). Es erfolgten drei Erschütterungen; die dritte war 
die heftigste; sie bestand aus „grossen Schwankungen, auch mit vermischten von unten in die Höhe gehenden 



< Gütigst mitgetheilt aus der königl. Bibliothek in Dresden von Prof. Geinitz. 



28 Eduard Suess, [88] 

Stössen". Die Richtung der Schwankungen war von Nordost gegen Südwest; in der Leopoldstadt und auf 
der Landstrasse war es am stärksten. 

?1776. 18. November. Erdbeben zugleich in Neustadt und Belgrad (Hoff V, S. 28 nach Cotte, 
Journ. de Phys. ; ohne Bestätigung). 

1778. 3. December zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittag, Erderschtitterung zu Neustadt (Boehaim, I, 
S. 297). 

?1779. 1. December. Erdbeben in Wien (Cotte, Journ. de Phys.; ohne Bestätigung). 

1783. 18. Jänner. Erdbeben zu Schottwien (Pilgram I, S. 294). 

1783. 13. Febr. Einige leichte Stösse zu Neustadt (Pilgram, ebend.). 

1783. 22. April. Gegen 4 Uhr Früh einige leichte Stösse in Wien, als Undulationen, welche von 
einem heftigen Erdbeben bei Komorn herrührten (Geusau, IV, S. 509). 

1784. In der Nacht vom 10. auf den 11. Februar wollen einige Bewohner der Leopoldstadt in Wien 
eine Erderschtitterung verspürt haben (Hoff, V, S. 63 cit. Hamb. Corresp.) 

1784. 2. November. Erdstösse im Mürzthale; 3. November zu Mürzzuschlag (Pilgram, I, S. 295. 
(Im December Stösse in Prag). 

1794. 6. Febr. P18 Nachmittags bemerkte man in Wien und zwar namentlich in den höheren Stock- 
werken fast aller Häuser mehrere schnell aufeinanderfolgende Schwankungen , welche von Nordwest gegen 
Südost oder umgekehrt gerichtet zu sein schienen. Der Gang der Pendel wurde nicht gestört. Gleichzeitig 
>vurde Leoben von einem äusserst heftigen Stösse getrofiFen. Die Dominikanerkirche dieser Stadt, der 
Mauththurm, die Exjesuiten-Thürme, der Jakobsthurm und zahlreiche Privatgebäude wurden beschädigt, 
viele wurden unbewohnbar, einzelne stürzten ein. Mehr als hundert Kamine wurden herabgeworfen. Auch 
zu Goess bei Leoben wurden die Häuser am Murflusse unbewohnbar. Der Stoss pflanzte sich hauptsächlich 
nach Nordwest und nach Nordost fort. Gegen Nordwest schien er bis gegen Vordernberg von gleicher 
Stärke; dort wurde das Ebentharsche Haus beschädigt; auch zu Mautern litten viele Gebäude Schaden. 
In Eisenerz und Kalwang war die Erschütterung \4el schwächer, dagegen wurde sie im Ennsthale 
noch deutlich verspürt. — Gegen Nordost lief der Stoss so kräftig nach der Mürzrichtung hin , dass noch in 
Mürzhofen bei Kindberg Beschädigungen von Häusern eintraten und dass, wie gesagt, die äussersten 
Wirkungen bis Wien reichten. — In Grat z war die Erschütterung nur gering und wurde hauptsächlich in 
den Häusern längs der Mur beobachtet. (Gratzer und Wiener Zeitungen ; Littrow, Meteorolog. Beob. der 
Wiener Sternwarte). 

1794. 8. Febr. lO^'öö Morgens und in der Nacht vom 9. auf den 10. Febr. abermals eichte Stösse bei Leoben. 

1802. Nacht vom 29. —30. October. Erdbeben zu Neustadt (Hoff, V, 133). 

1807. 1. October, 2 Uhr Früh, grosser Sturm und einige leichte Erschütterungen in Wien (Perrey; 
gleichzeitige Journale erwähnen nur den Sturm). 

1810. 14. Jänner, 5*'53 Abends zwei schwache Stösse zu Wien und St. Polten; aus ihrem Einflüsse auf ein 
Pendel der Wiener Sternwarte, welches sie zum Stehen brachten, schloss man, dass ihre Richtung Südwest- 
Nordost oder umgekehrt gewesen sei (Strohmayer, Topogr. v. St. Polten; Wiener Ztg. v. 17., 27. Jänner 
und 3. Febr.; Littrow, Met. Beob. IH, S. VIH). Es sind dies nur die entfernten Äusserungen eines verhee- 
renden Erdbebens, welches zur selben Stunde vom Berge Csoka am Vertes- Gebirge, zwischen Moor und 
Csak-Berenyi, ausging. 

1811. 4. October, 9*^50 Abends, leichte Stösse zu Wien; die Pendel der Sternwarte werden nicht gestört ; 
zur selben Zeit erfolgen zwei heftige Stösse in Steiermark und Kärnten; in Krieglach an der Mürz werden 
Kamine gegen Südost herabgeworfen (Wiener Zeitung, auch Perrey, S. 369). 

1811. 17. November, 5**30, mehrere Stösse zu Mürzzuschlag, schwächer als am 4. October (Perrey, 
ebend.). 

1826. 15. Mai. Einige Minuten nach ^/^S*" Morgens ein ziemlich heftiges Erdbeben zu Admont, welchem 
schon seit December zahlreiche leichtere Stösse vorangegangen waren. Die Erschütterung kam von Osten, 



[89] Dir Erdbeben Nieder-Östorrpichs. 29 

aus der Gegeüd des Gsäus und dehnte sich über Rottenmann und Gallenstein aus. — Die Icicliten 
Stösse hatten sich von December bis März sieben bis achtmal wiederholt und waren stets von einem unter- 
irdischen Getöse begleitet. Am Ostersonntage um 2 Uhr Nachmittags war der Erdstoss so bedeutend, An^^ 
die Mauern des Stiftsgebäudes wankten, und das Getöse war sehr wahrnehmbar. Am 15. Mai war jedoch die 
Erschütterung noch viel heftiger. Ein allmäliches dumpfes, näher und immer vernehmbarer rückendes unter- 
irdisches Getöse machte den Anfang, darauf folgte ein heftiger Erdstoss von einem heftigen Knalle, dem 
eines grossen Geschtttzes in einiger Entfernung nicht unähnlich, begleitet, worauf Schwingungen eintraten, 
die Anfangs ziemlich heftig waren, endlich allmälich sich verloren. Der Knall, verbunden mit dem heftigen 
Stosse, setzte alle Bewohner in Schrecken und viele entflohen aus den Häusern in das Freie. Die Heftigkeit' 
des Erdstosses lässt sich aus dem ermessen, dass die Uhren anschlugen und die Schlafenden aus den Betten 
gehoben wurden (Weiteres in Gratzer Zeit. v. 27. Mai und Wiener Zeit. v. 30. Mai 1826, Jahrbuch f. Minera- 
logie 1826, n, S. 536). 

181:9. 5. October 10*'5. In MUrzzuschlag ein Erdstoss, der bis nach Nieder - Osterreich verspürt 
wurde. Ein gemauerter Stall stürzte ein (Hoff V, 342; keine weitere Bestätigung). 

1830. In der Nacht vom 30. auf den 31. Jänner wurden die Bewohner des Klosterthaies und der 
Lengapiesting bei Guttenstein durch eine so heftige Erderschütterung aus dem Schlafe geweckt, dass 
mehrere derselben ihre Hänser und Hütten noch in der Nacht verliessen (Wiener Zeitg.). 

1830. 4. Febr. Gegen halb 6 Uhr Morgens eine schwache Erderschtitterung zu Hieflau in Steiermark 
mit einem Brausen, wie von einem Sturmwinde; in einer Viertelstunde folgte jedoch eine heftige schaukelnde 
Bewegung mit einem gewaltigen Stosse, begleitet von einem donnerähnlichen, dumpfen Getöse. Das Schwan- 
ken mag 5 Secunden angehalten, und die Richtung von Nordost gegen Südwest genommen haben und war 
so heftig, dass die noch Schlummernden aus den Betten geworfen zu werden glaubten, die Fenster klirrten, 
die hölzernen Gebäude und Brücken krachten, Bilder wankten und das lockere Gemäuer von den Decken 
fiel (Wr. Ztg.). 

1830. 8. Juni. 10 Minuten nach 8 Uhr Morgens Erdbeben, am stärksten am Semmering, wo Spalteu 
und Risse in den Mauern entstanden. In Mürzzuschlag bemerkte man durch etwa 3 Secunden eine oscil- 
lirende Erschütterung, deren Richtung von Nordwest gegen Südost ging; sie war mit einem rollenden Getöse 
verbunden; Gläser und Fenster klirrteo. In Kindberg schien die Wellenbewegung von Süd gegen Nord zu 
gehen (Wr. Ztg.). 

1830. 26. Juni. 5**57 Morgens eine neue, ziemlich heftige, aus zwei aufeinanderfolgenden Stössen beste- 
hende Erschütterung im Mürzthale. In Leoben scheint das Maximum gewesen zu sein; es entstanden dort 
einige Risse in Gebäuden und einzelne Personen flüchteten in's Freie. In Brück notirte man die Riehtun^L^ 
von Südost gegen Nordwest. In Gratz war die Erschütterung nur gering (Wien. u. Gratz. Zrg.). 

1837. 14. März etwa um 4H0 Nachmittags ein weit verbreitetes Erdbeben, dessen Maximum unter Mürz- 
zuschlag oder dem Semmering lag. — In Mürzzuschlag wurden mehrere Häuser durch Risse beschädigt, 
einige Gemächer wurden unbewohnbar. Viele Personen hatten sich aus den Häusern geflüchtet; um 11 Uhr 
Nachts trat eine Wiederholung ein. Zu Reichenau, Schottwien und am Bergschlosse Wartenstein 
entstanden einzelne Risse in den Mauern ; ausserhalb Schottwien, gegen den Semmering, stürzten Felsblöcke 
herab. In Pitten war der Stoss nur schwach, mit der Richtung Westsüdwest - Ostnordost , in Neustadt 
wurde er dagegen deutlieh verspürt, ebenso in Gumpoldskirchen, besonders stark aber in Ebreichs- 
dorf, wo ein baufälliges Haus eingestürzt sein soll. In Wien bemerkte man zwei aufeinanderfolgende Stösse, 
hierauf einige Schwingungen; das Dach einer baufälligen Hütte fiel ein. In Tulln wurde deutlich ein Erd- 
beben beobachtet. In Retz verspürte man zwei, von einem unterirdischen Donner begleitete Stösse, welche 
schnell auf einander, scheinbar in nordöstlicher Richtung folgten; sie waren so stark, dass hängende Gegen- 
stände in Schwingungen geriethen, die Hausglocken zu läuten begannen u. s. w. Weiter gegen Nord und 
West zeigte sich die Erschütterung in Brunn, Stift Hohenfurt, Prag und Altbunzlau, Linz und Kremsmünster. 
— Im Mürzthale pflanzte sich der Stoss über Feistritz. Kapfenberg und Brück aus fort und war in 



oO Eduard Suess. [90j 

(iratz nur sein* schwach. — Anch in der Schweiz scheint dieses Erdbeben bemerkt worden zu sein (^Wiener 
Zeitung, Poggend. Ann. 42. M. S. 685—90, Boehaim, Chron. II, S. 49; Puntschert, Denkwürd. d. Stadt 
Retz, S. 105. V olger, Untersuch. I, S. 308). — Für dieses Erdbeben liegt eine grössere Anzahl genauer Zeit- 
angaben vor (C. V. Littrow in Wien, Ztg. v. 22. März, 1837; Met. Beob. d. Wr. Sternwarte, IV, S. 343). 

1838. 23. Jänner. 5»* Abends, Erdbeben in Wien bei SUdoststurm (Littrow, Met. Beob. IV, S. 363). 

1841. 13. Juli. Etwa P30 Nachm. ein Erdstoss, welcher in Neustadt so heftig war, dass viele Häuser 
und Mauern beschädigt wurden; an der Wiener Sternwarte wurden um P34 einige kaum merkliche Erdstösse 
bemerkt, welche von Nord gegen SUd gerichtet schienen, dagegen trat zur selben Zeit zu Unter-Plank im 
Kampthale eine nicht unbeträchtliche Erschütterung ein (Boehaim, Chron. v.Wr. Neustadt, II, S.53; Keib- 
linger, Gesch. v. Melk, IIb, S. 94; Littrow, Met. Beob. V, S. 53). 

1842.31. Juli. T^'Hl Abends bei vollkommener Windstille ein starkes Schwanken des Mittagszeichen- 
Drahtes der Wiener Sternwarte; um dieselbe Zeit ein Erdbeben in Ungarn (Littrow, Met. Beob. V, S. X). 

?1843. 8. Dcbr. 1 Uhr Nachm. Erschütterung zu Wien, begleitet von einem Geräusch wie von dem Falle 
eines schweren Körpers (Perrey, 394; ohne Bestätigung). 

1844. 25. Juni. Heftiger Sturm und Ilagelwetter zu Lud weis und Drösiedl, zugleich ein Erdbeben. 
Im Sclilosse zu Drösiedl stürzten die zur Hälfte gemauerten Scheuem ein und eine Hauptmauer des Schlosseiri 
wurde zersprengt (Bezirks-Vorst. Hufnagel nach Aufzeichnungen im Stifte Altenburg). 

1846. 27. Jänner. 2 Uhr Morgens bemerkt Perrey (S. 413) eine Erschütterung in Wien. 

1847. 30. August. 2 Uhr Morgens, ein erster Stoss zu Mür zzuschlag, um halb 3'' Nachm. ebendaselbst 
ein stärkerer Stoss mit unterirdischem Rollen, welcher auf der ganzen Linie über Brück bis Gratz bemerkt 
wurde (Morlot in Ilaidinger's Bericht III, S. 249). 

1854. 12. Sept. G**30 Abends, heftiger Erdstoss mit minenartiger J]xplosion, so dass die Mauern zitterten 
und Fenster klirrten, in der Glasfabrik zu Josephs thal bei Litschau. Unterirdisches Rollen soll schon einige 
Tage vorher beobachtet worden sein. Derselbe Ort ist durch drei Jahre öfters erschüttert worden; der Aus- 
;:angspunkt der Stösse lag unter dem Eulenberge bei Litschau, nahe der böhmischen Grenze (J. Schmidt 
im Jahrb. d. k. k. geograph. Gesellsch. II, 1858, S. G9). Um 9^ u. 0''15 schwächere Stösse. 

1854. 13. September 2*'15 Morgens, heftiger Erdstoss ebendaselbst, gleich darauf ein schwacher. Um 4**15 
und 9** Morgens und 7'' Abends schwache Stösse. 

1855. 1. Februar, dann Mai bis August eine Reihe schwächerer Stösse zu Josephsthal bei Litschau, 
welche in einem Umkreise von etwa 2 — 3 Stunden bemerkbar waren. 

1850. 9. Jänner 10—11 Uhr Abends bemerkt Perrey (Mem. Belg. VIII) einen Erdstoss in Wien (vgl. 
9. Jänner 1858 bei Perrey, Mem. Belg. XII, S. 28). — Am 12. Jänner zu Gresten? (Kluge, Erdbeben 
V. 1850—57). 

1856. 26. Jänner. 8*^45 Abds. zu Josephsthal bei Litschau zwei schnell aufeinanderfolgende sehr heftige 
Erdstösse ; selbst hölzerne Gebäude wurden stark erschüttert und leichte, freistehende Gegenstände umge- 
worfen. — {}^b Abends schwacher, entfernter Knall. 

1856. 27. Jänner, 12H5 Morgens, noih ein sehr heftiger Erdstoss, so dass Gläser auf einem Tische zu- 
sammenschlugen und klirrten. 

1856. In der Nacht vom 2. auf den 3. Febr. in Brück a. d. Mur ein leichter Erdstoss mit donnerähn- 
lichem Rollen; in Aflenz mit der Richtung aus Südost bemerkt; am 15. März abermals in Aflenz (Perrey). 

1857. 7. April. Gegen 10'75 Nachts ein verticaler J^rdstoss zu Kindberg in Steiermark mit starkem 
Klirren der Fenster, stellenweise auch Schwanken der Sessel unil Tische. Auch zu Stainz und in der Gebirgs- 
^^emeinde Veitsch verspürt ((iratzer Ztg.). 

1857. 16. Juli. Erdstoss von mittlerer Stärke; an den folgenden Tagen schwächere zu Josephsthal 
bei Litschau. 

1857. 27. Juli 12*" Mittags, 28. Juli 11^ Morgens, 29. Juli b"" Abends bedeutende Erdstösse ebendaselbst, 
in der Richtung von Südwest gegen Nordost. 



[91] Dif^ Erdbeben NietJeT'Ö^sff^rrrfchs. 31 

1857. 29. Sept. 1^ Abends, ein heftiger Erdstoss ebenda, gleich jenem vom 12. Sept. 1854; 30. Sept. 
7** Abends folgte der heftigste von allen. Alle Gebäude erzitterten in ihren Fundameuten und das Laub der 
Bäume gericth in starke Bewegung. Die Richtung der Stösse war dieselbe. Bei diesem und dem früheren 
Stosse ward das rollende Geräusch in der Luft liörharer, sowie die Stösse in ein Rollen übergingen, das 
man unter den Füssen durchlaufend verspürte (vgl. J. Schmidt a. a. 0.). 

1857. 1. October. Schwächerer Stoss ebendaselbst; 4. October 9** Abends ebenso, Richtung- beiläufig Süd- 
nord. Die Verbreitung der Erschütterungen im Jahre 1857 etwas grösser als früher. 

?18r)8. 19. Jänner. 10»» und ISt/j»" Nachts in Wien (Perrey, Mera. Belg. XH, S. 31). 

1858. 8. u. 10. April. Starke Erdstösse zu Josephsthal bei Litschau (nach eingczogencMi Erkundigun- 
gen scheinen seither an dieser Stelle keine Erdstösse mehr bemerkt worden zu sein). 

1858. 29. August 1** schwacher Stoss zu Leoben (Perrey). 

1858. 2H. Nvbr. 2^ Morgens, Erschütterung in Neustadt (Zeitungsnachrichten). 

1SG2. (). Juli, 9'*20 Abends zu Krems, wellenförmig, von Nord gegen Süd, mit schwachem, donnerähn- 
lichem Getöse (Bou6 bei Perrey, Mem. Belg. f. 1804, S. 155). 

1862. 8. August 11**15 Morgens, Schottwien gegen Gloggnitz, ziemlich heftiger Stoss von Ost gegen 
West, mit donnerähnlichem Geräusch (Bouö und Jeitteles ebend. S. 158). 

1862. 22. Nvbr. 5**40 Morgens zu Krems und Mautern sehr starker Stoss von Nordwest gegen Südost, 
zuerst ähnlich der Explosion einer Mine, begleitet von donnerähnlichem Rollen; 5 Minuten später nochmals 
schwächeres Rollen ohne Stoss (Boue und Jeitteles ebend. S. 169). 

1863. 19. Juni 12*'10 Mittags, Erderschütterung mit Getöse zu Trof ajach, Leoben, Eisenerz und 
Gratz (Jeitteles und Boue bei Perrey, Mem. Belg. XVIII). 

186;3. Nacht vom 12. — 13. Dcbr. Eine leichte Erschütterung in Wien während eines Sturmes (Boue bei 
Perrey, Mem. Belg. 1869, p. 207). 

1864. 2\j. Octbr. Abends, dann in der Nacht und am folgenden Tage wiederholte Erschütterungen zu 
Kapfenberg, zu Leoben, Knittelfeld, Eisenerz und an anderen Orten dieses Thelles von Stfver- 
mark (Bou6 und Jeitteles bei Perrey, Mem. Belg. XVIII, S. 85). 

1867. 10. April. 4H5 Morgens, ein nicht bedeutendes Erdbeben in den Kohlengruben im See graben 
nordöstlich von Leoben (Miller v. Hauenfels in Meteorol. Ztschft, 11, S. 215). 

1867. 24. April. 7** Morgens, heftiges Erdbeben in Leoben und St. Stefan (im Murthale); theils in 
Rütteln bestehend, theils in Stössen (Fuchs in Ztschr. d. deutschen Alpenvereins f. 1872, S. 3; Griese- 
bach, Mitth. d. k. k. geogr. Gesellsch. f. 1869, citirt dieses Erdbeben im J. 1868). 

1868. 19. Dcbr. P Mitt., Erdstoss zu Wr. -Neustadt, von Nord gegen Süd (Jahrb. f. Mineral, f. 1869). 

1869. 25. März 6*^20 Erdbeben zu Spital am Semmering (Falb, Sirius II, S. 62; Jahrb. f. Mineralog. 
1870; Fuchs, Ztschr. Alp. Ver. S. 3). 

1870. 18. Jänner. 1^15 Morgens, eine Erderschütterung mit donnerähnlichem Getöse zu Göstritz in der 
Nähe des Semmering; sie dauerte etwa 5 Secunden in der Richtung von Südost nach Nordwest und hat in 
manchen leichtgebauten Häusern Risse erzeugt. Sie wurde zu Neunkirchen, Reichenau und Gloggnitz bemerkt; 
insbesondere in Reichenau beobachtete man auch das dumpfe Rollen; Geschirre fielen herab, Thtiren wur- 
den geöffnet u. s. w. (Meteorol. Ztschr. V, S. 9(>). 

1871. 21. April. Erderschütterung zu Brück a. d. Mur; mit Detonation (Fuchs, Ztschr. Alp. Ver. S. 4). 

1872. 10. Jänner. Erdbeben in Schottwien (Dieffenbach, Plutonismus u. Vulkanismus S. 96). 

1873. 3. Jänner zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags zu F ranken fei s im Pielachthale. 

1873. Am selben Tage, kurz vor 7** Abends am Hummelhofe und im Eichgraben bei Alt-Lengbach, 
sowie längs der Linie Grillenberg-Wildberg (vgl. Abschnitt I). 

1873. Am selben Tage um 10*" Abends zu Klausen-Leopoldsdorf. 

1873. 4. Jänner ;V Morgens zu Wilhelmsburg, Statzendorf und gegen Mautern. 

1873. 6 Jänner. Zwischen 10*» und 1 T Vormittags zu Wie sei bürg im Erlafthale. 



32 Eduard Suess. [92] 



V. Abschnitt. 
Schlussfolgerungen. 

Nieder-Osterreich wird häufig von Erdbeben heimgesucht, diese richten jedoch selten grössere Verhee- 
rungen an. In Bezug auf den Ort ihres Auftretens sind die Erdbeben vornehmlich an gewisse Linien und 
Punkte gebunden. 

Aus den Erhebungen, welche nach dem 3. Jänner 1873 gesammelt wurden, geht hervor, dass an diesem 
Tage die grösste Wirkung sich am Hummelhofe bei Altlengbach zeigte und dass die heftigeren Erschtttte- 
rungen längs einer Linie erfolgten, welche aus der Gegend von Grillenberg bei Hörnstein sich durch 
12»/2 Meilen bis Wildberg bei Messern im Bezirke Hom verfolgen lässt. 

Auf derselben Linie sind schon oft Erdstösse vorgekommen. Das Maximum v(^ni 15. September 1590 bei 
Thurm Und Rappoltenkirchen föllt ganz nahe mit jenem am Hummelhofe zusammen. 

Am 26. und 27. Februar 17G8 blieb gerade die im Jahre 1873 erschütterte Strecke ruhig, dagegen 
wurden die beiden Fortsetzungen dieser Linie, einerseits Brunn und Neustadt und anderseits Pocatek und 
andere Orte in Böhmen , heftig getroflfen. 

Am 13. Juli 1841 traf auf derselben Linie ein Erdstoss zugleich Neustadt und Lnter-Plank (im 
Kampthale). 

Ebenso fallt in diese Linie die leichte Erschütterung zuDrösiedl unweit Messern vom 25. Juni 1844. — 

Nicht minder wichtig ist eine zweite Linie, welche allerdings grösstentheils ausserhalb Nieder-Osterreich 
liegt, und welche die Niederung von Neustadt mit dem berühmten Schüttergebiete von Villach verbindet. Es 
reicht hin, auf dieser Linie folgende Maxima einzelner Erdbeben zu nennen: 

aj Schottwien: 26. Febr. 1583; 18. Jänner 1783; 8. August 1862; 10. Jänner 1872. 

/jj Semmering: 8. Juni 1830; 25. März 1869 (Spital am Semmering); 18. Jänner 1870 (Göstritz). 

cj Mürzzuschlag: 3. Nvbr. 1784; 17. Nvbr. 1811; 5. Octob. 1829; 14. März 1837; 30. August 1847. 

dj Krieglach: 4. October 1811. 

e) Kindberg: 1267; 7. April 1857. 

/; Kapfenberg: 26. October 1864. 

!/) Brück: 3. Febr. 1856; 21. April 1871. 

/ij Leoben: 6. Febr. 1794; 26. Juni 1830; 29. Aug. 1858; 10. April 1867 (im Seegraben); 24. April 1868. 
An diese schliessen sich in gerader Richtung andere bisher nicht erwähnte Punkte an, wie 

iJ Knittelfeld: 26. und 27. October 1864 (siehe Kapfenberg). 

kj Judenburg: Mai und Juni 1812; 8. Juni 1813; 3. Mai 1843; 19. Juni 1857. 
Von welchen Schottwien, Semmering, Mürzzuschlag, Leoben und Judenburg, durch die Häufigkeit der Fälle 
ausgezeichnet sind. Es trifft aber die weitere Fortsetzung dieser Linie nicht nur unmittelbar in das grosse, 
durch die gewaltigen Erdbeben von 1348, 1572, 1580, 1690 u. a. berühmte Schüttergebiet von Villa eh, 
sondern scheinen sich , so weit unsere Überlieferungen reichen, die Stösse von Villach stets auf dieser Linie 
bis Neustadt und Wien fortgepflanzt zu haben (z. B. am 4. Dec. Io90). 

Die beiden eben verfolgten Linien stellen sich in der Natur auf eine sehr verschiedene Weise dar. 

Die erste, bei Brunn beginnend, durchschneidet quer das Streichen der äusseren Zonen der Alpen, ebenso 
die mitteltertiäre Ebene und das Donauthal, und dringt, ohne ihre Bichtung zu ändern, tief in die altkrystal- 
linischen Gebiete Mährens und sogar Böhmens ein. Auch die Gestaltung der Oberfläche verräth auf keine 
Weise ihren Verlauf und nur durch eine kurze Strecke folgt sie dem Kampflusse. 

Die zweite Linie, gegen Südwest gerichtet, liegt ganz in den Alpen. Sie quert zwar anfangs den Sem- 
mering, fallt aber weiterhin bis Brück mit dem Thale der Mtirz und von da an bis Judenburg mit dem Thale 



[98] Die Erdbeben Nuder^Österreichs, 33 

der Mur zusammen, welche beiden Thäler auf dieser langen Strecke eine einzige, quer durch Steyermark 
hinlaufende Furche bilden. Sie ßlllt also mit einer auflFallenden Tiefenlinie der Erdobei-fläche zusammen. 

Die erste Linie werde ich der Kürze halber fortan die Kamplinie, die zweite aber die Mtirzlinio 
nennen. — 

Die Bedeutung dieser beiden Linien und der Zusammenhang der seismischen Erscheinungen in Nieder- 
Osterreich überhaupt können nicht beurtheilt werden, ohne dass die auf der Oberfläche erkennbaren Grund- 
ztige des Baues der Gebirge in diesen Gegenden gleichzeitig betrachtet werden. Ein Theil des Landes, von 
Nordwest bis Melk, Krems, Eggenburg und Retz herab ist aus alten Felsarten aufgebaut und gehört der 
grossen böhmischen Masse an. Der südliche und östliche Theil bis zum Wienerwalde und Bisamberge herauf 
gehört zu den Alpen. Zwischen der böhmischen Masse und dem äusseren Saume der Alpen liegt die lang- 
gestreckte Ebene von St. Polten, Tulln, Mistelbach und Feldsberg. 

Ausser diesen drei Elementen umschliesst aber Nieder-Osterreich noch eine Ebene, welcher Wien und 
Neustadt angehören, welche innerhalb der Alpen und auf einer Senkung derselben Hegt. Die nördliche 
llmgrenzung dieser inneralpinen Niederung fallt zum grossen Theile nach Mähren; ihre Känder sind durch 
keine besonderen Erscheinungen ausgezeichnet. Gegen Ost, wo die Felsarten der Mittelzone der Karpathen 
unter dem Namen des Rosalien-Gebirges, des Leitha-Gebirges und der Hundsheimer Berge die unvollständige 
Umrahmung bilden, tauchen die Hcihiuellen von Mannersdorf und Altenburg an denselben hervor; viel bemer- 
kenswerther aber ist der südliche Theil des Westrandes, welcher längs der Kalkalpen sich als ein Abbruch 
darstellt, welclier das Streichen kreuzt, und auf diesem Abbruche kommen die Thermen und Schwefelquellen 
von Winzendorf (Seilerbrunn), Fischau, Brunn, Vöslau, Baden und dem Theresienbade in Meidling hervor. 
Diese Linie ist die Therm enlinie von Wien genannt worden; sie läuft thatsächlich in ihrer Fortsetzung 
nahe unter der Stadt Wien durch K 

Auf der Thermenlinie, an der Stelle, an welcher sie von der Kamplinie gekreuzt wird, bei den Thermen 
von Brunn, traf der Hauptstoss des grossen Erdbebens vom 27. Februar 17G8 ein. Etwas nördlich davon, in 
der Richtung der Thermenlinie liegt Wöllersdorf, wo man schon zwei Tage früher ein unterirdisches Getöse 
wahrgenommen haben wollte. Weiterhin folgt auf derselben Linie die merkwürdige Stelle, an welcher am 
i.-J. April 162() aus der erbebenden Erde zum ersten Male der „heilsame Brunnen" emporstieg. Hierauf 
folgt Leol>ersdorf, welches im Jahre 1763 eine sehr heftige, aber wie es scheint ganz locale, wenn auch 
vielleicht mit einem ungarischen Erdbeben gleichzeitige Erschütterung erlitt. Das Erdbeben von 1768 hat 
bei Enzesfeld und Baden eine Vermehrung von Quellen gezeigt; bei Gainfarn wurde stets die Fortpflanzung 
von Süd gegen Nord deutlich beobachtet. Weiter gegen Nord shid auf der Thermenlinie selbständige Maxi- 
malpunkte von Erdbeben nicht bekannt, denn trotz der sehr grossen Anzahl von Fällen, welche aus Wien 
angeiiihrt wenlen, und trotz des Umstandes, dass einzelne Erschütterungen in Wien als sussultorische be- 
zeichnet werden, nehme ich Anstand, Wien selbst als einen habituellen Ausgangspunkt von Erdbeben zn 
])ezeichnen. Die grössere Zahl der Angaben aus Wien rührt ohne Zweifel von der grösseren Vollständigkeit 
der Aufzeichnungen her und was den sussultorischen Charakter der Stösse oder, um mit Herrn Mallet zu 
sprechen, ihre steile Kniergenz betriflTt, so dürfte die Ursache die folgende sein. 

Die zum Theile sehr genauen Aufzeichnungen des vorigen Jahrhunderts lassen keinen Zweifel darüber, 
dass in Wien zuweilen seitliche und zuweilen andere, mehr sussultorische Stösse eintreffen. Ebenso sicher ist 
es, und diess konnte auch in diesem Jahre deutlich bemerkt werden, dass nahe gelegene Stadttheile mit sehr 
verschiedener Intensität erschüttert werden. Die Stösse, welche von der Mitte der Kamplinie in Wien ein- 
reffen, oder Jene, welche aus Ungarn kommen, werden stets seitliche sein, aber jene, welche aus dem Süden 
kouimen, dürften längs der Thermenlinie unter Wien sich als verticale Stösse fortpflanzen, gerade so, wie am 
8. Jänner d. J. der Hauptstoss am Hummelhofe sich auf der ganzen Kamplinie von Grillenberg bis Messern 
als nahezu verticale Erschütterung zeigte. 



1 Bericht der Wasserversorgungs-Commission der Stadt Wien, 4®, 1864, S. lOS. 



34 Eflita) d Safas, [94 

Hiernach hätte man eine zweifache Art der Verbreitung der Erdbeben in Nieder- Osterreich an/.iiueh- 
uien, nämlich eine mittelbare , wobei die Fortpflanzung durch die in Schwingungen versetzten Massen der 
Erdrinde vermittelt wird und eine unmittelbare, nach gewissen durch Jahrhunderte constanten Linien, welche 
Zerreissungsspalten oder Verwerfungen oder irgend eine andere Discontinuität der Erdrinde darstellen. Nach 
der älteren Ausdrucksweise würde dann der ganze Verlauf der Linie sussultorischer Stösse als Foeus auf- 
zufassen sein, wie dies z. B. Herr Mallet in seiner schönen Monographie des Neapolitanischen Erdbebens 
von 1857 fWr die Linie Pertosa-Baldano gethan hat. Hieraus geht aber zugleich hervor, wie verschieden 
die Resultate sein mögen, welche in Betreff der Fortpflanzungsgeschwindigkeit erreicht werden, wenn die 
in Beobachtung gezogenen Distanzen nicht anuähc^rnd senkrecht auf der Hauptlinie stehen. Zugleich erklärt 
sich die Verschiedenheit der Stossrichtungen z. B. in Baden, wo über der Thermcnlinie sussultorische oder 
auch von Süd gegen Nord gerichtete, gegen das Gebirge hin aber schräge Erschütterungen oder Undnla- 
tionen aus West oder Nordwest mit diesen Voraussetzungen übereinstimmen würden. — 

Betrachtet man nun die Umgebung von Neustadt als den südlichen, keilförniig sicli verschmälemden 
und am schärfsten durch Bruchränder abgegränzten Theil des grossen Senkungsfeldes, so tritt auch ilie 
Bedeutung der seismischen Linien in anderer Weise als bisher hervor. Die Mürzlinie entspricht nahezu der 
Fortsetzung des keilförmigen Endes der Niederung oder der Thermenlinie selbst, die Kami)linie dagegen 
geht radial von ihr aus. Wo beide Linien sich unter der Ebene schneiden, d. h. unter der Stadt Neustadt, 
befindet sich die Stelle , welche öfter als irgend eine andere in Nieder- Österreich die Quelle von Erdbeben 
gewesen ist. 

Neustadt wird als Ceutruni genannt in den Erdstössen von 1281, 18. Mai 1282, 20. September loS 7, 

27. August 1()()8, 10. April 1712, 15. und lO. Juni s 8. Juni 1740 «, Febr. 17G8 (mit Brunn), 5. Febr. 1769, 
;j. Dcbr. 1778, 18. Febr. 1788, 18. Nvbr. 1770 i, 29. und :J0. Oct. 1802, 13. Juli 1841 (mit L'nter-Plank), 

28. Nvbr. 1858, 19. Dcbr. 1868, also seit sechs Jahrhunderten, und w^enn die Aufzeichnungen so ausführlich 
wären als für Wien, so wäre die Zahl der bekannten Fälle gewiss eine noch w^eit grössere. — 

Es zeigt sich ferner, dass zu wiederholten Malen während auf der Kamplinie ein Erdbeben ausserhalb 
<ler Thermenlinie eintrat, zugleieh, oft in einer Entfernung von vielen Meilen, innerhalb der Thermcnlinie, also 
im Senkungsfelde, irgend ein Punkt local auf das stärkste betroifen wurde. Die folgenden Beispiele lehren es. 

aj 1590. 29. Juni Erschütterung an der Kamplinie. — Weit davon, innerhalb des Senkungsfeldes, in 
Ebreichsdorf, ist der Stoss so heftig und so steil, dass Wasser aus den Brunnen geworfen wird. 

b) 1590. 15. Sept. Verheerendes J>dbeben an der Kamplinie. Hauptstoss bei Thurm und Uap polte n- 
kirchen unweit Alt-Lengbach. — Weit davon, innerhalb des Senkungsfeldes, wird Traiskirehen zerstört; 
v(0 Häuser stürzen daselbst ein. 

cj 1768. 26. Febr. Grosses Erdbeben in zwei Revieren; das eine umfasst den n«irdlieheren Theil dtT 
Kamplinie in Mähren und Böhmen, der zweite Brunn und Neustadt. 

dj 1841. 13. Juli. Erdbeben ziemlich heftig zu Neustadt, zugleich in grosser Entlernung davon zu 
Unter-Plank an der Kamplinie. 

Während aber wiederholt und gerade beiden beiden verheerendsten Erdbeben, welche überhaupt aus 
Nieder-Osterreich bekannt sind (15. Sept. 1590 und 26. Febr. 1768) getrennte Maxhna boobarhtet wurden, 
von denen das eine innerhalb oder an der Thermenlinie, das andere an der Kamplinie lag, verhalten sich die 
Erscheinungen an der Mürzlinie etwas anders. 

Getrennte Maxima, deren eines dem Senkungsfelde, das andere der Mürzlinit» angeh()ren würde, sind 
mir nicht bekannt. Nur einmal, am 14. März 1837, wird bei einem Stosse, der von Mürzzuschlag ausgeht, eine 
heftigere Wirkung bei Ebreichsdorf bemerkt. Die grossen Stösse von Villach oder Leoben pflanzen sich über 
den Semmering und Schottwien und weiter wie es scheint, längs der Thermcnlinie fort; sie langen oft mit 



« Für diese Fälle iehlen mir H«\st;lti;4:Mii;;<.Mi aus h)calen Quelleu. 



[95] Die Erdbeben Nieder-Österreichs. 35 

merkbarer Stärke in Wien an. Es treten hier aber noch besondere Fälle ein, welche ohne ein eingehenderes 
Studium der südlichen Stossg:ebiete nicht zn erklären sind. Ich kann dermalen nur einige Andeutungen 
geben. 

1. Am auffallendsten sind die Erscheinungen vom 4. December 1690. Eine grosse Erschütterung ver- 
wüstete Villach und seine Umgebung, pflanzte sich nach der MUrzlinie fort und beschädigte den Stephans- 
thurm in Wien. Gleichzeitig trat ein zweites Maximum, wenn auch nicht mit so verheerender Gewalt, in 
grosser Entfernung, bei Meissen in Sachsen hervor. Vereinigt man jene Orte dieser Gegend, an welchen die 
Glocken zum Anschlagen gebracht wurden, durch Linien, so ergibt sich ein Dreieck, dessen Ecken Dresden, 
Wittenberg und Naumburg sind, dessen Spitze gegen Südost gerichtet ist, und in welchem Meissen excen- 
tvisch und näher der Spitze Hegt. Insoweit nun diese Angaben vollständig sind, scheint der Stoss sich daher 
von Meissen hauptsachlich gegen Nordwest ausgebreitet zn haben. 

Wenn man nun bedenkt, dass am 15. September 1590 bei der grossen Erschütterung an der Kamplinie 
die Bewegung in der geraden Richtung dieser Linie über Prag hin so weit reichte, dass noch in Leitmeritz 
die grosse Thurmglocke bewegt wurde «, so entsteht die Frage, ob nicht etwa wirklich die Stösse der Kamp- 
linie als bis nach Sachsen reichend anzusehen sind. 

Zugleich traf zwischen diesen beiden Punkten, Vilhu*h und Meissen, welche gleichsam die Endpunkte 
der verlängerten Mürz- und Kamplinie andeuten würden, im schwäbischen Jaxtkreise eine Erschütterung 
bei Schloss Rechberg ein. 

l\ Als am G. Februar 1794 Leoben von einem starken Erdbeben heimgesucht wurde, schien sich die 
Erschütterung nach zwei Linien fortzupflanzen, nämlich auf der Mürzlinie gegen Nordost über Mürzhofen und 
Kindberg und auf einer zweiten gegen Nordwest gerichteten Linie über Mautern und Kalwang, welche zu 
der später zu erwähnenden SchUtterregion der Umgebung von Admont führt. 

)^. Man findet in den vortrefflichen Katalogen des Herrn Pcrrey für 1857 2 eine Reihe von Angaben, 
welche eine merkwürdige Ubereinstimujung von Stössen zu Rosegg bei Villach mit solchen aus der Umge- 
bung von Admont zeigen, und welche grösstentheils von den Herren Bou^ und J. Schmidt herrühren. Sie 
beginnen zu Weihnachten 1857. Ich weiss nicht, ob die Zeiten reducirt sind, auch widersprechen sich hier- 
über die Angaben, und begnUge mich daher mit der Wiederholung folgender Beispiele von Tagen: 

Kärnten. Nördl. Steiermark und Ob er -Ost erreich. 

24. Dcbr. zu Rosegg Wiederholte Stösse zu Spital, Windisch - Garsten, 

Lietzen und Admont. 

25. Dcbr. Morgens, wiederholte Stösse zu Rosegg, Morgens zu Lietzen und Wiudisch-Garsten. 
St. Veit, bis Klagenfurt, Tigring, Ossiach . . . Abends zu Windisch-Garsten. 

26. Dcbr Morgens ebendaselbst. 

28. Dcbr. in Kärnten. Nacht zum 29. in Rosegg. 

29. Dcbr. Rosegg. 

Die Berichte der k. k. meteorologischen Central-Anstalt erwähnen ausdrücklich, dass die Stösse vom 24. 
wohl in Spital, Windischgarsten, Lietzen, Admont und Rottenmann verspürt wurden, aber weder in Aussee, 
noch in Lcoben. 

4. Bei der grossen seismischen Bewegung vom 25. Jänner 1348 scheinen in der That Villach und Basel 
zu gleicher Zeit zerstört worden zu sein. 

Alle diese Beispiele lehren, dass an der nördlichen Seite der Mürzlinie ein cigenthümlicher Zusammen- 
hang dieser Erscheinungen herrscht, dessen Einzelnheiten sich noch nicht übersehen lassen. - 



* Leitmeritz ist auch z. B. am 2^. März 1511 von einem heftigen Erdbeben betroffen worden. 
« Mem. Acad. Belg. X. 



36 Eduard Suess. [96] 

Es sind bisher in Nieder-Österreich die Stösse der Kamplinie, der MUrzlinie, der Thermenlinie und jene 
des Senkungsfeldes innerhalb der Thermen erwähnt worden. Nieder-Osterreich besitzt aber noch eine Anzahl 
sporadischer, zum Theil auch habitueller Stosspunkte, welche keiner dieser Gruppen angehören, aber auch 
niemals die Ausgangspunkte grosser Erdbeben gewesen sind. Diese sind: 

1. Das Klosterthal und die Lengapi est ing bei Gutenstein. Ein vereinzelter, ziemlich heftiger Stoss 
am 30/31. Jänner 1830. 

2. F rank euf eis im oberen Pielachthale kann nur wegen des einen Stosses genannt werden, welcher 
am 3. Jänner 1873 beiläufig um sechs Stunden dem Hauptstosse an der Kamplinie voranging. 

3. Wieselburg a. d. Erlaf kann ebenso nur wegen des einzigen Stosses vom 6. Jänner 1873 erwähnt 
werden. 

4. Der Eulenberg westlich von Li tschau, von welchem vom September 1854 bis zum October 1857 
zahlreiche mehr oder minder heftige Stösse ausgegangen sind, welche sich jedoch niemals weit verbreiteten. 

Die einzelnen Stösse, welche z. B. zu Krems und St. Polten aus verschiedenen Jahren erwähnt werden, 
sind aller Wahrscheinlichkeit nach auf Erschütterungen an der nahen Kamplinie zu beziehen. 

Jenseits der Grenzen Nieder- Österreichs sind ausserhalb der Alpen als locale Schtitterpunkte etwa 
Hohenfurt im südlichen Böhmen «, die Gegend von Gallneukirchen und Steieregg nordöstlich von Linz « 
und Kremsmünster, wo das Mitfühlen des Stosses vom 3. Jänner 1873 bei Sipbachzell bemerkenswerth ist, 
zu erwähnen. In den Alpen nenne ich Ischl, Alt-Aussee a und als die wichtigste dieser Stellen die Umgebung 
von Adniont bis Windisch-Garsten, Hinter-Stoder und Lietzen, welche Region sich über Eisenerz * und Trofa- 
jach mit der Mürzlinic bei Leoben verbindet. Es ist hier nicht meine Aufgabe, dieses Gebiet zu besprechen ; 
nur um seine Bedeutung hervorzuheben, erinnere ich an das Erdbeben von Hieflau vom 4. Februar 1830, an 
jene von Vorder- und Hinter-Stoder und Windisch- Garsten vom 14. Mai 1856, 3. October 1856 und 8. Novem- 
ber 1870 und in dem oft erschütterten Admont an das merkwürdige Erdbeben vom 15. Mai 1826, welches 
aus dem Gsäus zu kommen schien und sich über Rottenmann und Gallenstein auszudehnen schien 5. 



Die Feststellung des Alters der Einsenkung der Alpen bei Wien ist das Ziel vieler und mühsamer Unter- 
suchungen gewesen. Während von Baiem her, über Linz, Wallsee und Melk bis Wiedendorf und über Hörn 
hinaus sich an die Lehnen der älteren Felsarten tertiäre Ablagerungen anschmiegen, deren Beginn beiläufig 
dem Alter des Cyrenen-Mergcls zufällt, in deren unterem Theile Cerühium margarüaceum das wichtigste 
Fossil ist und welche wir unter dem Namen der älteren MediteiTanstufe zu bezeichnen pflegen, treten diese 
Schichten doch nirgends an den Saum der Alpen heran oder gar in das Senkungsfeld von Wien hinein. 
Es beginnt die Schichtfolge schon in dem kleinen, ganz innerhalb der Flyschzone liegenden Becken von 
Komeuburg, z. B. bei Stetten, mit einer kleinen Lignit- Ablagerung, welche in enger Verbindung steht mit 
marinen Ablagerungen, in denen Cerith. Ugnüamm und Pyrula comuta heimisch sind. Diess ist ein Theil 
unserer jüngeren Mediterranstufe. Dieselbe Lignit -Ablagerung ist es, welche bei Ritten und an anderen 
Orten, die Reste der Landfauna von Simorre umschliessend, die Reihe der tertiären Ablagerungen eröfi^net 
und auf ihr lagern die Thone mit Cerith, lignüarum. Aber auch ausserhalb Nieder-Osterreich, bei Ritzing 
in Ungarn und weit nach Steiermark hinab inSi man dieselbe Reihenfolge an. Bei Pols unweit Wildon ist 
es z. B. ein mariner Sand mit Cerith. lignitarumy Fyrula comuta und Tugonia nnatina jenem von Nieder- 
Kreuzstätten in der Niederung von Korneuburg ganz ähnlich, welcher über Lignit die tertiären Meeresabla- 



1 28. Mai 1818. Siehe besond. Wiener Zeitung vom 10. Juni 1818. 

« 3., 13., 23. oder 25. Juli 1785 (Hoff V, 71, 73). 

» z. B. 10. Febr. 1847. Haidinger's Bericht II, S 323. 

* 24. Juli 1805, 25. Juli 1843 zugleich mit Gratz und Temeswar. 

^ Aufgenommen in die Liste des III. Abschnittes. 




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f97J Die Erdbeben Nieder^ Österreichs. - - \ 37 

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gerungen beginnt, and die ausgedehnten und fleissigen Arbeiten von Stur lassröiv d^e eigenthümliche 
Übereinstimmung längs des Aussenrandes der Alpen, soweit nicht eine Transgression nöqjl jüngerer Glieder 
stattfindet, mit Sicherheit erkennen. 

Erst der Nordrand des Pachergebirges macht wie es scheint ein Ende. 

Der übertritt des Meeres über die Alpen erfolgt also zur Zeit des Certth, Ugnäarum und dfet Pyf'ula 
cornuta. Er findet statt in Gegenden, in welchen vorher eine Lignit-Bildung abgelagert wurde ; es warö.tf*. 
Niederungen, welche wahrscheinlich von süssem Wasser eine Zeitlang erfüllt waren, an dessen Ufern dfe*A.' 
Säugethiere von Pitten und Eibiswald lebten, welche der Fauna von Simorre entsprechen. 

Das wesentliche Ereigniss, welches in unseren Gegenden zwischen der älteren und jüngeren Mediterran- 
stufe als trennend angesehen werden kann, ist in der That das um diese Zeit stattfindende übergreifen 
des Meeres über die Alpen bei Wien. Wenn auch an vielen Punkten Ungarns allerdings die Ablagerungen 
der älteren Mediterranstufe zu finden sind, so sind dieselben doch in dem ganzen Gebiete dieser Senkun- 
gen von Korneuburg an am Aussenrande des Gebirges bis zum Pachergebirge hin mir wenigstens nicht 
bekannt. 

Es wird die Aufgabe einer späteren Arbeit sein, zu zeigen, wie diese Transgression in anderen Theilen 
der Alpen sich bemerkbar macht; fllr jetzt reicht es hin, zu wissen, dass im Becken von Korneuburg, im 
nneralpinen Becken von Wien und an dem ganzen Bande der ungarischen Ebene von Eitzing unweit Oden- 
iburg bis zum Pachergebirge die Anlagerung der tertiären Meeresschichten mit Bildungen einer und der- 
selben Zeit beginnt. 

Diese drei Niederungen stellen aber ebenso viele selbständige Brüche oder Abrisse oder Senknngs- 
gebiete vor, und trotz der muthmasslichen Gleichzeitigkeit der überfluthung kann man die Bruchlinie der 
nordöstlichen Alpen bei Graz nicht als die Fortsetzung jenes Bruches oder jener Senkung ansehen, auf wel- 
cher Neustadt steht. Es wird vielmehr aus dem Gesagten wahrscheinlich, dass es verschiedene Zerreis- 
sungs- oder Bruchlinien in den Alpen gibt, welche in verschiedenen Strecken das Ufer des über die Alpen 
greifenden Meeres der jüngeren Mediterran-Zeit bildeten, so zwar, dass der Rand der Alpen, welcher Un- 
garn zugekehrt ist, eine erste Zone der Senkung bezeichnet, die Niederung von Neustadt nur als eine 
erweiterte Fortsetzung der Mürzlinie anzusehen ist und mit dieser eine zweite Zone der Senkung andeutet, 
während bei Korneuburg eine kleine dritte Senkungsregion beginnt. 

Die Bruchlinien, welche so grosse Senkungen begrenzen, müssen nicht nur die gesammte Reihe der 
sedimentären Gesteine der Alpen, sondern auch die darunter liegenden älteren Felsarten bis zu sehr grosser 
Tiefe durchsetzen. Ebenso sieht man, dass die Kamplinie ohne eine sichtbare Ablenkung quer durch die 
Kalkalpen, die Flyschzone, die Ebene und einen so grossen Theil der alten Gesteine Mährens und Böhmens 
hinläuft. 



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Während des Druckes dieser Zeilen wurde am 20. Juli 1873 Belluno von einem heftigen Erdbeben 
getrofiFen. Weit ausserhalb des gegen Nordwest durch die Alpen streichenden Schüttergebietes fühlte man 
den Stoss zu Kapfenberg auf der Mürzlinie, und in Wien wurden einige Pendel , z. B. eines an der 
k. k. meteorologischen Central-Anstalt, zum Stehen gebracht. 

Am 11. Juli 1873 etwa um 2 Uhr Morgens erschreckte ein leichter Erdstoss die Bewohner von Glogg- 
nitz (Prof. Rochleder u. A.). 



(jj««»».) 



38 ^.Eduard Suess. Die Erdheben Nieder- Österreichs. [98] 



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Erklärung der Tafeln. 



-.'-.. Auf Tafel I siud die Regionen der höchsten Wirksamkeit der mir bekannt gewordenen, stärkeren Erderschütterungen 
'. Nieder-Österreichs eingetragen ; der VeiTollständigung der Mtirzlinie halber reicht die Karte im Süden bis Leoben ; im 
äussersten Nordwest liegt der isolirte Stosspunkt bei Litschau. 

Bei Wien wurden keine Jahreszahlen angesetzt, weil kein Erdbeben bekannt ist, dessen Maximum sicher in Wien gele- 
gen gewesen wäre ; die vielen Stösse, von welchen nur Nachrichten aus Wien erhalten sind, mögen ihr Maximum in einem 
ganz anderen Theile des Landes, möglicherweise sogar ausserhalb desselben gehabt haben, 

Wiener-Neustadt, mitten auf dem südlichen Theile der grossen Gebirgslücke gelegen, wird so oft als Centrum seis- 
mischer Thätigkeit genannt, dass es nicht möglich war, alle Jahreszahlen auf der Karte zu notiren. 

Die Mürzlinic mit ihren zahlreichen Stosspunkten tritt deutlich hervor und es ist die Linie angedeutet, auf welcher 
sie sich über das Centrum des grossen Erdbebens von 1768, bei Brunn, mit der Thermenlinie in Verbindung zu setzen 
scheint, welche bif^ Wien reicht. Auf dieser ist der „heilsame Brunnen" mit der Jahreszahl 1626 verzeichnet. 

Von dem schon erwähnten Punkte Brunn bei Neustadt geht die Kamplinie aus , welche auf diesem Blatte nur die 
beiden zusammenfallenden Maxima von 1690 und 1873, dann die kleinen Erschütterungen von Unter-Plank (I84I) und Drö- 
siedl (1844) aufweist. Die muthmassliche Fortsetzung nach Böhmen konnte nicht angezeigt werden. 

Ein Vergleich dieser Linie mit Tafel II lässt sofort erkennen, wie die Region der stärkeren Erschütterung vom 3. Jän- 
ner 1873 mit dieser Linie zusammenfallt. Auf dieser Karte bedeuten volle Kreise die Stellen, an denen Spuren steiler Emer- 
genz des Stosses, z. B. Schläge von oben her bekannt sind. Doppelte Kreise deuten stärkere Heftigkeit, die Pfeile aber 
die muthmassliche Richtung des Stosses an. So verschiedenartig sind aber die Angaben über die Richtung, dass man ent- 
weder zahlreiche ßeobachtungsfehler, oder eine sehr complicirte Ablenkung annehmen, jedenfalls aber auf weitere Schluss- 
folgerungen in dieser Beziehung vorläufig verzichten muss. 

Die Erweiterung der Region stärkerer Erschütterung am äusseren Rand der Alpen, vou Königstetten bis gegen Pyhra 
hin, scheint auch in den Angaben über die Erscheinungen vom \h. September 1590 angedeutet zu sein. 



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AB die Linie der Tkemun/ 

C D Die Kamp 'Linie 

E F Die Miirz-Linie 

( ) abgesonderte, gleiehzeitige Stoss, 
jmnkU innerhalb der Linie der 
Thermen. 



KhMlenimibur^ < 



Omittopktti' 



WIEN 

Mtidtiag 



^ DrÖsirdI 






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(ir bcforc the date last stampcd below.